Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2010
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Gnutzmann Küster SchrammJan HOLLM (Hrsg.): Literaturdidaktik und Literaturvermittlung im Englischunterricht der Sekundarstufe I. Trier: WVT 2009 (KOLA; Band 5), 224 Seiten [24,50 €]
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2010
Gabriele Blell
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204 Buchbesprechungen C Rezensionsartikel 1 Karlheinz H ELLWIG : Bildung durch Literatur. Frankfurt/ M.: Lang 2005; Ansgar N ÜNNING / Carola S UR - KAMP (Hrsg.): Englische Literatur unterrichten. Grundlagen und Methoden. Seelze-Velber: Klett / Kallmeyer 2006; Wolfgang H ALLET / Ansgar N ÜNNING (Hrsg.): Neue Ansätze und Konzepte der Literatur- und Kulturdidaktik.. Trier: wvt 2007 (WVT-Handbücher zur Literatur- und Kulturdidaktik; Band 1); Eva Burwitz-Melzer (Koord.): Themenschwerpunkt: Lehren und Lernen mit literarischen Texten. Tübingen: Narr 2008 (Fremdsprachen Lehren und Lernen, Jg. 38); Engelbert T HALER : Teaching English Literature. Paderborn: UTB 2008; Engelbert T HALER : Method Guide. Kreative Methoden für den Literaturunterricht. Paderborn: Schöningh 2009. 2 Karlheinz H ELLWIG : Anfänge englischen Literaturunterrichts. Frankfurt/ M.: Peter Lang 2000. 39 (2010) Italienischunterricht […].“ Dieser Einschätzung mag man sich nach der Lektüre nicht anschließen. Die ursprünglich zwischen 1997 und 2007 erschienen Aufsätze bleiben vielmehr nebeneinander stehen, was ihre Inhalte für interessierte Leser nicht weniger relevant macht. Konstanz W OLFGANG T ÖNSHOFF Jan H OLLM (Hrsg.): Literaturdidaktik und Literaturvermittlung im Englischunterricht der Sekundarstufe I. Trier: WVT 2009 (KOLA; Band 5), 224 Seiten [24,50 €] Die vorliegende Literaturdidaktik reiht sich ein in eine lose Folge von Publikationen zum Umgang mit Literatur und Kultur im (englischen) Fremdsprachenunterricht, die in den letzten fünf Jahren in relativ kurzen Abständen auf dem deutschen Markt veröffentlicht wurden und auf die bundesweit bildungspolitisch und curricular ‚verordnete‘ Marginalisierung von Literatur für den Englischunterricht reagieren (vgl. H ELLWIG s Bildung durch Literatur (2005), N ÜNNING / S URKAMP s Englische Literatur unterrichten. Grundlagen und Methoden (2006), H ALLET / N ÜNNING s Neue Ansätze und Konzepte der Literatur- und Kulturdidaktik (2007), B URWITZ -M ELZER s (als Koordinatorin) Lehren und Lernen mit literarischen Texten (2008) sowie T HALER s Teaching English Literature (2008) oder sein Method Guide. Kreative Methoden für den Literaturunterricht (2009). 1 Alle machen sich vor dem Hintergrund kompetenzorientierter Bildungsstandards und Outputorientierung sowie verschiedener Neuorientierungen in den Literatur- und Kulturwissenschaften (cultural turns) kompromisslos stark für Literaturdidaktik und Literaturvermittlung im Englischunterricht. Sie geben Überblicke über literatur- und kulturtheoretische Zusammenhänge, stellen bewährte und vor allem neue literatur- und kulturwissenschaftliche didaktische Konzepte sowie methodisch-didaktische Zugangsweisen für Studierende, Referendarinnen und Referendare und Lehrkräfte zur Verfügung, um Literatur- und Kulturunterricht in Schule und Hochschule zeitgemäß, modern und spannend unterrichten zu können. Man könnte meinen, die Reihe der Handbücher, Grundlagen- und Überblickspublikationen für den Literaturunterricht wäre damit vorerst erschöpft. Dennoch hat das vorliegende Bändchen seine Berechtigung. Im Vergleich zu den häufig eher die gymnasiale Oberstufe thematisierenden Bände, nimmt Jan Hollms kleiner Sammelband insbesondere die Sekundarstufe I, also den Literaturunterricht vor der Oberstufe, in den Blick und lotet literaturtheoretische, fachdidaktische und curriculare Rahmenbedingungen für diese Lernstufe aus. Jedoch ist der Sammelband auch hier nicht der erste seiner Art, wenn man in die jüngere Vergangenheit schaut. Karlheinz H ELLWIG veröffentlichte 2000 die für den elementaren und aufbauenden englischsprachigen Literaturunterricht wichtige Monographie Anfänge englischen Literaturunterrichts. 