eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 41/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2012
412 Gnutzmann Küster Schramm

Rupprecht S. BAUR, Britta HUFEISEN (Hrsg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe. Hohengehren: Schneider Verlag 2011 (Mehrsprachigkeit und multiples Sprachenlernen; Band 6), II + 286 Seiten [25,– €].

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2012
Dagmar Abendroth-Timmer
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 143 FLuL 41 (2012) • Heft 2 len etablierte Bilinguale Sachfachunterricht könne dazu beitragen, die traditionell monolinguale Ausrichtung des Unterrichts zu durchbrechen, und auch der frühbeginnende Englischunterricht schaffe neue Freiräume für das Lernen weiterer Sprachen. Es gelingt Wolfgang H ALLET in der vorliegenden Publikation aufzuzeigen, wie ein zeitgemäßer, kompetenzorientierter Englischunterricht aussehen kann, ohne den umfassenden Anspruch nach Bildung - einschließlich der damit verbundenen literarisch-ästhetischen Dimension - aufgeben zu müssen. Die theoretischen Überlegungen werden dabei, wann immer möglich, im Hinblick auf das Handeln im Klassenzimmer perspektiviert, sodass der Leser nicht nur wertvolle Denkanstöße konzeptioneller Natur erhält, sondern auch den so oft gewünschten Brückenschlag zur Unterrichtspraxis angeboten bekommt. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, dass der derzeit vorherrschende Trend zur objektiven Messung von learning outcomes die Nutzung individueller Handlungsspielräume der beteiligten Akteure nicht ausschließt, und dass sie gefragt sind, um jenseits externer Standards einen an den Bedürfnissen der individuellen Lerner ausgerichteten lernförderlichen Englischunterricht zu gestalten. Möge man dem Buch daher wünschen, dass es zu einem festen Bestandteil der fremdsprachendidaktischen Diskurse wird. Braunschweig J ENNY J AKISCH Rupprecht S. B AUR , Britta H UFEISEN (Hrsg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe. Hohengehren: Schneider Verlag 2011 (Mehrsprachigkeit und multiples Sprachenlernen; Band 6), II + 286 Seiten [25,- €]. Der Sammelband geht aus einer Sektion der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) 2009 in Leipzig hervor. Die Perspektiven, aus denen sich die Beiträger/ -innen der Mehrsprachigkeitsforschung nähern, sind vielfältig: Herkunftssprachen, Tertiärsprachen, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Fachfremdsprachen, unterschiedliche Kontexte wie etwa universitäre Lehrerausbildung, Primar- und Sekundarstufe und Unterrichtsmodelle in anderen Ländern, schließlich Organisationsformen wie bilingualer Sachfachunterricht, Interkomprehension und vernetztes Sprachenlernen. Die Studien richten sich auf die Evaluation der Modelle ebenso wie auf die soziolinguistische oder spracherwerbstheoretische Erklärung von Lernersprachen. Nachfolgend werden die verschiedenen Artikel anhand dieser Kategorien besprochen. Mit Herkunftssprachen und der Förderung der Zweitsprache Deutsch beschäftigt sich Katja Francesca C ANTONE , die Ergebnisse aus der Spracherwerbsforschung bilingualer Kinder zusammenträgt. Aufgrund der Varianzen der Spracherwerbsbedingungen plädiert C ANTONE dafür, von mehrsprachigen Kindern zu sprechen und die Bezeichnung Schüler/ innen mit Migrationshintergrund aufzugeben. Nach der Beschreibung von Erwerbstypen werden Konstellationen benannt, unter denen der Erwerb und die Aufrechterhaltung zweier Sprachen leiden. Zentral ist die Feststellung, der gemäß alle Kinder über ihre Deutschkenntnisse beurteilt werden. Dies führt bei Bilingualen zu der Selbsteinschätzung, die weitere Sprache sei wenig relevant (vgl. ebd.: 237). Sprachbewusstheit spielt eine ebenso wichtige Rolle wie der Erwerb verschiedener Register in beiden Sprachen. Hieran schließt das Projekt von Irina E ZHOVA -H EER zur Entwicklung von Schreibkompetenzen an. Sie wirft den Blick auf Schüler/ -innen mit Russisch als Herkunftssprache, die im Herkunftsland literale Fähigkeiten entwickelt haben. Empirisch belegt ist die