Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2005
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Gnutzmann Küster SchrammKompetenzen für den Literaturunterricht heute
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2005
Eva Burlitz-Melzer
flul3410094
Eva BURWITZ-MELZER * Kompetenzen für den Literaturunterricht heute Ein Beitrag zur standardorientierten Didaktik des Fremdsprachenunterrichts Abstract. Communicative ELF syllabuses since Threshold Level have treated the teaching ofliterature as an aspect of minor importance, and a number of publications informing the 2003 National Educational Standards in Germany follow this pattern, denouncing fictional texts as irrelevant for the acquisition of communicative competence. In this contribution I will argue against this tendency and propose competences for the teaching of literature in the EFL classroom as a means of fostering communicative competence in general through challenging and motivating activities. This ! ist of competences can help to complete otherwise deficient lists of communicative competences. 1. Die Situation des fremdsprachlichen Literaturunterrichts heute Die fremdsprachliche Literaturdidaktik steht mit dem Rücken zur Wand. Viele Fremdsprachendidaktiker mag diese Behauptung erstaunen, denn der Umgang mit authentischen literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht hat in den letzten Jahren in Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten große Aufmerksamkeit erhalten. Besonders die enge Verbindung, die literaturdidaktische Überlegungen mit der Didaktik des Fremdverstehens eingegangen sind, hat der Diskussion um den fremdsprachlichen Literaturunterricht neue Impulse gegeben. Wichtig war dabei die Absicht, den schulischen Umgang mit authentischen Texten enger an die lebensweltlichen Bedingungen der Lernenden zu binden (NÜNNING 2000, BREDELLA/ BURWITZ-MELZER 2004). Die Erschließung fremder, zielsprachiger Kulturen in einem multikulturellen Klassenzimmer in Deutschland ist heute ein realistisches fach- und literaturdidaktisches Ziel. Zugrundeliegend sind dabei vor allem Konzepte des interkulturellen Lernens und der Rezeptionstheorie, die in der Literaturdidaktik große Wirkung entfaltet haben. Lerntheoretische und entwicklungspsychologische Überlegungen haben dafür gesorgt, dass für den Umgang mit Literatur im Fremdsprachenunterricht eine größtmögliche Methodenvielfalt entwickelt wurde, die kognitive und kreative Aufgaben zur Erschließung der literarischen Texte miteinander verbinden sollte (CASPARI 1994, BURWITZ-MELZER 2003). Der Einbezug elektronischer Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Eva BURWITZ-MELZER, Univ.-Prof'in, Justus-Liebig-Universität Gießen, Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Otto-Behaghel-Str. l0B, 35394 G1EßEN. E-Mail: Eva.Burwitz-Melzer@anglistik.uni-giessen.de Arbeitsbereiche: Literaturdidaktik, empirische Unterrichtsforschung, Frühenglisch-Unterricht und die Übergangsproblematik, Portfolio-Assessment. lFLll.lL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 95 Kommunikationsmedien in den Literaturunterricht soll es Lernenden ermöglichen, sowohl mit anderen Kulturen selbst in Kontakt zu treten und über Literatur zu kommunizieren als sich auch zusätzlich web-basierte Informationen über Literatur und fremde Kulturen zu erschließen. Diese ausgesprochen fruchtbare literaturdidaktische Diskussion findet neue Anregungen auch in der Literaturwissenschaft, die die Kulturwissenschaften noch stärker als bisher als Bezugswissenschaft auch für die Literaturdidaktik empfiehlt (BACHMANN-MEDICK 1996, NüNNING & NüNNING 2000, HALLET 2002). Betrachtet man allerdings die unterrichtliche Realität, so scheinen die eben skizzierten Konzepte nur wenig Resonanz im Alltag zu finden. Zumindest zeigen die wenigen empirischen Forschungsprojekte, die zum fremdsprachlichen Literaturunterricht durchgeführt wurden, diese Tendenz: Im Literaturunterricht scheint die Zeit eher stillzustehen, es herrscht zumeist noch der „heimliche Kanon" (BENZ 1990) in der Literaturdidaktik; aktuelle Texte der letzten Jahre, Minderheitenliteraturen und postkoloniale Literaturen werden nur selten mit einbezogen. Kreative Verfahren werden zwar benutzt, doch werden sie oft nicht in die mündliche Textarbeit eingebunden und durch sinnvolle Unterrichtsgespräche gestützt (BURWITZ-MELZER 2004). Zahlreiche Fallstudien (DELANOY 1999, KüPPERS 1999, HELLWIG 2000, BURWITZ-MELZER 2003) belegen erhebliche handwerkliche und methodische Schwierigkeiten bei der Umsetzung der interkulturell ausgerichteten literaturdidaktischen Konzepte in den Schulalltag und nur wenige erfolgreiche Bemühungen, multikulturelle Realität in den Klassenzimmern des FU anzuerkennen (Hu 2003). Viele Lehrkräfte, die zu dieser Problematik befragt wurden, äußern eine große Unkenntnis der neuen, interkulturell ausgerichteten Literaturkonzepte, und nur wenige, besonders engagierte Lehrkräfte setzen die im letzten Jahrzehnt diskutierten neuen Theorien und Methoden im fremdsprachlichen Literaturunterricht wirklich um (HELLWIG 2000, BURWITZ-MELZER 2003, BURWITZ-MELZER 2004). Auch die flächendeckende Einführung des grundschulischen Fremdsprachenunterrichts, die seit zwei Jahren eigentlich dafür Sorge tragen soll, dass Lernende zu Beginn der Sekundarstufe bereits auf ein gesichertes Vokabular, auf eine rudimentäre Beherrschung der vier Fertigkeitsbereiche und auf eine Lese-Enkulturation in der ersten Fremdsprache zurückgreifen können (CHRIST [et al.] 2002, BURWITZ-MELZER 2004), hat bisher nicht dazu beigetragen, den Einsatz von literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht zu verstärken. Das liegt zum großen Teil in der Übergangsproblematik begründet, in der Tatsache nämlich, dass der Englischunterricht der Primarschuljahre und der der Sekundarstufen immer noch nicht als Kontinuum wahrgenommen und in den heute noch gültigen, nach Primar- und Sekundarstufe geteilten Curricula auch kaum berücksichtigt wird. Erst sehr langsam setzt sich bei Lehrkräften der Sekundarstufe der Gedanke durch, dass man auf den in zwei oder sogar vier Jahren bereits erworbenen Englischkenntnissen durchaus sinnvoll aufbauen und dieses Basiswissen gerade auch gewinnbringend für das Lesen fremdsprachiger authentischer Texte nutzen könnte. Eine so defizitäre Praxis lädt natürlich zu Attacken auf den Literaturunterricht förmlich ein. Diese kommen wie schon öfters zu beobachten auch heute im Zuge bildungspolitischer Entwicklungen auf den Fremdsprachenunterricht zu. Zu beobachten sind sie (a) im Entwurf neuer Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe und (b) bei der EinlFJLu][, 34 (2005) 96 Eva Burwitz-Melzer führung bundesweiter „Bildungsstandards" und der damit eng verbundenen Auseinandersetzung um Lehrinhalte des Englischunterrichts. 