eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 43/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2014
432 Gnutzmann Küster Schramm

David GERLACH: ‚wordly‘-Rechtschreibtraining. Konzeption und Evaluation eines Interventionsprogramms für lese-rechtschreib-schwache Englischlerner. Münster [etc.]: Waxmann 2013, 297 Seiten [34,90 €]

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2014
Günther Thomé
flul4320133
Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 133 43 (2014) • Heft 2 nicht nur die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, sondern auch der Erwerb neuen Wissens notwendig ist. Aus literaturdidaktischer Sicht müssen jedoch auch einige kritische Anmerkungen zum vorliegenden Band gemacht werden. So erläutern die Herausgeber/ innen z.B. nicht, was es mit dem Begriff der ‚Anglophonen Literaturdidaktik‘ auf sich hat. Da dieser Begriff in der anglistischen Literaturdidaktik nicht etabliert ist, wäre es wichtig gewesen zu erfahren, ob damit eine neue Konzeptualisierung eingeführt werden soll oder ob er eher als Sammelbegriff für all das fungiert, was der Band umfasst - auch dann stellt sich allerdings die Frage nach dessen intendierter Rahmung. Auch der recht vage gehaltene Untertitel hilft der interessierten Leserin diesbezüglich leider nicht weiter. Von einem Band, der für sich in Anspruch nimmt, „Zukunftsperspektiven für den Englischunterricht“ zu liefern, hätte man eine ausführlichere Kontextualisierung in aktuellen literaturdidaktischen Diskussionen - z.B. im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Bildungsbegriff und Kompetenzorientierung - erwartet. Solche Verortungen eines modernen Literaturunterrichts nehmen einzelne Autoren zwar in den Beiträgen vor - allen voran Lothar B REDELLA , der am Beispiel des Themas der arrangierten Ehe zeigt, dass die Beschäftigung mit Literatur auch eine Herausforderung für das interkulturelle Verstehen darstellen kann. Wünschenswert wäre allerdings eine übergeordnete, über die punktuellen Hinweise im Vorwort hinausgehende Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der fremdsprachlichen Literaturdidaktik gewesen, u.a. auch hinsichtlich des genauen Zusammenhangs der verschiedenen Ansätze des interkulturellen, transkulturellen und globalen Lernens im Literaturunterricht. Insgesamt liefert der Band jedoch viele Anregungen und spricht eine breite Zielgruppe an. Vielen Nachwuchswissenschaftler/ innen wurde zudem ermöglicht, ihre Ideen einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Der Band ist sehr leserfreundlich angelegt, da er vor jedem thematisch organisierten Großkapitel eine kurze Einführung in das Thema und die Beiträge liefert und da jedem Beitrag ein Abstract zu dessen inhaltlicher Ausrichtung vorangestellt ist. Dies ermöglicht eine rasche Orientierung und die gezielte Textauswahl für die Lektüre. Göttingen C AROLA S URKAMP David G ERLACH : ‚wordly‘-Rechtschreibtraining. Konzeption und Evaluation eines Interventionsprogramms für lese-rechtschreib-schwache Englischlerner. Münster [etc.]: Waxmann 2013, 297 Seiten [34,90 €] David G ERLACH stellt in seinem neuen Buch die Ergebnisse einer Studie vor, die er im Rahmen seiner Promotion durchgeführt hat. Ziel war es, ein Rechtschreibtraining („wordly“) zu konzeptionieren und zu evaluieren, das junge Englischlerner/ -innen und -lerner mit großen Rechtschreibschwierigkeiten unterstützen und fördern soll. In Kapitel 1 werden die grundlegenden Fragestellungen und das offensichtliche Forschungsdesiderat, die Ziele und die Methoden der Untersuchung vorgestellt. In Kapitel 2 behandelt G ERLACH zunächst die Grundlagen und Voraussetzungen eines unbeeinträchtigten Schriftspracherwerbs, um dann - nach einer Diskussion der verschiedenen Definitionen von Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) - zu einer eigenen Arbeitsdefinition zu gelangen, auf deren Basis er den aktuellen Stand der Legasthenieforschung darstellt. Hier geht er auf die Symptomatik, die Ursachen sowie Interventionsmöglichkeiten ein, bevor er relevante Theorien und Einflussfaktoren des Fremdsprachenerwerbs darstellt, die dann funktional sinnvoll in Beziehung gesetzt werden zum Lernen bei vorhandener