eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 36/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2007
361 Gnutzmann Küster Schramm

Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch – Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/Content and Language Integrated Learning“

121
2007
Claus Gnutzmann
flul3610063
CLAUS GNUTZMANN * Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning" Abstract. Teacher education in Germany has gone through a considerable number of reforms during the past three decades, most of which have hardly affected the basic structure of teacher education, namely one course of study at university plus a „Referendariat", i.e. a post-university practical training phase of about 18 months to two years. How much time and effort has been invested in these reforms can be appreciated when we consider that Germany comprises 16 Federal States, each of which has its own ministry responsible for all matters concerning education. However, the changes that have recently come about as a result of the Bologna process have had a greater impact with wider ramifications than any of the preceding reforms. In 2002, as a consequence of the Bologna Agreement, Lower Saxony established a collaborative project "Verbundvorhaben") for teacher education initiated by the Ministry of Education and involving all the universities offering 'traditional' courses in teacher education at the time. The implementation of the Bologna process in teacher education has resulted in a 'consecutive' BA/ MA course sequence, where the BA part takes care of the 'content side' of two school subjects and the subsequent MA, which lasts one or two years depending on the type of school students want to qualify for, focuses on didactical and methodological aspects as well as more general educational and psychological topics that future teachers will need in the profession. The BA/ MA structure despite the many problems surrounding it also offers fresh perspectives for teacher education: in our case an innovative concept for the training of Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning (CLIL). Before the introduction ofthe BA/ MA structure CLIL teaching qualifications could be obtained, for the most part, only by taking an additional course of study (Zusatzstudiengang). An essential characteristic of the new Braunschweig MA course in English Studies is that the CLIL teaching qualification has now been integrated: hence, prospective teachers need no longer enrol for an extra programme, with all the burdens that this entails. The present paper discusses the prerequisites, characteristics and perspectives of CLIL teaching as a specialisation within the Braunschweig MA course in English Studies. 1. Historisch-institutioneller Kontext des neuen Master-Studiengangs Lehramt Studierende und Forscher sind mobiler, flexibler und internationaler als je zuvor. Wissen kennt keine Landesgrenzen. Internationalisierung ist ein Reformschrittmacher für die Entwicklung und Modernisierung des Hochschulwesens. Die Hochschulen müssen sich im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe bewähren. Gemeinsam mit seinen europäischen Nachbarn hat sich Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Clans GNUTZMANN, Univ.-Prof., Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 BRAUNSCHWEIG. E-Mail: c.gnutzmann@tu-bs.de Arbeitsbereiche: Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Fachsprachen, Fremdsprachenlernen mit neuen Medien, Englisch als globale lingua franca. lFLlllL 36 (2007) 64 Claus Gnutzmann Deutschland daher 1999 in Bologna das Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2010 einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Der Bologna-Prozess ist die wohl tiefgreifendste Hochschulreform der letzten Jahre. (Homepage des BMBF: http: / / www.bmbf.de/ de/ 3336.php) Der letzte Satz des vorangehenden Zitats zur Charakterisierung des Bologna-Prozesses ließe sich noch dahingehend präzisieren, dass es sich nicht nur um die tiefgreifendste Hochschulreform der letzten Jahre, sondern Jahrzehnte, und auch um die mit Abstand schnellste Hochschulreform handelt. Der den Fakultäts- und Fachbereichsraten vielerorts auferlegte Termindruck war beträchtlich und führte, begünstigt durch die vorausgehenden Veränderungen der Landeshochschulgesetze, dazu, dass im Vergleich zu früher die Studiengangskonzepte immer seltener in Kommissionen erarbeitetet wurden, was ja nicht selten mit hohem Zeitaufwand verbunden war, sondern diese Arbeit jetzt sehr häufig schnell von ,Experten' erledigt wurde, so dass zumindest die von den Ministerien und Hochschulleitungen eng gesetzten Termine eingehalten, allerdings die inhaltlichen, hochschuldidaktischen