2. Die Diskussion um ein Kerncurriculum der Oberstufe Die Diskussion um ein Kerncurriculum für die Oberstufe im Fach Englisch wurde angeregt durch Expertisen im Auftrag der KMK (vgl. TENORTH 2001). Zwar wäre es bei der Planung einer Neuorientierung der gymnasialen Oberstufe sinnvoller gewesen, zunächst empirisch einen Sachstand festzustellen, dann Standards zu formulieren und schließlich ein Kerncurriculum zu entwerfen, doch mussten hier offenbar Expertisen ohne empirische Fundierung genügen, was einige der Experten auch erwähnen und beklagen (KUPPEL 2001: 203, SCHRÖDER 2001: 183 f). Für die Autoren stellen sie aber dennoch wichtige Schritte auf dem „Weg zu einer reflektierten Normierung und Qualitätssicherung" des Oberstufenunterrichts dar, wobei ihr Schwerpunkt im Wesentlichen auf der „Reflexion der gegebenen und in der Kritik von überholten Lehr- und Lernformen, im Vorschlag einer anderen Praxis der Gestaltung von Unterricht" (TENORTH 2001: 17) liegt. Eine empirische Bestandsaufnahme des Ist-Zustands in gymnasialen Grund- und Leistungskursen können diese Expertisen aber nicht ersetzen, gerade ihre Äußerungen über den Einsatz von Literatur im Englischunterricht sind oft impressionistisch oder basieren auf eigenen, weit zurückliegenden Erfahrungen der Autorinnen und Autoren bzw. auf Betrachtungen aus der Perspektive der Universität. Obwohl die in dem Band zusammengefassten Expertisen für das Fach Englisch sich in ihrer Kritik und in ihren Verbesserungsvorschlägen stark voneinander unterscheiden, ist den Beiträgen von SCHRÖDER (2001), KUPPEL (2001) und ZYDATiß (2001) doch eines gemeinsam: Ihre durchgängig kritische Einstellung gegenüber dem traditionellen Literaturunterricht wissenschaftspropädeutischer Ausprägung in der Oberstufe, wie er ihrem Vernehmen nach heute in den Grund- und Leistungskursen des Englischunterrichts zu finden sei. An dieser Stelle soll jedoch aus Platzgründen nur der Beitrag von Konrad SCHRÖDER näher betrachtet werden. SCHRÖDER stellt zu Beginn seiner Expertise Zielsetzungen für ein Kerncurriculum Oberstufe Englisch auf, das sieben „Bausteine" enthält, womit vor allem sprachliche Lernziele gemeint sind: "anspruchsvolle Korrespondenz", "telephone skills", "strategisches kommunikatives Verhalten", die „Einübung in anspruchsvolle Formen des Hörverstehens", "kreatives Schreiben", ein „kommunikativer Umgang mit Affekten und Emotionen" und „anspruchsvolle Reparaturtechniken" (SCHRÖDER 2001: 167). Die Berücksichtigung neuer Medien und eine metasprachliche Aufarbeitung der Lernprozesse sind ihm im Zusammenhang mit diesen sprachlichen Lernzielen besonders wichtig. Seine Desiderata für einen verbesserten Landeskunde-Unterricht und interkulturelles Lernen zeigt noch eine starke Bindung an deklaratives Wissen und veraltete eurozentrische Konzepte, wenn er den „Erwerb eines exakten historischen Überblickswissens bezogen auf Großbritannien und die USA" und sehr global „Erziehung zur Toleranz" fordert, die Zusammenhänge zwischen der Förderung von Empathie, Perspektivenwech- ]Fl,ruJ]L 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 97 sel und Perspektivenkoordination aber noch nicht einmal erwähnt (SCHRÖDER 2001: 169). Polemisch und „bewusst holzschnittartig" (ibid.: 166) kritisiert SCHRÖDER die heutige Ausrichtung des Englischunterrichts auf der Sekundarstufe II, wobei er allerdings zugeben muss, nicht ausreichend auf empirisches Material zurückgreifen zu können. In seinen Ausführungen schickt er daher anonyme „Kritiker" vor: „Die Kritiker des Englischunterrichts der Sekundarstufe II führen ins Feld, dass der bisherige Oberstufenunterricht kommunikationspraktisch wenig effektiv arbeite. Die Zuwachsrate im Bereich des sprachlichen und kommunikativen Könnens flache nach Klasse 10 in dramatischer Weise ab; der Aufbau pragmatischer und kultureller Kompetenz werde gänzlich versäumt. Wichtige lebenspraktische Teilbereiche wie etwa anspruchsvolle telephone skills oder das Training der Verhandlungsfähigkeit, aber auch der Erwerb der Fähigkeit, wohl dosiert Kritik zu äußern, und schließlich der Gesamtbereich der language of emotion gerieten gar nicht erst ins Blickfeld. Dies hänge mit der Tatsache zusammen, dass der gesamte Englischunterricht der Sekundarstufe II immer noch zu literarisch ausgerichtet sei (nicht zuletzt als Frucht der einseitig literarischen Ausbildung einer überalterten Lehrerschaft) und dass bedingt durch die Einseitigkeiten der Textaufgabe des Abiturs die kognitive Textkommentierung alle anderen sinnvollen kommunikativen Ausdrucks- und Übungsformen an den Rand dränge" (ibid.: 165). SCHRÖDER gibt zwar zu, dass der Literaturunterricht in der Sekundarstufe II das Ziel hat "auf einen anspruchsvollen lebenslangen Umgang mit Literatur und Literaturbetrieb vorzubereiten" (ibid.: 172), doch spricht er dem heutigen Literaturunterricht im FU den „mündigen Umgang mit fremdsprachlicher Literatur vor dem Hintergrund eines soliden Überblickswissens" rundweg ab (ibid.: 172). Er fordert ein solches Überblickswissen in wenig nachvollziehbarer nationaler Beschränkung für „englische und amerikanische Literaturgeschichte" (ibid.) und glaubt, durch ein verstärktes Heranziehen von Anthologien den Unterricht bereits verbessern zu können. Anstelle von Themen, die er für den „mündigen Umgang mit Literatur" vorschlagen möchte, kann er allerdings nur recht vage Fragen aufwerfen: "Worin liegt das besondere eines fiktionalen Textes? [...] Was konstituiert die 'Größe' eine Autors? " (ibid.: 173) Eine solche Kritik am Literaturunterricht ist zu pauschal und vorurteilsbeladen, die „Verbesserungsvorschläge" für einen mündigen Unterricht erscheinen kurzsichtig und in unzulässiger Weise auf landeskundliche Wissensvermittlung ausgerichtet (vgl. ibid.: 168 f). Der Einsatz literarischer Texte als Repräsentanten kultureller Vielfalt, als fruchtbare Belege für das Zusammenspiel von Sprache und Kultur wird hier noch nicht einmal angedacht. Die von Schröder für den Oberstufenunterricht vorgeschlagenen Themenbereiche oszillieren zwischen „Soap Operas als angelsächsischem Phänomen" und „dem Phänomen Hollywood", dem "Londoner Theaterleben heute" und „spezifisch angelsächsischen Beiträgen zur literarischen Entwicklung" (ibid.: 172). Damit hat er einen auf Großbritannien und die USA begrenzten Katalog entworfen, der die Fülle postkolonialer Kulturen mit ihren wertvollen literarischen Beiträgen einfach negiert. Gerade in einem Englischcurriculum der Oberstufe, das sich auf mehr als zehn Jahre Sprachunterricht stützen kann, sollte eine solche unzulässige Einengung des Kanons aber vermieden werden. Dass der Umgang mit authentischen literarischen Texten zu einer verstärkten Auseinanderset- FL11L 34 (2005) 98 Eva Burwitz-Melzer zung mit interkulturellen Lerninhalten und zur Empathiebildung bei Lernenden beitragen kann, wie inzwischen erwiesen ist (BURWITZ-MELZER 2003), wird in Schröders Text einfach ignoriert. Die Expertise, die SCHRÖDER im Auftrag der KMK erstellt hat, zeigt m. E. zwei Dinge sehr deutlich: 1. Wir wissen zu wenig über den tatsächlich stattfindenden Literaturunterricht in der Oberstufe, aber auch in allen anderen Schulformen und -stufen. So kann man Behauptungen, der Literaturunterricht schule nicht die kommunikative Kompetenz oder wirke sogar den sprachlichen Lernzielen des Fremdsprachenunterrichts entgegen, nur Verweise auf wenige Fallstudien und die vielfältigen potentiellen Möglichkeiten des Einsatzes literarischer Texte entgegensetzen. 2. Es ist eine Tendenz in der fremdsprachlichen Fachdidaktik zu verzeichnen, die wie in den 70er Jahren schon einmal fremdsprachliche und kommunikative Lernziele als abgetrennt von jenen Lernzielen wahrnimmt, die mit dem Einsatz von Literatur erreicht werden können. Diese Tendenz ist wenig fruchtbar und auch realitätsfern; zudem ignoriert sie die Tatsache, dass Arbeit an und mit Literatur immer auch Spracharbeit ist - und zwar auf einem sehr hohen Niveau. Wenn man Schröders eingangs erwähnte kommunikative Lernziele noch einmal genauer betrachtet, erkennt man sehr deutlich, dass diese auch bei einem geschickten Einsatz literarischer Texte erreicht werden können, denn: Eine sorgfältige Textarbeit erfordert sowohl die Bewältigung schriftlicher Aufgaben wie auch eine angeregte mündliche Auseinandersetzung der Lernenden miteinander, die kommunkationstechnisch anspruchsvoll und auch hinreichend strategisch geschickt sein muss, um im multiethnischen Klassenzimmer erfolgreich zu sein. Sie verlangt nach „anspruchsvollen Formen des Hörverstehens" (SCHRÖDER 2001: 167) etwa beim Besuch fremdsprachiger Theaterstücke oder beim Anschauen eines Spielfilms sowie den Umgang mit komplexen Affekten, Emotionen und emotionaler Sprache. Warum z.B. ausgerechnet die language of emotion laut SCHRÖDER im Literaturunterricht nicht geübt werde, wird von ihm ohnehin nicht weiter begründet. Eine metasprachliche Aufarbeitung der Lernleistungen kann auch im Rahmen einer Unterrichtseinheit mit literarischen Texten problemlos erfolgen ab Ende der Mittelstufe auch in der Zielsprache Englisch (vgl. dazu die Fallstudie von BURWITZ-MELZER 2003). Schröder glaubt, in seinem Kerncurriculum eine deutliche pragmatische Wende unternehmen zu müssen, um diese Lernziele irn Unterricht der Oberstufe zu erreichen. De facto kann man aber die oben zitierten wie auch viele weitere Lernziele ohne Schwierigkeiten auch mit einem anspruchsvollen interkulturell ausgerichteten Literaturunterricht realisieren. SCHRÖDER hat diese Lernleistungen nur in einem alltagssprachlich ausgerichteten Kontext angesiedelt und nicht erkannt, dass auch die Auseinandersetzung über Literatur pragmatischen Nutzen haben kann: Damit hat er den Literaturunterricht in der Oberstufe erheblich unterschätzt. Diese Attacke gegen den Literaturunterricht läuft folglich meines Erachtens schon aus diesem Grund ins Leere. lFL1llllL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 99 3. Die „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss" Die ernüchternden Resultate der PISA-Studien und das mit Sorge erwartete Ergebnis der DESI-Studie haben Schulpolitiker in Bund und Ländern unter Druck gesetzt. Öffentlichkeitswirksam einigte sich die Kultusministerkonferenz im Dezember 2003 auf die Verabschiedung von sogenannten „Bildungsstandards", die ohne gesicherte Forschungsgrundlage unter Mitwirkung von Erziehungswissenschaftlern sowie einiger weniger Fachdidaktiker entstanden sind. Neben politischen Motiven sind es auch inhaltliche Gründe, die zur Entstehung der „Bildungsstandards" beitrugen: Die KMK hofft, durch ein Fundament aus Standards eine einheitlichere Struktur in das deutsche Bildungswesen zu bringen, indem Schülerleistungen in verschiedenen Bundesländern vergleichbar gemacht werden. Vielleicht strebt man sogar einen internationalen Vergleich an sowie mehr Transparenz in der Notenvergabe, da die Standards und die zugehörigen Aufgabenbeispiele auch den Testgütekriterien Validität, Objektivität und Reliabilität genügen sollen. Sicher waren die Ländervertretungen in der KMK auch der Meinung, durch „Bildungsstandards" den Anteil der Lernenden verringern zu können, die es nur bis zu den unteren Kompetenzstufen schaffen oder in ihren Lernerfolgen sogar darunter bleiben. Man versprach sich darüber hinaus wohl auch gewisse Erleichterungen für die Lehrkräfte: Sie würden sich auf die „Bildungsstandards" verlassen können, sie erhielten valide Aufgaben und methodische Hinweise, wie die Kompetenzstufen zu erreichen seien, sie könnten endlich aussagekräftige Beiträge zur Schullaufbahn-Beratung ihrer Lernenden leisten. Ganz abgesehen von diesen wünschenswerten Erleichterungen glaubte man, auch die Einführung von „Bildungsstandards" nehme Lehrkräfte stärker in die Pflicht, da sie ergebnisorientiert lehren müssten (vgl. BECKER 2004: 16 f). Die Kultusministerien der Länder tun auf der länderpolitischen Ebene ein Übriges: Sie entwickeln Kerncurricula, diskutieren über Lernstandserhebungen und -diagnosen, ohne dass bisher hinreichende Klarheit über diese Begriffe herrscht. Auch die Länder handeln und diskutieren ohne solide empirische Grundlage, oft sogar ohne wissenschaftliche Beratung. Die so entstehenden Konzepte und Vorlagen werden das pädagogische, didaktische und fachdidaktische Handeln im Fremdsprachenunterricht unserer Schulen aber über Jahre hinaus bestimmen. Für den Fremdsprachenunterricht stellen die „Bildungsstandards" zwar die Chance dar, den Unterricht über eine stärkere Ergebnisorientierung erfolgreicher zu machen, mit Regel- oder Mindeststandards eine Lehrleistung zu garantieren und