eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 36/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2007
361 Gnutzmann Küster Schramm

Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL

121
2007
Andreas Bonnet
flul3610126
ANDREAS BONNET * Fach, Sprache, Interaktion Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL Abstract. Over the last 20 years CLIL (Content and Language Integrated Learning) has become increasingly popular within the German educational system. lt takes different shapes and forms, ranging from what is called Bilingualer Unterricht (i.e. selected non-language subjects are taught in a foreign language for a certain period of time) to mainstreamed minority children who find themselves in a CLIL situation in every lesson. The following paper presents a threefold teaching model that can be used in any CLIL situation. lt promotes the acquisition of the three major competences that learners need: foreign language competence, subject matter competence and interactional competence. Each of the three aspects is discussed on both a theoretical and practical level including suggestions for helpful teaching strategies. 1. CLIL: Formen, Methodik, Didaktik Die Verwendung einer Fremdsprache als Unterrichtssprache im Fachunterricht ist mittlerweile ein fester Teil der deutschen Schul- und Hochschullandschaft. Die verschiedenen Angebote unterscheiden sich insbesondere in ihrer Organisationsform und ihrer Klientel. Das Spektrum reicht von den Europaschulen mit ihrer binationalen Schülerschaft auf der einen Seite bis zu den so genannten Kompetenzkursen (FRAEDRICHILEHBERGER 2001), in denen die Fremdsprache nur rezeptiv verwendet wird. Dazwischen liegen alle möglichen Abstufungen des so genannten Bilingualen Unterrichts, von ganzem Bildungsgang bis zu mehrwöchigem Modul und von der globalen lingua franca Englisch bis zu den Herkunftssprachen von Migrant(inn)en. Eine gängige Definition von Bilingualem Unterricht, "Fachunterricht in einer Fremdsprache", beschreibt außerdem treffend die tägliche Situation von unzähligen Migrant(inn)en im deutschsprachigen Fachunterricht. All dies ist also CLIL, und eine CLIL-Methodik muss in der Lage sein, mit möglichst geringen Anpassungen die Inszenierung all dieser Unterrichtsformen zu ermöglichen. Das ersetzt keine Didaktik und ist damit keinesfalls als Konkurrenzveranstaltung zu aktuellen didaktischen Ansätzen zu sehen. Sowohl der schultheoretische (ZYDATiß 2002) als auch der bildungstheoretische (BREIDBACH 2006) Ansatz, so wie sie z.B. in der Forschung zu Bilingualem Unterricht in Deutschland vorgetragen werden, sind notwendig, um die Inhalte von CLIL zu bestimmen. Noch notwendiger sind sie, um die engen institutionellen Grenzen, die Unterricht gesetzt werden, durch alternative Ansätze, wie Korrespondenzadresse: Dr. Andreas BONNET, Vertretungsprofessor für Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Universität Hamburg, Fakultät 4- Fachbereich Erziehungswissenschaft, Sektion 4: Didaktik der sprachlichen und ästhetischen Fächer, Von-Melle-Park 8, 20146 HAMBURG. E-Mail: a.bonnet@gmx.de Arbeitsbereiche: Bilingualer Unterricht, empirische Unterrichtsforschung, Filmdidaktik. lFL1llllL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 127 z.B. die Bildungsgangforschung (vgl. z.B. BONNETIBREIDBACH [im Druck]), aufzuweiten. Während die Didaktik also die Frage nach den Inhalten des Unterrichts stellt, verstehe ich die Methodik getreu der ursprünglichen griechischen Bedeutung (methodos = Weg auf ein Ziel hin) als die Frage nach der Art und Weise der unterrichtlichen Bearbeitung dieser Inhalte. Ihr Ziel ist es also, theoretische Prinzipien und konkrete Verfahren bereitzustellen, um Unterricht so zu inszenieren, dass die Schüler darin Kompetenz erwerben können. VIELAU (2003: 239) bringt dies in seinem Methodenaufsatz für das Handbuch Fremdsprachenunterricht prägnant auf den Punkt, wenn er formuliert, dass es das Ziel der Methodik sei, "begründete Lehrhypothesen zur Optimierung der Lernprozesse zu bilden". 2. Die Drei-Säulen-Methodik: Ausgangsmodell und Bezugspunkte Im Folgenden geht es also um ein methodisches Modell, mit dem CLIL-Arrangements inszeniert und damit sowohl geplant als auch evaluiert werden können. Ausgangspunkt ist meine eigene Erfahrung als Forscher, der Bilingualen Unterric\lt empirisch untersucht hat, sowie als Lehrer, der Bilingualen Unterricht als Modul im Fach Chemie durchgeführt hat. Sowohl zur Evaluation als auch zur Planung von CLIL hat sich für mich ein Modell als erfolgreich erwiesen, das aus drei Säulen besteht (BONNET 2004a). reduziert Komplexität führt zu ~ .. " reduziert Komplexität ✓ reduziert Komplexität führt zu Abb. 1: Empirisches Modell der Bedingungsfaktoren für erfolgreiche CLIL-Inszenierungen (vgl. z.B. BONNET 2004b). Kompetenzen und Bedeutungsaushandlung bedingen sich gegenseitig lFL11lJL 36 (2007) 128 Andreas Bonnet Im Zentrum steht dabei das Konzept der Bedeutungsaushandlung. Dieser Begriff wird in den Didaktiken sehr unterschiedlich verwendet (vgl. für die