Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2004
331
Gnutzmann Küster SchrammDie Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb:
121
2004
Peter Ecke
flul3310213
Peter ECKE* Die Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: Zum Stand der Forschung Abstract. Mnemonic techniques are mental procedures used to facilitate the memorization, storage and recall of information. They rely on elaborated associations and imagery or verbal interactions between the to-be-learned target structures and already represented information in memory. This article reviews research on the effectiveness and limitations of the keyword mnemonic method for the learning of foreign language vocabulary. lt discusses and compares the effectiveness of two versions of the keyword method (imagery/ verbal) with non-mnemonic techniques (rote repetition and semantic elaboration), exarnines the suitability of the keyword methods for different tasks (recall of word meaning vs. word form), for different learner types, and for use with different target words. 1. Einführung Mnemotechniken dienen, ganz allgemein formuliert, der Erhöhung der Gedächtnisbzw. Behaltensleistung. Es sind vom Lerner speziell angewandte Verfahren, deren Aufgabe darin besteht, das Einprägen, Speichern und Abrufen neuer Information effektiver und zuverlässiger zu gestalten. Mnemotechniken wurden schon in der Antike beschrieben und angewandt (Y ATES 1966) und werden bis heute zur Lösung zahlreicher Lernprobleme genutzt (vgl. HIGBEE 1996). Da es vor allem in der Anfangsphase des Fremdsprachenlernens darum geht, relativ schnell einen Grundwortschatz aufzubauen (KASPER 1993; NATION 2001; WEISE 1990a), sollten Mnemotechniken von Lernenden wie Lehrenden als ein mögliches Mittel zur Effektivierung des Lexikerwerbs in Erwägung gezogen werden. Dieser Artikel erörtert zwei Varianten der auch unter dem Namen der Keywordbzw. Schlüsselwort-Methode bekannten Mnemotechnik, die speziell für die Effektivierung des fremdsprachlichen (fs.) Lexikerwerbs entwickelt (ATKINSON 1975) und intensiv in empirischen Untersuchungen getestet wurde. Seit Anfang der 70er Jahre wurde eine Serie experimenteller Untersuchungen veröffentlicht, die in ihrer Mehrheit von einer beeindruckenden Überlegenheit der Schlüsselwort-Methode gegenüber anderen Lexiklerntechniken berichteten. Daneben wurden aber auch Studien publiziert, die sich kritisch mit der Schlüsselwort-Methode auseinandersetzten und auf negative Aspekte bzw. Grenzen dieser Technik aufmerksam machten. In diesem Artikel wird versucht den Stand der Korrespondenzadresse: Dr. Peter ECKE, Assistant Professor, University of Arizona, Department of German Studies, Learning Service Building 301, PO Box 210105, TucsoN, Arizona 85721-0105. E-mail: eckep@u.arizona.edu Arbeitsbereiche: Zweitsprachenerwerb, Psycholinguistik, Fremdsprachenmethodik. JF[,1.JL 33 (2004) 214 Peter Ecke Forschung zu resurmeren, auf offene Fragen zur Anwendung und Wirkung der Schlüsselwort-Methode hinzuweisen und auf jene Anwendungsmöglichkeiten beim Lernen und Lehren von fs. Wortschatz zu verweisen, die unter dem gegenwärtigen Erkenntnisstand als angemessen erscheinen. 2. Prinzip, Varianten und Beispiele der Schlüsselwort-Methode Ziel der Schlüsselwort-Methode ist es, die Form-Bedeutungsbeziehung eines neu zu lernenden Wortes zu festigen (ELLIS 1994; NATION 2001). Mit der Methode können also keine Bedeutungen einer unbekannten Wortform aus dem Kontext erschlossen werden. Der Lerner setzt sie erst dann ein, wenn die Bedeutung bzw. Übersetzung der Wortform geklärt wurde und behalten und später wieder abgerufen werden soll. Wenn dann die über die Mnemotechnik eingeprägte Wortform wieder erscheint, kann der Lernende ihre Bedeutung über assoziative Verbindungen (Mediatoren) entschlüsseln bzw. rekonstruieren. Zwei Lernphasen sind Bestandteil der visuellen Schlüsselwort-Methode: In einer ersten Phase erhält bzw. sucht der Lernende ein ihm bekanntes Schlüsselwort (SW), das lautlich dem neuen Zielwort (PIT' russ. = TRINKEN) ähnelt (z.B. PIPI). In einer zweiten Lernphase erhält bzw. generiert der Lernende ein Vorstellungsbild in dem Zielwort- und SW-Begriffe miteinander interagieren (z.B. ein Kind, das gleichzeitig PIPI macht und TRINKT; vgl. Abb. 1). Begegnet der Lernende später der neuen Wortform (PIT') in einem Vokabeltest oder Text, wird zunächst das ähnlich klingende SW (PIPI) assoziiert. Dieses generiert dann die bildliche Vorstellung, in der schließlich der Zielwortbegriff (TRINKEN) zu finden ist (Beispiel von ECKE 1999). Die verbale Variante der SW-Methode beinhaltet als erste Lernphase ebenfalls die Bildung eines, dem Zielwort (STROIT' russ. = BAUEN) phonologisch ähnlichen, gut bekannten Wortes (STROH). Allerdings wird in der zweiten Phase kein Bild, sondern ein Satz(teil) präsentiert bzw. gebildet, in dem Zielwort und Schlüsselwort