eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 36/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2007
361 Gnutzmann Küster Schramm

Sachfachunterricht in der Fremdsprache:

121
2007
Frank G. Königs
flul3610048
FRANK G. KÖNIGS * Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen aus der Perspektive der (neuen) Lehrerbildung Abstract. This article deals with questions conceming the training of prospective CLIL teachers; the emphasis is on what form such a course should take. After abrief outline and some criticism of the main features influencing current efforts to reform such training in Germany, the paper focuses on the contentrelated requirements inherent in CLIL. The following section investigates whether, and to what extent, the various study formats are appropriate for a CLIL-teacher-training programme. In conclusion, the article describes a curricular alternative that integrates both the reform demands and the content-related requirements. 1. Einleitung Die Beschäftigung mit bilingualem Unterricht, "Content and Language Integrated Learning (CLIL)", oder dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache hat durchaus Konjunktur. Dabei deuten bereits die unterschiedlichen Begrifflichkeiten an, dass die sich dahinter verbergenden Konzepte keineswegs so übereinstimmend sind. Das impliziert aber immerhin auch, dass die Diskussionen und die Ansätze relativ breit gestreut sind. Wolfgang ZYDATiß (in diesem Band [S. 30-47]) hat in seiner Bilanz für Deutschland unter anderem diesen vielfältigen Zugriff bestätigt und untermauert, und Dieter W OLFF (in diesem Band [S. 13-29]) hat darauf hingewiesen, dass sich diese Vielschichtigkeit - oder sollte man sagen: diese Multiperspektivitätdurch wohl die meisten europäischen Länder zieht. Die Ursache für die Vielfalt in den Konzepten liegt einerseits in den unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen innerhalb der jeweiligen politischen Rahmenmaßgaben, die je nach landesspezifischer Schwerpunktsetzung zu gänzlich anders gelagerten Konzepten führt und führen musste. Die Ursache liegt aber auch in der durchaus unterschiedlichen Wahrnehmung derjenigen Realität, die sich hinter diesen Konzepten und Begrifflichkeiten verbirgt. Und natürlich gibt es auch durchaus fachlich begründete Unterschiede in den Einschätzungen darüber, was ein Sachfachunterricht in der Fremdsprache leisten kann und was nicht. Während sich aus der Sicht derjenigen, die sich mit dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen befassen, doch ganz überwiegend positive Einschätzungen Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Frank G. KÖNIGS, Univ.-Prof., Philipps-Universität Marburg, Informationszentrum für Fremdsprachenforschung, Hans-Meerwein-Str., 35032 MARBURG. E-mail: koenigs@staff.uni-marburg.de Arbeitsbereiche: Konzeptbildungen der Sprachlehrforschung, Psycholinguistik des Fremdsprachenlernens, Methodik und Didaktik der Fremdsprachenvermittlung (insbesondere Deutsch als Fremdsprache und Romanische Sprachen), Übersetzungsdidaktik, Curriculumentwicklung, Lehrerbildung. lFLllllL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 49 mit dem Konzept verbinden, kommen bisweilen deutliche Vorbehalte aus der Sicht derjenigen Fächer, die in der Fremdsprache unterrichtet werden sollen. Die Vorbehalte richten sich zumeist darauf, dass es eine Überforderung bedeuten würde, einen komplexen, möglicherweise sogar noch kultur- oder kulturraumbezogenen Gegenstand in einer Fremdsprache zu behandeln 1; möglicherweise das lasse ich einmal dahin gestellt spielt dabei auch die durchaus zutreffende Selbsteinschätzung eine Rolle, dass die Behandlung von Themen des eigenen Faches in der Fremdsprache so problemlos nicht möglich sei. Dabei wird auch die Gefahr gesehen, dass die Perspektive der Fremdsprachen(didaktik) die Sichtweise des Sachfaches an den Rand drängt. Nun werde ich mich im Folgenden nicht mit der Frage auseinander setzen, welche der Termini und der dahinter stehenden Konzeptionen die angemessenen sind, wenn man sich mit dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache näher beschäftigen oder ihn bezeichnen will. Ich lasse es im Folgenden beim „Sachfachunterricht in der Fremdsprache", wohl wissend, dass die unterschiedlichen Begrifflichkeiten nicht selten auch mit unterschiedlichen konzeptuellen Vorstellungen verbunden sind. Wenn man sich vor diesem Hintergrund mit dem Zusammenhang von „Sachfachunterricht in der Fremdsprache" und Lehrerbildung befasst, steht man gemeinhin vor der Frage, aus welcher Richtung die Argumentation angegangen werden soll: Je nachdem ob man aus der Sicht der Fremdsprachenvermittlung, des Sachfachunterrichts oder der Lehrerbildung argumentiert, ergeben sich grundsätzlich andere Perspektiven, die allerdings im Kontext der Konzeptentwicklung für die Lehrerbildung zusammengeführt und miteinander verknüpft werden müssen. Da etliche Beiträge im Rahmen dieses Bandes den Blick insbesondere aus der Fremdsprachendidaktik auf den Gegenstand richten, werde ich im Gegensatz dazu versuchen, meine Gedanken zum Zusammenhang von Lehrerbildung und Sachfachunterricht in der Fremdsprache aus der anderen Richtung, nämlich