2 Obwohl Volkmann in seinem Beitrag im vorliegenden Band (23-40) u.a. dezidiert Hellwigs langjährige Überlegungen zu den Zielen sowie prozess- und handlungsorientierten Formen insbesondere fremdsprachlichen Literaturunterrichts von der Primarstufe bis zum Ende der Sekundarstufe aufgreift und dessen Arbeiten als wegbereitend für heute allgemein akzeptierte interaktive, intermediale und intertextuelle „Aushandlungsprozesse“ mit Literatur betrachtet, wird Buchbesprechungen C Rezensionsartikel 205 3 Eva B URWITZ -M ELZER : „Ein Lesekompetenzmodell für den fremdsprachlichen Literaturunterricht“. In: Lothar B REDELLA / Wolfgang H ALLET (Hrsg.): Literaturunterricht, Kompetenzen und Bildung. Trier: WVT 2007, 127-157. 39 (2010) leider diese Publikation nicht in der einleitenden Standortbestimmung zum Band erwähnt. Vielmehr wird hier die Leistung des vorliegenden Buches als „Brücke aus der literaturdidaktischen Vergangenheit in eine noch relativ ungewisse fremdsprachendidaktische Zukunft“ (4) gewürdigt. Die formulierte „Ungewissheit“ fremdsprachendidaktischer Zukunft befremdet an dieser Stelle, da wichtige und bewährte Parameter modernen Fremdsprachenunterrichts in den letzten Jahren immer wieder beschrieben und auch empirisch ausgelotet worden und die Fremdsprachendidaktik damit zumindest in der lerntheoretischen Grundlegung auf ‚sichere Füße‘ stellt. Viele dieser didaktischmethodischen Grundüberzeugungen werden auch in der vorliegenden Literaturdidaktik reflektiert. Ähnlich wie andere Bände auch folgt der Sammelband einer Struktur beginnend mit ‚Theoretischen Fragestellungen‘ hin zu ‚Unterrichtspraktischen Konkretisierungen‘. Liest man die Aufsätze jedoch ‚quer‘, schälen sich drei große Themengebiete heraus, die u.a. die Spezifik des Literaturunterrichts in der Sekundarstufe skizzieren helfen: Bildungsstandards und curriculare Rahmenbedingungen; Lesen in der Fremdsprache und Leseerfahrung sowie spezifische literarische und mediale Gattungen und Genres (Ganzschriften, Jugendroman, Lektüren, Computertexte sowie Initiationsgeschichten). Darüber hinaus fällt positiv auf, dass sich die einzelnen Beiträgerinnen und Beiträger gegenseitig zur Kenntnis und aufeinander Bezug genommen haben. Bildungsstandards und curriculare Rahmenbedingungen: Der Herausgeber selbst unternimmt an dieser Stelle eine für den Leser informative Zusammenschau der curricularen Einbettung des Literaturunterrichts zwischen Europäischem Referenzrahmen - den Bildungsstandards der KMK - und den Rahmenlehrplänen der 16 Bundesländer. Das von ihm beschriebene vorwiegend sprachpraktische und linguistisch definierte Verständnis kommunikativer Handlungsfähigkeit in den Dokumenten mit Bezug auf Literatur führt in der Folge, so Hollm, sogar zu einer nachweislich rückläufigen Auseinandersetzung mit literarischen Texten in den verschiedenen Schulformen (Hollm 41-61). Um diesen Prozess jedoch aufzuhalten, ist es die Aufgabe der Fachdidaktik, neben der curricularen Festschreibung von Lesekompetenzen, wie es in den Dokumenten bisher bereits getan wird, auch verstärkt literarisch-ästhetische Kompetenzen zu erarbeiten, um dem literarischen Lesen, natürlich immer in schulformspezifischer Abstufung, einen gebührenden Platz in den Dokumenten einzuräumen. Insofern gehen B URWITZ -M ELZER s Anstrengungen 3 bereits in die richtige Richtung, auf der Grundlage empirischer Erhebungen literarisch-ästhetische Kompetenzen bildungspädagogisch zu beschreiben und damit literarischen und künstlerischen Texten einen ‚unangreifbaren‘ Platz im Kontext des Fremdsprachenlernens einzuräumen. Volkmann fordert in diesem Zusammenhang dezidiert die Renaissance des Bildungsbegriffs in Ablehnung eines ausschließlich funktionalen Sprachverständnisses, auch für die Sekundarstufe I (30). Der Bildungsgedanke und damit die Überzeugung, dass literarische Texte in besonderem Maße das reflexive Verhältnis zwischen dem Selbst und der Welt anregen und fördern können, liefern u.a. Erklärungsansätze dafür, dass z.B. Shakespeare in aufklärerischer Weise auch in der Mittelstufe und in nichtgymnasialen Schulformen nicht fehlen sollte, ob als Geschichtenerzähler (Volkmann 39), als Spielvorlage (ebenda) oder in Form eines digitalen Simulationsspiels (Baier/ Bührle 75-88), in dem sich Lernende kreativ und durchaus auch analytisch ihren „Personal Hamlet“ erarbeiten (86). Lesen in der Fremdsprache: Das Lesen wird im Band an verschiedenen Stellen und aus unterschiedlichen Perspektiven heraus erörtert. Appel analysiert z.B. empirisch den Unterrichtsalltag zum Umgang mit Lektüren auf der Grundlage subjektiven Erfahrungswissens von Englischlehrern und -lehrerinnen und weist