eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 34/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2005
341 Gnutzmann Küster Schramm

Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung

121
2005
Peter Doyé
flul3410111
Peter DoYt * Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung Abstract. The main task of the primary school is to lay the foundation for all subsequent learning in secondary and further education. This principle applies to all areas of learning, and no valid arguments have been presented so far why foreign language study should be an exception to the general rule, now that it has been introduced into the primary school curriculum. Its chief function should therefore not be conceived as "anticipation" or "preparation", but as an important first step in the process of developing intercultural communicative competence. The present article deals with the consequences that have to be drawn from this challenging assignment; they concem the selection of linguistic and cultural content and the choice of method. 1. Einleitung Die deutsche Grundschule sah sich seit ihrer Gründung im Jahre 1920 mit einem fundamentalen Problem konfrontiert: Sie sollte zwei Funktionen erfüllen, die kaum miteinander zu vereinbaren sind. Sie sollte einerseits der harmonischen Entfaltung der Anlagen und Begabungen der Kinder dienen, andererseits die Kinder aber auf weiterführende Schulen in Deutschland drei verschiedene vorbereiten (FOLLING-ALBERS 1994). Die beiden Aufgaben sind deshalb so schwer in Einklang zu bringen, weil sie ganz unterschiedliche Maßnahmen erfordern. Für die Begabungsförderung ist viel Freiraum nötig mit der Möglichkeit, Anlagen zu entfalten, Neigungen zu entwickeln und Interessen zu wecken. Das bedeutet, dass die Lehrerinnen und Lehrer eine Fülle von Angeboten machen und die Kinder über weite Strecken gewähren lassen, damit diese ihren Weg selbst finden. Spontaneität, spielerisches Erproben, Kreativität und das Lernen über Versuch und Irrtum spielen eine große Rolle. Für die Vorbereitung auf die Sekundarstufe und die damit verbundene Auslese für eine von drei Schulformen ist dagegen zielgerichtetes Hinarbeiten auf die von der Gesellschaft gesetzten Normen angesagt. Das heißt: Planvolles Vorgehen, stringente Ausrichtung, straffe Organisation und klare Profilierung werden benötigt. Nun kann man natürlich argumentieren, dass das beschriebene Dilemma in dem veralteten dreigliedrigen Sekundarschulsystem deutscher Prägung begründet liegt. In der Grundschule gleichzeitig Begabungsförderung und Auslese zu betreiben, ist eben nicht miteinander zu vereinbaren. Diese Argumentation ist prinzipiell sicher richtig. Eine Korrespondenzadresse: Prof. em. Peter DOYE, Univ.-Prof, TU Braunschweig. Privat: Blumenstraße 23, 38162 CREMLINGEN. E-Mail: p.doye@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Interkulturelle Erziehung, Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, Interkomprehension. lFLlllL 34 (2005) 112 Peter Doye einheitliche Grundschule und eine nach (angeblich) festgestellten Fähigkeiten auseinanderdividierende Sekundarschule passen halt nicht zusammen. Aber das Problem der Passung gibt es auch in anderen europäischen Ländern mit einem weniger rückständigen Schulsystem als dem deutschen. Vieles deutet darauf hin, dass dieses Problem vor allem durch die strikte Trennung von Primar- und Sekundarstufe verursacht wird, und eine Reihe von Untersuchungsergebnissen zeigt, dass die Schwierigkeiten dort am wenigsten auftreten, wo man die beiden Schulstufen als eine Einheit versteht und entsprechend organisiert: als integrale Bestandteile eines pädagogischen Ganzen. Das sogenannte Übergangsproblem ist also offensichtlich hausgemacht. 2. Grundlegung und Weiterführung Das in der Einleitung Gesagte gilt für alle Lernbereiche: für die muttersprachliche, die mathematische, die soziale, die sachliche, die musische und nun nach der Aufnahme von fremden Sprachen und Kulturen in den Kanon der Grundschule auch für die fremdsprachliche Bildung. Doch bei der letztgenannten kommt sie am stärksten zum Tragen. Deshalb sprechen viele Vertreter des Fremdsprachenunterrichts auch so oft von der „Übergangsproblematik" und ganz Verbissene fordern sogar die Schaffung einer „Übergangsdidaktik". Die Dokumente des Europarats zum Fremdsprachenunterricht enthalten eine ganz andere Sicht. Sie verstehen das Sprachenlernen in der Schule als eine Einheit und weisen dabei der Grundschule die Aufgabe der Grundlegung und der Sekundarschule die Funktion der Fortführung und Ausdifferenzierung zu. "The primary school is an institution in its own right. lt represents a first phase of schooling and a very important one. In primary education the