Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
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Narr Verlag Tübingen
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2007
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Gnutzmann Küster SchrammFrauke INTEMANN, Frank G. KÖNIGS (Hrsg.): Ach!texte - Didak-Tick der modernen, unmodernen und außerirdischen Sprachen. Eine etwas andere Festschrift für Claus Gnutzmann zum 60. Geburtstag (und zu allen weiteren). Bochum: AKS-Verlag 2006 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; 41), XX + 229 Seiten [25,- € ]
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2007
Wolfgang Börner
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 249 fragen und Weiterarbeiten. Ob das Lakunenmodell mit seiner vielfachen Ausdifferenzierung (mentale Lakunen, Tätigkeitslakunen, Gegenstandslakunen und weitere Unterkategorien) für solche Analysen wirklich eine bessere Basis darstellt als ethnomethodologische Zugänge, erscheint mir fraglich. Es wird eine Vielzahl von Beispielen angeführt, die das Lakunenmodell verdeutlichen sollen. Im Sinne der kontrastiven Linguistik, dass es absolute Äquivalenzen in verschiedenen Kulturen zumindest im konnotativen und assoziativen Bereich nicht gibt, könnten wohl potenziell alle Teilbereiche der interkulturellen Kommunikation als Lakunen identifiziert werden. Das wäre sicherlich nicht im Sinne von ERTELT-VIETH. Sie zeigt aber nicht die Grenze auf, von der ab es keinen Sinn mehr machen würde, zwischensprachliche Phänomene als Lakunen zu identifizieren. Positiv zu beurteilen ist, dass diese Studie die interkulturellen Wahrnehmungsprozesse sehr konkret und ausführlich darstellt. Es wird deutlich, welche Bilder die russischen Schüler vom Gegenüber und auch von sich Selbst haben. ERTELT-VIETH kann zeigen, wie die Erfahrungen während des Austausches die Bilder und damit die interkulturelle Kommunikation verändern. Leider ist das Buch einerseits durch eine Überfrachtung mit theoretischen Ausführungen, andererseits durch eine teilweise breite Darstellung von Nebensächlichkeiten nicht einfach zu lesen, so dass es wahrscheinlich nur wenige interessierte Experten auf dem Gebiet der Russistik und der interkulturellen Kommunikation erreichen wird. Das ist bedauerlich, denn die von ERTELT-VIETH zusammengetragenen Erkenntnisse für den deutsch-russischen Sprach- und Kulturkontakt decken Besonderheiten nicht nur der russischen, sondern auch der deutschen Kultur auf, und man würde sich wünschen, dass diese Erkenntnisse auch von einem breiteren Publikum rezipiert würden. Essen RUPPRECHT S. BAUR Frauke INTEMANN, Frank G. KÖNIGS (Hrsg.): Ach/ texte - Didak-Tick der modernen, unmodernen und außerirdischen Sprachen. Eine etwas andere Festschrift für Claus Gnutzmann zum 60. Geburtstag (und zu allen weiteren). Bochum: AKS-Verlag 2006 (Fremdsprachen in Lehre und Forschung; 41), XX+ 229 Seiten [25,- €] Die Institution Festschrift ist bekanntlich eine deutsche akademische Erfindung und als solche eine überaus ernsthafte Angelegenheit. Von gewissem Unterhaltungswert mögen vielleicht manche selbstdarstellungskünstlerischen Abbilder der Gelehrten sein, die den Bänden vorangestellt werden, aber sonst gibt es bei der Lektüre von Festschriften wenig zu lachen. In die daraus resultierende Publikationslücke stößt nun beherzt der hier zu besprechende Band. Die Herausgeber wünschten sich bei seiner Planung von den Beiträgern Satiren auf den Wissenschaftsbetrieb und die in ihm Tätigen. Dass mit dieser Idee gerade Claus GNUTZMANN geehrt werden sollte, ist sicherlich kein Zufallabgesehen von seiner nachgewiesenen individuellen Humorkompetenz ist er fachlich einer Sprache und Kultur verpflichtet, für die Selbstironie ein hohes Gut ist. Den Rezensenten freut's, hat er doch ein ganz anderes als sonst geartetes Vergnügen bei der Lektüre dieser Festschrift. Dieses Vergnügen ist allerdings notwendigerweise selektiv. Festschriftbeiträge werden angefordert, nicht aber aus eigenem Antrieb geschrieben, sie erfüllen einen sozialen Zweck und dürfen, wenn ein ordentlicher Band zustande kommen soll, nicht zu kurz sein. Das damit auch bei seriösen Festschriften drohende Qualitäts- und Homogenitätsproblem verschärft sich, wenn Satire gewünscht wirdnicht jeder ist ein Tucholsky und