und bürokratischen Implikationen der Bachelor (BA)/ Master (MA)-Reform häufig nicht ausreichend bedacht wurden. Stöhnen über Verschulung und Reglementierung des Studiums und nicht einkalkulierten Aufwand der verwaltungsmäßigen Folgen der Umstellung sind jetzt quer durch die Republik zu vernehmen, womit jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die neue Studienstruktur vor allem negativ zu sehen sei und die ,alten' Studienverhältnisse zufriedenstellend gewesen wären. Mit Erstaunen ist allerdings zu registrieren, dass die BA/ MA-Reform im Grundeproblemlos und ohne größere Widerstände der Betroffenen ,durchgezogen' werden konnte. Dies überrascht umso mehr, wenn man bedenkt, wie wirkungsvoll sich Studierende und Hochschullehrer in der Vergangenheit wegen vergleichsweise geringfügiger Veränderungen von Studien- oder Prüfungsordnungen für Proteste mobilisieren ließen. Allgemeine Resignation oder vielleicht die (partielle) Einsicht, dass das ,alte System' mit seinen zum Teil Schwindel erregenden Abbrecherzahlen und Studiendauern letztlich am Ende war, mögen für die ,Tolerierung' der neuen Studiengänge maßgeblich gewesen sein. Die Vorteile der neuen Studiengänge, wie international anerkannte und berufsqualifizierende Studienabschlüsse nach drei Jahren und somit in einer frühen Lebensphase größere Flexibilität im Hinblick auf die Alternative weiterführendes Studium vs. Berufstätigkeit, haben anscheinend die Studierenden mehr überzeugt, als Kritiker sich vorzustellen vermochten. Mit der Bologna-Deklaration sollen vor allem zwei gemeinsame Zielstrukturen in den europäischen Ländern erreicht werden: die Schaffung eines zweistufigen Systems von Studienabschlüssen (undergraduate/ (post)graduate) sowie ein Leistungspunktesystem (credit points) nach dem ECTS-Modell. Darüber hinaus soll es um die Herbeiführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Studienabschlüsse gehen, und es sollen weiterhin gefördert werden: die Mobilität durch Beseitigung von Mobilitätshemmnissen, die europäische Zusammenarbeit im. Bereich der Qualitätssicherung und die europäische Dimension in der Hochschulausbildung. Gegenwärtig gibt es in Deutschland 3377 BA- und 2283 Master-Studiengänge, was etwa 48% des Studienangebotes entspricht (Stand Sommersemester 2007, Homepage des BMBF: http: / / www.bmbf.de/ de/ 3336.php). Der Bologna-Prozess und die damit verbunlFL111L 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CLIL 65 dene Einführung der konsekutiven BA/ MA-Studienstruktur wirdbeginnend mit konzeptuellen und strukturellen Überlegungen seit 2002 auch in der Lehramtsausbildung in Niedersachsen umgesetzt, und zwar im Rahmen eines sog. Verbundvorhabens. An diesem Verbundvorhaben waren die zu diesem Zeitpunkt (und auch noch heute) in der ,alten' Lehrerausbildung aktiven Niedersächsischen Universitäten in Braunschweig, Göttingen, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Vechta wie auch die Universität Bremen beteiligt. Die Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der TU Braunschweig war unmittelbar mit der Einführung der BA-Studiengänge im WS 03/ 04 mit allen an ihr vertretenen Fächern an diesem Projekt beteiligt. Das Verbundvorhaben wird in Niedersachsen vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur und vom Kultusministerium, also zwei verschiedenen Ministerien, sowie vom Senator für Bildung und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen begleitet. Die Federführung des Gesamtvorhabens liegt bei der Leibniz Universität Hannover (vgl. http: / / www.uni-hannover.de/ bama-lehr). Nachdem zum WS 03/ 04 das Lehramtsstudium in Braunschweig auf die BA/ MA- Studienstruktur umgestellt wurde, gab es im Sommer 2006 die ersten BA-Absolventen, von denen die überwiegende Mehrheit ein Masterstudium aufnehmen wollte und dies im WS 06/ 07 dann auch tat. Mit der Einführung der Bachelor/ Master-Strukturen in der Lehrerausbildung ist auch die Ausbildung von Lehrkräften für den bilingualen Sachfachunterricht in ein neues Stadium getreten. Diese Ausbildung ist bisher vor allem durch universitäre Zusatzbzw. Aufbaustudiengänge (z.B. Bochum, Bremen, Dortmund, Hamburg, Wuppertal) und durch Ausbildungsangebote an den staatlichen Studienseminaren (z.B. Braunschweig, Göttingen, Heilbronn, Kaiserslautern) wahrgenommen worden (vgl. hierzu die Übersicht zu den verschiedenen Qualifizierungsmöglichkeiten in BLELL/ KUPETZ 2005: 13f sowie SCHWIEGEL 2006). Aufgrund der BA/ MA-Strukturen war es jedoch möglich geworden, eine Bili/ CLIL-Qualifikation im Rahmen des regulären Master-Studiums zu erwerben. Genau das will der im WS 06/ 07 im Fach Englisch an der TU Braunschweig eingeführte Masterstudiengang leisten: den Studierenden