Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2011
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Gnutzmann Küster SchrammFremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien
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Olga Esteve
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© 2011 Narr Francke Attempto Verlag 40 (2011) • Heft 1 O LGA E STEVE * Fremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien Abstract. This article aims to give a brief overview of the research that is currently being undertaken in Spain in the field of foreign language learning and teaching, in addition to a description of some important initiatives in in-service language teacher education aimed at creating a significant relationship between classroom practice, theory and the research studies themselves. The article has two parts: the first focuses on current research fields in Spain involving second language acquisition, learning and teaching. The second describes a new teacher education model aimed at bridging the gap between research, theory and practice by introducing a new kind of teacher training methodology entitled Learning from practice; the latter is based on exploratory practice and reflective teaching and is currently being successfully implemented in different regions in Spain. 1. Einleitung Das Fremdsprachenlehren und -lernen in Spanien befindet sich in einem Veränderungsprozess, der Mitte der neunziger Jahre durch das neue Bildungssystem in der Primar- und Sekundarstufe 1 begünstigt wurde. Unter den wichtigsten Veränderungen können wir einerseits hervorheben, dass das gesetzlich vorgeschriebene Einstiegsalter für den Fremdsprachenunterricht von elf auf acht Jahre heruntergesetzt wurde. Andererseits, und in Verbindung mit dem vorliegenden Bericht, sind es die den neuen Lehrplanentwürfen zugrunde liegenden methodischen Ansätze, die nicht nur die Interdisziplinarität, sondern auch den sprachganzheitlichen Unterricht sowie die Förderung einer Zweit- oder Fremdsprache berücksichtigen. Dieser Veränderungsprozess entstand aus den sozialen Ereignissen, die in den letzten Jahren in der spanischen Gesellschaft stattgefunden haben, vor allem durch die Migration. Aus diesem Grund bildet heute die Förderung der Mehrsprachigkeit und des interkulturellen Lernens einen unabdingbaren Teil der Schulbildungsmaßnahmen, der in unseren Klassenräumen verwirklicht werden muss. Wenn auch ihre Behandlung mit der Schulreform Anfang der 90er Jahre begann, so berücksichtigte sie noch nicht die sprachliche und kulturelle Vielfalt, denn die Gestalt der Gesellschaft erforderte dies * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Olga E STEVE , Universitat Pompeu Fabra, Barcelona, Departament de Traducció i Llengües Aplicadas, Roc Boronat, 138, ed. 53,08018 B ARCELONA E-Mail: olga.esteve@upf.edu Arbeitsbereiche: Unterrichtsforschung im Bereich des Autonomen Lernens, Language Awareness und Förderung einer Mehrsprachigkeitsdidaktik / Reflexives Erfahrungslernen in der Lehreraus- und -fortbildung. 1 Die Primarstufe in Spanien sind die Klassen 1-6, die Sekundarstufe die Klassen 7-10. Fremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien 101 40 (2011) • Heft 1 noch nicht. Fast 20 Jahre später hat sich deren Zusammensetzung jedoch grundlegend geändert. Von daher ist es jetzt notwendig, das Konzept der Sprachvielfalt im Klassenraum durch Information und praktische Vorschläge zu vertiefen und zu erweitern. Somit haben die Migrationserscheinungen das Bedürfnis danach geweckt, pädagogische Modelle zu schaffen, die auf die vorhandenen vielsprachigen und multikulturellen Wirklichkeiten eingehen und dabei - vor allem in zweisprachigen Sprachgemeinschaften - den sprachlichen Hintergrund und die Erfahrungen der Schülerschaft mit einbeziehen. Andererseits hat der Vorstoß der neuen Technologien, und damit die didaktischen Möglichkeiten, die diese zur Motivation der Schülerschaft bieten, dem Bereich der Fremdsprachen einen wichtigen Impuls gegeben und sogar wichtige Forschungen in seinem Umfeld hervorgerufen, hier wie in anderen Ländern auch. Im Augenblick bewirkt die Verwendung von digitalen Lernumgebungen ein Überdenken der Rolle des Lernens im Schulkontext (formal learning) und zwingt dazu, pädagogische und methodische Alternativen zu suchen, um den Klassenraum gegenüber dem außerschulischen Lernen (informal learning) zu öffnen, auch aufgrund von Impulsen seitens der Bildungsbehörde. Dies hat zu einem zunehmenden Interesse am „selbstregulierenden Lernen“, bisher besser bekannt als „Lernerautonomie“, geführt. Wie wir im Folgenden sehen werden, haben diese soziopolitischen Ereignisse ihren Widerhall in verschiedenen Forschungsgruppen gefunden, die eher angewandte Forschung betreiben, um der Lehrerschaft in diesem neuen Zeitalter der Fremdsprachenlehre Antworten und Anleitung bieten zu können. Nun ist es aber eine Sache, Studien in diese Richtung zu betreiben, und eine andere, deren