Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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Gnutzmann Küster SchrammZur Einführung in den Themenschwerpunkt
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Lutz Küster
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41 (2012) • Heft 1 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag L UTZ K ÜSTER * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Streng genommen macht der Titel „Kompetenzen konkret“ keinen Sinn. Schließlich werden mit dem Kompetenzbegriff Handlungsdispositionen, keine Handlungen selbst bezeichnet. Kompetenzen sind folglich nicht direkt beobachtbar und damit per se gerade eines nicht, nämlich „konkret“. Wenn wir uns dennoch für diesen Titel entschieden haben, so deshalb, weil es sehr wohl ein berechtigtes Bedürfnis gibt, das Postulat der Kompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht mit Leben zu füllen und gewünschte Lernergebnisse und -verfahren möglichst präzise und konkret zu beschreiben. Damit ist zugleich das Ziel des vorliegenden Heftes grob umrissen: Es möchte in relevanten Ausschnitten den Stand fremdsprachendidaktischer Forschung zu der Frage entfalten, wie die in den Bildungsstandards und den einschlägigen Rahmenbzw. Lehrplänen der Bundesländer aufgeführten fremdsprachenbezogenen Kompetenzen im Einzelnen genauer modelliert, wie sie unterrichtlich angebahnt und wie sie getestet oder evaluiert werden können. ‚Kompetenz‘ ist gegenwärtig das zentrale Catchword aller allgemein- und fachdidaktischen Diskurse. Angesichts des mit ihm verbundenen Reformeifers kann man bisweilen sogar den Eindruck gewinnen, das zugrunde liegende Konzept sei völlig neu. Manch Jüngerem mag vielleicht nicht bewusst sein, dass dem Leitbegriff der Kommunikativen Kompetenz, wie ihn Dell H YMES (1972) und Hans-Eberhard P IEPHO (1974) geprägt haben, eine annähernd große Breitenwirkung in fremdsprachendidaktischer Theoriebildung und unterrichtlicher Praxis beschert war wie den jetzigen Kompetenzdiskursen. Im Zuge der nachfolgend proklamierten „post-“ oder „neokommunikativen Wende“ (R EINFRIED 2001) verlagerte die fremdsprachendidaktische Forschung allerdings ihren Blick von den zu erlernenden Sprachfunktionen auf die mentalen Prozesse des Lerners mit all ihren individuell unterschiedlichen Variationen. ‚Prozessorientierung‘ lautete daher das in den 1990er Jahren vorherrschende Paradigma von Lern(er)forschung. Auf der Ebene didaktisch-methodischer Entscheidungen führte es dazu, dass das ‚Lernen lernen‘ zu einem wichtigen Ziel erhoben wurde. Die Selbstevaluation der Lerner und die Selbstregulierung des Lernens erfuhren nun folglich ver- * Korrespondenzdresse: Prof. Dr. Lutz K ÜSTER , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: lutz.kuester@rz.hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Literatur- und Mediendidaktik, Didaktik des (inter)kulturellen Lernens, Kompetenzentwicklung im Bereich der multiliteracies. K o m p e t e n z e n k o n k r e t 4 Lutz Küster 41 (2012) • Heft 1 stärkte Aufmerksamkeit; über Instrumente wie das Lernerportfolio wurde ihnen zur Anwendung verholfen. Dies konnte jedoch nicht verhindern, dass die messbaren Erfolge schulischen Unterrichts, die in der PISA-Studie erhoben wurden, für Deutschland enttäuschend ausfielen. Im Verbund mit Vertreterinnen und Vertretern der Erziehungswissenschaft, hier vor allem der empirischen Bildungsforschung, rief die Bildungspolitik in der Folge bekanntlich