Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2012
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Gnutzmann Küster SchrammStephan BREIDBACH, Daniela ELSNER, Andrea YOUNG (eds.): Language Awareness in Teacher Education. Cultural-Political and Social-Educational Perspectives. Frankfurt/M. [etc.]: Lang 2011, 275 Seiten [49.80 €]
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2012
Annelie Knapp
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FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Stephan B REIDBACH , Daniela E LSNER , Andrea Y OUNG (eds.): Language Awareness in Teacher Education. Cultural-Political and Social-Educational Perspectives. Frankfurt/ M. [etc.]: Lang 2011, 275 Seiten [49.80 €] Der Titel dieses Sammelbandes macht neugierig. Um welche Aspekte von Language Awareness (im Folgenden: LA) geht es, und was hat das mit Lehrerausbildung zu tun? Es empfiehlt sich in jedem Fall eine gründliche Lektüre des von den Herausgebern verfassten einleitenden Kapitels, da es die Zielrichtung des Bandes und den Zusammenhang zwischen den zunächst thematisch recht heterogen erscheinenden 14 Einzelbeiträgen zu verdeutlichen versucht. Das inhaltliche Kernstück des Einleitungskapitels ist eine Konzeptualisierung von LA, die neben der traditionellen linguistisch-systematischen (die nicht primärer Gegenstand dieses Buches ist) eine „cultural-political“ und eine „social-educational“ Komponente vorsieht - verbunden mit dem Plädoyer, den beiden letzteren Perspektiven sowohl in theoretischer als auch in empirischer Hinsicht vermehrt Aufmerksamkeit zu widmen. Die „cultural-political“ Dimension von LA bezieht sich dabei auf die Reflexion über die mit Sprachenpolitik und Sprachgebrauch verbundenen Macht- und Kontrollmechanismen, die „social-educational“ Dimension auf Vorstellungen und Einstellungen bzgl. Sprachen und Sprachenlernen, z.B. hinsichtlich des einzelnen Sprachen zugeschriebenen Status und der Mehrsprachigkeit von Individuen, sowie die Bewusstheit von Sprachlernprozessen und deren Konsequenzen für LA in der Lehrerausbildung. Diese Begriffsbildung erweist sich allerdings nicht als durchgängiges Strukturierungsprinzip oder zumindest terminologische Gemeinsamkeit; vielmehr tauchen in den Beiträgen unterschiedliche Wortbildungen auf, die sich der Komponenten „socio“, „cultural“, „political“ und „educational“ - darüber hinaus auch noch „critical“ bedienen. LA stellt sich damit in diesem Buch als ein facettenreiches Konzept dar. Der Band ist in drei Teile mit überwiegend auf empirischen Untersuchungen basierenden Originalbeiträgen von Autoren aus 10 Ländern gegliedert. Das damit abgedeckte breite Spektrum von sprachlichen, kulturellen und bildungspolitischen Kontexten reflektiert die internationale Relevanz der Thematik. Im ersten Teil („Developing language awareness - language awareness as development“) zeigt Alice C HIK auf der Basis von biografisch-narrativen Interviews mit Englischlernern, wie sich LA im Laufe zunehmender Erfahrungen und sich erweiternder Erfahrungskontexte entwickeln kann. Ana Sofia P INHO [et al.] betonen die Notwendigkeit der Entwicklung soziolinguistischer und soziokultureller „awareness“ sowie einer „self-awareness“ als Voraussetzung für einen adäquaten Umgang von Lehrern mit sprachlicher und kultureller Vielfalt. Die Konzepte „intercomprehension“ und „plurilingualism“ dienen dabei als Ankerpunkte. Paula K ALAJA [et al.] berichten über eine Longitudinalstudie zur Entwicklung professioneller Kompetenz bei Lehrerstudenten. Der Hauptfokus liegt hier auf methodologischen Fragen, speziell auf der Frage nach der Relation von (schriftlichen) verbalen und visuellen narrativen Daten. Die Autorinnen zeigen, dass Aufgabentyp und Modalität einen Einfluss auf die produzierten Inhalte haben und dass die Daten auch Aspekte des jeweiligen kulturellen Hintergrunds der Probanden reflektieren. Marilisa B IRELLO [et al.] nutzen Lernertagebücher als Datenerhebungsinstrumente. Hier interessiert insbesondere, wie die mehrfachen Identitäten der studentischen Probanden (Privatperson, Student, Lehrer oder zukünftiger Lehrer) in den Aussagen jeweils