Tatsache, dass Lehrende kaum von der herkunftssprachlichen Schreibkompetenz wissen und diese nicht im Unterricht berücksichtigen. Dies ist insofern relevant, als muttersprachliche Schreibstrategien die 144 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 Schreibprozesse in der Zweitsprache beeinflussen, wie die Autorin anhand von Schülertexten darlegt. Nach dem sprachlichen Selbstvertrauen, der Sprachlernmotivation und der Bildungsaspiration von Grundschulkindern mit türkischem und ex-jugoslawischem Migrationshintergrund fragt Katharina B RIZIĆ . Während die türkischen Kinder in der Studie eine hohe Motivation zum Deutschlernen zeigen, haben sie ein niedriges sprachliches Selbstvertrauen. Zugleich bevorzugen die Familien das Deutsche und Türkische gegenüber z.B. dem Kurdischen. Die Verfasserin stellt erklärend fest, dass die Kinder über hohe Sprachkompetenzen verfügen, wenn die Eltern positive Spracherwerbsbedingungen in ihrem Herkunftsland erfahren haben und zum Erhalt der Familiensprache beitragen. Eine thematische Schnittstelle hin zu Artikeln zum Bilingualen Sachfachunterricht bildet die Projektbeschreibung „Sprache durch Kunst“ von Rupprecht S. B AUR und Andrea S CHÄFER . Hierin geht es um die Sprachförderung und kulturelle Bildung von Schüler/ -innen der Klassen fünf bis neun mit Migrationshintergrund. Fachliches Lernen in der Zweitsprache Deutsch bezeichnen die Verfasser als „CLIL multilingual“ und weisen auf Ausbildungsdefizite von Lehrkräften hin. Das Projekt ist ein Ausbildungsmodul, in dem Studierende Materialien für den Besuch eines Kunstmuseums von Schüler/ -innen der Sekundarstufe I entwickeln. Die Museumsarbeit wird von sprachlichen Übungen flankiert. Das Projekt wird über Qualifikationsarbeiten und regelmäßige Sprachtests evaluiert. Weitere Artikel beschäftigen sich mit dem Bilingualen Sachfachunterricht unter Verwendung einer Fremdsprache (hier der Arbeitssprache Deutsch), wie jener von Dieter W OLFF . Der Artikel gibt einen Überblick über Definitionen, Methoden und Lehrerausbildung. W OLFF macht deutlich, dass die Umsetzung einer zweisprachigen Ausbildung für die Entwicklung der Sprachen der Lernenden erforderlich ist. Ferner unterscheidet er zwischen „einer allgemeinen CLIL-Didaktik und einer sachfachspezifischen Komponente“ (ebd.: 36). Einen sprachspezifischen Unterschied sieht er kaum. Der Blick fällt ferner auf Autonomie und Sprachlichkeit im Sachfachunterricht. Ferner werden Vorschläge für die Lehrerbildung entworfen. Eine ergänzende Sicht auf das Thema bilingualer Sachfachunterricht wirft Frank-Günther S POHR in seinem Artikel „CLIL-Unterricht in Frankreich: Ein Überblick zur Stellung des Deutschen als Fremd- und Arbeitssprache im Schulwesen“. Während in Frankreich als erste Fremdsprache überwiegend Englisch gelernt wird, ist das Deutsche rückläufig. F.-G. S POHR beschreibt Organisationsformen bilingualen Sachfachunterrichts und zwar die sections internationales, die sections européennes, Deutsch-Französische-Gymnasien und AbiBac-Zweige. Besonders die sections européennes verzeichnen einen quantitativen Erfolg. Dennoch hat diese Verbreitung bilingualen Unterrichts (noch) keine positive Wirkung auf den weiterhin rückläufigen Deutschunterricht. Um bilingualen Geschichtsunterricht mit der Arbeitssprache Französisch geht es im Beitrag von Stefanie L AMSFUß -S CHENK . Nach einer Diskussion des Begriffs der „Geschichtsbewusstheit“ betrachtet sie die Multiperspektivität und die Reflexion über Sprache als Aspekte des interkulturellen Lernens. Als methodische Ansätze nennt sie die Verbindung von Sprache und Inhalt, die Visualisierung, die Förderung von Lernstrategien und die funktionale Zweisprachigkeit. Eine Unterrichtsreihe konkretisiert dies. Schließlich verweist die Verfasserin auf ihre empirische Studie und stellt fest, „dass die Schüler im bilingualen Untersuchungsunterricht die geschichtlichen Inhalte verstärkt elaboriert haben“ (ebd.: 103). Vernetztes Sprachenlernen und Interkomprehension sind weitere Themen. Agnieszka Z AWADZKA führt im ersten Artikel