Ergebnisse auf signifikante Weise auf die Lehrerschaft zu übertragen. Dieser Aufsatz besteht aus zwei deutlich voneinander getrennten Teilen. Im ersten Teil bieten wir einen Überblick über die aktuellste Grundlagen- und angewandte Forschung in Spanien, während der zweite Teil einer gründlichen Beschreibung der Anstrengungen gewidmet ist, die einige autonome Regionen Spaniens 2 unternehmen, um eine wirkliche Übertragung der Forschungsergebnisse zu gewährleisten, die der Lehrerschaft hilft, sich in ihrer Unterrichtspraxis weiterzuentwickeln. Beendet wird der Beitrag mit einigen Reflexionen über Lehreraus- und -fortbildungsmodelle, die darauf abzielen, eine Brücke zwischen Praxis, Forschung und Weiterentwicklung der Lehrkompetenz zu schlagen. 2. Aktuelle Forschung im Bereich des Fremdsprachenlernens und -lehrens Wie bereits eingangs erwähnt, haben soziale Phänomene die Forschungsaktivitäten unseres Landes im Zusammenhang mit dem Erwerb einer oder mehrerer Fremdsprachen beeinflusst. Man könnte die Gesamtheit der Studien in unserem Land der letzten zehn 2 Diese sind den deutschen Bundesländern vergleichbar. 102 Olga Esteve 40 (2011) • Heft 1 Jahre (einschließlich der aktuell laufenden) in zwei Blöcken gruppieren, die zwei verschiedenen Forschungstypologien entsprechen: a) Einerseits gibt es eine so genannte Grundlagenforschung, die sich auf die Erforschung verschiedener sowohl sozioaffektiver als auch kognitiver Variablen oder Faktoren im Bereich des Fremdsprachenerwerbs und Fremdsprachenlernens konzentriert. Die Studien dieser Art suchen Antworten auf Fragen wie folgende: In welchem Alter sollte man am besten mit dem Erwerb einer Zweit- oder Drittsprache beginnen? • Was charakterisiert zwei- oder mehrsprachige Sprecher gegenüber den einsprachigen und welche Schlussfolgerungen können wir daraus für die Behandlung der Sprachen in der Schule und im Klassenraum ziehen? • Wie werden Sprachen im Schulkontext (formal learning) erworben? • Welche Auswirkungen hat der allseits bekannte bilinguale Sach-/ Fachunterricht (CLIL Content and Language Integrated Learning) auf die Entwicklung der kommunikativen Kompetenzen der Fremdprachenlerner? • Welche Rolle spielen das außerschulische Lernen (informal learning) und der Zugang zu diversen virtuellen Lernumgebungen für die Aneignung neuer Sprachen? b) Der zweite Forschungszweig könnte als angewandte Forschung bezeichnet werden. Er basiert vorwiegend auf der Erforschung von Lehr- und Lernprozessen (Sprachlehr- und -lernforschung) bei der Umsetzung von neuen didaktischen Ansätzen in die Praxis. Waren die Fragen des ersten Blocks auf die Erforschung der Mechanismen des Fremdsprachenerwerbs und Fremdsprachenlernens ausgerichtet, so suchen die Forschungsstudien dieses zweiten Blocks Antworten auf Fragen eher pädagogischer und didaktischer Natur, wie zum Beispiel: • Wie kann man eine mehrsprachige Kompetenz im Klassenraum behandeln? • Worin besteht eine Mehrsprachigkeitsdidaktik? Wie kann sie gefördert werden? • Was sind die methodischen Unterrichtsansätze für einen optimalen bilingualen Sach-/ Fachunterricht? • Wie kann man die Autonomie des Fremdsprachenlerners fördern? Wie kann man selbstregulierendes Lernen fördern? Welche Rolle spielen in diesem Prozess Instrumente wie das Sprachenportfolio? • Wie kann man die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien auf signifikante Weise in den Unterricht einbinden? Die Mehrheit der Forschungsgruppen kombinieren beide Forschungsarten miteinander, denn alle weisen ein besonderes Interesse an der Übertragung ihrer Forschungsergebnisse auf den Unterricht auf. Daher stellen wir die aktuellsten Forschungslinien nach Forschungsbereichen gruppiert vor. Die bedeutendsten Forschungsbereiche, auf die sich die Mehrzahl der aktuellen Studien richtet, sind der Altersfaktor, die Mehrsprachigkeit und das Erlernen von Sprachen in vielsprachigen Umgebungen, der CLIL-Bereich und schließlich Lehrforschung über autonomiefördernde Sprachunterrichtsansätze. Fremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien 103 40 (2011) • Heft 1 2.1 Der Altersfaktor Im Bereich der Erforschung des Altersfaktors und des Frühlernens des Englischen als erster Fremdsprache stammen die bedeutendsten Studien vom Team um Carme M UÑOZ (2006, 2008) von der Universität Barcelona. Ihre Forschungsergebnisse haben Widerhall bei den Bildungsbehörden des gesamten spanischen Staatsgebietes gefunden; dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass diese die explizite Absicht haben, den Erwerb einer Zweitsprache ins frühe Alter vorzuverlegen. Es ist jedoch wichtig zu berücksichtigen, dass noch einige Jahre vergehen werden, bis wir den wirklichen Einfluss dieses „Frühlernens“ auf die Entwicklung der kommunikativen Kompetenz der Lerner beobachten können. In diesem Zusammenhang sind die Endergebnisse der von C. M UÑOZ geleiteten Langzeitstudien von besonderem Interesse, die darauf schließen lassen, dass es in dieser Entwicklung keinen