eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 35/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2006
351 Gnutzmann Küster Schramm

„A long and winding road … “ – Von der ‚Landeskunde’ zur interkulturellen Sprachdidaktik

121
2006
Claus Gnutzmann
Frank G. Königs
flul3510003
.___ ____ s_p_r_a_c_h_d_i_d_a_k_t_ik_-_•_·n_t_e_r_k_u_It_u_r_e_n _____ l Claus GNUTZMANN, Frank G. KÖNIGS * „A long and winding road ..." - Von der ,Landeskunde~ zur interkulturellen Sprachdidaktik Überlegungen zur Einführung in die Thematik und eine Einleitung zu einem Themenheft Abstract. This article looks into the historical aspects and major thematic issues relating to the general topic ofthe present volume. After a briefintroductory reflection on the term 'Landeskunde', it surveys the development ofthe concepts of 'Landeskunde' and 'Kulturkunde' until 1945. This review connects to the second part, which conceptualises the new understanding of 'Landeskunde' with special reference to intercultural learning. The third chapter focuses on basic questions ofleaming psychology in terms of information-intake regarding 'Landeskunde'. Furthermore, it shows which information processes are triggered offwithin a foreign learner when confronted with foreign language material and the associated 'cultural' information. Using practical examples taken from modern textbooks on German as a foreign language, chapter four describes the methodological approaches that current teaching materials either recommend or use for the teaching of 'Landeskunde'. In the discussion it becomes apparent how the mediation of 'cultural' topics and contents has progressed with regard to the teaching and leaming perspective. The article concludes with a summary of the fifteen contributions to this volume, which focus on different aspects of the issues raised in the introductory section. Für einen in das Thema interkulturelle Sprachdidaktik einführenden Beitrag bietet es sich an, den Landeskundebegriff zum Ausgangspunkt weitergehender Betrachtungen zum Verhältnis von sprachlichem und (inter-)kulturellem Lernen im Fremdsprachenunterricht zu machen, handelt es sich bei der Landeskunde doch um eine ,Disziplin', deren Anwendungspotential vor allem mit dem Lehren und Lernen fremder Sprachen verbunden wird. ERDMENGER (1996: 21) definiert sie als „Kunde über diejenigen Länder, in denen die zu Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Clans GNUTZMANN, Univ.-Prof., Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 BRAUNSCHWEIG. E-mail: c.guutzmann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Fachsprachen, Fremdsprachenlernen mit neuen Medien, Englisch als globale lingua franca. Prof. Dr. Frank G. KÖNIGS, Univ.-Prof., Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Str., 35032 MARBURG. E-mail: koenigs@staff.uni-marburg.de Arbeitsbereiche: Konzeptbildungen der Sprachlehrforschung, Psycholinguistik des Fremdsprachenlernens, Methodik und Didaktik der Fremdsprachenvermittlung, insbesondere Deutsch als Fremdsprache und Romanische Sprachen, Übersetzungsdidaktik, Curriculumentwicklung, Lehrerbildung. FlLuL 35 (2006) 4 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs lernende Sprache gesprochen wird'', geht aber, indem er die affektiv-emotionale Seite der Lernenden einbezieht, über ein enges positivistisch-statisches Verständnis hinaus: Landeskunde führt durch Information zum Verständnis von Kulturen ( ... ), durch Begegnung mit dem Wertesystem einer anderen Kultur zum Infragestellen des Vertrauten, (... ), zur Einbeziehung fremder Wertsysteme in die eigene Wertorientierung und durch sprachlichen Austausch zur interkulturellen Kommunikation (ERDMENGER 1996: 20). Im Vergleich zum vorangehenden Definitionsansatz überwiegt in der Literatur allerdings eine distanzierte Sicht der Landeskunde. Abhebend auf die Infragestellung des wissenschaftlichen Status kritisiert beispielsweise ROCHE den „landläufig unreflektierten Gebrauch der Bezeichnung ,Landeskunde"' und spricht von einem „Zustand, der bei einem einfachen Verständnis von Alltagskultur stehen geblieben und möglicherweise hinter die Ergebnisse des kommunikativen Ansatzes der Sprachvermittlung zurückgefallen ist" (RocHE 2004: 1). Als Gründe werden die mangelnde Unterrichtszeit, die Überforderung der Lehrkräfte sowie die nur ansatzweise Behandlung des Themas in. der Lehrerausbildung angesprochen. Durch die Erforschung von Fragestellungen der interkulturellen Kommunikation und des Fremdsprachenerwerbs sowie der daraus resultierenden Einsicht, dass muttersprachliche Kompetenz in der Fremdsprache letztlich ein unrealistisches und unangemessenes Lernziel sei, kommt es in der Folge zu einem neuen, erweiterten Verständnis von Landeskunde, das durch die Herausbildung der interkulturellen Sprachdidaktik eine Verwissenschaftlichung erfahren hat. Unter anderem beinhaltet der Begriffnun die Fähigkeit zur interkulturellen (kommunikativen) Kompetenz. Aufgabe des vorliegenden Beitrags soll es sein, die unterschiedlichen Standpunkte zur ,Landeskunde' in ihrer historischen und systematischen Dimension zu berücksichtigen. In den ersten beiden Kapiteln erfolgt eine kritische Darstellung des Landeskundebegriffs, seiner verschiedenen Ausprägungen und seiner Bezüge zum Interkulturellen Lernen sowie zur interkulturellen Sprachdidaktik. Das dritte Kapitel befasst sich mit lernpsychologischen Überlegungen zum Fremdsprachenerwerb, das vierte Kapitel hat die Vermittlung landeskundlicher Inhalte und Kompetenzen anhand von Lehrwerktexten zum Gegenstand. Der Beitrag schließt mit einer Synopse der im diesjährigen Themenband vereinigten Beiträge. 1. Die Entstehung und Entwicklung des Landeskunde- und Kulturkundebegriffs bis 1945 Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit wird heutzutage davon ausgegangen, dass das Lehren und Lernen fremder Sprachen auch immer den Blick auf die Gesellschaft, die Kultur, die Lebensbedingungen etc. der fremden Sprachgruppe mit einschließt. 1 Das war Vgl. hierzu u. a. KRAMER (2000: 325): "In Germany (and other German speaking countries) the terms Landeskunde and Kulturkunde have mainly, but not exclusively, been connected to the study of foreign lFLuL 35 (2006) „A long and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 5 allerdings nicht immer so: Während das Fremdsprachenlernen in der Grammatik-Übersetzungsmethode noch vorwiegend die Aneignung formal-sprachlicher Mittel der fremden Sprache anhand von Texten mit eher abstraktem, allgemeinbildendem Anspruch bedeutete, trat mit dem Aufkommen der Direkten Methode und ihrer diversen Varianten in mehrfacher Hinsicht ein Wechsel ein. Die Muttersprache verschwand größtenteils aus dem Unterricht; an die Stelle der geschriebenen trat die gesprochene Sprache und verbunden damit die Auffassung, dass Sprachanwendung den unmittelbaren Kontakt mit Sprechern der fremden Sprachgemeinschaft bedeutet. Interessanterweise wird auch schon von Vertretern der kontrastiven Linguistik der Blick auf die kulturelle Einbettung von sprachlicher Kommunikation und auf die didaktische Notwendigkeit des Kulturvergleichs gerichtet, allerdings hat sich diese eher programmatische Aussage in der Forschung dann nicht entsprechend niedergeschlagen: W e cannot hope to compare two cultures unless we have more accurate understanding of each of the cultures being compared.