Fremdsprachendidaktik z.B. BACH 1998; BLEYHL 2003; MEYER 1992; NISSEN 1998). Einig sind sich die Ansätze lediglich darin, dass Bedeutungsaushandlung der Schlüssel zum Kompetenzerwerb ist. Gelingt sie, so finden Lernen und Bildung statt, gelingt sie nicht, läuft der Unterricht ins Leere. Ich verwende im Folgenden ein Modell von Bedeutungsaushandlung, das sich in meiner empirischen Untersuchung zu bilingualem Chemieunterricht (BONNET 2004a) als sehr fruchtbar erwiesen hat. Bedeutungsaushandlung hat danach zwei Aspekte. Zum einen erfüllt sie für die Schüler die Funktion des gegenseitigen Abgleichs ihrer in den Unterricht mitgebrachten Vorstellungen. Die Lernenden verbalisieren ihre Ideen und erhalten aus der Lerngruppe kritische oder bestätigende Rückmeldung dazu. In der Sprache des Konstruktivismus: Es findet Viabilitätsprüfung statt. Zum anderen findet man empirisch insbesondere in kooperativen Arrangements mit Kleingruppen aber auch den Fall, dass in der Interaktion Ideen entstehen, die deutlich über die von den Teilnehmern eingebrachten Vorstellungen hinausgehen. Problemlösungen entstammen dann nicht den Köpfen Einzelner, sondern entspringen der Interaktion. In der Sprache des symbolischen Interaktionismus: Es findet Emergenz statt. Bedeutungsaushandlung ist dann erfolgreich - Viabilitätsprüfung und/ oder Emergenz finden also statt -, wenn die Komplexität des Interaktionsraums genügend gering ist, damit die Lerner sich in ihren Interaktions- und Argumentationszügen aufeinander beziehen können, einfach gesagt: wenn sie ausdrücken können, was sie sagen wollen, und ihre Partner sie verstehen. Empirisch hat sich gezeigt, dass drei Bedingungsfaktoren diese Komplexität entscheidend beeinflussen: die (fremd)sprachliche Kompetenz, die sachfachliche Kompetenz und die interaktionale Kompetenz der Schüler (vgl. Abb. 1 [S. 127]). Das Fundament des CLIL-Gebäudes steht somit auf drei Säulen. Wenn eine davon zu kurz oder schwach ist, bricht das gesamte Gebäude zusammen. Alle anderen zweifelsohne wichtigen Aspekte wie z.B. die methodische Einbindung der kulturellen Hintergründe der Beteiligten werden dadurch keinesfalls in Frage gestellt. Ich kann noch nicht einmal sagen, ob sie nicht genauso existenziell für diese Unterrichtsform sind wie die hier berücksichtigten drei Dimensionen. Alle mir zugänglichen empirischen und praktischen Erkenntnisse belegen aber auf jeden Fall, dass die nicht ausreichende Berücksichtigung einer oder mehrerer der hier behandelten drei Säulen Kompetenzerwerb scheitern lässt. Daher beschränke ich mich auf diese drei aus meiner Sicht mit Sicherheit existenziellen Säulen von CLIL. Das im Folgenden vorgestellte Modell versucht den Anspruch der Übertragbarkeit zu erfüllen, indem Ansätze aus verschiedenen Bereichen berücksichtigt werden. Dies soll auch einen Beitrag dazu leisten, diese Bereiche miteinander ins Gespräch zu bringen. Dabei werden jeweils Ansätze gewählt, die ihre besondere Stärke in Unterrichtspraxis oder empirischer Forschung gezeigt haben. Die Forschung zu Bilingualem Unterricht trägt den sprachlichen Anteil, die Forschung zu deutschsprachigem Fachunterricht an den deutschen Auslandsschulen den Sachfachanteil, und die Erziehungswissenschaft kümmert sich um die interaktionale Kompetenz. Ich werde diese drei Säulen nun nacheinander lFJL1llllL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 129 vorstellen und dabei jeweils drei Schritte machen. Nach einer kurzen Darstellung der theoretischen, unterrichtspraktischen oder empirischen Herkunft der Überlegungen werden zunächst Grundprobleme und· Prinzipien und im Anschluss daraus abgeleitete methodische Maßnahmen erläutert. Die drei Teilbereiche bilden dann zusammen eine methodische Landkarte, mit deren Hilfe sich CLIL planen und evaluieren lässt. Diese Landkarte findet sich am Ende des Aufsatzes. 3. Die Förderung des Erwerbs (fremd)sprachlicher Kompetenz Die erste Aufgabe, die eine Methodik für CLIL erfüllen muss, ist es, den Erwerb der fremdsprachlichen Kompetenz der Schüler zu fördern. Für diesen Teilbereich ist der Blick auf die fremdsprachendidaktisch geprägte Forschung zu Bilingualem Unterricht in Deutschland interessant. Hier ist man immer wieder davon ausgegangen, dass die Kombination von Fremdsprach- und Sachfachmethodik zum Ziel führt. Im jüngsten Ansatz, der "bifokalen Unterrichtsplanung" (HABEKOST 2004), wird dies schon im Titel deutlich: Man zieht also wechselseitig eine fremdsprachen- und sachfachmethodische Brille auf und plant so den Unterricht. Dies reagiert auf die Grundsituation, dass im Bilingualen Unterrichtman muss allerdings einschränken, dass dies so nur in der Mittelstufe der Fall ist (vgl. z.B. PILZECKER 2001)die Sprachkompetenz der Schüler hinter ihrer Sachfachkompetenz zurücksteht. Mit diesem Problem haben sich auch frühere Ansätze, wie z.B. THÜRMANNS (2000) "Inseln im Methodenarchipel", auseinander gesetzt. Man kann also sagen, dass die deutsche Diskussion um Bilingualen Unterricht erst sehr spät dazu gekommen ist, neue Wege zu einer wirklichen Integration von Fach und Sprache zu suchen. Dieser Mangel hat allerdings gleichzeitig eine Stärke hervorgebracht, nämlich eine beachtliche Expertise im systematischen Umgang mit der Förderung der fremdsprachlichen Kompetenz. 