aus der Sicht der Lehrerbildung, zu entwickeln. Die Einnahme dieser Perspektive führt mich zu der folgenden Gliederung meiner Ausführungen: Ich werde in meinem ersten Abschnitt auf die konzeptuellen Entwicklungen der Lehrerbildung in Deutschland eingehen (Kapitel 2). Im Anschluss daran werde ich auf die meines Erachtens nach wesentlichen Elemente einer Fremdsprachenlehrerbildung zu sprechen kommen, die sich zum Ziel setzt, gezielt auf den Sachfachunterricht in der Fremdsprache vorzubereiten (Kapitel 3) und Gedanken darüber vorstellen, welche curricularen Strukturmuster sich für diese Inhalte entweder an- oder verbieten (Kapitel 4). In meinem letzten Abschnitt werde ich diese Überlegungen zusammenführen und versuchen darzustellen, in welche Richtung sich möglicherweise Konzepte für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern entwickeln lassen, in deren Fokus der Sachfachunterricht in der Fremdsprache steht (Kapitel 5). Zwei Einschränkun- Exemplarisch verwiesen sei auf BAIER (1991) und seine Kritik daran, dass der Geschichtsunterricht durch den Gebrauch einer Fremdsprache einer wesentlichen Funktion beraubt werde: "Die Wirklichkeit, die den Menschen tatsächlich umgibt, wird durch die Muttersprache geistig umgewandelt und so unserem Bewusstsein zugänglich gemacht [...]. Gemäß dieses Weltbilds ihrer Muttersprache sind alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft durch eine Denkwelt auf der geistigen Ebene zusammengehalten[...]. Hat ein Schüler nicht die Pflicht, die Geschichte des Staates, dessen Bürger er ist, mit seiner ,Denkwelt' zu erfahren? " (BAIER 1991: 35). JFLIIIL 36 (2007) 50 Frank G. Königs gen sind noch nötig: Ich werde überwiegend strukturell argumentieren und erst im letzten Abschnitt - und auch dort nur ansatzweise stärker auf die eigentlichen Inhalte, bezogen auf den Sachfachunterricht in der Fremdsprache, eingehen. Und ich beziehe mich beinahe ausschließlich auf die universitäre Seite der Lehrerbildung, also die sogenannte erste Phase. 2. Die Reform der (deutschen) Lehrerbildung Die aktuellen Reformbemühungen im Kontext der Lehrerbildung verdanken ihre Entstehung im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einem dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler in internationalen Vergleichstests und zum anderen dem Bologna- Prozess, der auf die Schaffung eines einheitlichen Hochschulraums in Europa zielt. Während die Entwicklung in anderen Ländern zumindest zu länderspezifischen Schwerpunktsetzungen geführt hat, die allerdings von der angestrebten europaweiten Einheitlichkeit ein gutes Stück entfernt sind, führt der deutsche Föderalismus in den einzelnen Bundesländern zu ganz unterschiedlichen Konzepten für die Lehrerbildung insgesamt: Neben Ländern, die das Staatsexamen beibehalten und sich damit (noch) gegen die Einrichtung gestufter Studiengänge in der Lehrerbildung wehren (z.B. Bayern und Hessen), finden wir daneben Länder mit einer eindeutigen Präferenz für die gestuften Studiengänge (z.B. Niedersachsen). Vollends disparat wird die Lage in den Ländern, die in ihren Universitäten je nach Standort Staatsexamen- oder Masterstudiengänge anbieten. Dabei gilt, dass vor allem traditionelle Lehramtsstudiengänge immerhin mit Aufbau- oder Ergänzungsstudiengängen inhaltliche Schwerpunktsetzungen erlauben; an Standorten mit Staatsexamen als Regelabschluss der Lehrerbildung finden wir folglich Angebotsstrukturen, die nach Absolvierung entsprechender Schwerpunkte Zertifizierungen erlauben. Hier haben auch spezifische Studiengangsoptionen ihren organisatorischen Platz, die sich dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache verschreiben. Demgegenüber schließt die Philosophie des Bologna-Prozesses Zusatzund/ oder Ergänzungsstudiengänge zunächst einmal grundsätzlich aus. Möglich werden jedoch ggf. Masterstudiengänge mit speziellen Schwerpunktsetzungen. Erschwert wird die Konstruktion dieser Studiengangsoptionen jedoch durch die Tatsache, dass der Bologna-Prozess die beteiligten Länder zu einer vom Umfang her beschränkten Ausbildung zwingt. Durch die Pauschalisierung des vermeintlichen Studienaufwands verringert sich de facto die Anzahl der Seminare, Semesterwochenstunden etc., die ein Studierender in der ersten Phase seiner Ausbildung zu absolvieren hat 2 • Gleichzeitig wird vielerorts der Anteil der berufswissenschaftlichen Aus- 2 Hier mag man einwenden, dass dieser Vorwurf nicht zutrifft, da Bachelor (3 Jahre) und Master (2 Jahre) eine Gesamtstudiendauer von 5 Jahren ergeben, die wir zuvor ja auch hatten. Die relative dann doch gegebene BeschränkungNerkürzung resultiert aus der meines Erachtens nach unseligen Quantifizierung des Arbeitsaufwands; die im ,alten' System existierende Möglichkeit zur Intensivierung bestimmter Studieninhalte entfällt, wobei dies insbesondere in Bezug auf den zeitaufwändigen Erwerb fremdsprachlicher Kompetenzen nachteilig sein dürfte zumindest solange Fachwissenschaft und Fremdsprachenkompetenz in einem merkwürdig anmutenden Ausschlussverhältnis bisweilen beziehungslos nebeneinander existieren. Dass wir zukünftigen lFLlllllL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 51 bildungsanteile