eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 38/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2009
381 Gnutzmann Küster Schramm

Helga HAUDECK: Fremdsprachliche Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers. Eine qualitative Studie zu Lernstrategien und Lerntechniken in den Klassenstufen 5 und 8. Tübingen: Narr 2008, 384 Seiten [39,– €]

121
2009
Antje Stork
flul3810255
Buchbesprechungen Rezensionsartikel 255 1 Luise K EMMETER : Multilingual gestütztes Vokabellernen im gymnasialen Englischunterricht. Frankfurt/ M.: [etc.] Lang 1999; Angelika DANIEL: Lernerwortschatz und Wortschatzlernen im bilingualen Unterricht. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 2001; Guosheng Z HANG : Zur Vermittlung von Lexik im Fremdsprachenunterricht. Am Beispiel des Deutschen als Fremdsprache für chinesische Lerner. Aachen: Shaker 2001; Antje S TORK : 38 (2009) in jener Phase bewusst, in der sie mit einem Kommentar zur Themenfindung die Projektarbeit entscheidend beeinflusst. Die Doppelrolle anzunehmen und die Studie bewusst als eine Aktionsforschung zu konzipieren, bei der zum Beispiel auch ein Lehrtagebuch als Erhebungsinstrument eingesetzt und in gleicher Weise wie die Lerntagebücher ausgewertet wird, wäre meines Erachtens die bessere Möglichkeit gewesen, dieser Situation gerecht zu werden. Diese Kritik an einigen methodologischen Grundlagen der Studie kann jedoch den Wert der Ergebnisse, die in den beiden abschließenden Kapiteln vorgestellt werden, in keiner Weise schmälern. Auch in der vorliegenden Form liefert H OFFMANN neuartige und insbesondere für Lehrende sehr aufschlussreiche Erkenntnisse. Es liegt in der Natur qualitativer Forschungsergebnisse, dass sich ihr Reiz vor allem dann erschließt, wenn man sich der Mühe des Lesens unterzieht. Generalisierungen und Zusammenfassungen widersprechen dem Anspruch einer Forschung, die darauf zielt, die Komplexität sozialen Geschehens und dessen subjektive Wahrnehmung und Deutung durch die Beteiligten zugänglich und verständlich zu machen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch nicht den Versuch unternehmen, eine Essenz der einzelnen Fallstudien zu präsentieren. Sehr eindrücklich führt die Beschreibung der sechs Studierenden und ihres Erlebens der Projektarbeit vor Augen, wie stark diese Unterrichtsform von der Individualität der Lernenden geprägt ist. Projekterfahrene Lehrende wissen das zwar aus praktischer Anschauung, aber die besondere Bedeutung der Studie für das Forschungsgebiet liegt darin, dass sie für eine Gruppe von Lernenden die Gründe eines bestimmten Verhaltens während der Projektarbeit nachvollziehbar und überzeugend aufzeigen kann. So wird verständlich, weshalb die Projektarbeit für sehr unterschiedliche Lerntypen ideale Voraussetzung für Lernprozesse bietet, die selbstbestimmt gestaltet werden. H OFFMANN bindet dieses Ergebnis folgerichtig an H OLZKAMP s Konzept des expansiven Lernens zurück. Sie zeigt zugleich, wie komplex und damit wie wenig planbar die Zusammenhänge beim gemeinsamen Lernen in kleinen Gruppen sind. Das kollektive Lernen in H OFFMANN s Gruppe wird individuell nicht nur sehr unterschiedlich begründet, wahrgenommen und genutzt, es kommt zu gegenseitigen Beeinflussungen, die sich erst dann erschließen, wenn man so genau und systematisch hinsieht, wie die Autorin es getan hat. Es sind die Beschreibungen eben solcher Lernsituationen, die diese Studie so wertvoll machen. Yokohama M ICHAEL S CHART Helga H AUDECK : Fremdsprachliche Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers. Eine qualitative Studie