Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2009
381
Gnutzmann Küster SchrammSprachlernstrategieplakate
121
2009
Karen Schramm
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* Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Karen S CHRAMM , Universität Leipzig, Herder-Institut, Deutsch als Fremdsprache mit Schwerpunkt Didaktik/ Methodik, Beethovenstr. 15, 04107 L EIPZIG . E-mail: karen.schramm@uni-leipzig.de Arbeitsbereiche: Sprachlernstrategien, zweitsprachliches Lesen, Unterrichtsdiskursanalyse. 38 (2009) K AREN S CHRAMM * S pr a c hle rn s tr a t e gie pla k a t e Abstract. This paper explores the recommendation to use strategy posters for presenting new language learning strategies within a sequence of self-controlled strategy instruction. On the basis of six examples, it discusses criteria for strategy posters that allow to enhance the often incomplete oral explanations and modellings of language learning strategies provided by either learners or teachers. It also outlines recommendations on how to use strategy posters at the university level in language and teacher education. 1. Einleitung Aufgrund der inzwischen über dreißigjährigen Tradition der Sprachlernstrategieforschung (vgl. C OHEN / M ACARO 2007), die ihre Ausgangspunkte bei S ELINKER s Interlanguage- Hypothese (1972), R UBIN s (1975) Konzept „guter“ Sprachlernender und W ONG -F ILL - MORE s (1976) Dissertation zu sozialen und kognitiven Strategien beim kindlichen Zweitspracherwerb nahm, sind Sprachlernstrategien heute in den meisten fremdsprachlichen Curricula und Lehrbüchern sowie auch in den verschiedenen Versionen des Europäischen Sprachenportfolios fest verankert. Dennoch habe ich in der Lehrerbildung den Eindruck gewonnen, dass bei Fremdsprachenlehrenden Unsicherheiten bezüglich der konkreten Umsetzung entsprechender didaktischer Konzepte bestehen (vgl. auch T ÖNSHOFF in diesem Band). Aus diesem Grunde möchte ich im Folgenden in einem praxisorientierten Beitrag das Erklären und Modellieren von Sprachlernstrategien thematisieren und an verschiedenen Beispielen illustrieren. Wie in Abschnitt 2 ausgeführt wird, handelt es sich beim Erklären und Modellieren um einen Schritt aus einer umfassenden didaktischen Sequenz zum selbstkontrollierten Strategietraining. In Abschnitt 3 erläutere ich an Beispielen von Strategieplakaten, die von angehenden Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrenden erstellt wurden, Kriterien für gelungene Strategiepräsentationen. In Abschnitt 4 gehe ich anschließend der Frage nach, wie solche Strategieplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule und in der Lehrerbildung eingesetzt werden können. 2. Didaktische Sequenzen zur Strategievermittlung In der Fachdiskussion hat sich bereits seit vielen Jahren ein weitestgehender Konsens bezüglich der Vermittlung von Sprachlernstrategien dahingehend herausgebildet, dass das 108 Karen Schramm 1 CALLA = Cognitive Academic Language Learning Approach. 38 (2009) in den regulären Sprachunterricht integrierte Strategietraining einer isolierten Vermittlung vorzuziehen und dass eine selbstkontrollierte Strategieinstruktion im Vergleich zu einem blinden oder informierten Strategietraining effektiver ist (vgl. C HAMOT 2008; T ÖNSHOFF 1997; S CHRAMM 2008). So stehen auch seit über zehn Jahren entsprechende didaktische Sequenzierungsmodelle für selbstkontrolliertes Strategietraining zur Verfügung, die in der Regel mindestens die folgenden vier Schritte vorsehen: (1) Erhöhung der Bewusstheit bezüglich der bereits eingesetzten Strategien, (2) Erklärung und Modellierung von Sprachlernstrategien, (3) Übung und (4) Evaluation (vgl. R UBIN / C HAMOT / H ARRIS / A N - DERSON 2007: 142). Als ein Beispiel unter vielen sei das schon als klassisch zu bezeichnende fünfschrittige CALLA-Modell 1 (Abb. 1, vgl. auch C HAMOT 2005) angeführt, auf dem zahlreiche weitere Sequenzmodelle zur Strategieinstruktion beruhen (vgl. beispielsweise