bedeutsamen Unterschied gibt zwischen Schülern mit einem Frühbeginn in Englisch und solchen, die erst später damit angefangen haben. Dies führt dazu, über Bedeutung und Effizienz der Lehrmethoden im schulischen Fremdsprachenlernen (formal learning) nachzudenken, wie auch über den Motivationsfaktor - all dies Aspekte, die auch von Forscherinnen wie J. A RNOLD (1999) von der Universität Sevilla untersucht worden sind. 2.2 Zweisprachigkeit, Mehrsprachigkeit und bilingualer Sach-/ Fachuntericht ( CLIL ) Zweifellos besetzen aus den oben genannten Gründen die Studien über Zwei- und Mehrsprachigkeit den wichtigsten Raum der Grundlagenforschungen in unserem Land. Die Mehrheit der Studien in diesem Bereich verbindet die Forschung im eigentlichen Sinne mit spezifischen Überlegungen in Bezug auf die Behandlung der praktischen sprachlichen und kulturellen Vielfalt im Klassenraum. Aufgrund der Natur des Themas verwundert es nicht, dass die Mehrheit der Forscherinnen und Forscher in diesem Bereich aus dem baskischen und katalanischen Raum stammen, also aus mehrsprachigen Regionen. Im baskischen Bereich konzentrieren die wesentlichen Forschungsgruppen ihre Bemühungen auf die psycho- und soziolinguistischen Aspekte der Zwei- und Mehrsprachigkeit. Ihr Untersuchungsinteresse schließt die Wirkung der Zweisprachigkeit beim Erlernen einer dritten, vierten oder fünften Sprache, Minderheitensprachen, die pragmatische und interkulturelle Kompetenz zweibzw. dreisprachiger Schülerinnen und Schüler sowie Forschungsmethoden im Bereich der Zwei- und Mehrsprachigkeit und der Einsatzmöglichkeiten einer Mehrsprachigkeitsdidaktik im Klassenraum mit ein. (C ENOZ 2009; L ASAGABASTER / H UGUET 2007; L ASAGABASTER / S IERRA 2005). In Bezug auf die Untersuchungen von J. C ENOZ sind ihre ersten Arbeiten hervorzuheben, die sie zusammen mit deutschsprachigen Forscherinnen wie Ulrike J ESSNER und Britta H UFEISEN über Das mentale Lexikon (2001) durchgeführt hat. Dieser Forschungsbereich bildet momentan einen Wendepunkt in Bezug auf den unterrichtlichen Umgang mit implizitem sprachlichem Wissen der Schüler, wenn sie eine neue Sprache als dritte, 104 Olga Esteve 40 (2011) • Heft 1 vierte oder fünfte Sprache lernen. Ferner ist er eng mit der aktuellen Diskussion verbunden, die sich in Spanien Tratamiento Integrado de Lenguas nennt (‚Integrierte Sprachbehandlung‘) und die auf die Ausarbeitung einer Mehrsprachigkeitsdidaktik für den Fremdsprachenunterricht ausgerichtet ist, in der sowohl die Erstsprachen als auch die Fremdsprachen methodisch aufeinander abgestimmt sein sollen. Dies bedeutet in der Tat eine enge Koordination und eine tiefe methodische Diskussion, sowohl in der Primarwie auch in der Sekundarstufe, zwischen Fremdsprachenlehrern und -lehrerinnen und der Lehrerschaft, die mit den Erstsprachen beschäftigt ist. Es ist von daher nicht erstaunlich, dass all diese Studien zur Zeit wichtige Informationen im Hinblick auf einen solchen integrierten Sprachunterricht liefern, denn sie bereiten sozusagen die konzeptuelle Basis für die methodische Zusammenarbeit zwischen zwei Gruppen, die bis jetzt getrennt gearbeitet haben und die sich in den meisten Fällen methodisch weit entfernt voneinander befinden (E STEVE 2010; G UASCH 2010). In dieselbe Forschungslinie sind die Forschungen von L ASAGABASTER (2005, 2007) im Baskenland einzuordnen. Diese Gruppen untersuchen das Phänomen der Vielsprachigkeit mit der Sprachenkombination Katalanisch-Baskisch-Spanisch und Englisch. Es gibt weitere Gruppen, die dasselbe Phänomen untersuchen, jedoch in einer anderen Kombination: anstatt Englisch wird das Französische in Verbindung mit Katalanisch und Spanisch untersucht. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Bereich die Arbeiten von N USSBAUM und U NAMUNO (N USSBAUM / U NAMUNO 2006). Deutsch als Fremdsprache (DaF) ist in der Grundlagenforschung kaum präsent (A BELLÓ / E HLERS / Q UINTANA 2010), wenn es auch in der angewandten Forschung stärker repräsentiert ist, wie wir im Folgenden sehen werden. Der Grund für diesen Mangel ist das Fehlen von Forschern und Forscherinnen im Bereich DaF, da diese Sprache auch weiterhin sehr wenig Verbreitung in den Grund- und Sekundarschulen hat. Schließlich wären noch die Forschungen im Bereich Mehrsprachigkeit hervorzuheben, die aus einer eher soziolinguistischen Perspektive in den Klassenräumen und Schulen mit einem starken Migrationshintergrund betrieben werden (N USSBAUM / U NAMUNO 2006). Im Bereich der Mehrsprachigkeit gibt es eine dritte Forschungslinie, die eher mit dem Thema „Sprachbewusstheit“ oder language awareness verbunden ist und die sowohl Englisch als auch Deutsch als Fremdsprache mit einbezieht. Hier sind die wichtigsten Veröffentlichungen jene von C OTS / N USSBAUM (2003), C OTS el al. (2009), E STEVE (2003, 2004a). Diese Autoren suchen Antworten auf Forschungsfragen wie die folgenden: Auf welche Weise hilft die Reflexion über Sprache und Kommunikation dabei, die kommunikative