eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 41/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2012
412 Gnutzmann Küster Schramm

Barbara SCHMENK, Nicola WÜRFFEL (Hrsg.): Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Festschrift für Dietmar Rösler zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr 2011 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 354 Seiten [48,– €]

121
2012
Antje Stork
flul4120148
148 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 unter anderem Vorzeichen, relativistische Vorstellungen von Multikulturalität. Da diese von einer Gleichwertigkeit der Kulturen ausgingen und - jede für sich - bestimmten, was in ihnen als human gelte, werde jeglichen Austausch- und Verhandlungsmöglichkeiten ein Riegel vorgeschoben. Die erkenntnistheoretischen Prämissen beider Pole beleuchtet B REDELLA unter Rückriff auf Philosophen wie P LATON , V ICO , M ONTESQUIEU und H ERDER , aber auch auf aktuelle Schriften, insbesondere von Bhikhu P AREKH . Mit Aleida A SSMANN vertritt er die vermittelnde Position eines „aufgeklärten Universalismus“, welche Vielheit anerkennt, sich zugleich aber kritischer Wertungen nicht enthält und diese in einen kulturellen Dialog einbringt. Das Thema „arrangierter Hochzeiten“ als ein Feld, in dem sich kulturelle Wertungskonflikte manifestieren, stellt B REDELLA in den Mittelpunkt seines didaktischen Beispiels im dritten Beitrag des Buches. In bestimmten Kulturkreisen üblich, führen solche Eheschließungen besonders im Kontakt mit westlichen Gesellschaftsnormen zu intra- und interpersonellen Konflikten. Der Autor legt dar, wie die Behandlung der eingangs zitierten narrativen Texte im Englischunterricht den Schülerinnen und Schülern dazu verhelfen kann, sich in fremde Gedanken und Normen einzufühlen, zugleich aber auch sich moralisch-ethisch wertend zu positionieren und Maßstäbe eigenen und fremden Handelns zu reflektieren. Die obige Wiedergabe zentraler Aspekte des rezensierten Buchs soll veranschaulichen, wie breit das Spektrum unterschiedlicher Wissenschaftsdiziplinen ist, mit denen Lothar B REDELLA seine im Kern bekannten Überzeugungen neu formuliert und dabei zugleich neu präzisiert. Auffällig ist, dass er sich des derzeit so populären Kompetenzbegriffs durchgängig enthält. Gleichwohl ist das Buch von hoher Aktualität. Es zu lesen vermittelt auch denjenigen, die sich mit seinen Schriften schon gut vertraut wissen, neue Anregungen und Erkenntnisse. Wir werden diese Stimme sehr vermissen. Berlin L UTZ K ÜSTER Barbara S CHMENK , Nicola W ÜRFFEL (Hrsg.): Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Festschrift für Dietmar Rösler zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr 2011 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 354 Seiten [48,- €] Anlässlich des 60. Geburtstags von Dietmar R ÖSLER , Professor für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Justus-Liebig-Universität Gießen, ist diese Festschrift erschienen, in der Beiträge internationaler Expertinnen und Experten zu drei Themenbereichen versammelt sind, die in R ÖSLERS Forschungstätigkeit einen wichtigen Platz einnehmen: Grammatik, Interkulturelles Lernen und E-Learning. Nach der Tabula Gratulatoria eröffnen zwei einleitende Beiträge die Festschrift. Die Herausgeberinnen Barbara S CHMENK und Nicola W ÜRFFEL erläutern in ihrem Beitrag die Intentionen des Bandes und gehen dabei auch auf den Titel ein: „Der Titel der Festschrift ist diesem Wirken geschuldet und illustriert zugleich den Röslerschen skeptischen, aber dennoch konstruktiven Blick auf die Entwicklung des Faches Deutsch als Fremdsprache: ‚Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück…‘ ist nicht nur angelehnt an einen Aufsatztitel von Rösler (2002), in dem er die Entwicklungslinien des Bereichs ‚E-Learning Fremdsprachen‘ einer kritischen Bestandsaufnahme und Begutachtung unterzieht. ‚Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück‘ ist ebenfalls eine provokativ formulierte Diagnose eines wissenschaftlichen Feldes, in dem sich zwar sehr viel tut, in dem sich vermeintliche Fortschritte aber zuweilen auch als wissenschaftliche oder didaktische Rückschritte entpuppen.