eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 36/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2007
361 Gnutzmann Küster Schramm

Wie kommen Fach und Sprache zusammen?

121
2007
Thomas Vogel
flul3610185
THOMAS VOGEL* Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung in die Studiengänge: Überlegungen aus der Praxis Abstract. The Bologna process was initiated to create a more uniform system of higher education in Europe. As far as Germany is concemed, the new BA programmes have introduced substantial changes, in particular a new emphasis on the training of key skills and the introduction of study courses taught through the medium ofEnglish. As a consequence, the leaming and teaching oflanguage and communication are of much greater significance and must become an integral part of university education. University language centres should seize this opportunity and meet the challenge by designing new programmes and curricula for content-oriented language leaming in co-operation with other university institutes and faculties. This article reports on the experience of integrated language leaming and teaching at the Viadrina European University in Frankfurt (Oder), an international university where language leaming is an obligatory element in study courses for law, business and economics, as well as culture. The German certification system UNicert®, designed and developed by the German Association ofUniversity Language Centres AKS e.V., has proven to be an appropriate framework for bringing content and language leaming together. In conclusion, the article calls for a close co-operation between didactic research and teaching practice in the area of foreign language education at university level. 1. Der hochschulpolitische Hintergrund Im Zusammenhang des Bolognaprozesses, d.h. der Schaffung eines europäischen Hochschulraumes, befinden sich auch die deutschen Universitäten in einem durchgreifenden Veränderungsprozess. Zwei miteinander verzahnte Entwicklungen stehen dabei im Mittelpunkt: 1. die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse 2. die Internationalisierung der Hochschulen Durch die (nominelle) Übernahme der amerikanischen und britischen Studienabschlüsse Bachelor und Master als generelle europäische Hochschulabschlüsse soll die Vergleichbarkeit der Studiengänge in Europa erreicht und es den Studierenden ermöglicht werden, ihr Studium in mehreren Ländern zu absolvieren. Ob deutsche Hochschulabsolventen für den globalen Arbeitsmarkt gerüstet sind, hängt nicht zuletzt davon ab, dass sie. als Studie- Korrespondenzadresse: Dr. Thomas VOGEL, Europa-Universität Viadrina, Sprachenzentrum, Große Seharmstr. 59, 15230 fRANKFuRT (ODER). E-Mail: vogel@euv-frankfurt-o.de Arbeitsbereiche: Fremdsprachenausbildung an Hochschulen, Weiterbildung von Sprachenlehrem, Management von Sprachenzentreu. JFL11L 36 (2007) 186 Thomas Vogel rende schon während ihres Studiums mit unterschiedlichen Kulturen und Kommunikationstraditionen konfrontiert werden, damit sie sich entsprechendes kulturelles Wissen aneignen, das es ihnen ermöglicht, in internationalen Teams zu arbeiten. Ein solches Wissen entsteht nicht durch rein kognitives Lernen, sondern ist immer auch mit experientiellem Lernen, d.h. mit dem Lernen durch Erfahrung verbunden. Diese Möglichkeit der Erfahrung zu fördern, ist eines der Ziele der Studiemeform. Diesem Ziel dient die Internationalisierung der europäischen und somit auch der deutschen Hochschulen. Es gilt, den Hochschulstandort Deutschland für ausländische Studierende und ausländische Wissenschaftler attraktiver zu machen. Gegenwärtig tun sich wohl alle Hochschulen relativ schwer damit, den Begriff „Internationalisierung" handhabbar zu definieren. An den meisten deutschen Hochschulen werden unter dem Begriff der Internationalisierung folgende Ziele und Maßnahmen subsumiert: 1. Die Erhöhung des Anteils ausländischer Studierender 2. Die Erhöhung des Ausländeranteils bei den Wissenschaftlern 3. Die Einbeziehung von Inhalten in Studiengänge, die sich mit kulturellen Unterschieden und mit globalen Problemen befassen 3. Eine Verstärkung des internationalen Studierenden- und Dozentenaustauschs 4. Die Eimichtung von internationalen, d.h. meist englischsprachigen, Studiengängen Die Webseite des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (www.daad.de) weist für 2007 459 sowohl Bachelorals auch Masterstudiengänge in englischer Sprache an deutschen Hochschulen auf. Die Bandbreite der Fächer reicht von „Arts and Literature" bis zu „World Heritage Studies". Das Schwergewicht liegt dabei auf den Wirtschaftswissenschaften. Man kann diese Internationalisierungsbestrebungen durchaus als eine Notmaßnahme sehen. Die Hochschulen reagieren damit auf den teilweise dramatischen Rückgang der Vermittlung der deutschen Sprache im Ausland. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass immer weniger Studierende aus dem Ausland mit den für ein Studium erforderlichen Deutschkenntnissen kommen bzw. dass aufgrund fehlender Deutschkenntnisse immer weniger ausländische Studierende sich für ein Studium in Deutschland entscheiden. Darüber hinaus möchten die Hochschulen die Beschäftigung ausländischer Wissenschaftler nicht davon abhängig machen müssen, dass diese über so gute Deutschkenntnisse verfügen, dass sie ihre Lehrveranstaltungen in deutscher Sprache abhalten können. Ob diese Entwicklung aus sprachbzw. kulturpolitischer Sicht sinnvoll ist, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter diskutieren. Ich möchte hingegen näher auf die Herausforderungen eingehen, die die Eimichtung von internationalen, englischsprachigen Studiengängen für die Sprachausbildung an der Hochschule insgesamt und für die Sprachenzentren im Besonderen hat. Danach möchte ich die