eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 44/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2015
441 Gnutzmann Küster Schramm

Studentische Textproduktionen in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch

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2015
Melanie Moll
flul4410096
© 2015 Narr Francke Attempto Verlag 44 (2015) • Heft 1 M ELANIE M OLL * Studentische Textproduktionen in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch Abstract. This article sheds light on difficulties, which students whose mother tongue is not German are facing, when writing academic texts in German. Firstly, the process of internationalization of German universities and its consequences for the development of German as an academic language is described. Learning targets for language courses can be derived from this. Secondly, an empirical analysis of students‘ text productions shows characteristic linguistic difficulties. The results should be useful for the development of university curricula and teaching materials. „Ich habe keine Zeit, nochmal Deutsch zu lernen. Ich muss studieren.“ 1 1. Internationalisierung der Wissenschaft und sprachliche Herausforderungen Durch die Internationalisierung der Wissenschaft kommen auf diejenigen, die wissenschaftssprachlich handeln, vielfältige Herausforderungen zu. Das Ideal der mehrsprachigen Wissensgemeinschaft, die ihre Muttersprache in der Wissenschaft praktiziert und sich gleichzeitig auch noch in einer oder mehreren fremden Wissenschaftssprachen auszudrücken vermag, macht verstärkte Bemühungen um deren Vermittlung und Erwerb erforderlich. 1.1 Bildungspolitische Internationalisierungsbemühungen In den letzten zwei Jahrzehnten sind zahlreiche Maßnahmen zur Qualitäts- und Attraktivitätssteigerung bundesdeutscher Universitäten ergriffen worden (vgl. dazu T EICHLER 2007; W AGENER 2012; DAAD 2013). Bund und Länder formulierten 1996 die „Erklärung zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandorts Deutschland“. Im gleichen Jahr wurden die ersten englischsprachigen Aufbau- und Masterstudiengänge eingerichtet. Erklärte Ziele waren der Aufbau international kom- * Korrespondenzadresse: Dr. Melanie M OLL , LMU München / Deutschkurse bei der Universität München e.V., Agnesstraße 27, 80798 M ÜNCHEN . E-Mail: moll@dkfa.de Arbeitsbereiche: Sprachlehr- und Sprachlernforschung, Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache, Deutsch als Wissenschaftssprache, Prüfen und Testen. 1 Student aus Syrien bei der Nachbesprechung seiner DSH-Prüfung. Studentische Textproduktion in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch 97 44 (2015) • Heft 1 patibler Studiengänge und Abschlüsse sowie besonderer Betreuungsangebote für deutsche und ausländische Studierende, überschaubare Studienzeiten und in den ersten Semestern englischsprachige Lehrveranstaltungen, um dadurch wiederum eine erhöhte studentische Mobilität und einen signifikant höheren Ausländeranteil an deutschen Hochschulen zu erreichen. Auch im europäischen Kontext wurde der Prozess der Internationalisierung vorangetrieben: 1999 haben sich die Bildungsminister von 29 europäischen Staaten in der „Bologna-Erklärung“ für die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums ausgesprochen, der zur Stärkung der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit Europas als Bildungsstandort dienen sollte. Als Ziel formulierte man die Mobilitätssteigerung von Studierenden und Wissenschaftlern sowie die Homogenisierung des europäischen Wissenschaftsraums. Und tatsächlich hat sich der Trend zur Einrichtung internationaler Studiengänge stetig fortgesetzt (s. dazu Kap. 1.2). „Internationalisierung“ heißt aus hochschulpolitischer Perspektive heute aber auch „Wettbewerb um die