( ... ) If the native culture habits are transferred when leaming a foreign culture, it is obvious that, by comparing the two culture systems, we can predict what the trouble spots will be (LADO 1957: 111, 114). Aufgrund dieser und ähnlicher Auffassungen kann ,Landeskunde' als wichtiger Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts angesehen werden. Die Forderungen der Philologen, wie zum Beispiel die Rückkehr zu einem Studium aller „Lebensäußerungen des fremden Volkes und [der] natürlichen Voraussetzungen seines politischen Daseins" (zitiert bei BRIESEMEISTER), sind dadurch vielleicht erklärbar; sie stellten aber gleichzeitig eine nicht unerhebliche Überzeichnung der tatsächlichen Möglichkeiten des Fremdsprachenunterrichts dar. Ein Rückblick in die Geschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus zeigt eine Entwicklung des Landeskundebegriffs von einer eher kulturkundlichen Auslegung "Kulturkunde") hin zur nationalsozialistischen „Wesenskunde". Vor allem die deutschen Neuphilologen verwandten den Begriff „Kulturkunde" als „erweiterte und vertiefte Volks- und Landeskunde im Interesse des Staates" (ERKE, zitiert bei BRIESE- MEISTER). "Landeskunde" besaß eine „fragwürdige, völkerpsychologisch orientierte" (APELT 1967: 6) Bedeutung: "Nicht Kenntnis und Achtung des anderen, sondern Überhöhung des eigenen Wesens war hier das letzte und eigentliche Ziel" (Ebd.: 34). Wie das folgende Zitat aus dem Jahre 1925 zeigt, ist nicht das Interesse an der anderen Kultur an sich die Zielsetzung eines kulturkundlichen Sprachunterrichts, sondern Selbsterkenntnis, die „Schauung unserer eigenen Wesensart": Die immer wiederkehrenden Formen des fremdnationalen Wollens und Denkens gilt es zu erkennen oder zu ahnen; die einfachen Triebe oder Strukturmerkmale der fremden Volksindividualität wollen wir aufsuchen in der Sprache und in den literarischen Erzeugnissen, um an dieser Erkenntnis einen Hintergrund zu haben für die Schauung unsrer eigenen Wesensart (HÜBNER 1925: 214f.). languages since its institutionalisation in the second half ofthe nineteenth century." FLuL 35 (2006) 6 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Im Dritten Reich führte dies dazu, dass Kulturkunde als „Gesamtanschauung aufgefasst, als Unterrichtsprinzip verwendet und als reifer abendländischer Realismus" (vgl. so die Zusammenschau bei BRIESEMEISTER 1976: 178) gepriesen wurde. Das völkische Prinzip spiegelte sich im eigenen ,Ich'. In der Herausarbeitung von Gegensätzen sollte sich die Überlegenheit des deutschen Volkes verdeutlichen. Kulturkunde war nun nationalsozialistische Wesenskunde, die der Völkerverhetzung und Kriegsvorbereitung diente. Die Fremdsprachen sollten in der Folge dazu beitragen, den nationalsozialistischen Überlegenheitsgedanken zu nähren und Opferbereitschaft im Volk zu schüren. Erst durch das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Niedergang des Dritten Reiches war es möglich, den von APELT (1967: 7) geprägten Begriff des „kulturkundlichen Irrweges" zu verlassen und eine andere Richtung einzuschlagen: ( ... ) gerade die bitteren Erkenntnisse deutscher Neuphilologen und der hier dargelegte Irrweg der kulturkundlichen Bewegung(...) [sollen] Mahnung und Verpflichtung sein, den Fremdsprachenunterricht und die mit ihm untrennbar verbundene Kunde vom Wesen und der Kultur fremder Völker grundsätzlich in den Dienst der Völkerverständigung und -versöhnung zu stellen. 2. Zum neueren Verständnis der Landeskunde im Fremdsprachenunterricht Die verheerenden Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs und seine Folgen führten zu einer gesellschaftlichen Desorientierung, die in den Wissenschaften wie auch im Schulunterricht zu einer Hinwendung zu Theorien und Methoden beitrug, die Bezüge zu gesellschaftlichen Leit- und Wertvorstellungen weitestgehend ausblendeten, um sich nicht dem Verdacht ideologischer Anfälligkeit auszusetzen. Die hohe Akzeptanz des werkimmanenten Ansatzes in der Literaturwissenschaft und ein soziokulturelle Phänomene vernachlässigender Sprachunterricht sind Ausdruck dieser Entwicklung. Deshalb stellte es sich auch als langwierig und schwierig heraus, den Landeskundebegriff neu zu fassen. Es scheint, als habe die junge Bundesrepublik sich nur zögerlich der Frage zuwenden können, was denn landeskundliches Lernen im Zusammenhang mit unterrichtlichem Fremdsprachenerwerb bedeuten könne oder solle. Einschlägige Sammelbände der 70erund 80er Jahre (vgl. exemplarisch WEBER 1976; BUTTJES 1981) weisen der Landeskunde aus mehreren Perspektiven einen wichtigen Stellenwert im Fremdsprachenunterricht zu, der über die bloße Vermittlung von Fakten sichtbar hinausreicht. Die Integration der Landeskundevermittlung in den Spracherwerb ist dafür lediglich ein Beleg, der in nicht unerheblichem Umfang mit dazu beigetragen haben dürfte, den Begriff des ,Interkulturellen Lernens' zu prägen. Dabei handelt es sich nach RöTTGER um ein integratives inhaltsorientiertes Sprachlernkonzept, das zum einen eine ganzheitliche Sicht auf die drei Lernzieldimensionen kommunikativen Fremdsprachenunterrichts - Kenntnis über die Zielkultur und -sprache auf der kognitiven, Haltungen gegenüber der Zielkultur auf der affektiven und kommunikative Kompetenzen auf der pragmatischen Ebene notwendig macht, da Landeskunde und Sprache eine untrennbare Einheit bilden (RöTTGER 2002: 44). lFLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 7 Das klingt nachvollziehbar. Um so bedenklicher muss es dann allerdings erscheinen, wenn gegen das Konzept und den Begriff des Interkulturellen Lernens mit dem Argument gekämpft wird, dass die (interkulturelle) Pragmatik doch schon existiere und man Interkulturelles Lernen als Konzept eigentlich nicht brauche (vgl. dazu EDMONDSON/ HOUSE 1998). Besondere Brisanz enthält diese Diskussion in Deutschland durch das zunehmende gesellschaftliche und wissenschaftliche Bedürfnis nach einer Beantwortung folgender Fragestellungen: Wie kann man Kinder aus Migrationskontexten in angemessener Weise in das deutsche Schulsystem allgemein und den dort stattfindenden Fremdsprachenunterricht im Besonderen integrieren? Und wie kann man sie dort fordern und fördern (vgl. z.B. Hu 1996; 1999; 2003)? Ein wichtiges Lernziel für Interkulturelles Lernen ist die Vermittlung ,interkultureller Kompetenz', die sich durch die Fähigkeit auszeichnet, effizient mit Menschen anderer, von unserer eigenen als unterschiedlich wahrgenommene Kulturen zu kommunizieren (GUILHERME 2000: 297). Dabei kann mit BYRAM (1997) zwischen „intercultural competence" als der Fähigkeit, in der eigenen Sprache mit Menschen einer anderen Kultur zu interagieren, und „intercultural communicative competence" unterschieden werden, wobei sich letztere auf Kommunikation in einer fremden Sprache bezieht. Interkulturelles Lernen zielt ab auf den Erwerb bestimmter Wissensinhalte, Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Einstellungen. Der interkulturelle Fremdsprachenunterricht orientiert sich des Weiteren am so genannten „intercultural speaker" (BYRAM 1997: 38), der in Kommunikationssituationen Fähigkeiten zeigt, die weit über eine reine sprachliche Kompetenz hinausgehen und in weiten Teilen im soziokulturellen und sozialen Bereich anzusiedeln sind: (... ) an intercultural speaker, someone who has a competence different from that of the native speaker, someone who is able to see and establish relationships between languages and cultures, rather than someone who tries, and usually fails, to imitate a native speaker. The competence of an intercultural speaker is also difficult to acquire and most language leamers will fall short to the ideal, but they will nevertheless acquire a degree ofsuch competence (... ) (BYRAM 1999: 364f.). Was sich bei und im Gefolge von BYRAM als Konzept liest, dem man in wesentlichen Teilen wohl wird folgen können, stellt allerdings in der Entwicklung eher ein wichtiges Etappenziel auf einem durchaus langen Weg dar. Die Entwicklungsetappe von einer faktenorientierten Landeskunde zum Interkulturellen Lernen verliefnämlich alles andere als stromlinienförmig; die Annahme, dass letztgenannter Begriff(Interkulturelles Lernen) den erstgenannten (,Landeskunde') ersetzt oder aufgesogen hätte, wäre auch etwas kurzschlüssig. Wir verzeichnen beispielsweise in den 80er Jahren die Entwicklung des Tübinger Modells einer integrativen Landeskunde (Moa/ ALTHAUS 1992), zu deren Begründung es in der Einleitung eines einschlägigen Sammelbandes heißt: Ziel ist es, anhand ausgewählter Themen jenseits von elementarem Lern- und Merkwissen, von nur aktuellen Fragen, von binnendeutschen Spezialistendebatten und über einsinnige Fachperspektiven hinaus, Hintergründe und übergreifende Bezüge herzustellen. Die Darstellung eines solchen, bis in die feinsten Verästelungen des deutschen Habitus hineinreichenden geschichtlichen Lebenszusammenhangs ermöglicht wohl am ehesten das Verstehen der fremden und damit auch der eigenen Kultur (ALTHAUS/ Moa 1992: 13). lFLulL 35 (2006) 8 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Zumindest ansatzweise konkretisiert sich dieser Ansatz in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache, die der sog. vierten Generation (GÖTZE 1994) zugerechnet werden; sie zeichnen sich durch den Versuch aus, die Fremdperspektive und damit das Nachdenken auch über die eigene Kultur konsequent mit einzubeziehen (Beispiele: Sichtwechsel oder Sprachbrücke). Behandelt werden im Rahmen des zitierten Tübinger Modells u. a. Aspekte deutscher Raum- oder deutscher Zeiterfahrung, also von Elementen, die SCHWERDTFEGER (1991) den sogenannten kulturellen Symbolen