3.1 Grundprobleme und Prinzipien Das grundlegende Problem beschreibt THÜRMANN in seinem eigenen methodischen Ansatz als „Diskrepanz zwischen den fremdsprachlichen und den kognitiven Möglichkeiten der Lernenden in den Sachfächern" (2000: 75), wobei die fremdsprachliche Kompetenz den allgemein-kognitiven und sachfachlichen Kompetenzen hinterherhinke. Entsprechend baut er seinen Ansatz seine „Inseln im Methodenarchipel" (a.a.O.: 82 ff) um die Sprachrezeption und -produktion herum auf. Auf der Basis derselben Diagnose formuliert Krechel die Zielsetzung für die Methodik als Durchführung einer auf die Inhalte bezogenen Spracharbeit: "Die inhaltsbezogene Spracharbeit, die sprachliches Lernen mit methodischem und inhaltlichem Lernen verknüpft, hat zum Ziel, die Lernenden zu einer erhöhten fremdsprachlichen Flexibilität zu führen, und dies unter fachspezifischen Bedingungen." (2003: 197) Aus diesen Grundannahmen ergeben sich folgende Prinzipien für die sprachliche Säule der CLIL-Methodik: lFLulL 36 (2007) 130 Andreas Bonnet 1. Das sprachliche Verstehen bildet die Grundlage der unterrichtlichen Arbeit. Das bedeutet zum einen, dass der Unterricht von der Sprachrezeption zur Sprachproduktion voranschreitet. Zum anderen folgt daraus aber auch, dass das Verstehen durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen -Thürrnann betont besonders die Visualisierungerleichtert werden muss. 2. Besondere Bedeutung kollllllt der Lesekompetenz zu, die dazu dient, sowohl kontinuierlichen als auch diskontinuierlichen Texten Informationen zu entnehmen. Der (Fremd)Sprach(en)unterricht stellt dazu entsprechende Methoden bereit. Dabei betont KRECHEL sehr zu Recht, dass es gerade in der CLIL-Situation besonders wichtig sei, vielfältige Texte zu wählen, um „mehrere informationsverarbeitende Kanäle bei den Lernenden zu nutzen" (a.a.O.: 200). Außerdem kann man davon ausgehen, dass dadurch das Interesse der Lernenden steigt und damit der den Spracherwerb hellllllende affektive Filter (z.B. KRASHEN) reduziert wird. 3. Gelingende Sprachproduktion ist die Grundlage dafür, dass die Schüler sich im Sinne der zwei Anteile von Bedeutungsaushandlung in den Unterricht einbringen können. Sie muss daher durch funktionale Spracharbeit explizit gefördert werden, wobei je nach schulischen Gegebenheiten der Fremdsprachenunterricht Teile davon übernehmen kann. THÜRMANN nennt hier besonders die Wortschatzarbeit, sowie die Bereitstellung von Phrasen der Unterrichtssprache und die Erarbeitung von Redemitteln für grundlegende kognitive Operationen wie z.B. Vergleichen, Klassifizieren oder Bewerten. (a.a.O.: 87 t) 4. Die Erstsprachen der Lernenden haben einen wichtigen Platz im CLIL-Klassenzillllller. Zwar bezweifele ich aufgrund meiner eigenen empirischen Forschung (BONNET 2004a) und Unterrichtserfahrung, dass mit der Erstsprache Probleme beim sachfachlichen Kompetenzerwerb geklärt werden können. KRECHEL nennt aber andere überzeugende Anlässe, bei denen sie hilfreich ist, u.a. zur Entwicklung fachsprachlicher Kompetenz in der Muttersprache und bei der Metakollllllunikation. (a.a.O.: 201) 5. Es besteht kein Zweifel, dass die Toleranz gegenüber formalen sprachlichen Fehlern im CLIL-Klassenraum so hoch wie möglich sein sollte. Das Kriterium ist dabei stets die Verständlichkeit einer Aussage. Nur wenn die Bedeutungsaushandlung irreparabel gestört ist, ist eine Intervention unvermeidlich. 3.2 Methodische Maßnahmen Um diesen Prinzipien gerecht werden zu können, benötigt man im Unterricht eine Reihe von Methoden, die alle auch im Fremdsprachenunterricht angewendet werden. All diese Methoden erfordern z.T. komplexe kognitive Prozesse und systematische Arbeitsorganisation. Ihr Erlernen kann daher nicht nebenbei erfolgen, sondern es muss expliziter Bestandteil des Unterrichts sein. Um die Rezeption zu erleichtern, hat sich die schrittweise Texterschließung als erfolgreich erwiesen. Dabei wird ein Text in mehreren Durchgängen erschlossen und je nach Fragestellung in verschiedener Genauigkeit ausgewertet. Das Prinzip der inhaltsorientierten Spracharbeit bedeutet dabei, dass im Zentrum der Arbeit am Textaußer wenn dies lFJLuL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodikfür CL/ L 131 z.B. bei der Bearbeitung von Karikaturen oder satirischen Kommentaren explizites Unterrichtsziel ist nicht dessen Kompositionsprinzipien sondern die Informationsentnahme steht. KRECHEL (a.a.O.: 204) schlägt dafür vier Phasen vor: (1) Pre-reading-activities wie Brainstorming oder Assoziieren, um das Vorwissen und den thematischen Wortschatz zu aktivieren. (2) Orientierendes Erstlesen zur Schaffung von „Verstehensinseln". (3) Detailerfassung mit je nach Aufgabenstellung verschieden intensiver Wörterbucharbeit. (4) Abschließendes ggf. nur noch passagenweises Lesen zum Komplettieren der eigenen Notizen. Auch die