Kompetenz zu entwickeln, und wie kann man eine kommunikative Zielsetzung in den Klassenraum bringen, die das Sprachbewusstsein fördert? Diese Forschungsergebnisse und ihre Auswirkungen auf die Unterrichtspraxis bilden eine wichtige Brücke für die Lehrerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, in ihrer Schule eine Didaktik der Mehrsprachigkeit zu etablieren und damit eine Zielsetzung zu verfolgen, die eher mit dem zwischensprachlichen Transfer als Basis für eine integrierte Sprachbehandlung an den Schulen verbunden ist. Ein weiterer, mit dem vorangehenden eng verbundener Untersuchungsbereich ist, wie in anderen Ländern auch, die Forschung im Bereich von CLIL, die sich im Falle Fremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien 105 40 (2011) • Heft 1 Spaniens in erster Linie aus dem Interesse an der Zwei- und Mehrsprachigkeit herleitet. In diesem Zusammenhang wird die Tatsache deutlich, dass politische und verwaltungsmäßig motivierte Entscheidungen im Bereich der Lehre transversaler Fächer in einer Fremdsprache (hauptsächlich Englisch, in wenigen Fällen auch Deutsch) die Bestätigung dessen vorwegnehmen, was man in Spanien „zwei- oder dreisprachige Schulzentren“ zu nennen beginnt. Diese Tatsache beschleunigt, dass wissenschaftliche Studien in diesem Bereich auf den Weg gebracht werden (E SCOBAR 2009; E SCOBAR / S ÁNCHEZ 2009; E SCOBAR / U NAMUNO 2008; E SCOBAR / N USSBAUM 2008; E SCOBAR 2008; L ASA - GABASTER / R UIZ 2010). 2.3 Einsatz der neuen Medien im Fremdsprachenunterricht Unter dieser Überschrift versammeln sich die wichtigsten Arbeiten im Hinblick auf die Auswirkungen der neuen Medien beim Fremdsprachenlernen im schulischen Kontext. Auch wenn der Gebrauch der neuen Medien als Ergänzung und Erweiterung des bisherigen Sprachenlehrens und -lernens allgemein sehr verbreitet in jedem Fremdsprachenunterricht, sei es Englisch, Französisch oder Deutsch, ist, lässt sich fast nur das Englische als Forschungsgegenstand finden. Die aktuellsten Arbeiten stehen mit der Untersuchung der folgenden Faktoren im Zusammenhang: Mehrwert digitaler Schreibaktivitäten für den Erwerb des Englischen als Fremdsprache (L UZÓN 2007a); Gegenüberstellung von Lehr- und Lernparadigmen im Fremdsprachenbereich (U SÓ / R UIZ 2006); Verwendung der verschiedenen digitalen Textsorten seitens der Schülerschaft im außerschulischen Kontext (L UZÓN 2007b; V ILLANUEVA et al. 2008); Hypertextualität, Multimodalität und Multiliteralität (Forschungsteam GIAPEL der Universität Jaume I in Castellón, Valencia), Selbstlernen und neue Medien (T RENCHS 2001), Digitale Kompetenz und Fremsprachenlernen (P UJOLÀ 2010). Deutsch als Fremdsprache ist in diesem Bereich weniger präsent, abgesehen von den Arbeiten von R UIPÉREZ (2003, 2005). 2.4 Der Bereich der Lernerautonomie Schließlich gibt es noch eine Reihe von Forschungsgruppen, die sich auf die Eigenschaften und Förderung selbstregulierender Prozesse beim Fremdsprachenlernen konzentrieren. In diesem Forschungsbereich fließen mehrere Fremdsprachen zusammen: Englisch, Französisch und Deutsch. Im Bereich des Englischen beschäftigen sich die wichtigsten Studien mit der metakognitiven Komponente bei der Bewältigung und Durchführung von Lerneraufgaben (Planung, Monitorisierung und Evaluation), wie beispielsweise die Arbeiten von V ICTORI et al. (2007, 2009). Im Bereich des Französischen sind die Arbeiten von V ILLANUEVA repräsentative Beispiele. Schließlich finden wir im Bereich des Deutschen als Fremdsprache Studien, die sich nicht so sehr auf die kognitiven Elemente konzentrieren, sondern vielmehr auf die Auswirkungen von autonomiefördernden Unterrichtsansätzen auf die Aktivierung von selbststregulierenden Prozessen beim Fremd- 106 Olga Esteve 40 (2011) • Heft 1 sprachenlerner. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Untersuchungen innerhalb der Sprachlehrforschung, eines im spanischen Raum kaum vertretenen Forschungszweiges, der vor allem von Forschern im Bereich DaF geleitet wird (E STEVE 2004b, 2008; E STEVE / B ORRÀS 2003; E STEVE / C AÑADA 2005; E STEVE / A RUMÍ 2006, 2007). Die Ergebnisse dieser Forschungsstudien haben zu vielfachen Veröffentlichungen Anlass gegeben, die speziell auf die Fortbildung von Lehrern und Lehrerinnen ausgerichtet sind und in denen konkrete, fundierte Vorschläge für den Klassenraum vorgestellt sowie auf der Basis der Forschungsbefunde analysiert werden. Zur Zeit haben diese eher populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Lernerautonomie die Grenzen der Fremdsprachen überwunden und werden auch von Lehrern und Lehrerinnen gelesen, die Erstsprachen unterrichten. Der Grund dafür ist, dass sie der Lehrerschaft Antworten und Schlüsselideen liefern, um zu verstehen, was es bedeutet, den Schüler zu befähigen anstatt ihn zu lehren, einer der wichtigsten Basisbegriffe des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens. 2.5 Abschlussbemerkung Um dieses kurze Panorama der Forschungsbereiche über das