foundations are laid for a great many fields of learning and for basic skills and strategies. That they are basic and that their promotion has to be continued at the secondary level of schooling is obvious" (DOYE/ HURRELL 1997: 94). Eine ausführliche Beschreibung der Rolle der Sekundarschule schließt sich an. Sie bezieht sich 'im Wesentlichen auf die Funktion der Weiterführung und Ausdifferenzierung. Aus dieser grundsätzlichen Aufgabenzuweisung, die im Wesentlichen eine Aufgabenverteilung auf zwei Stufen ist, folgern nun die Experten des Europarats, dass mit der Einführung des Fremdsprachenunterrichts in die Grundschule für den neuen Lernbereich logischerweise dieselben Prinzipien gelten müssen wie für alle anderen. Ähnlich wie die Vertreter des Europarats argumentiert LEGUTKE (2000: 49). Er schlägt vor, "die Vorstellung des Übergangs von der Grundschule zur Sekundarstufe zugunsten eines Konzepts der Weiterführung aufzugeben. Denn der Begriff Übergang signalisiert eher den Bruch zwischen zwei unterschiedlichen Bildungseinrichtungen, was bezogen auf Fremdsprachenerwerb häufig mit der falschen Vorstellung einhergeht, dass nach dem lediglich spielerisch-unsystematischen Lernen in der Grundschule in der Sekundarstufe I der richtige, systematische Fremdsprachenunterricht einsetze". lFLlllllL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 113 Diese Argumente sind zwar sehr konsequent, aber dennoch weit davon entfernt, generell akzeptiert zu werden. Zu tief sind die Gräben, die durch die lange Tradition zwischen den beiden Institutionen entstanden sind, vor allem in den Köpfen der Lehrkräfte; und ein radikales Umdenken ist erforderlich. Zunächst einmal müssen Lehrerinnen und Lehrer aufhören, das Fremdsprachenlernen auf der Primarstufe und das auf der Sekundarstufe als etwas prinzipiell Unterschiedliches zu sehen. Kinder der Grundschule lernen fremde Sprachen nicht grundsätzlich anders als Schüler der weiterführenden Schule. Gewiss gibt es altersbedingte Unterschiede; aber die Gemeinsamkeiten sind viel größer. Immer handelt sich um den Erwerb neuer Zeichensysteme zum Ausdruck von Gedanken und Gefühlen, zur Erfassung der Realität und zur Kommunikation mit anderen Menschen. In der Regel sind diese Menschen anderer kultureller Herkunft, was zu der Formulierung „Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit" für das Globalziel des schulischen Fremdsprachenunterrichts geführt hat. Dieses Ziel gilt daher zu Recht für die gesamte Schulzeit, von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II. Es findet sich deshalb in unterschiedlichen Formulierungen, aber inhaltlich kongruent in allen Lehrplänen wieder. Die nordrhein-westfälischen Richtlinien für die Sekundarstufe II (Englisch) fordern: „Die Schülerinnen und Schüler sollen ... sprachlich handlungsfähig sein in komplexen, für sie bedeutsamen Begegnungssituationen mit Englisch sprechenden Menschen und den anglophonen Kulturen" (MINISTERIUM FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG, WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG 1999: 8). Die niedersächsischen Rahmenrichtlinien für die Integrierte Gesamtschule (Zweite Fremdsprache) nennen als allgemeine Lernziele: „Der Unterricht[ ... ] trägt dazu bei, die sprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu erweitern [... ] und Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber den Angehörigen einer anderen Sprachgemeinschaft zu wecken" (NIEDERSÄCHSISCHER KULTUSMINISTER 1989: 6). Der Hamburger Bildungsplan für die Grundschule postuliert „erste grundlegende Kommunikationsfähigkeiten, Sprachbewusstsein und interkulturelles Lernen" (RAHMENPLAN ENGLISCH 2002: 5 f). 3. Konsequenzen Die gerade beschriebene ganzheitliche Sicht, die das Fremdsprachenlernen in der Schule als eine Einheit und allein aus organisatorischen Gründen in zwei Phasen geteilte Aufgabe betrachtet, hat weitreichende Konsequenzen. Diese sind sprachlicher, inhaltlicher und methodischer Art. Die sprachlichen und inhaltlichen Unterrichtsgegenstände der beiden Schularten müssen aufeinander abgestimmt und die Unterrichtsmethoden in Einklang gebracht werden. lFLl! iL 34 (2005) 114 Peter Doye 3.1 Sprachliche Konsequenzen Diese betreffen die Auswahl und Anordnung der sprachlichen Gegenstände, also das zentrale didaktische Problem allen Fremdsprachenunterrichts. · Wenn das Fremdsprachenlernen einheitlich organisiert werden soll, müssen neue Curricula erarbeitet werden, die für jede zu lernende Sprache Leitlinien zur Stoffverteil_ung vom Anfang bis zum Ende des schulischen Lehrgangs enthalten. Dass das Sprachenlernen in der Schule Lehrgangscharakter tragen müsse, ist nach wie vor unbestritten, und deshalb ist auch die sprachliche Dimension so