Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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Gnutzmann Küster SchrammAstrid REICH: Lexikalische Probleme in der lernersprachlichen Produktion. Communication Strategies Revisited. Tübingen: Stauffenburg 2010, 446 Seiten [64,80 €].
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Nicole Marx
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120 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 41 (2012) • Heft 1 Astrid R EICH : Lexikalische Probleme in der lernersprachlichen Produktion. Communication Strategies Revisited. Tübingen: Stauffenburg 2010, 446 Seiten [64,80 €]. Die vorliegende Monographie, die eine Überarbeitung der 2004 von Astrid R EICH eingereichten Dissertation darstellt, behandelt Schwierigkeiten bei der zweitsprachlichen Produktion und Rezeption einzelner lexikalischer Einheiten. Die theoriebasierte Arbeit bezieht sich vereinzelt auf unterstützende Gesprächsbeispiele deutschlernender polnischer und italienischer Migranten, die im Rahmen des von 1987-1992 geführten und von Norbert Dittmar an der FU Berlin geleiteten DFG-Forschungsprojekts „Modalität von Lernervarietäten im Längsschnitt“ (P-MoLL) erhoben wurden. Erklärtes Ziel der Arbeit ist es, den lexikalischen Zugriff sowie Modelle zur Erklärung lexikalischer Schwierigkeiten und die Bewältigung derartiger Probleme durch Strategien darzustellen. Nach einer einführenden, exemplarischen Illustration der Problematik wird deutlich, dass der Diskurs um die wichtigsten Standardbeschreibungen häufiger, lexikalisch basierter Schwierigkeiten wieder aufzugreifen ist, um Ansatzpunkte für eine neue Beschreibung und Bewertung der Phänomene zu gewinnen. Hierfür zieht R EICH sowohl die Kommunikationsstrategien-Forschung (KSF), die sich im Kern mit lexikalischen Schwierigkeiten von Lernern beschäftigt (siehe Kapitel 2 sowie die exolinguale Konversationsforschung im Kapitel 3), heran. Beide Ansätze werden zunächst chronologisch skizziert, dann in Bezug auf die zentrale Fragestellung kritisch reflektiert. So wird deutlich, dass es schon früh einige problematische Entwicklungen und Definitionsversuche (vgl. die Dichotomie product vs. process) in der KSF gegeben hat, die bislang nicht gelöst worden sind. Insgesamt erscheint laut R EICH die ontologische Erfassung von Kommunikationsstrategien auf Grund unklarer Verhältnisse und Widersprüche zu schwierig, um zu einer einheitlichen Taxonomie von Kommunikationsstrategien zu führen. Auch die bis dato unternommenen empirischen Analysen weisen i.d.R. nur lose Verbindungen zu den theoretischen Überlegungen auf, die die Autoren über die mentale Natur von Strategien anstellen. Dies hänge z.T. mit der Datenerhebung und der Datenauswahl (R EICH 2010: 89), jedoch primär mit den wesentlichen Schwächen taxonomischer Ansätze zusammen. Auf der Grundlage ihrer Analysen kommt R EICH zu dem überzeugenden Schluss, das Konzept der Kommunikationsstrategien gänzlich aufzugeben. Wenn lexikalische Schwierigkeiten am Ausgangspunkt der Überlegungen stehen, seien Kommunikationsstrategien folglich bestenfalls als Teilaspekt der Problembearbeitung zu verstehen. In der Weiterführung behandelt die Verfasserin lexikalische Schwierigkeiten aus konversationeller Sicht. Da die KSF sich v.a. anfänglich hiermit nur am Rand beschäftigte, beruft sie sich auf K ASPER / K ELLERMANN (1997) 1 und teilt die KSF in eine marginale ‚interindividuelle‘ und eine dominante ‚intraindividuelle‘ Richtung auf (R EICH 2010: 125), wobei der interindividuelle Ansatz bei der Analyse von zweitsprachlichen lexikalischen Schwierigkeiten konversationelle Elemente zu berücksichtigen versucht. Daraufhin erweitert R EICH den Blick auf konversationelle Aspekte, indem weitere konversationsbzw. gesprächsanalytische Forschungsansätze im deutschen und internationalen Raum besprochen werden. Aus diesen Ergebnissen erstellt sie einen Katalog von Kriterien bzw. Dimensionen, mit denen sich lexikalische Aushandlungssequenzen aus einem interaktiven Blickwinkel beschreiben lassen. Dieser Katalog umfasst u.a. die Zahl und Art der Gesprächsschritte, die Differenzierung der sequentiellen und inhaltlichen Anteile, die Ausführung der kritischen Abschnitte ‚Problemsignalisierung‘ und ‚Problembearbeitung‘, die 1 Gabriele K ASPER , Eric K ELLERMAN c (1997): „Introduction: Approaches to communication strategies“. In: K ASPER , Gabriele / K ELLERMAN , Eric (Hrsg.): Communication Strategies: Psycholinguistic and Sociolinguistic Perspectives. London: Longman, 1-13. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 121 41 (2012) • Heft 1 Eingrenzung von Problemursachen und die Problemkategorisierung, die Ursache(n), die Funktion und den Verlauf von expandierten Sequenzen, den ‚Erfolg‘ der Aushandlungssequenz sowie die Wirkungen über die problematische Sequenz hinaus (ebd.: 198 f). Im Anschluss daran greift R EICH einige dieser Aspekte heraus, um ihre Bedeutung für die Erforschung lexikalischer Problembehandlungen abschließend zu beurteilen. Unter Rückgriff auf die aus Kapitel 2 und 3 gewonnenen Erkenntnisse arbeitet die Autorin zwei verwandte Aspekte heraus, die im weiteren Verlauf der Arbeit besonders aufgegriffen werden sollen: mentale Ursachen der ‚lexikalischen Schwierigkeiten‘ und lexikalisch-semantische Aspekte bei der Problembearbeitung. Insgesamt kommt sie zu dem Schluss, dass selbst die fortschrittlichsten Arbeiten im Bereich der KSF nicht die Entstehung lexikalischer Schwierigkeiten und die subsequente Bearbeitung durch ‚Kommunikationsstrategien‘ als Prozess beschreiben können, sondern vielmehr die kognitiven Grundlagen, auf denen die Strategien mutmaßlich basieren, erläutern. Erst die Perspektive der Sprachproduktionsforschung, basierend auf dem im 4. Kapitel behandelten Sprachproduktionsmodell von L EVELT (1989) 2 , erlaube eine modellhafte Erfassung sowohl der Ursachen als auch des Entstehungsprozesses von ‚Ersatzmaßnahmen‘. So werden Formen und Aspekte von Störungen bzw. Störungsbedingungen in den Phasen der konzeptionellen Planung und des Lemma-Zugriffs offenbart. R EICH schlussfolgert, dass die modellhaften Vorstellungen von der Sprachproduktion mit einigen Zusatzannahmen insgesamt einen vielversprechenden integrativen Rahmen liefern, in dem lexikalische Schwierigkeiten der exolingualen Kommunikation betrachtet werden können. In diesem Sinne setzt sie sich zum Ziel, im 5. Kapitel Vorschläge zu entwickeln, die sich auf die jüngste, von L EVELT / R OELOFS / M EYER (1999) 3 entwickelte Modellvariante beziehen. Die Struktur dieses Netzwerkmodells eröffne neue Möglichkeiten, die Zugriffsprobleme sowie die wiederholt diagnostizierten Beschreibungsprobleme neu zu betrachten. Das Modell versteht den Zweitspracherwerb als einen Prozess des Aufbaus von zweitsprachenspezifischen Lemma- und Morphem-Knoten in den entsprechenden Schichten oder in einem variablen Umfang die Anfügung kulturspezifischer, nichtsprachlicher Konzeptknoten in der konzeptuellen Schicht des Aktivationsnetzwerkes; L2-Lemmata werden somit nicht durch L1-lexikale Konzepte aufgerufen, sondern durch eigene lexikale Konzepte. Das bloße Vorhandensein eines lexikalischen Konzepts setzt das Wissen um seine unmittelbare Versprachlichungsmöglichkeit voraus. Somit baut der L2-Erwerb Knoten für lexikale Konzepte auf, um sowohl bedeutungsstiftende Verbindungen innerhalb des konzeptuellen Stratums als auch stratumsübergreifende Verbindungen zwischen den Knoten der verschiedenen Schichten herzustellen. Trotz einiger von R EICH aufgeführter Unklarheiten reicht die Modellierung aus, um für die in der zweitsprachlichen Produktion aufkommenden Probleme einen modelltheoretischen Rahmen abzustecken. So werden zweitsprachliche Lexikalisierungsschwierigkeiten (die gemäß dem Schwerpunkt der Arbeit von verwandten Problemen wie lexikalen Fehlgriffen, Angemessenheitsproblemen oder globalen Planungsschwierigkeiten abgegrenzt werden) als Störungen der Aktivationsausbreitung verstanden. Im abschließenden Kapitel 6 resümiert R EICH noch einmal die jeweiligen Stärken und Schwächen der KSF sowie der exolingualen Interaktionsforschung und geht insbesondere auf die Vor- und Nachteile beider Perspektiven ein, wobei hervorgehoben wird, dass erst letztere ein Instrumentarium bereit stellt, mit dem dyadische Koordination zu erfassen ist. Jedoch erlauben die Beschreibungen beider Ansätze keine Möglichkeit, die Zusammenhänge zwischen Handlungen 2 Willem L EVELT (1989): Speaking: From Intention to Articulation. Cambridge: MIT. 3 Willem L EVELT , Ardi R OELOFS , Antje M EYER (1999): „A theory of lexical access in speech production“. In: Behavioral and Brain Sciences 22, 1-75. 