eine neue Wende aus, die von der Inputzur Outputorientierung. So wie ein Wirtschaftsunternehmen seinen Erfolg am Kriterium der Rentabilität misst und bewertet, soll der Ertrag staatlicher Investitionen im Bildungssektor an konkreten Ergebnissen auf der Ebene von Lernerleistungen überprüft werden. Das, was gemessen wird, benötigt allerdings eine Bezugsgröße; hier hat sich der Kompetenzbegriff, aufgefächert in überfachliche und fachspezifische Anteile, durchgesetzt. Die mit dem Komplexitätsgrad des Konstrukts implizierte Anspruchssetzung ist sehr hoch - so zumindest, wenn man die viel zitierte Definition von W EINERT (2001: 27 f) zugrunde legt. Ihr zufolge umfasst der Kompetenzbegriff bekanntlich nicht nur „kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen“, sondern auch „die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“. Bereits an diesen wenigen Zeilen zeigt sich, dass mit dem Leitbegriff der Kompetenz wesentlich ein Handlungsaspekt verknüpft ist. Umfassendere Ziele der Persönlichkeitsentwicklung im Sinne neuerer Bildungsverständnisse (vgl. hierzu u.a. K OLLER 2011) bleiben hingegen im Wesentlichen unberührt. Gleichwohl unterstreicht die Weinertsche Definition, dass Kompetenzen nicht auf rein kognitive Aspekte reduziert werden können. Diese hingegen wären mit den bekannten psychometrischen Verfahren deutlich leichter zu erfassen als z.B. attitudinale und affektive Komponenten von Lernen. Das Dilemma, in dem sich fachdidaktische Forschung und unterrichtliche Praxis in Bezug auf schulische Rahmenbedingungen befinden, liegt nun darin, die Modellierung von Kompetenzen für ein weites Verständnis zu öffnen, zugleich aber die Überprüfbarkeit bestimmter Kompetenzstände zu gewährleisten. Das aber ist in der Regel nicht ohne Prioritätensetzungen möglich. Von daher kann es nicht verwundern, dass die Kompetenzorientierung in pädagogisch-didaktischen Diskursen vor allem dort auf Widerstand und Kritik stößt, wo sie sich vorrangig den Vorgaben einer Outputmessung verpflichtet fühlt. Die kritischen Positionen (vgl. u.a. B AUSCH [et al.] 2005, K ÜSTER 2006 und Z YDATIß 2008) sollen im vorliegenden Heft im Wesentlichen als bekannt vorausgesetzt und daher nicht grundlegend neu erörtert werden. Stattdessen hoffen wir, mit den einzelnen Fokussierungen des Heftes einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Umsetzung der politisch verordneten Kompetenzorientierung so erfolgen kann, dass sie den Ansprüchen universitärer Fremdsprachendidaktik in einem möglichst hohen Maße gerecht werden kann. Die Beiträge des Themenschwerpunkts sind wie folgt gegliedert: Am Anfang stehen sprachenübergreifende Perspektivierungen, in denen, teilweise gestützt auf Ergebnisse von Lernerforschung, die Modellierung und die unterrichtliche Förderung von Metho- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 41 (2012) • Heft 1 den- und Medienkompetenzen erörtert werden (T ASSINARI , V OLKMANN ). Es folgen zwei sprachspezifische Beiträge aus romanistischer Sicht (C ASPAR / S CHINSCHKE , G RÜ - NEWALD ), welche primär der Förderung einzelner Kompetenzen gewidmet sind. Sie weisen insofern eine auch inhaltliche Nähe zueinander auf, als in beiden die Verbindung von Sprachmittlung und interkulturellen Kompetenzen aufscheint. Fragen der Testung und Evaluierung (G ROTJAHN , P OPESCU / N EUGEBAUER ) beschließen den Schwerpunkt. Obwohl die in ihnen herangezogenen Beispiele im einen Fall mehr dem Englischen, im anderen dem Französischen