besonders wichtig. Kommunikative Kompetenz lässt sich eben am besten dadurch entwickeln, dass man sie systematisch aufbaut. Das bedeutet eine Progression nach psychologisch sinnvollen Prinzipien. Eine ganze Reihe solcher Prinzipien kommt in Frage: das Fortschreiten vom Einfachen zum Komplexen, das Fortschreiten vom Konkreten zum Abstrakten, das Fortschreiten vom Leichten zum Schwierigen, das Fortschreiten vom (zum Zwecke der Kommunikation) dringend Benötigten zum weniger Benötigten, usw. Welches dieser Prinzipien im konkreten Fall angewandt wird, ist abhängig von der pädagogischen Situation; aber der Unterricht auf der Primarstufe und der auf der Sekundarstufe dürfen sich nicht prinzipiell widersprechen. Es stört den Lernprozess erheblich, wenn etwa die Grundschule eine kommunikative Progression verfolgt, die weiterführende Schule aber eine grammatische oder gar eine phonologische. MACKEY hat in seiner groß angelegten "Language Teaching Analysis" die Frage des "ordering of the language for teaching purposes" zu einer Kernfrage des Sprachunterrichts erklärt und auf eine einfache Formel gebracht: "What goes with what? What comes before what? " Er nennt das Ganze "Gradation" (MACKEY 1966: 204), und seine Erläuterungen dazu können auch heutigen Curriculumplanem sehr hilfreich sein. Ein einheitliches Curriculum ist auch aus Gründen der Motivation wichtig. Nichts ist der Lernbereitschaft der Schülerinnen und Schüler abträglicher, als wenn sie beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule von den neuen Lehrkräften gesagt bekommen, dass es nun erst richtig losgehe und all ihr bisheriges Lernen von geringem Wert war. Eine solche Sichtweise kann den Kindern die Lust am Sprachenlernen generell verleiden, nicht nur in der gerade betroffenen Sprache. Zu der grundsätzlichen Frage der Auswahl der sprachlichen Gegenstände hat der Europarat wertvolle Vorschläge gemacht. Der gemeinsame europäische Referenzrahmen und die in ihm vorgesehenen Stufen sprachlicher Kompetenz (Waystage, Threshold, Vantage usw.) sind im Wesentlichen kommunikativ orientiert. Sie regen an, die jeweils zu lernenden sprachlichen Gegenstände auf dem Wege logischer Ableitung festzustellen (COUNCIL FOR CULTURAL CO-OPERATION 1998). Die Curriculumplaner mögen also zunächst die Situationen ermitteln, für die die Lernenden ausgerüstet werden sollen, sodann die Kompetenzen bestimmen, die diese zur sprachlichen Bewältigung der Situationen brauchen und schließlich die sprachlichen Mittel festlegen, durch die die Kompetenzen erlangt werden. Auf diese Weise entstehen Lernkataloge, die sowohl die kommu- JF]Ll.11][, 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 115 nikativen Akte wie auch die zu ihrem Vollzug benötigten linguistischen Einheiten (lexikalischer, grammatischer und phonologischer Art) enthalten. Wegen ihrer logischen Stringenz sind denn auch diese Ideen des Europarats zur Basis für die Erstellung vieler Curricula geworden, in Deutschland wie in etlichen anderen europäischen Ländern. Entsprechendes empfiehlt sich nun auch für die Grundschule. Wenn sie die Aufgabe der Grundlegung der kommunikativen Kompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler erfüllen will, muss sie ihre sprachlichen Gegenstände nach logischen Kriterien festlegen; und dafür bieten die genannten Vorschläge eine gute Grundlage. Sie kann diese am besten dadurch realisieren, dass sie Kataloge für die Vermittlung der fundamentalen sprachlichen Akte, der wesentlichen grammatischen Strukturen und des Grundwortschatzes in ihre Curricula aufnimmt. Entscheidend ist, dass diese Kataloge grundlegend und ausbaufähig angelegt sind, grundlegend wegen der intendierten Fundierung allen weiteren Lernens und ausbaufähig wegen der später nötigen Weiterführung und Ausdifferenzierung. Hierin liegt eine große Verantwortung der Grundschule, die nicht unterschätzt werden darf. 3.2 Die inhaltlichen Konsequenzen Hiermit sind die an die Sprache geknüpften Inhalte sachlicher und kultureller Art gemeint. Diese sind ja mit der kommunikativen Progression nicht zwingend vorgegeben. Die gewählten sprachlichen Einheiten können sehr wohl verschiedene sachlich-kulturelle Informationen transportieren, und deshalb muss auch in diesem Bereich eine eigene Auswahl und Anordnung der Unterrichtsgegenstände erfolgen. Auch hierfür gibt es in der didaktischen Literatur zahlreiche Vorschläge, die sich zum Teil widersprechen, aber per Kompromiss durchaus koordiniert werden können. Am häufigsten werden von Theoretikern wie Praktikern des Fremdsprachenunterrichts die folgenden Auswahlkriterien genannt: - Interessenlage der Lernenden, Bezug zu den intendierten sprachlichen Kompetenzen, - Kulturelle Repräsentativität, - Multiperspektivität, - Differenzierte