Lehrenden klarere Vorgaben zu machen, doch beinhalten sie bei genauer Lektüre auch die Gefahr, den fremdsprachlichen Literaturunterricht über einer stark favorisierten pragmatischen Lernzielorientierung in Vergessenheit geraten zu lassen. Ein Blick auf die Struktur dieses bildungspolitischen Dokuments, seine Formulierungen und vor allem auf seinen Umgang mit der Literaturdidaktik in den Beispielaufgaben soll dies erläutern. Die „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss" sind nach Kompetenzbereichen gegliedert. Zum einen wird damit die seit den 70er Jahren bekannte Diskussion um Operationalisierbarkeit von lFLllllL 34 (2005) 100 Eva Burwitz-Melzer Lernzielen aufgegriffen, zum anderen lehnt man sich im Teil „Fremdsprachen" stark an das Kompetenzstufenmodell des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (EUROPA- RAT 2001) an. Während es in Lernbereichen wie Mathematik, Naturwissenschaften, Sport etc. recht leicht sein mag, Leistungen zu standardisieren und zu operationalisieren, fällt eine solche Normierung in Lernbereichen, die auf kreativen Sprachleistungen mit schöpferischen und oft langwierigen Lernprozessen, mit Variabilität, Flexibilität sowie Originalität gründen, ungleich schwerer. Es wird gerade unter Geisteswissenschaftlern eine große Zahl von Gegnern dieser Operationalisierungsversuche geben, die meinen, dass Wertvorstellungen, Einstellungen, Meinungen, um die es im Fremdsprachenunterricht auch immer gehen muss und soll, nicht so leicht in Kompetenzstufen definiert werden können (vgl. BAUSCH [et al.] 2005). Die Autoren der „Bildungsstandards" ziehen sich auf drei Kompetenzbereiche für den Fremdsprachenunterricht zurück, die Bereiche der kommunikativen, der interkulturellen und der methodischen Kompetenzen. Stringent, wenn auch nicht ohne Mängel (vgl. hierzu QUETZ 2002, 2004) sind die Formulierungen der „funktionalen kommunikativen Kompetenzen", die in enger Anlehnung an den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (EUROPARAT 2001) Leistungen in den fünfFertigkeitsbereichen und im Struktursystem der Fremdsprache beschreiben. In diesem Bereich geht es auch um den Einsatz von Texten im Fremdsprachenunterricht. Doch ist bereits der Gebrauch des Textbegriffs problematisch für die Literaturdidaktik, da in der Regel nicht literarische Texte gemeint sind und sich nur selten Aufgabenbeispiele auf beide Textsorten, nicht-literarische und literarische Texte gleichzeitig beziehen. So werden in dem Bereich „Kommunikative Fertigkeiten" auch Filme und Texte erwähnt, die für das Hör- und Leseverstehen wichtig sind. Einen Verweis auf Spielfilme gibt es aber nicht, der auf Texte erfolgt zunächst global: "Die Schülerinnen und Schüler können weitgehend selbstständig verschiedene Texte aus Themenfeldern ihres Interessen- und Erfahrungsbereichs lesen und verstehen" (KMK 2004: 12). Im Folgenden wird diese Kompetenz für literarische Texte näher spezifiziert: Die Schülerinnen und Schüler können ■ in kürzeren literarischen Texten (z.B. Short stories) die wesentlichen Aussagen erfassen und diese zusammentragen, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen, ■ die Aussagen einfacher literarischer Texte verstehen (ibid.). Bemerkenswert sind an dieser Kompetenzbeschreibung zwei Aspekte: zum einen ist die Formulierung selbst sehr vage, wie viele Kompetenzbeschreibungen im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen: Was bedeutet es, einen literarischen Text zu „verstehen"? Ist damit ein oberflächliches Verstehen der Handlungszusammenhänge gemeint, sollen die Protagonisten „verstanden" werden, ist an Perspektivenwechsel und ein „Mitleiden" gedacht? Oder geht es vielmehr um das Entschlüsseln historischer oder kultureller Details (vgl. QUETZ 2002: 218)? Der Begriff ist, wie im Referenzrahmen, in einem alltagssprachlich naiven Sinn gebraucht und nicht unter Bezug aufkognitionspsychologische Modelle z.B. nach Verarbeitungstiefe differenziert. Literarisches Verstehen verlangt ja eine tiefere Verarbeitung als etwa die selektive Informationsentnahme aus einem Fernsehprogramm. fl,m., 34 (2005) Kompetenzen fur den Literaturunterricht ... 101 Hier tappen die Standards in die gleiche Falle wie der Referenzrahmen (vgl. ALDERSON [et. al.] 2004, QUETZ 2004). Zum anderen scheint mir in den sehr vage gehaltenen Kompetenzen eine beklagenswerte Unterforderung der Lernenden zu liegen. Wesentliche Aspekte eines Textes können auch bereits Lernende der 3. und 4. Klassen „erfassen" und „zusammentragen", wenn es sich um inhaltliche Aussagen handelt. Ein literarischer Text enthält aber auf vielen verschiedenen Ebenen viele facettenreiche Aussagen, die z.B. kultureller, emotionaler, metaphorischer oder ästhetischer Natur sein können. Hier fehlt den Autoren offensichtlich nicht nur die Kenntnis kognitionspsychologischer Forschung, sondern auch die von literarischen Texten und der Mut zum Operationalisieren von Schülertätigkeiten im Umgang mit ihnen, die es Lehrkräften erst ermöglichen, Texte im Unterricht sinnvoll einzusetzen und dabei für die Jahrgangsstufe 10 passende und realistische Ziele zu verfolgen. Im Bereich der „interkulturellen Kompetenzen", die systematisch in Form eines Orientierungswissens zu exemplarischen Themen und Inhalten auszubilden sind, wird die Operationalisierung noch schwieriger: Auf der Basis des Orientierungswissens soll "Interesse und Verständnis für andere kulturspezifische Denk- und Lebensweisen, Werte, Normen und Lebensbedingungen" entwickelt werden (KMK 2004: 10). Es sollen tolerante und kritische Vergleiche mit englisch- und französischsprachigen Kulturen vorgenommen werden, um „soziokulturelles Orientierungswissen", "Fähigkeiten im Umgang mit kultureller Differenz", sowie „Strategien und Fähigkeiten zur praktischen Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen" auszubilden (ibid.). Die Autoren erwähnen explizit, dass interkulturelle Kompetenzen „mehr als Wissen und mehr als eine Technik" seien (ibid.: 16), eine interkulturell ausgerichtete Unterrichtsarbeit mit literarischen Texten, Spielfilmen, Theateraufführungen etc. erwähnen sie jedoch nicht, obwohl durch empirische Unterrichtsforschung bereits belegt wurde, dass mit Hilfe authentischer Literatur der Weg ins interkulturelle Lernen erheblich gefördert werden kann (BURWITZ- MELZER 2003). Da die interkulturellen Kompetenzen in diesen Ausführungen ohne inhaltliche Anbindung, Aufgabenbeispiele oder Unterrichtsmodelle formuliert werden, bleiben sie