zu Lernstrategien und Lerntechniken in den Klassenstufen 5 und 8. Tübingen: Narr 2008, 384 Seiten [39,- €] Wie lernen Schülerinnen und Schüler zu Hause Vokabeln? Welche Wörter finden sie leicht bzw. schwierig zu lernen? Mit diesen und weiteren Fragen zum häuslichen Vokabellernen befasst sich Helga H AUDECK in ihrer Dissertation. Auch wenn in den letzten zehn Jahren eine Reihe von Qualifikationsarbeiten zum Thema „Wortschatz“ im deutschsprachigen Raum erschienen ist (vgl. z.B. K EMMETER 1999, D ANIEL 2001, Z HANG 2001, S TORK 2003, N EVELING 2004, N EUNER - A NFINDSEN 2005, P LIEGER 2006, R EDER 2006, E NDER 2007) 1 , so zeichnet sich diese Arbeit vor 256 Buchbesprechungen Rezensionsartikel Vokabellernen. Eine Untersuchung zur Effizienz von Vokabellernstrategien. Tübingen: Narr 2003; Christiane N EVELING : Wörterlernen mit Wörternetzen. Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsverfahren. Tübingen: Narr 2004; Stefanie N EUNER -A NFINDSEN : Fremdsprachenlernen und Lernerautonomie. Sprachlernbewusstheit, Lernprozessorganisation und Lernstrategien zum Wortschatzlernen in Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2005; Petra P LIEGER : Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons. Konzepte für die mediengestützte Wortschatzarbeit. Berlin: LIT 2006; Anne R EDER : Kollokationen in der Wortschatzarbeit. Wien: Praesens 2006; Andrea E NDER : Wortschatzerwerb und Strategieneinsatz bei mehrsprachigen Lernenden. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2007. 2 Carol H OSENFELD : „Learning about learning: discovering our students’ strategies“. In: Foreign Language Annals 9.2 (1976), 117-129. 3 Antoine de L A G ARANDERIE : Les profiles pédagogiques. Discerner les aptitudes scolaires. Paris: Le Centurion 1989. 4 Ulrike C RE ß & Helmut F. F RIEDRICH : „Selbst gesteuertes Lernen Erwachsener. Eine Lernertypologie auf der Basis von Lernstrategien, Lernmotivation und Selbstkonzept“. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 14 (2000), 194-205. 38 (2009) allem dadurch aus, dass die Verfasserin versucht, mittels eines alltagsorientierten, ethnografischen Ansatzes möglichst dicht an die Vokabellernaktivitäten von Schülerinnen und Schülern (Realschule, Gymnasium) heranzukommen. An den Anfang der Einleitung (S. 13-14) stellt Helga H AUDECK ein Zitat von Carol H OSEN - FELD (1976: 128) 2 : „Too often our focus has been on what students should be doing; we must begin by acting what students are doing“. Daran anknüpfend schildert sie knapp Themenbereich und Aufbau ihrer Arbeit, die aus acht Kapiteln besteht. In den ersten drei Kapiteln werden die theoretischen Grundlagen dargelegt, die nachfolgenden Kapitel beziehen sich auf die empirische Untersuchung der Verfasserin. Kapitel 1 (S. 15-44) befasst sich mit Lernstrategien und Lerntechniken. Nach einem Blick auf deren politische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Aktualität werden die Begriffe „Lernstrategien“, „Lerntechniken“ und „Lerntyp“ näher bestimmt. H AUDECK differenziert zwischen Lernstrategien und Lerntechniken, indem sie Lernstrategien als „nicht konkret fassbar“ (S. 22) und „potentiell bewusstseinsfähig“ (S. 22) beschreibt, während Lerntechniken im Gegensatz dazu beobachtbar sind und absichtlich und planvoll vom Lernenden angewandt werden. Zur Erläuterung des Begriffs „Lerntyp“ stellt H AUDECK drei Ansätze exemplarisch dar: 1. Die Lerntypunterscheidung nach der Präferenz für Sinneskanäle, 2. den phänomenologischen Ansatz der Gestion mentale nach A. de L A G ARANDERIE 3 und 3. die kognitionspsychologische Lerntypologie