Darstellung und - Bildungswert. Welche der genannten Kriterien man auch verwendet, wichtig ist (wie bei der Bestimmung der sprachlichen Gegenstände) vor allem, dass die Inhalte auf beiden Schulstufen nach den gleichen Prinzipien ausgewählt und angeordnet werden. Aber es lässt sich ja durchaus eine didaktische Leitlinie aus dem übergeordneten Ziel des Fremdsprachenunterrichts ableiten. Wenn man die „Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit" zum Globalziel erklärt, ergeben sich daraus auch inhaltliche Konsequenzen. BYRAM hat die Anregungen der Interkulturellen Pädagogik aufgreifend den Fremdsprachenunterricht in den Dienst der interkulturellen Erziehung gestellt und deshalb das lFJLl.lL 34 (2005) 116 Peter Doye Konzept der "communicative competence" durch das qualifizierende Adjektiv "intercultural" erweitert (BYRAM 1997). Eigentlich war in der kommunikativen Didaktik die interkulturelle Dimension des Fremdsprachenlernens schon immer mitgedacht: Denn zu welchem anderen Zweck sollten die Lernenden denn qualifiziert werden, wenn nicht zu dem der Kommunikation mit Menschen anderer kultureller Herkunft? Aber erst die ausdrückliche Nennung der Interkulturalität in der Zielformulierung hat allen Theoretikern wie Praktikern verdeutlicht, worin letztlich die Aufgabe besteht. Diese Klarheit ist auch für die Bestimmung der Inhalte förderlich. Es müssen vor allem solche Inhalte ausgewählt werden, anhand derer die interkulturelle Dimension gelehrt und gelernt werden kann. Nun ist allerdings die Möglichkeit einer interkulturellen Orientierung des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule oft bezweifelt worden. Der Gesamtunterricht in den ersten vier Schuljahren habe doch vor allem die Aufgabe, den Kindern bei der Orientierung in ihrer Umwelt zu helfen und müsse daher seine Gegenstände vor allem aus dieser Umwelt nehmen. Dem müsse sich auch der neu eingeführte Fremdsprachenunterricht anpassen. Dieses Argument lässt zwei Fakten außer acht: Erstens gehören zur Umwelt der meisten Grundschulkinder heute bereits viele Objekte und Personen aus anderen Kulturen und zweitens lassen sich die Gegenstände und menschlichen Verhaltensweisen der eigenen Kultur ja leicht in Beziehung setzen zu entsprechenden Phänomenen in anderen Kulturen, speziell denen der Zielsprache. Hierzu gibt es einen sehr interessanten Vorschlag. CURTAIN und PES0LA referieren ein Programm, das dem Fremdsprachenunterricht in den Elementary Schools der Montgomery County, Maryland, zugrunde liegt. Es greift die kulturellen Gegenstände auf, mit denen sich der Sachunterricht in diesen Schulen ohnehin zu befassen hat, wenn er den Kindern bei der Orientierung in ihrer Umwelt helfen will. Da treten dann die großen Themen des Alltags auf: Food, Clothing, Housing/ Shelters, Interpersonal Relations, Communication and Transportation, Leisure Activities, Literature, Music (CURTAIN/ PESOLA 1994: 419 ff). Diese Bereiche werden mit der Gründlichkeit behandelt, die ihrer Rolle bei der kindlichen Erfassung der heimischen Kultur zukommt, aber dann im fremdsprachlichen Teil des Unterrichts gleich in Beziehung gesetzt zu den korrespondierenden Bereichen der Zielkultur. An die Frage „Wie sieht es bei uns aus? " schließt sich bald, d.h. mit dem gebührenden zeitlichen Abstand, den eine gründliche Behandlung nun einmal erfordert, die zweite Frage an: "Wie sieht es bei den Anderen aus? " Dieses Programm ist deshalb so bemerkenswert, weil es mit dem Inter in der Konzeption der interkulturellen Erziehung Ernst macht. Von Anfang an lernen die Kinder ihre eigene Kultur als eine von mehreren Lebensformen kennen, denen andere gegenüberstehen. Der Vergleich wird zum Prinzip erhoben: "Wie leben wir? " fragen Kinder und Lehrer, und „Wie leben die Anderen? " erkunden sie dann. Dass es 'die' Anderen nicht gibt, dass die Vorstellung von einer einheitlichen anderen Kultur ebenso wie die von einer geschlossenen eigenen Kultur in dieser Generalisierung falsch ist, kann als vorläufige Inkorrektheit hingenommen werden, wenn sie, sobald die lFL1lllL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 117 Möglichkeit dazu besteht, berichtigt wird. Stereotypen dienen ja auch sonst immer als vorläufige Mittel der Groborientierung und werden, wenn mehr Informationen vorliegen, durch differenziertere Denkformen ersetzt. So hat der geistige Vater der modernen Stereotypen- und Vorurteilsforschung, GORDON W. ALLPORT, die Notwendigkeit, "stereotypes" durch "differentiated categories" zu ersetzen, eindeutig belegt, aber auch auf die Tatsache hingewiesen, dass Stereotypen dem Menschen gute Dienste bei der Groborientierung leisten können, sofern sie als vorläufige Denkmuster angesehen