sinnvoll miteinander verbunden werden (z.B. eine STROHhütte BAUEN). Der spätere Abruf der Wortbedeutung erfolgt folgendermaßen: Zum Zielwort (STROIT') wird das SW (STROH) assoziiert. Letzteres aktiviert dann die Wortgruppe (eine STROHhütte BAU- EN), die den Zielbegriff (BAUEN) der neuen Wortform enthält (Beispiel von WEISE 1990a). Die beiden Varianten der SW-Methode seien zur Verdeutlichung in Abb. 1 und 2 veranschaulicht. Lernaufgabe 1. Lernphase 2. Lernphase FS Wortform PIT' (russ.) PIT' Bildliche Vorstellung: Zielbegriff TRINKEN PIPI ~ Schlüsselwort Ein Kind macht PIPI und TRINKT dabei. Schlüsselwort ___.. Zielbegriff Abb. 1: Vorgehensweise beim Lexiklemen nach der visuellen Schlüsselwort-Methode (Schema nach WEISE 1990a: 104; Beispiel von ECKE 1999: 70) lFLlllL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... Lernaufgabe 1. Lernphase 2. Lernphase FS Wortform STROIT' (russ.) STROIT' Verbale Interaktion: Zielbegriff BAUEN STROH +- Schlüsselwort eine STROHhütte BAUEN Schlüsselwort __.. Zielbegriff Abb. 2: Vorgehensweise beim Lexiklemen nach der verbalen Schlüsselwort-Methode (Schema und Beispiel von WEISE 1990a: 104) 215 Natürlich können visuelle und verbale Techniken auch kombiniert werden. So kann z.B. der Vorstellung des „PIPI machenden und TRINKENden Kindes" (Abb. 1), eine verbale Verknüpfung wie die Folgende zugefügt werden: "PIPI soll man nicht TRINKEN! " Auch akustische Attribute können einer bildlichen Interaktion beigefügt werden, wie im folgenden Beispiel zum Lernen der Wortbedeutung von russ. NOZH = MESSER illustriert wird. In dieser kombinierten Variante der SW-Methode könnte dem Zielwort (NOZH) zunächst eine Lautsequenz (NO! -SCH! ) zugeordnet werden, die in einem dramatischen interaktiven Bild wie folgt integriert sein kann: Ein Mann bedroht eine Frau mit einem MESSER (Zielwortbedeutung). Diese schreit laut auf: NO! (eng./ spa. Nein), worauf der Mann mit SCH! (Ruhe) reagiert. Begegnet dem Lerner später die Wortform NOZH wird die akustische Sequenz NO! -SCH! sowie das interaktive Gedächtnisbild (die mit dem MESSER bedrohte Frau) assoziiert, das den Zielbegriff MESSER beinhaltet. Lernaufgabe 1. Lernphase 2. Lernphase FS Wortform Zielbegriff NOZH (russ.) MESSER NOZH NO! -SCH! +- Laut/ Schlüssel interaktives Bild (mit entsprechenden Ausrufen): Die Frau schreit NO! - Er entgegnet: SCH! (Ruhe), sie mit dem MESSER bedrohend. Abb. 3: Vorgehen bei einer visueWverbal/ akustischen Variante der Schlüsselwort-Methode 2.1 Effektivität der visuellen und verbalen Varianten der Schlüsselwort-Methode Sowohl visuelle als auch verbale SW-Methoden haben sich für bestimmte Lemergruppen als effektiv erwiesen (PRESSLEY/ LEVINIMILLER 1982), obgleich von einigen Forschem die visuelle Methode als allgemein leistungsfähiger erachtet wird (ATKINS0N 1975). So nimmt PAIVI0 (1971, 1986) in seiner Dual Coding Theory (DCT) an, dass es zwei unterschiedliche aber verbundene mentale Systeme gibt: ein verbales und ein visuelles (nichtverbales) System. Eine Aktivierung beider Systeme, d.h. eine multimodale Enkodierung über beide Systeme, wie sie in der visuellen SW-Methode erfolgt, hat Paivio zufolge eine additive Wirkung auf das Einprägen, Speichern und Abrufen von Information. Andere Forscher behaupten jedoch, dass der Erfolg der SW-Methode auf der elaborativen Qualität und Wirkung des Mediators beruht, nicht notwendigerweise auf lFLlllL 33 (2004) 216 Peter Ecke dessen Visualisierung (CR0WST0N 1993 in HULSTIJN 1997). Demnach bewirkt die SW- Methode durch die assoziative Verknüpfung neuer Information mit schon vorhandenen Strukturen eine besondere Tiefe der Verarbeitung neuer Lexik (vgl. CRAIK! L0CKHART 1972; CRAIKITULVING 1975). Eine Untersuchung mit Schülern der Sekundarstufe ergab höhere Reproduktionsleistungen beim Lernen mit der visuellen Variante der SW-Methode im Vergleich zur verbalen Version (KASPER 1983). Andere Untersuchungen, die verbale und visuelle Varianten hinsichtlich ihrer Effektivität verglichen, fanden nur leichte Vorteile für die visuelle Methode (ATKINS0N 1975; PRESSLEY/ LEVIN/ DELANEY 1982). Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Untersuchung mit Schülern einer fünften Klasse erzielt, allerdings erwies sich in dieser Lernergruppe die verbale Technik beim Lernen von abstrakten Zielwörtern als überlegen (PRESSLEYILEVIN! MILLER 1981 ). Außerdem ist erwiesen, dass jüngere Grundschüler Schwierigkeiten haben, selbst interaktive Vorstellungen mit SW- und Zielwort-Referenten zu bilden, dass sie aber problemlos Sätze formen können, in denen Zielwortübersetzung und Schlüsselwort 'etwas zusammen tun' (PRESSLEY/ LEVIN/ McCORMICK 1980). Auch Lernende mit hohen verbalen Fähigkeiten scheinen mehr von verbalen Techniken zu profitieren als Lernende mit geringen verbalen Fähigkeiten, obgleich auch berichtet wurde, dass visuelle Techniken für beide Lemergruppen