sprachlich repräsentiert sind. Die Ergebnisse werden exemplarisch als Ausdruck eines Professionalisierungsprozesses diskutiert. Der zweite Teil des Buches („Knowing one’s options - issues in critical language awareness“) beginnt mit einem vorwiegend programmatischen Beitrag von Stephan B REIDBACH , in Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 FLuL 41 (2012) • Heft 2 dem sich der Autor kritisch mit der Entwicklung des Konzepts „communicative language teaching“ auseinandersetzt und für eine Rekonstruktion der sozio-politischen Dimension des Konzepts plädiert, die im Laufe der Zeit und unter dem Einfluss einer zunehmenden Test-Orientierung abhanden gekommen ist. Özlem E TUŞ diskutiert die Notwendigkeit der Entwicklung einer „critical media literacy“, verbunden mit „intercultural awareness raising“ anhand von Daten aus einer Studie mit Lehrerstudenten in der Türkei. Yoshimura M ASIHATO setzt sich kritisch mit der sprachen- und bildungspolitischen Situation in Japan auseinander und hier insbesondere mit der unzureichenden Berücksichtigung sprachlicher und kultureller Minoritäten. Vor diesem Hintergrund wird über ein Projekt zur Förderung eines metalinguistischen Bewusstseins für sprachliche und kulturelle Vielfalt bei Studierenden und Schulkindern berichtet. Kangxian Z HAO [et al.] zeigen anhand einer qualitativen Studie mit chinesischen Studierenden, dass deren LA sich überwiegend auf im engeren Sinne sprachliche Phänomene bezieht. Die Autoren fordern eine stärkere Berücksichtigung der sozialen und kritischen Aspekte von LA in der Lehrerausbildung sowie mehr Unterstützung bei der Entwicklung eines Verständnisses für die Kontexte des Fremdsprachenlernens und bei der Entwicklung von mehrsprachigkeitsbezogenen Sprachlernstrategien. Qing M A untersucht in einer Fragebogenstudie Auffassungen chinesischer Englischlehrer bezüglich des Lehrens und Lernens von Wortschatz. Sie folgert, dass Lehrer ein größeres Wissen über erfolgreiche Strategien des Wortschatzlernens erwerben und von deren Nützlichkeit überzeugt werden müssen. Der dritte Teil des Buches („Language awareness as awareness of a multilingual society“) beginnt mit einem Beitrag von Daniela E LSNER , in dem diese sich kritisch mit der unzureichenden Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit von Schülern im Englischunterricht auseinandersetzt. Sie präsentiert Unterrichtsvorschläge, die dazu dienen sollen, die Mehrsprachigkeit von Schülern produktiv für das Lehren und Lernen weiterer Sprachen zu nutzen. Auch im Beitrag von Ana Luísa O LIVEIRA und Maria Helena A NÇÃ geht es um die Entwicklung individueller Mehrsprachigkeit und die Rolle von LA in diesem Prozess. Auf der Basis einer explorativen Studie kommen die Autorinnen zu dem Schluss, dass es erforderlich ist, Studierende stärker als bisher zu einer Reflexion der politischen, sozialen und historischen Kräfte, die auf Sprachen und ihren Gebrauch einwirken, anzuleiten und dabei unangemessene mentale Repräsentationen von Studierenden zu dekonstruieren. Wasyl C AJKLER und Bernadette H ALL zeigen anhand von Befragungsdaten, dass Lehrer an britischen Grundschulen sich nur unzureichend auf den Umgang mit sprachlicher Vielfalt vorbereitet sehen. Die Autoren diskutieren einige Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Andy H ANCOCK kritisiert einen monolingualen Habitus an schottischen Schulen, der stark mit der tatsächlich dort existierenden Mehrsprachigkeit kontrastiert. Auch hier zeigen sich in den Fragebogendaten die unzureichende Vorbereitung junger Lehrer auf sprachliche Vielfalt an den Schulen sowie auch teilweise erstaunlich unangemessene Konzeptualisierungen zentraler Begriffe (z.B. „bilingualism“) durch Studierende, die einer Korrektur im Sinne von „awareness raising“ bedürfen. Begoña P EDROSA und David L ASAGABASTER schließlich belegen mit Daten von Studierenden einer baskischen Universität, wie gering deren Bewusstsein von ihrer eigenen Mehrsprachigkeit ausgebildet ist und welche positiven Effekte entsprechende Lehreinheiten zur Förderung von LA haben können. Dieser Band ist wichtig, weil er Aspekte des Bildungsauftrags von