Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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Gnutzmann Küster SchrammMarkus BOHNENSTEFFEN: Fehler-Korrektur. Lehrer- und lernerbezogene Untersuchungen zur Fehlerdidaktik im Englischunterricht der Sekundarstufe II. Frankfurt/M. [etc.]: Lang 2010, 306 Seiten [47,80 €; eBook: 53,19 €]
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2011
Karin Kleppin
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 40 (2011) • Heft 2 Markus B OHNENSTEFFEN : Fehler-Korrektur. Lehrer- und lernerbezogene Untersuchungen zur Fehlerdidaktik im Englischunterricht der Sekundarstufe II. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 2010, 306 Seiten [47,80 €; eBook: 53,19 €] Forschungen im Bereich der Fehleranalyse, Fehlererklärung, der schriftlichen und mündlichen Fehlerkorrektur und der Fehlerbewertung liegen zwar schon in hoher Zahl für unterschiedliche institutionelle und außerinstitutionelle Kontexte vor. Die Lektüre der von Markus Bohnensteffen an der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig verfassten und 2010 veröffentlichten Dissertation zeigt jedoch, dass Ergebnisse solcher Forschungsarbeiten immer noch keinen hinreichenden Eingang in die Praxis des Englischunterrichts gefunden haben. Die Arbeit kann selbstverständlich nicht allein auf dieses desillusionierende Ergebnis reduziert werden; vielmehr ist es das Verdienst von Markus Bohnensteffen, die Sicht auf sprachliche Fehler und die Fehlerkorrektur zu verbinden mit der Diskussion von vermittlungsmethodischen Prinzipien wie ‚Selbstgesteuertes Lernen‘, ‚Interkulturelle Kommunikation‘, ‚Mehrsprachigkeit‘, und ‚language awareness‘ (s. insb. Kap. 5) und aus dieser Diskussion sowie aus den Ergebnissen seiner Untersuchung Empfehlungen für die Praxis abzuleiten. Die schulpolitische Bedeutung seiner Untersuchung konnte der Verfasser zu der Zeit, als er die Dissertation verfasste, möglicherweise noch nicht vollständig überblicken. Denn die Entwicklung der Bildungsstandards für die Sekundarstufe I - Englisch und Französisch als erste Fremdsprache - war zwar im vollen Gange und alle didaktisch-methodischen Empfehlungen, die im Umfeld der Implementierung und Überprüfung der Bildungsstandards zu Bewertungskriterien gegeben wurden, stimmen weitgehend mit den Forderungen von Bohnensteffen überein. Doch war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass im Zuge der Implementierung der Bildungsstandards für die Sekundarstufe II auch eine Weiterentwicklung der Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA-Bund/ Englisch von 2003) stattfinden soll. M.E. kann diese Weiterentwicklung noch begründeter vorgenommen werden, wenn man die Ergebnisse der Untersuchung von Bohnensteffen berücksichtigt. Der Verfasser hat seine Arbeit von Vornherein so angelegt, dass er sich in seinem theoretischen Teil zu Sichtweisen des Fehlers (Kap. 2), zur Fehlererklärung (Kap. 3), zur Fehlerkorrektur (Kap. 4) und zur Fehlerbewertung (Kap. 6) auf den Englischunterricht der Sekundarstufe II bezieht. Er arbeitet den aktuellen Forschungsstand zum Fehler und zur Fehlerkorrektur auf, ohne die Fülle der Forschungen und der Fachliteratur allzu buchhalterisch und damit für den Leser ermüdend wiederzugeben. Durch den konsequenten Blick auf die unterrichtliche Praxis können auch interessierte Fremdsprachenlehrkräfte durchgängig die Relevanz der Ausführungen für den eigenen Unterricht erkennen. Im Kap. 5 werden Fehler und Fehlerkorrektur vor dem Hintergrund neuerer vermittlungsmethodischer Prinzipien betrachtet. In Übereinstimmung mit vielen Fremdsprachendidaktikern geht Bohnensteffen davon aus, dass ein „selbstständiges Auseinandersetzen mit gemachten Fehlern“ (S. 92), die Reflexion über Fehlerschwerpunkte und ihre Ursachen sowie eine sich daraus ergebene „schülerorientierte Fehlerdidaktik“ (ebd.) das Interesse der Lernenden an der Sprache erhöhen können. Letztendlich sei dies auch für eine Weiterentwicklung der Sprachkompetenz förderlich (Kap. 5.4). Ein Hauptpostulat ist durch alle theoretischen Kapitel hinweg die Forderung nach Fehlertoleranz, die der Verfasser eben nicht nur aus der Spracherwerbsforschung ableitet (s. auch Kap. 