auch dieser war umso besser, je kürzer er schreiben durfte. So haben sich denn einige Beiträger aus sicherlich achtbaren Gründen dem Wunsch nach Ironie versagt und eher vergangene Gemeinsamkeiten mit dem Jubilar thematisiert. Andere entwickelten durchaus vergnügliche Ideen (Fremdsprachenunterricht im Star-Trek-Weltraum, von lFILlllL 36 (2007) 250 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel Tieren für Menschen oder unter Wasser durchgeführt), die aber an Schwung verlieren, wenn sie nach allen Regeln der fachlichen Logik auf 8, 10 oder gar 27 Seiten durchkonjugiert werden. Bei allem Respekt vor dem dahinter stehenden Scharfsinn, dem Engagement und der Sympathie für den Jubilar wird sich der Rezensent in seiner folgenden Aufzählung daher auf die Beiträge beschränken, die er vollkommen subjektiv besonders amüsant findet, weil sie nicht nur eine zündende Ausgangsidee haben, sondern diese auch in vielerlei inhaltlich oder sprachlich ausgefeilten überraschenden Variationen umsetzen. Was gibt es da im Einzelnen? Eva BURWITZ-MELZER und Jürgen QUETZ parodieren den Ablauf der Rauischholzhausener Frühjahrkonferenz so punktgenau, dass hinter den fiktiven Redebeiträgen bekannte Stimmen und Gesichter von Kolleg(inn)en aufscheinen; sie selber liefern die materielle Grundlage dafür mit einem authentischen und genauso komischen Unterrichtstranskript. Friederike KLIPPEL fordert in reinster Projektantrags-Prosa eine neue präkommunikative Fremdsprachendidaktik angesichts der Tatsache, dass die Kommunikationskanäle der Schüler, verstopft durch MP3-Player, Handy-Display und Kaugummi, erst einmal in interdisziplinärer Arbeit frei geräumt werden müssen, bevor der eigentliche Fremdsprachenunterricht wirksam werden kann. Angelika KUBANEK betätigt sich als sensible Archäologin des Braunschweiger Universitätsalltags und spürt, mit der Kamera bewaffnet, allerlei lieux de memoire nach, an denen man - und wohl auch der Jubilar meist achtlos vorbeigeht: Uhren, die verschiedene Zeiten anzeigen, Schienen ins Nirgendwo und Institute, die als Bedürfnisanstalten firmieren. Der sympathische Kollege mit dem ebenso furchteinflößenden wie durchsichtigen Pseudonym „Theodericus Lupus" belegt in 38 Kurzkapiteln, von eigener Erfahrung anf allen Entscheidungsebenen der Universität gestützt, die These, dass der Universitätsroman keine fiktionale Gattung sei, sondern bestenfalls ein Sachtext, weil die Wirklichkeit, die er abbilde, viel absurder sei als dies in einem Roman jemals geschildert werden könne. Der Rezensent, der den von Lupus mehrfach zitierten Campus-Roman von Dietrich Schwanitz ebenso gut kennt wie die darin beschriebene Universität, stimmt zu. Der Romanist Manfred RAUPACH outet sich überraschend als Nordlicht und propagiert das ostfriesische Platt als optimale lingua franca für die Entwicklung von Sprachbewusstheit, Meersprachigkeit und Teesorten-Gebrauch; der Autor, der bekanntlich auch im echten Leben keinem Scherz aus dem Wege geht, reichert seine These durch eine Vielzahl von motivierenden, meist leichtverständlichen Kurztexten an. Barbara SEIDLHOFER und Henry WIDDOWSON weisen in einem elegant geschriebenen literarhistorischen Beitrag nach, dass Percy Shelley einen ägyptischen Dichter des 19. Jahrhunderts plagiiert hat, der fehlerhaftes, aber poetisches Englisch schrieb, was einerseits allerlei Reflexionen über frühe Belege von Englisch als lingua franca erlaubt, andererseits Henry Widdowson wieder einmal die Gelegenheit gibt, ein Gedicht zu verfassen. Die Darstellung ist so überzeugend, dass eigentlich nur selbst gelegte diskrete Spuren (z.B. eine italienische Autorität namens Umberto Nomerosa) den Verdacht auf eine Mystifikation im Stile von Antonia Byatts Possessed erhärten. Rüdiger ZIMMERMANN begrüßt auf Englisch einen Gastvortragenden namens Claus Gnutzmann und lässt dabei einen wahren Regen von Kalauern, Namensverdrehungen und schiefen Metaphern sowohl auf den Geehrten wie pele-mele auf die allgemeine, kognitive und angewandte Linguistik, die Psycholinguistik und die Fremdsprachendidaktik niederprasseln. Wolfgang ZYDA Tiß schließlich hat nicht weniger als ein fünfaktiges Thesen- Dramolett geschrieben, in dem ein Fremdsprachendidaktiker und eine Vertreterin der KMK über die neuen Bildungsstandards streiten. Dem Helden (offenbar Zydatiß selber) kommt zwar nach einem fulminanten ersten Akt der Humor gänzlich abhanden, dafür endet das Drama aber mit der (leider nur geträumten) Bekehrung der Funktionärin. Satire ist die Waffe des pfiffigen Schwachen gegen den tumben Starken. Wer findet sich nach Ausweis der Festschrift-Beiträge in der Rolle des Letzteren? Natürlich zunächst die üblichen Verdächtigen: die Universitäts-Verwaltung und die Ministerien für Wissenschaft und Kultus. Parodiert werden deren Emanationen in den eigenen Verwaltungsalltag: Kommissionsarbeit, JFLlllllL 36 (2007) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 251 Studiengang-Entwicklung, Projekt-Anträge und Gutachten. Zweimal wird aber auch eine Einrichtung parodiert, die die Fremdsprachenforscher selber erfunden haben, nämlich die Frühjahrskonferenz in Rauischholzhausen mit ihren teilweise bizarren Kommunikationsritualen, die breiten Raum für Ego und Grundsätzliches bieten. Verspottet werden dort wie auch in manchen anderen Beiträgen die Wissenschaftskommunikation mit ihrem der Realsatire ohnehin oft nahen Fachjargon sowie die Wissenschaftler selber. Kaum in den kritischen Blick geraten die akademische Lehre sowie die Studierenden, nur Lupus erwähnt sie kurz. Gänzlich ausgespart werden wirklich strittige oder ideologiehaltige Fachinhalte. Schade, Themen wie Frühbeginn, Interkulturalität oder die derzeit anschwellende task-mania hätten sicher Stoff für Ironie geboten. Insgesamt jedoch bietet der Band einen amüsanten Rundgang durch die Beschwernisse und Widersprüche unserer Disziplinen. Ein Schlusswort zum Jubilar selber. Er erscheint implizit oder explizit als Adressat der Beiträge, die seine Vita oder seine Forschungsgegenstände aufgreifen. Zuweilen wird er auch mit neuen Namen belegt, unter denen insbesondere der assoziationsreiche Clause Nutsman hervorsticht. Ferner findet sich, wie es der Brauch will, eine umfassende Bibliographie seiner Publikationen. Und schließlich, d.h. einleitend, gibt es sein Bild, nein, gleich zwei Bildnisse unseres Jubilars: als langhaarigen jungen Mann offensichtlich aus den 80-er Jahren, und als einen reiferen Wissenschaftler der Gegenwart. Dieses zweite Foto gehört mit zum Schönsten des ganzen Bandes: wir sehen auf ihm einen Claus Gnutzmann in sträflingshaft gestreifter Kleidung, mit Kassenbrille, misstrauischem Blick und schiefem Lächeln. Wer es schafft, sich so feiern zu lassen, hat zusammen mit seinen Herausgebern einen Sonderpreis verdient: Der Claus Gnutzmann gewidmete Band ist trotz starker Konkurrenz die fremdsprachendidaktische Festschrift mit dem schönsten Wissenschaftler-Konterfei der letzten Dekade. Applaus! Hamburg WOLFGANG BöRNER Petra PLlEGER: Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons. Konzepte für die mediengestützte Wortschatzarbeit. Berlin: LIT 2006 (Kommunikation und Kulturen. Cultures and Communication, Band 3), 286 Seiten. [24,90 €] Forschungen zum bilingualen mentalen Lexikon sind nicht nur besonders komplex, sondern für Sprachlehrforscher/ -innen und Fremdsprachendidaktiker/ -innen auch besonders spannend. Nicht zuletzt, weil man sich erhofft, aus den Ergebnissen zur Organisation und Funktionsweise des mentalen Lexikons begründete Empfehlungen für die Aneignung von Wortschatz ableiten zu können. Die Verfasserin will mit ihrer Dissertation einen Beitrag zum mediengestützten Wortschatzerwerb im Fremdsprachenunterricht leisten. Ziel ist es, "in der medialen Modellierung bilingualer semantischer Netze den Aufbau des mentalen Lexikons so zu simulieren, dass der Wortschatzerwerb dadurch effizient gefördert werden kann" (S. 1). Dabei orientiert sie sich am „Plädoyer für ein theoriebasiertes Verfahren von Software-Design und Software-Evaluation" von ROCHE (2003)1. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil, der die Kapitel 1 bis 6 umfasst, geht es um das mentale Lexikon in der Sprachverarbeitung und -aneignung. PLIEGER setzt sich in Kapitel 1 zunächst mit dem mentalen Lexikon im LI-Gebrauch auseinander. Als Ausgangspunkt dient ihr das psycholinguistische Sprachverarbeitungsmodell von LEVELT, in dem der Zugang zum mentalen Jörg RoCHE: "Plädoyer für ein theoriebasiertes Verfahren von Software-Design und Software-Evaluation". In: Deutsch als Fremdsprache 40.2 (2003), 94-103. lFLuL 36 (2007)