eine Vertiefung „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" innerhalb des regulären Master-Studiums im Fach Englisch anbieten ohne die Auflagen eines zusätzlichen Studiengangs. Es handelt sich hierbei also - und das sehen wir als großen Vorteil an nicht um ein additives, sondern um ein integratives, nicht die Studienzeit verlängerndes und somit auch zeitökonomisches Studiengangsmodell. In der BA-Prüfungsordnung der Braunschweiger Fakultät heißt es im Hinblick auf das Fächerangebot und die Fächerkombinationen für prospektive Gymnasiallehrer: Mindestens eines der Fächer muss Germanistik, English Studies oder Mathematik sein. Neben einem dieser Fächer kann auch Chemie und ihre Vennittlung, Geschichte, Philosophie, Physik oder Darstellendes Spiel (Immatrikulation bei der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) gewählt werden. (http: / / www.tu-braunschweig.de/ Medien-DB/ fb9/ bachelorpruefungsordnung 051027.pdt) Von diesen Fächern kommt für den bilingualen Sachfachunterricht die Germanistik aus offensichtlichen Gründen nicht in Frage, Philosophie im deutschen Kontext (analog JFLuL 36 (2007) 66 Claus Gnutzmann französische Philosophie im französischen Kontext etc.) scheidet aufgrund ihrer existenziellen Verbindung zur deutschen Sprache aus, ebenso die Physik, die im Lehramtsstudium eigentlich immer zusammen mit dem Fach Mathematik studiert wird. Somit können in Braunschweig die Fächer Geschichte, Darstellendes Spiel, Chemie und ihre Vermittlung sowie Mathematik mit dem Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ Content and Language Integrated Learning (CLIL)" studiert werden. Der Gedanke, dass Universitäten und Fachbereiche charakteristische Profile herausbilden, mit denen sie sich von anderen Institutionen abheben, hat zu der Forderung geführt, dass geistes- und erziehungswissenschaftliche Lehre und Forschung an einer Technischen Universität sich nach Möglichkeit auch in diesem Kontext mitverorten. Dass die Realisierung dieser Forderung aufgrund gewachsener Strukturen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, kann nicht überraschen und stellt die betroffenen Fakultäten häufig vor einschneidende Probleme im Hinblick auf die Weiter- und Neueinführung von Studiengängen und damit einhergehende Maßnahmen zu ihrer Existenzsicherung. Dabei soll anerkannt werden, dass der Profilierungsgedanke angesichts einer relativ hohen Zahl koexistierender Institutionen mit ähnlichen Aufgaben und Zielsetzungen durchaus seine Berechtigung haben kann. Als Englisches Seminar an einer Technischen Universität soll der neue Master-Lehramtsstudiengang durch die Einbeziehung der Naturwissenschaften und der Mathematik einen innovativen Akzent für den Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" setzen. Im Bereich der Naturwissenschaften gibt es sicherlich einen Nachholbedarf in der Ausbildung von Lehrkräften für den bilingualen Sachfachunterricht; denn diese Fächergruppe zusammen mit der Mathematik im Übrigen ist bisher sowohl in der Praxis des Bilingualen Unterrichts als auch in der Forschung stark vernachlässigt worden sind. Der Anteil der Naturwissenschaften liegt bei ungefähr 10% (vgl. BONNETT 2004: 37), was darauf zurückgeführt werden kann, dass bisher die Kombination von zwei Fächern aus unterschiedlichen Fachkulturen eher selten ist, dass also die Verbindung von Englisch und Geschichte weitaus häufiger anzutreffen ist als Englisch und Chemie. Da die ,Bili-Bewegung' vor allem von der Lehrerseite getragen wurde, war es bisher kaum möglich, die Kombinationsmöglichkeiten von Studierenden zu beeinflussen. Darüber hinaus ist mir nicht bekannt, dass es von staatlicher Seite in dieser Hinsicht besondere Initiativen gegeben hätte. Da aufgrund der favorisierten Fächerkombinationen (Fremdsprache plus Erdkunde, Geschichte, Politik) bilingualer Sachfachunterricht immer sehr stark mit Interkulturellem Lernen und multiperspektivischer Betrachtung von Unterrichtsgegenständen verbunden worden ist, dieses Potenzial den Naturwissenschaften in der Regel jedoch abgesprochen wurde, hat sich hinsichtlich der lehrerseitigen Präferenz für die Sachfächer im bilingualen Unterricht keine wirkliche Veränderung ergeben. Weiterhin wurde an den naturwissenschaftlichen Fächern kritisiert, dass sie nur auf ein eingeschränktes Repertoire an Kommunikationsfunktionen zurückgreifen und somit nicht die Kommunikativität der ,bewährten' Sachfächer erreichen würden. In meinem Beitrag möchte ich im Folgenden auf drei Grundfragen des bilingualen Sachfachunterrichts (Definition, Zielsetzung, Kompetenzen für bilinguale Sachfachlehrer/ innen) eingehen sowie daran anschließend den Schwerpunkt „Bilingualer SachlFJLlLIL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CL/ L 67 fachunterricht/ CLIL" unseres Master-Studiengangs Englisch im Hinblick auf seine Zulassungsvoraussetzungen, Charakteristika und möglichen Perspektiven vorstellen. 