zuordnet. Gleichwohl gilt, und zwar auch nach Einschätzung der Hauptvertreter des Tübinger Modells, dass viele programmatische Anliegen letztlich nicht himeichend umgesetzt wurden: Interdisziplinarität ist wohl ein Schlagwort geblieben. Nicht nur, aber vielleicht auch, weil sie mühsam und teuer ist (ALTHAUS 1999: 29). Schaut man sich dann noch an, welche Weiterungen, aber auch ,Unklarheiten' durch die Integration eines wie auch immer gefüllten - ,Kulturbegriffs' in das Landeskunde- Konzept entstanden sind, wundert man sich nicht über resignierte Haltungen der vorgetragenen Art. Erinnert sei auch hier an die konzeptuelle Vielfalt, die sich mit diesem Begriff verbindet; an die Diskussion im englischsprachigen Raum um ,C/ culture' mit großem oder kleinem ,c' (z.B. bei STERN 1983) oder an die Thesen des Goethe-Instituts zum Kulturbegriff (BEIRAT DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE DES GOETHE-INSTITUTS 1992). Bei einem Blick auf diese und vergleichbare Konzeptionen ist es weniger die Disparatheit der Vorstellungen, die dem Leser dieser Konzepte und/ oder dem Lehrer Probleme bereiten dürfte; vielmehr sind es die fehlenden Kriterien oder Normen, die zu den jeweiligen Festlegungen des Begriffs und des Konzepts führen mussten und auch tatsächlich geführt haben. Und auch die Konsequenzen, die daraus für Fremdsprachenunterricht zu ziehen sind, blieben noch ziemlich unklar: Denn eine bloße deklamatorische Feststellung, dass Landeskunde für das Erlernen einer fremden Sprache wichtig ist, dürfte ebenso richtig wie banal sein und enthält weder Hinweise auf das ,Was' noch auf das ,Wie' im Fremdsprachenunterricht. Der Blick auf die Rolle der Landeskunde ergibt für den DaF-Unterricht ein insgesamt eher ernüchterndes und diffuses Bild.2 Die Einschätzung, wonach Landeskunde „keinen bedeutenden Stellenwert in der gegenwärtigen Diskussion des Faches [Deutsch als Fremdsprache]" (KRUMM 1999: 523) hat, ist vor diesem Hintergrund nicht überraschend, verlangt aber doch nach einer Erklärung bzw. Suche nach den Ursachen für diesen Zustand. Diese Ursachen dürften vor allem in den folgenden Tatsachen liegen: • ,Landeskunde' ist ein diffuser Begriff. Unter diesem Begriff vereinigen sich mehrere Vorstellungen davon, was der Lerner einer fremden Sprache an außersprachlichen Informationen benötigt. Dabei ist klar, dass die Menge aller landeskundlichen Fakten 2 Immerhin zeichnet sich für die Englischdidaktik ab, dass durch die Entwicklung der „Cultural Studies" bzw. Kulturstudien/ Kulturwissenschaften der Gegenstandsbereich der Landeskunde an Eigenständigkeit gewonnen hat und als förderlich für die Herausbildung von interkultureller Kompetenz angesehen wird(vgl. u. a. KRAMER 2000, SOMMER 2003, TESKE 2002). lF1uL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 9 und Wissensbestände kaum ein realistisches Lernziel sein kann. Welches aber sind die Kriterien, nach denen die Auswahl der landeskundlichen Inhalte vorgenommen werden kann oder soll? Welches Bild det fremden Sprachgemeinschaft soll gezeichnet werden? Wie sollen Lernende mit (möglichen) Bildern der fremden Kultur konfrontiert werden? • Die wissenschaftliche Basis ist , erst' im Entstehen. Die Fremdsprachendidaktik hat sich in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts u. a. dadurch konsolidiert, dass sie eine Abgrenzungsdiskussion vor allem gegenüber der Linguistik geführt hat. Diese wurde zwar als eine wichtige Grundlagenwissenschaft anerkannt, in ihrem unmittelbaren Wert für die Erforschung und Gestaltung von Fremdsprachenunterricht aber durchaus auch skeptisch beurteilt; in Deutschland führte dies u. a. zur Gründung der Sprachlehrforschung (vgl. zu einem Forschungsüberblick KÖNIGS 2003; 2004) und zu einer universitären Struktur, in der fremdsprachendidaktische Professuren wenn sie denn überhaupt eingerichtet wurden als Annex oder Gegenspieler der Linguistik- (und seltener der literaturwissenschaftlichen) Lehrstühle missinterpretiert wurden. Durch diese Fokussierung auf die Linguistik gerieten andere für die Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen wichtige Grundlagendisziplinen partiell aus dem Blickfeld mit der Folge, dass sich aus ihnen resultierende Forschungsrichtungen weniger pointiert und öffentlichkeitswirksam entwickelten. So ist zu erklären, dass die Eimichtung kulturwissenschaftlicher Lehrstühle in fremdsprachendidaktischen Kontexten erst jüngeren Datums ist, dass die Etablierung landeswissenschaftlicher Studiengänge (z. B. der Deutschland-Studien) gerade erst beginnt und dass die Bemühungen um eine (kultur-)wissenschaftliche Fundierung erst jetzt konzentriert erfolgen (vgl. z. B. ALTMAYER 2004). Diese Fundierung wird ebenfalls betrieben, um die Bedeutung landeskundlicher Elemente für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen wissenschaftlich(er) abzusichern und damit einen Zustand zu überwinden, den GLÜCK (1989: 87) ironisch mit den Worten erfasst hatte: "(...) lasst uns unbeschwert als Landeskundler werkeln (gebildete Leute sind wir allemal)". Die jetzige wissenschaftliche Konsolidierung bedeutet freilich nicht, dass die Beschäftigung mit Kultur aus wissenschaftlicher Sicht neu wäre nur die Bündelung dieser Aktivitäten in entsprechenden Instituten und Lehrstühlen ist es. Und es wird sich noch zeigen müssen, ob diesen Wissenschaften die Funktionalisierung gelingt, d.h. ob es ihnen möglich ist, ihre wissenschaftlichen Gegenstände auch auf das Lehren und Lernen von Fremdsprachen hin zu fokussieren. Der Linguistik ist dies bekanntermaßen nur mit großen Anstrengungen und unter Gründung bzw. Konsolidierung der Fremdsprachendidaktik und der Sprachlehrforschung einigermaßen gelungen. Die Literaturwissenschaft hat diesen Schritt weit weniger ausgeprägt vollzogen und vielleicht auch nicht in demselben Umfang wie die anwendungsbezogene Linguistik vollziehen müssen. • Die Steuerungsparameterfür die Vermittlung landeskundlicher Inhalte sind disparat, zumindest disparater als für die sprachlichen Vermittlungsgegenstände. Bei Betrachtung der einschlägigen Lernzielvorgaben und Lehrpläne kann festgestellt werden, dass die zu vermittelnden sprachlichen Einheiten die grammatischen, phonetischen, lFLulL 35 (2006) 10 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs lexikalischen oder pragmatischen Strukturen sehr häufig explizit aufgelistet sind. Länderübergreifende Lernzielbeschreibungen, wie sie z. B. durch den Europarat bereits in den 80er Jahren vorgelegt worden sind, listen dieses Inventar auf, und die Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts besteht darin, Vermittlungszusartunenhänge zu schaffen, in denen dieses Inventar präsentiert, erklärt, geübt und angewendet werden kann. Für den Bereich der Landeskunde ergibt sich allerdings ein komplexeres Bild: Zum einen sind die Lernzielvorgaben eher vage und beziehen sich z. T. auf Faktenwissen aus gesellschaftlich für relevant gehaltenen Bereichen der fremden Kultur; zum anderen hängt die Vermittlung landeskundlicher Informationen stärker von den Texten, Textsorten und Kommunikationszusammenhängen ab, die im Unterricht behandelt werden. Dies bedeutet, dass selbst Impulse für interkulturelles, autonom angelegtes Fremdsprachenlernen je nach Einsatz der Texte durchaus vorgängig auf landeskundliches Wissen angewiesen sind, ohne das eine angemessene Bewältigung und ein wenigstens annäherndes Verstehen der Texte kaum möglich ist. KOREIK (1998; 2001) hat in mehreren Beiträgen darauf hingewiesen, dass landeskundliches Wissen eine notwendige Voraussetzung für Interkulturelles Lernen ist. Daraus kann man ableiten, dass ,Landeskunde' und ,Interkulturelles Lernen' eben doch nicht zwei Ausdrücke für eine Sache sind, sondern dass ,Landeskunde' die Basis für ,Interkulturelles Lernen' darstellt, es sozusagen erst möglich macht oder sogar trägt. ,Landeskunde' und ,Interkulturelles Lernen' bilden also eine Art Kontinuum, bei dem die Bestimmung der Ränder vergleichsweise eindeutig möglich sein dürfte, bei dem es aber schwer fällt zu sagen, wo das eine aufhört und das andere anfängt. 