Fremdsprachenunterricht fokussiert, die im Zuge zunehmender Orientierung an testbarem sprachlichem Können in der Hintergrund geraten sind, die aber gerade in der heutigen globalisierten, medial vernetzten Welt, die von Mehrsprachigkeit und interkultureller Kommunikation gekennzeichnet ist, an Bedeutung gewinnen. Soziale, kulturelle und politische Aspekte von Fremdsprachenerwerb, -verwendung und -lehren verdienen deshalb besondere Aufmerksamkeit - und dies vor allem auf der Ebene 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 der Reflexion: Wie, warum und mit welchen Konsequenzen werden Entscheidungen für eine bestimmte Sprache als Medium der Kommunikation getroffen? Welche Rolle spielen verschiedene Sprachen für die eigene Identität? Was bedeutet der Erwerb zusätzlicher Sprachen für die Erweiterung von Kommunikationsmöglichkeiten? Was kennzeichnet die eigene Sprachlernbiografie? Auch der Grundgedanke, dass die entsprechenden Reflexionsprozesse zunächst bei denen einsetzen sollten, die Fremdsprachen unterrichten, und daher einen Platz in der Lehrerausbildung haben müssen, ist überzeugend. Allerdings zeigt sich auch, wie schwierig es ist, das erweiterte Konzept von LA, um das es in diesem Band geht, klar zu konturieren, terminologisch präzise und konsistent zu fassen und sein breites und vielfältiges Spektrum zu strukturieren. Hier finden sich implizit unterschiedliche Konzeptionen von awareness, die jedoch teilweise wenig klar definiert und voneinander abgegrenzt sind. Auch in forschungsmethodischer Hinsicht erweist sich die Thematik als schwierig und anspruchsvoll. Das Potenzial verschiedener empirischer Verfahren wird zwar deutlich; es zeigt sich aber auch, dass es nicht leicht ist, die Arten von LA, um die es in diesem Buch geht, empirisch valide und reliabel in den Griff zu bekommen. Das Buch konzentriert sich auf LA in der Lehrerausbildung. Mehrere der Arbeiten liefern Evidenz für die Annahme, dass sich LA im hier verstandenen Sinne bei zukünftigen Lehrern nicht automatisch entwickelt, sondern gezielter Förderung bedarf. Auch Ansätze zu möglichen Konsequenzen für die Gestaltung von Fremdsprachenunterricht werden präsentiert, werfen jedoch noch eine Reihe von Fragen auf. Damit regt der Band zu weiteren Forschungen an, lässt aber auch erahnen, dass es wohl noch ein weiter Weg ist bis zur Entwicklung und Umsetzung überzeugender kreativer Lösungen für die schulische Praxis. Auch wenn es in diesem Buch nur marginal um LA im engeren linguistischen Sinne geht: Ein gründlicheres Korrekturlesen hätte ihm gut getan. Siegen A NNELIE K NAPP Wolfgang H ALLET : Lernen fördern: Englisch. Kompetenzorientierter Unterricht in der Sekundarstufe I. Seelze: Klett | Kallmeyer 2011, 247 Seiten [22,95 €] Der gegenwärtige Englischunterricht sieht sich mit einer Vielzahl neuer Anforderungen und Entwicklungen konfrontiert, die zum einen in Form von Bildungsstandards und curricularen Vorgaben von außen an ihn herangetragen werden, zum anderen aus der veränderten Lebens- und Lernwelt der Schüler resultieren. Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, diese gebündelt darzustellen, mit derzeit in der Fremdsprachendidaktik diskutierten Konzepten in Verbindung zu bringen und sie in ein Gesamtkonzept für einen lernförderlichen Englischunterricht zu überführen. Gemäß der vom Autor vertretenen Prämisse, dass guter Englischunterricht vom Lerner ausgehen und seine individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse im Blick haben muss, erhält der Leser in Kapitel 1 („Lernfördernder Englischunterricht“) zunächst einen Überblick über die wichtigsten gesellschaftlichen, soziokulturellen und medientechnologischen Veränderungen, vor deren Hintergrund fremdsprachiges Lehren und Lernen stattfindet und die daher als Folie für die weiteren Überlegungen des Buches zu verstehen sind: Neben Globalisierung und Migration sind dies u.a. die zunehmende Digitalisierung sowie die Individualisierung und Pluralisierung von Orientierungen - Veränderungen, die in ihrer Gesamtheit die Lebenswelt heutiger Schüler so nachhaltig beeinflussen, dass sie nicht länger ignoriert werden dürfen.