mit seinen Ergebnissen (Interviewdaten) auf eine häufige Diskrepanz zwischen lernbiographisch erfahrenen ‚Freiheiten‘ beim Lesen auf der einen Seite und eher ein- 206 Buchbesprechungen C Rezensionsartikel 39 (2010) engenden strukturellen Eigenschaften von Unterrichtssituationen hin: geringe Grade an Freiwilligkeit oder die Gruppensituation selbst (Appel 71 f). Letztere ist jedoch nicht so determinativ, als dass sie ‚Freiräume‘ für z.B. Lektürearbeit nicht zulässt. Im Gegenteil: „Lektüreunterricht bietet eine Einstiegsmöglichkeit in eine […] Individualisierung von Fremdsprachenunterricht“ (Appel 73). Biebricher betont andererseits in ihrem Beitrag die Notwendigkeit der Entwicklung kursorischer Lesetechniken bei den Schülerinnen und Schülern. Sie kann empirisch nachweisen (Aufgabenbearbeitung nach extensivem Leseprojekt), dass selbst Jugendliche, die wenig begeisterungsfähig für Literatur sind, „zumindest kurzzeitig als Leser gewonnen werden“ (108) können. Ähnliche Ergebnisse dokumentiert Schwab (145-156) in seinem Projekt zum „Free Voluntary Reading“ an einer Hauptschule, einem von Krashen seit den 70er Jahren immer wieder geforderten Zugang zur Leseförderung (SSR - Sustained Silent Reading). Die Einrichtung einer Klassenbibliothek, aus der Schülerinnen und Schüler frei wählen, ist dabei nicht nur materielle Basis für Lektürearbeit (Appel, Rodgers), sondern stellt für sozial schwache Elternhäuser vielfach auch einen der wenigen Zugänge zu Bildung generell dar. „Children of poverty have only one possible source of books: Libraries“ (Stephen Krashen live auf der Tagung Children’s Literature in Language Education, Universität Hildesheim, 25-27 Februar 2010). Literarische und mediale Gattungen: Die Genre- und Gattungsbreite ist auch für die Sekundarstufe I breiter als vielleicht angenommen und dank eines weiten Textverständnisses auch medial vielfältig. Englischsprachige, oft illustrierte Lektüreserien, die in großer Zahl von sowohl deutschen als auch englischsprachigen Verlagen verfügbar sind, sind selbstredend und nicht mehr aus dem Literaturunterricht der Sekundarstufe I wegzudenken. Das von Hermes langjährig entwickelte und immer wieder neu begründete Plädoyer für den Einsatz von Graded Readers überzeugt auch in diesem Band und stärkt die Suche nach adäquaten Textformaten, die auch in anderen Beiträgen thematisiert wird: „Lernende brauchen Texte [insbesondere auf Mittelstufenlernniveau - G.B.], die auf ihre Bedürfnisse hin zugeschnitten sind“ (18). Aber auch Audiomedien (Schwab) oder stark bebilderte Edutainmentsoftware (Baier/ Biehrle) können das Ziel der Leseförderung i.S. eines ganzheitlichen Herangehens nicht unwesentlich fördern. Best-practice Beispiele unterbreiten nicht zuletzt Kinzel/ Schwindt durch den Einsatz des auch für Erwachsene noch spannenden Jugendbuches Mark Haddons The Curious Incident of the Dog in the Night-Time (157-168) oder durch das Genre der Initiationsgeschichte zur Thematisierung initiationsartiger Erlebnisse für heranwachsende Jugendliche (Lozano-Falk 169-184). Abschließend sei auf zwei weitere Textdokumente hingewiesen, die dem Buch nützliche hinweisende Nachschlage- und Recherchefunktion verleihen: 1. das Literaturverzeichnis am Ende ist für alle Aufsätze in einem Dokument zusammengefasst und liefert damit einen guten Überblick über die aktuelle Forschungsliteratur zum Thema (185-204) und 2. werden die Internetadressen von Lehrplänen, Bildungsplänen, Rahmenlehrplänen sowie Kerncurricula für die unterschiedlichen Schulstufen aller Bundesländer zusammengestellt (205-209) - also Internetseiten, von denen man durchaus eine etwas längere ‚Halbwertzeit‘ erwartet. Obwohl der Band sicher keine bahnbrechenden Innovationen auf literaturdidaktischem Gebiet liefert, besticht er durch seine konsistente Zusammenschau auf den Literaturunterricht Englisch in der Sekundarstufe I, sowohl aus curricular-bildungspolitischer, theoretischer sowie unterrichtspraktischer und empirischer Perspektive. Er informiert, analysiert und übernimmt teilweise recherchierende Nachschlagefunktion. Der Band kann vor allem denjenigen Englischlehrerinnen und Englischlehrern, Studierenden, Referendarinnen und Referendaren wärmstens empfohlen werden, die sich im schulischen bzw. universitären Ausbildungskontext der Sekundarstufe I an Haupt- und Realschule sowie am Gymnasium bewegen. Hannover G ABRIELE B LELL