3 Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der ,interkulturellen Landeskunde' (ZEUNER 1998) vermag ebenfalls keine hinreichende Antwort zu liefern. • Für den Bereich Deutsch als Fremdsprache hat sich der landeskundliche ,Bodensatz' durch den angestrebten und z. T. realisierten Einbezug landeskundlicher Elemente nicht nur Deutschlands, sondern aller deutschsprachigen Länder enorm erweitert. Die traditionelle Konzentration auf Deutschland und die Vermittlung eines wie auch immer gearteten - Deutschlandbildes wurde aufgegeben zugunsten des sogenannten D-A-CH-L-Konzepts, das auch Österreich, die Schweiz und Liechtenstein in die Vermittlung von Landeskunde im fremdsprachlichen Deutschunterricht einbezieht. Eine Entscheidung in der Frage, welche landeskundlichen Inhalte fremdsprachige Deutschlerner benötigen, entzieht sich damit noch stärker einer generalisierbaren Antwort. Das Konzept verfolgte ursprünglich ein emanzipatorisches Ziel, dessen Umsetzung von den deutschsprachigen Ländern jeweils in unterschiedlicher Stärke auch politisch gefördert wurde. So stellen sich die intensiven Bemühungen zur Sichtbarmachung der Austriazismen oder zur Herleitung einer spezifisch österreichischen Man könnte auch von verschiedenen Lesarten von ,Landeskunde' ausgehen: Landeskunde im engeren Sinn bedeutet, dass Wissen über ein Land hilfreich ist für das Verständnis von Sprache. Die Weiterentwicklung dieses ,alten', ,statischen' Verständnisses führte in der Folge zum Entstehen einer neuen Disziplin, der ,Landeswissenschaft', die die Kultur in die Sprache ,eingebettet' sieht und so interkulturelles Lernen ermöglicht (Landeskunde im weiteren Sinn). FLuL 35 (2006) „A long and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 11 Literatur in Abgrenzung zur deutschen gegenüber den eher neutralen Positionen der Schweizer Germanistik und der Schweizer Politik beinahe als politisches Programm dar. Dabei deutet der Titel des Beitrags von KRUMM (1999)- "Landeskunde D-A-CH oder Europa? " an, dass die wie auch immer gefüllte nationale Sichtweise zweckmäßigerweise einer übergreifenden Sichtweise Platz machen müsste nämlich der Perspektive des Lerners. 3. Lempsychologische Überlegungen zum Fremdsprachenerwerb Die unterschiedlichen wissenschaftlichen Zugänge zur Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen weisen zwar aus, dass gesicherte Erkenntnisse allenfalls in Teilbereichen vorhanden sind und dass sich einige lerntheoretische Konzepte recht unversöhnlich gegenüber stehen, aber es gibt doch zumindest auf der Ebene der Plausibilitäteinige Annahmen, die einer lempsychologischen Betrachtung des fremdsprachlichen Aneignungsvorgangs mit dem Anspruch, zur Theoriebildung beizutragen, zu Grunde gelegt werden können. Zu diesen Annahmen zählen u. a. die folgenden: • Bekanntes wird besser (wieder) aufgenommen als Unbekanntes. Wenn der Lerner über bestimmte Informationen bereits früher verfügt hat, so wird er diese Informationen bei einer erneuten Konfrontation mit ihnen besser und schneller in seinen Wissensbestand integrieren als völlig neue ,unbekannte' Informationen. Inzwischen greifen auch fremdsprachliche Lehrwerke jüngeren Datums diese Erkenntnis auf und bemühen sich um Schaffung von Bezugspunkten oder „Brücken" zwischen bereits vorhandenen und neu zu integrierenden Informationen. • Die Qualität der Speicherung einer Information im Fremdsprachenlerner hat weniger mit der Information selbst zu tun als mit der Anzahl und der Qualität der Verknüpfungen, die der Lerner zwischen den vorhandenen und den neuen Informationen herstellen kann. Je fester eine Information im Lernenden verankert ist, desto schwerer wird er sich tun, diese Information zu ignorieren und umzustrukturieren. Wir können uns dies an zwei Beispielen klar machen; dass beide etwas mit Zahlen zu tun haben, ist dabei eher ein Zufall. Das Beispiel 1: Wir alle haben in der Schule gelernt, dass eins und eins zwei ergibt, und wir haben oft erfahren, dass dies stimmt. Die Ersetzung unseres gewohnten Zehner-Rechensystems z. B. durch das binäre System, wie es maschinellen Rechen- oder Verarbeitungsprozessen zugrunde liegt, bereitet uns erhebliche Schwierigkeiten - und zwar nicht, weil wir die eigentlichen Operationen nicht verstehen oder vollziehen könnten, sondern weil wir in vielfachen Anwendungen gelernt haben, eben nicht im binären, sondern im dezimalen System zu arbeiten. Das zweite Beispiel liegt näher an der Sprachverarbeitung: Bei der Erforschung von Zweisprachigkeit ist von jeher diskutiert worden, ab welcher Kompetenz ein Individuum tatsächlich als zweisprachig anzusehen ist. Bei dem Versuch einer Beantwortung dieser Frage war klar, dass ,echte' Zweisprachigkeit im Sinne einer muttersprachenähnlichen Kompetenz in zwei (oder gar mehr) Sprachen eher die Ausnahme als die Regel sein dürfte. Mangels empirisch einwandfreier Kriterien glaubte man eine lFLulL 35 (2006) 12 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Zeit lang u. a., dass die Fähigkeit zum Rechnen ein geeigneter Indikator für Zweisprachigkeit sei. zweisprachig sei also jemand, der z. B. in Englisch und Deutsch gleichermaßen schnell und richtig rechnen könne. Interessanterweise zeigte sich dann, dass auch Bilinguale mit einem hohen sprachlichen Kompetenzgrad vorzugsweise in einer Sprache zu rechnen pflegen - und zwar in derjenigen Sprache, in der sie das Rechnen gelernt hatten. Das muss keineswegs die stärkere Sprache sein. Wir sehen also, dass erlernte Operationen dann besonders stabil sind, wenn sie ihre Funktionalität unter Beweis gestellt haben wie z. B. im Fall des Rechnens. Dieser Vorgang läuft in aller Regel ,im Stillen' ab und funktioniert in der Sprache schneller und reibungsloser, in der man es gelernt hat. Besucher italienischer Restaurants in Deutschland wissen spätestens an dieser Stelle, warum sie mit dem Personal häufig über alle Themen ohne sprachliche Schwierigkeiten reden können, warum aber die Addition der Rechnungsbeträge sofern sie nicht ohnehin maschinell erfolgt in den allermeisten Fällen auf Italienisch erfolgt. • Unser Gedächtnis sucht sich seine Ordnungskriterien selbst, zumindest schafft es sich ein System, dessen Aufgabe darin besteht, die ungeordnete Akkumulation von Informationen zu vermeiden. Wir suchen nach Möglichkeiten der Verallgemeinerung, die es uns erlauben, mehr an Informationen gleichsam implizit abzuspeichern. Dies wird bereits im Erstspracherwerb geleistet. So hat z. B. die Prototypentheorie gezeigt, dass wir erstens in der Lage sind, die von uns als relevant erachteten Merkmale unter einem Begriff abzuspeichern und die dahinter stehende Realität zu bezeichnen. Wir erkennen z. B. Vögel als solche, die wir noch nie gesehen haben, weil sie die prototypischen Merkmale von Vögeln aufweisen. Dieser Verallgemeinerungsprozess tritt aber auch bei Handlungen in Kraft und hilft uns dabei, viele Teilhandlungen zu einer übergreifenden Handlung zusammenzufassen und zu bezeichnen. Ob wir diesen Vorgang mit der Psycholinguistik nun Schematheorie oder Skripttheorie nennen und ob diese Theorien insgesamt in allen Einzelheiten so zutreffen oder nicht, sei dabei an dieser Stelle unberücksichtigt. Wichtig für unseren Zusammenhang ist zunächst, dass diese Suche nach Verallgemeinerung ein im Gedächtnis angelegter Vorgang ist. Das bedeutet: Wir können nicht anders, als Stereotypen auszubilden. Wenn wir also irgendwo hören oder lesen, der Fremdsprachenunterricht müsse Stereotypenbildung vermeiden, so erkennen wir spätestens jetzt, dass dies gar nicht geht. Was der Fremdsprachenunterricht leisten kann und wohl auch leisten soll, ist ein Aufbrechen und Hinterfragen von Stereotypen das ist aber lernpsychologisch ein anderer Vorgang, auf den wir später noch einmal zurückkommen. Halten wir zunächst fest, dass Stereotypenbildung unvermeidlich ist und dass die (subjektiv oder objektiv empfundene) Distanz zur eigenen Vorstellungs- oder Erfahrungswelt dabei eine wichtige Rolle spielt. Wie anders wäre sonst z.B. zu erklären, dass an vielen Orten auf der Welt ,Oktoberfeste' gefeiert werden, bei denen ein erheblicher Teil der Besucher in kurzen Lederhosen und Bier trinkend die Festplätze bevölkert, wo doch jeder (zumindest jeder Deutsche) weiß, dass die Bayern als Prototypen für Deutsche nur partiell taugen? Und wie wäre sonst zu erklären, dass neuseeländische Fußballspieler, die in deutschen Vereinen tätig sind, ,Kiwis' genannt werden, die meisten Deutschen damit aber eher die Frucht als FLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 13 den Vogel verbinden (vgl. zu anderen Beispielen und zu Konsequenzen für die Informationsverarbeitung sowie für die Wortschatzvermittlung z.B. KÖNIGS 2000)? Wir sehen daran aber auch noch zwei weitere Dinge: • Der Vorgang der Klassenbildung und der Verknüpfung mit vorhandenen Informationen ist ebenso subjektiv wie kreativ. Wenn der Vorgang der Integration neuer Informationen in