eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 44/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2015
441 Gnutzmann Küster Schramm

Zur Einführung in den Themenschwerpunkt

61
2015
Claus Gnutzmann
flul4410003
44 (2015) • Heft 1 © 2015 Narr Francke Attempto Verlag C LAUS G NUTZMANN * Zur Einführung in den Themenschwerpunkt Dieses Heft behandelt Schreibprobleme, die vor allem Studierende an deutschsprachigen Universitäten und Hochschulen beim Verfassen fremdsprachlicher wissenschaftlicher Texte haben. Nicht nur persönliche Wahrnehmungen von Lehrenden bestätigen das Vorhandensein dieser Probleme, sondern auch empirische Befunde, auf denen die Mehrzahl der Beiträge des vorliegenden Heftes basiert. Dadurch, dass in den meisten Studiengängen in Deutschland die deutsche Sprache als mündliche und schriftliche Unterrichtssprache verwendet wird, tritt dieses Schreibproblem zunächst einmal für das Deutsche als Wissenschaftssprache auf, und zwar sowohl bei Studierenden mit deutscher als auch nicht-deutscher Muttersprache. Mittlerweile hat sich im deutschen Wissenschaftsbetrieb, zuerst in der Forschung, dann aber in wachsendem Umfang auch in der Lehre, das Englische als Wissenschaftssprache etabliert. Allerdings gibt es keinen Grund zur Annahme, dass Studierende mit Schreibschwierigkeiten in der Muttersprache wissenschaftliche Texte in einer Fremdsprache mit größerer Leichtigkeit verfassen könnten. Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass sich Schreibschwierigkeiten durch die ‚Fremdsprachenbarriere‘ in diesem Bereich noch erheblich vergrößern. Insofern haben wir es bei unserem Thema mit einer Problemstellung zu tun, die prinzipiell die erst- und zweitsprachlichen Schreibkompetenzen von Studierenden betrifft. Sie zeigt sich bei Studierenden, die das Deutsche als Fremdsprache in der Hochschulkommunikation verwenden, die englischsprachige Lehrveranstaltungen in vorwiegend deutschsprachigen Studiengängen besuchen oder in einem internationalen, sehr häufig englischsprachigen Studiengang in Deutschland oder im Ausland studieren. (vgl. G NUTZMANN 2007, 2012). Das Thema des wissenschaftlichen Schreibens und Publizierens sowie die damit verbundenen Schreibschwierigkeiten sind nicht nur für Studierende, sondern ebenso für Lehrende und Wissenschaftler/ innen von Bedeutung. Obwohl im öffentlichen Hochschuldiskurs bisher eher wenig kommuniziert wurde, dass auch Wissenschaftler mit den Tücken des fremdsprachlichen Schreibens zu kämpfen haben, ist das Interesse an der Erforschung dieser Schreibprobleme und des Umgangs der Wissenschaftler mit ihnen inzwischen gewachsen. Fragen, wie sehr Nichtmuttersprachler des Englischen in * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Claus G NUTZMANN , Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Bienroder Weg 80, 38106 B RAUNSCHWEIG . E-Mail: c.gnutzmann@tu-braunschweig.de Arbeitsbereiche: Das Englische als Welt- und Wissenschaftssprache und seine Vermittlung, Fachsprachen, Englische Grammatik und ihre Didaktik, Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse, Language Awareness. Wissenschaftliches Schreiben in der Fremdsprache 4 Claus Gnutzmann 44 (2015) • Heft 1 der internationalen Wissenschaftskommunikation fachlich und kommunikativ benachteiligt sind, wie die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen auf dieses Phänomen der kommunikativen Benachteiligung von nichtmuttersprachlichen Autoren reagieren oder welche Nachteile, neben den Vorteilen, möglicherweise mit der Internationalisierung des Wissenschaftsbetriebs verbunden sind, werden zunehmend diskutiert. Dass diese Herausforderungen allerdings nicht nur durch die Fremdsprache hervorgerufen werden, sondern ebenfalls von den jeweiligen Fachdisziplinen geprägt werden, ist mittlerweile durch die internationale Forschung offengelegt worden (H YLAND 2004, 2012; H YLAND / B ONDI 2006; K UTEEVA / M AURANEN 2014). So konnte etwa vielfach belegt werden, dass Vertextungen im Genre „wissenschaftlicher