LRS. Sein besonderes Interesse gilt dem Erwerb der relativ intransparenten englischen Orthografie, die durch ihre vielfältigen Varianten und komplexen 134 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 43 (2014) • Heft 2 Verhältnisse von Lautung zu Schreibung das Durchdringen und Lernen dieses Systems eindeutig erschwert. Aufbauend auf diesen Grundlagen diskutiert der Verfasser in Kapitel 3 seine Untersuchungshypothesen und grenzt in diesem Zusammenhang sein methodisches Vorgehen weiter ein. Sein Ziel ist es, ein multimethodisches Rechtschreibtraining auf der Basis der theoretischen und empirischen Ergebnisse der Legasthenie- und Fremdsprachenforschung zu entwickeln (Kapitel 4) und zu evaluieren (Kapitel 5). Zur Entwicklung stellt er in Kapitel 4 seine Zielgruppe unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten vor und baut auf methodisch-didaktischen Überlegungen auf. Unter welchen Rahmenbedingungen kann eine adäquate Förderung stattfinden? Wie soll die Rechtschreibkompetenz konkret gefördert werden und welche Progression soll stattfinden? Welcher Wortschatz ist sinnvoll? Wie kann eine hohe Motivation der Lernenden erhalten werden? Um diese Fragen zu beantworten, greift G ERLACH auf die erarbeiteten theoretischen Grundlagen zurück bzw. führt teilweise weitere Untersuchungen an, um sein Vorgehen zu begründen. Er betritt an vielen Stellen echtes „Neuland“. Die Auswahl des implementierten Wortschatzes ist beispielsweise sinnvoll, wenn auch das später im Rahmen der diagnostischen Testungen verwendete Wortmaterial meines Erachtens linguistisch differenzierter hätte erarbeitet werden sollen - ein Aspekt, der aber angesichts des innovativen Charakters der Arbeit nicht allzu stark ins Gewicht fällt. In Kapitel 5 geht es um das eigentliche Design der Studie. Das wordly-Rechtschreibtraining wurde im Verlauf eines Halbjahres von meist außerschulisch arbeitenden Therapeutinnen und Therapeuten bei Schülerinnen und Schülern vorwiegend aus sechsten und sieben Klassen (verschiedener Schulformen) eingesetzt und der Lernfortschritt der betreuten Englischlernenden zu mehreren Testzeitpunkten überprüft. Sehr positiv fällt auf, dass David G ERLACH neben einer Experimentalgruppe (N = 48) mit zwei Kontrollgruppen (je N = 44) arbeitet: Eine Kontrollgruppe besteht aus Schülern mit LRS und eine Kontrollgruppe aus Schülern ohne LRS. Obwohl die Studie für die Evaluation eines (deutschen) Interventionsprogramms eine recht hohe Probandenzahl aufweist, sichert G ERLACH die quantitativ messbaren und statistisch abgesicherten Effekte mittels qualitativer Methoden ab (z. B. durch Interviews mit den Therapeutinnen und Therapeuten, die mit dem Konzept gearbeitet haben). Diese Ergebnisse stellt er mitsamt den quantitativen Daten dar - aufgeschlüsselt nach den vier untersuchungsleitenden Hypothesen und diskutiert die Daten im Rahmen einer Triangulation in Kapitel 6. G ERLACH sieht seine Untersuchungshypothesen bestätigt. Zum einen weisen starke Korrelationen darauf hin, dass rechtschreibschwache Lernende auch im Englischen ähnliche Probleme wie im Deutschen haben, und gleichzeitig ist festzustellen, dass das wordly-Trainingskonzept bei den untersuchten Probanden eine deutliche Wirksamkeit zeigt. Eine der Untersuchungshypothesen erscheint mir höchst interessant (sicherlich auch aus der Perspektive der Fremdsprachenforschung): Das isolierte Training schriftsprachspezifischer Fertigkeiten im Englischen scheint sogar positive Auswirkungen auf die deutsche Rechtschreibung zu haben - und zwar gemessen im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die weiterhin nebenbei Deutschförderung erhielt, aber dann keine solche deutliche Steigerung ihrer deutschen Rechtschreibung erleben konnte wie die englische Trainingsgruppe. G ERLACH ist hier verständlicherweise vorsichtig genug, um dieses Ergebnis nicht zu verallgemeinern; es scheint aber zumindest ein Indikator für sein Konzept der Sprachlerneignung und der sprachunabhängigen Grundfertigkeiten zu sein, dass sich ein intensives Training basaler Fertigkeiten in einer Sprache implizit auch positiv auf eine andere auswirken kann. In Kapitel 7 zieht G ERLACH ein Untersuchungsfazit und rekapituliert