von Nutzen sind (DELANEY 1978). Eine kombinierte SW-Methode mit zusätzlichen elaborativen Verbindungen wurde von H0GBEN/ LAWS0N (1994) und LAWS0N/ H0GBEN (1998) beschrieben und erfolgreich getestet. Eine andere Studie, die einfache Varianten der SW-Methode mit einer visuellakustischen SW-Methode verglich, konnte keine signifikanten Unterschiede in deren Effektivität feststellen (CARNEY/ LEVIN 1998). Obgleich multiple Assoziationen oft lernfördernd sind (vgl. ESSERIN0WAK 1986), ist es sicher in erster Linie die Qualität und weniger die Quantität der assoziativen Verknüpfung(en), die den Lernerfolg bestimmt. Lerner sollten m. E. sowohl mit der visuellen als auch verbalen Variante vertraut gemacht werden und jene assoziativen Verknüpfungen (möglicherweise auch kombiniert) verwenden, die unter den konkreten Bedingungen als günstig erscheinen. 3. Die Effektivität der SW-Methode im Vergleich zu anderen Vokabellemtechniken Die meisten empirischen Studien zur Wirksamkeit der SW-Methode sind experimentelle Laboruntersuchungen (ATKINS0N 1975; ATKINS0N! RAUGH 1975; DESR0CHERIGELINAS/ WIELAND 1989; PAIVIO/ DESROCHERS 1981; PRESSLEY 1980; PRESSLEY/ LEVINIMILLER 1982; RAUGH/ ATKINS0N 1975), deren Teilnehmer oft naive Lerner (ohne jegliche Vorkenntnisse der Zielsprache) sind. Weniger Untersuchungen sind im fs. Unterricht in intakten Klassen durchgeführt worden (vgl. aber AVILAISADOSKI 1996; BR0WNIPERRY 1991; CAMPOS/ GONZALEs/ AMOR 2003; H0GBEN/ LAWS0N 1994; LAWS0N/ H0GBEN 1998; LEVIN 1985; LEVIN/ PRESSLEY/ MCC0RMICKIMILLER/ SHRIBERG 1979; R0DRI- GUEz/ SAD0SKI 2000). Oft werden die durch die SW-Methode erlangten Reproduktions- IFLIIL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonikfiir den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 217 leistungen einer Lernergruppe mit denen anderer Lerntechniken verglichen, so vor allem dem mechanischen Wiederholen von fs. Zielwort und muttersprachigem Äquivalent (CARNEY/ LEVIN 1998; ELLISIBEATON 1993; VAN HELLICANDIA MAHN 1997; WANG/ THOMAS/ OUELLETTE 1992; W ANG/ THOMAS/ INZANAIPRIMICERI0 1993) sowie der eigenen (besten) Methode(n) der Lernenden einer Kontrollgruppe (ATKINS0N/ RAUGH 1975; A VILAISAD0SKI 1996; LA WSON/ HOGBEN 1998; LEVINIPRESSLEYIMCC0RMICKIMILLERI SHRIBERG 1979; CARNEY/ LEVIN 2000). Seltener wird die SW-Methode mit semantisch/ kontextuell orientierten Lernaufgaben verglichen (McDANIEL/ PRESSLEYIDUNAY 1987; MO0RE/ SURBER 1992; WANG/ THOMAS 1995) und kaum existieren Studien, die kombinierte Kontext-SW-Methoden in Vergleiche traditioneller Methoden mit einbeziehen (BROWNIPERRY 1991; R0DRIGUEz/ SAD0SKI 2000). In den meisten Forschungsberichten, vor allem der 70er und 80er Jahre wurde von einer Überlegenheit der SW-Methode gegenüber anderen Lerntechniken berichtet und zwar für ein breites Spektrum von Lernergruppen. Die SW-Methode erwies sich als effektiver gegenüber mechanischem Wiederholen bzw. eigenen Strategien in Untersuchungen mit jüngeren Kindern (AVILAISAD0SKI 1996; ELHELOU 1994; PRESSLEY 1977; PRESSLEY/ LEVIN/ MCC0RMICK 1980; PRESSLEYILEVINIMILLER 1981), Schülern der Sekundarstufe (PRESSLEY/ LEVIN 1978; LAWS0N/ H0GBEN 1998; ZHANG/ SCHUMM 2000), Collegebzw. Universitätsstudenten (ATKINS0N/ RAUGH 1975; M0ORE/ SURBER 1992; PRESSLEY 1980; RAUGH/ SCHUPBACHIATKINS0N 1977) und Untersuchungen mit älteren Erwachsenen/ Senioren (GRUNEBERGIPASC0E 1996). Positive Ergebnisse zugunsten der SW-Methode erzielte man auch in Experimenten mit Erwachsenen bzw. Kindern mit Lernschwierigkeiten (GRUNEBERG/ SYKES/ GILLETT 1994; MASTROPIERIISCRUGGS/ LEVIN 1985), geistig behinderten Lernern (SCRUGGS/ MASTROPIERIILEVIN 1985), sowie College-Studenten mit unterdurchschnittlichen Lernvoraussetzungen (MCDANIELIPRESS- LEY 1984; PRESSLEY/ LEVIN/ NAKAMURAIH0PEIBISPO/ TOYE 1980). In einer Reihe von Experimenten profitierten erfahrene Lerner allerdings weniger vom Benutzen der SW- Methode als unerfahrene Lerner (FuENTES 1976; WILLERMANIMELVIN 1979; H0GBEN/ LAWS0N 1994; LEVINIPRESSLEYIMCC0RMICKIMILLERISHRIBERG 1979; MooRE/ SURBER 1992). Entsprechend wurde vorgeschlagen, dass jüngere und unerfahrene FS-Lernende allgemein mehr Nutzen aus der SW-Methode ziehen können als erfahrene Lerner (AT- KINS0N! RAUGH 1975; PRESSLEYILEVIN 1984). Andererseits wurden auch Nachweise dafür erbracht, dass erfahrene Lerner von der SW-Methode profitieren können (z.B. HOGBEN/ LAWS0N 1997, LAWSON/ HOGBEN 1998). In den meisten Untersuchungen wurden die Lernenden meist unmittelbar und relativ kurze Zeit (einige Tage) nach der Instruktionsphase auf ihre Abrufleistung getestet. Einige Untersuchungen zeigten auch eine Überlegenheit der SW-Methode gegenüber anderen Techniken in Tests, die bis zu mehrere Wochen nach der Lernphase erfolgten. Allerdings waren in diesen Proben die Unterschiede zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe meist weniger stark ausgeprägt (CARNEYILEVIN 1998; LAWSON/ H0GBEN 1998). Schon ATKINS0N (1975) wies darauf hin, dass Schlüsselwörter mit der Zeit vergessen oder nicht mehr aktiviert werden können. Dies kann einerseits zu einer Reduktion der Abrufzeit führen, wenn direkte (nicht vermittelte) Form-Bedeutungsbeziehungen aufgelFLlllllL 33 (2004) 218 Peter Ecke baut und automatisiert wurden (CRUTCHER 1992; KASPER 1993). Andererseits kann es zu einer erhöhten Vergessensrate führen, wenn direkte Verbindungen noch nicht entwickelt wurden. Eine Reihe von Untersuchungen zeigte, dass die langfristige Vergessensrate von durch die SW-Methode gelerntem Material höher ist als die Vergessensrate von mechanisch wiederholtem Material, vor allem wenn die Lernenden keine Möglichkeiten zur unmittelbaren oder wiederholten Reproduktion nach der Lernphase erhalten (CAMPOS/ AMORIGONZALES 2002; HOGBEN/ LAWSON 1994; MCDANIELIPRESSLEY/ DUNAY 1987; WANGffHOMAS/ ÜUELLETTE 1992; W ANGffHOMAS/ lNZANA/ PRIMICERIO 1993; WANG/ THOMAS 1995, VANHELLICANDIAMAHN 1997). Allerdings stehen dem die Resultate der Untersuchungen von HOGBEN/ LAWSON (1997) und LA WSON/ HOGBEN (1998) gegenüber, sowie solche die zeigen, dass durch Mnemotechniken mit vorgegebenen bildlichen Interaktionen gelernte Wörter geringeren Langzeit-Vergessensraten unterliegen (CAR- NEY/ LEVIN 1998, 2000). Auch eine Fallstudie (BEATON/ GRUNEBERG/ ELLIS 1995) berichtet von beeindruckenden langfristigen Behaltensleistungen eines Lerners der zehn Jahre früher Vokabular mittels SW-Methode gelernt hatte. Wang und Kollegen jedoch betrachten die Verknüpfung von SW- und Zielwortbedeutung als entscheidende Schwachstelle für das langfristige Behalten der durch Mediation gelernten Lexik. Ihnen zufolge sind Interferenzen beim Abruf der Verknüpfung von SW- und Zielwort-Bedeutung wahrscheinlich, die leicht zu einer fehlerhaften Zuweisung bzw. Rekonstruktion der Zielwort- Bedeutung führen kann (W ANG! fHOMAS/ OUELLETTE 1992). Außerdem argumentieren diese Forscher, dass der häufig berichtete Erfolg der SW-Methode vor allem auf dem wiederholten Lern-Test-Rhythmus beruht, der dem Vergessen von durch Schlüsselwörter gelernter Lexik stärker entgegenwirkt als dem Vergessen mechanisch wiederholter Wortpaare (WANG 1991, WHEELERIROEDIGER III 1992, CARNEY/ LEVIN 1998). Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass mit der SW-Methode arbeitende Lerner über ein Mindestmaß an Training und Übung mit der Methode verfügen (BELLEZA 1996; CAMPOS/ GONZALEs/ AMOR 2003; ESPINOZA 1999) und genügend Zeit zum Einprägen der Zielwörter und deren assoziativer Verknüpfungen erhalten sollten (LAWSON/ HOGBEN 1998). Auch das mehrmalige Testen, einschließlich unmittelbar nach der Lernphase, das in gewisser Weise auch der schulischen Praxis Vokabeln häufig abzufragen entspricht, fördert die Behaltensleistung und reduziert schrittweise die vom Lerner zur Reproduktion benötigte Zeit (CRUTCHER 1992; GRUNEBERG 1998; LAWSON/ HOGBEN 1998; WANG/ THOMAS 1995; WHEELERIROEDIGERIII 1992). Einige Studien berichteten von einer Unterlegenheit der SW-Methode gegenüber eigenen Strategien bzw. mechanischem Wiederholen hinsichtlich der reproduzierten Zielwortbedeutungen, sowohl in unmittelbar der Lernphase folgenden Tests (DESRO- CHERS/ WIELAND/ COTE 1991; ELLIS/ BEATON 1993; HALL/ WILSON/ PATTERSON 1981; VAN HELLICANDIA MAHN 1997) als auch in später durchgeführten Tests (CAMPOS/ GONZALES/ AMOR 2003; WANG/ THOMAS 1992, 1995; WANG/ fHOMAS/ ÜUELLETTE 1992). HALL und Kollegen (1981) wiesen daraufhin, dass die SW-Methode für Lernende weniger effektiv als eigene Strategien ist, wenn Lerner einerseits wenig Zeit zum Einprägen der Lexik in vorgegebenen Lernphasen experimenteller Untersuchungen haben und wenn sie sich andererseits ihre Zeit selbst einteilen können. In gesteuerten experilFL11.! L 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonikfür den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 219 mentellen Lernphasen mit relativ viel Zeit sei jedoch die SW-Methode eher von Vorteil (auch HALL 1988). In verschiedenen Studien deutete sich auch an, dass vor allem erfahrene (z.T. multilinguale) Lerner sich als erfolgreicher erweisen, wenn sie mechanisches Wiederholen oder eigene Strategien statt vorgegebener Mnemotechniken benutzten (VAN HELL/ CANDIA MAHN 1997). Den Grund dafür vermuten letztgenannte Autoren in einem effektiven phonologischen Kodierprozess (beim wiederholten leisen Aussprechen der neuen Wortform) und einer größeren Sensibilität der erfahrenen PS-Lerner für formelle Strukturen, die auf einem umfangreichen phonologischen Vorwissen beruht. Eine Überlegenheit nicht mnemonischen Wiederholens zeigte sich auch in einem Vergleich der Abrufgeschwindigkeit von Wortbedeutungen für durch SW-Methode und mechanisches Wiederholen gelernte Lexik (VAN HELL/ CANDIA MAHN 1997). In dieser Studie wurden durch Wiederholung