entnommen sind, kommt an dieser Stelle wiederum verstärkt eine sprachenübergreifende Perspektive zum Tragen. Der Einstiegsbeitrag handelt von der Selbstregulierung sprachlichen Lernens. M ARIA G IOVANNA T ASSINARI (Freie Universität Berlin) vermeidet allerdings die Bezeichnung ‚methodische Kompetenzen‘, sie spricht lieber von „Kompetenzen für Lernerautonomie“. In ihren Ausführungen zur Modellierung dieses Kompetenzbereichs greift sie auf das „dynamische Autonomiemodell“ zurück, welches sie bereits in ihrer Dissertation (2010) entfaltete. Entsprechend der eigenen Tätigkeit am Sprachenzentrum der Freien Universität Berlin nimmt sie vorrangig den Kontext universitärer Sprachausbildung in den Blick. Die in diesem Rahmen erörterten Ansätze zur Förderung von Lernerautonomie lassen sich in ihren Grundgedanken (gekennzeichnet als reflecting, awareness raising und preparing for decision making) aber auch auf schulischen Fremdsprachenunterricht übertragen. So kommt der von T ASSINARI als zentral erachteten Selbstevaluation der Lernenden gewiss in beiden Kontexten ein hoher Stellenwert zu. Dem Zusammenspiel von Selbsteinschätzungen der Lerner und der Lernberatung seitens der Lehrkraft galt auch das Hauptaugenmerk der empirischen Studie, die ihrer Dissertation zugrunde lag und deren Hauptergebnisse die Autorin im vorliegenden Beitrag wiedergibt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Selbsteinschätzung der Lernenden und die mit ihr einhergehende Evaluation von Lernerautonomie hilfreich sind, um den Lernprozess bewusster zu steuern. Methodische Kompetenzen werden in bildungspolitischen Dokumenten gerne als Oberbegriff gefasst, unter dem u.a. auch die Medienkompetenz rangiert - so ansatzweise in den Bildungsstandards (KMK 2004), explizit in den Berliner Rahmenplänen für den Unterricht in den einzelnen Fremdsprachen (S EN BJS 2006). Dass dies eine starke Verkürzung, wenn nicht gar eine grobe Sinnentstellung darstellt, wird deutlich, wenn man dem Beitrag von L AURENZ V OLKMANN (Universität Jena) folgt. Am Beispiel des Teilbereichs der visual literacy veranschaulicht er, welche Transformationen das Konstrukt der Medienkompetenz in den vergangenen Jahren durchlaufen hat und wie deren Bedeutung für alltägliche Lebenspraxen gestiegen ist. Da unter ‚Medien‘ oft sehr Unterschiedliches verstanden wird, setzt Volkmann zunächst bei einer differenzierenden Definition an und vermisst so das Feld der für fremdsprachliche Lehr-/ Lernkontexte relevanten Medien. Auf dieser Basis entwickelt er ein in sieben Dimensionen gegliedertes Modell fremdsprachenbezogener Medienkompetenz, zu deren unterrichtlicher Anbahnung er zehn Postulate aufführt. Er greift hierbei u.a. Positionen der pedagogy of multiliteracies (C OPE / K ALANTZIS 2000) auf und plädiert für ein die herkömmlichen Grenzen von Medien-, Literatur- und Kulturdidaktik überschreitendes, integrati- 6 Lutz Küster 41 (2012) • Heft 1 ves und dabei zugleich stärker an kritisch-reflexiven Momenten ausgerichtetes Verständnis von Medienkompetenz. Mit der Herausforderung, spezifische Kompetenzen in konkreten einzelnen Unterrichtsvorhaben zu fördern, beschäftigen sich in besonderem Maße die beiden anschließenden Beiträge. Den Anfang machen die Überlegungen von D ANIELA C ASPARI (Freie Universität Berlin) und A NDREA S CHINSCHKE (Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg) zum Thema der Sprachmittlung. Die Autorinnen sprechen der Sprachmittlung aufgrund ihres Komplexitätsgrades