für Lehrkräfte in allen Schulformen vage und schwer umsetzbar. Es steht zu befürchten, dass vor allem leicht überprüfbares deklaratives Wissen weiterhin schwerpunktmäßig im Unterricht behandelt werden wird, zumal es dezidiert von den Standards eingefordert wird. Der dritte Kompetenzbereich bezieht sich auf methodische Lernziele, d.h. fachliche und fachübergreifende Arbeitstechniken wie Lernstrategien und Lernorganisation, schließt aber auch Lese-, Interaktions- und Darbietungstechniken und die Fähigkeit zur Selbstevaluation ein. Die „methodischen Kompetenzen" erwähnen nur an einer Stelle die Arbeit mit „literarischen Kleinformen" (KMK 2004: 17), dabei bleiben die Definitionen im Kompetenzbereich unklar, die Methoden selbst zeichnen sich durch Redundanzen und Oberflächlichkeit aus. Hier das Beispiel aus dem Bereich Hör- und Leseverstehen: Textrezeption (Leseverstehen und Hörverstehen) Die Schülerinnen und Schüler können JFL1.lllL 34 (2005) 102 Eva Burwitz-Melzer ■ verschiedene Hör- und Lesetechniken auf unterschiedliche Textarten (z.B. Sachtexte, Artikel, literarische Kleinformen) anwenden, ■ sich schnell einen groben Überblick über den Inhalt eines Textes verschaffen, ■ wichtige Details durch Unterstreichen markieren, ■ wichtige Textstellen durch farbliches Hervorheben, durch das Notieren von Stichworten und durch ordnende ergänzende Randnotizen besonders kenntlich machen. (KMK 2004: 17) Wieder stößt man auf die aus dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen übernommenen semantischen Ungenauigkeiten (vgl. ALDERSON et al. 2004; QUETZ 2002 und 2004): Was bedeutet es zum Beispiel sich einen „groben Überblick" über einen Text zu „verschaffen": Ist damit gemeint, dass Lernende den Inhalt eines Textes wiedergeben können, seine Protagonisten benennen, sich mit wenigen Sätzen zu seinem Aufbau, seinen Gattungsmerkmalen äußern oder zunächst einmal einen persönlichen Eindruck vom Text formulieren sollen? Die Aufzählung der anderen „Feinkompetenzen" macht diese Formulierungen nicht anschaulicher: Hier wird in bester Klippertscher Manier sogar zweimal auf farbliches Markieren und Unterstreichen verwiesen, während der große und inhaltlich weitaus zentralere Komplex des Textverstehens rasch und oberflächlich abgehandelt wird. Was bedeutet es aber, verschiedene Hör- und Lesetechniken anzuwenden? Ist hier auch an Unterrichtsgespräche und Perspektivenwechsel gedacht worden? Auf die verschiedenen Textsorten mit ihren unterschiedlichen Anforderungen an die unterrichtliche Umsetzung wird ebenfalls nicht weiter eingegangen. Die Aufgabenbeispiele, die den Kompetenzbeschreibungen in dem Dokument folgen, sollen diese konkretisieren und gleichzeitig eine Grundlage für die Feststellung des Lernstandes beim Erwerb des Mittleren Schulabschlusses darstellen. Zwar ist es richtig, dass Beispielaufgaben für Lehrkräfte eine gewisse Erleichterung bedeuten, doch gibt es auch hier einige eklatante Mängel. Erstens gibt es leider nicht für alle drei Kompetenzbereiche gleichermaßen Beispiele, sondern nur für den ersten Bereich, der die kommunikativen Fertigkeiten definiert. Diese Aufgaben sind relativ einfach zu erstellen, während Aufgaben, die den zweiten Bereich, die interkulturellen Kompetenzen, konkretisieren könnten, nicht erstellt worden sind, da interkulturelles Lernen hier (wie oben bereits beschrieben) losgelöst von Lerninhalten betrachtet wird. Der Bereich der methodischen Kompetenzen ist wegen seiner oberflächlichen Ausführung bei komplexen Fertigkeiten wie Hör- und Leseverstehen einerseits und seiner banalen Kompetenzbeschreibungen wie Unterstreichen und Markieren andererseits ebenfalls nicht befriedigend abgebildet. Hier besteht die begründete Gefahr, dass bei teaching to the test Lehrkräfte dazu übergehen werden, nur das zu lehren, was später gut geprüft werden kann. Damit ist ein großer Verlust an zentralen Lerninhalten insbesondere in jenen Bereichen, die sich mit dem Einsatz von Literatur im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I beschäftigen, zu befürchten. Zweitens bedeutet eine Konkretisierung, die sich in einem Aufgabenbeispiel erschöpft, auch immer eine Festlegung auf dieses Beispiel. Die Lehrkräfte, denen von den Autoren aufgetragen wird, die Aufgaben in situative Kontexte einzubetten, werden ihren Unter- JFLl.llL 34 (2005) Kompetenzenfar den Literaturunterricht ... 103 richt also in Hinblick auf die Beispiele ausrichten und „verschlanken". Eine größere Auswahl an Aufgaben würde für mehr Freiheit beim Prüfen und beim vorhergehenden Unterricht sorgen. Drittens gibt es auch inhaltlich etwas zu bemängeln: Ein Beispiel illustriert die Kompetenzbeschreibung, sich aus einem längeren Text „gewünschte Informationen" zu beschaffen und eine „bestimmte Aufgabe zu lösen" (ibid.: 32 f). Zur Lösung der Aufgabe bieten die Autoren einen Auszug aus einem literarischen Text, einer asiatisch-amerikanischen Kurzgeschichte, an. Die Aufgabenstellungen nach dem Lesen des Textes erfordern das Füllen eines Lückentextes und das Erstellen einer mind map zu den verschiedenen Charakteren. Hier wird Lehrkräften vorgeführt, wie man das Lesen interkulturell bedeutsamer Texte mit hohem Fantasie- und Kreativitäts-Potenzial reduzieren kann auf einfach überprüfbare Lückentextübungen, die sich besser an einem Sachtext durchführen ließen. Literatur wird so ihr wichtigster Nährboden entzogen. Die Möglichkeit eines Perspektivenwechsels, eines Einfühlens in fremde Lebensweisen und Wertvorstellungen wird von vornherein abgeblockt. Lehrkräfte, die solche Arbeitsaufgaben übernehmen, lernen nicht mehr, einen kreativen, persönlichkeitsbildenden und kulturell anspruchsvollen Unterricht mit Literatur durchzuführen, sie werden ihn auch nicht mehr anstreben, da er mit den angebotenen Kompetenzen und den Prüfverfahren nicht vereinbar erscheint. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die gut gemeinte Absicht, Beispielaufgaben zu formulieren, nicht ausreicht. Hier muss entschieden und mit literaturdidaktischem Sachverstand nachgebessert werden, falls die Beispielaufgaben die Standards für den Fremdsprachenunterricht sinnvoll erläutern sollen. Als Fazit dieser Bestandsaufnahme bleibt festzuhalten, dass die „Bildungsstandards" genau genommen keine „Bildungs-", sondern Sprachstandards sind, da sie den Bereich dessen, was man üblicherweise der „Bildung" zurechnet, aussparen. Zwar wird im Vorwort auf die „aktive Teilhabe [der Schülerinnen und Schüler; Anm. d. Verf.] am gesellschaftlichen und kulturellen Leben" hingewiesen, die auch „Themen- und Handlungsfelder in ihrer literarischen und ästhetisch / gestalterischen Qualität erfahrbar" machen soll (KMK 2004: 8). Diese Bemerkung muss jedoch nach einer gründlicheren Untersuchung der angebotenen Kompetenzen und Aufgaben geradezu zynisch anmuten, da zentrale Lern- und Inhaltsbereiche des heute von Fachdidaktikern als relevant angesehenen Fremdsprachenunterrichts einfach ausgeblendet worden sind: Die Arbeit mit authentischen literarischen Texten, ein Kerngebiet des Fremdsprachenunterrichts, das mit vielen anderen Kernbereichen eng verknüpft ist, spielt in der Auflistung der fachlichen Kompetenzen keine Rolle. Ein allmähliches, die Jahrgangsstufen kontinuierlich durchschreitendes Stufenmodell von Lernzielen und Kompetenzen, die von der ersten Enkulturation mit fremdsprachlichen Texten (z.B. Bilderbüchern) bis zu einer vielfältigen, projektorientierten Arbeit mit authentischen Texten verschiedener Gattungen aus unterschiedlichen Zielkulturen reicht, ist noch nicht einmal angedacht, ganz abgesehen von so grundlegenden Lernzielen wie dem Vermitteln von Lesefreude, dem extensiven und intensiven Lesen von Literatur, dem vielfältigen Verstehen der Texte von einer ersten affektiv gesteuerten Rezeption bis zu einem close reading, das auch textanalytische Verfahren erfordert. lFL1111lL 34 (2005) 104 Eva Burwitz-Melzer Nun muss es allerdings die fremdsprachliche Literaturdidaktik auch schaffen, ein stimmiges und realisierbares Konzept zu entwickeln, dass diesen einseitigen, pragmatisch ausgerichteten Standards entgegengesetzt werden kann. Ansonsten wird dem Literaturunterricht vor allem in der Oberstufe die Grundlage entzogen, die er dringend braucht. Hierzu soll der folgende Abschnitt einen Beitrag leisten. 4. Neuorientierung der schulischen fremdsprachlichen Literaturdidaktik an einem Kompetenzmodell Nachdem das Gesagte gezeigt hat, wie der fremdsprachliche Literaturunterricht zum einen von Bildungspolitikern, aber auch von Sprachpolitikern und von pragmatisch ausgerichteten Fachdidaktikern systematisch vernachlässigt und in seiner Bedeutung für den Spracherwerb und den Erwerb einer interkulturellen Kompetenz heruntergeredet wird, ist es an der Zeit, noch einmal zu verdeutlichen, warum Literatur im Fremdsprachenunterricht eine Rolle spielen muss. Begründungen für Literaturunterricht, vor allem für muttersprachlichen Literaturunterricht, hat es immer gegeben, sie bezogen sich seit dem 19. Jahrhundert vor allem auf den Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung, auf die Ausbildung eines ästhetisch / künstlerischen Bewusstseins, und auf die moralische und kulturelle Erziehung. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts diente die schulische und universitäre Beschäftigung mit Literatur auch der Entwicklung eines politischen Bewusstseins, bevor in den 80er Jahren die Theoriediskussion und die philosophische Ausrichtung eine mimetische Bedeutung von literarischen Texten und ihre Analyse überlagerte (BREDELLA 1995, SHOWALTER 2003). Die fremdsprachliche Literaturdidaktik hat zumindest für die Jahrgangsstufen 10 bis 13 stets eine abgeschwächte Variante dieser wechselnden Begründungen mitgetragen und dementsprechende Fragestellungen auch im Fremdsprachenunterricht vorwiegend im Englisch- und Französischunterricht verfolgt. Erst in den 90er Jahren begann der fremdsprachliche Literaturunterricht mit einer konsequenten Einbeziehung interkultureller Themen sein ganz eigenes Profil zu entwickeln, das nicht eine Kopie des muttersprachlichen Literaturunterrichts war, sondern sich auf den ihm eigenen Umgang mit authentischen Texten aus jeweils mehreren Zielkulturen konzentrierte. Daraus konnte sich ein zentraler Zweig der „Didaktik des Fremdverstehens" bilden, in dem literatur- und fremdsprachendidaktische Lernziele, aber auch Grundzüge des interkulturellen Lernens verfolgt wurden. Wenn der heutige Fremdsprachenunterricht also aus bildungspolitischen Gründen sich immer stärker auf den Erwerb von alltagssprachlichen Kompetenzen konzentriert, sollte die fremdsprachliche Literaturdidaktik sich nicht etwa ausgrenzen, indem sie sich auf schwer zu operationalisierende Bildungsaspekte zurückzieht, sondern versuchen, eigene Kompetenzbeschreibungen zu entwickeln, die unmissverständlich darlegen, wie unverzichtbar der Umgang mit authentischen literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht gerade heute geworden ist. Dieses Konzept sollte die Neustrukturierung des Fremdsprachenunterrichts, die durch eine flächendeckende Einführung von Sprachen in der Primarstufe notwendig wird, lFLlllL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 105 ebenso berücksichtigen wie einen offenen, an vielen Zielkulturen orientierten Literaturkanon, der einem. weiten Textbegriff verpflichtet ist. Beim. Formulieren von Kompetenzen für einen fremdsprachlichen Literaturunterricht darf m.an aber nicht vergessen, dass diese sowohl dem. sukzessiven Lernprozess an literarischen Texten verpflichtet sind und gleichermaßen das interkulturelle Lernen und ein Erlernen der fremden Sprache berücksichtigen müssen. Dabei ist es von großer Bedeutung, diese Kompetenzen so zu operationalisieren, dass sie nicht auf eine simple „output-Orientierung" abzielen, sondern auf eine langsame und reflektierte Entwicklung von Wertvorstellungen, Einstellungen und Einsichten gegenüber Texten, Kulturen und Personen Rücksicht nehmen, also bewusst den Prozesscharakter des Umgangs m.it Literatur erfassen. Indem. Kompetenzbeschreibungen vom. Lernenden und nicht von der Lehrkraft her gedacht werden, erfüllen sie besser als traditionelle Lehrziele ihre Funktion, zu erklären, was im. Unterricht erreicht werden sollte. Leselust in der Fremdsprache zu fördern sowie die Entwicklung von zunehmend komplexeren Lesestrategien sind dabei sicher zwei übergeordnete Ziele, die unabhängig von literarischen Schulen und Lerntheorien für alle Jahrgangsstufen und Schulformen gelten können. Elaine SHOWALTER (2003) hat ein Kom.petenzm.odell für den amerikanischen muttersprachlichen Literaturunterricht an Colleges und Universitäten entworfen, das auf der Idee basiert, die Ziele im. Literaturunterricht so herunterzubrechen, dass realistische um.setzungsfähige Unterrichtskonzepte entstehen könnten: "Assuming that we decide to adopt a program like the craft of reading, how do we break it down into specific, measurable, agreed, realistic, and