2. Grundfragen des bilingualen Sachfachunterrichts/ CLIL 2.1 Definition Neben der Etablierung des frühen Fremdsprachenlernens auf der Primarstufe gehört die inzwischen bundesweite, wenn auch in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlichem Umfang erfolgte Einführung des bilingualen Sachfachunterrichts 1 zu den nachhaltigsten Innovationen des Fremdsprachenunterrichts der vergangenen zwei Jahrzehnte.2 Vor dem Hintergrund einer internationalen Verbreitung dieser Unterrichtsform wird auch im deutschen Kontext, und diesem Faktum wird im Titel dieses Beitrags Rechnung getragen, häufig das Akronym CLIL, also „Content and Language Integrated Leaming", gegenüber bilingualem Sachfachunterricht vorgezogen, gelegentlich mit dem zusätzlichen Hinweis, dass CLIL die Funktion dieser Unterrichtsform besser zum Ausdruck bringe. Schaut man sich allerdings Definitionen der jeweiligen Begriffe im Einzelnen an, entsteht nicht zwangsläufig der Eindruck, dass es sich bei CLIL notwendigerweise um die passendere Bezeichnung handelte. Sehen wir uns hierzu folgende Definition von MARSH/ LANGE (2000: iii) an: Content and language integrated learning (CLIL) is a generic term and refers to any educational situation in which an additional language and therefore not the most widely used language of the environment is used for the teaching and learning of subjects other than the language itself. Es wird etwa in dieser Definition nicht deutlich, ob die Verwendung der „zusätzlichen Sprache" die alleinige Unterrichtsbzw. Arbeitssprache ist, sie also total-immersiv verwendet wird, oder ob dies nicht der Fall ist. Somit bleibt hier offen, ob die Mutterbzw. Erstsprache im CLIL-Unterricht einbezogen ist oder nicht. Insofern erscheint die im jüngst veröffentlichten KMK-BERICHT (2006: 7) zitierte, aus dem Jahre 1994 stammende Definition von bilingualem Unterricht als „Unterricht mit Teilen des Fachunterrichts in der Fachsprache" durchaus angemessen, da im bilingualen Sachfachunterricht das Prinzip der funktionalen Mehrsprachigkeit praktiziert werden soll; d.h. die funktionale Verwendung von Mutter- und Fremdsprache nach Lern- und Arbeitssituationen „bezogen auf fachrelevante Arbeitsweisen sowie die kognitiven und kommunikativen Anforderungen der jeweiligen Aufgabenstellungen im Lernprozess" (OTTEN/ WILDHAGE 2003: 31). Die Offenheit für die Erstsprache und deren fachsprachliche Verwendung in den Sachfächern ist ein wichtiges Prinzip, das vor allem im Hinblick auf die sprachliche und kulturelle Konstitution von wissenschaftlichen Gegenständen in den Gesellschafts- und Kulturwis- Vgl. hierzu die länderspezifischen Angaben im KMK-BERICIIT (2006: 27-95). 2 Zum „Mehrwert" des bilingualen Sachfachunterrichts aus sprachlicher und inhaltlicher Sicht vgl. ÜTTEN/ WILDHAGE (2003: 18-21), für die entsprechende lemtheoretische Perspektive vgl. WOLFF (2006). lFLlllllL 36 (2007) 68 Claus Gnutzmann senschaften unbedingt erhalten werden sollte. Die Rolle der Sprache in diesen Disziplinen ist dadurch gekennzeichnet, dass durch sie die Untersuchungsgegenstände erst konstituiert werden, wodurch sich gleichzeitig eine enge Verbindung zur jeweiligen Kultur ergibt. 3 Und gerade im Kontext von CLIL bzw. bilingualem Sachfachunterricht gibt es keinen zwingenden Grund, am Prinzip einer dogmatischen Einsprachigkeit festzuhalten. 2.2 Zielsetzung Dass der bilinguale Sachfachunterricht bisher vor allem eine Domäne der Fremdsprachendidaktik und des Fremdsprachenunterrichts geblieben ist, wird ebenfalls durch den KMK- BERICHT (2006: 9-11) im Kapitel „Die Bedeutung und Ziele des bilingualen Unterrichts" unterstrichen. LIPSKI-BUCHHOLZ (2006: 39) hat diesen Sachverhalt in ihrer Zusammenschau einschlägiger Zitate aus dieser Quelle anschaulich dargestellt: - " vertiefte[ .. ] Kenntnisse in den europäischen Partnersprachen und über europäische Partnerländer" (KMK 2006, 9) - "Beitrag zur Begabtenförderung im sprachlichen Bereich" (KMK 2006, 10) - "Erhöhung der sprachlichen und interknlturellen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler" (KMK 2006, 10) - "Bilinguale Lernangebote verfolgen das Ziel, den authentischen Gebrauch der Fremdsprache in einem erweiterten Kontext anzuregen." (KMK 2006, 10) - "Erwerb[ .. ] einer vertieften kommunikativen und interkulturellen Kompetenz im Sinne der Vorbereitung auf die Internationalisierung der Lebenswelten und die europäische Integration" (KMK 2006, 10) - "Förderung der Mehrperspektivität" (KMK 2006, 11) - "Zudem kann bilingualer Unterricht