werden (ALLPORT 1979). Der Wert des Prinzips der vergleichenden Gegenüberstellung besteht vor allem darin, dass sie die Einbeziehung des Fremden in das Curriculum der Grundschule ermöglicht, indem sie diese an die Darstellung des Eigenen anschließt. Es müssen nicht erst Gegenstände aus der Zielkultur gesucht und dann gesondert behandelt werden; sie ergeben sich als Counterpart der eigenen Kultur quasi von selbst. Deshalb ist dieses Prinzip auch so vorzüglich geeignet für die Grundlegung fremdsprachlicher und interkultureller Bildung in der Grundschule. Dass es auch auf der Sekundarstufe weiter verfolgt werden kann, leuchtet unmittelbar ein, und würde, wenn generell und konsequent angewandt, den Fremdsprachenunterricht dort von der oft mühsamen Suche und häufig willkürlichen Entscheidung bei der Wahl der kulturellen Inhalte befreien (BYRAM 1993; DOYE 1999). 3.3 Die methodischen Konsequenzen Die wichtigste methodische Konsequenz aus der empfohlenen einheitlichen Konzeption des schulischen Fremdsprachenunterrichts besteht darin, Brüche zwischen der Grundschule und der weiterführenden Schule zu vermeiden. Diese sind in der Vergangenheit meist mit der Notwendigkeit, den Unterricht altersgemäß zu gestalten, begründet worden, aber auch mit der unterschiedlichen Funktion der beiden Schulstufen. So enthalten denn die Richtlinien und Empfehlungen für die Grundschule stets eine Reihe von Prinzipien für die methodische Durchführung des Unterrichts. Die meistgenannten sind (z.B. HESSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1995): - Handlungsorientierung, - Anschaulichkeit, - Spielerisches Lernen, - Einsprachigkeit, Authentizität, - Ganzheitliches Lernen. Eine kritische Betrachtung dieser Prinzipien führt aber schnell zu der Einsicht, dass ihre Befolgung keineswegs nur der Grundschule gut täte. Sie ganz oder teilweise im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe zu befolgen zusammen mit weiteren, schulspezifischen, versteht sich könnte auch das Lernen älterer Schülerinnen und Schüler befördern. Keineswegs läuft deren Sprachlernprozess so grundsätzlich anders ab, dass die genannten methodischen Maßnahmen sie dabei nicht unterstützen könnten. JFL1JIL 34 (2005) 118 Peter Doye Es täte deshalb den Lehrkräften der Sekundarstufe keinen Abbruch, wenn sie die für die Grundschule gemachten Vorschläge auf ihre Anwendung in ihrem Bereich prüften und die ihnen geeignet erscheinenden in ihr methodisches Repertoire aufnähmen. Dies gilt aber auch in umgekehrter Richtung. Vieles in der Methodik des Fremdsprachenunterrichts der Sekundarstufe ist ja nicht an diese gebunden. Die dort bevorzugten methodischen Maßnahmen haben nicht nur Gültigkeit für die weiterführenden Schule: - Die systematische Wortschatzvermittlung, der induktive Grammatikunterricht, die Schulung von Aussprache und Intonation, die hermeneutische Textarbeit enthalten allesamt Prinzipien, deren Beachtung cum grano salis auch dem Fremdsprachenunterricht der Grundschule Vorteile brächte. Zu den methodischen Konsequenzen gehören aber nicht nur die Verfahren des Lehrens und Lernens, sondern auch die der Feststellung der Ergebnisse. Auch in diesem Bereich sind bisher die Unterschiede zwischen der Grundschule und den weiterführenden Schulen erheblich. Angesichts der Bedeutung der Ergebnisfeststellung für den gesamten Lernprozess (Information, Feedback, Bewertung) müssen jedoch auch hier Wege zur Vereinheitlichung der Prinzipien gefunden werden. Da Kinder der Grundschule fremde Sprachen, wie gesagt, nicht grundsätzlich anders lernen als auf den späteren Stufen, sollten für die Ergebnisfeststellung im Grundschulunterricht dieselben Gütekriterien gelten wie die, welche sich auf der Sekundarstufe bewährt haben, also vor allem Validität, Reliabilität, Objektivität und Ökonomie. Eine gute Hilfe bei der Harmonisierung bietet das Europäische Sprachenportfolio. Von einer Arbeitsgruppe des Europarats entworfen und in mehreren europäischen Ländern erprobt, stellt es eine wertvolle Ergänzung zu den herkömmlichen Verfahren der Leistungsfeststellung dar. "A language Portfolio is a document, or an organised collection of documents, in which individual leamers (the 'holders') can assemble over a period of time, and display in a systematic way, a record of their qualifications, achievements and experiences in language leaming, together with samples ofwork they have themselves produced" (COUNCILFOR CULTURALCO-OPERATION 1997). Es bietet den Vorteil einer einheitlichen Dokumentation aller wichtigen sprachlichen Kenntnisse und Kompetenzen, welche die Lernenden von der Primarstufe bis zum Ende ihrer Schulzeit erworben haben und schließt auch den außerschulischen Erwerb weiterer Sprachen mit ein. Es besteht