Fremdsprachenlernen und -lehren in Spanien abzuschließen, wollen wir die Bemühungen hervorheben, die von Seiten verschiedener (vor allem katalanischer) Universitäten unternommen worden sind, um die Anstrengungen der Sprachforschung im Bereich verschiedener Sprachen und Bildungsstufen zusammen zu fassen. In Bezug darauf verdienen die Doktorandenseminare besondere Erwähnung, in denen sich jährlich verschiedene Forschungsgruppen zusammenfinden, um ihre jungen Doktoranden und Forscher und deren herausragende Forschungen vorzustellen. Im bereits umfassenderen Sinne sind auch die interuniversitären Seminare zu nennen, an denen Forscherinnen und Forscher aus allen Gruppen sowie aus dem gesamten spanischen Staatsgebiet teilnehmen und die sich mit den Übertragungsmöglichkeiten der Ergebnisse aus der Forschung auf die Fortbildung der Lehrerschaft beschäftigen. Mit diesen Reflexionen leite ich zum nächsten Abschnitt über. 3. Die Wechselbeziehung zwischen Forschung, Unterrichtspraxis und Lehreraus- und -fortbildung in Spanien 3.1 Forschungsbefunde und Unterrichtspraxis Wenn wir uns fragen, welches der letztendliche Zweck der Weiterbildung der Lehrerschaft ist, so dürfte Einvernehmen darüber herrschen, dass dies das Einwirken der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung auf die im Unterricht erzeugten Prozesse ist, um die Effizienz des Lehrerhandelns in Bezug auf das Lernen der Schüler zu erhöhen. Im Falle Spaniens wird es wahrscheinlich auch Übereinstimmung darin geben, dass diese Absicht aus verschiedenen Gründen nicht immer befriedigend verwirklicht worden ist. Fremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien 107 40 (2011) • Heft 1 Wenn es auch stimmt, dass im gesamten spanischen Staat nach wie vor Tagungen oder Lehrertreffen organisiert werden mit dem Ziel, jene Themen im Forschungsbereich des Fremdsprachenerwerbs und -lernens, die aus der Sicht der Praxis besonders relevant sind, vorzustellen und zu behandeln, so darf nicht verschwiegen werden, dass die Auswirkungen des Ganzen auf den Unterricht bisher verschwindend gering sind. Das Hauptproblem, das sich hinter dieser Feststellung verbirgt, ist einerseits die Tatsache, dass an Initiativen „von oben“ (seitens der Behörden) im Allgemeinen nicht die Gesamtheit der Lehrerschaft aktiv teilnimmt. Tatsächlich (und dies liegt an der Tatsache, dass die Lehrerfortbildung freiwillig ist) sind die Lehrpersonen, die sich für die Weiterbildung in diesem Bereich einschreiben, engagierte Lehrergruppen, die bereits sehr aktiv und innovationswillig sind und ein deutliches Interesse an den Ergebnissen der Forschung zeigen. Doch diese bilden nicht die Mehrheit und sind daher nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Lehrkräfte. Mit Sicherheit sind viele Lehrerinnen und Lehrer ziemlich weit entfernt von den Fragestellungen dieser Innovationsprojekte im Bereich des Fremdsprachenlehrens. Aus diesem Grund treiben die Behörden seit einiger Zeit Initiativen voran, die speziell an die Schulen gerichtet sind und die versuchen, innerhalb des Schulkollegiums Debatten zur Didaktik und Methodik anzustoßen. Diesbezüglich bekommen die sogenannten Impulsprojekte für Fremdsprachen oder die Hilfen für die Einführung von CLIL an den Schulen immer größere Bedeutung. Dank dieser Aufrufe hat das Interesse seitens einer großen Zahl von Schulen an aktuellen und unterrichtsrelevanten Forschungsprojekten zugenommen. Nun geht aber diese Debatte nicht immer tief genug, und manchmal ist das Fehlen klarer Bezugspunkte seitens der Lehrerschaft zu beklagen, wenn es darum geht, komplexes methodisches Handeln einzuführen wie jenes, das aus den Fragestellungen im Zusammenhang mit CLIL oder einer Mehrsprachigkeitsdidaktik entsteht. Deshalb suchen die Schulen Experten und Expertinnen, im Allgemeinen aus dem universitären Umfeld, die ihnen dabei helfen sollen, fundierte Handlungsalternativen zu erstellen. Solche Initiativen scheinen ein dialektisches Verhältnis zwischen Unterrichtspraxis und Forschung aufzubauen, weil die einbezogene Lehrerschaft das Wie und Warum solcher Prozesse verstehen muss, wenn sie an solchen innovativen Projekten aktiv teilnehmen möchte. Dessen ungeachtet bleibt festzuhalten, dass das Verhältnis zwischen Forschung und Lehreraus- und -fortbildung nur fruchtbar und wirklich solide sein kann, wenn der Experte / die Expertin deutlich weiter geht, als nur Forschungsergebnisse oder theoretische Modelle zu präsentieren, die den neuen Fragestellungen zu Grunde liegen, sondern wenn er/ sie den Lehrergruppen hilft, neue Handlungsalternativen aufzubauen, die von einer kritischen Reflexion des eigenen Ausgangspunktes im Kontrast mit den Forschungsergebnissen ausgehen. Was ist damit gemeint? Wenn der Aus- und Fortbilder seine Aufgabe nur als einfache Darstellung der theoretischen Modelle versteht, die aus der Forschung zu Fremdsprachenerwerb und -lernen resultieren, ohne den Ausgangspunkt der Lehrerschaft und ihre bisherigen Vorstellungen und ihre