Zeitschriftenaufsatz“ in Verbindung mit der Epistemologie, den Werten und den Methoden eines Faches gebracht werden können. Das vorliegende Themenheft beschäftigt sich mit einer Auswahl der eben skizzierten Probleme des wissenschaftlichen Schreibens in der Fremdsprache. Es nimmt dabei unterschiedliche Zielgruppen (Studierende und Lehrende), Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch) und Fächer/ Fächergruppen (Natur-, Ingenieur-, Sozial- und Geisteswissenschaften) in den Blick. Insgesamt enthält das Heft acht Beiträge, wobei es wahrscheinlich nicht überrascht, dass das Thema des wissenschaftlichen Schreibens in der Fremdsprache in erster Linie, insgesamt siebenmal, als eine Herausforderung für die Studierenden gesehen wird. Der Beitrag von C LAUS G NUTZMANN , J ENNY J AKISCH und F RANK R ABE behandelt die Thematik mit Blick auf deutsche Wissenschaftler (Doktoranden, Postdocs, Professoren), die auf Englisch veröffentlichen (wollen oder müssen). Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Tatsache, dass englischsprachige Publikationen in internationalen Fachzeitschriften heute in den meisten Fächern als entscheidender Indikator für den beruflichen Erfolg von Wissenschaftlern gelten. Im Unterschied zu Kollegen, die Englisch als Muttersprache sprechen und über einen vergleichbaren akademischen Hintergrund verfügen, sind Nichtmuttersprachler mit zusätzlichen kommunikativen Anforderungen konfrontiert. Das von der VolkswagenStiftung geförderte und an der TU Braunschweig durchgeführte Projekt „Publish in English or Perish in German? Wissenschaftliches Schreiben und Publizieren in der Fremdsprache Englisch“ untersucht die Konsequenzen dieser Entwicklung in zwei komplementären Teilprojekten. Im ersten Teilprojekt stehen Herausforderungen, Problemlösungsstrategien und handlungsleitende Einstellungen deutschsprachiger Wissenschaftler bei der schriftlichen Verwendung des Englischen in Fachtexten im Vordergrund. Das zweite Teilprojekt erforscht den Einfluss wissenschaftlicher Anglophonie auf das Publikationswesen, indem Auswirkungen auf die Sprachenpolitik und -praxis von Verlagen und der Umgang mit Manuskripten von Nichtmuttersprachlern des Englischen analysiert werden. Zur Untersuchung dieser Fragstellung wurden zentrale Akteure - Wissenschaftler, Verlagsmitarbeiter und Zeitschriftenherausgeber - anhand leitfadengestützter Interviews befragt. Da der Grad der Anglisierung je nach Fach unterschiedlich ausfällt und disziplinbedingte Besonderheiten beim Schreiben und Publizieren auf Englisch berücksichtigt werden müssen, wurden dafür Vertreter der Biologie, des Maschinenbaus, der Germanistischen Linguistik Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 44 (2015) • Heft 1 und der Geschichte gewählt. Der Beitrag verdeutlicht, welche Bedeutung die Beteiligten den Wissenschaftssprachen Englisch und Deutsch in den verschiedenen Disziplinen zuschreiben und wie sie mit den Anforderungen des Schreibens und Publizierens in der Fremdsprache Englisch umgehen. Während im Allgemeinen der Weg zum Erwerb wissenschaftlicher Schreibkompetenz über die Orientierung an den authentischen wissenschaftlichen Genres wie Abstract, Zusammenfassung oder Fachaufsatz gesehen wird, geht J ULIA H ÜTTNER einen anderen Weg. Auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung von über 50 in der Fremdsprache Englisch verfassten studentischen Arbeiten und durch Interviews mit den Autoren kann die Verfasserin unter besonderer Berücksichtigung von Teiltexten wie Einführung und Schlussfolgerung darlegen, dass es Schnittmengen in den kommunikativen Funktionen dieser Arbeiten gibt, dass aber auch Unterschiede existieren. Dabei geht es zum einen um kommunikative Funktionen, die von Expertenseite als nicht angemessen angesehen werden, zum anderen um Funktionen, die zwar ebenso in authentischen Genres verwendet werden, aber von den Studierenden sprachlich nicht adäquat umgesetzt werden. Zum Erreichen des langfristigen Ziels einer