aus drei Teilen: einem Sprachenpass, der die Sprachlernerfahrungen und erreichten Niveaus registriert, einer Sprachenbiografie, in der die Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Lernwege beschreiben und eine Selbsteinschätzung der erzielten Ergebnisse vornehmen und einem Dossier, in welchem die Lernenden repräsentative Produkte ihrer Arbeit nach eigener Wahl zusammenstellen. lFLIIL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 119 Anfänglich gab es allerdings erhebliche Zweifel daran, dass das Sprachenportfolio schon in der Grundschule einsetzbar sei. Ein Haupthindernis schien in der Schwierigkeit zu liegen, für die in einem solchen Dokument geforderten Daten klare Kategorien und altersgemäße Formulierungen zu finden, die den Kindern verständlich sind und ihnen sachgemäße Reaktionen ermöglichen. Inzwischen ist es gelungen, dieses Problem zu lösen. Eine Reihe von Bundesländern (z.B. Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz) haben Entwürfe für das erste Sprachenportfolio vorgelegt und in einer beträchtlichen Zahl von Grundschulen mit Erfolg eingesetzt. Der neueste Entwurf stammt aus Rheinland-Pfalz: "Mein erstes Sprachenportfolio" (MINISTE- RIUM FÜR BILDUNG, FRAUEN UND SPORT 2004) ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie es möglich ist, die anspruchsvolle Portfolio-Idee in einer Form zu realisieren, die auch siebenbis zehnjährigen Kindern verständlich ist. In seiner kindgemäßen Klarheit liefert es den überzeugenden Beweis für die Praktikabilität des Portfolio-Konzepts schon auf der Primarstufe (MINISTERIUM FÜR BILDUNG, FRAUEN UND SPORT 2004). Es ist so gut gelungen, dass die Lehrkräfte der Sekundarstufe ihm wertvolle Informationen über den Lernstand der Kinder entnehmen und mit einem zweiten Portfolio unmittelbar an den Vorgänger anschließen können. 4. Mehrsprachigkeitsdidaktik Das im vorigen Abschnitt Gesagte bezog sich gänzlich auf das Lehren und Lernen 'einer' Sprache, nämlich der ersten Fremdsprache. Die ganzheitliche Sichtso unsere Argumentation erfordere eine Aufteilung der Gesamtaufgabe in Grundlegung und Fortführung in der Weise, dass die Grundschule die Vermittlung einer fundamentalen Kommunikationsfähigkeit in der ersten Fremdsprache übernimmt und die weiterführende Schule deren Ausbau und Differenzierung. Dabei müsse die Grundschule ihren Unterricht so gestalten, dass er ein Fundament für alles weitere Lernen in dieser Sprache schafft. Wie steht es nun aber mit der Schaffung einer Basis für das Erlernen weiterer Sprachen? Kann auch hier die Grundschule einen grundlegenden Beitrag leisten? Für die Beantwortung dieser Fragen ist ein Blick auf die Erkenntnisse der europäischen Mehrsprachigkeitsdidaktik hilfreich. MEißNER und REINFRIED haben mit ihrem gleichnamigen Buch den Stein ins Rollen gebracht und das Problem der optimalen Koordination des Lehrens und Lernens der einzelnen Sprachen zu einer zentralen didaktischen Frage erhoben (MEißNERIREINFRIED 1998). In Deutschland wie in den anderen Ländern, die der Empfehlung des Europarats zur schulischen Vermittlung (mindestens) zweier Fremdsprachen folgen wollen, heißt dies, dass ihre pädagogischen Institutionen in Zukunft die Vermittlung der verschiedenen angebotenen Fremdsprachen aufeinander abstimmen müssen (COMMITTEE OF MINISTERS 1998). Dies hat wiederum Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, die über die oben beschriebenen hinausgehen. Deren Lehrkräfte müssen zu der Einsicht gelangen, dass sie mit ihrem Unterricht auch die Grundlagen schaffen für das künftige Sprachenlernen der Kinder überhaupt. JF]Llll, 34 (2005) 120 Peter Doye Ein zu hoher Anspruch? Angesichts der zahlreichen Anregungen zur Gestaltung eines solchen, im besten Sinne vorausschauenden Unterrichts wohl kaum. MEißNER selbst hat die Mehrsprachigkeitsdidaktik mehrfach eine „Transferdidaktik" genannt und auf die zahlreichen Möglichkeiten der Übertragung deklarativen wie prozeduralen Wissens von zuvor gelernten Sprachen auf später gelernte hingewiesen (MEißNER 2000). Das (leider) in den meisten Bundesländern ad acta gelegte „Begegnungssprachenkonzept" enthält wertvolle Anregungen zur Ausweitung des Blicks auf andere Sprachen und Kulturen über den Horizont der hier und jetzt gelernten hinaus (THÜRMANN 1990). Das von HAWKINS 1984 vorgelegte Programm ,Language across the curriculum' bietet vielfältige Möglichkeiten der Bewusstmachung des Zusammenhangs aller von den Schülern zu erwerbenden Sprachen zum Zwecke der besseren Beherrschung derselben. Schließlich hat der Verfasser dieses Artikels detaillierte Vorschläge zur Anwendung des „Prinzips des Exemplarischen"(KLAFKI) gemacht und gezeigt, auf welche Weise der Unterricht in einer gerade gelernten - Sprache zum