nach C RE ß & F RIEDRICH (2000) 4 . Die weiteren Abschnitte des ersten Kapitels widmen sich der Taxonomierung von Lernstrategien (fachübergreifende Taxonomien und fachspezifische Taxonomien zum Bereich des Fremdsprachenerwerbs), der Förderung von Lernstrategien und Lerntechniken (Begründung für ein Lernstrategientraining, Möglichkeiten von Trainingsmaßnahmen) und den Verfahrensweisen zur Erfassung von Lernstrategien (standardisierte Fragebögen, Beobachtungsverfahren, verbale Beschreibungen, problemzentrierte Interviews, Lerntagebücher). Im Mittelpunkt von Kapitel 2 (S. 45-66) steht der Wortschatz. Thematisiert wird zunächst der grundsätzliche Stellenwert des Wortschatzes im Vergleich zur Grammatik für die menschliche Sprach- und Kommunikationsfähigkeit. Anschließend werden wichtige Begriffe geklärt, und zwar „Konzept“, „Wort“, „mentales Lexikon“ und „lexikalische Kompetenz“. H AUDECK arbeitet heraus, dass im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen insofern eine Umorientierung deutlich wird, dass Wortschatz nicht mehr als bloße Wortsammlung, sondern durchgehend als ein System verstanden wird. Die beiden folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der Beschreibung der Struktur- und Funktionsweise des muttersprachlichen mentalen Lexikons aus psycholinguistischer Sicht sowie mit der Darstellung von Strukturmodellen des bilingualen mentalen Lexikons und des Buchbesprechungen Rezensionsartikel 257 5 Für die vollständige bibliographische Angabe vgl. Fußnote 1; vgl. dazu auch die Rezension des Buches von Lisanne K LEIN G UNNEWIEK und mir in Fremdsprachen Lehren und Lernen 26 (2007), 251-254. 6 Jürgen Q UETZ : „Wortschatzlernen: Viele Fragen an die Forschung“. In: Karl-Richard B AUSCH , Herbert C HRIST , Frank G. K ÖNIGS & Hans-Jürgen K RUMM (Hrsg.): Erwerb und Vermittlung von Wortschatz im Fremdsprachenunterricht. Arbeitspapiere der 15. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr 1995, 143-148. 7 Wolfgang B ÖRNER : „Didaktik und Methodik der Wortschatzarbeit: Bestandsaufnahme und Perspektiven“. In: Peter K ÜHN (Hrsg.): Studien zu Deutsch als Fremdsprache V. Wortschatzarbeit in der Diskussion. Hildesheim [etc.]: Olms 2000, 29-56. 38 (2009) Wortschatzerwerbs in der Fremdsprache. Bedauerlich ist, dass H AUDECK in diesen Abschnitten nicht die Dissertation von P LIEGER (2006) 5 zur Struktur und Erwerb des bilingualen Lexikons berücksichtigt. Da in der nachfolgenden Untersuchung der inzidentelle Wortschatzerwerb außerhalb der Schule eine (wenn auch untergeordnete) Rolle spielt, wäre es außerdem wünschenswert gewesen, dass die Autorin auf dieses Thema etwas stärker eingeht und es nicht nur auf zwei Seiten (S. 65-66) streift. Kapitel 3 (S. 67-92) widmet sich der Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht. Es beginnt mit der Bestimmung des Begriffs „Wortschatzarbeit“, der zentral für diese Arbeit ist. Unter Rückgriff auf verschiedene Dimensionen der Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht nach Q UETZ (1995) 6 und das kognitive Lehr-Lernmodell der Wortschatzarbeit nach B ÖRNER (2000) 7 bezieht H AUDECK Wortschatzarbeit „auf die dem Lerner zugeordneten lexikalischen Komponenten und Prozesse“ (S. 70), die hauptsächlich das explizite Vokabellernen, aber auch den inzidentellen Wortschatzerwerb umfassen. Des Weiteren nimmt sie eine Unterscheidung von Wortschatzarbeit innerhalb des Klassenzimmers (direkte Lerner-Lehrer-Interaktion steht im Vordergrund) und außerhalb des Klassenzimmers (direkte Lerner-Lehrer-Interaktion steht im Hintergrund; zusätzlicher Einfluss von anderen