Chancen beschreiben, die sich durch die Integration des hochschulübergreifenden Zertifizierungssystem UNicert® in internationale Studiengänge bieten. Die Einführung von Bachelor und Master und die damit verbundene Integration der Fremdsprachen als Schlüsselqualifikation und die Einführung von internationalen Studiengängen führten dazu, dass ein Stiefkind der deutschen Universitäten in das Zentrum lFL1.lllL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 187 des Interesses rückte. War bislang die Fremdsprachenausbildung, vor allen Dingen der Studierenden in nicht-philologischen Studiengängen, ein Zusatzangebot, das je nach Haushaltslage gefördert wurde, so ging und geht es an vielen Hochschulen nun darum, der Sprachausbildung in den Studiengängen ein größeres Gewicht zu verleihen. Die Sprachenzentren und andere Hochschulinstitutionen, die sich mit Sprachausbildung und interkulturellem Training beschäftigen, stehen durch diese Entwicklungen vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen, auf die ich weiter unten eingehen werde. 2. Erfahrungshorizont Die folgenden Ausführungen basieren nicht auf empirischen Erhebungen, sondern auf meinen Erfahrungen und Beobachtungen als Mitgründer und Leiter des Sprachenzentrums der Europa-Universität Viadrina, die 1991 als internationale Universität mit einem für Deutschland ungewöhnlichen Anteil von 40% ausländischen Studierenden gegründet wurde. Sehr vieles, was ich später aus der Perspektive des Vorstandes des Arbeitskreises der Sprachenzentren AKS e.V. und als Gutachter im Bereich Fremdsprachenausbildung an einer ganzen Reihe von Hochschulen beobachten konnte, war durch die enge Verbindung von Fachstudium und Sprachausbildung an der Viadrina schon früh beobachtbar. Die drei Fakultäten der Viadrina, Rechtswissenschaften, Kulturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften, fordern von ihren Studierenden bis zum Studienabschluss den Nachweis von Kenntnissen in bis zu drei Fremdsprachen. Diese Anforderungen blieben, wenngleich etwas differenzierter, durch die Umstellung der Diplomstudiengänge auf Bachelor und Master erhalten. Das Sprachenzentrum der Viadrina, das seit seiner Gründung mit diesen Anforderungen an die Fremdsprachenausbildung der Studierenden konfrontiert ist, kann in diesem Zusammenhang durchaus als Laboratorium der Internationalisierung und damit gleichzeitig für das Zusammenwirken von Fremdsprachen und Fachstudium betrachtet werden. Sehr viele Herausforderungen, denen sich das Sprachenzentrum der Viadrina schon früh stellen musste, sind jetzt an anderen Hochschulen, bei denen die Sprachausbildung im Studium ein stärkeres Gewicht bekommen hat, zu beobachten. Dabei spielt das UNicert®-System eine zentrale Rolle. 3. Das hochschulübergreifende Zertifizierungssystem UNicert® Das hochschulübergreifende Zertifizierungssystem UNicert®wurde in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch den Arbeitskreis der Sprachenzentren AKS e.V. ins Leben gerufen. Der Gründer Bernd Voss (1998: 3) skizziert die hochschulpolitischen Hintergründe der Einführung von UNicert®: Die Welt als global village ist polyglott und multikulturell. An der Schwelle zum nächsten Jahrhundert wächst Europa immer stärker zusammen, internationalisieren sich Wissenschaft und akademische Berufsfelder. In dieser Welt müssen die heutigen Studentengenerationen bestehen können, auf sie gilt es, die Akademiker von morgen vorzubereiten. Entsprechend sind die FordelFLlllL 36 (2007) 188 Thomas Vogel rungen nach praktisch verwertbaren Fremdsprachenkenntnissen in mindestens einer, möglichst mehreren Fremdsprachen für Studierende gleich welcher Fachrichtungen zurn allgemein akzeptierten Gemeinplatz der bildungspolitischen Diskussion geworden. Akademische Institutionen kornrnen dieser Forderung in unterschiedlichem Ausmaß und in stark differenzierenden Formen nach. Dabei zeigt sich insbesondere, dass erreichte fremdsprachliche Abschlüsse und Qualifikationsprofile, sofern überhaupt formale Abschlußqualifikationen angeboten werden, institutionell, nationalsprachlich und wissenschaftsbereichstypisch so erheblich auseinanderlaufen, dass die verliehenen Papiere nur lokale, sprachenund/ oder wissenschaftsbereichsbezogene Gültigkeit haben und damit für die Studierenden von nur begrenztem Wert sind. Im Jahre 2007 sind 52 deutsche Hochschulen sowie jeweils 1 französische und österreichische Hochschule dem UNlcert®-System angeschlossen. 2003 wurde in der Slowakei UNlcert® Luce ins Leben gerufen, ein Ableger von UNicert®, 9 slowakische Hochschulen haben inzwischen das UNicert®-System eingeführt. Wenngleich der Schwerpunkt immer noch auf den Schulsprachen Französisch und Englisch liegt, so ist doch inzwischen eine große Bandbreite von 30 Sprachen, darunter auch weniger verbreitete bzw. unterrichtete Sprachen wie Irisch und Ukrainisch, im System zu finden. An den dem System angeschlossenen Hochschulen wird die UNicert®-Ausbildung in insgesamt 35 Fachrichtungen von Agrarbis Wirtschaftswissenschaften angeboten. Das mit dem Beitritt zu diesem System verbundene Akkreditierungs- und Reakkreditierungsverfahren ist inzwischen zu einem wichtigen Instrument der Qualitätssicherung der Sprachausbildung an Hochschulen in Deutschland geworden. Das System weist die folgenden Merkmale auf: 1. Das UNlcert®-System gibt in einer Rahmenordnung Bedingungen vor, die zu erfüllen sind. Diese Bedingungen können je nach Kontext, in dem die jeweilige Institution agiert, auf unterschiedliche Art und Weise erfüllt werden. 