Exempel für Sprachenlernen überhaupt gemacht werden kann (DOYE 1999: 59 ff). - Was bedeuten diese Vorschläge für die Praxis? Transferdidaktik: Die sprachlichen Einheiten der zuerst gelernten Sprache können auf ihre Eignung als Transferbasen hin geprüft werden und überall dort, wo sich die Möglichkeit dazu bietet, zur Erleichterung und Beförderung des Erlernens der nachfolgenden Sprache(n) herangezogen werden (MEißNER 2000: 56). Begegnungssprachenkonzept: Sieht man einmal von dem (inzwischen als nachteilig erkannten) Verzicht auf den Erwerb der Basiskompetenz in einer bestimmten Sprache ab, so liegt der wesentliche Vorteil dieses Konzepts darin, dass es den Kindern von Anfang an deutlich macht, dass es neben der gerade gelernten Sprache weitere gibt, die in anderen kulturellen Kontexten, versteht sich die gleiche kommunikative Funktion haben und für die man aus der Aneignung der ersteren wertvolle Hilfe beziehen kann (THÜRMANN 1990: 38 ff). Language across the curriculum: Dieses Programm vernetzt die von den Lernenden anzueignenden Sprachen einschließlich der Muttersprache mit dem Ziel, eine bessere kommunikative Kompetenz in all diesen Sprachen zu erreichen. Das zentrale Konzept ist das der „awareness of language", also der Bewusstheit der Rolle_ der Sprache(n) im Leben der Menschen einschließlich ihrer Funktionen und Formen, welche den Schülerinnen und Schülern auch zu effektiverem Lernen ihrer Fremdsprache(n) verhelfen soll. Hawkins' Buch enthält viele praktische Empfehlungen hierzu (HAWKINS 1984: 292 ff). Exemplarischer Fremdsprachenunterricht: Dieses Konzept resultiert aus der konsequenten Anwendung des Klafkischen „Prinzips des Exemplarischen" auf das Fremdsprachenlernen in der Schule und führt hin zu der Forderung, die Beschäftigung mit der einen gerade gewählten Sprache nicht mit Ausschließlichkeit zu betreiben, sondern von vornherein mit dem Blick auf weitere Sprachen und Kulturen. Die gerade gelernte Sprache dient als Beispiel für fremde Sprachen generell und soll als Basis für die Aneignung nachfolgender Sprachen fungieren (DOYE 1999: 59ff.). Eine Synopse all dieser Konzepte offeriert ein breites Repertoire an methodischen Möglichkeiten, die den Unterricht in der ersten Fremdsprache auch zur Schaffung von ]F]Ll]][, 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 121 Grundlagen für die Aneignung weiterer Sprachen geeignet erscheinen lassen. Allerdings ist diese Idee so neu, dass sie erst noch der weiteren theoretischen Klärung und empirischen Erprobung bedatf, ehe sie als ein ausgereifter methodischer Vorschlag gelten und als solcher an die Praxis herangetragen werden kann. 5. Offene Fragen 5.1 Sprachenwahl In den bisherigen Darlegungen ist die Frage der Sprachenwahl bewusst ausgeklammert worden, und die Überlegungen waren absichtlich nicht auf ein bestimmtes Szenario ausgerichtet. Aber die Frage, welche Sprache als erste gelernt und gelehrt werden soll und welche als zweite oder dritte, ist natürlich von großer Bedeutung (vgl. MEißNER, in diesem Band SS. 125-145). Bis vor kurzem galt es als ausgemacht, dass die Kinder der Grundschule abgesehen von den Grenzregionen als erste Fremdsprache Englisch lernen sollten. Die Begründung war die, dass dem Englischen wegen seiner weiten Verbreitung und seiner dominanten Stellung in der Welt der Vorrang vor allen anderen Sprachen gebühre. Diese Begründung hat in den letzten Jahren einer differenzierteren Argumentation Platz gemacht. Heute werden drei Möglichkeiten erörtert: Die erste Fremdsprache solle eine Migrantensprache, eine Nachbarsprache oder eine Weltsprache sein. Eine Migrantensprache bietet den Vorteil, dass sie zum „Nahbereich der kindlichen Etfahrungswelt" (BAUR/ CHLOSTA 1999: 30) gehört. Wenn deutsche Kinder in einer Region, in der auch viele Türken oder Portugiesen wohnen, deren Sprache lernen, dann dient dies der praktischen Lebensbewältigung und kann das Verständnis für die andere Kultur fördern. Als Nachbarsprachen werden solche Sprachen angesehen, die in Nachbarländern als Muttersprachen gesprochen werden. Für Nordrhein-Westfalen z.B. sind dies das Niederländische und das Französische. Sie verbinden den Vorteil konkreter Erfahrbarkeit mit einem zweiten, nämlich dem hohen Gebrauchswert bei grenzüberschreitenden Begegnungen. Als Weltsprache kommt vor allem das Englische in Betracht. Seine Nützlichkeit ist unbestritten, bringt aber auch einen schwerwiegenden Nachteil mit sich: "Das Englische öffnet nicht für Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit, sondern führt zu einer frühen Beschränkung, da die Lerner das Englische als universelles Kommunikationsmittel kennenlernen,[...] als linguafranca, losgelöst von einzelnen Kulturen" (BAuRICHLOSTA 1999: 29). Die