Unterrichtspraxis zu berücksichtigen, nimmt die Lehrerschaft alles, was 108 Olga Esteve 40 (2011) • Heft 1 „aus der Theorie stammt“, als weit von der alltäglichen Praxis entfernte „Hirngespinste“ wahr. Das führt dazu, dass die Übertragung dieser Ergebnisse auf den Unterrichtsalltag zu einer unerträglichen Anstrengung wird und die Auswirkungen der Forschungsergebnisse auf den Unterricht verschwindend gering sind. Ein aktuelles Beispiel sind die vielfachen Präsentationen auf Tagungen zum Thema Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen oder Sprachenportfolio. Auf dieser Art von Tagungen hört die Lehrerschaft den Experten dabei zu, wie sie ihr Thema vorstellen, und kehrt danach mit einer Menge Informationen in den Klassenraum zurück, ohne zu wissen, was sie damit im Unterricht anfangen soll. Um eine bedeutsamere Verbindung zwischen Forschung und Unterrichtspraxis herzustellen, hat eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern in Katalonien eine Weiterbildungsform ausgearbeitet und eingeführt, die Reflexives Erfahrungslernen genannt wird und die kritische Reflexion der Lehrerschaft über die Lern- und Lehrprozesse im Sprachunterricht zum Ausgangspunkt nimmt (E STEVE / C ARANDELL 2009; E STEVE / M ELIEF / A LSINA 2010). 3 Diese Weiterbildungsform scheint, auch wenn sie noch neu ist, die Modalität zu sein, die am besten in der Lage ist, eine Brücke zwischen Forschung und Lehrerpraxis zu schlagen. In Katalonien hat die Regierung sie in allen Rahmenplänen der Weiterbildung zum Maßstab erhoben. In den anderen Regionen Spaniens befindet sie sich noch einer sehr frühen Phase. 3.2 Das Reflexive Erfahrungslernen in der Lehrerfortbildung als Schnittstelle zwischen Forschung, Theorie und Praxis 4 Das Reflexive Erfahrungslernen ist eine Aus- und Weiterbildungsmethode, die als Ausgangspunkt die Erfahrungen jeder Lehrperson in ihrem Kontext und die kritische Reflexion über ihre eigene Praxis nimmt. Es handelt sich von daher um eine Methode, die von der Lehrperson anstatt von theoretischem Wissen ausgeht und die deren persönliche und berufliche Erfahrung berücksichtigt, um die eigene Sprachlehre zu verbessern. Der Ausgangspunkt dieses Modells geht auf die Vorstellungen ein, nach denen die Lehrperson sich bedeutsam aus- und fortbildet, wenn: a) eine klare und direkte Verbindung zu den eigenen Erfahrungen geschaffen wird, die sowohl die als Schüler oder Lehrkraft erlebten Lehr- und Lernsituationen umfassen als auch die eigenen Vorstellungen darüber, was Lehren und Lernen bedeutet (Was glaube ich? ); b) ausgehend von dem Bewusstwerden sowohl des eigenen Ausgangspunktes als auch der systematischen Analyse der - eigenen und fremden - Handlungen im Unterricht (Was sehe ich? Was mache ich? ) ein Reflexionsprozess gefördert 3 Siehe dazu die Webseite des Comenius-Projekts ,Aus der Praxis Lernen‘, das von K. M ELIEF der Universität Utrecht im Zeitraum von 2003 bis 2004 koordiniert wurde und an dem meine Forschungsgruppe aktiv teilnahm: www2.ivlos.uu.nl/ comenius. 4 Die konzeptuelle Grundlage des reflexiven Erfahrungslernens ist auf der Webseite des Comeniusprojekts ,Aus der Praxis Lernen‘ (2003-2005) zu finden: www2.ivlos.uu.nl/ comenius. Fremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien 109 40 (2011) • Heft 1 wird, der in den signifikanten Aufbau eines eigenen didaktischen Bewusstseins mündet. Dieses soll jedoch fundiert sein, das heißt, ausgehend von der Antwort auf die Frage: Warum mache ich das, was ich mache oder Warum entscheide ich, das zu tun, was ich zu tun denke? begründet werden. Das Warum ist die Schlüsselfrage, um den höchsten Reflexionsgrad zu erreichen (E STEVE / M ELIEF / A LSINA 2010). Diese Fragestellung müsste integraler Bestandteil der täglichen Unterrichtspraxis jeder Lehrperson sein, da sie notwendigerweise eine gute Kenntnis sowohl dessen mit sich bringt, was im Klassenraum vor sich geht, als auch jener theoretischen Disziplinen und Forschungsergebnisse, die direkte Auswirkungen auf diesen Raum haben können. Alle (Ausund) Weiterbildungsaktivitäten, die auf dem Reflexiven Erfahrungslernen fußen, werden in Kleingruppen durchgeführt, die ein Experte / eine Expertin mit einem besonderen Profil begleitet: Diese Person soll nicht nur sehr gut mit den Forschungsergebnissen bekannt sein, sondern auch die nötigen Fähigkeiten mitbringen, um den Aufbauprozess in Richtung auf die Aneignung neuer didaktisch-methodischer Kenntnisse erfolgreich und bedeutungsvoll zu leiten (E STEVE / M ELIEF / A LSINA 2010; M ERCER 2001). Der Fortbildungsprozess, der in dieser Art stattfindet, besteht aus drei Phasen, die wir im Folgenden zusammenfassen. Wie wir sehen werden, handelt es sich um einen zyklischen Prozess, in dem die Einführung des Wissens, das aus der Forschung stammt, eine besondere Behandlung verlangt. Der Prozess beginnt mit einer kollaborativen Analysephase der eigenen Lehrpraxis. In dieser Phase muss die Interaktion einen Bewusstwerdungsprozess darüber fördern, was