2. Wesentliche Voraussetzung ist, dass die Institution über eine für hochschulspezifischen Fremdsprachenunterricht angemessene Sach-, Raum-, und Personalausstattung verfügt. Die Hauptverantwortung für die Ausbildung muss dabei von fest angestelltem, entsprechend qualifiziertem Personal getragen werden. Damit wird deutlich gemacht, dass eine Sprachausbildung an der Hochschule, die lediglich durch stundenweise vergütete Lehrbeauftragte getragen wird, nicht den Ansprüchen einer qualitativ hochwertigen Ausbildung genügen kann. 3. Die Gruppengrößen dürfen 25 Teilnehmer nicht überschreiten. Dies ist sicher eine Auflage, die auch von Hochschulen mit ,prekärer' Finanzlage erfüllbar ist. Eine für Fremdsprachenunterricht ideale Situation stellt eine Gruppe der Maximalgröße mit Sicherheit nicht dar. 4. Die Ausbildung ist modular aufgebaut. Sie führt über vier Stufen von UNlcert® I zu UNicert®IV. Jede Stufe darf dabei einen Umfang von 8-12 Lehrveranstaltungsstunden nicht unterschreiten. 5. Auf Stufe II hat die Institution die Möglichkeit, zwischen allgemeinsprachlichen und fachbzw. wissenschaftsspezifischen Ausbildungsmodulen und Zertifikaten zu unterscheiden. 6. Die einzelnen Zertifikatsstufen lassen sich mit den Stufen des Gemeinsamen EuropäilFb1lL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 189 sehen Referenzrahmens des Europarates korrelieren (siehe http: / / rcswww.urz.tudresden.de/ ~unicert/ dokumente/ stufen-europa.pdf, letzter Zugriff am 28.8.2007): UNicert® I GER B 1: Threshold UNicert®II GER B2: Vantage UNicert®III GER Cl: Effective Operational Proficiency UNicert®N GER C2: Mastery Verantwortlich für die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des UNicert®-Systems ist die UNicert®-Arbeitsstelle und eine wissenschaftliche Kommission, die sich aus Vertretern der UNicert®-Mitgliedinstitutionen und anderen Experten für Fremdsprachenausbildung und Sprachtestverfahren zusammensetzt. Die Akkreditierung innerhalb des Systems erfolgt für drei Jahre. Die wissenschaftliche Kommission ist verantwortlich für das Akkreditierungs- und Reakkreditierungsverfahren, wobei letzteres auch eine externe Evaluation inklusive einer Begehung der Institution vorsieht. Das UNicert®-System ist im Gegensatz zu den meisten kommerziellen Zertifikatssystemen, die z.T. auch an Hochschulen in Deutschland angeboten werden (z.B. Toefl, Cambridge, IELTS, DELE usw.), kein reines Testsystem. Ausbildung und entsprechende Tests, die auf oft sehr unterschiedliche Anforderungen der Hochschulen, Fächer, aber auch auf die Wünsche der Studierenden zugeschnitten sind, bauen hier aufeinander auf und bilden somit ein in sich geschlossenes Ausbildungs- und Testsystem. UNicert® ermöglicht es den für die Fremdsprachenausbildung an der Hochschule zuständigen Institutionen, aktiv auf die Verantwortlichen der Studienfächer zuzugehen und Angebote zu machen, welche Module bzw. Zertifikate, ob allgemeinsprachlich oder wissenschaftssprachlich orientiert, in die entsprechenden Studien- und Prüfungsordnungen integriert werden sollen. Wenngleich das Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina die Akkreditierung für UNicert® erst acht Jahre nach der Gründung beantragte, so richtete sich die Sprachausbildung von Anfang an nach UNicert®-Prinzipien. 4. Die Fremdsprachenausbildung am Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina Der Gründungssenat der 1991 als internationale Universität gegründete Europa-Universität Viadrina hatte sich von Anfang zu einer integrierten Fremdsprachenausbildung bekannt: Ein Beitrag der Universität Frankfurt/ Oder als „Europa-Universität" besteht darin, durch Forschung und die Lehre die europäische Integration zu fördern und zur Verständigung in Europa beizutragen; dabei kommt der wissenschaftlichen und menschlichen Begegnung zwischen Polen und Deutschland sowie allgemein zwischen Mittel- und Osteuropa eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus kann man einen Auftrag der Universität darin sehen, daß er jungen Menschen Chancen für Ihre berufliche, persönliche und gesellschaftliche Eingliederung in das entstehende lFLIJIL 36 (2007) 190 Thomas Vogel Europa ermöglicht. Es ist evident, daß die Sprachvermittlung hierfür beizutragen in besonderer Weise berufen und geeignet ist. (GRÜNDUNGSSENAT DER EUROPA-UNIVERSITÄT VIADRINA Frankfurt (Oder) 1992: 126) Die Umsetzung dieses Auftrages wurde zur Aufgabe der zentralen Einrichtung Sprachenzentrum. Die Fremdsprachenausbildung wurde ein obligatorisches Element der Studiengänge in Kultur-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, den drei Disziplinen, die an der Viadrina vertreten sind. Das Sprachenzentrum der Viadrina bietet im Rahmen des oben beschriebenen hochschulübergreifenden Zertifizierungssystems UNicert® eine Ausbildung in acht Sprachen (Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch, Polnisch, Russisch, Schwedisch, Spanisch) an. Hinzu kommt die Ausbildung in Italienisch, für die bislang noch keine UNicert®-Akkreditierung vorliegt. Die Sprachen können, mit Ausnahme von Englisch, ab initio gelernt werden. Die Ausbildung ist modular angelegt. Durch einen Einstufungstest wird entschieden, in welches Modul der Studierende einsteigt. Die Ausbildung führt zuerst über das kumulativ, d.h. über Prüfungen, die in die jeweiligen Kursstufen integriert sind, zu erwerbende Zertifikat UNicert® I, über das allgemeinsprachlich orientierte Zertifikat UNicert® II bis hin zum fachsprachlich orientierten Zertifikat UNlcert®III. In Deutsch als Fremdsprache bietet das Sprachenzentrum das Fachsprachenzertifikat UNicert® IV an, das Sprachkenntnisse auf der Ebene des akademisch gebildeten Muttersprachlers zertifiziert. Diese Differenzierung zwischen Deutsch und den anderen Fremdsprachen ist der Tatsache geschuldet, dass Studierende, die dieses Zertifikat für Deutsch als Fremdsprache studienbegleitend erwerben, über Jahre ein Fachstudium auf Deutsch absolvieren. Damit ist die sprachliche Inputmenge und die Möglichkeit, die Sprache einzusetzen und zu trainieren also in der