gelernte Wortbedeutungen von erfahrenen und unerfahrenen Lernern im Durchschnitt signifikant schneller abgerufen als durch die SW-Methode eingeprägte Übersetzungen. Andererseits wurde jedoch auch gezeigt, dass die Erhöhung der Verarbeitungszeit beim Lernen mit der SW-Methode minimal sein kann (ATKINSON 1975; KASPER 1993) und dass Lernende auch unter Zeitdruck erfolgreiche Lernresultate mit der SW-Methode erzielen können (PRESSLEY/ LEVIN 1978). Mit entsprechendem Strategietraining sowie wiederholtem und zunehmend automatisiertem Abruf kann die Abrufzeit über Mediatoren bedeutend reduziert werden (CRUTCHER 1992; KASPER 1993). Experimente, die eine Unterlegenheit der SW-Methode in den Reproduktionsleistungen zeigen, werden oft dafür kritisiert, dass sie entweder den Teilnehmern zu wenig Übung in der Methode gewähren, dass die vorgegebenen Schlüsselwörter nicht optimal (z.B. zu abstrakt und wenig anschaulich) sind bzw. durch die Lerner unter Zeitdruck selbst gebildet werden müssen, dass die Präsentationsphase des zu lernenden Materials zu kurz ist oder dass es keine unmittelbaren bzw. wenige Reproduktionsmöglichkeiten (Tests) gibt. Mnemotechniken wurden auch mit Lernaufgaben verglichen, die eine semantische (kontextuelle) Elaboration bzw. Bearbeitung des neuen Wortes zum Inhalt hatten. In solchen Aufgaben wurden den Lernern z.B. Zielwortdefinitionen oder Synonyme gegeben, Zielwörter in Beispielsätzen präsentiert oder Aufgaben zur Erschließung oder Anwendung des Zielwortes im Kontext gestellt. Die Reproduktionsleistungen nach solchen Aktivitäten waren in der Regel der SW-Methode klar unterlegen (LEVIN/ LEVIN/ GLASSMAN/ N0RDWALL 1992; MCDANIELIPRESSLEY 1984; PRESSLEY/ LEVIN/ MILLER 1982; PRESSLEY / LEVJN/ KUIPER/ BRY ANT/ MJCHENER 1982; SHAUGHNESSY/ DJNNELL 1999). Semantisch orientierte Aufgaben fördern zwar das Erschließen neuer Wortbedeutungen im Kontext (CARNINEIKAMEENUJ/ C0YLE 1984; STERNBERG 1987), strukturelle Elaboration dagegen favorisiert das Erlernen formaler Strukturen sowie die Stärkung von Form-Bedeutungsbeziehungen (ELLIS 1994). Alleiniges semantisches Elaborieren kann diese Beziehung nicht stärken (PRESSLEYILEVIN/ MCDANIEL 1987), sie kann sie sogar negativ beeinflussen (BARCR0FT 2002; McDANIELIKEARNEY 1984; PRESSLEY/ LEVJN/ MILLER 1982). Es kann daher nicht oft genug betont werden, dass mehrere Strategien bzw. Techniken für die verschiedenen Aspekte des Wortschatzerwerbs notwendig sind. Zumindest sollten das Erschließen der Wortbedeutung und das Einprägen der Wortform JFJLIIIL 33 (2004) 220 Peter Ecke und deren Bedeutung unterschieden werden. Letzteres ist am erfolgreichsten, wenn formale Aspekte der zu lernenden Lexik fokussiert werden (BARCROFT 2002; WEISE 1990a). Eine Unterscheidung beider Aspekte muss jedoch nicht heißen, dass semantisches und formelles Elaborieren nicht miteinander kombiniert werden können. Wie zumindest zwei Untersuchungen zeigten, kann eine Kombination von SW-Methode mit semantischen Aufgaben höhere Reproduktionsleistungen bewirken als Methoden, die ausschließlich auf semantischer oder formeller Elaboration beruhen (BROWN/ PERRY 1991; AVILA/ SADOSKI 1996). 4. Qualität von Schlüsselwort und interaktiver Verknüpfung Eine Reihe von Untersuchen beschäftigte sich mit Möglichkeiten und Varianten des Einsatzes der SW-Methode und deren Effizienz: Ist es effektiver den Lernern Schlüsselwörter und interaktive Bilder bzw. verbale Verknüpfungen vorzugeben oder sollen die Lerner diese selbst kreieren? Wie sollten optimale Schlüsselwörter und Gedächtnisbilder strukturiert sein? Welche Merkmale zeichnen sie aus? Als erwiesen dürfte gelten, dass es für jüngere Kinder effektiver ist, wenn sie Schlüsselwörter und bildliche Interaktionen vom Lehrer bzw. Untersuchungsleiter erhalten als wenn sie diese selbst bilden müssen (PRESSLEY/ LEVIN 1978; PRESSLEY/ LEVIN/ MCCOR- MICK 1980). Wie schon erwähnt, fällt es jüngeren Kindern bedeutend schwerer komplexe bildliche Vorstellungen zu generieren als verbale Zusammenhänge zu bilden. Des Weiteren scheint es von Vorteil zu sein, leistungsschwachen Lernern Schlüsselwörter und interaktive Bilder bzw. verbale Mediatoren vorzugeben (GRUNEBERG/ SYKES/ GILLETT 1994; MATz/ TESCHMERIWEISE 1988). Auch Lerner, die über längere Zeit systematisch mit der SW-Methode arbeiten, sollten davon profitieren, wenn SW und Interaktion vorgegeben werden. Im anderen Fall könnte das ständige Suchen bzw. Bilden von Mediatoren ermüdend und demotivierend wirken (GRUNEBERG/ JACOBS 1991). Für normale erwachsene Lerner ist es schwieriger entsprechende Empfehlungen zu geben, da sich die Forschungsergebnisse hier zum Teil widersprechen. Einige Untersuchungen fanden keine Unterschiede in der behaltensfördernden Wirkung von selbst generierten vs. vorgegebenen Schlüsselwörtern (CARNEYILEVIN 1998; PRESSLEY 1980; PRESSLEY/ LEVIN/ DELANEY 1982; PRESSLEY/ LEVIN/ NAKAMURAIHOPEIBISPOITOYE 1980). Demzufolge wären selbst gebildete Mediatoren und imaginäre Verknüpfungen ebenso effektiv wie vorgegebene. Einige Forscher vertreten die Meinung, dass selbst gebildete Mediatoren für erfahrene erwachsene Lerner günstiger sind (HALL/ WILSON/ PETTERSON 1981; WANG/ THOMAS 1992) als vorgegebene Schlüsselwörter, während andere behaupten, dass vom Untersuchungsleiter bzw. Lehrer vorgegebene Schlüsselwörter in jedem Fall mindestens so effektiv sind wie durch Lernende selbst gebildete Mediatoren (ATKINSON 1975; HALL 1988; PRESSLEY/ LEVIN/ MCDANIEL 1987; THOMAS/ WANG 1996). Auch LEVIN (1993) und CARNEYILEVIN (2000) vertreten die Ansicht, dass vorgegebene Schlüsselwörter und bildliche Interaktionen vor allem langfristig effektiver sind als selbst gebildete Mediatoren. Dies scheint zumindest für weniger erfolgreiche lFLuL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonik fü,r den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 221 bzw. unerfahrene Lerner empfehlenswert zu sein. Beide Optionen haben m. E. ihre Vorteile: Einerseits kann durch das Vorgeben des SW und des interaktiven Images Zeit in der Lernphase gewonnen werden, was von Vorteil in Lernaufgaben mit starker Zeitbegrenzung wäre. Andererseits ist es wahrscheinlich, dass der kognitiv höhere Aufwand für das Selbstbilden von Mediatoren und bildlichen bzw. verbalen Verknüpfungen beim Lernen einzelner Wörter ohne Zeitdruck eine größere Verarbeitungstiefe und damit bessere Behaltensleistung vor allem in erfahrenen Lernern bewirken kann. Obwohl die große Mehrheit der Untersuchungen zur SW-Methode Mediatoren aus der Muttersprache (MS) nutzten, können prinzipiell auch Wörter aus anderen Fremdsprachen (FS) oder der Ziel-PS als Mediatoren genutzt werden (ECKE 1999; HULSTIJN 1997). Sie sollten jedoch wie alle Mediatoren möglichst konkret und gut vorstellbar sein. Wichtigstes Merkmal effektiver Schlüsselwörter ist ihre phonologische Ähnlichkeit zum Zielwort (WEISE 1990a). In welchen formellen Attributen Ziel- und Schlüsselwort übereinstimmen sollten, wurde jedoch bisher kaum empirisch untersucht. SPERBER (1989) hält solche Mediatoren, die in ihrer Anfangssilbe mit dem Zielwort übereinstimmen als besonders geeignet. Berücksichtigt man außerdem, dass Anlaut, erste/ betonte Silbe sowie Silbenzahl die für Wahrnehmung, Speicherung und Abruf einer Wortform wahrscheinlich wichtigsten Attribute sind (vgl. ECKE 2003), kann man davon ausgehen, dass ein SW im Idealfall in einem oder besser mehreren dieser Attribute mit dem Zielwort übereinstimmen sollte. Andererseits wurde vorgeschlagen, dass Schlüsselwörter den Zielwörtern nicht nur phonologisch, sondern auch semantisch ähnlich sein sollten (VAN HELLICANDIA MAHN 1997). Das Vorhandensein von Bedeutungsbeziehungen zwischen Zielwort und SW erhöhte in oben genannter Untersuchung die Abrufwahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit von Wortbedeutungen. WEISE (1990a) bezeichnete die Funktion des Schlüsselwortes über zwischenbegriffliche (episodische/ syntagmatische) Relationen die Zielwortbedeutung herzuleiten als semantische Induzierbarkeit, zeigte aber auch, dass dieses Induzieren (besonders für lernschwache Lerner) problematischer ist als das Erkennen und Nutzen phonologischer Ähnlichkeit zwischen Zielwort und SW. Bedeutungsbeziehungen zwischen Ziel- und Schlüsselwörtern dürften m. E. vor allem für die verbale SW-Methode wichtig sein, weniger für die visuelle Variante. Für erfolgreiche imaginäre Verknüpfungen (von Zielwort und SW-Referenten) scheinen andere Attribute mindestens genau so bedeutend zu sein, so z.B. Konkretheit/ Anschaulichkeit, Außergewöhnlichkeit, Bizarrheit, Lebhaftigkeit und eventuell die emotionale Wirkung der Interaktion (vgl. ATKINSON 1975; ELLISIBEATON 1993; SPERBER 1989: 73-82). 5. Die SW-Methode zur Reproduktion von Wortbedeutung und Wortform Der Großteil der Untersuchungen zur Nutzbarkeit der SW-Methode widmete sich dem Lernen der Bedeutung neuer Wortformen. Einsprechend wurde fast ausschließlich die Effektivität der SW-Methode für den rezeptiven Lexikerwerb untersucht. Weit weniger Studien beschäftigten sich mit dem Potenzial der Methode für die Reproduktion neuer JFLIIIL 33 (2004) 222 Peter Ecke Wortformen (GRUNEBERGIPASCOE 1996). Entsprechend existiert eine gewisse Skepsis darüber, ob Mnemotechniken auch für das produktive Lernen und Abrufen fs. Wortformen empfehlenswert seien (C0HEN 1987; ELLIS 1994; ELLISIBEATON 1993; HULSTIJN 1994). Als Hauptargument führen Skeptiker an, dass zur Produktion des fs. Zielwortes die assoziative Kette von der muttersprachlichen Bedeutung (TRINKEN) über das interaktive Bild (TRINKEN während dem PIPI machen) oft nur bis zur Aktivierung des Schlüsselwortes (PIPI) reicht, die Assoziation bzw. Rekonstruktion des lautähnlichen Zielwortes (PIT') aber letztendlich meist