zugleich ein wirtschaftliches Konzept sein, das bei gleich 0 bleibendem Unterrichtsumfang des Sprachenblocks insgesamt einen Synergieeffekt zugunsten des Sprachenlernens umzusetzen vermag." (KMK 2006, 11) Die Zusammenstellung verdeutlicht eine auffällig einseitige Fokussierung auf sprachliche und interkulturelle Kompetenzen, wohingegen die sich aus der Perspektive des Sachfaches ergebenden Zielsetzungen eher unterbelichtet erscheinen und deshalb zukünftig im Hinblick auf eine verstärkte Kooperation von Sachfach- und Fremdsprachdidaktiken bzw. den an einer Schule insgesamt vertretenen Sachfachlehrern und den am bilingualen Sachfachunterricht beteiligten Fremdsprachen-/ Sachfachlehrern sicherlich stärker berücksichtigt werden sollten. Auch die in praktisch allen Darstellungen des bilingualen Sachunterrichts sehr stark in den Vordergrund gerückte Zielsetzung des Interkulturellen Lernens unterstreicht die Dominanz der Fremdsprachendidaktik, zumindest des Teils der Fremdsprachendidaktik, der sich mit besonderer Hingabe dem Interkulturellen Lernen verschrieben hat. So lassen sich in der Literatur durchgehend Forderungen finden wie „Der bilinguale Unterricht unterstützt systematisch das interkulturelle Lernen" und „Fachliche Themen und Inhalte Zu den unterschiedlichen Funktionen des Englischen in gesellschaftswissenschaftlich und naturwissenschaftlich basierten Fächern im bilingualen Sachfachunterricht vgl. GNUTZMANN (2006). lFJLllllL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehrarntsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CLIL 69 werden also möglichst in der Dimension des interkulturellen Lernens verortet und ausgewiesen" (vgl. ÜTTENIWILDHAGE 2003: 36). Dieser Forderung kann im Hinblick auf die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer des bilingualen Sachfachunterrichts größtenteils zugestimmt werden, wenngleich nicht grundsätzlich einsichtig ist, warum das Prinzip des Interkulturellen Lernens omnipräsent sein und somit fach- und themenunabhängig praktiziert werden sollte. Weder erscheint im naturwissenschaftlichen Unterricht die Notwendigkeit noch das Potenzial vorhanden zu sein, auf Dauer Interkulturelles Lernen zu praktizieren. Immerhin scheinen Naturgesetze ja kulturunabhängig zu sein, was allerdings nicht besagt, dass hier für eine kategoriale Trennung von naturwissenschaftlichen und sozialen Phänomenen plädiert werden soll. 2.3 Kompetenzen für bilinguale Sachfachlehrer/ innen Im Einklang mit der weithin akzeptierten Auffassung, dass es sich beim bilingualen Sachfachunterricht um eine sprachliches und fachliches Lernen integrierende Unterrichtsform handelt, wird auch aufgrund der in den Schulen gemeinhin geübten Unterrichtspraxis die Forderung erhoben, dass bilingualer Unterricht nur von solchen Lehrkräften erteilt werden soll, die in gleicher Weise in der Fächerkombination Fremdsprache und Sachfach ausgebildet wurden (KMK 2006: 21). Demgegenüber gibt es allerdings, wenn auch derzeit eher im Ausnahmefall, Lehrkräfte, die mit der Durchführung von bilingualem Sachfachunterricht befasst sind, aber kein entsprechendes fremdsprachliches Studium absolviert haben, allerdings über eine sehr gute fremdsprachliche Kompetenz verfügen. Bedenkt man jedoch, dass unter dem Gesichtspunkt der Integration von sprachlichem und fachlichem Lernen eine auf den Fachunterricht bezogene Spracharbeit einen konstitutiven Bestandteil des bilingualen Sachfachunterrichts ausmacht, so ist hierfür schon eine entsprechende didaktisch-methodische Kompetenz erforderlich, die sich nicht allein aus der fremdsprachlichen Kompetenz des Sachfachlehrers ergibt, sondern in einem Fremdsprache und Sachfach verbindenden Studiengang erworben werden sollte. Entsprechend dieser Prämisse und mit Blick auf die notorischen Bereiche Korrektur/ Bewertung sowie Lehr- und Lernmaterialien werden im Bericht der KMK (2006: 21) folgende Anforderungen an Lehrkräfte für den bilingualen Sachfachunterricht formuliert: überdurchschnittliche allgemeinsprachliche und sachfachorientierte Sprachkompetenzen spezifische Kompetenzen in den Bereichen Fremdsprachendidaktik und Sachfachsprachdidaktik (Prinzipien inhaltsbezogener Spracharbeit, funktionaler Einsatz von Mutter- und Fremdsprache, Dimensionen des interkulturelles Lernens im Fachunterricht, Bereitstellung sprachlicher und methodischer Hilfen, Verbindung von Lese- und Schreibtechniken mit sachfachrelevanten Arbeitsweisen) sensibles Korrektur- und Bewertungsverhalten spezifische Kompetenzen bei der Materialauswahl und der Materialgestaltung. Aufgrund der Modell- und Multiplikatorenfunktion von Fremdsprachenlehrern, so lässt sich mit gutem Grund argumentieren, ist es wichtig, dass Lehrende im bilingualen