erhöht immerhin auch das ein Ergebnis der Nach-Pisa-Diskussion-, wobei dazu erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Studienanteile gerechnet werden, die je nach Bundesland unterschiedlich eine Ausweitung erfahren. Bei der Überführung der ,alten' Staatsexamensstudiengänge in die gestuften Studiengänge wird in der curricularen Entwicklungsarbeit vielfach mit dem Instrument der so genannten ,Kerncurricula' gearbeitet. Diese sollen den inhaltlichen Kern des jeweiligen Faches oder Fachsegments darstellen und führen in der Praxis trotz gegenteiliger Bekundungen realiter nicht selten zu einer Art Mindestinventar. Aus der Sicht des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache ergeben sich vor diesem Hintergrund die folgenden Optionen, wobei das Votum für oder gegen eine Option sich keineswegs nur nach den inhaltlichen Notwendigkeiten richtet, die mit dem angestrebten Ausbildungsziel verbunden sind: • Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung (siehe unten 4.1) • Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen' in modularisierter Form: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung (siehe unten 4.2) • Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Additum zur ,normalen' Fremdsprachenlehrerausbildung mit entsprechender Zertifizierung (siehe unten 4.3) • Gestufte Studiengänge: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung (siehe unten 4.4) • Masterprogramme mit Schwerpunkt „Sachfachunterricht in der Fremdsprache" (siehe unten 4.5) Nun wissen wir alle, dass curriculare Entscheidungen sehr häufig nicht (oder zumindest nicht nur) curricularen Planungsaktivitäten in Abstimmung mit fachbezogenen Notwendigkeiten folgen, sondern dass die Standortbedingungen die Curriculumplaner dazu zwingen, aus der Not eine Tugend zu machen. Mit anderen Worten: Die personelle Ausstattung sowie die Abstimmungsprozesse und -ergebnisse ,vor Ort' entscheiden darüber, welche Gestalt ein Ausbildungsprogramm letztlich annimmt. Für meine folgenden Überlegungen ignoriere ich diese Realität zunächst einmal und versuche stattdessen, Überlegungen dazu anzustellen, welche inhaltlichen Anforderungen ein Ausbildungsgang für angehende Lehrer eines Sachfaches in der Fremdsprache erfüllen muss. Dazu werde ich einige Prämissen aus der einschlägigen Fachliteratur ableiten und diese dann jeweils versuchen, in den genannten fünf unterschiedlichen Optionen zu verorten. Damit komme ich zu meinem dritten Kapitel. Fremdsprachenlehrern einen längeren Aufenthalt im Land ,ihrer' Fremdsprache im Vertrauen darauf nahe legen, dass sie dort schon die notwendigen Sprachkompetenzen erwerben werden, die wir dann nur noch abtesten, stellt für mich ein unzureichendes Ausbildungskonzept dar. lFlLlllL 36 (2007) 52 Frank G. Königs 3. Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Ausbildung von Lehrern für einen Sachfachunterricht in der Fremdsprache Diese inhaltlichen Anforderungen leiten sich direkt oder indirekt aus den spezifischen Anforderungen an den Sachfachunterricht in der Fremdsprache selbst ab. Für diesen gilt allem Anschein nach, dass er etwas anderes ist als reiner Fremdsprachenunterricht und dass er etwas anderes ist als reiner Fachunterricht in der Muttersprache. Wenn ÜTTEN/ WILDHAGE (2003: 24 ff) in ihren Thesen zu einer integrativen Didaktik und Methodik des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache konsequent die ,Integration von Inhalt und Sprache' in ihrer Bedeutung für den Unterricht aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, so deutet sich damit an, welche Anforderungen an den Unterricht und an die Lehrenden sich damit verbinden: Die inhaltliche Orientierung des Unterrichts folgt den Kriterien und Anforderungen des Sachfachs, und die Benutzung einer Fremdsprache als Arbeitssprache bedeutet dabei gerade nicht die Verlängerung des Fremdsprachenunterrichts mit ähnlichen Mitteln in ein anderes Fach hinein, sondern die Erweiterung des sachfachunterrichtlichen Potentials durch konsequenten Einbezug unterschiedlich kulturgebundener Perspektiven mittels der jeweiligen Fremdsprache. Dabei gilt das Primat der Fachdidaktik des jeweiligen Faches, die durch Methoden und Verfahren der Fremdsprachendidaktik lediglich eine synergetische Ergänzung erfährt. Dies muss dann allerdings - und hier stimme ich THÜRMANN (32005) ausdrücklich zu zu einer spezifischen Methodik des Sachfachunterrichts in der Fremdsprache führen, wobei sich für das Verhältnis von Inhalt und Sprache die Schwierigkeiten offenkundig abzeichnen: „Das Spannungsverhältnis von Sach- und Spracharbeit kristallisiert sich als Knackpunkt einer zukünftigen Didaktik des bilingualen Lehrens und Lernens heraus" (KUPETz/ ZIEGENMEYER 2005: 87). Mit anderen Worten: Würde man den Sachfachunterricht in der Fremdsprache als jeweiliges Additum begreifen, also aus der Sicht des Sachfaches ein Mehr durch die Fremdsprache oder aus der Sicht der Fremdsprache ein Mehr durch die Inhaltsorientierung durch das Sachfach, wäre es ausreichend, die jeweiligen Kompetenzen zu , addieren', um einen Eindruck vom notwendigen Lehrerprofil zu gewinnen, also z.B. durch Teamteaching von Sachfach- und Fremdsprachenlehrer. Nicht