unzuverlässig oder unvollständig ist (PRESSLEY/ LEVIN/ KUIPERIBRYANT/ MICHENER 1982), es sei denn sw und Zielwort stimmen fast völlig in ihrer Form überein (ELLIS/ BEAT0N 1993). Einzelne introspektive Berichte von Lernenden demonstrierten jedoch, dass Mnemotechniken unter Umständen auch erfolgreich für das Reproduzieren schwieriger fs. Wortformen genutzt werden können (ECKE 2000). Auch experimentelle Untersuchungen zeigten, dass für das Lernen und Reproduzieren fs. Wortformen die SW-Methode für die meisten Teilnehmer effektiver war als eigene Methoden (GRUNEBERG/ PASCOE 1996; H0GBEN/ LAWS0N 1992; PRESSLEY/ LEVIN 1981; PRESSLEYILEVIN/ HALLIMILLER! BERRY 1980). Die erfolgreiche Nutzung der SW- Mnemonik ist auch für andere produktive Aufgaben dokumentiert worden, z.B. für das Erinnern an die Namen von Malern beim Anschauen eines Gemäldes (CARNEY/ LEVIN 1991, 1994, im Druck a) und für das Reproduzieren der Namen seltener Tierarten beim Anschauen entsprechender Bilder (CARNEYILEVIN im Druck b). Diese Ergebnisse für Lernaufgaben, die dem Reproduzieren fs. Wortformen im Prinzip ähneln, legen nahe, dass das Potenzial der Mnemotechniken für die Produktion schwieriger Wortformen möglicherweise unterschätzt wurde (ECKE 1999), und dass die SW-Methode prinzipiell auch für die Lösung produktiver Aufgaben genutzt werden kann (SPERBER 1989). 6. Die SW-Methode zum Erinnern verschiedener Wortkategorien Wie auch beim Lernen mit anderen Techniken werden mittels SW-Methode Nomen leichter gelernt als Verben, und Verben leichter gelernt als Adjektive (ATKINS0N 1975; ELLISIBEATON 1993; PAIVIONUILLEIMADIGAN 1968). Einige Forscher betonen, dass Mnemotechniken vor allem für das Lernen schwieriger Wörter geeignet sind und keineswegs zum Memorisieren aller Wortbedeutungen eingesetzt werden sollten (BELLEZA 1981; CüHEN 1987; HULSTUN 1997; LEVIN 1993; NATION 2001). Oft wird bemerkt, dass Mnemotechniken effektiver zum Lernen konkreter, leicht vorstellbarer Wörter sind, sich jedoch weniger nützlich für das Lernen abstrakter Lexik erweisen (ELLISIBEAT0N 1993; ELLIS 1995; JOHNSON/ ADAMSIBRUNING 1985). Konkrete Wörter werden ungeachtet der spezifischen Methode generell leichter gelernt als abstrakte Wörter (DE GR00TIKEIJZER 2000; ELLIS/ BEATON 1993; PAIVIO 1971), was m. E. jedoch nicht heißen muss, dass abstrakte Wörter nicht auch mit der SW-Methode gelernt werden können. Deren Effektivität zum Lernen abstrakter Wörter wurde in verschiedenen Unter~uchungen nachgewiesen (DELANEY 1982; ESPIN0ZA 1999; LAWS0N/ H0GBEN 1998; PRESLEY/ LEVIN/ MILLER 1981). Auch VAN HELL/ CANDIA MAHN (1997), deren vorgegebene SchlüssellFLlllL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonikfür den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 223 wörter zum Teil abstrakt und wenig anschaulich waren, fanden, dass die SW-Mnemonik für das Lernen abstrakter Zielwörter nicht disproportional schwächer war. Beim Lernen abstrakter Wörter sollte besonders beachtet werden, dass diese entweder via verbale Verknüpfungen oder aber mit möglichst konkreten Mecliatoren in anschaulichen Interaktionen memorisiert werden. 7. Spontane und gelernte Anwendung von Mnemotechniken Zur spontanen Verwendung von Mnemotechniken durch Lerner, die nicht explizit in der Nutzung der Techniken instruiert wurden, gibt es widersprüchliche Berichte. Allgemein kann festgestellt werden, dass mit zunehmendem Alter von der Kindheit zum Erwachsenensein die Nutzung elaborativer und mnemonischer Strategien zunimmt (vgl. PRESSLEY/ B0RK0WSKI/ J0HNS0N 1987). Trotzdem zeigen Fragebogenstudien zu Lexiklernstrategien, dass selbst erfahrene Lerner in erster Linie mechanische Wiederholung, seltener elaborierende Assoziationen, aber fast nie komplexe Mnemotechniken wie die SW- Methode benutzen (ESSERINOWAK 1986; LAWS0N/ H0GBEN 1996, 1998). Zwar wurde auch vereinzelt über Assoziationen mnemonischer Art berichtet (C0HEN/ APHEK 1980, 1981; SANAOUI 1995), allerdings erwies sich auch in diesen Tagebuchstuclien die Mehrzahl der angegebenen Strategien als nichtmnemonischer Natur (einfache formelle oder semantische Assoziationen). Einzelfälle spontaner Anwendungen von Mnemotechniken wurden für die Lösung von Wortfindungsproblemen, also zur erschwerten fs. Wortproduktion, dokumentiert (ECKE 2000), doch auch diese Fälle waren eher Ausnahmen. Von einer häufigen spontanen Nutzung von Mnemotechniken, einschließlich der SW- Methode, berichtete MANALO (1999). In dieser Studie lernten erwachsene Teilnehmer eine Liste fs. Wörter und Übersetzungen ohne jegliches Strategietraining und berichteten anschließend über die Art der angewandten Strategien. Mehr als die Hälfte der Lerner berichtete die SW-Methode angewandt zu haben. Diese Lernenden reproduzierten auch signifikant mehr Wortbedeutungen als jene, die keine Mnemotechniken berichtet hatten. MANAL0 (1999) vermutete, dass die Teilnehmer