jeder macht und warum er es macht. Es wird vor allem mit sehr einfachen, „nachforschenden Fragen“ (E STEVE 2007) gearbeitet, die als Ziel haben, das Bewusstsein der Lehrkräfte ausgehend von der Verbalisierung ihrer eigenen Vorstellungen und Konzepte zu öffnen, mit Fragen wie „Welche sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselaspekte einer interaktiven Methodik? Was verstehen Sie unter Mehrsprachigkeit? “ und ähnlichen. Dies hilft, den Blick auf die Forschung im eigenen Klassenraum zu schulen, vor allem, wenn es, wie erwähnt, auf kollaborative Weise „unter Gleichen“ geschieht. Dieser ersten Phase folgt eine Kontrastphase, in der alternative Vorschläge ausgehend von theoretischen und praktischen Fragestellungen eingeführt werden, die durch die Spracherwerbs- und -lernforschung begründet sind und die den Lehrkräften helfen sollen, ihre methodologischen Ausgangsvorstellungen zu überdenken und zu überarbeiten. Die Kontrastphase beabsichtigt in erster Linie, eine komplexere Sichtweise oder Darstellung der Unterrichtspraxis anzubieten, die es ermöglicht, die eigene Auffassung in einen breiteren Rahmen einzubetten. Dieser breitere und komplexere Rahmen wird es dann erlauben, das eigene Handeln aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und einen Prozess der Neubeschreibung der eigenen Denk- und Handlungsweise als Lehrkraft zu beginnen. Dies ist der Moment, in dem die Lehrkräfte dazu bewegt werden, Beiträge aus der Spracherwerbs-, Sprachlehr- und Sprachlernforschung zu lesen, und zwar ausgehend von der Suche nach Antworten auf die „nachforschenden Fragen“, die in der ersten Phase gestellt wurden. 110 Olga Esteve 40 (2011) • Heft 1 Schließlich findet noch eine dritte Phase statt, die Phase der Neubeschreibung genannt wird. Hier muss die Lehrerschaft ihre Handlungsweise im Klassenraum auf Grundlage der Ergebnisse der vorangegangenen Reflexionsphase überdenken, neu planen und durchführen. Es geht dabei darum, eine neue Handlungsalternative auf realistische Weise zur Anwendung zu bringen, die von der Forschung her begründet ist. Der Prozess endet hier jedoch nicht, denn die Einbindung neuer Alternativen ermöglicht neue Perspektiven, die wiederum Gegenstand von Analyse und Reflexion sind und ihrerseits einen neuen Zyklus ermöglichen. Nur so ist es zu verstehen, dass der Prozess nicht kreis-, sondern spiralförmig verläuft. Aus diesem Grund arbeiten diese Gruppen während mindestens eines Schuljahrs zusammen. In Bezug auf die Hilfe, die eine Lehrperson von der Seite eines Experten / einer Expertin bekommen kann, muss die Bedeutung hervorgehoben werden, die hier gewisse Vorgehensweisen oder Strategien bekommen. Der Experte / die Expertin muss in der Lage sein, ausgehend vom konstanten Einbeziehen der Äußerungen und Ideen der Teilnehmer Erwartungen in Richtung auf neue Inhalte zu wecken, indem er/ sie begreift, dass der Weiterbildungsprozess der Lehrerschaft nie aufhört und eine konstante Verbindung zwischen dem Eigenen und dem Neuen ist (E STEVE 2007; M ERCER 2001). Das Wichtigste an dieser Vorgehensweise ist, dass die subjektiven Theorien und Vorstellungen der Lehrkräfte die Fundamente für den Aufbau neuer Kenntnisse bilden und die Art und Weise leiten, in der logische Verbindungen mit dem theoretischen Wissen geschaffen werden, das von dem Forscher / der Forscherin eingeführt wird (T IGCHE - LAAR / M ELIEF / VAN R IJSWISK / K ORTHAGEN 2010). Auf diese Weise werden das theoretische Wissen und die Forschungsergebnisse zutiefst bedeutsam, weil sie die Lehrpersonen mit ihren persönlichen Erfahrungen, ihren theoretischen Kenntnissen, ihren eigenen Vorstellungen darüber, was Lehren und Lernen bedeutet, einbeziehen. 5 3.3 Abschlussbemerkungen Das hier vorgestellte Weiterbildungskonzept läuft deutlich auf die Schnittstelle dreier Schlüsselpunkte hinaus: der Praxis, der Theorie und der Forschung ( VAN L IER , 1996). Damit diese drei Bereiche zusammenfließen und vor allem fruchtbar für die berufliche Weiterentwicklung der Lehrkraft werden können, ist es notwendig, verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen, und zwar nicht nur seitens der Aus- und Fortbildungsmodelle, sondern auch von Seiten der Lehrkräfte. Zusammengefasst ist, seitens des Aus- und Weiterbildungsmodells, erforderlich: 5 Ein Beispiel für die Ergebnisse dieser Aus- und Weiterbildungsform findet sich auf der Webseite des Servei de llengües (Sprachendienstes), wo fundierte und begründete Vorschläge zur Einbeziehung des Sprachenportfolio in den Unterricht zu finden sind. Jeder einzelne Vorschlag wird von einer tiefgehenden Reflexion über dessen Wesen begleitet. In der Begründung ihrer Unterrichtsvorschläge führt die Lehrerschaft die signifikante Verbindung zwischen Forschung, Theorie und Praxis herbei: http: / / blocs.xtec.cat/ portfolio. Fremdsprachenforschung, Unterrichtspraxis und Lehrerweiterbildung in Spanien 111 40 (2011) • Heft 1 • nicht von Weiterbildungsmodellen auszugehen, die sich auf das