klügsten Köpfe, die beste Forschung und das höchste Renommee“ (DAAD 2008: 2). Inzwischen sind die Universitäten weltweit in einen Konkurrenzkampf getreten, der darauf abzielt, Fach- und Führungskräfte für Wissenschaft und Wirtschaft zu gewinnen. In Deutschland soll damit den absehbaren Lücken auf dem Arbeitsmarkt vorgebeugt werden. Ein gewisser Erfolg ist diesbezüglich auch schon zu verzeichnen. Umfragen zeigen, dass Deutschland unter den nicht-englischsprachigen Wettbewerbern in Europa an der Spitze liegt (GATE-G ERMANY 2013: 7). Um die Anzahl der internationalen Studierenden zu vergrößern und um neben der Quantität eine noch stärkere Qualitätsorientierung durchzusetzen, wurden in den letzten Jahren verstärkt Marketing-Aktivitäten unternommen: So ist GATE-G ERMANY (getragen von DAAD und HRK) seit 2001 für die deutschen Hochschulen im Bereich Hochschulmarketing tätig. Hochschulen können sich aber seit 2009 auch bei ihren Internationalisierungsbemühungen beraten lassen, so zum Beispiel über das Audit „Internationalisierung der Hochschulen“ (H OCHSCHULREKTORENKONFERENZ 2014), das als Projekt der HRK vom BMBF gefördert wird. Auch der Aktionsrat Bildung hat sich der Thematik angenommen und 2012 ein Gutachten mit Empfehlungen zur „Internationalisierung der Hochschulen“ in Auftrag gegeben (V EREINIGUNG DER BAYERISCHEN W IRTSCHAFT 2012). Die Ergebnisse sind insgesamt positiv zu bewerten. Der Anteil ausländischer Studierender ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, und zwar von 124.609 (Wintersemester 1992) auf 301.350 (Wintersemester 2013) (S TATISTISCHES B UNDESAMT 2014: 13). Unter allen an deutschen Hochschulen Immatrikulierten haben die internationalen Studierenden damit einen Anteil von 11,5 %. Allerdings hat sich die Absolventenzahl nicht in demselben Verhältnis erhöht, was darauf zurückzuführen ist, dass die Abbrecherquote unter ausländischen Studierenden überdurchschnittlich hoch ist - sie liegt bei ca. 50 Prozent (S TIFTERVERBAND FÜR DIE DEUTSCHE W ISSENSCHAFT 2014). Um dieses Problem zu bearbeiten, sind sicherlich vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung der Studiensituation, insbesondere des internationalen Nachwuchses, erforderlich. Ein wesentlicher Beitrag dazu könnte und sollte die gezielte wissenschaftssprachliche Förderung sein. Dies belegt auch die 20. Sozialerhebung des Deut- 98 Melanie Moll 44 (2015) • Heft 1 schen Studentenwerks „Ausländische Studierende in Deutschland 2012“ (A POLI - NARSKI / P OSKOWSKY 2014). Deutschkurse gehören demnach zu den von internationalen Studierenden als wichtig eingeschätzten Unterstützungsangeboten. Die Beherrschung der Landessprache stellt nicht nur für ein erfolgreiches Studium, sondern auch für die Bewältigung des Alltags und für die Integration am Studienstandort eine wichtige Voraussetzung dar. 1.2 Vision und Wirklichkeit: sprachliche Praxis in internationalen Studiengängen Die Euphorie, mit der mancherorts die Internationalisierungsbemühungen vorangetrieben werden, ist zwar vom Ansatz verständlich, führt in der praktischen Umsetzung aber nicht immer zu den gewünschten Resultaten. So manche Maßnahme wird ohne Reflexion der Implikationen ergriffen, die sie für Forschung und Lehre, für Verwaltung und Hochschulmanagement, für den Studienerfolg und damit für die Zukunft der internationalen Studierenden hat. Die Monopolisierung des Englischen als Lehr- und Forschungssprache ist beispielsweise eine solche Maßnahme. 