Textproduktion ist für die Lernenden eine komplexe Aufgabe. Dementsprechend ist auch hier eine systematische Aufgliederung des Produktionsprozesses sinnvoll. Wiederum schlägt KRECHEL (a.a.O.: 213 ff) ein vierstufiges Verfahren vor: (1) Pre-writing-activities wie Mind-mapping oder Erstellen von Vokabellisten, um fachliches und sprachliches Wissen zu aktivieren. (2) Erstellen eines Textplans und Formulieren von Textteilen. (3) Überarbeitung des Textes durch u.a. Elaborieren, Verkürzen und Verbinden. (4) Die Schlussredaktion, in der ein evtl. Adressatenbezug verwirklicht und die Fehlerkorrektur durchgeführt wird. Neben den sehr komplexen Verfahren der Textrezeption und -produktion müssen die Schüler natürlich auch die im fremdsprachlichen Unterricht üblichen allgemeinen Lern- und Arbeitstechniken beherrschen. KRECHEL (a.a.O.: 206) nennt hier drei zentrale Fertigkeiten: (1) Inferierungstechniken wie z.B. Wortsegmentierung oder Kontextanalyse, um Bedeutung auch ohne Hilfsmittel erschließen zu können. (2) Kenntnis des Wörterbuchs, um Wortbedeutungen sicher zu erschließen und die umfangreichen Informationen der dictionaries auch für die Textproduktion zu nutzen. (3) Techniken der Informationsentnahme und Visualisierung wie z.B. Note-taking oder Mind-mapping. Schließlich ist auch im CLIL-Klassenraum explizite Wortschatzarbeit notwendig. Aufgrund der Vielzahl spezieller Verwendungszusammenhänge kann man hier in den seltensten Fällen auf fertige Wortschatzsammlungen zurückgreifen. Daher hat sich ein vierstufiges Verfahren bewährt (BONNET 2005). (1) Der Lehrer erstellt für die Schüler einführend eine Sammlung relevanter nicht-themenspezifischer, aber sehr wohl für das Fach relevanter Wörter und Formulierungen für die Naturwissenschaften z.B. logische Relationen, Farben oder Oberflächenbeschaffenheiten. (2) Die Schüler fertigen unterrichtsbegleitend selbst eigene Wörterlisten an. Am besten werden diese Listen natürlich als Vokabelkartei (vgl. z.B. QUETZ 1998) geführt. (3) Etwa zur Hälfte einer Unterrichtseinheit wird eine Mind-Map aller neu aufgetretenen Wörter erstellt, in denen der Fachwortschatz nach Wortfeldern gegliedert ist. Bei der Klärung einzelner Wortbedeutungen ergeben sich zumeist wichtige fachliche Diskussionen zur Erläuterung oder Vertiefung behandelter Phänomene. (4) Zum Abschluss wird aus den einzelnen Listen eine Gesamtliste erstellt und eine gemeinsame Mind-Map erstellt. Diese von den Lernenden erstellten Produkte haben sich in der Praxis als sehr hilfreich für die weitere inhaltliche Arbeit und Vorbereitung auf Prüfungen erwiesen. lFILwL 36 (2007) 132 Andreas Bonnet 4. Die Förderung des Erwerbs sachfachlicher Kompetenz Für die Betrachtung der sachfachlichen Kompetenz muss man von der Fremdsprachenin die Sachfachdidaktiken wechseln. Dort hat sich in den vergangenen Jahren besonders im Kontext der großen Querschnittuntersuchungen TIMSS und PISA eine rege Diskussion entfaltet, was im jeweiligen Fach unter Kompetenz zu verstehen sei. Im Zentrum der Diskussion steht dabei oft das aus dem angelsächsischen Sprachraum übernommene Konzept der literacy, das für das jeweilige Fach ausbuchstabiert wird. Derartige fachspezifische Modelle sind bereits ansatzweise für den Bilingualen Unterricht und damit auch für CLIL diskutiert worden. Vorwiegend didaktische Überlegungen für die Fächer Biologie, Chemie, Geographie, Geschichte, Kunst, Musik, Politik, Physik und Sport finden sich in (BONNET/ BREIDBACH 2004: 205-330), methodische Ansätze für die Fächer Biologie, Geographie, Geschichte und Sport in (WJLDHAGE/ OTTEN 2003: 46-169). 4.1 Grundprobleme und Prinzipien Gewiss hält der Unterricht für die Schüler in jedem Fach ein besonderes Profil kognitiver und emotionaler Anforderungen und Angebote bereit. Der bis in die jüngste Vergangenheit oft unternommene Versuch, dies auf die Unterrichtsfächer selbst zurückzuführen, indem jeder Disziplin bestimmte kognitive Operationen und damit Sprachfunktionen zugeordnet werden, führt jedoch in die Irre, denn „die Zuordnung einzelner Fächer zu bestimmten sprachdidaktischen Funktionen lässt sich nicht aus einer ,Sachlogik' der Fächer ableiten" (MüHLMANN/ OTTEN 1991: 7). Viel wichtiger ist die methodische Orientierung des Unterrichts, die z.B. ohne weiteres selbstbestimmte, ästhetische und expressive Handlungen und Mitteilungen auch im naturwissenschaftlichen Unterricht erlaubt. Was bedeutet dies für die Suche nach geeigneten Strategien zur Förderung der sachfachlichen Kompetenz? Nicht die Betonung der Individualität der Fächer, sondern die Suche nach ihrem gemeinsamen Kern führt zum Ziel. Dabei ist Hallets Ansatz hilfreich, der Bilingualen Unterricht und damit auch CLIL als „fremdsprachige Konstruktion wissenschaftlicher Begriffe" modelliert (HALLET 2002). Man kann an seinem sehr pointierten Ansatz kritisieren, dass er viele didaktische Entscheidungen implizit vorwegnimmt, und z.B. fragen, warum er die senso-motorische oder emotionale Seite von Kompetenz unterschlägt oder wie er dazu kommt, sich auf „wissenschaftliche" Begriffe zu