timebound learning objectives? (Note that these form the acronym SMART, which some teachers use as a mnemonic.) And how do we devise activities for students that will actively engage them in meeting these objectives? " (2003: 26) Ausgehend von der Annahme, dass solche Kompetenzvorschläge gerade in der momentanen bildungspolitischen Situation auch für einen deutschen fremdsprachlichen Literaturunterricht nützlich sein könnten, hat die Verfasserin eigene Kompetenzbeschreibungen formuliert, die sie zunächst auf einem. Niveau für die Klassen 10 bis 13 ansiedelt. Sie enthalten sprachliche, m.etasprachliche, literaturdidaktische, literatur- und kulturwissenschaftliche, interkulturelle, soziale, kognitive und affektive sowie reflexive Aspekte, die zunächst in einer allgemeinen Form., also nicht für eine bestim.m.te Jahrgangsstufe formuliert wurden. Sie lehnen sich an die Erfahrungen an, die die Autorin in zahlreichen empirischen Fallstudien m.it Lernenden der Prim.ar- und der Sekundarstufen I und II in Unterrichtseinheiten m.it fremdsprachigen literarischen Texten machen konnte. Eine Konkretisierung in bezug auf Schulformen, Jahrgänge und vor allem. auch auf Texte und Textsorten muss noch erfolgen. Solange nicht umfangreichere empirische Erforschung von Schülerkompetenzen vorliegen, müssen die Vorschläge als vorläufig betrachtet und überprüft werden. Im fremdsprachlichen Literaturunterricht sollen die Lernenden ... 1. ... emotional und persönlich auf einen literarischen Text reagieren und diese Reaktion auch mündlich und schriftlich adäquat ausdrücken können. Dazu gehört es auch, die Meinung anderer anzuerkennen und zu tolerieren, wenn sie nicht der eigenen entspricht. IFLlllL 34 (2005) 106 Eva Burwitz-Melzer 2. .. . rhetorische und gattungsspezifische Merkmale und deren Funktion in einem fremdsprachigen literarischen Text erkennen sowie mündlich und schriftlich benennen können. Dabei sollten sie auch lernen, zwischen metaphorischem Sprachgebrauch und wörtlicher Bedeutung zu unterscheiden. Dazu gehört auch, dass sie je nach Jahrgangsstufe die Interpretationsweise des close reading in der Fremdsprache zunehmend beherrschen, indem sie Stil, Syntax, Diktion, und Metaphern beachten. Die Lernenden sollten die Ergebnisse mündlich und schriftlich ausdrücken können. Als Texte sollten Werke aller Genres aus einem erweiterten literarischen Kanon sowie Spielfilme und Produkte der Populärkultur herangezogen werden. (Dabei sind Umfang und Auswahl der rhetorischen Redernittel und der gattungsspezifischen Merkmale abhängig von der Jahrgangsstufe.) 3. ... sich mündlich oder schriftlich Informationen beschaffen können über das literarische Werk selbst, seinen Autor, seinen Inhalt, seine Interpretation. Dabei sollten traditionelle Medien und Materialsammlungen wie Bibliotheken und auch Neue Medien in der Zielsprache benutzt werden. 4. ... fremdkulturelle Aspekte wie Kulturprodukte, Werte, Inhalte und Einstellungen der Epoche und/ oder der Gesellschaft, die im Werk dargestellt werden, mündlich und schriftlich benennen können, saillilleln und diskutieren. Im Laufe dieses Bewusstwerdungsprozesses sollten sie auch lernen, über die eigenen Werte und Einstellungen gegenüber der eigenen und den fremden Kulturen nachzudenken und mündlich oder schriftlich Stellung zu ihnen zu beziehen. 5. ... auch zunächst scheinbar unterschiedliche fremdsprachige literarische Texte aufeinander beziehen können. Dabei soll erlernt werden, welche Faktoren synthetisierend erfasst werden können und was diese Faktoren über die dargestellte Epoche, die dargestellten Menschen oder die dargestellten Kulturen aussagen. Die Lernenden sollen die Ergebnisse diese Lernprozesses mündlich und schriftlich ausdrücken können. 6. .. . verstehen lernen, wie fremdsprachige literarische Werke als kulturelle Sinnträger encodiert und decodiert werden können. Dabei sollten sie auch mündlich und schriftlich erklären können, wie dies zur Koillillunikation mit anderen Menschen oder zur Klärung ihrer eigenen Ideen zur eigenen oder zu fremden Kulturen beitragen kann. 7. ... eigene fremdsprachige fiktionale Texte nach Modellen oder auch ohne Modelle erstellen lernen. 8. .. . im Fremdsprachenunterricht mit literarischen Werken mit anderen Lernenden kreativ, produktiv und sinnvoll in verschiedenen Sozialformen in mündlicher und schriftlicher Form zusaillillenarbeiten, wobei das literarische Werk der Fokus des Interesses aller Beteiligten ist. Dabei sollten die Schüler lernen, die eigene Meinung gegen das kritische und informierte Urteil der anderen in einer Diskussion in der Fremdsprache sachlich und korrekt zu vertreten und gegebenenfalls auch zu verteidigen. Dazu gehört auch, dass sich die Lernenden mit Schülern aus anderen Kulturen in traditionellen oder Neuen Medien schriftlich über die gelesenen Texte respektvoll auseinander setzen und so einen zusätzlichen interkulturellen Lernprozess erleben. 9. ... verstehen lernen, dass fremdsprachige literarische Werke Sinnwelten darstellen, lFbilL 34 (2005) Kompetenzen für den Literaturunterricht ... 107 die man mit den eigenen Erfahrungen entschlüsseln aber auch zur Bereicherung eigener Erfahrung nutzen kann. Dabei sollten sie erkennen, dass die Lektüre literarischer Texte auch Auswirkungen auf ihre persönliche Lebenswelt haben kann. Dazu gehört, dass sie lernen, verschiedene Ziele bei der Beschäftigung mit Literatur zu unterscheiden: Neben Lernzielen, die auf eine systematische wissenschaftlich-propädeutische Beschäftigung mit literarischen Texten abzielen, sollten sie auch die Lernziele kennen lernen, die der Persönlichkeitsbildung und Kreativitätsentfaltung dienen, sowie jene, die der Ausbildung des kulturellen Bewusstseins und dem interkulturellen Lernen verpflichtet sind. Die Jugendlichen sollten in ihrem fremdsprachigen Literaturunterricht aber auch erkennen, dass die Beschäftigung mit Literatur der Entspannung und dem Spaß dienen kann. 10 .... lernen, ihren literarischen und interkulturellen Lernprozess von einer Metaebene aus zu betrachten und abschließend ihre eigene Lernleistung zu bewerten. Dabei sollten sie Verknüpfungen herstellen können zwischen vorangegangenen Unterrichtseinheiten und einer aktuellen sowie Vergleiche ziehen zwischen vorab, privat oder in anderen Fächern gelesenen literarischen Werken und den aktuell besprochenen Texten. Neu an einer Formulierung von Kompetenzen für den Literaturunterricht ist, dass nicht länger ein Autor, eine Epoche, eine oder