2 Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass sprachliche Defizite mit zu den am häufigsten genannten Problemen gehören, mit denen internationale Studierende zu kämpfen haben. Neben Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Leistungsanforderungen im Studium und Schwierigkeiten mit Kontakten zur Bevölkerung wächst der Anteil der Studierenden, die Probleme mit der Verständigung in deutscher Sprache äußern (A POLINARSKI / P OSKOWSKY 2014: 58). Allerdings ist hier nach Herkunftsländern und angestrebtem Abschluss zu differenzieren: So fällt offenbar Studierenden aus ostasiatischen Ländern vor allem die Verständigung in deutscher Sprache (53 %) und der Kontakt zu deutschsprachigen Studierenden bzw. zur deutschsprachigen Bevölkerung schwer (47 %) (ebd.: 59). Mit Blick auf den jeweils angestrebten Abschluss stellt insbesondere für Promovierende und für Master-Studierende die Verständigung in deutscher Sprache eine große Hürde dar (46 % bzw. 41 %), denn in diesen Gruppen ist der Anteil an Studierenden, die ohne Deutschkenntnisse ihr Studium aufnehmen, vergleichsweise hoch. Als Grund dafür ist die Zunahme englischsprachiger Studiengänge zu nennen. Im Sommersemester 2013 sind 2 % aller grundständigen und 10 % aller weiterführenden Studienangebote (Master und Promotion) englischsprachig. Deshalb nimmt auch die Zahl der Studierenden zu, die zu Studienbeginn keine Deutschkenntnisse haben (von 5 % im Jahr 2006 auf 8 % im Jahr 2013) (vgl. ebd.: 18). Im Vergleich zu Studierenden, die einen Bachelor (3 %) oder einen traditionellen Abschluss anstreben (4 %), sind es unter den Master-Studierenden 12 %, unter den Promovierenden sogar 25 %, die keine Kenntnisse der Landessprache mitbringen (ebd.). 2 Hierzu sei auf eine terminologische Auffälligkeit hingewiesen: Wenn an Hochschulen, in der Bildungspolitik und bei Mittlerorganisationen von „internationalen“ Studiengängen die Rede ist, dann bedeutet dies mit Blick auf die sprachliche Praxis, dass von englischsprachigen bzw. bilingualen - und das heißt englischdeutschen - Studiengängen die Rede ist. Die Gleichsetzung von Internationalisierung mit Anglophonisierung geschieht quasi automatisch. Studentische Textproduktion in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch 99 44 (2015) • Heft 1 Welche Konsequenzen hat das Einrichten internationaler, d. h. englischsprachiger bzw. zweisprachiger Studiengänge nun für den konkreten Studienalltag? Die Vorteile, die die Etablierung englischsprachiger Studiengänge mit sich bringt, sind auf den ersten Blick kaum zu überbieten: Ausländische Studierende können ohne Deutschkenntnisse an Studienprogrammen teilnehmen und qualifizieren sich damit für den internationalen Markt, „deutschfreies“ Studium trägt zur Attraktivitätssteigerung des Studienstandorts bei, die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird erhöht und die Integration internationaler Studierender scheint unproblematisch. Dabei werden gute Englischkenntnisse als selbstverständlich vorausgesetzt. Dass es ganz so einfach nicht geht, zeigen inzwischen mehrere Untersuchungen zu internationalen Studiengängen (z.B. P ETEREIT / S PIELMANNS -R OME 2010; F ANDRYCH / S EDLACZEK 2012). Im Verlauf des Studiums wird der vermeintliche Vorteil, die Landessprache nicht beherrschen zu müssen, häufig als Defizit erkannt. Die von P ETEREIT / S PIELMANNS -R OME (2010) befragten Studierenden fassen die Absenz des Deutschen im Studium nicht als Wettbewerbsvorteil auf, sondern vielmehr als Behinderung ihrer Teilhabe an inner- und außeruniversitären Aktivitäten. Die Autoren kommen zu folgendem Schluss: „Englisch als alleinige Lehr- und Umgangssprache ist also ein künstliches Konstrukt von Internationalität. Es ist nur in erster Instanz ein Anreiz, der später als Nachteil und Mangel wahrgenommen wird.