konzentrieren. Sein großes Verdienst ist aber zweifelsohne die Analyse, dass es beim Erwerb sachfachlicher Kompetenz immer auch darum geht, die für den jeweiligen Gegenstandsbereich zentralen Konzepte zu verstehen und mit ihnen Probleme zu lösen. Ob es nun der Begriff „Raum" in der Geographie, "Stoff' in der Chemie oder „Demokratie" in der Politik ist, immer greift die inhaltliche Arbeit auf komplexe Konzepte zurück. Am Beispiel des „Niederschlag[s]" zeigt Hallet eindrucksvoll den Unterschied zwischen dem relativ übersichtlichen Alltagskonzept „Regen", das wir im Wesentlichen als „Wasser von oben" verstehen, und dem fachlichen Konzept „Niederschlag", das nur über das Verständnis des kompletten Wasserkreislaufs mit seinen physikalischen und chemischen Prinzipien erschließbar ist. lFLllliL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 133 Damit wird deutlich, wie weit die Strecke ist, welche die Schüler auf dem Weg zu sachfachlicher Kompetenz zurücklegen müssen. Die englische Naturwissenschaftsdidaktikerin Rosalind Driver verwendet daher zu Recht das Bild der langen Reise, die die Lernenden unternehmen. Eine für CLIL geeignete Unterrichtsmethodik hat daher die Aufgabe, diese Reise der Lernenden zu begleiten und zu erleichtern. Dazu findet sich mit dem „Wechsel der Darstellungsformen" (LEISEN 2005) ein systematisch ausgearbeiteter und auf viele Unterrichtsfächer herunter gebrochener Ansatz (LEISEN 2000) für den sog. "deutschsprachigen Fachunterricht" an den Deutschen Auslandsschulen eine CLIL- Situation, in der nicht-deutsche Muttersprachler in ihrer L2 (Deutsch) unterrichtet werden. Josef Leisen geht dabei von folgenden Prinzipien aus: 1. Der Erwerb fachlicher Kompetenz in einem Sachfach zielt im Kern darauf ab, fachspezifische Aufgaben- und Problemstellungen bewältigen zu lernen (LEISEN 2005: 9). Eigentlich muss man auch hier die Frage stellen, wie groß die Spezifik einzelner Fächer wirklich ist. Unterrichtspraktisch stellt sich diese Frage aber nicht, da Leisens Ansatz auch ohne die Beantwortung dieser Frage bestens funktioniert. 2. Die fachlichen Gegenstände können mit verschiedenen Methoden (z.B. Experiment oder szenische Interpretation) und damit in verschiedenen Darstellungsformen konstruiert werden. Jede Darstellungsform kann man einem bestimmten Abstraktionsniveau zuordnen (vgl. Tab. 1 [-+ S. 134)). 3. Jeder Gegenstand kann in der Reihenfolge steigender Abstraktion 1 gegenständlich (z.B. als Handlung: Exkursion in einem Ökosystem), bildlich (z.B. als Filmleiste: Schlüsselszenen eines Romans), sprachlich (z.B. als Präsentation: Regeln eines Ballspiels), symbolisch (z.B. als Flussdiagramm: Abfolge von Schritten eines Wahlverfahrens) und mathematisch (z.B. als Formel: Berechnung des arithmetischen Mittels) dargestellt werden. 4. Bei jedem Wechsel zwischen zwei Ebenen findet Kompetenzerwerb nicht nur im sprachlichen und fachlichen Bereich statt, sondern die Schüler erweitern auch ihr Methodenrepertoire und werden über verschiedene Wahrnehmungskanäle angesprochen (LEISEN 2000: 16). 4.2 Methodische Maßnahmen Entsprechend dieser Prinzipien ist es nun möglich, den Unterricht als stetigen Wechsel der Darstellungsformen zu inszenieren. Eine solche Sequenz könnte wie folgt aussehen: Die Progression in steigender Abstraktion ist im konstruktivistisch gedachten Modell von Leisen nicht zwingend. Berücksichtigt man allerdings die Erkenntnisse der Evaluation der nordamerikanischen Immersionsprojekte und insbesondere das Sprachebenenmodell von Jim Cummins (z.B. CUMMINS 2000) mit seiner Bewertung der Schwierigkeit sprachlicher Kommunikation entlang zweier Achsen (Kontexteinbettung vs. inhaltlicher Anspruch mit den Extremen Basic lnterpersonal Communicative Skills [BICSJ vs. Cognitive Academic Language Proficiency [CALPJ), so stellt die Progression von Darstellungsformen niedriger Abstraktion zu jenen hoher Abstraktion sicher, dass möglichst viele Schüler(inn)en sich beteiligen können. Die kanadische Forschung belegt dies insbesondere für Lernende mit Migrationshintergrund (vgl. z.B. CUMMINS/ SWAIN 1998). IFILl.llL 36 (2007) 134 Andreas Bonnet (1) Die Lernenden lesen einen Text über den Ablauf von Gesetzgebungsverfahren (Ebene III). (2) Sie erstellen ein Organigramm und ein Flussdiagramm (Ebene II). (3) Die Lerngruppe teilt sich in die relevanten Organe auf und stellt das Organigramm nach (Ebene I). (4) Die Lerngruppe führt in einem Planspiel selbst ein Gesetzgebungsverfahren durch (Ebene I). LEISEN (2005) gibt für die jeweiligen Ebenen folgende Darstellungsformen an: Ebene Darstellungsformen V Mathematische Darstellung Gesetz, Formel IV Symbolische Darstellung Strukturdiagramm, Flussdiagramm, Graph, Tabelle, Mind-Map III Sprachliche Darstellung Gespräch, Text, Mind-Map, Gliederung II Bildliche Darstellung Bild, Filmleiste, Zeichnung, Piktogramm, Mind-Map I Gegenständliche Darstellung Gegenstand, Experiment, Handlung Tab. 1: Darstellungsformen und ihre Ebenen (nach: LEISEN 2005) Dies bringt für CLIL einen entscheidenden Vorteil. Jeder Wechsel ist eine Sollbruchstelle, an der die Fachkompetenz der Lernenden herausgefordert wird - oder konstruktivistisch: an der sich die Viabilität der von ihnen bisher konstruierten fachlichen Konzepte zeigt. Dadurch wird verhindert, dass der Unterricht über längere Strecken an den Schülern vorbeiläuft, was besonders durch die im CLIL-Klassenraum erschwerend hinzukommenden sprachlichen Schwierigkeiten zu unlösbaren Problemen führen kann. Statt dessen ergeben sich für die Lerner überschaubare Rückmeldungs-Zyklen, durch die Verständnisprobleme schnell sieht- und bearbeitbar werden. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, all die Methoden aufzuzählen, die JosefLeisens Handbuch (LEISEN 2000) bereitstellt. Es soll genügen darauf zu verweisen, dass es allein im sog. Werkzeugkasten 40 Methoden von „Archiv" bis „Wortgeländer" anbietet und danach ausgearbeitete Arbeitsmaterialien für u.a. Biologie, Geschichte oder Mathematik enthält. 5. Die Förderung des Erwerbs interaktionaler Kompetenz Um die Förderung der interaktionalen Kompetenz zu diskutieren, ist erneut ein Perspektivwechsel erforderlich. Es geht nun darum, nicht nur sprachlich und fachlich von den Lernenden her zu denken. Blickt man durch ihre Brille, sieht man Unterricht nämlich nicht nur - und häufig gar nicht vor dem Hintergrund von Sprach- und Fachkompetenz sondern vor dem Hintergrund ihrer Lebenswelt: ihrer Träume und Ängste, ihrer Interessen und Abneigungen. Insbesondere in kooperativen Lernarrangements, die ja eigentlich dazu dienen, Bedeutungsaushandlung zu maximieren, ist das, was Schüler tun, oft nicht das, was wir als Lehrer glauben (BONNET [im Druck]). Besonders der Projektunterricht zeigt, welch lange Wege Schüler gehen müssen, bis sie mit der Arbeit am fachlichen Projekt lFLulL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CLIL 135 beginnen können. Dies ist keineswegs spezifisch für CLIL. Dies zu ignorieren, macht aber CLIL genauso unmöglich wie jeden anderen Unterricht. Deshalb muss die interaktionale Dimension berücksichtigt werden. 5.1 Grundprobleme und Prinzipien Dazu liefert die empirische Unterrichtsforschung einen sehr interessanten Ansatz. Untersucht man die Arbeit von Kleingruppen in einer CLIL-Situation (BONNET 2004a), so kann man folgendes Muster finden: In einer kooperativen Lernumgebung scheitert die Gruppe, obwohl zwei Teilnehmer eine hohe fachliche Kompetenz haben. Folgt man der bisher vorherrschenden Meinung, so müsste man annehmen, dass dies zum einen an einer zu geringen fremdsprachlichen Kompetenz der Schüler liegt, und dieses Problem sich zum anderen durch ein Ausweichen in die Muttersprache lösen lässt. Paradigmatisch wird diese Annahme durch BUTZKAMMs Konzept des "conversational lubricant" (1998) vertreten. Bei näherer Datenanalyse in diesem Fall (BONNET 2004a) stellt man aber fest, dass die Lernenden sehr wohl über eine für die Problemlösung ausreichende Sprachkompetenz verfügen, und dass das Problem auch durch Ausweichen in die Erstsprache nicht gelöst werden kann. Dieses Muster ist keinesfalls beschränkt auf die eine Kleingruppe. Auch in anderen CLIL-Situationen ebenso wie im fremdsprachlichen Literaturunterricht (BONNET/ DECKE-CORNILL 2007) zeigt sich folgendes Prinzip: Die Muttersprache tritt zwar in der Tat bei inhaltlichen Problemen auf, führt aber in keinem der untersuchten Fälle zu einer Lösung des inhaltlichen Problems. Vielmehr wechseln die Lernenden zurück in die Fremdsprache und nehmen einen neuen methodischen Anlauf. Eine Strategie dabei ist interessanterweise mit Josef LEISEN gesprochen eine Art selbständiger Wechsel der Darstellungsformen. Aus der Zusammenschau aller Analysen lässt sich folgern, dass die Lernenden vier Probleme lösen müssen, um in kooperativen Lernumgebungen erfolgreich zu sein: 1. Das Partizipationsproblem: Die Schüler müssen quantitativ überhaupt zum Zuge kommen, und ihre Beiträge müssen von den anderen Unterrichtsteilnehmern gehört werden. Es braucht also eine paritätische und demokratische Partizipationsstruktur. 2. Das Beziehungsproblem: Die Schüler müssen mit Antipathie und bewusster Störung umgehen können. Sie brauchen also eine Mediationskompetenz. 3. Das Komplexitätsproblem: Die Schüler müssen die Komplexität ihrer Interaktion kontrollieren, d.h. regelmäßig Resümees ihrer Arbeit ziehen und Werkzeuge haben, die die Komplexität des bearbeiteten Problems beherrschbar machen (z.B. Mind-Maps oder Tabellen). 4. Das Argumentationsproblem: Die Schüler dürfen nicht nur behaupten, sondern müssen auch begründen können. Argumentationstheoretisch heißt das: Sie dürfen nicht nur Schlussfolgerungen mitteilen, sondern müssen Begründungen liefern oder sogar erklären können, mit welchen Theorien sie gerade argumentieren. Erst auf dieser Ebene erfolgt Viabilitätsprüfung. lFLlllL 36 (2007) 136 Andreas Bannet Daraus lässt sich ein empirisch gegründetes Modell einer interaktionalen Kompetenz ableiten, das aus zwei Kategorien mit je zwei Dimensionen besteht. soziale Dimension Beziehungsaspekt Antipathie und Sympathie Partizipationsaspekt Beteiligung an der Interaktion regeln metakognitive Dimension Organisationsaspekt "Projektmanagement'') Argumentationsaspekt Begründungen und Erklärungen Abb. 2: Empirisches Modell der interaktionalen Kompetenz mit zwei Kategorien und insgesamt vier Dimensionen (vgl. BONNET [im Druck]). 