das vorhandene Wissensrepertoire entscheidend durch die Struktur des vorhandenen Wissens mitbestimmt wird, ist die beinahe zwangsläufige Folge, dass es auch das Individuum selbst ist, das diesen Vorgang steuert bewusst oder unbewusst. Es ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, wenn in den letzten Jahren vermehrt von einem ,autonomen' Fremdsprachenlerner die Rede ist, der für die Gestaltung und den Erfolg seiner fremdsprachlichen Lernprozesse in wesentlichen Teilen selbst verantwortlich ist. Lernerautonomie 4 ist jedoch weniger ein methodisches Prinzip, sondern ein ganz natürliches Ergebnis der menschlichen Informationsverarbeitung. Unterstützt wird diese Erkenntnis durch empirische Befunde, aus denen gefolgert werden kann, dass generalisierbare Aussagen zum Fremdsprachenerwerb insbesondere die so genannten Entwicklungssequenzen kaum haltbar sind (vgl. als Beispiel für solche Studien die Arbeiten von RIEMER 1997 zur ,Einzelgängerhypothese' und KLEIN GUNNEWIEK 2000). RIEMER bezeichnet denLerner als Einzelgänger, der „in unterschiedlichem Maß imstande [ist], Input wahrzunehmen, interaktiv auszuhandeln und zu verarbeiten" (RIEMER 1997: 77). Deshalb ist der Fremdsprachenerwerb als ein individueller Prozess aufzufassen, der individuellen Voraussetzungen unterliegt. • Landeskundliches undInterkulturelles Lernen beginnen bereits auf Wortebene. Bei der Informationsverarbeitung greifen top down- und bottom up-Prozesse ineinander (vgl. z. B. dazu KÖNIGS 2000). Für die aufsteigenden Verarbeitungsprozesse kann man dabei festhalten, dass sie sich nicht in der reinen Bedeutungsermittlung erschöpfen, sondern dass sie darüber hinaus einen gleichzeitig stattfindenden Abgleich der ermittelten Bedeutungen mit dem verfügbaren (subjektiven) Weltwissen enthalten, zumindest aber in Gang setzen. Nicht zuletzt von daher beginnen zahlreiche Vorschläge zum landeskundlichen bzw. zum Interkulturellen Lernen auf der Wortebene (vgl. Beispiele dafür in VOLKMANN/ STIERSDORFERIGEHRING 2002), und von daher ist es auch gerechtfertigt, von einer „Interkulturellen Sprachdidaktik" (vgl. ROCHE 2001) zu sprechen, die ihre Wurzeln freilich in der konfrontativen Semantik hat, wie sie von Bernd-Dietrich MÜLLER zu Beginn der 80er Jahre vorgestellt worden ist (MÜLLER 1981). Fasst man die bisherigen Überlegungen aus fremdsprachenlernpsychologischer Sicht zusammen, so wird man zu der Erkenntnis gelangen, dass lernerseitiges Vorwissen bei der Informationsverarbeitung eine entscheidende Rolle spielt. Das bedeutet auch für die Vermittlung landeskundlicher Inhalte, dass der Lerner dann am besten und am meisten 4 Vgl. hierzu exemplarisch HOLEC (1981), LEGENHAUSEN (1998), MißLER (1999), MÜLLER-VERWEYEN (1997), VOLLER/ BENSON (1997). FLuL 35 (2006) 14 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs lernt, wenn er dort ,abgeholt' wird, wo er mit seinem Wissen steht und wenn er die optimale Gelegenheit erhält, den Prozess der Integration neuer Information selbst aktiv zu unterstützen. Dies zuzulassen bzw. zu unterstützen, ist ein Kennzeichen der Förderung lernerseitiger Autonomie. Nach den in diesem Kapitel angestellten lernpsychologischen Überlegungen stellt die Differenzierung zwischen Landeskunde und Interkulturellem Lernen eine Parallele zum produktorientierten und prozessbezogenen Fremdsprachenlernen dar. Ebenso wie in der Fremdsprachenlernpsychologie an die Stelle eines produktorientierten Verständnisses von Lernen ein Lernverständnis getreten ist, das die Kreativität und Eigenverantwortlichkeit des Lerners betont und das in seiner extremen Ausprägung im Konstruktivismus dem Lerner die Verantwortung dafür zuschreibt, seine eigene (Lern-)Welt so zu konstruieren, dass sie kommunikationsfähig mit anderen Welten ( = anderen Lernern oder Personen) ist (vgl. KÖNIGS 2005b), stellt das Interkulturelle Lernen die prozesshafte Weiterentwicklung eines produktorientierten Landeskunde- Verständnisses dar. In beiden Fällen der Fremdsprachenlernpsychologie wie dem Interkulturellen Lernen entscheidet der Lerner darüber, ob und vor allem wie er die neuen Informationen verarbeitet und sie in seinen vorhandenen Wissensbestand integriert. Ebenso wie er lernpsychologisch in seiner Entscheidung darüber frei ist, welchen Lernweg er für sich als Erfolg versprechend, angemessen und nachhaltig wählt, gilt für das Interkulturelle Lernen etwas Analoges: Es kann nicht darum gehen, den oder das Fremde zu imitieren, sondern es geht um Akzeptanz, Toleranz und damitum Verstehen des Fremden. Dieses Fremde offenbart sich dem Lerner eben nicht nur durch Fakten, wie sie die ,traditionelle' Landeskunde bereitstellt, sondern sie offenbart sich ebenso in der pragmatischen Dimension des Sprachgebrauchs oder in einzelnen Begriffen und den dahinter stehenden Konzepten. Betrachten wir den Satz ,Guten Tag, wie geht's? ', der seine Entsprechung im englischen ,Hello, how are you? ' hat. Im Englischen wird nicht erwartet, dass der Angesprochene Auskunft darüber gibt, dass und warum es ihm gut oder schlecht gehtim Deutschen ist das nicht anders: Das ,Wie geht's' stellt eher eine Floskel dar, deren Funktion in der Gesprächseröffnung oder Kontaktaufnahme besteht - und folglich erfordert sie eine entsprechende Reaktion, wie z.B. ,Gut' auch wenn man sich vielleicht gerade gar nicht gut fühlt; die mögliche emotionale Distanz zwischen den Kommunikationspartnern verbietet aber ein persönliches Gespräch. Auch dies zählt zum Interkulturellen Lernen: Der Lerner muss erkennen lernen, wann von ihm ,persönliche Ausführungen' erwartet werden und wann nicht. Was er in der Muttersprache oft intuitiv richtig macht, verleitet ihn in der Fremdsprache möglicherweise zu einem anderen Verhalten, zumindest aber zu einem Nachdenken darüber, welche Erwartungen der Fremde ihm entgegenbringt. So gesehen lässt sich zwar nicht die Frage nach dem ,Wie viel' an Landeskunde beantworten, aber wir können festhalten: Landeskundliches und/ oder Interkulturelles Lernen beginnt in der ersten Stunde des Fremdsprachenunterrichts, aber es bedarf hierzu eines integrativen Ansatzes, nämlich der integrativen Beschäftigung mit Landeskunde und interkulturellen Aspekten der Sprachaneignung unter Zuhilfenahme und der Vermittlung sprachlicher Mittel. Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit lässt sich demnach nicht nur durch eine Vermittlung landeskundlichen/ kulturellen Wissens verbessern, wenn lFLulL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 15 nicht gleichzeitig „die Verknüpfung zwischen dem Wissen über kulturelle Unterschiede und dem Ausdruck dieser kulturellen Unterschiede im sprachlichen Handeln gewährleistet ist" (OLDENBURG 1993: 79). Sprache und Kultur wie auch sprachliches und (Inter-)kulturelles Lernen müssen beim Interkulturellen Lernen miteinander verbunden werden, um der Vielschichtigkeit des Sprach- und Kultursystems sowie deren Aneignung durch die Lernenden gerecht zu werden. 4. Die Vermittlung landeskundlicher Inhalte im Fremdsprachenunterricht: Praxisbeispiele Für die Vermittlung von landeskundlichen und/ oder interkulturellen Inhalten gilt zunächst das, was für jeden unterrichtlichen Inhalt gilt: Die Intensität der Beschäftigung mit ihnen wird durch den Lehrer gesteuert, zumindest durch die Art seiner Aufgabenstellung. Er kann auftauchende Begriffe und die hinter ihnen stehenden Konzepte einfach ,semantisieren' oder sie zum Gesprächsgegenstand erklären. Wie früh dies möglich ist, sollen die beiden folgenden Beispiele zeigen. Im ersten geht es um das Erkennen von Internationalismen, einer Übung, die in einem aufMehrsprachigkeit angelegten Fremdsprachenunterricht einen prominenten Platz hat (vgl. KÖNIGS, im Druck), die aber auch bereits im Anfangsstadium des ,normalen' Fremdsprachenunterrichts zum Einsatz kommen kann. In einem im Frühjahr 2005 erschienenen Lehrbuch studio d für den Anfangsunterricht werden in der ersten Lektion vier kurze Texte präsentiert und mit der Aufgabe versehen, die internationalen Begriffe herauszusuchen. Dabei tauchen z. B. Begriffe wie ,Airport', ,Medizintechnologie', ,Konzert' oder ,Universität' auf. Man könnte z. B. den folgenden Lehrbuchtext dazu verwenden, in der Muttersprache der Lerner wenn es sich um eine sprachlich homogene Gruppe handeltüber , Studium' und ,Universität' in Deutschland und im Heimatland zu sprechen. (Abbildung aus: studio d, Seite 14) Nur wenige Seiten weiter findet sich immer noch in der ersten Lektion der folgende Text über Kaffee: FJLuL 35 (2006) 16 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs B Caft lnter11atianal. Welche Wörterverstehen Sie? Notieren Sie. Da.