“ Die Untersuchung von F ANDRYCH / S EDLACEK zeigt, dass die Deutschkenntnisse internationaler Studierender sowohl in Bezug auf die alltagssprachlichen Fähigkeiten als auch in Bezug auf die fachsprachlichen Kompetenzen nicht ausreichend sind (2012: 143). Die Erwartungen der Studierenden, in einem internationalen Studiengang dezidierte Förderung des Deutscherwerbs zu erfahren, werden nicht erfüllt, denn häufig können Sprachlernangebote nicht wahrgenommen werden, „weil diese nicht mit dem Studienplan koordiniert bzw. in das Studium integriert sind und so eine zusätzliche Arbeitsbelastung in einem ohnehin überfrachteten Studienplan darstellen“ (ebd.). Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch G NUTZMANN / L IPSKI -B UCH - HOLZ (2008: 157): Es besteht Bedarf an einer Intensivierung der Deutschvermittlung in internationalen Studiengängen; allerdings lässt das Fachstudium zu wenig Freiraum für zusätzlichen Sprachunterricht. Aber auch die Verwendung des Englischen als Wissenschaftssprache verläuft weit weniger problemlos als erhofft. Die Englischkenntnisse der Studierenden liegen häufig unter den erforderlichen Einstiegsniveaus (vgl. F AN - DRYCH / S EDLACEK 2012: 142), und der größte Teil der befragten Lehrenden formuliert Bedarf an spezifischer Förderung des Wissenschaftsenglischen (ebd.: 142). M OTZ (2005: 8) stellt fest, dass die Studierenden in internationalen Studiengängen zwar die Erleichterung der Einstiegshürden durch englischsprachige Lehre schätzen, dass sie sich aber u. a. auch für den Studienstandort Deutschland entschieden haben, weil sie am Erwerb von Deutschkenntnissen interessiert sind. Dass die Etablierung einer weltumspannenden Wissenschaftskommunikation mit Englisch als „lingua franca“ nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken in sich birgt, wurde in der linguistischen und sprachenpolitischen Diskussion schon mehrfach festgestellt. W EINRICH (2001) weist darauf hin, dass der Gebrauch des Englischen als „lingua franca“ bedeutet, sich einer reduzierten und verzerrten Varietät zu bedienen, was unter 100 Melanie Moll 44 (2015) • Heft 1 Umständen sogar zum gegenseitigen Nicht-Verstehen im wissenschaftlichen Diskurs führen kann. Auf die grundlegenden Funktionen von Wissenschaftssprachen weist E HLICH (2000) hin. Hier ist zum einen die gnoseologische, d.h. erkenntnisbezogene und erkenntnisstiftende Funktion von Sprache zu nennen (ebd.: 5f). Die Reduktion einer Vielfalt verschiedener Wissenschaftssprachen zugunsten einer einzigen kann langfristig zu einer Reduktion wissenschaftlicher Leistungen und Erkenntnisse anderer Wissenschaftssprachkulturen bzw. zu einer Abwertung der in diesen Sprachen produzierten Erkenntnisse führen. Daneben hat Sprache auch eine praxisstiftende Funktion (ebd.: 10), d. h. sie ermöglicht großräumige Kommunikation, und eine gemeinschaftsstiftende (d.h. kommunitäre) Funktion. Wird nun Wissenschaft monolingual, also nicht mehr nach dem Prinzip der Mehrsprachigkeit, in der jeweiligen Landessprache betrieben, so wird die Teilhabe der Bevölkerung an gesellschaftlichen Wissensbeständen erschwert und damit ein demokratisches Grundprinzip eingeschränkt. Offenbar besteht also eine deutliche Diskrepanz zwischen den von Bildungspolitik und Hochschulen angenommenen Vorteilen internationaler Studiengänge einerseits und den sich in der Praxis manifestierenden Erfordernissen bezüglich des Spracherwerbs andererseits. Der DAAD gibt schon 2008 zu bedenken, dass eine sprachliche Vorbereitung durch Sprachkurse erforderlich sei, weshalb auch in englischsprachigen Studiengängen eine Deutschförderung „möglich, wenn nicht gar verpflichtend gemacht werden“ solle (2008: 15). Noch expliziter wird die Position des Deutschen im DAAD- Memorandum 2010: „Die Stärkung des Deutschen als Wissenschaftssprache ist für uns zentraler Bestandteil der Förderung akademischer Mehrsprachigkeit.“ Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die HRK in ihren Empfehlungen (H OCHSCHULREKTORENKON - FERENZ 2011: 11f.): „Für ausländische Studierende gilt, dass Deutschkenntnisse Integration und Studienerfolg fördern. Dort, wo Studierende ohne Deutschkenntnisse zum Studium zugelassen werden, sollten sie ermutigt werden, im Verlauf ihres Studiums deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben. […]. Die Hochschulen sollten entsprechende Kurse anbieten und sie als verbindliche Module in die Studiengänge integrieren.“ Aus den o.g. Ausführungen lassen sich Forderungen für eine fundierte Deutschvermittlung im universitären Kontext ableiten: • Es sind studienbegleitende und studienvorbereitende Deutschangebote nötig, die in die Studiengänge integriert und auf die individuellen Bedürfnisse der verschiedenen studentischen Gruppen hin orientiert sind. • Es muss ein differenziertes Sprachkursangebot entwickelt werden a) für Studierende, die sich die Wissenschaftssprache Deutsch für akademische Zwecke aneignen wollen und b) für Studierenden, die Deutsch für außeruniversitäre Zwecke benötigen. • Das Fachstudium muss Raum für den Spracherwerb lassen. Studienbegleitende Sprachkurse sollten integraler Bestandteil des Curriculums und in ihrer Wertigkeit durch den Erwerb von ECTS-Punkten mit dem Fachstudium gleichgesetzt sein. Studentische Textproduktion in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch 101 44 (2015) • Heft 1 2. Lernziele Wenden wir uns nun derjenigen Gruppe der wissenschaftssprachlich Handelnden zu, die auf Deutsch studieren oder lehren und deren Bedarf sich nicht auf eine rezeptive Mehrsprachigkeit beschränkt, sondern die die Strukturen der Wissenschaftssprache auch produktiv beherrschen müssen. Ausgehend von regelmäßigen Befragungen unter den Studierenden und auf der Grundlage von empirischen Untersuchungen studentischer Produktionen hat sich gezeigt, dass im Zentrum der Vermittlungsbemühungen (wissenschafts-)sprachliche Strukturen und Handlungsformen stehen sollten (vgl. z.B. E HLICH 1995; G RAEFEN 2002; S TEINHOFF 2007; M OLL 2012). Dieser komplexe Lerngegenstand lässt sich in die folgenden Komponenten untergliedern: a) Strukturen der „alltäglichen Wissenschaftssprache“ (s. dazu E HLICH 1999): Es handelt sich hierbei um Strukturen der Alltagssprache, die für wissenschaftliche Zwecke funktional genutzt werden. Dazu gehören syntagmatische Kombinationen, häufig auch idiomatische Prägungen. b) charakteristische sprachliche Handlungsformen (z. B. assertieren, begründen, einschätzen) sowie komplexere Formen (z. B. argumentieren, vergleichen, thematisieren); c) wissenschaftliches Zitieren, Verweisen und Bezugnehmen; d) Textorganisation und Leserorientierung (z.B. Verknüpfung einzelner Abschnitte, Formulieren von Übergängen, Textkommentierungen, Beziehungen und Verweise im Text). 3. Korpus Eine Analyse ausgewählter studentischer Textproduktionen soll dazu beitragen, häufig zu beobachtende sprachliche Fehler transparent zu machen und charakteristische Schwierigkeiten zu konkretisieren. Das empirische Material stammt aus einem Korpus von 290 DSH-Prüfungen (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang) aus dem Jahr 2014. Die Prüfungsteilnehmer stammen aus 52 verschiedenen Herkunftsländern, und es ist davon auszugehen, dass sie mindestens über ein Niveau B2 gemäß GER verfügen. Mit der DSH weisen künftige Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung nicht an einer deutschsprachigen Institution erworben haben, ihre sprachliche Studierfähigkeit nach. Die Beispiele stammen aus dem Prüfungsteil „Vorgabenorientierte Textproduktion“. Mit diesem Prüfungsteil soll gemäß R AHMENORDNUNG (2011: 14) „die Fähigkeit aufgezeigt werden, sich selbständig und zusammenhängend zu einem studienbezogenen und wissenschaftsorientierten Thema schriftlich zu äußern“. Für die hier untersuchte Textproduktion war eine Grafik zu beschreiben, die das Thema „Doping am Arbeitsplatz“ zum Gegenstand hat. Der jeweilige Anteil der Doping verwendenden Frauen und Männer sowie die Gründe für Medikamenteneinnahme waren prozentual zu vergleichen und anschließend durch eine persönliche Stellungnahme zu kommentieren. 