wissenschaftlichen Schreibkompetenz wird deshalb der Weg über die Konzeptualisierung eigenständiger studentischer Schreibgenres vorgeschlagen, die zunächst durchaus als Modelle für das wissenschaftliche Schreiben von Studierenden dienen können. Die zu frühe Orientierung an Expertenmodellen kann zu einer Überforderung der Studierenden führen, weil diese kaum mit ihrer wissenschaftlichen Lebenswelt und Erfahrungen in Einklang zu bringen ist. Der Beitrag von N ICOLA O WTRAM befasst sich mit der Vermittlung an und der Aneignung wissenschaftlicher Schreibkompetenzen durch nichtmuttersprachlich-englische Doktoranden am European University Institute in Florenz. Es handelt sich hierbei um eine Einrichtung, die ausschließlich im postgradualen Bereich ausbildet und in der die überwiegende Mehrheit der Studierenden Forschungen für einen PhD in den Fächern Volkswirtschaft, Geschichte, Politik, Jura oder Sozialwissenschaften durchführen. Wesentliches Ziel der Schreibkurse ist die Vermittlung wissenschaftlicher Schreibfähigkeiten an die Studierenden, die es ihnen ermöglichen, in internationalen, englischsprachigen Fachzeitschriften zu veröffentlichen. Dabei werden die Lernenden bereits als Forscher angesehen, die sich am Anfang ihrer wissenschaftlichen Karriere befinden, d.h. es wird bereits von einem hohen Eingangsniveau ausgegangen, was dadurch unterstrichen wird, dass die meisten bereits über postgraduale Studienerfahrungen verfügen. Der in den Kursen angewandte Schreibansatz basiert auf einem Stilbegriff, der nichtliterarische Texte einschließt und anhand von Schlüsselthemen der jeweiligen Disziplinen vermittelt wird, um dadurch die „kontextualisierten schreibdidaktischen Wahlmöglichkeiten“ des Modells klarer hervortreten zu lassen. Hierzu gehören u.a. die Möglichkeit der Überarbeitung von Texten und das Geben von Feedback sowie die Option, in nach den Fachdisziplinen zusammengesetzten Schreibgruppen zusammenzuarbeiten. A NTHONY B ROWN berichtet in seinem Beitrag über die Grundlagen eines Kurskonzeptes zum wissenschaftlichen Schreiben, das sich an fortgeschrittene Studierende 6 Claus Gnutzmann 44 (2015) • Heft 1 wendet und am Sprachenzentrum der TU Braunschweig angeboten wird. Dieses Konzept orientiert sich an der systemisch-funktionalen Grammatik von H ALLIDAY , die auf die Analyse von Fachaufsätzen angewandt wird mit dem Ziel, „sprachliche Konventionen“ dieser Texte zu identifizieren und den Studierenden den Zweck ihres Schreibens zu verdeutlichen. Im Mittelpunkt des Aufsatzes steht die Vorstellung von Sprachanalysen von wissenschaftlichen Zeitschriftenaufsätzen aus den Fächern der am Kurs beteiligten Studierenden. Die Analysen beruhten insbesondere auf den H ALLIDAY schen Kategorien Transitivität und Nominalgruppe, bezogen aber darüber hinaus auch Produkte studentischen Schreibens ein. Die Analyseergebnisse, die durch Interviews mit den Teilnehmern des Kurses ergänzt wurden, bestätigen die positive Wirkung einer solchen Vorgehensweise, die dazu beitragen kann, relevante Sprach- und Genrebewusstheit unter den Studierenden zu entwickeln und wissenschaftliche Schreibkompetenz zu fördern. Diese Vorgehensweise kann sicherlich eine Menge Plausibilität für sich beanspruchen, aber der Autor weist selbst einschränkend darauf hin, dass es keine Evidenz dafür gibt, ob bzw. inwieweit die Entwicklung sprachlichen (deklarativen) Wissens in schriftsprachliches Handeln umschlägt. In seinem Beitrag widmet sich D IRK S IEPMANN der Frage nach der „Qualität der Interimsprache“ in von deutschen Autoren, vorwiegend Studierenden im Masterstudium und Doktoranden, verfassten englischsprachigen Wissenschaftstexten. Dabei geht es ihm vor allem um die Unter- und Überrepräsentation des Typs for + NP + to-INF und die im Englischen unübliche Passivstruktur *it will be investigated whether, wie sie von deutschen Wissenschaftlern, unter dem Einfluss ihrer Erstsprache, relativ häufig verwendet wird. Auf der Basis elektronischer Korpusaufzeichnungen