~ Kaffäetrinken ist eine arabische Tradition. Die Türken haben Mokka international populär gemacht. In Europa hat (ht.erreich eine lange Kaffeehau_stradition und viele K: tffeevariationen. Heute ist Kaffoetrinken .in". Gaffe Laue, EspRsso und Cappllccino heißen die Top- Favoriten in Hongkong, New York, Berlin und St. Petersburg. Cafe-Ketten wie Starbucis, Segafredo und Coffee Bean sind so international wie M1: Donalda. Cafös sind ideal für die Kommunikation nnd für Kontakie. (Abbildung aus: studio d, Seite 28) An diesem Text kann man nicht nur, wie das Lehrbuch es nahe legt, morphologische Strukturen des Deutschen erarbeiten, sondern ihn ebenfalls zu einer Information über die Rolle des Kaffees in deutschsprachigen Ländern nutzen, und zwar im Anfangsstadium in der Muttersprache. Ob ein solcher Weg gegangen wird, hängt von den Interessen der Lerner und natürlich vom Lernziel des Unterrichts ab aber es ist zu erkennen, dass landeskundliche Informationen vom ersten Augenblick an präsent sind und auch thematisiert werden können. Dies ist auch mit umfassenderen Inhalten schon relativ früh möglich, wie z. B. das Lehrwerk Blaue Blume zeigt. Dort wird in der fünften Lektion der Zeitbegriff thematisiert; die Schüler lernen Begriffe wie ,Arbeitszeit', Unterrichtszeit', ,Urlaubszeit' oder ,Schulzeit' kennen und nehmen Zahlen und Uhrzeiten durch. Zu Beginn der Lektion erhalten sie in der englischen Ausgabe den folgenden Text auf Englisch: (Abbildung aus: Blaue Blume, Seite 27) -. (S. 17) Solche Informationen zum kulturellen Hintergrund, zur deutschen Sprache und zu Lernstrategien erhalten die Lerner zu Beginn jeder Lektion. Damit werden sie eingestimmt auf das, was den Lerngegenstand ausmacht, aber auch zum Nachdenken über die eigene und die fremde Kultur angeregt. FLuL 35 (2006) „A long and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 17 Die Behandlung landeskundlicher bzw. interkulturell relevanter Inhalte erschöpft sich freilich nicht in Übungen des genannten Typs. Im fortgeschrittenen Lernstadium sind Übungsabfolgen denkbar, wie sie z. B. in Eurolingua Deutsch zu finden sind. Das folgende Beispiel aus dem dritten Band des Lehrwerks nimmt einen Redeausschnitt eines Politikers der Grünen zum Anlass, gleichermaßen Sprachstrukturen zu üben und den inhaltlichen Transfer aufdie politische Situation in der eigenen Gesellschaft zu forcieren: FLulL 35 (2006) 18 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs mlt den Beg~ffen im Kasten drei Aussagen zu scllreiben, die zur R6<le passen. Unten sind einig& Politikern verwandet worden.· lhmm Land (oder ln Ihrem Kurs) aus und schreiben Sie (Abbildung aus: Eurolingua Deutsch, Band 3, Seite 141) Dabei wird von einem authentischen Redeausschnitt ausgegangen, der zunächst sprachlich bearbeitet wird, und zwar erst mit Übungen auf der Wort- und dann auf der Textebene. Anschließend wird übergeleitet zur eigenen Textproduktion, die ihrerseits dann lFLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 19 dazu genutzt wird, die Situation im Heimatland der Lerner zu thematisieren. Aber es ist noch eine weitere Ausdehnung der Beschäftigung mit landeskundlichen und/ oder interkulturellen Inhalten im Fremdsprachenunterricht denkbar. Seit einiger Zeit wird über die Vorzüge des so genannten Aufgabenorientierten Fremdsprachenlernens diskutiert (vgl. dazu z.B. die Monographien von WILLIS 6 2003; ELLIS 2003 sowie den Sammelband von MÜLLER-HARTMANN/ SCHOCKER-VON DITFURTH 2005; vgl. jetzt auch den Sammelband von BAUSCH et al. 2006). Es ersetzt den kleinschrittiger gefassten Übungsbegriff durch ein umfassendes Konzept der Erarbeitung sprachlicher und inhaltlicher Aufgabenstellungen. Dabei spieltnach WILLIS 6 2003 die Unterteilung in drei Phasen eine wichtige Rolle: in die Einführung in die Aufgabenstellung "Pre-task"), in den Aufgabenzirkel und in die Erarbeitung der sprachlichen Formen. Durch eine Ergänzung des Aufgabenzirkels, der von WILLIS als Abfolge von Aufgabendurchführung, Planungsaktivitäten und lernerseitigem, auf die sprachliche Form fokussierten Bericht über die Aufgabendurchführung beschrieben wird, lassen sich die Inhalte stärker zum Gegenstand der Reflexion machen. Für den Aufgabenzirkel würde dies z. B. bedeuten: In den Aufgabenzirkel wird nicht nur eine sprachliche Reflexionsphase, sondern auch eine lernbezogene Reflexionsphase integriert (vgl. KÖNIGS 2005a), die bekanntermaßen (s. o.) den Lernprozess und die Lernerautonomie fördert. Zu dieser Reflexionsphase würde dann auch gehören, den Lerninhalt jenseits der sprachlichen Lerngegenstände vor dem Hintergrund des vorhandenen fremd- und eigenkulturellen Wissens zu reflektieren und dadurch Einsichten in Ursachen und Zusammenhänge fremdkultureller Erscheinungen zu gewinnen. Dass dabei landeskundliche und/ oder interkulturelle Inhalte eine nicht geringe Aufwertung erfahren, ist offensichtlich. Allerdings kann auf die Frage „Wie viel Landeskunde braucht der Fremdsprachenlerner? " ein generalisierbares Maß nicht angegeben werden. Lernende bringen jedoch ein beträchtliches Maß an Vorwissen auch an landeskundlichem Vorwissen mit, das es produktiv zu nutzen gilt, nicht zuletzt zur Förderung der Lernerautonomie und der fremdsprachlichen Lernprozesse insgesamt. Dabei kommt gerade den Bereichen ,Landeskunde' und ,Interkulturelles Lernen' eine zentrale Bedeutung zu. 5. Übersicht zu den Beiträgen des vorliegenden Bandes Die skizzierte Entwicklung hat deutlich gemacht, dass es sich hierbei nicht um eine lineare Fortschreibung einer bestimmten Tendenz handelt, sondern dass die Auffassungen zu Landeskunde und Interkulturalität vor allem immer differenzierter geworden sind. Dies betrifft sowohl die Konzeptbildung auf einer vergleichsweise abstrakten Ebene als auch die unterrichtspraktischen Konsequenzen, die aus theoretischen Postulaten und Standpunkten beinahe zwangsläufig erwachsen. Die Beiträge dieses Bandes spiegeln diese Vielschichtigkeit aus unterschiedlichen Richtungen wider. Den Reigen der Beiträge, in denen theoretische Modellierungen, die aus empirischen Untersuchungen heraus entstanden sind, in Unterrichtsvorschläge münden, eröffnetArnd WITTE (National University of Ireland, Maynooth). Er plädiert für eine Ergänzung der sprachlichen und lFLulL 35 (2006) 20 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs situativen Progression im Fremdsprachenunterricht um eine „fremdkulturelle Progressionsebene", die sich auf kognitive und affektive Aspekte stützt. WJITE stellt hierfür sieben interkulturelle Progressionsebenen vor, die die Entwicklung einer umfassenden ,interkulturellen Kompetenz' nachzeichnen. Diese Kompetenz kann erworben werden, wenn der Lerner sich durch ,erfahrungsbezogenes' und ,kollaboratives Lernen' von den "Konstrukten der eigenen Sprache und Kultur löst und sich kognitiv aufjene der fremden Sprache und Kultur zubewegt". Die von WITTE angesprochene „kulturelle Progression des Verstehens des Fremden" sowie die „reziproke Progression der Relativierung eigenkultureller Deutungsmuster" stellen ein Konzept bereit, um von monokulturellen zu interkulturellen Verstehensprozessen zu gelangen. Claus ALTMAYER (Universität Leipzig) stellt das Konzept einer kulturwissenschaftlich transformierten Landeskunde vor, das er als Erweiterung des bislang in der fremdsprachlichen Praxis dominierenden interkulturellen Ansatzes versteht. Mit Bezug auf den Bereich ,Deutsch als Fremdsprache' übtALTMAYER Kritik an den bisherigen didaktischen Konzepten einer interkulturellen Landeskunde, die wegen ihrer mangelnden Begriffsklarheit exemplarisch ,interkulturell' und ,Kultur' emeuerungsbedürftig sei. Als alternativer, neuer Lerngegenstand wird die Behandlung ,kultureller Deutungsmuster' vorgeschlagen, die anhand der Begriffe „Partizipation oder Teilhabe am Leben eines Landes" sowie „kulturelles Lernen" verdeutlicht werden. Aufgaben für die kulturwissenschaftliche Forschung werden vor allem in der Theoriebildung, der Kulturanalyse und in der empirischen Erforschung kultureller Lernprozesse gesehen. Frauke INTEMANN(Technische Universität Braunschweig) berichtet anhand eines von ihr durchgeführten VoIP (Voice-over-Internet Protocoll) Projektes über lingua franca- Kommunikation in ad-hoc Situationen. Der Studie standen insgesamt sechs studentische Teilnehmer aus Deutschland, Spanien und Rumänien zur Verfügung, die innerhalb eines Zeitraumes von 15 Minuten eine „unlösbare Aufgabe" bearbeiten sollten. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme INTEMANNS, dass alle Studierenden versuchten, über ,Gemeinsamkeiten' die ihnen gestellte Aufgabe zu lösen: nicht die jeweils unterschiedliche kulturelle Herkunft, sondern „die gemeinsame studentische Identität [ist] das tragende Element der im Gespräch geschaffenen gemeinsamen Kultur". INTEMANN bezeichnet diese lingua franca-Situation als ,transkulturell', d.h. als „ein[enJ aktive[n], zielgerichtete[n] Prozess, in dem ausgehend von dem eigenen Hintergrund eine darüber liegende Gemeinsamkeit entwickelt wird". VoIP erweist sich dabei insgesamt als ein sehr nützliches zusätzliches Element für den Einsatz im fremdsprachlichen Klassenzimmer, da hier mit Hilfe einer neuen, bisher beim Fremdsprachenlernen kaum verwendeten Technologie Möglichkeiten zur synchronen mündlichen Kommunikation bereitgestellt werden. Astrid ERTELT-VIETH (Universität Koblenz-Landau) zeigt beispielhaft anhand zweier „relativ kleine[r] harmlose[r] Konflikte", so genannter ,Critical incidents', Möglichkeiten für Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht auf. Ihre Unterrichtsvorschläge basieren auf einer umfangreichen empirischen Studie zum [russisch-deutschen] Schüleraustausch und können in insgesamt sechs Schritten, als Abfolge oder Teileinheiten, im [interkulturellen] Fremdsprachenunterricht umgesetzt werden. Das vorrangige Anliegen ERTELT-VIETHS ist die Herausarbeitung der kulturellen Spezifika der jeweiligen SchülerlFLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 21 gruppe. Außerdem stellen der Erwerb einer kritischen Reflexionsfähigkeit sowie die Einnahme einer Innen- und Außensicht auf Konflikte bzw. Konfliktpotentiale wichtige Teilziele dar. Zusammenfassend betont ERTELT-VIETH die Wichtigkeit des Zusammendenkens von ,Individualität' und ,Kultur' und die Notwendigkeit, Individualität mit Blick auf den kulturellen Kontext zu definieren. Eynar LEUPOLD und Ines Carla SCHÄFER (beide Pädagogische Hochschule Freiburg) untersuchen in einer empirischen Studie die Relevanz des kulturellen Vorwissens bzw. der kulturellen Wissensstrukturen von Französischlernern in der Grundschule und setzen sie in Bezug zu fachdidaktischen Erkenntnissen über Lernerorientierung, Kompetenzerwerb, Language/ Cultural Awareness sowie entwicklungspsychologischen Ergebnissen (u. a. Kategorisierungsleistungen,räumliches Verständnis, egozentrische Wahrnehmung). Die Befragung von Erstklässlern zu ihrem Vorwissen und ihren Vorerfahrungen hinsichtlich der französischen Sprache und Kultur zeigt, in welchem Maße Umfang und Qualität der Wissensstrukturen jeweils variieren. Insgesamt empfehlen die Autoren, die Wissensstrukturen in einen weit gefassten interkulturellen Ansatz zu integrieren, um später eine Orientierung in einer multikulturellen Gesellschaft möglich zu machen. Des Weiteren sollen dabei auch immer die generellen kognitiven und emotionalen Vorerfahrungen der Lerner in die Überlegungen mit einbezogen werden, da diese aufgrund ihrer engen Verbindung mit Sprachlernprozessen sinnvolle Verknüpfungsmöglichkeiten im fremdsprachlichen Unterricht bieten. Die Vermittlung von interkultureller Kompetenz bzw. die Sensibilisierung für kulturelle Divergenzen und Spezifika erfolgt natürlich über Texte. Diese scheinbar banal anmutende Feststellung macht dabei die Notwendigkeit deutlich, auch über die (erweiterte) Funktion literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht intensiv nachzudenken. Dies geschieht in drei Beiträgen ganz explizit. Eva BURWITZ-MELZER {Justus-Liebig- Universität Gießen) stellt ein neues fremdsprachliches Lesekompetenzmodell vor, in dem vor allem die sprachlichen Fertigkeiten und der Aufgabenbereich des kulturellen und Interkulturellen Lernens eine besondere Rolle spielen. Die detaillierte Beschreibung der Lesekompetenz sowie der dazugehörigen Aufgabenbereiche im fremdsprachlichen Literaturunterricht verdeutlichen die Notwendigkeit einer angemessenen literaturdidaktischen Ausbildung von Lehrkräften, um das Modell effizient einbzw. umsetzen zu können. Darüber hinaus zeigt BURWITZ-MELZER anhand der verschiedenen Aufgabenfelder, wie der Förderung interkultureller Kompetenzen, eine neue Sichtweise auf Lernprozesse und Lernleistungen im fremdsprachlichen Literaturunterricht auf. Brigitte GLASER (Georg-August-Universität Göttingen) beschreibt anhand von drei postkolonialen Werken anglophoner arabischer Schriftstellerinnen Möglichkeiten der Erarbeitung und Vermittlung kultureller Unterschiede im fremdsprachlichen Klassenzimmer. Die von den ausgewählten Autorinnen behandelte Thematik fokussiert auf die meist stereotype Sichtweise von arabischer und westlicher Welt und ist im Zusammenhang mit Huntingtons sehr kontrovers aufgenommener Darstellung des Clash of Civilizations zu sehen. GLASER verdeutlicht die Sichtweisen der Autorinnen, die in der arabischen Welt aufwuchsen und nun im englischsprachigen Ausland leben, detailliert mit Hilfe der Kategorien ,Social Class', ,Public/ Private Life', ,Writing Techniques' sowie ,History, lFLuL 35 (2006) 22 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs Culture and Identity'. Die Ergebnisse der Untersuchung können zu einer veränderten Sichtweise der arabischen Kultur beitragen und vor allem dazu anregen, die stereotypen Denkmuster der westlichen Welt abzulegen. Da die untersuchten Texte darüber hinaus vertiefte Einsichten in das heutige Leben von Migranten geben und dabei die konstruktive Auseinandersetzung über die Vor- und Nachteile in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft zu leben anregen, eignen sie sich in besonderer Weise zur Förderung des Interkulturellen Lernens im fremdsprachlichen Literaturunterricht. Guido RINGS (Anglia Ruskin University, Cambridge) stellt in seinem Beitrag die Bedeutung literarischer Texte für den fremdsprachlichen Unterricht, insbesondere für die Erreichung des Lernziels ,interkulturelle Kompetenz' anhand von Lehrerfahrungen mit der Kurzgeschichte The Persian Dinner heraus. Er unterstreicht die Relevanz ,kultureller Begegnungen' mit Hilfe von Literatur, indem er literarischen Texten ein hohes Potential an symbolischer Darstellungskraft zuschreibt, da in diesen Texten z. B. "die fremde Kultur in ihrer symbolischen Repräsentation (z.B. durch die Verwendung spezifischer Metaphern) zum Ausdruck kommt". RINGS kritisiert die bisherige Ausgestaltung von Curricula, Schulbüchern sowie der allgemeinen Lehrerausbildung, da diese sich bisher allenfalls rudimentär an die zu erreichende interkulturelle Kompetenz annähern und nur wenig bis gar keine geeigneten Texte enthalten, die zur Relativierung der eigenkulturellen Perspektive und ihrer notwendigen Erweiterung durch fremdkulturelle Erfahrungen beitragen. Literarische Texte wie das Persische Abendessen der österreichischen Autorin Barbara Frischmuth zeigen Möglichkeiten von interkulturellem Training auf, indem sie durch die Gegenüberstellung von Okzidentalismus und Orientalismus zur kritischen Reflexion neo-kolonialistischer Perspektiven beitragen. Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität stehen in einem multikausalen Beziehungsgeflecht zueinander. Gerade angesichts der Forderung, dass Schüler in mehr als einer modernen Fremdsprache hinreichende Kompetenzen auf- und ausbauen sollen, rückt die Auseinandersetzung mit mehreren Kulturen in ein noch bedeutsameres Licht. Hierbei gilt es auch die Tatsache zu bedenken, dass Englisch angesichts seiner Bedeutung als lingua franca eine besondere Rolle einnimmt; es transportiert närnljch nicht nur die kulturellen Symbole und Inhalte anglophoner Kulturen, sondern dient außerdem auch dem Kontakt mit Kulturen, in denen eine andere Sprache vorherrschend gesprochen wird. Mit den vielfältigen Problemen einer umfassend verstandenen Mehrsprachigkeit befassen sich vor allen Dingen vier Beiträge: Richard ALEXANDER (Wirtschaftsuniversität Wien) beschäftigt sich mit der konstitutiven Rolle der englischen Sprache für den Globalisierungsprozess in der internationalen Geschäfts- und Finanzwelt. Neoliberale Entwicklungen des internationalen Bildungswesens verstärken darüber hinaus die Kontrollfunktion "gatekeeper function") und somit die Dominanz des Englischen. Seine Verwendung als globale lingua franca und als Medium weltweiter interkultureller Kommunikation lassen den Einfluss des Englischen auf andere Sprachen und Kulturen weiter anwachsen, zumal wirkliche ,Interkulturalität' durch die Übernahme anglo-amerikanischer Interaktionsnormen beeinträchtigt wird. Gerade vor diesem Hintergrund sollten sich Lehrende des Englischen als Fremd- und internationale Sprache der erzieherischen Seite ihres Unterrichts verstärkt bewusst sein. lFLulL 35 (2006) „A long and winding road ... "~ Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 23 Janina BRUTT-GRIFFLER (State University ofNew York, Buffalo) untersucht ebenso wie ALEXANDER das Verhältnis von ,Sprache' und ,Globalisierung' im 21. Jahrhundert. Sie geht zunächst auf die spezifische Rolle des Englischen ein, indem sie durch den Verweis auf negativ besetzte Metaphern wie „English as a killer language", "language murder", "language suicide" die Auffassung einer sich vor allem negativ auswirkenden Vormachtstellung des Englischen in Frage stellt. Im Vergleich zu ALEXANDER schränkt BRUTT-GRIFFLER den Zusammenhang von ,Globalisierung' und ,Hegemonie des Englischen' mit von ihr diskutierten ,Mythen' (,Globalisierung bedroht die linguistische Vielfalt'; ,Englisch als Weltsprache schließt alle anderen Sprachen aus') jedoch ein, sie konstatiert vielmehr einen Anstieg sprachlicher Variabilität durch die Globalisierung. In ihre Betrachtungen fließt des Weiteren der ,bilinguale Sprecher' mit ein, der aus ihrer Sicht einen weitaus wichtigeren Effekt der Globalisierung ausmacht, da bilinguale Fertigkeiten wie ,kommunikative Kompetenz' und ,interkulturelles Verstehen' wichtige Voraussetzungen darstellen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Der interkulturelle Fremdsprachenunterricht des 21. Jahrhunderts sollte deshalb zur Förderung dieser Kompetenzen beitragen und von Lehrenden durchgeführt werden, die über grundlegende sprachliche Fähigkeiten in mehr als zwei Sprachen verfügen. Adelheid Hu (Universität Hamburg) untersucht in ihrem Beitrag zur Sprachbiographieforschung die Bedeutung der Erstsprache für den weiteren Spracherwerb und weiteres Sprachenlernen aus der subjektiven Perspektive mehrsprachiger Personen. Des Weiteren befasst sie sich mit der Frage, welche Rolle die Sprachen für die Identität der Betroffenen einnehmen, und analysiert verschiedene Aspekte der Sprachwahrnehmung. Nach einer Darstellung des aktuellen Standes der Sprachbiographieforschung werden die subjektiven sprachbiographischen Zeugnisse von insgesamt sieben mehrsprachigen bzw. bilingualen Autoren dokumentiert und analysiert. Die Untersuchung der ausgewählten Textpassagen verdeutlicht im besonderen Maße die Mehrdimensionalität und Mehrperspektivität der sprachlich-kulturellen Identität der jeweiligen Autoren und zeigt ferner, dass ,Sprache' und ,kulturelle Identität' eng miteinander verwoben sind. Das Verhältnis der Erstsprache zu den weiterführenden Sprachen beschreibt Hu als gleichwertig und gleichgewichtig. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Darstellung zur Wahrnehmung der Sprachen auf graphischer, phonetischer und semantischer Ebene sowie der Forderung nach weiteren empirischen Studien, auch im Hinblick auf schulisches Sprachenlernen. Claire KRAMSCH (University of California, Berkeley) stellt ein internationales Forschungsprojekt vor, dessen Ziel in der Erstellung eines bilingualen französisch-englischen Handbuches zur Mehrsprachigkeit und Multikulturalität liegt. In ihrem Überblick über einschneidende Veränderungen im Lehren und Lernen fremder Sprachen spricht KRAMSCH u. a. die Einführung des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens an und betont den Wandel hin zu einer multikulturellen Gesellschaft, in der sprachliche Variation und die Fähigkeit, zwischen sprachlichen Codes zu wechseln und sie zu mischen, als sehr wichtig für die Identitätsfindung eines jeden einzelnen angesehen werden. Nach einer kurzen inhaltlichen Beschreibung des Handbuches stellt die Autorin in der Folge exemplarisch mit Hilfe eines französischen Textauszuges Übersetzungsschwierigkeiten dar, die durch die unterschiedliche Bedeutung von Wörtern linguistique appliquee / lFLuL 35 (2006) 24 Claus Gnutzmann, Frank G. Königs applied linguistics oder didactique / didactics entstehen. Als eine mögliche Lösung sieht KRAMSCH die Einführung von so genannten ,metalogues', die die jeweils kulturellen, sozialen und historischen Eigentümlichkeiten wie unterschiedliche Traditionen oder ein ungleiches Verständnis von historischen Gegebenheiten näher beleuchten. Die letzten drei Beiträge konzentrieren sich auf die Bedeutung semantischer und pragmatischer Untersuchungen zur Beschreibung der interkulturellen Kommunikation. Matthias HUTZ (Pädagogische Hochschule Freiburg) untersucht anhand einer Korpusstudie von ,requests' in E-Mails die Entwicklung pragmatischer und diskursiver Kompetenz von deutschen Lernern des Englischen aus dem akademischen und nicht-akademischen Bereich. Dabei widmet er sich insbesondere der Frage, wie der Sprechakt ,request' von den Teilnehmern der Studie deutsche und amerikanische Studierende sowie · deutsche Programmierer realisiert wird und ob hierbei ein pragmatischer Transfer stattfindet. Die Datenanalyse ergibt, dass die deutschen Studierenden eher zur Anwendung direkter pragmatischer Strategien neigen. Die unterschiedlichen Ergebnisse von englischen Muttersprachlern und Lernern des Englischen verdeutlichen ferner, dass die Herausbildung von pragmatischer Kompetenz für die Bewältigung von erfolgreicher Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen von essentieller Bedeutung und im fremdsprachlichen Klassenzimmer dementsprechend zu fördern ist. Der Autor plädiert weiterhin dafür, die Akzeptanz unterschiedlicher pragmatischer Verhaltensweisen zu fördern, da hierdurch eine sprachliche Übereinkunft zwischen Kulturen angebahnt und Stereotypenbildung vermieden werden kann. Jörg ROCHE und Melody ROUSSY-PARENT (beide Ludwig-Maximilians-Universität München) beschäftigen sich mit der „Bedeutung semantischer Differentiale" für die interkulturelle Kommunikation sowie deren didaktischer Umsetzung im Fremdsprachenunterricht. Das von ihnen durchgeführte Wortassoziationsexperiment zu Adjektiven, Konkreta und Abstrakta gibt „Einblicke in kulturspezifische Strategien der Begriffserschließung und Vernetzung" von Deutschen und Frankokanadiern. Darüber hinaus wird durch die Herausarbeitung von qualitativen und metaphorischen Begriffsdifferenzen deutlich, dass diese im Fremdsprachenunterricht größere Beachtung finden sollten, um interkulturelle Kommunikation langfristig erfolgreich gestalten zu können. Die Autoren plädieren deshalb für den Einsatz von Wortassoziationsverfahren in der fremdsprachlichen Praxis und die stärker differenzierte Behandlung sprachlicher und kulturell-landeskundlicher Varietäten. Laurenz VOLKMANN (Friedrich-Schiller-Universität Jena) untersucht den Einfluss von Konversations- und Höflichkeitsroutinen auf das Interkulturelle Lernen im Fremdsprachenunterricht. Er konzentriert sich dabei auf die Frage, "( ... ) wie vor allem in der Sprachwissenschaft verwurzelte Theoriemodelle zur (höflichen) Konversationsführung sich mitunterrichtspraktischen Überlegungen verknüpfen lassen". Die Gegenüberstellung des Kommunikationsverhaltens von englischen und deutschen Muttersprachlern zeigt, dass deutsche Englischlernende kaum über Gesprächsroutinen in der fremdsprachlichen Kommunikation verfügen. Die daraus resultierende Forderung nach geeigneten Lernse~ quenzen im Fremdsprachenunterricht, in denen die Bedeutung sprachlicher Höflichkeit thematisiert und eingeübt wird, sowie die Betonung von höflichen Umgangsformen im FLuL 35 (2006) „A lang and winding road ... " - Von der ,Landeskunde' zur interkulturellen Sprachdidaktik... 25 alltäglichen Englischunterricht verknüpft VOLKMANN mit der Beschreibung von verschiedenen Höflichkeitsstrategien und den zugrunde liegenden kognitiven und affektiven Lehrmethoden. Darüber hinaus sieht er die gezielte Beschäftigung mit sprachlichen und kulturellen Mustern fremder Kulturen im Fremdsprachenunterricht als grundsätzlich notwendig an. Literatur ALTHAUS, Hans-Joachim (1999): "Landeskunde. Anmerkungen zum Stand der Dinge". In: Informationen Deutsch als Fremdsprache 26.1, 25-36. ALTHAUS, Hans-Joachim/ M0G, Paul (1992): "Einleitung". In: MoG, Paul/ ALTHAUS, Hans-Joachim (Hrsg.): Die Deutschen in ihrer Welt: Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde. Berlin [usw.]: Langenscheidt, 9-15. ALTMAYER, Claus (2004): Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium. 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