auch C OHEN 1998; G RENFELL / H ARRIS 1999; M ACARO 2001). Abb. 1: Das fünfschrittige CALLA-Modell zur Strategievermittlung von C HAMOT / O'M ALLEY (1994: 66) Im CALLA-Modell wurde die Darstellung in zwei Dreiecken gewählt, um zu verdeutlichen, dass sich die Verantwortung für den Lernprozess im Laufe der Strategieinstruktion von der Seite der Lehrperson immer stärker auf die Seite der Lernenden verschiebt. In der Phase der Vorbereitung obliegt es der Lehrperson, zu einem passenden Zeitpunkt ein im Kurs tatsächlich bestehendes Lernproblem aufzugreifen und den Austausch über Strategien zum Umgang mit diesem Problem anzuleiten. Für diese Phase der Strategieinstruktion eignen sich Fragebögen, Lerntagebücher und Gespräche; sie zielt insbesondere darauf ab, das strategische Vorwissen der Lernenden zu aktivieren. In der Präsentationsphase Sprachlernstrategieplakate 109 38 (2009) erfolgen anschließend die Erklärung und die Modellierung einer bis dahin noch unbekannten Lernstrategie; der Einsatz von Lernstrategieplakaten in dieser Phase soll im weiteren Beitrag genauer beleuchtet werden. Die dritte Phase ist der angeleiteten Übung gewidmet, wobei die Lerngerüste allmählich zu entfernen sind, bis die Lernenden die Strategie schließlich in automatisierter Form beherrschen. Erst zu diesem Zeitpunkt soll die Evaluation erfolgen, in der die Lernenden jeweils bewerten, als wie hilfreich sie die Strategie bei ihren Lernbemühungen erfahren haben und ob bzw. in welcher möglicherweise veränderten Form sie sie in ihr individuelles Strategierepertoire aufnehmen wollen. Den Abschluss der Übungssequenz bildet die fünfte Phase der Expansion, in der es darum geht, die Lernenden zum Transfer der Strategie in neue Handlungsfelder zu ermutigen. Wenn im Folgenden aus diesem Modell zur Strategieinstruktion nur der Einzelschritt der Erklärung und Modellierung zur weiteren Betrachtung herausgegriffen wird, so soll damit keinesfalls impliziert werden, dass diesem Schritt eine höhere Bedeutung im Vermittlungsprozess zukäme als der Vorbereitung, der Übung oder der Evaluation. Ganz im Gegenteil kann die Bedeutung dieser Phasen nicht genug betont werden, da sich Strategievermittlung in der Praxis noch allzu oft auf das informierte Training, also die bloße Erklärung von Strategien, beschränkt. Nichtsdestoweniger ist aber auch die gelungene Erklärung und Modellierung von Strategien essentieller Bestandteil einer erfolgreichen Strategievermittlung und soll deshalb Gegenstand der weiteren Betrachtungen sein. 3. Erklärungen von Sprachlernstrategien 3.1 Vom Lehrbuch-Strategiehinweis zum Sprachlernstrategieplakat Neuere Lehrwerke bieten hilfreiche Hinweise zu Strategien, die den Austausch über das Lernen anregen, unterstützen oder ergänzen können (s. auch Beispiele von T ÖNSHOFF in diesem Band). Eine umfassende Erklärung der Funktionsweise einer Sprachlernstrategie erfolgt bei solchen Lehrbuchhinweisen in der Regel jedoch nicht, sondern bleibt dem Austausch im Klassenzimmer vorbehalten, was aus didaktischer Perspektive im Hinblick auf die Ko-Konstruktion strategischen Wissens auch durchaus zu begrüßen ist. Wichtig erscheint, dass solche Lehrbuchhinweise von der Lehrperson nicht als hinreichende Erklärung missdeutet, sondern als Ausgangspunkt für eine gemeinsame Reflexion des Lernens genutzt werden. Umfassendere Strategieerklärungen sind, wie auch andere gelungene Erklärungen, ad hoc keinesfalls einfach zu formulieren. Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei, dass das Strategiewissen zunächst meist nur in prozeduraler Form vorliegt und erst nach einer entsprechenden Bewusstmachung in deklarativer Form (mehr oder weniger vollständig und zutreffend) verbalisiert werden kann. Es bedarf deshalb in der Regel einer genauen Vorbereitung einer Lernstrategieerklärung, sei es von seiten der Lehrperson oder von seiten der Lernenden; dazu möchte ich den Vorschlag, Sprachlernstrategieplakate einzusetzen, aufgreifen und vertiefen (vgl. O XFORD / S CHRAMM 2007: 51; R UBIN / C HAMOT / H ARRIS / A NDERSON 2007: 145). Sie bieten gegenüber der Flüchtigkeit von mündlichen Erklärungsversuchen den Vorteil der Dauerhaftigkeit, der sowohl für die durchdachte 110 Karen Schramm 38 (2009) Vorbereitung (und möglicherweise kontinuierliche Verbesserung) der expertenseitigen Erklärung als auch für die novizenseitige Benutzung des Plakats als Lerngerüst im Kursraum relevant ist. Im Folgenden möchte ich an konkreten Beispielen sechs strategiebezogene Kriterien für Lernstrategieplakate illustrieren, die in der Forschungsliteratur üblicherweise als wichtige Aspekte von Strategieerklärungen erachtet werden (vgl. bspw. B IMMEL 2006: 367; O XFORD / S CHRAMM 2007: 51; R UBIN / C HAMOT / H ARRIS / A NDERSON 2007: 145): (a) Benennung des Ausgangsproblems, (b) Zielbestimmung, (c) Strategiename, (d) Zerlegung der Strategie in Handlungsschritte, (e) Illustration durch ein Beispiel und (f) Auffächerung in Anfänger- und Profivariante. Darüber hinaus sollen vier weitere allgemeine Kriterien zur Gestaltung von Plakaten kurze Berücksichtigung finden: (g) sprachliche Einfachheit, (h) metaphorische Visualisierung, (i) ästhetische Gestaltung/ Klarheit und (k) humorvolle Elemente. Es handelt sich hierbei um eine offene Kriterienliste, die zunächst nur einen aus theoretischen Beiträgen und praktischen Erprobungen entwickelten Vorschlag darstellt und die in der Folge empirisch zu überprüfen sein wird. 3.2 Kriterien für Sprachlernstrategieplakate Die Benennung des Ausgangsproblems und die Zielbestimmung erscheinen deshalb wichtig, weil eine Strategie laut B IMMEL (2006: 363) in Anlehnung an W ESTHOFF (1991: 44) „ein Plan mentalen Handelns ist, um ein Ziel zu erreichen“. In der Tradition des Informationsverarbeitungsparadigmas werden Strategien deshalb typischerweise als „Wenn X das Ziel, dann Y ausführen“-Regeln modelliert (vgl. G ROTJAHN 1997; B IMMEL 2006: 363). Die Tatsache, dass man in der fremdsprachendidaktischen Diskussion in zahlreichen Strategielisten so genannter guter oder weniger erfolgreicher Lernender allzu häufig lediglich den Ausführungsaspekt Y aufgelistet und die Bedingung X dabei vernachlässigt hat (s. bspw. den Überblick über Lesestrategien in S CHRAMM 2001: 152-157), erscheint mir in theoretischer wie auch in praktischer Hinsicht gleichermaßen problematisch. In theoretischer Hinsicht ist anzumerken, dass die Problemanalyse und die Zielorientierung zum prototypischen Kern einer Strategie zu rechnen sind (G U 2005: 6); in praktischer Hinsicht erscheint vor allem relevant, dass der Erfolg der Ausführung eines mentalen Handlungsplans insbesondere von dessen bedingungsadäquatem Einsatz abhängt. Deshalb sind bei der didaktischen Erklärung von Sprachlernstrategien sowohl der metakognitive Ausgangspunkt (d.h. die problembehaftete Handlungskonstellation, vgl. R EHBEIN 1977) für die Ausführung einer bestimmten Handlung als auch das (Problemlösungs-) Ziel dieser Handlung anzugeben. Die in den Abbildungen 2-7 angeführten und im Folgenden genauer diskutierten Beispiele für Sprachlernplakate wählen dazu sprachliche Realisierungen mittels Fragen (wie beispielsweise „Möchtest Du Deine Aussprache verbessern? “ [Abb. 2] oder „Es fällt euch schwer, euch ein (zusammengesetztes) Wort einzuprägen? “, [Abb. 7]), mittels „um zu-Konstruktionen“ (wie beispielsweise „Um Zusammenhänge im Text zu finden und die wichtigsten Aussagen zu erkennen, ohne sich auf Details zu konzentrieren“ [Abb. 3]; „Gezielt Informationen zu bestimmten Fragen sammeln, um diese zusammenhängend zu verstehen und weiterverwenden zu können“ Sprachlernstrategieplakate 111 38 (2009) [Abb. 5]), mittels Kann-Beschreibungen (wie bspw. „Mit dieser Strategie kannst Du die Zusammenhänge im Text auf einem (sic! ) Blick erkennen und verstehen“ [Abb. 4]). Dabei wurde nur selten das Ausgangsproblem, öfter das Ziel der Strategie fokussiert. Da spezifische