eher den Status einer eigenständigen Kompetenz als den einer Teilfertigkeit oder Teilkompetenz zu. Mit Blick auf die bisher wenig beachtete Frage einer systematischen Progression im genannten Feld entwerfen sie für den Französischunterricht der Sekundarstufe II eine zweistufige Lernaufgabe, in deren Mittelpunkt die Arbeit mit Spiegeltexten steht. In einem gemeinsamen thematischen Bezug zu Fragen der Stellensuche und zur Problematik prekärer Praktikumsverhältnisse auf dem Akademiker-Arbeitsmarkt bilden jeweils ein deutsch- und ein französischsprachiger Text den Ausgangspunkt für sprachmittelnde Aktivitäten, die im Anspruchsniveau vom Einfachen zum Komplexen voranschreiten. Die detailliert beschriebenen Arbeitsschritte veranschaulichen, wie sehr Sprachmittlung von einer Verknüpfung unterschiedlichster Dimensionen gekennzeichnet ist. Diese werden zusammenfassend systematisiert und belegen in ihrer Vielschichtigkeit die eingangs aufgestellte These. Da Sprache sich stets in kulturellen Kontexten artikuliert, ist Sprachmittlung notwendigerweise immer zugleich Kulturmittlung. Dies wird nicht nur im vorgenannten, sondern auch im nachfolgenden Beitrag deutlich. A NDREAS G RÜNEWALD (Universität Bremen) befasst sich mit der interkulturellen Kompetenz und den Möglichkeiten, sie im Fremdsprachenunterricht anzubahnen. Wie schon C ASPARI / S CHINSCHKE orientiert er sich in seinen didaktisch-methodischen Überlegungen am Konzept der Lernaufgaben. Im Interesse einer Fundierung der inhaltlichen Ziele geht er zunächst auf bildungspolitische Rahmenvorgaben und fachdidaktische Modellierungen zur interkulturellen Kompetenz ein, bevor er Kriterien zur Konstruktion kompetenzspezifischer Lernaufgaben entwickelt. Er stützt sich hierbei namentlich auf das von B YRAM (1997) entworfene Modelle der fünf savoirs. Zwei Aufgabenbeispiele stellt er anschließend vor, eins zur Arbeit mit critical incidents, ein weiteres zur Sprachmittlung in enger Anbindung an die Arbeit mit dem Lehrwerk. Beide Beispiele sind in erster Linie auf den Spanischunterricht bezogen, das letztgenannte wird analog auch für das Französische entwickelt. Spezifische Lösungsansätze bietet Grünewald zudem als Download an. In den Details der Aufgabenbeschreibungen wird erkennbar, dass sprachliche und kulturelle Lernprozesse aufs Engste miteinander verwoben sind und dass ein interkulturell ausgerichteter Fremdsprachenunterrichts dem Rechnung tragen sollte. Die vielfach diskutierte Frage, ob bzw. inwieweit interkulturelle Kompetenz evaluier- oder gar im engeren Sinne messbar ist, schneidet der Autor nur kurz an. Auf der Grundlage des gegenwärtigen Forschungsstandes muss die Antwort noch sehr vorsichtig ausfallen. Aspekten von Kompetenzmessung widmen sich vor allem die beiden abschließenden Beiträge. Grundlage einer jeden Evaluation oder Messung, welche Validitätsan- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 41 (2012) • Heft 1 sprüchen gerecht werden soll, bildet eine eindeutige Definition des jeweiligen Kompetenzkonstrukts. Wenn R ÜDIGER G ROTJAHN (Ruhr-Universität Bochum) sich in seinem Aufsatz mit dem Hörverstehen auseinandersetzt, so legt er daher besonderes Gewicht auf eine präzise Kennzeichnung des Konstrukts. Nach einleitenden Worten, in denen er die Bedeutung des Hörverstehens in fremdsprachlicher Alltagskommunikation hervorhebt, stellt Grotjahn den kompetenz- und den aufgabenorientierten Ansatz einer Konstruktdefinition einander gegenüber, um sich selbst