Personen wie Familienmitgliedern oder Freunden möglich) vor. Im weiteren Verlauf des Kapitels beschäftigt sich die Autorin mit dem Vokabellernen im Rahmen des schulischen Fremdsprachenunterrichts. Obwohl sie in ihrer Begriffsbestimmung ausdrücklich Aspekte des inzidentellen Wortschatzerwerbs „nicht gänzlich“ (S. 70) ausklammern will, fokussiert sie nun ausschließlich das explizite Vokabellernen, und zwar innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers. H AUDECK geht auf Merkmale von fremdsprachlichen Lexemen, die das Vokabellernen erleichtern oder erschweren (Aussprechbarkeit von Vokabeln, Schreibweise, Wortlänge, morphologische Komplexität, Ähnlichkeiten zwischen L2-Wortformen, Ähnlichkeiten zwischen Wortformen der Ausgangs- und der Zielsprache, Wortartenzugehörigkeit, semantische Worteigenschaften) und auf Teilprozesse des Vokabellernens (Vokabeleinführung, Vokabellernen, Wortschatzanwendung) ein. Für das Vokabellernen als Aktivität in der Konsolidierungsphase, das somit als Teilprozess des expliziten Vokabellernens im Fremdsprachenunterricht verstanden wird, übernimmt die Autorin aus der Schülersprache die Bezeichnung „Vokabelpauken“: „Vokabellernen bzw. ‚Vokabelpauken‘ (Einprägen lexikalischer Einheiten)“. Im Folgenden gibt sie einen knappen Überblick über Taxonomien zu „Vokabelpaukstrategien“ (S. 79), die den Nachteil haben, dass sie sich nicht auf Online-Beobachtungen stützen, und diskutiert die Rahmenbedingungen für das Vokabellernen von Schülern (theoretisches Grundverständnis und Erfahrungswissen der Lehrkräfte und anderer Bezugspersonen, Vorgaben der zum Erhebungszeitpunkt gültigen Bildungspläne, Lehrwerke). Die in diesem Kapitel eingeführte Bezeichnung „Vokabelpauken“, die das Vokabellernen im engeren Sinne bezeichnen soll, halte ich für unglücklich gewählt. Sie ist nicht nur der Schülersprache entnommen, sondern auch negativ konnotiert, so dass sie sich nicht als Terminus im wissenschaftlichen Kontext eignet. Die empirische Untersuchung der Verfasserin bildet den Schwerpunkt von Kapitel 4 (S. 93- 258 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 8 Diese negativen Erfahrungen der Autorin mit dem expliziten Vokabellernen könnten Grund für die Wahl der Bezeichnung „Vokabelpauken“ in Kapitel 3 sein. 9 Vgl. zum Audio-Tagebuch Helga H AUDECK : „Das Audio-Tagebuch als Erhebungsinstrument - Ein neuer Ansatz in der Lernprozessforschung“. In: Horst N IESYTO (Hrsg.): Selbstausdruck mit Medien. Eigenproduktionen mit Medien als Gegenstand der Kindheits- und Jugendforschung. München: KoPäd-Verlag 2001, 33-51. 10 Ca. zehn Jahre nach der Durchführung dieser Untersuchung stehen heute modernere (analoge und digitale) Aufzeichnungsgeräte mit besserer Aufnahmequalität zur Verfügung. 38 (2009) 134). H AUDECK legt zunächst die Ausgangslage ihrer Untersuchung dar, in der sie ihr biografisch bedingtes Vorverständnis als Forscherin offenlegt. „Aufgrund ihrer eigenen Biografie verknüpft die Forscherin fremdsprachliche Wortschatzarbeit nur teilweise mit schulisch bedingter Vokabelarbeit. Einen hohen Stellenwert nahmen während ihrer Schulzeit ganzheitliche Erfahrungen mit fremdsprachlicher Lexik in einer Vielzahl außerschulischer Bereiche ein. Zu nennen sind hier vor allem Kommunikationssituationen mit englischen Muttersprachlern sowohl in Deutschland als auch in England, die aufgrund freundschaftlicher Verbindungen der Familie zustande kamen. Ein ebenso starker Einfluss ging jedoch auch von der englischsprachigen Popmusik und den entsprechenden jugendkulturellen Gebrauchssituationen und Identifikationsfiguren aus [...]