102 Melanie Moll 44 (2015) • Heft 1 4. Sprachliche Probleme und Normabweichungen Welche sprachlichen Strukturen sind es nun - neben den auf Niveau B2 zu erwartenden Defiziten im Bereich Orthographie, Interpunktion, Morphologie und Syntax -, die Studierenden bei den ersten Versuchen der wissenschaftlichen Textproduktion Schwierigkeiten bereiten? 4.1 Strukturen von Mündlichkeit in schriftlichen Texten Hochfrequent ist die unangemessene Verwendung von Ausdrücken der Alltagssprache in wissenschaftlichen Textproduktionen: Bsp. 3a Es gibt Leute, die ohne medizinische Versorgung nicht aus ihrer seelischen Schwierigkeit rauskommen können. Bsp. 3b Der Zustand am Arbeitsplatz ist voll stressig. Bsp. 3c Wenn man die Grafik mal anschaut, kann man deutlich erkennen, dass […]. Offenbar fällt es den Studierenden schwer, schriftsprachlich adäquate Formulierungen an die Stelle von Strukturen zu setzen, die ihnen aus mündlichen Verwendungszusammenhängen geläufig und daher vertrauter sind, so z. B. die Elision einzelner Buchstaben oder ganzer Silben („aus … rauskommen“, „mal … anschaut“). Vermittlungsrelevant ist aber auch, dass emotional gefärbte Verallgemeinerungen, Lässigkeit und Vagheit - im Mündlichen durchaus akzeptabel, da andere Verfahren der Verständnissicherung vorhanden sind und die Unverbindlichkeit sogar Höflichkeitsfunktion haben kann - in schriftlichen Texten nicht angemessen sind, da die mangelnde Präzision wissenschaftssprachlichen Anforderungen nicht genügt (Bsp. 3b „voll stressig“ oder Bsp. 3c „mal“). 4.2 Probleme mit Fügungen und Kollokationen 4.2.1 Meinung / Auffassung / Ansicht Die Verwendung von Ausdrücken der Wortfamilie „meinen / Meinung“ ist in den meisten Prüfungstexten zu beobachten. Vermutlich ist dies der Tatsache geschuldet, dass eine Aufgabe des Prüfungsteils Textproduktion lautet „Schreiben Sie Ihre persönliche Meinung zur folgenden Frage: […]“. Bsp. 4a Nach Meiner Meinung sollten die Ärzte nicht Medikamente verschreiben für die Verbesserung das psychische wohlbefinden ihrer patienten. Bsp. 4b Meine Meinung ist, kurz und direkt, nein. Aber ich bin ein Archäologe und meine Patienten sind immer gesterbt, nicht lebendig. Bsp. 4c Meine Meinung nach ist, dass diese Medikamente nur in sehr extreme Situationen verschreiben sollen. Bsp. 4d Auf meine Meinung, fällt mir auf dass Menschen … Studentische Textproduktion in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch 103 44 (2015) • Heft 1 Bsp. 4e In meiner Meinung es gibt … Bsp. 4f Meiner Meinung nach finde ich sehr wichtig, zu den Ärzte zu gehen. Die Ausdruckskombination „meiner Meinung nach“ findet sich in studentischen Texten sehr häufig (vgl. S TEINHOFF 2007: 242), denn sie ist den Studierenden aus alltagssprachlichen Zusammenhängen vertraut. Offenbar werden aber auch andere Ausdruckskombinationen in Verbindung mit dieser Wortfamilie gelernt, die leider nicht immer trennscharf verwendet werden und sehr fehleranfällig sind. Neben der korrekten Verwendung in Bsp. 4a („Nach Meiner Meinung“) werden Elemente verschiedener Kollokationen miteinander vermischt oder in einen anderen syntaktischen Zusammenhang gesetzt. Bsp. 4c ist vermutlich entstanden aus einer Verschränkung der beiden Fügungen „Meiner Meinung nach“ (Bsp. 4a) und „Meine Meinung ist“ (Bsp. 4b) zu „Meine Meinung nach ist, dass“. Häufig zu beobachten sind auch lexikalische Vermischungen mit unpassenden Präpositionen (s. Bsp. 4d „Auf meine Meinung“). Sehr häufig liest man auch „In meiner Meinung“ (Bsp. 4e), was möglicherweise aber