für ein integratives Modell auszusprechen, das er in Anlehnung an die Arbeiten von B UCK (2001) und B ACHMAN / P ALMER (2010) als „interaktiven Ansatz“ bezeichnet. In einer auf Ergebnissen psycholinguistischer Forschung gegründeten Analyse beschreibt er sodann Merkmale des Hörverstehens im Vergleich mit bzw. in Abgrenzung von denen des Leseverstehens. Dies führt ihn zur genaueren Bestimmung potenziell schwierigkeitsgenerierender Merkmale des Hörverstehens, aus der er Konsequenzen für die Gestaltung von Hörverstehensaufgaben und für die Auswertung von Testergebnissen ableitet. Er stimmt B UCK (2001) darin zu, dass Aufgaben zur Testung in besonderem Maße auf jene Aspekte gerichtet sein sollten, die spezifisch für das Hörverstehen sind und nicht in anderen Testteilen vorkommen. Daraus ist zu folgern, dass Hörverstehenstests primär „die Fähigkeit zur schnellen, automatischen On-line-Verarbeitung von Texten mit typischen Merkmalen mündlicher Sprache“ (G ROTJAHN im vorliegenden Heft, S. 82) fokussieren sollten. Weiterhin plädiert der Autor dafür, stärker als bisher das interaktive Hören in interpersonaler Kommunikation einzubeziehen, da es hier darauf ankomme, die unterschiedlichen Teilkompetenzen des Sprechens und des Hörens integrativ zur Anwendung zu bringen. In dieser Hinsicht sieht er allerdings noch erheblichen Bedarf an testbezogener Forschung. Das dem Hörverstehen benachbarte Feld des Leseverstehens steht im Fokus der empirischen Studie, die I ULIA P OPESCU (Berlin) und B ETTINA N EUGEBAUER (IQB Berlin) unter dem Dach des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) auf der Basis einer umfassenderen Erhebung durchführten. Der vorliegende Beitrag fasst im Wesentlichen die Ergebnisse einer Untersuchung zusammen, die der Einbeziehung methodischer Kompetenzen bei der Erfassung von Leistungen des Leseverstehens galt und die P OPESCU (2011) als Abschlussarbeit des Masters of Education im Fach Französisch an der Humboldt-Universität zu Berlin verfasste. Unter der Betreuung von Bettina Neugebauer konnte sie im Rahmen einer Tätigkeit als studentische Mitarbeiterin auf umfangreiches Datenmaterial zurückgreifen, das vom IQB in einer Kombination von Testung und Befragung im Jahre 2008 erhoben wurde. Die gezogene Stichprobe von 866 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 9 und 10 ist Teil der größer angelegten Normierungsstudie von P ORSCH / T ESCH / K ÖLLER (2010). Der Aufsatz gibt zunächst den Stand empirischer Forschung zur Anwendung methodischer Kompetenzen und wesentliche Ergebnisse der Leseforschung wieder. Auf deren Basis schlagen die Autorinnen ein erweitertes Kompetenzmodell für den Fremdsprachenunterricht vor, in dem Anteile von Lese- und Methodenkompetenz integriert werden. Die Aussagekraft dieses Modells wird wiederum vor dem Hintergrund der nachfolgend dargestellten und diskutierten empirischen Erhebung überprüft. Die Daten sollten Antworten auf 8 Lutz Küster 41 (2012) • Heft 1 eine doppelte Frage liefern: zum einen, mit welcher Häufigkeit die befragten Schülerinnen und Schüler einen methodisch-differenzierten Umgang mit Lesetexten übten und zum anderen, in welchem Zusammenhang die hier gewonnenen Daten mit den im Test erbrachten Leseleistungen standen. Das primäre Forschungsinteresse galt folglich der Frage, ob ein unterrichtlich gesteuerter, bewusster Methodeneinsatz im Feld des Leseverstehens mit Lernerfolg korreliert. Die Studie brachte insofern aufschlussreiche Ergebnisse, als sie