Sachfachunterricht über eine sehr hohe Sprachkompetenz - und zwar sowohl in gemeinsprachlFJL1.lllL 36 (2007) 70 Claus Gnutzmann licher wie auch fachsprachlicher Hinsichtverfügen sollten. Inwieweit hier, wie FREU- DENSTEIN (2002) es einmal für den Fremdsprachenunterricht generell formuliert hat, immer „Muttersprachler an die Front! " sollen, mag jedoch gerade im Hinblick auf die Lingua-franca-Funktion des Englischen in der Wissenschaft wie auch in der Sachfachkommunikation bezweifelt werden. Die genannten spezifischen Kompetenzen wie auch die Anforderungen an das Korrektur- und Bewertungsverhalten ergeben sich aus dem Integrationsprinzip des bilingualen Sachfachunterrichts. Die Frage der Materialauswahl kann sich insofern schwierig gestalten, weil der Markt derzeit noch eher begrenzt ist, wenngleich inzwischen, beispielsweise für den Erdkunde- und Geschichtsunterricht, entsprechende Lehrwerke 4 vorhanden sind. Der Rückgriff auf original englischsprachige Materialien 5 kann einerseits eine besonders positive Herausforderung an die Lernenden darstellen, birgt aber auch die Gefahr einer Überforderung in sich und wird möglicherweise wichtige Kompetenzanforderungen der Richtlinien und Lehrpläne des bilingualen Sachfachunterrichts aussparen. 3. Der Braunschweiger Studiengang Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" 3.1 Voraussetzungen Für die generelle Zulassung zum Masterstudiengang Lehramt Englisch (für Grund-, Haupt- und Realschulen (GHR) und Gymnasium (GYM)) ist ein abgeschlossenes BA- Studium in „English Studies" und einem zweiten Unterrichtsfach erforderlich. Im BA- Studium ist die englische Fachdidaktik mit dem Unterrichtsmodul „Mediating Languages and Cultures" vertreten, das aus einer Einführung in die englische Fachdidaktik und einer weiteren Veranstaltung zur Grammatik- und Wortschatzvermittlung oder alternativ zur interkulturellen Kommunikation und zum Interkulturellen Lernen besteht. Für den Schwerpunkt „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" gelten darüber hinaus als besondere Voraussetzungen ein mindestens einsemestriges Studium des Sachfaches im englischsprachigen Ausland oder eine vergleichbare Leistung, z.B. als "Assistant Teacher", die sich auch auf den Unterricht in mindestens einem Sachfach erstreckt haben muss. Im Hinblick auf die spätere Tätigkeit im bilingualen Sachfachunterricht wäre wahrscheinlich dem Studium des Sachfachs an einer Universität höhere Priorität als einer Tätigkeit als „Assistant Teacher" einräumen, weil dort auch die Möglichkeit gegeben ist, zusätzlich zur gemeinsprachlichen Kompetenz ebenso mündliche wie auch schriftliche Diskursfähigkeit im Fach zu erwerben. Unseren Studierenden ermöglichen wir bereits innerhalb des 4 Z.B. Erdkunde/ Geschichte, Sek. 1, Vorbereitung: There and Then. Berlin: Cornelsen 2002; Geschichte, Sek. 1: Spotlight an History. Berlin: Cornelsen 1995 (Volume 1) und 1999 (Volume 2); Erdkunde, Sek. 1: Around the World. Berlin: Cornelsen 1993; Erdkunde, Sek. 2: Around Germany. Berlin: Cornelsen 1995; Bilingual Geography. Stuttgart: Klett 1994. 5 Z.B. vertrieben über Klett: Reihe Cambridge History Programme. Cambridge: Cambridge University Press ab 1992; Cambridge Advanced Geography-Geography for AS. Cambridge: Cambridge University Press 2000. lFILl.lllL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch- Schwerpunkt ... CLIL 71 BA-Studiums u.a. durch diverse Erasmus-Programme unseres Seminars in Großbritannien und Irland sowie durch Austauschprogramme mit US-amerikanischen Universitäten die Möglichkeit, entsprechende Studienerfahrungen zu sammeln. Es soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass sich die Aufrechterhaltung von Erasmus-Programmen mit britischen und irischen Universitäten vor dem Hintergrund des Rückgangs des Germanistikstudiums in diesen Ländern, eines erhöhten Finanzbewusstseins im Universitätskontext, der hohen und kaum mehr tragbaren Kosten für die teilnehmenden Studierenden zunehmend schwieriger gestaltet. Diese Gründe sowie die schnell steigende Anzahl englischsprachiger Studiengänge 6 können mittelfristig dazu Anlass geben, die Frage der Voraussetzungen im Hinblick auf ,original' englischsprachige Länder zu überdenken. Aufgrund verschiedener Planungsvorgaben des Verbundvorhabens und deren Umsetzung durch Rahmenvorgaben der Fakultät bieten wir zwei Master-Studiengänge Lehramt an: Einen einjährigen Master GHR im Umfang von 60 Credits und einen zweijährigen Master GYM im Umfang von 120 Credits. Im Rahmen des einjährigen GHR-Masters ist aufgrund struktureller Beschränkungen, was sich unter anderem in einer relativ geringen Semesterwochenstundenzahl niederschlägt, eine Bili/ CLIL-Option, wie sie im RahIPen des