anderer Fragebodenstudien zu Lexiklernstrategien selten von Mnemotechniken berichten, weil sie unmittelbar davor keine Lexiklernaufgabe zu bewältigen hatten. Dem entsprechend fand man auch in anderen Lernerbefragungen unmittelbar nach Experimenten zur Effektivität verschiedener Lexiklernmethoden, dass Lerner mit der Instruktion eigene Strategien bzw. mechanisches Wiederholen zu nutzen, häufig Mnemotechniken verwandten (BELLEZA 1981; ELLIS/ BEATON 1993; HALLIWILS0NIPATTERS0N 1981; ÜTT/ BLAKEIBUTLER 1976). Leider wurden in Untersuchungen, die eine Unterlegenheit der SW-Methode bei erfahrenen Lernern suggerieren, die Teilnehmer selten anschließend befragt, ob sie Mnemotechniken nutzten bzw. welche individuellen Strategien sie ungeachtet der Instruktion anwandten (z.B. v AN HELLICANDIA MAHN 1997). Jugendliche und erwachsene Lerner, die Training und Übung in der Anwendung von Mnemotechniken erhalten hatten, wandten die gleichen bzw. verwandte Techniken auch beim weiteren Lexiklernen ohne spezielle Instruktionen an (PRESSLEY/ AHMAD 1986; RAUGH! SCHUPBACHIATKINS0N 1977). Beson- FJL! .! L 33 (2004) 224 Peter Ecke ders nützlich für die Akzeptanz und Nutzung der SW-Methode durch die Lerner im autonomen Lexiklernen scheint eine vergleichende Analyse und Reflexion über individuelle Lernleistungen nach dem Ausprobieren verschiedener Methoden zu sein (PRESS- LEY/ LEVIN/ GHATALA 1984). In einer Fragebogen-Aktion zur Anwendung von Lexiklehrtechniken im Unterricht durch FS-Lehrer gaben nur enttäuschende 2% der Befragten an, Mnemotechniken angewandt bzw. den Lernenden vorgeschlagen zu haben (SPERBER 1989: 112). 8. Schluss: Zukunft der Schlüsselwort-Methode Welche Schlussfolgerungen kann man nun aus 30 Jahren intensiver Forschung zum Potenzial der SW-Methode für den fs. Unterricht ziehen? Ungeachtet der nachgewiesenen Effektivität der Mnemonik in einer Vielzahl experimenteller Untersuchungen, wird die SW-Methode kaum den PS-Unterricht revolutionieren. Das soll sie m. E. auch nicht. Allerdings könnte eine Sensibilisierung der FS-Lerner und -Lehrer für Mnemotechniken sowie ein kurzes Training in der Anwendung der SW-Methode sicher zu einem reflexiveren, systematischeren und höchstwahrscheinlich auch erfolgreicheren Ausbau des Wortschatzes in der Anfangsphase des PS-Unterrichts beitragen (vgl. KASPER 1993; LEVIN 1993; WEISE 1990b). Man sollte die SW-Methode als eine Ergänzung bzw. Bereicherung der individuellen Lern- und Lehrtechniken betrachten und sie vor allem zum Lernen/ Lehren von schwer zu behaltender Lexik (sowohl deren Bedeutung als auch der Form) empfehlen. Sicher gäbe es Möglichkeiten die SW-Methode auch in Materialien (Lehrbücher, Computerlehrprogramme) mit einzuarbeiten, z.B. in Form eines kurzen Strategietrainings und/ oder als mnemonisch aufbereitete Wortlernlisten mit Übersetzung, Ziel- und Schlüsselwörtern, der Beschreibung interaktiver Bilder bzw. Sätze und dazugehörigen Tests (vgl. GRUNEBERG 1987). Ausschließlich oder hauptsächlich auf der SW-Methode aufbauende, längerfristige PS-Lehrgänge erscheinen mir jedoch weder wahrscheinlich noch praktizierbar. Allerdings wäre es durchaus möglich systematisch auf der SW-Methode beruhende Lehr- und Testphasen in den (kommunikativ orientierten) Unterricht mit einzubauen, um den schnellen Aufbau eines Grundwortschatzes zu fördern oder zumindest um Lexiklerntechniken zu illustrieren und zu konsolidieren. Gerade wenn es darum geht in einem kurzen Zeitraum einen relativ begrenzten und spezialisierten Wortschatz aufzubauen (z.B. für kurzfristige Arbeits-, Urlaubs- oder Militäreinsätze im Ausland) könnte die SW-Methode einen nicht unbedeutenden Platz in einem ausgewogenen Lehrprogramm einnehmen. Leider gibt es bisher kaum methodisch-didaktische Erfahrungen und Untersuchungen, auf die man bei der Ausarbeitung solcher integrierter Programme zurückgreifen könnte. Somit bleibt zu hoffen, dass nicht zuletzt auch durch diesen Beitrag weitere Forschungsarbeiten, vor allem aber Versuche der unterrichtspraktischen Erprobung und Nutzung der Methode angeregt werden. lFLlllL 33 (2004) Die Schlüsselwort-Mnemonik für den fremdsprachigen Wortschatzerwerb: ... 225 Literatur ATKINSON, Richard C. (1975): "Mnemotechnics in second language learning". In: American Psychologist 30, 821-828. ATKINSON, Richard C. / RAUGH Michael R. (1975): "An application of the mnemonic keyword method to the acquisition of a Russian vocabulary". In: Journal of Experimental Psychology 104, 126-133. AVILA, Enrique / SADOSKI, Mark (1996): "Exploring new applications of the keyword method to acquire English vocabulary". In: Language Learning 46, 379-395. BARCROFT, Joe (2002): "Semantic and structural elaboration in L2 lexical acquisition". In: Language Learning 52, 323-363. BEATON, Alan / GRUNEBERG, Michael M. / ELLIS, Nick C. 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