122 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 41 (2012) • Heft 1 (d.h. Strategien) und ihrer koordinierten Verwendung zu offenbaren. Erst L EVELTS (1989) auf die Rezeption ausgedehntes Sprachproduktionsmodell ermöglicht dies, u.a. durch die Annahme, dass lexikalische Schwierigkeiten eine Störung der Sprachverarbeitung seien. Ein wichtiges Ergebnis dieser Überlegung ist, dass R EICH die Vermittlungsnotwendigkeit von, ja sogar die Existenz von Kommunikationsstrategien bestreiten kann, die nach dieser Sicht zur universellen Sprachfähigkeit gehören. Jedoch bestehe weiterhin das Problem, dass primär die Bearbeitung lexikalischer Probleme anstatt deren Ursachen fokussiert wird. Diesem Problem versucht sie in ihren Überlegungen auf der Basis des von L EVELT / R OELOFS / M EYER (1999) vorgestellten Aktivationsnetzwerks nachzugehen, um die Prozessabläufe konkreter zu modellieren. Dabei stellt R EICH ihre Überlegungen nicht anderen Modellen voran; v.a. die Bearbeitung von Lexikalisierungsschwierigkeiten sei nach wie vor das interessanteste Thema für den Zweitspracherwerb. Da Bearbeitungsphänomene jedoch ineinander greifen und planhaft koordiniert werden (müssen), sollte eine umfassende kognitive Planung angenommen werden, die eine Grundlage für vermeintlich heterogene Bearbeitungsmaßnahmen bietet. Um mit lexikalen Problemen behaftete Gesprächssituationen zu analysieren, bedürfe es einer Reihe teils neuer Analysekriterien, welche die verschiedenen Prozessebenen und damit verschiedene linguistische Beschreibungsebenen betreffen. Diese präsentiert R EICH als ein Ergebnis ihrer Arbeit, bevor sie am Schluss auf sich daraus ergebende Forschungsfragen eingeht. Insgesamt bietet die Monographie eine intensive und detaillierte Besprechung unterschiedlicher Beschreibungsansätze für lexikalische Probleme in der fremdsprachlichen Produktion. Die Autorin vertritt dabei die Position, dass Kommunikationsstrategien als eine für die Fremdsprachenforschung und -lehre wenig nützliche Größe anzusehen ist. R EICHS Besprechung der unterschiedlichen Perspektiven legt nahe, dass ihr Versuch, bereits bestehende Modellierungen für Ursachen lexikalischer Schwierigkeiten zu modifizieren, eine äußerst sinnvolle Ergänzung des heutigen Diskurses darstellen kann. Wenn auch gelegentlich die für die Arbeit besonders relevante Frage nach der Problemursache von lexikalischen Schwierigkeiten ein wenig aus dem Blick gerät und die von P-MoLL zur Verfügung stehenden Daten kaum (an nur etwa 15 Stellen) genutzt werden, leistet Reich zweifelsohne einen wichtigen Beitrag für die Erforschung lexikalischer Schwierigkeiten. Paderborn N ICOLE M ARX Annick D E H OUWER , Antje W ILTON (eds.): English in Europe Today. Sociocultural and Educational Perspectives. Amsterdam, Philadelphia 2011 (AILA Applied Linguistics Series (AALS)), 170 Seiten [Hardcover] 128,00 € Der vorliegende Band ist Karlfried Knapp anlässlich seiner offiziellen Verabschiedung von der Universität Erfurt gewidmet. Der so Geehrte hat viele Jahre mit großem Engagement die englische Sprache in Forschung und Lehre vertreten, insbesondere in ihrer Rolle als lingua franca sowie als Lehr- und Lerngegenstand in schulischen Kontexten, so dass der Titel des Buches zwei seiner wichtigen Forschungsschwerpunkte vereint. Der Band ist in der AILA Applied Linguistics Series erschienen, als Dank, wie die Herausgeber in ihrer „Dedication“ betonen, für Knapps langjährige Tätigkeit als Generalsekretär der AILA. Die Herausgeberinnen vermitteln in ihrem Einleitungsaufsatz „The dynamics of English in a multilingual Europe“, ausgehend von einer historischen Perspektive und mit Blick auf die in der europäischen Geschichte wechselnden linguae francae wie z.B. Latein, Griechisch Französisch,