Regel ungleich größer und somit ein höheres Niveau erreichbar als in den oben aufgeführten anderen Fremdsprachen. Das Sprachenzentrum verfügt für die Zertifizierung von Fremdsprachenkenntnissen über eine eigene Studien- und Prüfungsordnung, die vom Senat der Hochschule verabschiedet und ministeriell genehmigt wurde. Somit sind Sprachprüfungen Hochschulprüfungen. Die Studien- und Prüfungsordnungen der einzelnen Fakultäten nehmen dann Bezug auf die Ordnungen des Sprachenzentrums. Die Tatsache, dass die Prüfungen des Sprachenzentrums die gleichen Verfahren durchlaufen wie alle anderen universitären Prüfungen, ist nicht nur von der administrativen Seite zu sehen. Diese Formalitäten sichern auch den integrativen Anspruch der Sprachausbildung an der Hochschule. Anders als an einer ganzen Reihe von Hochschulen, die Fremdsprachen nun als key skills fakultativ in ihre Studien- und Prüfungsordnungen aufgenommen haben, legen die Studienordnungen der Fakultäten der Viadrina keinen Stundenanteil im Bereich Fremdsprachen fest, den die Studierenden bis zum Studienabschluss zu absolvieren haben, sondern sie beziehen sich in ihren Studien- und Prüfungsordnungen auf die UNicert®- Zertifikate und auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. Es ist Aufgabe des Sprachenzentrums entsprechende Äquivalenzen festzustellen, wenn Studierende Abschlüsse bzw. Zertifikate von Sprachen vorlegen, die an anderen Hochschulen bzw. Sprachlehr- und Lerninstitutionen erworben wurden. Es ist auch möglich, dass Studierende Fremdsprachen in ihr Studium einbringen, die nicht an der Viadrina unterrichtet IFLIIL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 191 werden. Im Sinne der Förderung der Mehrsprachigkeit der Studierenden sind hier alle Sprachen zugelassen, für die entsprechende Kenntnisse nachgewiesen werden können. Es gibt in den Studiengängen nur bei den Wirtschaftswissenschaften die Pflichtsprache Englisch neben einer zweiten, frei wählbaren Sprache. Bei den Studiengängen der Kulturwissenschaften gehen die Noten der Zertifikate in den Fremdsprachen in die Gesamtnote der Bachelorprüfung zu 20% ein. Auslandsaufenthalte können die Studierenden als Leistungen in die Fachsprachenausbildung einbringen, wenn sie nachweisen können, dass sie mindestens zwei Lehrveranstaltungen erfolgreich in der jeweiligen Landessprache absolviert haben und eine schriftliche Arbeit in dieser Sprache vorlegen können, die im Laufe des Auslandsstudiums angefertigt wurde. Es werden hierbei auch Studienleistungen aus englischsprachigen Studiengängen für die Fachsprache Englisch anerkannt, wenn Englisch nicht die Landessprache ist. Der Unterschied hierbei ist, dass bei einem Studienaufenthalt in einem englischsprachigen Land die Studierenden nur noch die Fachsprachenprüfung absolvieren müssen, während bei der Teilnahme in einem englischsprachigen Studiengang in einem nicht-englischsprachigen Land erst noch ein Fachsprachenkurs von insgesamt zwei Fachsprachenkursen im Umfang von jeweils vier Semesterwochen die Teilnahme an der UNicert® III-Prüfung ermöglicht. Die Erfahrung und vor allen Dingen der Vergleich der vorgelegten schriftlichen Arbeiten zeigt deutlich, dass in internationalen, d.h. englischsprachigen Studiengängen sprachliche Richtigkeit und Konventionen der schriftlichen Kommunikation oft eine sehr geringe Rolle spielen. Die Arbeiten der Studierenden weisen in den seltensten Fällen sprachliche oder stilistische Korrekturen durch die Dozentinnen und Dozenten der ausländischen Universitäten auf. Da es der Sprachausbildung, besonders bei den Nullsprachen, gelingen muss, die Studierenden innerhalb von drei bis vier Jahren auf ein Niveau zu bringen, das im Prinzip einer zumindest ausreichenden akademischen Kommunikationsfähigkeit entspricht, kennzeichnen die folgenden didaktischen Prinzipien die Arbeit des Sprachenzentrums der Viadrina: • steile grammatische Progression • Einsatz von hochschuladäquaten Lehrbüchern nur in den ersten drei Stufen • Einsatz von authentischen Materialien so früh wie möglich • Einsprachigkeit • Kommunikative Orientierung • Training von akademischen Fertigkeiten so früh wie möglich • Mithilfe bei der Organisation oder Vermittlung von Sprachkursen im Land der Zielsprache • die Vermittlung von Tandem-Partnern Allen Studierenden, die sich entschließen, mit einer Nullsprache zu beginnen, wird dringend empfohlen, schon frühzeitig einen Auslandaufenthalt, im Rahmen eines Sprachkurses, eines Auslandspraktikums bzw. eines Auslandsstudiums im Land der Zielsprache zu planen. In den meisten Studiengängen der Viadrina ist das Auslandsstudium, ganz im Sinne eines effektiven Sprachenlernens, ohnehin obligatorisch. Spricht man mit StudielFlLlUIL 36 (2007) 192 Thomas Vogel renden über ihre positivsten Erfahrungen im Studium, so werden an erster Stelle die Erfahrungen und Erlebnisse genannt, die während des Auslandsstudiumsbzw. Auslandspraktikums gemacht wurden. Während der Anteil an Studierenden, die einen Teil ihres Studiums im Ausland verbringen, nach einer Studie des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Kassel aus dem Jahre 2002 (JAHR [et al.] 2002) 14% betrug, so gibt es an der Viadrina kaum einen Studierenden nach dem sechsten Semester, der nicht über Auslandserfahrung verfügt. Regelmäßige studentische Evaluationen zeigen im Ergebnis, dass die Studierenden die Sprachausbildung an der Viadrina als positiv wahrnehmen. Bei einer Umfrage unter den ersten Alumni der neu gegründeten Viadrina beantwortete eine Mehrheit die Frage, ob sie diese Universität wieder wählen würden, positiv. Bei der Aufzählung der Gründe für diese Entscheidung stand die Sprachausbildung an erster Stelle. Die Universität besteht im Jahr 2007 seit 15 Jahren. Das Sprachenzentrum kann somit auf 15 Jahre Erfahrung mit