“ (S. 14) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 149 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Im Anschluss beleuchtet Friederike K LIPPEL kritisch den Fortschrittsgedanken, indem sie sich den Fragen widmet, was ein Fortschritt ist, wie und woran man ihn erkennt und in welchen Aspekten des Sprachenlernens und -lehrens es überhaupt Fortschritte geben kann. Teil I zum Thema „Grammatik“ umfasst sieben Beiträge, die von grundsätzlichen Überlegungen (Rolle der Grammatik, gesteuerter Fremdsprachenerwerb) über Ansätze der Grammatikvermittlung (Dramagrammatik, autonomes Grammatiklernen) bis hin zur Behandlung bestimmter Phänomene (Prinzip der Linksorientierung, Zukunftstempora, Metaphern) im Fremdsprachenunterricht reichen. Elena B ELLAVIA präsentiert nach einer Darstellung theoretisch-linguistischer Zusammenhänge zwei Übungen, die zeigen, wie Metaphern in den DaF-Unterricht mit Lerngruppen auf fortgeschrittenem Niveau integriert werden können. Susanne E VEN argumentiert zunächst, dass der dramagrammatische Ansatz modular und auf unterschiedlichste Lehr- und Lernkontexte hin angelegt ist. Die Autorin veranschaulicht dann die Vorgehensweise anhand eines Beispiels für Lernende der Niveaustufe B1. Christian F ANDRYCH plädiert dafür, das Prinzip der Linksorientierung stärker in der pädagogischen Grammatik zu berücksichtigen. In einem weiteren Schritt werden erweiterte Partizipialattribute erläutert und Anregungen für ihre adäquate Didaktisierung gegeben. Ausgangspunkt des Beitrags von Theo H ARDEN ist die These, dass Fremdsprachenlernende wenig Durchhaltevermögen haben. Unter Rückgriff auf Instrumente, die der Mikroökonomie entlehnt sind, stellt er Überlegungen an, ob der gesteuerte Lernprozess stärker an den individuellen Bedürfnissen der Lernenden ausgerichtet werden kann. Frank G. K ÖNIGS geht der Rolle der Grammatikvermittlung auf den Grund. Dazu wirft er zunächst einen Blick zurück auf die 1980er Jahre, befasst sich dann mit dem Stellenwert der Grammatikvermittlung in den aktuell diskutierten Themen der Sprachlehrforschung und zieht daraus Konsequenzen für Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts. Im Mittelpunkt des Aufsatzes von Claudio D I M EOLA stehen die Tempora Futur I und Präsens in ihren zukunftsreferentiellen Verwendungen. Der Autor untersucht, welche Arten von Erklärungen in zwölf nicht-sprachenpaarbezogenen Übungsgrammatiken gegeben werden. Danach erläutert er den Forschungsstand in der Sprachwissenschaft und formuliert einige Faustregeln für DaF-Lernende im Allgemeinen und für italienische DaF-Lernende im Besonderen. Barbara S CHMENK geht der Frage nach, inwiefern es sich bei „Autonomie“ um ein sog. Wieselwort handelt, d.h. um ein sinnentleertes Wort, und ob und wie es möglich wäre, den Begriff wieder sinnvoll aufzufüllen. Dies veranschaulicht sie anhand von Beispielen des „autonomen Grammatiklernens“. Teil II zum Thema „Interkulturelles Lernen“ enthält zehn Beiträge, die unterschiedliche Aspekte aufgreifen wie das interkulturelle Lernen in Brasilien, China und Ungarn, die Bedeutung von Geschichten sowie die Rolle der graphic novel im Besonderen, Cork’s World Theatre, Leseprozesse, das mehrsprachige Klassenzimmer sowie das Potenzial