Ausgangsprobleme jedoch der Anlass für die Auswahl einer Strategie sind, wäre es wünschenswert, sie ebenfalls klar zu benennen. Auch graphisch lassen sie sich in einigen Fällen effektiv darstellen, wenn bspw. eine von Stress geplagte Person an einem überladenen Schreibtisch abgebildet wird, um eine metakognitive Strategie zum Zeitmanagement einzuführen (G LADYCHEVA / L UCHNIKOVA / S OROUR 2009 [keine Abbildung]). Der Strategiename wird häufig als wichtiges Element strategiebasierter Instruktion angeführt, weil man davon ausgeht, dass er die Kommunikation über den Strategieeinsatz, möglicherweise auch den Zugriff auf das abgespeicherte (zunächst nur deklarative) Strategiewissen erleichtert. Die Studierenden haben in ihren hier abgedruckten Plakatbeispielen für die Benennung der empfohlenen Strategie vorrangig Imperative (wie „Hör Dir zu! “) und Komposita (wie „W-Farben-Strategie“, „Ampelstrategie“, „KonBild-Strategie“ oder „Super! ! ! Strukturen“) gewählt. Bei dem in Abbildung 3 gezeigten Beispiel wurde beispielsweise auf der Grundlage der Lektüre von J IANG / G RABE (2007) der Fachterminus der Superstruktur für den strategischen Einsatz von so genannten graphic organizers übernommen und - mit Anklang an Werbestrategien - um die drei Anführungszeichen erweitert und so in einen Strategienamen verwandelt. Im Hinblick auf die Einprägsamkeit werden häufig auch metaphorische Namen wie „Ampelstrategie“ gewählt (vgl. Abb. 6). Abb. 2: Plakatbeispiel 1 (F ERREIRA / F LATH / R ODRÍGUEZ 2008) 112 Karen Schramm 38 (2009) Abb. 3: Plakatbeispiel 2 (G UNDERTAILO / P ANO / Z ABEL 2008) Abb. 4: Plakatbeispiel 3a (P EREZ A GUIRRE / S CHNITZLEIN 2009) Sprachlernstrategieplakate 113 38 (2009) Die Zerlegung in Handlungsschritte ist zentral für eine gelungene Erklärung der Strategie, wenn sie dem Novizen oder der Novizin ein Lerngerüst (scaffold) bieten soll; sie stellt aber für Lernende wie auch Lehrende häufig eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Die Schwierigkeit besteht dabei darin, das prozedurale Wissen des Sprachlernexperten in deklaratives Wissen zu überführen und die Gesamthandlung in einzelne Operationen oder hierarchisch untergeordnete Teilhandlungen zu zergliedern, damit der Novize diese Schritte - zunächst durch die deklarative Erklärung gestützt - üben und in einer späteren Phase in prozeduralisierter Wissensform automatisch ausführen kann. Charakteristisch ist, dass auch die mentalen Handlungsschritte beschrieben werden. So sind in Plakatbeispiel 1 (Abb. 2) beispielsweise äußerlich beobachtbare Handlungsschritte wie das Anhören oder Erstellen einer Tonaufnahme und mentale Handlungsschritte wie das Vergleichen der beiden Tonaufnahmen erfasst worden; Plakatbeispiel 2 listet ebenfalls mentale Handlungsschritte wie das Erkennen einer Superstruktur auf, die äußerlich nicht unmittelbar beobachtbar sind. Weiterhin erscheint die Illustration durch ein Beispiel wichtig, damit Novizen und Novizinnen sich unter den abstrahierten Handlungsschritten Konkretes vorstellen können. Das Plakatbeispiel 2 illustriert die Superstruktur ‚Problem-Lösung‘ an einem kurzen Beispiel aus einem Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrwerk für Anfänger; in diesem Beispiel wurden bestimmte Passagen mit Textmarker hervorgehoben, mit den Begriffen ‚Problem‘ und ‚Lösung‘ beschriftet und mit vier Pfeilen vom ‚Problem‘ in Richtung ‚Lösungen‘ markiert (vgl. Abb. 3). Weitere Beispiele sind in den (im Original) farbigen Markierungen bestimmter Informationen im Plakatbeispiel 3a und 3b (vgl. Abb. 4 und 5) sowie in den Wortkärtchen in Abbildung 6 zu erkennen. Während solche Beispiele der Anschaulichkeit bei der ersten Annäherung an die Strategie dienen und für die Modellierung der Strategie von Bedeutung sind, erscheint die abstrakte Erfassung der Handlungsschritte vor allem im Hinblick auf die Scaffolding-Funktion bei der späteren erprobenden Anwendung der Strategie wichtig. Eine Auffächerung der