zwei Kulturbereiche, ein Analyseverfahren oder ein Genre im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Lehrkräften und Lernenden stehen. Es handelt sich bei der Formulierung der Kompetenzen letztendlich um die Operationalisierung der einzelnen Tätigkeiten der Lernenden, die kognitive und affektive Aspekte umfassen. Obwohl der Prozesscharakter der Textarbeit in den Kompetenzbeschreibungen berücksichtigt wird, scheint eine Evaluation der meisten Einzelkompetenzen doch möglich und sinnvoll. Die Kompetenzbeschreibungen zeigen deutlich, dass die unterrichtliche Arbeit mit Literatur nicht nur in propädeutisch-literaturwissenschaftlichem Analysieren und dem Verfassen und Lösen von Textaufgaben besteht. Im Literaturunterricht werden vielschichtige und vielseitige mündliche, schriftliche, soziale und interkulturelle Kompetenzen ausgebildet, die fachspezifische und fachübergreifende Aspekte vereinen. Eine solch umfassende und gut strukturierte Arbeit mit literarischen Texten sollte unbedingt neben sprachlichen und pragmatisch ausgerichteten Lerninhalten Eingang in ein fremdsprachliches Gesamtcurriculum finden und in sinnvollen konsequenten Kleinschritten über den gesamten Fremdsprachenunterricht, d.h. im Englischunterricht von Klasse 3 bis zur 13. Klasse verfolgt werden. Voraussetzung ist allerdings eine kompetente Begleitung der schwierigen und langwierigen Lernprozesse durch Lehrkräfte mit einer soliden literaturdidaktischen Ausbildung. 5. Konsequenzen für die Lehreraus- und -weiterbildung und ein Fazit Wie sich in Schröders Aufsatz, aber auch in Klippels Kritik an der momentanen Situation des fremdsprachlichen Literaturunterrichts abzeichnet, werden vor allem die wenig engagierten Lehrkräfte für die einseitige Ausrichtung und eine zu enge Begrenzung auf JFLUJJL 34 (2005) 108 Eva Burwitz-Melzer veraltete Texte verantwortlich gemacht (vgl. KUPPEL 2001, SCHRÖDER 2001). Fallstudien zeigen aber, dass Lehrkräfte, die ausreichend sensibilisiert und fachgerecht angeleitet werden, durchaus in der Lage sind, mit interkulturell ausgerichteten Texten, mit einem breit angelegten Textbegriff und mit neuen Kommunikationsformen im fremdsprachlichen Literaturunterricht erfolgreich zu arbeiten (MÜLLER-HARTMANN 1999, BURWITZ-MELZER 2003). Gleichzeitig erschyecken aber Berichte, die von einer Ausdünnung des Literaturunterrichts in den Fremdspracheninstituten an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen sprechen, wie es MÜLLER-HARTMANN für die PH Heidelberg in einem seiner jüngsten Aufsätze getan hat: Dort werden literaturdidaktische Inhalte weitgehend aus dem normalen Lehrbetrieb ausgegliedert, und es wird den Studierenden ein kurzer Literaturkanon zum Selbststudium überlassen; in einem Lehrerportfolio berichten die Studierenden später zusammenfassend über ihre Eindrücke und ihren Lernprozess beim Umgang mit literarischen Texten (vgl. MÜLLER-HARTMANN 2005). Aus dieser Notsituation in der Ausbildung einerseits und den hohen Ansprüchen an Lehrkräfte, die literarische Texte im Fremdsprachenunterricht einsetzen wollen, ergibt sich ein deutlicher Arbeitsauftrag für die Lehrerausbildung in der ersten und zweiten Phase sowie für die Lehrerweiterbildung: Der Umgang mit Literatur im Fremdsprachenunterricht muss sorgfältig vorbereitet und geübt werden. Fachwissenschaftliche, fachdidaktische und fächerübergreifende Begründungen, die lerntheoretisch und entwicklungspsychologisch fundiert sind, müssen einer solchen Ausbildung zugrunde liegen. Eine Ausrichtung des Literaturunterrichts an Kompetenzmodellen ist heute noch ungewohnt für ein Arbeitsgebiet, das sich stets als kreativ und schöpferisch definiert hat und damit auch als schwer evaluierbar galt und gilt. In der Tat soll auf die kreativen, schöpferischen und erkenntnisorientierten Lernziele des fremdsprachlichen Literaturunterrichts ja auch nicht verzichtet werden, wenn ein Kompetenzmodell benutzt wird, vielmehr wird der Blick auf alle Lernbereiche des Fremdsprachenunterrichts gelenkt, auf die pädagogischen, die interkulturellen, die sprachlichen und die literaturdidaktischen. Sie werden durch das Kompetenzmodell nebeneinander projiziert, auf ihre Brauchbarkeit für die Lernenden geprüft und in ihrer möglichen Evaluierbarkeit abgeschätzt. Dabei versteht es sich von selbst, dass die oben angeführte Liste von Kompetenzen natürlich für die Jahrgangsstufen 3 bis 13 konsekutiv erweitert werden muss. Darüber hinaus ist es ratsam, sie durch schulformspezifische Kompetenzbeschreibungen zu ergänzen, die nach einer realistischen Einschätzung des Leistungsvermögens der jeweiligen Lernerklientel zunächst als Hypothesen formuliert werden und dann empirisch überprüft werden sollten. Eine solch verifizierte Liste von Kompetenzen benötigt auch eine methodische Kommentierung, die zu den einzelnen Lernzielbereichen eine vielfältige Auswahl erprobter Arbeitsmuster liefert sowie eine Beispielsammlung von Texten, in der sich für die verschiedenen Leistungsstufen nach einem sehr breit angelegten Textbegriff Beispiele aus einem „offenen Kanon" finden lassen. So ausgestattet, kann das Kompetenzmodell als Grundlage der literaturdidaktischen Ausbildung von Lehrkräften helfen, den Fokus der Arbeit mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht neu zu strukturieren, diese Arbeit breiter anzulegen, in sprachliche, literarische sowie in interkulturelle Aufgaben einzuteilen, die sowohl kognitive wie lFlLl.lllL 34 (2005) Kompetenzen fur den Literaturunterricht ... 109 auch kreative Unterbereiche umfassen. Von einer traditionellen Textarbeit, die maßgeblich auf schriftlichen Textanalysen und kurzen, frontal gesteuerten Unterrichtsgesprächen besteht, ist diese Literaturarbeit weit entfernt, da sie durch das Kompetenzmodell auch neuere Arbeitsformen, wie zum Beispiel die Literaturrecherche am Computer oder das Metagespräch der Schülerinnen und Schüler über den eigenen Lernprozess mit einem literarischen Text fördert und fordert. Den oben dargestellten Entwürfen zu einem Kerncurriculum der Oberstufe und den „Bildungsstandards" der KMK von 2003 kann mit dem hier vorgelegten Konzept für den Umgang mit fremdsprachlichen literarischen Texten ein Kompetenzmodell an die Seite gestellt werden, das es erlaubt, auch in Zukunft literaturdidaktische und interkulturelle Lernziele zu verfolgen und sie nicht als Widerspruch zum notwendigen Erwerb alltagssprachlicher Kompetenzen zu empfinden. 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