der Integration einer Fremdsprachenausbildung in das Fachstudium zurückblicken. Auf die Herausforderungen, die eine solche Verzahnung für die Universität insgesamt, für Studierende, Fachvertreter und die Mitarbeiter der Sprachenzentren mit sich bringt, werde ich weiter unten eingehen. Wie wohl die Mehrzahl deutscher Hochschulen bietet auch die Viadrina sowohl fremdsprachige Studiengänge als auch fremdsprachige Veranstaltungen innerhalb von deutschsprachigen Studiengängen an. Es gibt an der Europa-Universität zwei fremdsprachige Studiengänge. Zum einen sind dies der Studiengang "International Business Administration", ein BA-Studiengang der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, der englischsprachig beginnt und im Verlauf mehr und mehr deutschsprachige Elemente enthält, und der bilinguale Studiengang „German and Polish Law" der juristischen Fakultät, dessen Unterrichtssprachen, anders als dies sein englischer Name suggeriert, Polnisch und Deutsch sind. Hinzu kommt der Studiengang „Master of European Studies" der Fakultät für Kulturwissenschaften, in dem deutsche, englische, französische und polnische Lehrveranstaltungen angeboten werden und in dem Studierende ihre Abschlussarbeit in einer der vier Sprachen schreiben können. In allen Studiengängen ist die Ausbildung in mindestens zwei Fremdsprachen obligatorisch. 5. Herausforderungen der integrierten Sprachausbildung und der Sprachvermittlung in internationalen Studiengängen Fremdsprachen als obligatorisches Element in Studiengänge zu integrieren bedeutet, dass Studierende nicht nur zu Beginn des Studiums Fremdsprachenkenntnisse, z.B. Deutschkenntnisse bei Ausländern durch die DSH oder Goethe-Diplome oder Englischkenntnisse durch TOEFL oder IELTS, nachweisen müssen, sondern dass Fremdsprachenkenntnisse auch zur Zulassung zur Bachelor- oder Masterprüfung gefordert werden. Dies setzt voraus, dass Studierende gute Vorkenntnisse in Schulsprachen, positive Sprachlernerfahrungen und vor allen Dingen eine entsprechend hohe Motivation zum Lernen weiterer Fremdsprachen mitbringen. Darüber hinaus müssen auch die Lehrenden in den StulFL111llL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 193 diengängen von der Mehrsprachigkeit als entscheidendem Element des Absolventenprofils überzeugt sein, damit für die Studierenden das Lernen von Fremdsprachen nicht, ähnlich wie in der Schule, eine völlig separate Veranstaltung bleibt, die mit dem eigentlichen Fachstudium in keiner Weise verbunden ist. Hierbei bewährt sich oft die Kooperation zwischen Dozenten aus dem Fach und aus dem Sprachenzentrum bei der Konzipierung und Durchführung gemeinsamer Lehrveranstaltungen in der Fremdsprache. Dadurch wird das oft von Studierenden kritisierte „Trockenschwimmen" in Sprachkursen, d.h. die Kommunikation um des Sprachenlernens und nicht um des Austauschs von authentischer Information willen, vermieden. Darüber hinaus müssen die Lehrenden im Fachstudium stärker als bisher für die Erfordernisse des Spracherwerbs und des Trainings akademischer, kommunikativer Fertigkeiten sensibilisiert werden. Sonst geschieht es, dass in einer „Parallelwelt" am Sprachenzentrum akademische kommunikative Fertigkeiten wie z.B. Argumentieren, Präsentieren, Paraphrasieren, Zusammenfassen eingeübt und verfeinert werden, dass Studierenden im Fachstudium dann aber nicht unbedingt „examples of good practice" vorgeführt und dass sie weder korrigiert noch kritisiert werden, wenn ihre sprachlichen, kommunikativen Leistungen nicht den Normen akademischer Kommunikation entsprechen. Die verschiedenen Akteure an der Hochschule sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie auch für die Ausbildung der kommunikativen Fertigkeiten der Studierenden verantwortlich sind, ungeachtet des Faches, das sie unterrichten. Im Idealfall ist diese Verpflichtung in einer ausformulierten universitären Sprachenpolitik festgehalten. Geradezu prototypisch könnte man die Formulierung der universitären Sprachenpolitik an der finnischen Universität Jyväskylä (siehe http: / / www.jyu.fi/ hallinto/ strategia/ politiikat/ JY_ languagepolicy.pdf, letzter Zugriff am 27.8.2007) nennen. Hier wird zum einen sehr explizit auf die Pflege der Muttersprache Finnisch eingegangen, dann aber auch sehr dezidiert auf die Verantwortung aller Hochschulangehörigen für Kommunikation und Sprache insgesamt hingewiesen: Language competence is eine of the basic competences of academically trained persons. In addition to language and communication skills, language education at the University also aims at illuminating language's importance as an integral element of students' future activities in their field. Increased language awareness is therefore an important constituent in all degree programmes. Since knowledge is constructed and processed through language, all university teachers are also language teachers. When engaged in teaching, assessment, and tutoring, every teacher who feels responsible for his or her own field pays attention to the interrelationship between subject matter and linguistic expression. (JYVÄSKYLÄ LANGUAGE POLICY: 1) Dies bedeutet, dass auch die Lehrenden über die Art und Weise reflektieren, wie sie kommunizieren und wie sie den Studierenden helfen können, ihre kommunikativen Fähigkeiten sowohl in der Mutterals auch in der Fremdsprache weiterzuentwickeln. Dies gilt natürlich im besonderen Maße für Lehrende in internationalen Studiengängen, die Studierende unterrichten, bei denen die Unterrichtssprache nicht die Muttersprache ist. Fakultäten und Sprachenzentren sollten hier in Kooperation Weiterbildungsprogramme für Lehrende entwickeln und anbieten und sich dabei auch über das Tabu hinwegsetzen, das oft die Diskussion um die Fremdsprachenkenntnisse der Hochschullehrer erschwert. lFlLIIL 