Entscheidung für eine dieser Alternativen ist schwierig, weil auch mit politischen Präferenzen verbunden. Jede der drei Optionen hat Vor- und Nachteile; aber gerade deswegen sollte keine von ihnen prinzipiell ausgeschlossen werden, weder auf regionaler noch auf nationaler Ebene. lFILulL 34 (2005) 122 Peter Doye In den Entscheidungsprozess zur Sprachenwahl könnte angesichts der erörterten Funktion der Grundschule gewiss auch die Überlegung einfließen, welche der in Frage kommenden Sprachen sich am besten eignet, die Aufgabe der Grundlegung für weiteres Lernen zu übernehmen. Jedoch ist auch diese Frage schwer zu beantworten. Es gibt keine eindeutigen Aussagen von den einschlägigen Wissenschaften, weder von der Psychologie noch von der kontrastiven Linguistik, und erst recht keine generell verwertbaren Ergebnisse von frem.dsprachendidaktischen Untersuchungen. Da zudem. keine überzeugenden Erfahrungsberichte aus der Praxis hierüber vorliegen, bleibt die Frage bis auf Weiteres offen und die Entscheidung der Sprachenfolge weiterhin den praktischen Erwägungen vor Ort überlassen. Mit anderen Worten: Jedwede Abfolge ist zulässig. 5.2 Gesamtkonzept Eine Realisierung der im. dritten Abschnitt angesprochenen Konsequenzen ist zugegebenermaßen schwierig. Sie wäre leichter durchsetzbar, wenn es ein Gesamtkonzept für den Frem.dsprachenunterricht gäbe. Mangels einer übergeordneten Instanz haben sich in den vergangenen Jahren einzelne Bundesländer vorgenommen, ein solches Gesamtkonzept für ihren Bereich zu entwickeln. Niedersachsen und Hessen haben 1999 und 2001 Expertentagungen zu diesem. Thema durchgeführt und deren Ergebnisse in zwei Dokumentationen zusammengefasst. Es liegen vor und sind bei den zuständigen Ministerien zu beziehen: - Die Dokumentation 'Entwicklung eines Gesam.tkonzepts für den schulischen Frem.dsprachenunterricht' (Niedersachsen). Die Weilburger Erklärung 'Mehrsprachigkeit und Europäische Dimension' (Hessen). Beide Dokumentationen enthalten wertvolle Anregungen für die Umsetzung der ganzheitlichen Konzeption des Frem.dsprachenunterrichts in der Schule. Da ist von einem. Kerncurriculum. die Rede für alle in der Schule unterrichteten Sprachen (Hessen) und von einem. Konzept, welches das Verhältnis der Schulsprachen regelt und Wege aufzeigt, in welchen Abfolgen und m.it welcher Verzahnung die Fremdsprachen in der Schule angeboten und gelernt werden können (Niedersachsen). In der Weilburger Erklärung heißt es darüber hinaus: „Die Grundschule und die weiterführenden Schulen haben die gemeinsame Verantwortung für das Fremdsprachenwachstum der Schülerinnen und Schüler und informieren sich gegenseitig über Ziele, Inhalte und Methoden des Unterrichts." Mit diesem. Zitat ist nun aber auch ein notwendiger nächster Schritt angesprochen. Solange es das geforderte Gesamtkonzept m.it einem. wünschenswerten Kerncurriculum. nicht gibt, sind die Lehrkräfte der beiden Schulstufen auf eigene Initiativen vor Ort angewiesen, m.it denen sie die erforderliche Koordination selbst in die Hand nehmen. Eine Reihe von Maßnahmen hat sich dabei bereits bewährt. Die niedersächsischen 'Handreichungen für den Übergang' nennen die folgenden (NIEDERSÄCHSISCHES KUL- TUSMINISTERIUM 2000: 27): lFLlJIL 34 (2005) Das Fremdsprachenlernen in der Grundschule als integraler Bestandteil der Grundbildung 123 Austausch von Informationen in schriftlicher Form Wechselseitige Hospitationen Gemeinsame Fachkonferenzen Gegenseitige Informationen in Gesamtkonferenzen Gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen Gemeinsame Materialbörsen Abstimmung der Unterrichtskonzepte Die hier genannten Maßnahmen haben sogar den Vorteil, dass sie den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden können. Wenn sie professionell realisiert werden und zum Erfolg führen, dann stellt sich die Frage, ob es eines Gesamtkonzepts auf Länderebene oder gar auf Bundesebene überhaupt noch bedarf. Literatur ALLPORT, Gordon W. (1979): The Nature of Prejudice. Reading, Mass.: Addison-Wesley. BAUR, Rupprecht / CHLOSTA, Christoph (1999): "Begegnung mit Sprachen- Reform oder Konkurs". In: GERLING, Ursula / THÜRMANN, Eike / NIEWELER, Andreas (Hrsg.): Wege zur Mehrsprachigkeit. Soest: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 25-34. BEHÖRDE FÜR BILDUNG UND SPORT- HAMBURG - (Hrsg.) (2002): Rahmenplan Englisch. Bildungsplan Grundschule, Klassen 3 und 4. Hamburg: Amt für Schule. BYRAM, Michael (ed.) (1993): Germany. lts Representation in Textbooksfor the Teaching of Germanin Great Britain. Frankfurt/ Main: Diesterweg. BYRAM, Michael (1997): Teaching and assessing intercultural communicative competence. Clevedon: Multilingual Matters. 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