gymnasialen Studiengangs angeboten wird, leider nicht möglich. Allerdings gibt es regelmäßige Lehrangebote innerhalb bestimmter Lehrveranstaltungen und in Spezialseminaren zum bilingualen Sachfachunterricht, so dass auf diese Weise zumindest gewisse didaktische Grundlagen der bilingualen Sachfachvermittlung und Sensibilitäten für das fachliche Lernen in einer Fremdsprache geschaffen werden können. Eine systematische Ausbildung mit entsprechender Stundenzahl kann allerdings nur für den Gymnasialbereich vorgehalten werden, zumal im Rahmen der neuen konsekutiven Struktur der Lehrerausbildung die Möglichkeit, Zusatzqualifikationen zu erwerben, wie es früher der Fall war, nicht mehr vorgesehen ist. Wir werden jedoch ähnlich wie im Master GHR auch im ,regulären' Master GYM Veranstaltungen zum bilingualen Sachfachunterricht anbieten, so dass auch dort fachliche und didaktisch-methodische Grundlagen des bilingualen Sachfachunterrichts (SFU)/ CLIL erworben werden können. 3.2 Charakteristika Die unten abgedruckte Modulübersicht (Abb. 1 P• S. 72]) ist unter folgender Adresse abrufbar 7: http: / / www.anglistik.tu-bs.de/ MA/ infoblatt-ma-bili.PDF. Bei den grau unterlegten Veranstaltungen handelt es sich um CLIL-spezifische, die anderen sind von allen Studierenden des Masterstudiengangs zu absolvieren. 6 Zu englischsprachigen Studiengängen in Europa vgl. COLEMAN (2006) und MAiwORMIWÄCHTER (2002), zur ,Rivalität' von Deutsch oder Englisch im (deutschen) Hochschulkontext MOTZ (2005) sowie weiterhin WILKINSON (2004), WILKINSON [et al.] (2006). 7 Eine detaillierte Übersicht zu den Modulen und den dort anvisierten Qualifikationszielen findet sich in „Besonderer Teil der Prüfungsordnung für die Masterstudiengänge ,Lehramt an Gymnasien' und ,Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen' der Technischen Universität Braunschweig" (pp. 23-36), abrufbar unter http: / / www.anglistik.tu-bs.de/ ordnungen/ PruefungsordnungMALehraemter.pdf JFLllllL 36 (2007) 72 Claus Gnutzmann Master Gymnasium Englisch (Vertiefung CLIL) Voraussetzung: Mindestens einsemestriges Studium des Sachfaches im englischsprachigen Ausland oder vergleichbare Leistung, z.B. Tätigkeit als Assistant Teacher, die sich auch auf den Unterricht in mindestens einem Sachfach erstreckt hat. Module Advanced and Applied English Studies: CLIL I (Schwerpunktfach: 1./ 2. Sem. Nebenfach: 2./ 3. Sem.) Prüfungsleistungen (Faktor) - Veranstaltungsbegleitende Hausarbeit (ggf. mit Präsentation) (3) - 1 Präsentation ( 1) - 1 Unterrichtsentwurf mit mündlicher Erläuterung (1) SFU MI (9 er.) Advanced and Applied English Studies: CLIL II (3. Semester) Prüfungsleistungen (Faktor) - Veranstaltungsbegleitende Hausarbeit (ggf. mit Präsentation) (3) - 1 Präsentation (1) SFU M2 (6 er.) Fachpraktikum 1 (Gymnasium bilingualer Zweig) (3. Semester oder Block nach dem 3. Semester) Studienleistung: - 1 didaktische Akte SFUFPl Masterarbeit Winter 1 LV Applied Linguistics and Language Teaching/ Learning - Survey Course (50%) and Special Seminar (50%) 1 LV English and American Literature(s) and Culture(s) in the EFL Classroom - Survey Course (1 SWS) 1 LV Literature/ Cultural Studies - Survey Course (50%) and Special Seminar (50%) (2 SWS) Abb. 1: Modulübersicht Keine LV im Sommersemester Keine LV im Sommersemester lFLllilL 36 (2007) Der neue Braunschweiger Master-Lehramtsstudiengang Englisch - Schwerpunkt ... CLIL 73 Mit der bisher nicht üblichen Aufteilung einer Lehrveranstaltung in „Survey Course (50%)" und „Special Seminar (50%)" soll einerseits unter Berücksichtigung des Schulbezugs sowohl eine gewisse inhaltliche Breite, also ein Überblickswissen, als auch andererseits durch Spezialisierung Tiefe in den Themenbereichen Angewandte Linguistik und Literatur-/ Kulturwissenschaft erreicht werden. Mit dieser neuen Struktur tragen wir auch einer oft geäußerten studentischen Kritik Rechnung, die gerade den Mangel am Erwerb von Überblickswissen im Studium und eine zu frühe Spezialisierung beklagte. Der Master GYM verfügt in seinen fachdidaktischen Veranstaltungen zu „Applied Linguistics and Language Teaching/ Learning", "English and American Literature(s) and Culture(s) in the EFL Classroom" über eine relativ starke fachwissenschaftliche und inhaltsorientierte Fundierung, dieser Ansatz entspricht dem Verständnis der für diesen Studienbereich am Seminar verantwortlichen Lehrenden. Aus unserem Studienplan ergibt sich die Sinnhaftigkeit wie auch die Notwendigkeit und der Wunsch einer engen Kooperation mit Schulen und vor allem Lehrern/ innen des bilingualen Sachunterrichts insbesondere im Rahmen des Fachpraktikums. Dieser Kooperationswunsch gilt in ähnlicher Weise für die an der Fakultät vertretenen Sachfachdidaktiken. Auch hier wäre insbesondere eine Kooperation bei der Vorbereitung und Durchführung der Fachpraktika wünschenswert, aber auch bei anderen Lehrveranstaltungen sinnvoll. Im Hinblick auf die personelle Ausstattung der Institute und die Vielzahl der in Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung anfallenden Aufgaben muss man aber realistisch sein: Besonders hilfreich wäre sicherlich zunächst eine Zusammenarbeit bei der Vorbereitung, Betreuung und Begutachtung von Masterarbeiten, zumal die Erstellung dieser Arbeit für Studierende der CLIL-Vertiefung obligatorisch ist, während für ,reguläre' Master-Studierende hier Wahlfreiheit zwischen den beiden Unterrichtsfächern besteht. 