nur aus Kostengründen wird diese Sichtweise abgelehnt, denn: Der Sachfachunterricht zeichnet sich eben nicht durch die bloße Addition scheinbar unterschiedlicher Wissensbereiche aus, sondern durch die Integration von Inhalt und Fremdsprache; beide Bereiche sind auf den Gegenstand und damit auf ein spezifisches Lernen bezogen. Gerade diese Tatsache wird ins Feld geführt, um den Begriff des CLIL und das mit ihm verbundene Konzept zu begründen und in seiner besonderen Leistungsfähigkeit für die schulische (Aus-)Bildung darzustellen (vgl. z.B. WüLFF in diesem Band [S. 13-29)). Damit muss vom Lehrenden erwartet werden können, dass er die Aneignungsprozesse seiner Schüler gleichermaßen vom Sachfach- und vom Fremdsprachenlernen her anregt, begleitet, kontrolliert und zu optimieren hilft. Er muss sich also mit sachfachbezogenen Aneignungsvorgängen ebenso auskennen wie mit fremdsprachlichen, und er muss darüber hinaus deren mögliche Synergie- oder StörpotenlFLl.llL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 53 tiale für den jeweils anderen Aneignungsvorgang beurteilen können. 3 Damit ergibt sich beinahe zwangsläufig, dass eine bloße Addition sachfachdidaktischer und fremdsprachendidaktischer Erkenntnisse nicht ausreichend ist, denn gerade diese beiden Erkenntnisbereiche müssen in ihrer gegenseitigen Wirkung aufeinander bezogen werden. Dass dies relativ früh bemerkt wurde, mag man an der Entwicklung von Zusatzstudiengängen für bilinguales Lernen und bilingualen Unterricht erkennen, die gerade darauf abzielen, diese notwendigen Integrationsprozesse in der Person des Lehrers zu verankern und in ihm bewusst zu machen. Damit soll erreicht werden, dass sowohl der Inhaltsals auch der Sprachumsatz auf der Grundlage kommunikativen Handelns sowie unter Einbezug entsprechender Materialien mittels entsprechender „Aufmerksamkeitszuwendung und Aktivität der Lernenden zu Ausgangspunkten kognitiven, sprachlichen und affektiven Lernens" gefördert werden (KRücKILOESER 2002: 38). Dies schließt u.a. ein, die verschiedenen gegenstandsbezogenen Formen der Textarbeit stärker zu berücksichtigen, die sich von einem kommunikativen Fremdsprachenunterricht erheblich unterscheiden, als auch die Auseinandersetzung mit kulturbedingt unterschiedlichen Zugriffsweisungen auf den Gegenstand (vgl. z.B. das unterschiedliche Geschichtsverständnis in Frankreich und Deutschland) (vgl. zu den notwendigen Profilen eines Lehrenden im Sachfachunterricht in der Fremdsprache u.a. WOLFF 2002). Damit stellt sich aus der Sicht der Curriculumsplanung die Frage nach den angemessenen Studienformaten, und damit komme ich zu meinem vierten Abschnitt. 4. Curriculare Strukturmuster 4.1 Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung Die fachdidaktischen Anteile in der traditionellen Ausbildung von Fremdsprachenlehrern sind rein quantitativ beschränkt (vgl. zu den Gründen dafür u.a. KöNIGS 2001; 2002; SCHRÖDER 2002). Mit der notwendigen Einführung in Grundbegriffe und -konzepte der Fremdsprachendidaktik und einem thematischen Seminar ist das zur Verfügung stehende Kontingent dann nicht selten ausgeschöpft, wenn auch fachdidaktisch ausgerichtete Schulpraktika diesem Kontingent zugeschlagen werden. Allenfalls ein bis zwei weitere thematische Seminare können je nach Bedingungen ,vor Ort' dann noch angeboten werden. Diese werden aber in aller Regel - und auch mit guten Gründen zur Vertiefung von Inhalten aus dem Grundstudium genutzt. Für die notwendige Vertiefung, derer eine Ausbildung zu einem, bilingual unterrichtenden Lehrer' bedarf, fehlen die zeitlichen (und oftmals auch die personellen) Ressourcen. Bestenfalls dann, wenn die Vertiefung sich auf den Sachfachunterricht in der Fremdsprache erstreckt, besteht die Möglichkeit, dass Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich um zwei Aneignungsvorgänge mit allenfalls zufälligen Berührungspunkten handelt. Plausibler ist die Annahme eines gesamthaften Aneignungsvorgangs eben Sprache und Inhalt integriert-, der sich je nach Perspektive anders modellieren lässt. lFLlllL 36 (2007) 54 Frank G. Königs Studierende an diese Form des Unterrichts ganz vorsichtig und sehr langsam herangeführt werden. Da die Ausbildung jedoch in aller Regel eher standortspezifische Bündelungen aufweist (und auch mehr nicht aufweisen kann), ist von einer angemessenen Ausbildung mit dem Fokus auf dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache sicher nicht auszugehen. Eine nicht unerhebliche Modifizierung dazu ergibt sich bei der zweiten strukturellen Variante. 4.2 Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen' in modularisierter Form: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung ohne Zertifizierung Die Modularisierung hat unter dem Einfluss des Bologna-Prozesses Einzug in die Curriculumentwicklung an Hochschulen gehalten. Darunter wird die thematische Bündelung mehrerer Veranstaltungen verstanden, die sich einem inhaltlichen Schwerpunkt zuordnen lassen. Wo also der Sachfachunterricht in der Fremdsprache als Modulkern verstanden wird, lässt sich eine entsprechende Schwerpunktsetzung dann umsetzen, wenn die notwendigen personellen Ressourcen vorhanden sind, d.h. wenn entsprechend ausgebildetes Personal die angemessene Durchführung derartiger Veranstaltungsbündel sicherstellen kann. Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich durch eine denkbare Unterscheidung zwischen Pflicht- und Wahl(pflicht-)modulen, durch die eine Entscheidung für eine entsprechende Profilierung der eigenen Ausbildung in erheblichem Umfang in die Verantwortung der Studierenden gestellt wird. Flankiert werden müsste eine solche Studienoption allerdings nach meiner Auffassung durch eine entsprechende Zertifizierung, die dem Absolventen die Profilbildung bescheinigt. Im Zuge der Förderung einer schulinternen Autonomie nimmt die Zahl so genannter schulscharfer Einstellungen zu, bei denen die Schulen selbst und allein die Auswahl aus dem Kreis der Bewerber vornehmen. Vorstellbar ist in diesem Zusammenhang natürlich eine größere Anzahl von Profilmodulen neben dem Sachfachunterricht in der Fremdsprache also beispielsweise im Bereich der Neuen Technologien, der Mehrsprachigkeitsdidaktik oder des Testens -, wobei die Profilmodule inhaltlich mit den grundständigen fremdsprachendidaktischen (oder auch fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen) Modulen systematisch und eng verknüpft werden müssten. Dieser Idee steht allerdings neben dem Kapazitätsproblem die Tatsache entgegen, dass der Bologna-Prozess Obergrenzen für den Studienumfang definiert. Zwar ergeben sich gewisse Gestaltungsspielräume durch entsprechende Verschiebungen der mit den Veranstaltungen verbundenen workload, doch implizieren diese Gestaltungsspielräume gleichzeitig eine Aushöhlung der zugegebenermaßen ohnehin recht fragwürdigen - Begrenzung des Studienumfangs. Halten wir als Fazit für diese Variante folglich fest: Sie verbessert zwar die relativ wahllose Anordnung von fachdidaktisch relevanten Inhalten, stellt aber noch kein hinreichendes Ausbildungskonzept für angehende fremdsprachlich unterrichtende Sachfachlehrer dar, wenn die Profilmodule nicht wenigstens in beschränktem Umfang als zusätzliche Studienleistungen definiert werden können/ dürfen. lFLl\lL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 55 4.3 Studiengänge mit dem Abschluss ,Staatsexamen': Additum zur .,normalen' Fremdsprachenlehrerausbildung mit entsprechender Zertifizierung Bereits zu den Zeiten, als das Staatsexamen noch bundesweit der Regelabschluss in der Lehrerbildung war, haben einige Ausbildungsstandorte auf die anwachsende Zahl von Angeboten an Sachfachunterricht in der Fremdsprache und im Gefolge auf die steigende Nachfrage der Schulen nach geeigneten Lehrern (vgl. zu einer Darstellung der Entwicklung in Deutschland z.B. THÜRMANN 2000) durch entsprechende Zusatzausbildungen reagiert. Beispielhaft erwähne ich die Universitäten Wuppertal (vgl. z.B. WOLFF! KRE- CHEL 1997; auch WOLFF2002), Bochum (vgl. z.B. HELBIGIRAABE 2000) oder Hamburg (vgl. z.B. ARNOLD [et al.] 2004). Initiativen dieser Art zielen auf eine systematische Ausbildung von Lehrenden für den Sachfachunterricht in der Fremdsprache und orientieren sich bei Licht betrachtet an der erst später aufgekommenen Idee der Modularisierung, indem sie deren Merkmale in entsprechende Zusatzprogramme überführen. Allerdings verrät ein näherer Blick, dass es hierbei durchaus unterschiedliche Varianten der Studiengangsgestaltung gibt: Sie reichen von der Zusammenstellung von ohnehin in grundständigen Studiengängen vorhandenen Lehrangeboten mit thematischer Bündelung bis zur speziell für die anvisierte Klientel entworfenen und durch entsprechend tiefgehende Praxisanteile sinnvoll ergänzten Programmen (vgl. z.B. ARNOLD [et al.] 2004; vgl. auch KUPETZ/ ZIEGENMEYER 2005). Vor allem die letztgenannten Modelle dürften am nachhaltigsten die Bedürfnisse angehender Lehrer im fremdsprachlichen Sachfachunterricht treffen, machen aber entsprechende personelle Ausstattungen notwendig. Bedenkt man zudem, dass die angestrebte Qualifizierung nur eine denkbare Profilbildung darstellt, so ergibt sich auch hier wie schon in anderen Zusammenhängen angemahnt (vgl. KÖNIGS 2006) die Notwendigkeit von planerischen Absprachen. Es müsste eine Struktur geschaffen werden, die es ermöglicht, entsprechend breit gefächerte Studienangebote in ihrer regionalen Verteilung und ihrer inhaltlichen Ausrichtung so zu koordinieren, dass es zu einer netzwerkartigen Angebotssicherheit kommt, die es mindestens jedem Flächenland in der Bundesrepublik erlaubt, entsprechende breite Studiengangsoptionen anzubieten. Spätestens hier so steht jedenfalls zu befürchten wird sich die föderale Struktur der Bundesrepublik wieder einmal eher als hinderlich dafür erweisen, entsprechende flächendeckende Ausbildungspläne zu entwerfen. Dass wir eine mit Fachleuten kompetent besetzte Steuerungsinstanz dringend benötigen, scheint mir indes kaum bestreitbar. 4.4 Gestufte Studiengänge: Integration in die ,normale' Fremdsprachenlehrerausbildung Mit der Einführung der gestuften Studiengänge für die Lehrerbildung ist die beabsichtigte Vereinheitlichung (noch) nicht eingetreten. Die Entscheidung für gestufte Studiengänge hat zu unterschiedlichen Varianten geführt. Dabei ist nach wie vor nicht geklärt, welche Funktion der Bachelor für die Lehrerbildung eigentlich haben soll, es sei denn, er dient zur Auslese und verhindert, dass alle Studierenden der Bachelor-Stufe tatsächlich bis zum lFL1.1lL 36 (2007) 56 Frank G. Königs Lehramtsexamen vordringen. 