Verhältnis von „Theorie und Praxis“ stützen sowie nicht alle Anstrengungen auf das „Weitergeben von theoretischen Kenntnissen“ zu legen; • den Zugang zu angemessenen theoretischen Inhalten zu ermöglichen, immer von den Bedürfnissen ausgehend, die aus der eigenen Unterrichtspraxis und deren Beobachtung resultieren („von der Praxis zur Theorie“); • bei den Lehrern und Lehreinnen den „forschenden Blick“ auf den eigenen Unterricht zu fördern; • Gruppenprozesse in Richtung auf „Selbst-, Aus- und Fortbildung“ zu fördern, ausgehend vom kollaborativen Lernen, von der Arbeit unter Mitwirkung aller. Und seitens der Lehrkräfte ist es erforderlich, • das wirkliche Bedürfnis zu verspüren, Veränderungen einzuleiten; • den überhöhten Respekt vor dem theoretischen Wissen zu verlieren und dieses vielmehr als der Aus- und Weiterbildung innewohnend zu begreifen; • die Forschungsbefunde nicht zu überhöhen, sondern sie als ein Hilfsinstrument zur Verbesserung der eigenen Lehrpraxis zu begreifen. Zum Abschluss stelle ich die Gedanken einiger Lehrerinnen und Lehrer über die in diesem Zusammenhang gemachten Erfahrungen vor. Es sind Reflexionen, die Zeugnis über den Wert des hier vorgestellten Vorschlages im Bereich der Aus- und Fortbildung ablegen und ihm eine gute Zukunft als Katalysator im so sehr angestrebten Prozess der Wechselbeziehung zwischen Theorie und Praxis vorhersagen: • „Es war eine Fortbildungsaktivität, die aus verschiedenen Perspektiven Neues gebracht hat. Einerseits bringt die Selbstbeobachtung, wenn man es erstmal schafft, sie von einer gewissen Distanz aus zu verwirklichen, sehr interessante Daten mit sich, die man nicht aus anderen Quellen oder mittels des einfachen Nachdenkens darüber: „Was habe ich gemacht? ” bekommen würde. (...) Die Lektüre hat uns geholfen, die Probleme zu benennen und einen Handlungsplan zu entwerfen. (...) Nicht weniger wichtig ist die Tatsache, diese Methode des 'Forschens' erlernt zu haben.“ (J.B.) • „Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich in der Lage bin, meinen eigenen Lernprozess als Lehrkraft zu analysieren, zu planen und zu leiten. Vom heutigen Standpunkt aus gesehen würde ich nicht nur diese Erfahrung noch einmal machen wollen, sondern ich sehe die Notwendigkeit, meinen Unterricht noch einmal zu filmen oder aufzunehmen, um nach der Einführung der ersten Veränderungen deren Effizienz zu verifizieren.“ (G.C.) • „Der gesamte Untersuchungsprozess hat einem unerwarteten Dialograum zwischen Schülern und Lehrern Platz gemacht, dank dessen man ein tief greifendes Reflexionsniveau über Fragen im Zusammenhang mit dem eigenen Lernen im sozialen Kontext und dem Austausch, den der Klassenraum bildet, erreicht hat.“ (E.N. / L.V) 112 Olga Esteve 40 (2011) • Heft 1 4. Zusammenfassung Ziel des vorliegenden Artikels war es, einerseits einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand des Fremdsprachenlernens und -lehrens in Spanien zu geben und andererseits die Auswirkungen der Forschungsergebnisse auf das Lehrerhandeln darzustellen. Dazu wurden die wichtigsten Forschungsbefunde in vier verschiedenen Blöcken vorgestellt, die den relevantesten Forschungsbereichen in Spanien entsprechen. Diese sind: der Altersfaktor und die damit verbundenen Entscheidungen hinsichtlich des Frühlernens von Fremdsprachen; die Hintergründe der Mehrsprachigkeit und die konzeptuelle Basis für eine Mehrsprachigkeitsdidaktik in den Schulen, sei es über language awareness Ansätze (integrierte Sprachbehandlung) oder über den Einsatz von CLIL; die Lernerautonomie und die damit verbundenen selbstregulierenden Prozesse sowie, auf Lehrerseite, die notwendigen Eigenschaften autonomiefördernder Unterrichtsansätze und schließlich die Auswirkungen der neuen Medien auf das Fremdsprachenlernen und den Fremdsprachenerwerb. Alle vorgestellten Forschungsaktivitäten weisen ein besonderes Interesse an der Übertragung der Forschungsergebnisse auf den Unterricht auf. Deswegen war es weiterhin notwendig darzustellen, inwiefern diese Bemühungen das erwünschte Ziel bereits erreicht haben, nämlich über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung so auf die Unterrichtspraxis einzuwirken, dass sich die Effizienz des Lehrerhandelns in Bezug auf das Lernen der Schüler erhöht. Diese Problematik wurde im zweiten Teil meines Beitrages behandelt. Ihr wurde hier große Aufmerksamkeit geschenkt, da ich die Auffassung vertrete, dass eine tief greifende Lehrerweiterentwicklung nur durch die Wechselbeziehung zwischen Praxiserfahrung, reflexivem Lernen und Theorie gefördert werden kann. Ich hoffe hiermit einen Beitrag zur Förderung bedeutungsvoller Lehrerweiterentwicklungsprozesse geleistet zu haben, und zwar ausgehend von einem spiralförmigen Fortbildungsprozess, in dem Praxis und Theorie ineinander fließen, aufeinander aufbauen und sich gegenseitig bereichern. Literatur A BELLÓ , Christián / E HLERS , Christoph / Q UINTANA , Lucía (Hrsg.) 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