Strategie in eine Anfänger- und Profivariante bietet einen guten Ansatzpunkt zur Vermittlung des dynamischen Charakters von Sprachlernstrategien, deren besonderes Potential darin liegt, dass sie vom Benutzer den individuellen Lernstilpräferenzen angepasst, bei komplexeren Lernanforderungen weiterentwickelt und auf neue Lerngegenstände transferiert werden können. Die Plakatbeispiele 3a und 3b zu einer Sprachgebrauchsstrategie im Bereich der schriftlichen Rezeption deuten an, dass eine Strategie für unterschiedlich anspruchsvolle Lernaufgaben eingesetzt werden kann (vgl. Abb. 4 und 5). In einem ersten Schritt kann die „W-Farben-Strategie“ zur Markierung bestimmter Textinformationen (Wer? Was? Wie? Wann? Wie? Warum? ) genutzt werden; in späteren Lernstadien lässt sich das Prinzip der farbigen Markierung auch auf andere, stärker akademisch ausgerichtete Leseziele erweitern. Bei Plakatbeispiel 4 wird als Profivariante einerseits die Ausdifferenzierung der Wortkärtchen, andererseits ein dreistufiges Kontrollsystem vorgeschlagen (Abb. 6). Die Unterrichtsarbeit mit Anfänger- und Profivarianten von Strategien zielt auf Vermittlung der Einsicht, dass von anderen Personen übernommene Lernstrategien im Laufe der Einsatzerfahrung zu individuell präferierten, deutlich komplexeren Handlungsfolgen ausgestaltet werden können. 114 Karen Schramm 38 (2009) Abb. 5: Plakatbeispiel 3b (P EREZ A GUIRRE / S CHNITZLEIN 2009) Die sprachliche Einfachheit eines Sprachlernstrategieplakats ist besonders für die Arbeit in sprachheterogenen Anfängergruppen von Bedeutung, wenn für den Austausch über Strategien in solchen Gruppen nicht auf die Erstsprache oder eine lingua franca zurückgegriffen werden kann (oder dies aus didaktischen Gründen im Hinblick auf die Einsprachigkeit nicht gewünscht wird). In dieser Hinsicht erscheint das in Abbildung 2 wiedergegebene Plakatbeispiel 1 besonders gelungen, das die fünf Handlungsschritte der Strategie in sprachlich einfacher Form anführt und darüber hinaus auch mit den fünf Smileys effektive Semantisierungshilfen bereitstellt. Sprachlernstrategieplakate 115 38 (2009) Abb. 6: Plakatbeispiel 4 (D AWIDOWICZ / M EISE / W OLTER 2009) Die Visualisierung kann jedoch über Semantisierungshilfen hinaus auch konzeptuelle bzw. mnemotechnische Unterstützung anbieten, wenn metaphorische Elemente eingesetzt werden. Beispielweise kann eine Waage die mentale Balance als Ziel der metakognitiven Strategie des Zeitmanagements (G LADYCHEVA / L UCHNIKOVA / S OROUR 2009 [keine Abb.]) oder eine Ampel die metakognitive Strategie der gezielten Inputsteuerung beim Vokabellernen andeuten. So wurden beim Plakatbeispiel 4 zur „Ampelstrategie“ die Farben grün, gelb und rot zur Gestaltung des Plakats genutzt, als Signalfarbe auf den Reitern der Vokabelkartei vorgeschlagen, und es wurden Abbildungen von Ampeln metaphorisch für bestimmte Kontrollprozesse eingesetzt (vgl. Abb. 6). In dem Plakat zu den „Super! ! ! - Strukturen“ ist im oberen linken Bereich ebenfalls eine solche Umsetzung in eine Graphik erfolgt; hier wurde als Metapher für den mentalen Überblick über den Text bzw. für eine entsprechende reduktiv-organisierende Verarbeitung beim Lesen die Metapher des Fernsehturms gewählt, von dem aus sich - mit entsprechender Distanz - Zusammenhänge wie ‚Problem/ Problemlösung/ Begriff für neues Konzept‘ oder ‚Problem/ Folge‘ erkennen lassen (vgl. Abb. 3). 