36 (2007) 194 Thomas Vogel Die Integration der Fremdsprachenausbildung in Studiengänge bedeutet auch eine höhere Anforderung an Studierende, denen oft nur schwer zu vermitteln ist, dass sie in Betriebswirtschaftslehre nicht nur an Mathematik oder Statistik, sondern auch an ihren mangelhaften Ergebnissen in Fremdsprachen im Studium scheitern können. Dies führt sehr oft zu einem hohen Druck von Seiten der Studierenden, aber auch der Lehrenden in den Studiengängen, denen die Einsicht in diese Konsequenz der Integration von Fremdsprachen fehlt. Hier ist zwingend erforderlich, dass die Studierenden zu Studienbeginn intensiv beraten werden. Dabei sollten gerade die Fremdsprachenlehrer an der Hochschule zusammen mit Studierenden über die Unterschiede zwischen dem Lernen von Fachinhalten und dem Lernen von Fremdsprachen reflektieren, damit ein Bewusstsein für den Prozess des Fremdsprachenerwerbs bei den Lernern entsteht. Fremdsprachenlernen lässt sich sehr selten beschleunigen bzw. fehlende Kenntnisse lassen sich nicht quasi über Nacht aneignen. Bei der Kommunikation zwischen „Fach" und „Sprache" werden oft die unterschiedlichen Vorstellungen von der Rolle, den Zielen, aber auch den Methoden der Sprachvermittlung deutlich. Sprachvermittlung in Sprachenzentren an der Hochschule wird oft als „zweite Wahl des Sprachenlernens" verstanden. Als „erste Wahl" hingegen werden Auslandsstudium, Auslandspraktika und eben Lehrveranstaltungen in einer Fremdsprache verstanden. Im besten Falle erwarten Lehrende im Fachstudium vom Sprachenzentrum studienbegleitende Tutorien zu fremdsprachigen Texten, die sie in ihren Lehrveranstaltungen verwenden. Das ganze Spektrum akademischer kommunikativer Fertigkeiten und auch interkultureller Fähigkeiten ist dabei oft nicht im Blick. Im Übrigen sehen auch Studierende fremdsprachige Lehrveranstaltungen sehr oft als „Immersionsunterricht", d.h. sie wählen eine fremdsprachige Lehrveranstaltung nicht wegen des thematischen Schwerpunktes, sondern weil sie dort z.B. ihre Englischkenntnisse erweitern möchten. Das Sprachenzentrum wird dann durch die Studierenden gebeten, diese Lehrveranstaltungen im Rahmen der Fremdsprachenausbildung als Leistung anzuerkennen. Dies wird von den Fächern unterstützt, weil man entweder ohnehin keine hohe Meinung von der Sprachausbildung im Sprachenzentrum hat oder weil man die Studierenden bei der Reduzierung der Stundenbelastung unterstützen möchte. Vor allen Dingen ausländischen Lehrenden, native speakers, ist diese Funktion ihrer Lehrveranstaltung entweder nicht bewusst oder sie fühlen sich in ihrer fachlichen Kompetenz nicht ernst genommen. Sprachunterricht und Fachunterricht unterscheiden sich nicht nur in Thematik und Funktion, sondern vor allen Dingen in den Formen der kommunikativen Interaktion. Der Lehrende im Sprachunterricht versucht, durch die Schaffung von möglichst authentischen Kommunikationsanlässen, alle Lernenden dazu zu bringen, sich entweder mündlich oder schriftlich zu äußern. Lehrende in der Vermittlung des Faches hingegen, legen oft wenig Wert auf kommunikative Interaktion und sind in den Sozialformen relativ lehrerzentiert. Hier hat das Sprachenzentrum der Viadrina sehr gute Erfahrungen in der Kooperation mit diesen Lehrenden gemacht, entweder durch intensiven Gedankenaustausch oder durch gemeinsame Lehrveranstaltungen. Beide Gruppen, die Fachaber auch die Sprachlehrenden, können durch diesen Austausch voneinander lernen. Die „Verdichtung des Studiums" in den Bachelor-Studiengängen führt dazu, dass lFLlllL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 195 Sprache, Sprachvermittlung und kommunikative Fähigkeiten eher wieder in den Hintergrund treten. Sowohl die Auffrischung und Erweiterung bereits vorhandener Fremdsprachenkenntnisse als flUCh der Erwerb neuer Fremdsprachen setzt Zeit voraus, Zeit, die die Studierenden aufgrund voller Stundenpläne und zusätzlicher Praktika immer weniger haben. Und so spiegelt die Äußerung eines Studierenden in einem Interview der Studie des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Kassel die Situation vieler Studierender an deutschen Hochschulen wieder: Schließlich werden die Bachelor-Absolventen erleben, dass nach Leuten gesucht wird, die schnell studiert haben, Berufserfahrung haben, zwei Fremdsprachen können und obendrein für das Fachgebiet spezialisiert sind. Und das alles soll man innerhalb von wenigen Jahren schaffen. Das ist unmöglich. Diese Wünsche kann niemand befriedigen ... Die Leute, die wirklich aus solchen Schnellabschlüssen herauskommen, können diese Qualifikationen per se nicht aufweisen. (ALESI [et al.] 2005: 88) Dies bedeutet für die Curriculumsentwicklung und für die Praxis der Sprachausbildung, dass die Vermittlung der Fremdsprache sich möglichst eng mit dem Fachstudium verzahnen muss. Dies erfordert ein Umdenken bei den Studierenden. Aufgrund schulischer Erfahrungen tun sie sich häufig schwer mit der Integration des Fremdsprachenlernens in ihr Studium und auch in den studentischen Alltag. Ihnen fehlen oft autonome Strategien zur Erweiterung ihrer Fremdsprachenkenntnisse. Die schulische Wissens- und Fertigkeitsvermittlung ist noch zu sehr parzelliert, zu wenig vernetzt und sie vermittelt sehr selten die Strategien, die zum lebenslangen Lernen ohne Lehrer und Klassenzimmer befähigen. Dadurch fallen innovative Ansätze, wie der Projektansatz der Fremdsprachenvermittlung, die die Arbeit an fachspezifischen Projekten mit einer Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse verbinden, nicht immer auf den fruchtbaren Boden, den der Fremdsprachenlehrer sich wünscht. Die Gründe dafür beschreiben LIT1LE/ USHIODA (2000: 49): [...] project work obliges students to play a central role in organising and managing their own learning. Inevitably, students