4 Dabei geht die Stufung einher mit der schon erwähnten Begrenzung des Studienumfangs, die ihrerseits insbesondere den Fachwissenschaften sehr zu schaffen macht. Demgegenüber wird der berufswissenschaftliche Anteil, zu dem häufig auch die Fachdidaktik gerechnet wird, quantitativ vielerorts ausgeweitet. Dabei ist eine überregionale Einigung auf kemcurriculare Inhalte allenfalls partiell festzustellen. Dort wo sich die gestufte Lehrerbildung weithin als ,aus einem Guss' versteht, wird dieser Anteil nicht selten dazu genutzt, die bisher nicht behandelten fachdidaktischen Inhalte überhaupt anzubieten. Zudem müssen an einigen Standorten (wie z.B. Marburg) die zusätzlich gewonnenen fachdidaktischen Ausbildungsanteile dazu genutzt werden, den z.T. unter das vertretbare Maß gesunkenen fachwissenschaftlichen Ausbildungsanteil durch Schnittstellenmodule auszugleichen, in denen Fachwissenschaftler und Fachdidaktiker gemeinsam Inhalte aus ihrer je spezifischen Perspektive mit den Studierenden erarbeiten. Daher gilt für diese Studiengangsstruktur Analoges wie für die zweite der hier diskutierten Varianten. Thematisch kann also der Sachfachunterricht in der Fremdsprache behandelt werden; für eine Vertiefung, wie sie im Rahmen einer gezielten Qualifizierung nötig wäre, fehlen zumeist die zeitlichen und personellen Ressourcen. Die strukturellen Bedingungen dieser Studiengangsvariante erlauben folglich keine qualifizierte Ausbildung zum Lehrer im fremdsprachlichen Sachfachunterricht. 4.5 Masterprogramme mit Schwerpunkt „Sachfachunterricht in der Fremdsprache" Wie bereits oben angedeutet, erlauben gestufte Studiengänge in der Masterphase eine Spezialisierung und wissenschaftliche Vertiefung des vorausgehenden Bachelor~Studiengangs. Damit ergibt sich strukturell die Möglichkeit zur Profilbildung eine Möglichkeit, die (wenn ich es recht sehe) die Technische Universität Braunschweig beschreitet und über die Claus GNUTZMANN (in diesem Band [62-75]) berichtet. Allerdings setzt eine solche Akzentuierung, die im Übrigen auch jenseits der Lehrerbildung häufig beschritten wird, zur erfolgreichen und angemessenen Umsetzung mehrere Grundsatzentscheidungen auf der Bachelor-Ebene voraus: • Der fachdidaktische Studienanteil im Besonderen und der berufswissenschaftliche insgesamt dürfen nicht der Masterphase vorbehalten sein. Vielmehr müssen die grundlegenden zu erwerbenden Kompetenzen auch für diese Studiensegmente bereits Gegenstand des Bachelors sein. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass auf der Masterebene die erwünschte wissenschaftliche Vertiefung überhaupt stattfinden kann. Inwie- 4 Es scheint mir ein durchaus interessanter Gedanke zu sein, in das universitäre Studium eine ,Eignungsempfehlung' zu integrieren; wir haben in der Vergangenheit nach meiner Beobachtung allzu häufig wissenschaftliche Kriterien in den Vordergrund gerückt aus der Perspektive der Fächer ebenso wie aus der Sicht der so genannten Berufswissenschaften (Pädagogik, Fachdidaktik); wer wissenschaftlich seine Qualität unter Beweis gestellt hat, wird an die Schule (zumindest in die zweite Ausbildungsphase) gelassen/ geschickt, auch wenn man sich bei einigen Persönlichkeiten des späteren Scheiterns im schulischen Alltag sicher wähnt. Ob ein Bachelor hier allerdings das angemessene Selektionsinstrument ist, wage ich nicht nur (aber auch) aus Kostengründen zu bezweifeln. ][1]Ld 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 57 weit der Bachelor für berufliche Verwendungszusammenhänge außerhalb von Schule zumindest für zahlreiche Schulfächer tatsächlich berufsqualifizierend sein kann, steht auf einem anderen Blatt. • Dies setzt wiederum zweitens eine Verständigung über diejenigen fachdidaktischen und berufswissenschaftlichen Inhalte und Kompetenzen voraus, die unabdingbarer Bestandteil des Bachelors sein müssen. Käme diese Verständigung nicht zustande, würde das für unseren Zusammenhang also den Sachfachunterricht in der Fremdsprache nämlich bedeuten, dass er keine eigene Spezifik vorzuweisen hätte und dass zur Gewinnung von lehrerseitiger Handlungssicherheit die allgemeinen fachdidaktischen Überlegungen, z.B. zur Fehlerkorrektur, zu Vermittlungsmethoden oder zur Gestaltung von und zur Arbeit mit Lehrmaterialien, den Prinzipien des ,normalen' Fremdsprachenunterrichts folgen könnten. Mit den akzentuierten Forderungen an einen angemessenen Sachfachunterricht in der Fremdsprache wäre dies indes kaum in Einklang zu bringen. Ein wesentlicher Vorteil eines spezifischen Masterprogramms liegt nicht zuletzt in der Bezeichnung des spezifischen Abschlusses. Denkt man das konsequent zu Ende, hat dies zwei mögliche und sich durchaus widersprechende Konsequenzen: • Entweder wird damit das Abschlussprofil ,Fremdsprachenlehrer' aufgehoben; wir bilden dann zukünftig nicht mehr ,Fremdsprachenlehrer' aus, sondern ,Fremdsprachenlehrer mit dem Profil X oder Y'. Ich fände diese Möglichkeit so uninteressant nicht, würde sie doch für eine