116 Karen Schramm 38 (2009) Abb. 7: Plakatbeispiel 5 (M ILIC / R OGAHN / V EZJAK 2009) Nicht zuletzt sind auch die ästhetische Gestaltung und humorvolle Elemente wichtige Kriterien für jegliches Lernmaterial. Bei den Evaluationen der hier vorgestellten Plakate sind insbesondere die Plakate zur „Hör Dir zu“-Strategie (Abb. 2) und zur „KonBild“- Strategie (Abb. 7) vielfach positiv für die ästhetisch ansprechende und humorvolle Gestaltung bewertet worden. Das Plakatbeispiel 5 nutzt beispielsweise eine klare Dreiteilung in der Horizontalen, um das jeweils zu lernende Wort („Himbeere“, „Brombeere“, „Spagat“) in einem mentalen Kontext (linke Seite) und in einer entsprechenden graphischen Illustration (rechte Seite) darzustellen (vgl. Abb. 7). Dabei werden die graphischen Symbole der Sprechblase und der Papierrolle eingesetzt, um die beiden entscheidenden Handlungsschritte an verschiedenen Beispielen zu illustrieren. An den erläuterten Beispielen von Sprachlernstrategieplakaten wurde illustriert, wie umfassendere Erklärungen von Strategien, als sie im Lehrbuch in der Regel auffindbar - und didaktisch sinnvoll - sind, für die Präsentationsphase innerhalb eines selbstkontrollierten Strategietrainings gestaltet und welche Kriterien dabei beachtet werden können. Sprachlernstrategieplakate 117 2 Dies trifft für die in Abschnitt 3 erörterten Plakate, die im Hinblick auf Schülergruppen entwickelt wurden, nur bedingt zu. 38 (2009) Der besondere Vorteil der schriftlichen Fassung einer Strategieerklärung in Form eines Plakats liegt dabei gegenüber mündlichen Erklärungen darin, dass die Plakate vorbereitet, im Laufe der Unterrichtsarbeit kontinuierlich verbessert und im Klassenzimmer als Lerngerüst eingesetzt werden können. 4. Sprachlernstrategieplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule Der Einsatz solcher Sprachlernstrategieplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule ist zum einen im Hinblick auf die Förderung der Lernerautonomie und zur Steigerung der Effektivität von Fremdsprachenlernanstrengungen relevant; zum anderen bietet sich bei der Ausbildung von zukünftigen Sprachlehrenden auf einer Metaebene auch die didaktische Reflexion der Strategieplakate an. Beide Aspekte sollen im Folgenden kurz angesprochen werden. Auch Studierende profitieren beim Erwerb von Fremdsprachen davon, neue Sprachlernstrategien kennen zu lernen und ggf. in ihr Strategierepertoire zu integrieren. Wichtig erscheint dabei, dass der Strategieaustausch dem Niveau ihrer in der Regel bereits hohen Sprachlernexpertise angemessen ist und die vorgestellten Strategien nicht schon bekannt sind. 2 Aufgrund der extensiven Fremdsprachenlernerfahrung dieser Zielgruppe kann die Strategieerklärung beim Fremdsprachenunterricht an der Hochschule weitestgehend den Lernenden übertragen werden, die sich gegenseitig eine Vielzahl inspirierender Sprachlernstrategien vorstellen. Plakate wie die oben angeführten Beispiele stellen dabei wichtige Impulse bzw. Anregungen dar, ohne dass die Mühen einer graphischen Aufbereitung im Sprachkurs angemessen wären. Solche in Partnerarbeit handschriftlich erstellten Strategieplakate können beispielsweise im Rahmen einer Strategiemesse an den Wänden des Kursraumes aufgehängt und von einem der beiden jeweiligen Produzentinnen oder Produzenten auf Nachfrage genauer erläutert werden, während der andere Partner bzw. die Partnerin die verschiedenen Messestände besucht und sich über die Strategieangebote anderer Kursteilnehmender informiert. Anreize zur Rückmeldung können dabei durch den Einsatz von Gästebüchern an den Messeständen, in denen Kommentare zur Würdigung notiert werden, oder durch Klebepunkte erfolgen, von denen den Besucherinnen und Besuchern jeweils nur eine begrenzte Anzahl zur Verfügung gestellt wird und mit denen sie besonders gelungene Strategieangebote auszeichnen. Haben Studierende an einem Messestand Strategieempfehlungen kennen gelernt, die sie erproben möchten, wird in einer zweiten Arbeitsphase die vertiefende Modellierung durch den entsprechenden Strategieexperten notwendig. Vor dem Hintergrund, dass in der Fachdiskussion das integrierte Strategietraining favorisiert wird, bietet es sich an, bei der regulären Kursarbeit zu passenden Momenten die Arbeit an Stationen zu nutzen, an denen 118 Karen Schramm 38 (2009) die jeweiligen Studierenden in der Expertenrolle funktional relevante Strategieangebote machen. Zur Textbearbeitung können beispielsweise verschiedene Lesestrategie-Stationen eingerichtet