von Aufsätzen und Dissertationen, Korrekturprotokollen sowie einem „Megakorpus“ der englischen Wissenschaftssprache werden die genannten Konstruktionstypen in ihren Verwendungen differenziert beschrieben. Der aus der Sicht des Autors vielversprechendste und für ihn einzig gangbare Weg für den zielsprachlich angemessenen Erwerb dieser Formen liegt in der Bewusstmachung von derartigen fehlerhaften und über- oder unterrepräsentierten Strukturen innerhalb eines lexiko-grammatischen Ansatzes. Es wird des Weiteren dafür plädiert, die sprachliche Bewusstmachung solcher Strukturen durch eine gezielte Empfehlung an die Lernenden für einen verstärkten Gebrauch von Hilfsmitteln wie allgemeine Korpora, Wörterbücher oder Google Books zu unterstützen. Für C HRISTINE S. S ING ist die Beherrschung der für eine wissenschaftliche Diskursgemeinschaft gültigen Schreibkonventionen und -praktiken eine wesentliche Voraussetzung für die Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft. Die Aneignung dieser Regeln geht über den sprachlichen Bereich im engeren Sinne hinaus, gefordert werden insbesondere Kenntnisse des disziplinspezifischen Diskurses. Der Beitrag untersucht schwerpunktmäßig die Identitätskonstruktion von nichtmuttersprachlichen Wirtschaftsstudierenden. Wie diese sich beim Verfassen englischer Fachtexte niederschlägt, wird anhand der Verwendung der Pronomina I und we zum Ausdruck ihrer Identität als Autoren untersucht. Auf der Grundlage eines eigens für diese Untersuchung zusammengestellten Korpus konnte ermittelt werden, dass überhaupt nur jeder vierte der studentischen Autoren Personalpronomina der 1. Person verwendet. Wenn diese auftreten, Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 44 (2015) • Heft 1 dann vor allem in der Einleitung und der Zusammenfassung, somit in Teiltexten, in denen weniger, so die Verfasserin, eine wissenschaftliche Positionsbestimmung der Autoren stattfindet. Die hierdurch herbeigeführte Zurücknahme der eigenen Sichtweise wird auf verschiedene Gründe zurückgeführt und ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass von außen geprägte Vorstellungen von „unpersönlichem Stil“ die Verwendung dieser Pronominalformen quasi zu einem Tabu erheben. Der Beitrag schließt mit einigen kritischen Bemerkungen zur herkömmlichen Schreibdidaktik im akademischen Bereich: Diese geht nach Ansicht der Verfasserin immer noch von einer fächerübergreifenden Einheitlichkeit aus und nimmt die disziplinären Spezifika des wissenschaftlichen Schreibens noch nicht ausreichend in den Blick. Im Mittelpunkt des Beitrags von M ELANIE M OLL steht die Untersuchung nichtmuttersprachlicher studentischer Textproduktionen in der deutschen Wissenschaftssprache. Ausgehend von der Internationalisierung der Wissenschaften und den sich daraus ergebenden sprachlichen Herausforderungen skizziert der Aufsatz zunächst kurz die bildungspolitischen Internationalisierungsbemühungen der beiden letzten Jahrzehnte und ihre Auswirkungen auf die Universitäten, um sich daran anschließend der sprachlichen Praxis in internationalen Studiengängen zuzuwenden. Als Ergebnis der Sichtung relevanter Forschungsliteratur hält die Verfasserin fest, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen den von bildungspolitischer Seite angenommenen Vorteilen solcher Studiengänge und den in der Praxis sich tatsächlich ergebenden Anforderungen bezüglich des Spracherwerbs. Daraus lassen sich Forderungen für einen universitären DAF- Unterricht herleiten, der auch für internationale englischsprachige Studiengänge Deutschangebote bereithält, um ausländischen Studierenden die Integration zu erleichtern und ihren Studienerfolg zu fördern. Für eine aktive Verwendung des Deutschen als Wissenschaftssprache werden einschlägige Lernziele benannt, die sich auf die Strukturen der „alltäglichen Wissenschaftssprache“, charakteristische sprachliche Handlungsformen, wissenschaftliches Zitieren etc. sowie Aspekte der Textorganisation und Leserorientierung