“ (S. 94). Etwas später führt sie weiter aus: „Auf der anderen Seite hatten Vokabelhefte, in die englisch-deutsche Vokabellisten eingetragen werden mussten, sowie kontextloses Abfragen von Vokabelgleichungen sowohl damals wie auch heute in der Rückschau eher negative Gefühle und geringe Lernergebnisse zur Folge“ (S. 95f.). 8 Zur Darstellung der Ausgangslage tragen des Weiteren die Ergebnisse einer Untersuchung zum Vokabellernen im Rahmen des Ludwigsburger Lernstrategienprojektes (Vorstudie) bei, die 1993- 1996 durchgeführt wurde und bei der die Frage nach der konkreten Vorgehensweise von Schülerinnen und Schülern beim fremdsprachigen Vokabellernen nur bedingt beantwortet werden konnte. Als nächstes werden Fragestellung und Ziel der Untersuchung dargestellt, nämlich die Gewinnung von differenzierten Erkenntnissen über individuelle Lernprozesse bei der Wortschatzarbeit von Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 5 (Anfangsunterricht) und 8 (fortgeschrittener Unterricht): „Dahinter steht die Erwartung, aus den Ergebnissen Schlussfolgerungen für alternative Wege der Wortschatzarbeit im schulischen Fremdsprachenbereich ziehen zu können, die nicht nur Schülern und Lehrkräften, sondern auch Eltern wertvolle Orientierung geben können“ (S. 110 f). Die zentrale Fragestellung „Wie gehen Schülerinnen und Schüler beim Wörterlernen zu Hause vor (z.B. beim Erledigen der Hausaufgaben oder bei der Vorbereitung auf einen Test)? “ (S. 112) konkretisiert die Autorin in sechs Teilfragen. Es folgen Erläuterungen zur Konzeption und Durchführung der Untersuchung. An der Studie nahmen 2 Mädchen und 3 Jungen der Klasse 5 und 5 Mädchen und 2 Jungen der Klasse 8 teil (Realschule und Gymnasium). Als zentrales Erhebungsinstrument setzte H AUDECK das von ihr entwickelte Audio-Tagebuch 9 und als weitere Erhebungsinstrumente Interviews und Beobachtungen ein. Die Datenerhebung erfolgte von Oktober 1999 bis Oktober 2000. Das Audio-Tagebuch sollte ermöglichen, sich der Komplexität der Vokabellernaktivitäten in einem natürlichen Lernkontext so weit wie möglich anzunähern. Im Gegensatz zu einem schriftlichen Lerntagebuch ist eine mündliche Aufzeichnung von Tagebucheinträgen mittels Kassettenrekorder mit Mikrofon 10 für die Lernenden weniger anstrengend und erfordert weniger Zeit. Das Tagebuch sollte über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen mit insgesamt 16 Aufnahmen gefüllt werden und wurde durch einen schriftlichen Leitfaden (vgl. S. 116) strukturiert. Buchbesprechungen Rezensionsartikel 259 11 Philipp M AYRING : Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 7. Auflage. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 2000. 38 (2009) In Kapitel 5 (S. 155-204) werden die Ergebnisse der fallübergreifenden Audio-Tagebuchanalyse präsentiert. Die Antworten auf die Fragen 6 bis 9 des Audio-Tagebuchleitfadens wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach M AYRING (2000) 11 ausgewertet. Während sich Frage 6 auf die Makroebene bezog, also auf eine vokabelübergreifende, generalisierende Beschreibung von Lernstrategien („Wie hast du die Wörter gelernt? Beschreibe bitte, was du ganz genau gemacht hast“), zielten die Fragen 7 bis 9 auf die Mikroebene (Frage 7: „Wähle aus den Wörtern, die du heute gelernt hast, zwei aus und beschreibe, wie du versucht hast, sie dir einzuprägen.