do not always find it easy to take charge of their learning in this way, and many find it difficult to free themselves from their traditional dependency on the teacher. Hier haben Sprachenzentren eine pädagogische Aufgabe, die meines Erachtens weit über den Bereich der Sprachvermittlung und des Fremdsprachenlernens hinaus reicht. Das Prinzip des „Lebenslangen Lernens" macht die Entwicklung von Strategien erforderlich, die das Lernen auch ohne Lehrende ermöglicht. Für viele Studierende bietet hier die Hochschule und dort vor allen Dingen das Sprachenzentrum die letzte Möglichkeit, über den eigenen Lernstil zu reflektieren. Dazu ist es jedoch notwendig, das Lernen explizit zu thematisieren. Das Lernerportfolio im Fremdsprachenunterricht liefert dazu das geeignete Instrument. Durch den Gebrauch des Portfolios trainieren die Lerner vor allen Dingen die Selbsteinschätzung der eigenen Kenntnisse, sie setzen sich selbst erreichbare Ziele und sie dokumentieren das Erreichte auch für mögliche Dritte, z.B. spätere Arbeitgeber. Meines Erachtens sollten gerade die Hochschulsprachenzentren die Möglichkeiten nutzen, die in diesem Zusammenhang das eigens für Hochschulen entwickelte Portfolio des Europäischen Dachverbandes der Hochschulsprachenzentren CercleS (siehe LITTLE 2005) bietet. Die internationalen Studiengänge haben vor allen Dingen im Bereich Deutsch als JFLIIL 36 (2007) 196 Thomas Vogel Fremdsprache an den Sprachenzentren große Veränderungen bewirkt (vgl. MOTZ 2005). Bestand die Hauptaufgabe dieses Bereichs bislang vornehmlich in der Vorbereitung und Durchführung der Deutschen Sprachprüfung zum Hochschulzugang (DSH) und vereinzelten studienbegleitenden, fakultativen Kursen, so ist er nun mit Studierenden aus internationalen Studiengängen konfrontiert, die ohne oder nur mit geringen Deutschkenntnissen an deutsche Hochschulen kommen. Da viele internationale Studiengänge davon ausgehen, dass im Laufe des Studiums entweder Deutschkenntnisse bis mindestens Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erworben werden sollen, gleichzeitig die Ansprüche des Faches nicht zu kurz kommen dürfen, ist gerade im Bereich Deutsch als Fremdsprache die enge Verzahnung von Sprachunterricht und Fachstudium erforderlich. Dies bedeutet auch, Modelle zu entwickeln, die es ermöglichen, fachsprachliche Elemente schon vor dem Erreichen der Niveaustufe B2 in die Fremdsprachenvermittlung zu integrieren. Meine Erfahrung an der Viadrina zeigt, dass gerade die ausländischen Studierenden der internationalen Studiengänge an der Zertifizierung . ihrer Deutschkenntnisse interessiert sind. Sie möchten damit zukünftigen Arbeitgebern zeigen, dass sie in Deutschland neben Fachauch Sprach- und Kulturkenntnisse erworben haben. 6. Die Chancen von UNicert® in internationalen Studiengängen Meines Erachtens bietet das UNicert®-System einen geeigneten Rahmen, um die oben beschriebenen Herausforderungen der Fremdsprachenvermittlung unter den Bedingungen der Internationalisierung der Studiengänge gezielt annehmen zu können. Vor allen Dingen kann es eine Grundlage für die Kommunikation zwischen „Sprache" und „Fach" bilden, die sehr oft durch Stereotypen und falsche Erwartungen auf beiden Seiten geprägt ist. Die folgenden Faktoren sprechen in diesem Zusammenhang für die Integration von UNicert® in internationale Studiengänge: 1. Für den Bereich der Masterstudiengänge sind UNicert®-Zertifikate geeignete Nachweise für hochschuladäquate Fremdsprachenkenntnisse. 2. Dadurch, dass die Niveaustufen klar definiert und zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen in Beziehung gesetzt sind, wird eine genaue Bestimmung der Ziele der Sprachausbildung ermöglicht und gleichzeitig durch die in der Rahmenordnung von UNicert® festgelegten Semesterwochenstunden Hinweise auf den Zeitraum gegeben, in dem diese Ziele erreichbar sind. 3. Wenngleich der Rahmen vorgegeben ist, in dem sich eine akkreditierte Sprachausbildung bewegen muss, so gibt es genügend Spielraum zur inhaltlichen Ausfüllung und fachlichen Orientierung der einzelnen Niveaustufen, die den Bedürfnissen der Institution angepasst werden können und vor Ort zwischen „Sprache" und "Fach" ausgehandelt werden muss. Im Idealfall kann dies dazu führen, dass die Trennung zwischen Sprach- und Fachunterricht aufgehoben werden kann und die Studierenden ihre Leistungen sowohl für die Sprachals auch für die Fachausbildung angerechnet bekommen. lFILl! lL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 197 4. Durch das Akkreditierungsverfahren wird die überinstitutionelle Qualität der Sprachausbildung gesichert. Akkreditierungsverfahren für Studiengänge sind relativ neu. Es gibt jedoch an allen Hochschulen ein großes Verständnis für den Sinn von Akkreditierungsverfahren zur Qualitätssicherung. Dies führt dann oft zu einer deutlichen Erhöhung des Status der Sprachausbildung. 5. Für den Bereich Deutsch als Fremdsprache bietet sich die Möglichkeit, ausländischen Studierenden studienbegleitende Leistungen zu zertifizieren und damit einen Mehrwert der Sprachausbildung zu erreichen. Auch hier hat das in seiner Niveaustufenbeschreibung hochschulübergreifende, in seiner inhaltlichen Ausfüllung jedoch institutionenspezifische UNlcert®-Zertifikat einen großen Vorteil gegenüber anderen Zertifikaten und Diplomen, die an Rahmen gebunden sind, die nicht im Zusammenhang mit dem Fachstudium an einer bestimmten Universität in Deutschland stehen. 6. Durch die Zertifizierung aufNiveaustufe UNicert®I wird den Studierenden ein realistisches, erreichbares Ziel der Sprachausbildµng vorgegeben. Dadurch werden das Erlernen von auch weniger unterrichteten und gelernten Sprachen und insgesamt die Mehrsprachigkeit der Studierenden gefördert. 