größere Transparenz sorgen, die gerade im Kontext der oben angesprochenen steigenden Schulautonomie von wachsender Bedeutung sein wird. • Oder man leistet damit denjenigen Tendenzen noch Vorschub, die den Bachelor fachdidaktikfrei halten wollen. Die rechtzeitige Selbstvergewisserung, ob man denn tatsächlich dabei ist, den für sich selbst richtigen Berufsweg einzuschlagen bzw. eingeschlagen zu haben, wird noch weiter hinausgeschoben ein Umstand, der sich angesichts der angestrebten Straffung des Studiums und mit Blick auf die Studienzeitverkürzung sogar von Seiten der Bildungspolitik eigentlich von selbst verbieten müsste. Nun kann man aus der bisherigen Diskussion der unterschiedlichen studienstrukturellen Möglichkeiten zu dem Schluss gelangen, dass die Modelle, über die wir aufgrund noch bestehender ,alter' Strukturen oder aufgrund der sich abzeichnenden Umsetzungspraktiken der ,neuen' Strukturen verfügen bzw. demnächst verfügen, zwar interessante Möglichkeiten bieten, aber unter dem Strich dann doch zu viele Kompromisse beinhalten (müssen). Damit komme ich zu meinem letzten Teil und damit auch zu bisweilen etwas unrealistisch anmutenden Gedankenspielen. 5. Und die Alternative? Nun stellt sich abschließend die Frage, wie man mit den Befunden umgeht. Derzeit sehe ich keine Argumente, die mich von einer früher geäußerten Skepsis (vgl. KÖNIGS 2001) gegenüber gestuften Studienstrukturen in der Lehrerbildung abzubringen vermögen. Dies JF[,u]L 36 (2007) 58 Frank G. Königs gilt vor allem angesichts einer deutschen Spezifik in der Lehrerbildung, nämlich der Ausbildung in zwei Fächern, die ja gerade für den Sachfachunterricht in der Fremdsprache von besonderer Bedeutung ist und die ohnehin gegenüber der Ein-Fach-Lehrerausbildung beträchtliche Vorteile hat. Dabei richtet sich meine Skepsis weniger gegen die Stufung an sich, die ja für andere Fächer außerhalb der Lehrerbildung durchaus Vorteile mit sich bringt, oder zumindest bringen kann. Vielmehr zweifle ich an der Berufsqualifizierung im Rahmen der Lehrerbildung, die mit dem Bachelor ja eigentlich verbunden sein müsste. Ob die Bildungspolitik bereit ist, dieses selbstverschuldete strukturelle Hemmnis rückgängig zu machen, bleibt abzuwarten, darf aber kurzfristig nicht erhofft werden. Und dennoch sehe ich eine Möglichkeit zur Nutzung dieser Strukturen und schlage vor, den Bachelor als eine Art Kerncurriculum für die Zwei-Fach-Lehrerbildung zu interpretieren. Hier ist der Ort, wo angehende Lehrer an die fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Grundkompetenzen ihres späteren beruflichen Handelns herangeführt werden. Dies freilich setzt voraus, dass sich alle beteiligten jeweiligen Fachsegmente also auch die Fachdidaktik - Gedanken darüber machen, was denn zu diesen Kernkompetenzen gehört und welchen Beitrag ihre Disziplin dazu leisten muss. Ein so verstandener Bachelor stellt also eine Art gemeinsamen Sockel dar, auf dem die Lehrerbildung zu gründen hätte, kann aber eben noch nicht zu einem Abschluss führen, der z.B. mit dem ! .Staatsexamen in seiner Bedeutung vergleichbar wäre. An diesen Bachelor schließen sich dann differenzierte Masteroptionen an. Dabei unterscheide ich in Analogie zu einem Vorschlag, den ich für Deutsch als Fremdsprache gemacht habe (vgl. KöNIGS 2006), grundsätzlich einen Forschungsmaster und einen Anwendungsmaster. Wer in den Forschungsmaster geht, strebt eine weitere wissenschaftliche Qualifikation und möglicherweise eine wissenschaftliche Karriere an. Hier wäre also der Ort, wo Fachwissenschaften, Fachdidaktik und Erziehungswissenschaften ihre je unterschiedlichen wissenschaftlichen Schwerpunkte entwickeln und in spezifische Studienprogramme münden lassen könnten. Der Forschungsmaster wäre dann der Ort für die noch einmal intensivierte wissenschaftliche Vertiefung, die Auseinandersetzung mit und die Anwendung von je fachspezifischen Forschungsmethoden, wobei den Studierenden die grundsätzliche Option offen stünde, diesen Forschungsmaster in Unterrichtsforschung zu machen, und da z.B. in differenzierten Programmen mit fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer oder erziehungswissenschaftlicher Ausrichtung, oder ob sie sich stärker von der Unterrichtsforschung abwenden und dann z.B. in einen rein fachwissenschaftlich bezogenen Master gehen. Derartige Masterprogramme beinhalten nicht die Eintrittskarte in die zweite Phase der Lehrerbildung. Diese erhält man nach erfolgreicher Absolvierung eines Anwendungsmasters. In diesem Anwendungsmaster erhalten die Studierenden die Möglichkeit der individuellen Profilbildung mit Bezug auf den späteren Lehrerberuf, und zwar mit einer fachdidaktischen oder erziehungswissenschaftlichen Profilbildung. Eine dieser Profilbildungen wäre dann z.B. der Sachfachunterricht in der Fremdsprache; andere mögliche fachdidaktische Profilbildungen habe ich oben angesprochen. Analoges ist auch für den erziehungswissenschaftlich profilierten Anwendungsmaster denkbar, z.B. wenn Studierende besonders in pädagogischer Diagnostik oder Schulentwicklung ausgebildet werden. Graphisch lässt sich dies so darstellen: lFLl! llL 36 (2007) ~ w °' 1 BACHELOR= gemeinsamer „Sockel" nl / Fächecbezogen ~ n x / Forschungsmaster ----------- / Schwerpunkt Fachwissenschaft / t Unterrichtsforschung - Schwerpunkt Fachdidaktik MASTER ~ Brücken- ~ Schwerpunkt Erziehungswissenschaft module / Profil: Sachfachunterricht in der Fremdsprache Anwendungsmaster ~ Profil: Neue Technologien ' ~ Profil: Testen \: \ Profil: Pädagogische Diagnostik Profil: Schulentwicklung Profil: n ... ~ C') ~ ~ ~ ~ ... ; : i ("). ; ; " s· ~... ~ ~ ~ '<: 5 ; ; ; ~ ~ 0o· " ! [ i: ~ i 0: , * .: ~ 0: , ; ,: Ul \0 60 Frank G. Königs Der Wechsel zwischen Forschungs- und Anwendungsmaster sollte nur nach erfolgreicher Absolvierung von entsprechenden Brückenmodulen möglich sein, die in ihren Quantitäten nicht auf die Studienumfänge angerechnet werden. Welche curricularen Implikationen sind nun mit diesem Vorschlag verbunden? Er setzt zunächst einmal voraus, dass ein Grundkonsens über die Inhalte des Bachelors hergestellt werden, denn auch der Bachelor ist meiner Vorstellung nach bereits lehrerbezogen, und aller Erfahrung nach sind Abstimmungsprozesse über die notwendigen Sockelinhalte in allen Ausbildungssegmenten nicht einfach. Deutlich wird aber auch hierbei, dass wir insofern eine Zentralisierung brauchen, die sich um eine Angleichung dieser Sockelinhalte an den verschiedenen Ausbildungsstandorten ebenso kümmert wie um die flächendeckende Verteilung der Masterprofile. Dabei müsste sich eine zentrale Koordinierung auch darum bemühen, dass notwendige Querverbindungen zu anderen Fächern geschaffen werden, die für das spätere Berufsfeld bedeutsam sind. Hier denke ich an entsprechende Teilmodule z.B. aus dem Kontext Deutsch als Fremdbzw. Deutsch als Zweitsprache in Bezug auf den erheblichen Anteil von Schülern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch an unseren Schulen. Sicher ist auch, dass wir endlich dahin kommen müssen, der gegenstandsbezogenen Spezifik von Ausbildungsinhalten Rechnung zu tragen: Eine philologische Veranstaltung in einem philologischen Masterprogramm muss zwangsläufig anders aussehen als eine philologische Veranstaltung in einem auf Unterricht bezogenen Masterprofil. Mit anderen Worten: Wir sollten das Prinzip der Synergieerzeugung nicht dadurch ad absurdum führen, dass wir mit relativ allgemeinen Etiketten möglichst viele unterschiedliche Interessen und Anforderungen auf einmal zu bedienen versuchen. Zwei weitere Aspekte sind mir in diesem Zusammenhang noch wichtig: Die Ausbildung zum Fremdsprachenlehrer mit welchem Profil auch immer muss sich um die hinreichende Sprachkompetenz der zukünftigen Lehrer kümmern. Die Beschränkung der Studienumfänge erweist sich in diesem Zusammenhang wiederum als nicht akzeptables Hindernis, insbesondere dann, wenn entsprechende Fremdsprachenkompetenzen nicht bereits mitgebracht werden. Wir müssen hier dem Gedanken der sprachpraktischen Propädeutika näher treten und die Kompetenzstufen des Europäischen Referenzrahmens konsequent als Orientierung nutzen, und zwar für die Definition von Eingangs- und Abschlusskompetenzen ebenso wie für die Gestaltung der sprachpraktischen Ausbildung. Der zweite Aspekt betrifft die Auslandsaufenthalte und die Kooperation mit ausländischen Universitäten. Hier müssen Kontakte mit Partnerhochschulen im Ausland auch zur Angleichung der Ausbildungsprogramme genutzt werden und in gemeinsam organisierte und konzipierte Masterprofile münden. Gerade hier kann ich mir im Zusammenhang mit der anzustrebenden sprachpraktischen Kompetenz sinnvolle Synergieeffekte vorstellen (vgl. hierzu auch W0LFF 2002). Und schließlich sollten die anwendungsbezogenen Masterprofile Modulelemente enthalten, in denen Vertreter der ersten und der zweiten Ausbildungsphase zusammen arbeiten, und zwar nicht additiv, sondern auch integrativ. Gewiss wird der eine oder andere Leser die vorangehenden Ausführungen als (noch? ) nicht konsensfähig ansehen. Gleichwohl scheint es mir angemessen, den meisten vorhanlFLuL 36 (2007) Sachfachunterricht in der Fremdsprache: Einige (un)realistische Anmerkungen ... 61 denen Ausbildungsprogrammen zumindest einigen ihrer Komponenten durchaus kritisch gegenüberzutreten. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die hier entfalteten Überlegungen nicht (nur) als Kritik an Bestehendem, sondern auch und vor allem als einen allerdings aus meiner Sicht dringend notwendigen - Beitrag dazu, die Reform der Fremdsprachenlehrerausbildung weiter voranzutreiben. Und da sollte weiterdenken doch auch erwünscht sein ... Literatur ARNOLD, Eva/ BONNET, Andreas / BRUSCH, Wilfried / DECKE-CORNILL, Helene (2004): "Evaluation einer Zusatzqualifikation zum Bilingualen Unterricht (Englisch) im Rahmen eines Lehramtsstudiengangs". In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 15.1, 79-108. BAIER, Wolfgang (1991): "Bilingualer Unterricht eine Möglichkeit für Schuleuropa? " In: Der deutsche Lehrer im Ausland. Mitteilungen - Meinungen - Materialien 38.1, 29-36. HELBIG, Beate/ KLEPPIN, Karin/ KÖNIGS, Frank G. (Hrsg.) (2000): Sprachlehrforschung im Wandel. Beiträge zur Erforschung des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen. Festschrift für Karl-Richard Bausch zum 60. Geburtstag. 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