“; Frage 8: „Welche Wörter waren leicht zu lernen? Warum? “; Frage 9: „Welche konntest du dir nur schwer merken? Was hast du dann gemacht? “), d.h. es „stehen hier die einzelnen lexikalischen Einheiten bzw. die jeweils spezifische Verarbeitung derselben im Blickpunkt“ (S. 149). H AUDECK zeigt, dass Untersuchungen zu fachspezifischen Lernstrategien die Breite und Tiefe bestimmter Lernbereiche und Lernaktivitäten durch die Festlegung der Analyseebene (Mikro- oder Makroebene) von vornherein einbeziehen oder ausgrenzen. Kapitel 6 (S. 205-348) ist mit ca. 140 Seiten das umfangreichste Kapitel dieser Arbeit. Es werden dort fünf Einzelfälle nachgezeichnet, um die Einbettung von Lernstrategien und Lerntechniken in den gesamten Lebens-und Lernkontext eines Schülers aufzuzeigen: „Ich will es doch ganz genau“ - Andreas, der Perfektionist; „Das sind halt Vokabeln, die muss man halt abschreiben“ - Thomas der „Ami-Freak“; „Du überlegst überhaupt nicht! “ - Christina und ihre Mutter; „Vokabeln wiederholen...ging ziemlich schnell und war auch leicht“ - Gabi, die effizienzorientierte Englischbegeisterte; „...ich hab‘ fünf Gänge...könnte noch zwei hochschalten...“ - Mark, pragmatisch ausgerichtet und leistungsbereit, aber nicht um jeden Preis. Die Auswahl dieser Schüler aus den insgesamt 12 Teilnehmern wird vage begründet und erscheint damit willkürlich: „Die Auswahl der Fälle orientiert sich an den Handlungsmustern, die sich für die Verfasserin bei der Erhebung, Aufbereitung und fallübergreifenden Analyse sukzessiv herauskristallisiert haben. Sie ist somit subjektiv begründet“ (S. 205). Für die Erstellung der Schülerporträts wurden nicht nur die Audio-Tagebücher, sondern auch Interviewtranskriptionen und persönliche Beobachtungsnotizen der Forscherin herangezogen. In Kapitel 7 (S. 349-360) werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zusammengefasst und diskutiert. Dies erfolgt anhand der in Kapitel 4 formulierten Teilfragen: 1. Welche Lerntechniken und Lernstrategien kennzeichnen die Vokabellernaktivitäten der Schüler zu Hause? , 2. Worauf lässt sich die von den Schülern subjektiv empfundene Unterscheidung zwischen leicht und schwierig zu lernenden Vokabeln zurückführen? , 3. Lassen sich im Bereich der häuslichen Wortschatzarbeit Unterschiede zwischen den Vorgehensweisen von fortgeschrittenen Lernern und Lernern im ersten Lernjahr feststellen? , 4. Geben Schülerporträts differenzierte Einblicke in die Komplexität und Individualität von Vokabellernprozessen? , 5. Aus welchen außerschulischen Bereichen bieten sich den Schülerinnen und Schülern Anknüpfungspunkte für den englischen Wortschatz? , 6. Lassen sich aus den Ergebnissen Rückschlüsse über die Subjektadäquatheit der Erhebungsmethoden ziehen? Aus den Ergebnissen zieht die Autorin in Kapitel 8 (S. 361-365) Schlussfolgerungen für die Lernstrategieforschung und für die fachdidaktische Praxis des Fremdsprachenunterrichts. In Bezug auf die Lernstrategieforschung folgert H AUDECK , dass sich zum einen das Audio-Tagebuch bewährt hat und dass zum anderen in weiteren Forschungsvorhaben die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroperspektive berücksichtigt werden sollte. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht zieht sie drei Schlussfolgerungen: 1. Förderung der Vokabellernbewusstheit 260 Buchbesprechungen Rezensionsartikel 38 (2009) von Schülern (und Lehrern), 2. Thematisierung von Lernstrategien und Lerntechniken im Klassenzimmer und darüber hinaus (Fokus auf Problembereiche und ihre Lösungsmöglichkeiten), 3. Bedeutung des inzidentellen Wortschatzerwerbs. Komplettiert wird der Band durch ein Abbildungsverzeichnis, (S. 367-368), ein Tabellenverzeichnis (S. 369-370) und das 14 Seiten umfassende Literaturverzeichnis (S. 371-384). Leider findet sich kein die Arbeit abschließendes