des Bandes praxisnah in die Thematik der Interkomprehensionsforschung ein. Sie geht davon aus, dass Ähnlichkeiten und Transfermöglichkeiten auch bei Sprachen unterschiedlicher Sprachfamilien bestehen. Anhand des polnischen Wortschatzes ver- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 145 FLuL 41 (2012) • Heft 2 deutlicht sie dies. Die Beispiele sind ein Fundus für Lehrkräfte aller Sprachen. In Analysen von Lehrwerken für Polnisch als dritte Fremdsprache stellt Z AWADZKA fest, dass diese das genannte Transferpotenzial nicht hinreichend nutzen. In ihrer Befragung von Schülern/ -innen und Lehrern/ -innen zum Transferverhalten kann sie feststellen, dass man Polnisch als absolut anders als die zuvor gelernten Sprachen betrachtet und dass Transfermöglichkeiten daher nicht bemerkt werden. Mit Synergieeffekten zwischen Schulfremdsprachen beschäftigen sich auch Gabriele B LELL und Eva L EITZKE -U NGERER in ihrem Projekt „English-Español als neuer Vernetzungsraum (EEV)“. Ausgangspunkt ist die Frage, wie beide Sprachen jeweils im Unterricht der anderen Sprache genutzt werden können. Den theoretischen Rahmen der Studien bilden mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze, die Multiliteracy-Pädagogik und der Ansatz der Global Education. Beispiele aus dem Projekt beziehen sich auf die Bedingungsgefüge der Sprachenfolge, die Mehrsprachigkeitsdidaktik und das interkulturelle Lernen. Neben der Darstellung eines bilingualen Bildungsprogramms in den USA, ist die Analyse des Transferwortschatzes in Englisch- und Spanischlehrwerken aufschlussreich. Im Weiteren werden Beispiele zum kulturellen Vergleich geliefert. Steffi M ORKÖTTER fragt danach, wie sprachenübergreifendes Lernen in den Klassen 5 bis 7 ermöglicht werden kann. Dabei wird berücksichtigt, dass die Schüler/ -innen über Englischkenntnisse in einem Umfang verfügen, der eine eingeschränkte Transferbasis liefert. Insofern zielt die Studie auf die Sprachlernbewusstheit und die Sprachenbewusstheit ab. Anhand von Interlinearübersetzungen aus dem Italienischen und Laut-Denken-Verfahren kann vermerkt werden, dass die Schüler/ -innen bereits auf verschiedene Sprachen und ihr Weltwissen zurückgreifen und sich dabei „als Sprachenentdecker erfahren und sprachliche Kategorien aufbauen“ (ebd.: 220). Den universitären Kontext betrachten Joachim S CHLABACH und Eeva B OSTRÖM in ihrem zweisprachigen Artikel zu einem deutsch-französischen Pilotkurs an der Wirtschaftsuniversität Turku, Finnland. Gegenstand ist ein Fachsprachenkurs mit Auslandsaufenthalt in der Schweiz, Unternehmensbesuchen u.ä. Die Arbeitssprachen der sprachlich heterogenen Arbeitsgruppen waren Deutsch und Französisch, Schwedisch und Finnisch. Die Studie kann u.a. eine Erhöhung der Sprachlernmotivation durch den mehrsprachigen Kontext nachweisen. Den Abschluss bildet ein Gesamtsprachencurriculum von Britta H UFEISEN . Pointiert beschreibt sie, auf welche Struktur- und Akzeptanzprobleme mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze stoßen. Sie verbindet in ihrem Modell die zuvor dargestellten Ansätze. Im Modell wird der Fremdsprachenunterricht konsequent von bilingualem Sachfachunterricht flankiert, um ihn dann abzulösen und Raum für weitere Sprachen zu schaffen. Zusätzlich werden ein Fach „Interkulturelle Studien“ vorgeschlagen und methodische Überlegungen benannt: Module zu DaZ und Bilingualem Sachfachunterricht in der Lehrerbildung, Sprachenportfolios sowie Kooperationen von Lehrenden verschiedener Fächer. Der Beitrag endet mit Fragen an die weitere Forschung. Der Sammelband führt umfassend in die Mehrsprachigkeitsdidaktik ein. Der erste und der letzte Artikel des Buches bilden eine vor- und nachbereitende Klammer. Insgesamt werden neben theoretischen Grundlagen Unterrichtsbeispiele ebenso wie Einblicke in empirische Studien geliefert. „Vieles ist sehr ähnlich“ spricht eine breite Leserschaft an. Das Buch ist Fremdsprachenlehrenden, Studierenden, Lehrerausbildnern und Forschern/ -innen uneingeschränkt zu empfehlen. Siegen D AGMAR A BENDROTH -T IMMER