in der Tat „einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Unterrichtserlebnis“ der Schülerinnen und Schüler „in Bezug auf einen methodisch-differenzierten Umgang mit Texten und ihrer Leseleistung“ (S. 98 weiter unten) belegen konnte. Die verschiedenen Beiträge dieses Heften zeigen, dass im Hinblick auf die Modellierung fremdsprachenbezogener Kompetenzen schon viel geleistet und erreicht wurde, dass jedoch im Rahmen von Forschung und Unterrichtsentwicklung auch noch viel Arbeit wartet. Wenn wir zudem über die relativ kurze Zeitspanne unterrichtlich gesteuerter Kompetenzentwicklung hinaus Aufschlüsse über deren funktionale Nützlichkeit und persönliche Relevanz im späteren Leben unser heutigen Lerner erfahren wollen, benötigen wir Langzeitstudien im Sinne einer Bildungsgangforschung. Ohne eine Aufstockung der (auch personellen) Ressourcen im Feld der Fremdsprachenforschung wird dies allerdings kaum zu realisieren sein. Literatur B ACHMAN , Lyle F. / P ALMER , Adrian S. (2010): Language Assessment in Practice: Developing Language Assessments and Justifying their Use in the Real World. Oxford: Oxford UP. B AUSCH , Karl-Richard / B URWITZ -M ELZER , Eva / K ÖNIGS , Frank G. / K RUMM , Hans-Jürgen (Hrsg.) (2005): Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand. Tübingen: Narr. B UCK , Gary (2001): Assessing Listening. Cambridge: Cambridge UP. B YRAM , Michael (1997): Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters. C OPE , Bill / K ALANTZIS , Mary (2000): Multiliteracies: Literacy Learning and the Design of Social Futures. London: Routledge. H YMES , Dell H. (1972): „On communicative competence“. In: P RIDE , John B. / H OLMES , Janet (Hrsg.): Sociolinguistics. Selected Readings. Harmondsworth: Penguin, 269-293. K OLLER , Hans-Christoph (2011): Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart: Kohlhammer. K ÜSTER , Lutz (2006): „Auf dem Verordnungswege. Zu Risiken und Nebenwirkungen der Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch)“. In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 81, 18-21. P IEPHO , Hans-Eberhard (1974): Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht. Dornburg-Frickhofen: Frankonius. P ORSCH , Raphaela / T ESCH , Bernd / K ÖLLER , Olaf (Hrsg.) (2010): Standardbasierte Testentwicklung und Leistungsmessung: Französisch in der Sekundarstufe I. Münster: Waxmann. R EINFRIED , Marcus (2001): „Neokommunikativer Fremdsprachenunterricht. Ein neues methodisches Paradigma“. In: M EIßNER , Franz-Joseph / R EINFRIED , Marcus (Hrsg.): Bausteine für einen neo- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 41 (2012) • Heft 1 kommunikativen Französischunterricht. Lernerzentrierung, Ganzheitlichkeit, Handlungsorientierung, Interkulturalität, Mehrsprachigkeitsdidaktik. Tübingen: Narr, 1-20. S ENATSVERWALTUNG FÜR B ILDUNG , J UGEND UND S PORT (S EN BJS) (2006): Rahmenplan für die Grundschule und die Sekundarstufe I, Englisch. Berlin [analog für die Sprachen Französisch, Spanisch, Italienisch]. http: / / www.berlin.de/ sen/ bildung/ unterricht/ lehrplaene/ index.html (8.3.2012). Z YDATIß , Wolfgang (2008): „SMS an KMK: Standards mit Substanz! Kulturelle Inhalte, Mediation zwischen Sprachsystem und Sprachhandeln, Kritikfähigkeit - auch im Fremdsprachenunterricht“. In: L ÜGER , Heinz-Helmut / R ÖSSLER , Andrea (Hrsg.): Wozu Bildungsstandards? Zwischen Input- und Outputorientierung in der Fremdsprachenvermittlung. Landau: Verlag Empirische Pädagogik, 13-34.