5.2 Methodische Maßnahmen Akzeptiert man die Notwendigkeit, die interaktionale Kompetenz der Schüler als Grundlage - oder vielmehr: unverzichtbare Vorbedingung von Bedeutungsaushandlung zu entwickeln, so kann man nicht bei Mikromethoden stehen bleiben. Spätestens hier geht es um die Gesamtinszenierung des Unterrichts. Sollen die Schüler, die nun nicht mehr nur Lernsondern auch Bildungsprozesse durchlaufen, eine solche Kompetenz entwickeln, so brauchen sie offene Lernarrangements wie Rollenspiel, Projektarbeit oder Simulation. Und sie brauchen reflexive Produkte wie z.B. Lernertagebücher (BONNET 2005) die es ihnen ermöglichen, ihren eigenen Prozess des Kompetenzerwerbs zu beobachten und zu steuern. Die vier Dimensionen können dabei wie folgt gefördert werden: Die Partizipationsstruktur kann verändert werden, indem die Lernenden Zeit und Anhaltspunkte zur Reflexion bekollllllen. So hat es sich bewährt, nach Ende einer Projektphase die Schüler mit Hilfe von Material zur Gruppendynamik wie z.B. Informationen über die verschiedenen Standardrollen in Gruppen (Chef, Ameise, etc.) ihre eigene Rolle herausarbeiten zu lassen. Anschließend können sie sich überlegen, ob sie beim nächsten Mal bewusst eine andere Rolle einnehmen wollen und dies schriftlich niederlegen, so dass der Erfolg der eigenen Vorsätze nach dem folgenden Projekt überprüft werden kann. Die erforderliche Mediationskompetenz kann zum einen grundlegend durch entsprechende Trainings (z.B. HAGEDORN 2005) erworben werden. Diese sind aufgrund des Zeitumfangs meist in Schulentwicklungsprojekte eingebunden. Die Kompetenz kann aber auch niederschwelliger einfach dadurch erworben werden, dass der Lehrer bei ernsthaften Problemen in Gruppen als Mediator auftritt und Gespräche mit entsprechendem Leitfaden führt. Die Schüler lernen so durch persönliches Erleben und können die Mediatorenrolle lFLwL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodikfar CLIL 137 schrittweise selbst einnehmen. Dabei ist die Abfolge immer ähnlich (z.B. a.a.O.: 60 f): (1) Vereinbaren der Unparteilichkeit des Mediators und des Unterbleibens weiterer Eskalation während des Gesprächs. (2) Darstellung des Konflikts durch die Beteiligten ohne Unterbrechung. (3) Nachfragen und Zusammenfassung des Konflikts durch den Mediator, bis alle Parteien signalisieren, dass sie ihre Sicht der Dinge als verstanden betrachten. (4) Vorschläge für Lösungen. (5) Formulierung von Verhaltensvereinbarungen, Sanktionen und ggf. Festlegung eines Folgetermins. Im Bereich der Metakognition sind zum einen einfache Werkzeuge zur Strukturierung der Interaktion wie z.B. Mind-Map oder Tabelle erforderlich. Für viele Schüler gehört das mittlerweile zum Glück zur methodischen Grundausstattung. Spätestens auf der Oberstufe sind aber komplexere Verfahren zur Strukturierung von Projekten notwendig. Trotz Unterschieden in Details folgen diese immer dem allgemeinen Ablauf der Projektplanung: (1) Festlegung von Gegenstand und Problem. (2) Strukturierung des Problems in einem Projektstrukturplan (PSP). (3) Aufteilung der Teilbereiche in konkrete Aufgaben, die mit Personen und einer zeitlichen Dauer versehen sind (Arbeitspakete). (4) Erstellung eines Zeitplans. (5) Regelmäßige Überprüfung der Arbeitsfortschritte, sowie evtl. Anpassung der Planung (Projektsteuerung). Die Argumentationskompetenz schließlich kann weniger in der Projektarbeit selbst, als vielmehr in Debatten und Rollenspielen bearbeitet werden. Die Lernenden nehmen Rollen ein, argumentieren in Debatten und reflektieren hinterher, warum welche Schüler überzeugender waren als andere. Die Bandbreite im Unterricht erprobter Rollenspiele reicht dabei von Kleinformen z.B. einem Hearing zur Installation einer Bohrinsel im Wattenmeer bis zu umfangreichen Simulationen ganzer Gesetzgebungsverfahren. Insgesamt ist das Phänomen der interaktionalen Kompetenz, wie auch die Prozesse in kooperativen Lernumgebungen überhaupt, noch sehr wenig erforscht (RABENSTEIN/ REH [im Druck]). Dieser Bereich stellt für Unterricht und Forschung gleichermaßen eine Herausforderung dar. 6. Eine methodische Landkarte des CLIL-Unterrichts Das Drei-Säulen-Modell gründet den Unterricht im CLIL-Klassenraum somit auf drei Kompetenzen: die (fremd)sprachliche, die sachfachliche und die interaktionale. Aufgabe der abgeleiteten CLIL-Methodik ist die Förderung dieser drei Kompetenzen bzw. die Kompensation von Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, dass die Kompetenzen noch nicht ausreichend entwickelt sind. Das eingangs dargestellte Unterrichtsmodell führt damit zu einer methodischen Landkarte (Abb. 3). Darin werden Prinzipien aufgezeigt, mit denen man sich Routen zu erfolgreichen Unterrichtsinszenierungen erschließen kann und Werkzeuge benannt, mit denen man Vehikel sprich: Phasen, Stunden und Sequenzen bauen kann, um diese Routen zu befahren. • Abb. 3 [S. 138-139] IFILl! lL 36 (2007) 138 Prinzipien/ Probleme - Rezeption zuerst - Umfangreiche Visualisierung - Vielfältige Texte (kontinuierliche und diskontinuierliche) verwenden - Redemittel funktional erarbeiten - Erstsprache einbeziehen - Toleranz gegenüber formalen Fehlern Andreas Bannet Methodische Maßnahmen - Schrittweise Textrezeption: pre-reading activities -> orientierendes Erstlesen -> Detailerfassung -> Komplettieren der eigenen Notizen - Schrittweise Textprodnktion: pre-writing activities -> Textplan erstellen und Textteile schreiben -> Überarbeitung -> Schlussredaktion - Lern- und Arbeitstechniken: Techniken der lnferierung, Wörterbucharbeit, Informationsentnahme, Visualisierung - Komplexe Wortschatzarbeit: Vorentlastung durch Bereitstellung relevanten Wortschatzes ->Schülererstellen Glossars/ Mind-Maps im Unterrichtsverlauf Fremdsprachliche Kompetenz durch explizite Spracharbeit und Erwerb von Lern- und Arbeitstechniken ~ Drei-Säulen-Methodik 1 Interaktionale Durch offene Arrangements und Prinzipien/ Probleme - Beziehungsproblem: Umgang mit Antipathie und Sympathie - Argumentationsproblem: Nicht nur behaupten, sondern auch begründen und erklären - Organisationsproblem: Komplexität der Interaktion kontrollieren durch Techniken des Projektmanagement - Partizipationsproblem: Beteiligung an der Interaktion gestalten (paritätische und demokratische Partizipationsstruktur ist erstrebenswert) Abb. 3: Methodische lFLuL 36 (2007) Fach, Sprache, Interaktion - Eine Drei-Säulen-Methodik für CL/ L Methodische Maßnahmen - Wechsel der Darstellungsformen: gegenständlich (z.B. Theateraufführung) -t bildlich (z.B. Filmleiste) -t sprachlich (z.B. Gespräch) -t symbolisch (z.B. Flussdiagramm) -t mathematisch (z.B. Formel) - Methodischer Werkzeugkasten in (LEISEN 2000): Archive, Aushandeln, Begriffsnetz, Bildergeschichte/ -sequenz, Diagramme, Dialog, Expertenkongress, Filmleiste, Fehlersuche, Ideennetz, Kärtchentisch, Kartenabfrage, Kugellager, Lehrer-Karussell, Lernhilfen, Lernplakat, Lückentext, Partnerkärtchen, Satz-/ Fragemuster, Schaufensterbummel, Spiele nnd Rätsel, Sprechblasen, Thesentopf, Wortliste, Wortgeländer, Wortfeld, Zuordnung Prinzipien/ Probleme - Fachliche Kompetenz = Lösung fachspezifischer Aufgaben und Problemstellungen - Verwendung unterschiedlicher Darstellungsformen - Progression aufsteigender Abstraktionsniveaus (von "BICS" zu „CALP") - Sprachlicher, fachlicher und methodischer Kompetenzerwerb bei jedem Wechsel der Darstellungsform Sachfachliebe Kompetenz durch Wechsel der Darstellungsformen für CLIL Kompetenz reflexive Produkte Methodische Maßnahmen - Mediation: Eingangsvereinbarung -t Konfliktdarstellung durch Parteien -t Paraphrase durch Mediator -t Lösungsvorschläge -t Vereinbarung von Konsequenzen - Argumentieren lernen: durch Debatten und Planspiele, sowie deren Reflexion - Projektmanagement: Definition des Gegenstands -t Projektstrukturplan -t Arbeitspakete -t Zeitplan -t Projektsteuerung - Partizipation gestalten: Reflexion auf Gruppendynamik Landkarte des CLIL-Unterrichts lFL! .1lL 36 (2007) 139 140 Andreas Bonnet Es mag zunächst erstaunen, dass vieles darin gar nicht CLIL-spezifisch ist. Allzu lange hat die didaktische Forschung aber v.a. auf die fremdsprachlichen Besonderheiten dieser Unterrichtsform geschaut und dabei vergessen, dass alle Sprachförderung nichts nützt, wenn elementarste sachfachdidaktische und allgemeinpädagogische Qualitätskriterien nicht eingelöst werden. Meine Überlegungen gelten daher natürlich auch in anderen Unterrichtssituationen, aber ganz besonders im CLIL-Klassenraum. Es sei erneut gesagt: Das hier präsentierte Modell erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und mindestens der Aspekt der Kultur muss noch eingearbeitet werden. Sehr wohl erhebt das Modell aber Anspruch auf Gültigkeit, denn die Bedeutung jeder der drei Säulen hat sich in Unterrichtspraxis und empirischer Forschung bestätigt. Über die Mikromethoden hinaus sollte dabei deutlich geworden sein, dass es für den Lehrer in der CLIL-Situation besonders darauf ankommt, Instruktivismus zu vermeiden und statt dessen eine experimentelle Haltung gegenüber dem eigenen Unterricht anzunehmen, in der die Schüler als didaktische Experten ernst genommen werden. Dann entsteht in offenen Unterrichtsarrangements mit reflexiven Produkten ein Maximum an Rückkopplung zwischen Lehrern und Schülern. Literatur BACH, Gerhard (1998): "Interkulturelles Lernen". In: TIMM, Johannes-Peter (Hrsg.), 192-200. BLEYHL, Werner (2003): "Psycholinguistische und pragmadidaktische Überlegungen zum handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht". In: BACH, Gerhard/ TIMM, Johannes-Peter (Hrsg.): Englischunterricht - Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. 3. Aufl. Tübingen: Francke, 38-55. BONNET, Andreas (2004a): Chemie im bilingualen Unterricht: Kompetenzerwerb durch Interaktion. Opladen: Leske und Budrich. 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