3). Vielmehr verbindet er Fehlertoleranz u.a. mit der Bedeutung der englischen Sprache als lingua franca und einer entsprechenden Zielsetzung im Englischunterricht (s. auch Kap. 1.2, 5.2 und für die Analyse der dann später folgenden curricularen Vorgaben Kap. 7.1.2). Fehlertoleranz erscheint ihm für die Entwicklung der „Fähigkeit einer effektiven Kommunikation mit Gesprächspartnern, die einer anderen Kultur entstammen“ (S. 77), und 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 40 (2011) • Heft 2 für einen Englischunterricht, „der die Schüler zur Bewältigung komplexer interkultureller Situationen in Bezug auf Verwendungssituationen in alltags, berufs- und wissenschaftsorientierter Kommunikation befähigt“ (S. 78), von Nöten. Darüber hinaus wird Fehlertoleranz hinsichtlich der Realisation eines Mehrsprachigkeitskonzeptes postuliert (s. Kap. 5.3). Fehlertoleranz wird allerdings zu Recht nicht gleichgesetzt mit einer uneingeschränkten Legitimierung sprachlicher Normabweichungen in einem auf Leistungsmessung zielenden Englischunterricht. Vielmehr versteht der Verfasser darunter u.a. auch eine begründete Abwägung anderer Bewertungskriterien zum Bewertungskriterium Korrektheit, ein sehr vorsichtiges und bewusstes Umgehen mit dem Fehlerquotienten und eine mögliche Flexibilisierung von Bewertungskriterien mit Blick auf die Ziele einer schriftlichen Leistungsbewertung. Für seine Untersuchung hat Markus Bohnensteffen die schriftliche Leistungsbewertung ausgewählt, da hierzu auch vor dem Hintergrund von Lernstandserhebungen, zentralen Abschlussprüfungen und der Diskussion um das Zentralabitur Forschungen in ausreichender Zahl noch nicht vorliegen. Von zentraler Bedeutung ist für Bohnensteffen „die Frage, welche Rolle Schüler innerhalb der schriftlichen Fehlerkorrektur und der damit in Zusammenhang stehenden Leistungsbewertung spielen“ (S. 23). Er geht davon aus, dass bisher Lerner noch eine deutlich passive Rolle mit Blick auf die schriftliche Fehlerkorrektur einnehmen. Der theoretische Teil zur schriftlichen Produktion in der Fremdsprache und zur schriftlichen Leistungsbewertung fällt sehr kurz aus. Die Rolle der unterschiedlichen Bewertungskriterien wird nur kurz angesprochen und die Textaufgabe als Grundlage für die schriftliche Leistungsbewertung kritisiert. Sehr ausführlich hingegen analysiert der Verfasser die curricularen Vorgaben mit Blick auf die in Kap. 5 vorgestellten vermittlungsmethodischen Prinzipien und ihre Verbindungen zu Fehler sowie Fehlerkorrektur. Mit einigem Erschrecken nimmt der Leser die in dieser Hinsicht doch sehr unterschiedlichen curricularen Vorgaben der Bundesländer wahr. Bohnensteffen fordert folglich zu Recht, dass zumindest eine einheitliche Konkretisierung in „Bezug auf die Aspekte Fehlerbezeichnung, Fehlergewichtung, Anwendung der Sprachnorm sowie Gewichtung der Bewertungsbereiche erforderlich“ sei (S. 134). Nach der Analyse dieser Dokumente geht Bohnensteffen im empirischen Teil dazu über, die Schülerassoziationen zu den Begriffen Fehler und Fehlerkorrektur zu erheben. Wie zu erwarten, ergeben sich - insbesondere bei jüngeren Schülern - meist negative Assoziationen zum Fehler und die Angst vor unvermeidlichen Folgen (Kap. 7.2). Ältere Schüler, die den Stellenwert von Fehlern für ihr weiteres Lernen eher erkennen, beklagen darüber hinaus die mangelnde Transparenz im Bereich der schriftlichen Leistungsbewertung. Die Befragung von 1000 Schülern und 166 Englischlehrern (Kap. 7) richtet sich konsequent nach den im theoretischen Teil angesprochenen vermittlungsmethodischen Prinzipien und ihren Verbindungen zur schriftlichen Fehlerkorrektur. Die beiden unterschiedlichen Fragebögen wurden einem Pretest unterzogen. Während im ersten Teil der voll standardisierten Fragebögen biographische Daten erhoben werden, fokussiert der zweite Teil jeweils aus Schülerbzw. Lehrersicht die Aspekte Ziele und Inhalte des Englischunterrichts, Fehler in und Korrektur von Englischklausuren. Bohnensteffen hat bei der Darstellung der Fragebogenauswertung ein vergleichendes Verfahren gewählt; d.h. er stellt bei jeder Frage Schüler und Lehrerantworten gegenüber, wobei sich direkt Übereinstimmungen und Abweichungen erkennen lassen. Die statistische Auswertung beruht allein auf der Angabe von Prozentwerten für die einzelnen Fragenkomplexe. Hochinteressant sind vor allem die Ergebnisse bei den Items, die Meinungen zu Korrektur und Bewertung erfassen, indem sich Lehrer bzw. Schüler auf einer fünfstufigen Ratingskala mit einem Statement auseinandersetzen sollen. Diesen Ergebnissen sei hier nicht vorweggegriffen. Die Lektüre des Buches lohnt sich allemal nicht nur für Fachwissenschaftler und Lehrende, sondern auch für Verantwortliche in Kultus- und Schulministerien. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 40 (2011) • Heft 2 Ein kurzer Ausblick am Ende der Publikation, in dem eine zeitgemäße, schülerorientierte Fehlerdidaktik gefordert und ansatzweise dargelegt wird, lässt hoffen, dass Bohnensteffen sein Dissertationsthema nicht ad acta legt, sondern hier für die Praxis weitere Konkretisierungen und Ideen folgen lässt. Bochum K ARIN K LEPPIN Karlfried K NAPP , Barbara S EIDLHOFER (in cooperation with Henry W IDDOWSON ) (eds.): Handbook of Foreign Language Communication and Learning. Berlin: Mouton de Gruyter 2009 (Handbooks of Applied Linguistics, Vol. 6), 730 Seiten [Hardcover 198,00 €; Paperback 39,95 €; eBook 220,00 €] Dem derzeitigen engouement für Handbücher kann sich auch die Angewandte Linguistik nicht verschließen. Besonders erfreulich ist dabei, dass es mit Karlfried K NAPP und Barbara S EIDLHOFER zwei deutschsprachigen Wissenschaftlern gelungen ist, ein Handbuch herauszugeben, das sich mit internationalen Vergleichsprodukten messen kann und dabei auch nichtenglischsprachige Autoren zu Wort kommen lässt (zur Problematisierung dieses Umstandes s.u.). In ihrer allgemeinen Einleitung zu der Handbuchreihe nehmen die Herausgeber Karlfried K NAPP und Gerd A NTOS eine Definition des Gegenstandsbereichs vor. Im Einklang mit C ANDLIN / S ARANGI (2004) kommen sie zu dem Schluss, dass Angewandte Linguisten eine „community of practice“ bilden, deren gemeinsames Merkmal die Suche nach Problemlösungen ist. Angewandte Linguistik leistet damit einen kritisch-reflexiven Beitrag zur Verbesserung einer von Natur aus „suboptimalen“ sprachlichen Interaktion, und zwar z.B. durch Bildungs- oder Beratungsmaßnahmen. Dementsprechend zielt die Handbuchreihe nicht auf eine umfassende Darstellung angewandt-linguistischer Themenfelder, sondern versucht vielmehr den Nachweis zu erbringen, dass die Angewandte Linguistik ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis eines breiten Spektrums an Problemen sowie Instrumente für deren Lösung anbieten kann. Die 24 Artikel des Handbuchs, das damit an Umfang vergleichbaren Werken wie dem „Handbuch Fremdsprachendidaktik“ 1 keinesfalls gleichkommt, werden dieser Zielsetzung gerecht. Der weite thematische Bogen spannt sich von einer Begriffsbestimmung des Wortes „Fremdsprache“ über die kognitiven, sozialen und politischen Dimensionen der Mehrsprachigkeit sowie die Relevanz zweitsprachenerwerbsforscherischer und linguistischer Erkenntnisse für den Fremdsprachenunterricht bis hin zu Fragen der Curriculumentwicklung, der Methodik und der Evaluation von Fremdsprachenlernprozessen. Aus Platzgründen muss darauf verzichtet werden, sämtliche Artikel des Bandes Revue passieren zu lassen; die Auswahl liegt subjektiv in der Interessenlage des Rezensenten begründet. Allen Artikeln kann eine hohe Aktualität und die Sichtung eines breiten Literaturspektrums bescheinigt werden; mit Ausnahme des Artikels von W IDDOWSON erfüllen sämtliche Artikel auch das Kriterium der sachlichen und wissenschaftlichen Maßstäben genügenden Abwägung verschiedener Positionen. So gelingt es Willis E DMONDSON auf der Grundlage langjähriger Erfahrung in der Sprachlehrforschung und breiter Literaturkenntnis, eine mit überlegener Sachlichkeit geführte Abhandlung zum Thema „Sprachbewusstheit/ Sprachbewusstsein“ (language awareness) zu liefern. Er zeigt, dass es sich um einen schillernden Begriff handelt, der in unterschiedlichen Forschungstraditionen sehr verschiedene Konzeptualisierungen erfahren hat und in seinen Ur- 1 H ALLET , Wolfgang / K ÖNIGS , Frank G. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber Kallmeyer/ Klett 2010.
