eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 43/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2014
432 Gnutzmann Küster Schramm

Pro - Praxissemester

121
2014
Stefan Kipf
flul4320126
43 (2014) • Heft 2 P r a x i s s e m e s t e r In der Öffentlichkeit wird allzu häufig universitäre Lehrerbildung mit theoretischer Überlast und Praxisfremdheit gleichgesetzt. Diese pauschalen Zuschreibungen sind doppelt ärgerlich. Sie ignorieren, dass eine wissenschaftsbasierte Lehrerbildung notwendigerweise theoriegleitet sein muss, und übersehen gleichzeitig, dass Praxiselemente bereits seit Jahrzehnten zum selbstverständlichen Teil der Lehrerausbildung gehören. So existieren in Berlin bereits seit 1982 drei vierwöchige Praktika, ein Orientierungsbzw. Berufsfelderschließendes Praktikum und zwei Unterrichtspraktika, in denen die Studierenden momentan 12 Stunden unterrichten müssen. Gleichwohl bietet diese Konstruktion immer wieder Anlass zur Kritik, da der jeweils vierwöchige Praktikumszeitraum von zahlreichen Studierenden und nicht wenigen Dozenten als deutlich zu kurz empfunden wurde. Auch die letzte Reform hin zu Bachelor und Master of Education brachte keine substantielle Besserung: Trotz einer (organisatorisch heiklen) Hospitationsphase, trotz intensivierter Vor- und Nachbereitung wurde der Zeitraum der direkten Praxisbegegnung nicht ausgedehnt. Dieser als Mangel empfundene Zustand soll nun durch die Einführung eines Praxissemesters behoben werden, wobei nicht die quantitative Ausdehnung, sondern die qualitative Füllung entscheidend ist. Aus fachdidaktischer Sicht ist besonders wichtig, dass für die Lehrenden die Möglichkeit besteht, ihre Studierenden, die nun über einen längeren Zeitraum Unterricht planen, durchführen und reflektieren können, in einer für ihre Professionalisierung wichtigen Phase kontinuierlich beratend zu begleiten. Zudem wird es erstmals möglich sein, im Rahmen eines fachdidaktischen Begleitseminars eine funktionale und für die Studierenden wirklich augenfällige Verbindung zwischen Theorie und Praxis herzustellen, indem die Behandlung didaktischer Theorie durch eine gleichzeitig situierte, nicht mehr nur punktuell angelegte reflektierte Praxiserfahrung bereichert wird. Besonders innovativ ist ein dritter Aspekt: Die Studierenden sollen in einem überschaubaren Lehr-Lernforschungsprojekt spezifische Fragen des Unterrichts untersuchen und auswerten. Auf diese Weise können nicht nur die Intensität der Praxiserfahrung und ihr Reflexionspotenzial erhöht werden, sondern die Studierenden sollen durch forschendes Lernen Wissenschaftlichkeit als essentiellen Teil ihrer späteren beruflichen Tätigkeit und probates Mittel zur Unterrichts- und Schulentwicklung erleben. Diese Schwerpunktsetzungen erfordern einen weitaus engeren Kontakt der Universitäten zu den Schulen als bisher: So ist die intensive Zusammenarbeit mit speziell geschulten Mentoren an den Praktikumsschulen unerlässlich. Auch Vertreter der zweiten Phase werden einbezogen werden, um den Übergang zum Vorbereitungsdienst anzubahnen. Dabei sollten alle Seiten profitieren: Die Schulen vom forschenden Lernen der Studierenden für die eigene Schulentwicklung, die Mentoren und Seminarlehrer für den eigenen Unterricht bzw. die Lehrerbildung und die Universitäten für eine sinnstiftende Lehre und praxisnahe Unterrichtsforschung. Berlin S TEFAN K IPF © 2014 Narr Francke Attempto Verlag