den Studienverlauf sowie die Ergebnisse. Das letzte Kapitel 8 nutzt er, um - durchaus kritisch und damit höchst angemessen - die Folgen seiner Studie für die Schul- und Unterrichtentwicklung zu antizipieren. Zwar ist er sich der deutlichen Restriktionen bewusst, da es aktuell kaum finanzielle wie perso- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 43 (2014) • Heft 2 nelle Möglichkeiten gibt, Englisch-LRS-Förderung an Schulen anzubieten. Er fordert aber zu Recht, dass im Rahmen der Inklusionsdebatte dringend notwendige Hilfsmaßnahmen bei LRS (und bei der Fremdsprachenförderung) mitbedacht werden müssen. Als entscheidenden Faktor sieht er die einzelnen Fremdsprachenlehrkräfte an den Schulen, die hier sehr wertvolle Entwicklungsprozesse initiieren könn(t)en, um auch lese-rechtschreib-schwachen Schülerinnen und Schülern das Lernen einer Fremdsprache zu erleichtern. Die gelungene Publikation verknüpft zwei interdisziplinäre Bereiche und Disziplinen. Weder hat sich die Legasthenieforschung in Deutschland bislang intensiv mit dem Fremdsprachenerwerb beschäftigt, noch hat sich die Fremdsprachenforschung Schülerinnen und Schülern angenommen, die schwerwiegende Schwierigkeiten beim Lesen und/ oder Schreiben zeigen. G ERLACH hat hier mit seinem Ansatz einen guten und wichtigen Weg beschritten, der weiter verfolgt werden sollte - zumal Englisch im Besonderen und Fremdsprachen allgemein in unserer globalisierten Welt zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bedenkt man die mangelnden Lese- und Schreibkompetenzen, die die leo.-Level-One- und die DESI-Studien uns Erwachsenen und unseren Schülerinnen und Schülern in erschreckender Weise vor Augen führen, sollte und muss verstärkt darüber nachgedacht werden, wie die muttersprachlichen und die zu erlernenden fremdsprachlichen Fertigkeiten optimal verknüpft und möglicherweise gleichzeitig diagnostiziert und gefördert werden können. Ein wichtiges und sehr empfehlenswertes Buch! Frankfurt/ M. G ÜNTHER T HOMÉ Eva B URWITZ -M ELZER , Frank G. K ÖNIGS , Claudia R IEMER (Hrsg.): Identität und Fremdsprachenlernen: Anmerkungen zu einer komplexen Beziehung. Arbeitspapiere der 33. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr Verlag 2013 (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 330 Seiten [48,00 €] Der Sammelband vereint 29 Beiträge der 33. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Gegenstand der Diskussion waren die Beziehung zwischen Sprache(n) und Identität sowie die Bedeutung von Identität für die (fremd)sprachliche Praxis, das Sprachenlernen und die fremdsprachendidaktische Forschung. Die Beiträger/ innen waren aufgefordert, diese Aspekte aus ihrer jeweiligen Forschungsperspektive heraus zu beleuchten. Dem entsprechend breit ist das inhaltliche Spektrum des Sammelbandes, aus dem zunächst einige Schlagwörter benannt seien: Alter, Aussprache, ästhetische Bildung, Bildungsstandards und Kompetenzen, Bilingualer Sachfachunterricht, Fremdsprachen im Beruf, Interkulturelles Lernen, Lehrerbildung, Lernerbiographien, Lernmaterialien und Aufgaben, Lingua Franca, Literatur, Medien, Mehrsprachigkeit, Migration, Motivationsforschung, Multiliteralität, Narrativität und Performativität, Sprachencurricula, Sprachenpolitik und Partizipation, Spracherwerb, Sprachlernbewusstheit, Unterrichtsprojekte u.v.m. Einig sind sich alle Beiträger/ innen darin, dass Identität ein komplexes und wissenschaftstheoretisch schwer fassbares Konzept darstellt (Adelheid H U ). Grundsätzlich wird unterschieden zwischen einer individual-psychologischen Ebene, der das Selbst als „Aufrechterhaltung einer psychischen Vorstellung von sich selbst“ (Karin V OGT ) zugeschrieben wird, sowie einer sozialpsychologischen Ebene, auf der ein Verständnis von Identität als Ergebnis sozialer und sprachlicher Interaktion beruht (Rüdiger A HRENS ). Der Identitätsbegriff umfasst auf übergeordneter Ebene diese und weitere Erscheinungsformen des Selbst (z.B. auch das Selbstkonzept oder reflexive self; Michael K. L EGUTKE ). Identität wird durchgehend als plurales, dynamisches, also wandelbares oder fluides und fragmentarisches Konstrukt verstanden, das dem Individuum zugleich Stabilität und Handlungs-