werden, an denen diejenigen, die auf der Messe Lesestrategie-Plakate ausgestellt haben, die Benutzung dieser spezifischen Strategien an den kursrelevanten Arbeitsaufträgen demonstrieren und die interessierten Stationsbesucher bei der Einübung dieser Strategie unterstützen. Ebenso können an anderen Kurstagen - ebenfalls funktional eingebettet - andere Studierende in der Expertenrolle zum Einsatz kommen. Bei einer solchen expertenseitigen Modellierung von Sprachlernstrategien sind äußerlich beobachtbare Handlungsschritte (z.B. Unterstreichen, Einkreisen, Benutzen von Hilfsmitteln, Sortieren etc.) vom Novizen bei der Zusammenarbeit mit dem Strategieexperten unmittelbar zu verfolgen. Schwieriger stellt sich der Zugang zu den involvierten mentalen Prozessen dar, die sich dem Außenstehenden nur aufgrund metakognitiver Beschreibungen oder durch lautes Denken des Strategieexperten erschließen. Deshalb ist es wichtig, dass die Strategieexperten an ihren jeweiligen Stationen die Entscheidungsprozesse, die sie durchlaufen, und die mentalen Handlungsschritte, die sie unternehmen, so umfassend wie möglich offen legen. Dabei kann das an der Station ausgehängte Strategieplakat den Novizinnen und Novizen ein Orientierungsschema bieten, um die expertenseitigen Handlungsschritte wiederzuerkennen und um ggf. auf der Grundlage der konkreten Beobachtungen das abstrakte Schemas weitergehend zu differenzieren. Auch in der sich anschließenden Phase der Erprobung und Einübung der Strategie kann das Plakat weiterhin als Lerngerüst dienen, wenn der Stationsbesucher nun seinerseits beim Arbeitsprozess mentale Entscheidungen und Handlungsschritte verbalisiert und auf diese Weise dem Experten gezielte Rückmeldungen zum Strategieeinsatz ermöglicht. Auch Formen des so genannten reciprocal teaching (vgl. R OSENSHINE / M EISTER 1994), bei denen eine Novizin die andere durch die verschiedenen Handlungsschritte führt, erscheinen auf der Grundlage eines Strategieplakats leichter durchführbar als ohne Lerngerüst. Über diesen allgemeinen Einsatz zu Sprachlernzwecken hinaus ist die Erstellung von Sprachlernstrategieplakaten im Fremdsprachenunterricht spezifisch für angehende Fremdsprachenlehrkräfte aber auch deshalb von besonderem Interesse, weil sich die Studierenden zunächst einmal möglicher Sprachlernstrategien bewusst werden müssen, um sie zukünftigen Lernenden erklären, sie mit ihnen üben und individuell evaluieren zu können. Für diese Zielgruppe ist nicht nur der Austausch von Lernstrategien zur Optimierung der eigenen Sprachlernbemühungen, sondern auch die Kompetenz von beruflichem Interesse, eine professionelle Erklärung (als lehrerseitigen Schritt innerhalb einer didaktischen Sequenz zur Vermittlung von Sprachlernstrategien) liefern zu können. Deshalb bietet es sich in der Lehrerbildung an, die Sprachlernstrategieplakate auch unter didaktischer Perspektive kritisch zu reflektieren. In einem ersten Schritt sind dazu die entsprechenden Sprachlernplakate in Partner- oder Gruppenarbeit zu entwerfen. Dabei erfahren die Betroffenen in der Regel, dass einerseits individuell jeweils immense Strategiewissensschätze vorhanden sind, dass andererseits aber die Verbalisierung solchen automatisierten prozeduralen Wissens keineswegs trivial ist. In einem zweiten Schritt wird die didaktische Aufbereitung in Form eines mehr oder Sprachlernstrategieplakate 119 3 Null Punkte bedeutet ,unwichtig‘, ein Punkt bedeutet ,wichtig‘, zwei Punkte bedeuten ,sehr wichtig‘ (vgl. F UNK 2004: 44). 4 Null Punkte bedeutet ,nicht vorhanden/ schlecht‘, ein Punkt bedeutet ,vorhanden/ gut‘, zwei Punkte bedeuten ,vorhanden/ sehr gut‘ (vgl. F UNK 2004: 44). 