digitaler Medien für das interkulturelle Lernen. Katrin B IEBIGHÄUSER und Gabriela M ARQUES -S CHÄFER diskutieren das Potenzial digitaler Medien für die Förderung des interkulturellen Lernens anhand von zwei von den Autorinnen durchgeführten Untersuchungen, und zwar zum didaktisierten Chatraum von JETZT Deutsch lernen und zu Tandemprojekten in Second Life. Lothar B REDELLA geht in seinem Beitrag auf Struktur und Funktionen von Geschichten sowie deren Kulturbegriff ein. Des Weiteren zeigt er den inhärenten Zusammenhang zwischen der Rezeption von Geschichten und dem interkulturellen Verstehen auf, der auf der Anregung zum Einnehmen sowohl einer Innenperspektive als auch einer Außenperspektive gründet. Der Beitrag von Eva B URWITZ - MELZER und Jürgen QUETZ widmet sich der Frage, wie sich interkulturelle Kompetenz in der Auseinandersetzung mit der graphic novel „The Arrival“ von Shaun Tan entwickeln kann. Diese zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass sie keinen Text enthält, sondern die Geschichte allein durch Bilder erzählt. Swantje E HLERS erläutert die Entwicklungen einer fremdsprachlichen Leseforschung und -didaktik sowie den Leseprozess und seine Teilkompetenzen. Darauf aufbauend analysiert sie 150 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel FLuL 41 (2012) • Heft 2 Leseaufgaben in Lehrwerken. Tushar C HAUDHURI und Hans-Werner H ESS geben einen Einblick in die Situation des DaF-Studiums im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Studiums Europas an der Hong Kong Baptist University. Neben Motivation und Inhalten des Studiums thematisieren sie die Web-Projekte mit Studierenden an der Universität Gießen, in denen es um die Förderung einer „Kultur des Dialogs“ geht. Grit L IEBSCHER plädiert für einen Abschied vom monolingualen native speaker-Ideal für den Fremdsprachenlerner, da das Lernen einer zusätzlichen Sprache die Ausbildung und den Umgang mit multilingualen Kompetenzen zum Ziel hat. Nach einem Überblick über die Forschung zu bilingualen Sprechern und Fremdsprachenlernern bietet sie anhand von drei Unterrichtsexzerpten Einblicke in die Praxis mehrsprachiger Klassenzimmer. Maria M ONTEIRO setzt sich im Kontext von Brasilien mit dem Begriff „interkulturell“ auseinander und diskutiert, ob und inwieweit die in Brasilien verwendeten Lehrwerke zum interkulturellen Lernen beitragen können. Anschließend formuliert sie auf der Basis einer Umfrage unter Studierenden Desiderate in der brasilianischen universitären DaF-Lehrerausbildung. Katalin P ETNEKI und Anna Z ALÁN -S ZABLYÁR skizzieren die Entwicklungen in Ungarn in den vergangenen 20 Jahren und gehen auf den interkulturellen Ansatz im ungarischen DaF-Unterricht ein. Manfred S CHEWE fordert eine stärkere Nutzung des Potenzials der Künste in der (Fremdsprachen-) Pädagogik und eine „performative Ausrichtung“. Als Beispiel beschreibt er das Projekt „Cork‘s World Theatre“ und die Umsetzung in zwei Seminaren. Ulrich S TEINMÜLLER fokussiert in seinem Beitrag die Diskussion um interkulturelle Kommunikation im Bereich Deutsch als Fremdsprache in China. Dazu stellt er eine Reihe von einschlägigen Arbeiten chinesischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor. Teil III zum Thema „E-Learning“ besteht aus neun Beiträgen, die sich mit medientheoretischen Überlegungen, Blended Learning-Modellen, dem Online Writing Lab (OWL), der Lernumgebung SKOLA, Interkomprehension auf Galanet, Web-basierten Projekten in Schule und Studium, dem Master-Studiengang „Sprachtechnologie und Fremdsprachendidaktik“ sowie fremdsprachendidaktischen Lehrerbildungsprogrammen unter Nutzung digitaler Medien beschäftigen. Wolfgang H ALLET behandelt die Performativität von Akten der