erstrecken. Der empirische Teil des Aufsatzes befasst sich mit verschiedenen wissenschaftssprachlichen Normabweichungen und Aneignungsproblemen ausländischer Lernenden. Dabei zeigt sich, dass neben den behandelten sprachlichen Normabweichungen auch Kenntnislücken im Bereich der Textgliederung und -organisation sowie im Bereich des wissenschaftlichen Argumentierens festzustellen sind. Der Aufsatz schließt mit einem Plädoyer für einen sich noch stärker an den kommunikativen Erfordernissen der wissenschaftssprachlichen Praxis ausgerichteten Deutschunterricht. Der Beitrag von D AGMAR K NORR und K ARL -H EINZ P OGNER behandelt verschiedene Aspekte der akademischen Textproduktion unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit. Dabei wird akademisches Schreiben als eine Vorform des wissenschaftlichen Schreibens verstanden, die nicht nur der Herstellung von Text und Wissen dient, sondern auch an der Entwicklung von diskursiven und Mehrsprachigkeitskompetenzen in wissenschaftlichen Diskursgemeinschaften beteiligt ist und somit die „periphere“ Teilnahme von Studierenden am Fachdiskurs und der Praxis der entsprechenden scientific community erleichtern kann. Akademisches Schreiben bzw. die akademische Textpro- 8 Claus Gnutzmann 44 (2015) • Heft 1 duktion als epistemisches Schreiben stellt insoweit eine besondere Herausforderung an die Lernenden dar, als es über die Textproduktion hinaus der Aneignung von fachlichem Wissen dient. Die beiden Autoren gehen deshalb gezielt der Frage nach, wie Lernende im Lehr-/ Lern-Kontext der Hochschule gleichzeitig zwei neue Sprachen und Diskursordnungen erwerben können: die der spezifischen wissenschaftlichen Diskurs- und Fachgemeinschaft/ en und die einer Zielsprache, die die Lernenden auch in der Domäne der akademischen Textproduktion lernen sollen. Anknüpfend an die Bedürfnisse einer zunehmend sprachlich heterogenen Studierendenschaft wird zum Abschluss der Untersuchung eine Reihe von Möglichkeiten genannt, die aus dieser Heterogenität resultieren und von der Wertschätzung der individuellen sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden bis zur Chance für diese reichen, durch die Lektüre von Fachtexten in anderen Sprachen als in den Prüfungssprachen Deutsch und Englisch ihre akademische Literalisierung in weiteren Sprachen voranzutreiben. An der hier vereinigten Sammlung von Beiträgen wird ersichtlich, dass unter dem Einfluss der Internationalisierung des Hochschulbereichs das wissenschaftliche Schreiben in der Fremdsprache zunehmend in den Fokus der universitären Sprachvermittlung sowie der angewandt-linguistischen und didaktischen Forschung gerückt ist. Die Beiträge machen aber auch deutlich, dass Internationalisierung in erheblichem Umfang einhergeht mit der Dominanz des Englischen und dem damit verbundenen Rückgang bzw. Verlust anderer Wissenschaftssprachen sowie einer kommunikativen Benachteiligung nichtmuttersprachlicher Benutzer des Englischen. Dass dieser Prozess nicht für alle Disziplinen in gleicher Weise gilt, mag vielleicht ein „window of opportunity“ für wissenschaftliche Mehrsprachigkeit öffnen. Literatur G NUTZMANN , Claus (Hrsg.) (2007): Fremdsprache als Arbeitssprache in Schule und Studium (Themenschwerpunkt von Fremdsprachen Lehren und Lernen 36, 3-216). G NUTZMANN , Claus (Hrsg.) (2012): Fremdsprachen in nichtsprachlichen Studiengängen (Themenschwerpunkt von Fremdsprachen Lehren und Lernen 41.2, 3-106). H YLAND , Ken (2004): Disciplinary Discourses: Social Interactions in Academic Writing. University of Michigan Press (Michigan Classics Edition). H YLAND , Ken (2012): Disciplinary Identities: Individuality and Community in Academic Writing. Cambridge: Cambridge University Press. H YLAND , Ken / B ONDI , Marina (eds.) (2006): Academic Discourse across Disciplines. Frankfurt: Peter Lang. K UTEEVA , Maria / M AURANEN (eds.) (2014): Writing for Publication in Multilingual Contexts. (Special issue of Journal of English for Academic Purposes 13.1, 1-86).