3.3 Perspektiven Angesichts der Ausweitung des Englischen in der Wissenschaftskommunikation und in der Hochschullehre, vor allem sichtbar in der wachsenden Verbreitung englischsprachiger Studiengänge weltweit, und einer ständig zunehmenden Internationalisierung von Forschung und Lehre erscheint es sinnvoll, zukünftig zu einer verstärkten Abstimmung von schulischem bilingualem Sachfachunterricht und den Anforderungen eines sich daran anschließenden Hochschulstudiums zu kommen. In diesem Zusammenhang wären dann sicherlich auch die Fächerauswahl im bilingualen Sachfachunterricht und ihre bisherige Fokussierung auf gesellschaftswissenschaftlich basierte Fächer zu überdenken (vgl. auch ABENDROTH-TIMMER [et al.] (2004: 16)). Insofern wird zu berücksichtigen sein, dass zum einen ein immer größerer Teil der von den Studierenden zu lesenden Texte auf Englisch geschrieben sein wird, und zum anderen, dass in den englischsprachigen Studiengängen solche aus dem Bereich der Wirtschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften wie auch der Mathematik und Medizin bevorzugt studiert werden (MAIWORMIWÄCHTER 2002: 54). Ein solcher Befund legt nahe, ein Fach Wirtschaft auch an allgemeinbildenden Schulen in größerem Umfang einzuführen und darüber hinaus insbesondere die naturwissenschaftli- JFLl\l][, 36 (2007) 74 Claus Gnutzmann chen Fächer und die Mathematik viel stärker als bisher im Kanon der bilingualen Fächer zu verankern. Der Kontext einer technischen Universität sowie die langjährigen Erfahrungen von Schulen und Studienseminaren mit dem bilingualen Sachfachunterricht in der Region Braunschweig bieten günstige infrastrukturelle Rahmenbedingungen für einen solchen Schwerpunkt in der Ausbildung von Englischlehrern an der Technischen Universität Braunschweig. 4. Zusammenfassung Mit der durch den Bologna-Prozess ausgelösten Einführung der konsekutiven Studienstruktur, die in Niedersachsen in der Lehramtsausbildung seit 2002 im Rahmen des Verbundvorhabens zur Entwicklung und Erprobung von Bachelor/ Master-Strukturen umgesetzt wird, ist auch die Ausbildung von Lehrkräften für den bilingualen Sachfachunterricht in ein neues Stadium getreten. Während diese Ausbildung bisher durch universitäre Zusatzstudiengänge und/ oder durch Ausbildungsangebote an den Studienseminaren wahrgenommen wurde, besteht seit dem WS 06/ 07 an der TU Braunschweig die Möglichkeit, eine Vertiefung „Bilingualer Sachfachunterricht/ CLIL" innerhalb des regulären Master-Studiums im Fach Englisch ohne die Auflagen eines zusätzlichen Studiengangs zu studieren. Die Tatsache, dass in Deutschland inzwischen 847 Schulen bilinguale Angebote vorhalten (KMK 2006: 15), gegenüber 307 im Jahre 1996 (THüR- MANN 2000: 475), belegt eindrucksvoll, dass die schüler-, lehrer- und elternseitige Einschätzung dieses Angebotes als sehr hoch bezeichnet werden kann; sie lässt darauf schließen, dass diese Unterrichtsform zu einer festen Größe unseres Bildungssystems geworden ist und somit eine entsprechende Nachfrage in der Ausbildung einschlägig qualifizierter Lehrkräfte hervorruft. Das europa- und weltweite Anwachsen englischsprachiger Studiengänge macht es darüber hinaus erforderlich, eine größere Abstimmung zwischen den Möglichkeiten des bilingualen Sachfachunterrichts und den Erfordernissen englischsprachiger Studiengänge herbeizuführen. Eine Erweiterung des Fächerspektrums verbunden mit einer stärkeren Betonung der Naturwissenschaften und der Mathematik wären als positive Ergebnisse einer solchen Abstimmung zu bewerten, wodurch gleichzeitig der Funktion des Englischen als globale Wissenschaftssprache Rechnung getragen würde. Literatur ABENDROTH-TlMMER, Dagmar [et al.] (2004): "Didaktiken im Dialogfür eine integrative Didaktik des bilingualen Unterrichts". In: BüNNET, Andreas/ BREIDBACH, Stephan (Hrsg.) (2004): Didaktiken im Dialog. Konzepte des Lehrens und Wege des Lernens im bilingualen Sachfachunterricht. Frankfurt am Main [u.a.]: Peter Lang, 13-27. 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