7. Perspektiven: Zur Verzahnung von Praxis und Forschung Ich habe oben und an anderer Stelle (VOGEL 2005a) darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige Hochschulreform ein günstiges Umfeld für die Sprachenzentren bietet. Nicht zuletzt hat der Bolognaprozess auch zur Gründung von neuen Hochschulsprachenzentren in Deutschland beigetragen. Nun gilt es, auf dieses neue Umfeld zu reagieren und neue Konzepte zu entwickeln. Sprachenzentren haben, oft anders als die durch ministerielle Vorgaben gebundenen Schulen, die Möglichkeit als didaktisches Laboratorium zu wirken, in dem neue Modelle des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen entwickelt, erprobt und implementiert werden können. Dies setzt jedoch eine ständige, auch wissenschaftliche Evaluation der Vermittlungspraxis voraus. Konkret bedeutet dies, dass anwendungsbezogene Forschung ein wesentliches Element der Arbeit von Fremdsprachenzentren sein muss. Ob diese immer vom Sprachenzentrum allein geleistet werden kann, hängt von den entsprechenden Bedingungen vor Ort ab. In jedem Fall sollte sich die fachdidaktische Forschung aufgerufen fühlen, sich stärker als bisher mit den Entwicklungen der Sprachausbildung an der Hochschule zu befassen. Die Kommunikation zwischen den Praktikern an den Sprachenzentren und der fachdidaktischen Forschung lässt bislang allerdings zu wünschen übrig (vgl. VOGEL 2005b). Hier sind immer noch sehr voneinander getrennte Parallelwelten zu beobachten, in der die einen zu wenig Praxisbezug der Forschung beklagen und die anderen sich darüber grämen, dass sie von der Praxis nicht zur Kenntnis genommen werden. Auf Statusfragen, die dabei eine wesentliche Rolle spielen, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Die folgenden Fragestellungen scheinen mir für eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Vermittlungspraxis an der Hochschule geeignet zu sein: IFLIIL 36 (2007) 198 Thomas Vogel 1. Wie funktioniert Kommunikation in den englischsprachigen Studiengängen? Welchen Beitrag zum Spracherwerb der Studierenden leisten diese Studiengänge und welche Rolle können die Sprachlehrer dabei spielen? 2. Welche didaktische Weiterbildung benötigen Dozentinnen und Dozenten in englischsprachigen Studiengängen, damit nicht nur Fachinhalte, sondern auch kommunikative Fertigkeiten vermittelt werden können? Wie könnten Curricula für eine solche Weiterbildung aussehen? 3. Wie könnte Team-teaching von Fachwissenschaftlern und Sprachlehrern gestaltet werden? 4. Wie können die Vorstellungen über Kommunikation und Sprache von Studierenden, Fachwissenschaftlern, der Wirtschaft und Sprachlehrern in Übereinstimmung gebracht werden? 5. Welche Voraussetzungen muss ein Auslandsstudium erfüllen, damit es auch dem Spracherwerb dient? 6. Wie kann durch neue Unterrichtsverfahren die knappe Zeit, die den Studierenden in den neuen Studiengängen zum Spracherwerb zur Verfügung steht, besser genutzt werden? Welche Modelle des autonomen Lernens sind in diesem Zusammenhang besonders viel versprechend? 7. Welche Testverfahren können sowohl Sprache als auch Inhalt valide bewerten? Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie umreißt nur die Fragestellungen, die gegenwärtig im Netzwerk der in der Sprachvermittlung an Hochschulen Tätigen vorrangig diskutiert werden. Die Antworten sollten in gemeinsamen Kooperationsprojekten zwischen anwendungsbezogener Forschung und Sprachvermittlung gefunden werden. Es geht letztendlich um ein gemeinsames, anspruchsvolles Ziel: die Vorbereitung der Studierenden auf den globalen Arbeitsmarkt. Literatur ALESI, Bettina/ BÜRGER, Sandra / KEHM, Barbara M. / TEICHLER, Ulrich (2005): Bachelor- und Master Studiengänge in ausgewählten Ländern Europas im Vergleich zu Deutschland. Fortschritte im Bolognaprozess. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. (http: / / www.uni-kassel.de/ incher/ pdf/ bachelor_master__gesamt.pdf, letzter Zugriff am 27.8.2007). GRÜNDUNGSSENAT DER EUROPA-UNIVERSITÄT VIADRINA Frankfurt (Oder) (1992): Denkschrift zur Gründung der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Frankfurt (Oder). JAHR, Volker/ SCHOMBURG, Harald/ TEICHLER, Ulrich (2002): Internationale Mobilität von Absolventinnen und Absolventen europäischer Hochschulen. Werkstattberichte - Band 61 Wissenschaftliches Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Kassel. (http: / / www.uni-kassel.de/ wz1/ v_pub/ v_wb61.pdf, letzter Zugriff am 27.8.2007). LITTLE, David/ USHIODA, Ema (2000): "LSP, LAP and institution-wide language programmes: a theorydriven case study". In: RUANE, Mary/ 6 BAOILL, D6nall P. (Hrsg.) (2000): Integrating Theory and Practice in LSP and LAP. Dublin: Applied Language Centre, University College Dublin, 43-57. lFLIJIL 36 (2007) Wie kommen Fach und Sprache zusammen? Die Integration der Fremdsprachenausbildung... 199 LITTLE, David (2005): "Learner autonomy and language learning at university: A role for the European Language Portfolio in research and development". In: 6 DUILL / ZAHN / HöPPNER (Hrsg.), 305-319. MOTZ, Markus (2005): "Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht in internationalen Studiengängen". In: GEBERT, Doris (Hrsg.) (2005): Innovation aus Tradition. Dokumentation der 23. Arbeitstagung 2004. Bochum: AKS, 235-248. 6 DUILL, Micheal. / ZAHN, Rosemary / HÖPPNER, Kristina D.C. (Hrsg.) (2005): Zusammenarbeiten. Eine Festschrift für Bernd Voss. Bochum: AKS. VOGEL, Thomas (2005a): "Zentrum oder Peripherie: Die Sprachenzentren an Hochschulen in Deutschland in einer sich verändernden Landschaft". In: 6 DUILL / ZAHN/ HöPPNER (Hrsg.), 437-456. VOGEL, Thomas (2005b): "Grau teuerer Freund ... ' - Der Beitrag der Wissenschaften zur Kunst des Fremdsprachenlehrens". In: PÜRSCHEL, Reiner/ TINNEFELD, Thomas (Hrsg.) 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