Mediennutzung. Anschließend beschreibt er Modelle der medialen Re-Iteration und symbolischen Re-Konstitution von Wirklichkeit und nennt didaktische Implikationen eines performativen Medienkonzepts. Der Beitrag von Britta H UFEISEN widmet sich dem 2006 an der Technischen Universität Darmstadt gegründeten Online Writing Lab (= OWL). Erläutert werden die Arbeit des SchreibCenters, dessen Teil das OWL werden soll, sowie das OWL mit seinen Komponenten. Michael K. L EGUTKE beschreibt in seinem Beitrag Brennpunkte der Lehrerfortbildung und stellt dar, wie „zwei fremdsprachendidaktische Lehrerbildungsprogramme unter Nutzung digitaler Medien reflektiertes Erfahrungslernen und theoriegeleitete Erörterung von eigenem und fremdem Unterricht zu realisieren suchen“ (S. 260). Der Autor zieht eine kritische Bilanz und zeigt Perspektiven für die Lehrerfortbildung DaF auf. Helmuth F EILKE und Katrin L EHNEN befassen sich mit den Umgebungsbedingungen für wissenschaftliches Schreiben sowie mit dem Produktionsbereich und der Toolbox der Lernumgebung SKOLA und skizzieren, wie man Studierende an der Entwicklung von Lernumgebungen beteiligen kann. Henning L OBIN stellt die Entwicklung des Master-Studiengangs „Fremdsprachendidaktik und Sprachtechnologie“ von den Anfängen bis zur Akkreditierung und zur Reakkreditierung dar. Konzeptionell richtet sich der Studiengang an Bachelor- Absolventen, die einen fremdsprachendidaktischen oder einen computerlinguistischen Hintergrund oder beides mitbringen. Franz-Joseph M EIßNER und Tanja P ROKOPOWICZ diskutieren Interkomprehension auf der Internetplattform Galanet. Darüber hinaus wird eine kurze Chatsequenz im Hinblick auf sprachliche, transund/ oder interkulturelle Disambiguierungsprozesse analysiert. Csilla P USKÁS und Volha K AMAROUSKAYA widmen sich der dritten Generation des eAustausches, der als ein „stark gesteuertes, interkulturelles, Web 2.0-basiertes Projekt“ (S. 302) Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 151 FLuL 41 (2012) • Heft 2 beschrieben werden kann. Nach einer Erläuterung der Rahmenbedingungen und des Projektverlaufs werden die eingesetzten Kommunikationsmedien (Schreibchat, Voice-Chat, Webkonferenz) einer Einzelbetrachtung unterzogen. Torben S CHMIDT geht nach einer Definition und Einordnung des Begriffs „Web 2.0“ auf Potenziale entsprechender Anwendungen für die Unterstützung von Fremdsprachenlernprozessen ein. Anschließend stellt er zwei Projektbeispiele aus dem gymnasialen Englischunterricht vor, die insbesondere hinsichtlich der Authentizität des Fremdsprachenlernens beschrieben werden. Nicola W ÜRFFEL unterzieht in ihrem Beitrag zwei Blended Learning-Modelle einer genaueren Betrachtung, und zwar die sechs Beschreibungsskalen nach S CHULMEISTER et al. (2008) und die sechs Beschreibungsparameter nach K IRCHHOFF (2008). Diese beiden Modelle wendet die Autorin auf ein konkretes Blended Learning-Seminar an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg an und arbeitet problematische Aspekte der genannten Beschreibungsversuche heraus. Die Beiträge des Sammelbandes sind in jedem der drei Teile alphabetisch angeordnet. Hier hätte eine thematische Reihung Brücken innerhalb des jeweiligen thematischen Schwerpunkts schlagen können. Einige der Beiträge beschäftigen sich nur am Rande mit dem jeweiligen Schwerpunkt, z.B. der Beitrag von B ELLAVIA zu Metaphern im Teil „Grammatik“ oder der Beitrag von E HLERS zu Leseprozessen im Teil „interkulturelles Lernen“. Insgesamt handelt es sich nichtsdestotrotz bei der Festschrift zweifellos um einen Sammelband, der sehr interessante und vielfältige Einblicke in drei wichtige Themenbereiche des Faches Deutsch als Fremdsprache bietet. Mainz A NTJE S TORK