38 (2009) minder professionellen Plakats im Hinblick auf die Erklär- und Medienkompetenzen von Fremdsprachenlehrpersonen relevant, die sich beim Austausch in der Partner- oder Gruppenarbeit diesbezüglich gegenseitig wesentlich bereichern können. Drittens erscheint für die Lehrerbildung schließlich die kritische Diskussion der Sprachlernstrategieplakate essentiell, für die als mögliche Arbeitsgrundlage in Tab. 1 ein Überblick über die offene, zu ergänzende Liste der in Abschnitt 3 diskutierten Kriterien zusammengestellt wurde. Diese Kriterien sind in der ersten Spalte verzeichnet; ihre Relevanz ist bei einer Materialbewertung im Hinblick auf den Einsatz eines Plakats in einer bestimmten Lernergruppe jeweils erneut zu bestimmen. In Anlehnung an F UNK (2004: 44) ist dazu eine dreistufige Skala mit den Punktwerten 0-2 angeführt worden. Um zu einer Gesamtbewertung zu gelangen, ist der entsprechende Wert mit der Punktzahl zur Bewertung der Qualität zu multiplizieren und anschließend die Summe der Einzelbewertungen zu bilden. Kriterium Gewichtung der Relevanz 3 Bewertung der Qualität 4 Produkt 01. Benennung des Ausgangsproblems 0 1 2 0 1 2 02. Zielbestimmung 0 1 2 0 1 2 03. Strategiename 0 1 2 0 1 2 04. Zerlegung in Handlungsschritte 0 1 2 0 1 2 05. Illustration durch ein Beispiel 0 1 2 0 1 2 06. Anfänger- und Profivariante 0 1 2 0 1 2 07. sprachliche Einfachheit 0 1 2 0 1 2 08. metaphorische Visualisierung 0 1 2 0 1 2 09. ästhetische Gestaltung/ Klarheit 0 1 2 0 1 2 10. humorvolle Elemente 0 1 2 0 1 2 11. ... 0 1 2 0 1 2 12. ... 0 1 2 0 1 2 Summe der Einzelbewertungen Tab. 1: Kriterienraster zur Bewertung von Sprachlernstrategieplakaten 3 4 120 Karen Schramm 38 (2009) Mithilfe eines solchen Kriterienrasters kann eine detaillierte Diskussion über Qualitätsmerkmale von Sprachlernstrategieplakaten und deren Indikatoren initiiert werden. Es wird empirisch zu überprüfen sein, ob die eigenständige Erstellung von Lernstrategieplakaten und der Einsatz eines solchen Kriterienrasters zu Zwecken der kritischen Selbst- und Fremdevaluation die Kompetenzen von angehenden Fremdsprachenlehrpersonen zur Vermittlung von Sprachlernstrategien nachweisbar steigern kann. 5. Fazit und Ausblick In diesem stark praxisorientierten Beitrag wurde das Konzept der Lernstrategieplakate vorgestellt, das zwar in zahlreichen Arbeiten der Strategieforschung erwähnt, aber selten an konkreten Beispielen illustriert wird. Dabei stand die Diskussion der folgenden Kriterien im Vordergrund: Benennung des Ausgangsproblems, Zielbestimmung, Strategiename, Zerlegung der Strategie in Handlungsschritte, Illustration durch ein Beispiel, Auffächerung in Anfänger- und Profivariante, sprachliche Einfachheit, metaphorische Visualisierung, ästhetische Gestaltung/ Klarheit und humorvolle Elemente. Anschließend wurde skizziert, wie Sprachlernplakate im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule bei der vertiefenden Modellierung von Sprachlernstrategien im Rahmen eines selbstkontrollierten Strategietrainings und/ oder der Lehrerbildung eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um didaktisch erprobte Vorschläge, die in der Folge empirisch zu erforschen sind. Ein lohnenswertes Untersuchungsziel wäre es meines Erachtens, der Frage nachzugehen, ob die differenzierte Erklärung, wie sie hier an zahlreichen Beispielen illustriert wurde, tatsächlich - wie vielfach postuliert - langfristig einen höheren Grad an Strategiewissen, Strategieeinsatz und in der Folge auch Spracherwerbserfolg bei Studierenden zeitigt als verkürzte Instruktionsverfahren wie sie häufig in kurzen mündlichen Hinweisen erfolgen. Darüber hinaus wäre im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung angehender Fremdsprachlehrender eine empirische Erforschung der Frage von Interesse, ob der hier vorgestellte Ansatz zur Arbeit mit Sprachlernstrategieplakaten die Kompetenzen der zukünftigen Lehrpersonen, Unterrichtsbeispiele von Strategieinstruktion zu beschreiben, zu erklären und zu bewerten, nachweisbar steigert; zu diesem Zweck wären insbesondere Interventionsstudien von Interesse, die videobasierte Prä- und Posttests bezüglich dieser Lehrerkompetenzen einsetzen (vgl. 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