Kapitel mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick. Die Zusammenfassung hätte die bisherigen und die neuen Kenntnisse dem Leser bzw. der Leserin gebündelt präsentieren können; im Ausblick hätte der Blick auf neu aufgeworfene Fragen oder Perspektiven geweitet werden können. Helga H AUDECK belässt es hingegeben bei einem allgemein gehaltenen Schlusssatz: „Aufgrund der Individualität und Komplexität des Themenbereichs bleibt die Fragestellung auch in Zukunft ein wichtiges Beschäftigungsfeld für alle, die sich - beruflich oder privat - mit der fremdsprachlichen Wortschatzarbeit von Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen“ (S. 365). Dies ist umso bedauerlicher, als dass die Arbeit ein durchaus weites Feld an weiteren Anknüpfungspunkten öffnet, wie z.B. die Fragen, welche Rolle die Familie bei der Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers spielt, wie sie die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen kann oder inwiefern das Audio-Tagebuch andere Reflexionen von Lernenden über das eigene Sprachenlernen evoziert als ein schriftliches Lerntagebuch. Erwähnt wird allerdings von der Autorin an anderer Stelle (Ende Kapitel 5), dass für weitere Untersuchung u.a. bildgebende Verfahren der Neurokognition denkbar seien, wobei sie interdisziplinäre Zugänge, wie sie z.B. im Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm praktiziert werden, als „zukunftsweisend“ (S. 204) bezeichnet. Die (wenigen) kritischen Anmerkungen zur Dissertation von Helga H AUDECK sollten nicht den Blick dafür verstellen, dass es sich um eine sehr empfehlenswerte Arbeit handelt, die einen sorgfältig und akribisch aufgearbeiteten Forschungsüberblick zur Wortschatzarbeit außerhalb des Klassenzimmers bietet. Die von der Forscherin durchgeführte Studie ist durch ihren Fokus auf die konkreten Vokabellernaktivitäten von Schülerinnen und Schülern im familiären Kontext als innovativ zu bezeichnen. Dazu trägt in großem Maße das von ihr entwickelte Erhebungsinstrument des Audio-Tagebuchs bei, das sicherlich auch ein erhebliches Potential als Förderinstrument hat. Marburg A NTJE S TORK Michael K. L EGUTKE (Hrsg.): Kommunikative Kompetenz als fremdsprachendidaktische Vision. Tübingen: Narr 2008 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 149 Seiten [24,80 €] Das Lernziel kommunikative Kompetenz ist fest verknüpft mit dem Namen des 2004 verstorbenen Fremdsprachendidaktikers Hans-Eberhard P IEPHO , wurde die kommunikative Wende in Deutschland doch zu großen Teilen von ihm in die Wege geleitet. So entstanden die meisten der in diesem Band publizierten Beiträge auch für ein Festkolloquium, das Piepho zu Ehren 2006 an der Justus- Liebig-Universität Gießen stattfand. Da das Konzept der kommunikativen Kompetenz in fachdidaktischen Debatten sowie in der praktischen Umsetzung im Laufe der Jahre eine gewisse Abnutzung und Verflachung erfahren hat, erkunden die Autorinnen und Autoren in ihren Beiträgen - ausgehend von den Originalschriften Piephos - die ursprünglichen Aussagen und Konzepte Piephos, weisen auf Missverständnisse und verkürzte Lesarten hin und zeigen die Bedeutung seiner Gedanken für die heutige Fremdsprachendidaktik auf. Dabei beleuchten sie verschiedene Aspekte seines Schaffens und seiner Persönlichkeit, so dass mit der Lektüre dieses Bandes ein umfassendes Bild von Piephos Werk und seiner Person entsteht. Nachdem L EGUTKE in der Einleitung die Inhalte der einzelnen Beiträge treffend zusammengefasst hat, argumentiert er in seinem Beitrag, dass für ein angemessenes Verständnis des Lernziels