einer fehlerhaften Lehnübersetzung aus dem Englischen („In my opinion“) geschuldet ist. Dass diese Fügungen formelhaft und ohne Reflexion ihrer Funktionalität verwendet werden, zeigt Beispiel 4f: „Meiner Meinung nach finde ich sehr wichtig“ stellt eine Aneinanderreihung zweier Fügungen zum Ausdruck des subjektiven Standpunkts dar - man könnte nahezu von einer Überdosis an Subjektivitätsmarkierung sprechen. Seltener sind die zu demselben Wortfeld gehörigen Fügungen mit „Ansicht“ / „Auffassung“ (Bsp. 4g) zu beobachten: Bsp. 4g Nach meiner Ansicht müssen die Ärzte keine Medikament für die Verbesserung des psychische Wohlbefinden verschreiben. […] Meine Auffassung ist dass, die Ärzte mit ihren Patienten sprechen müssen. Auch hier kommt es zu unüblichen Kombinationen. „Meine Auffassung ist dass,“ könnte entstanden sein aus einer Neukombination der normalerweise mit Sprecherdeixis als Agens und Subjekt verwendeten Fügung „Ich bin der Auffassung, dass“ und den Formen, die ohne Agens als Subjekt realisiert werden können, wie z.B. „nach meiner Auffassung“ bzw. „nach meiner Meinung“. Keinen Beleg weist das Korpus für die idiomatische Prägung „meines Erachtens“ auf. Dies deckt sich auch mit den Beobachtungen von S TEINHOFF (2007: 241). Seine Untersuchung zeigt, dass die Anzahl von Meinungsausdrücken in wissenschaftlichen Texten insgesamt niedrig ist und dass sich die Präferenzen bei der Verwendung von Meinungsausdrücken im Studienverlauf ändern: Je fortgeschrittener die Studierenden, desto seltener wird von „meiner Meinung nach“ Gebrauch gemacht und desto häufiger kommen Formen wie „meines Erachtens“ oder „meiner Ansicht nach“ zum Einsatz (ebd.: 243f.). Im Laufe ihrer wissenschaftssprachlichen Sozialisation sollten Studierende deshalb frühzeitig auf die Bedeutungsunterschiede innerhalb des Wortfelds hingewiesen werden. Dies muss auch in Verbindung mit der Reflexion wissenschaftlicher Ziele und Arbeitsweisen geschehen. Im Gegensatz zu journalistischen oder politischen Diskursen 104 Melanie Moll 44 (2015) • Heft 1 werden in der Wissenschaft subjektive Standpunkte selten verbalisiert, denn die semantische Komponente der Beliebigkeit und Subjektivität, die dem „Meinen“ innewohnt (G RAEFEN 2002: 11), lässt sich mit dem Anspruch der Belegbarkeit und Objektivierbarkeit wissenschaftlichen Arbeitens nicht vereinbaren. Allenfalls vorläufige und noch nicht endgültig bestätigte Positionen werden als „Ansicht“ oder „Auffassung“ gekennzeichnet. Möglicherweise sind Arbeitsaufträge wie der o.g. mit dafür verantwortlich, dass Studierende glauben, ihren eigenen Anteil an einer Seminararbeit durch das Formulieren ihrer „Meinung“ transportieren zu müssen. Dennoch scheint mir das Reflektieren und Formulieren von Meinungen gerade für Studierende, in deren Herkunftskulturen der Meinungsbildung wenig Raum gegeben wird, ein erster hilfreicher Schritt auf dem Weg hin zur Fähigkeit zu sein, eigene und fremde wissenschaftliche Positionen zu verbalisieren. 4.2.2 Thematisierende, gliedernde und textkommentierende Fügungen  vorliegen Die Verwendung von Ausdruckskombinationen mit „vorliegen“ werden häufig eingesetzt, um etwas zu thematisieren und die Leseraufmerksamkeit auf einen Gegenstand zu lenken: Bsp. 5a Bevor ich auf dieses Thema näher eingehe, möchte ich zunächst die vorliegenden Grafiken beschreiben. Die Partizipialform von „vorliegen“ wird lokaldeiktisch eingesetzt, und zwar in Verbindung mit der zu beschreibenden „Grafik“. Solche Fügungen haben formelhaften Charakter und werden auch in Seminararbeiten regelmäßig verwendet, meist in der Kombinatorik „vorliegende Arbeit“ oder „vorliegende Untersuchung“ (G RAEFEN 2009: 267). In Beispiel 5b handelt es sich um eine kreative Abwandlung einer Fügung, die zwar von der Norm abweicht, deren Entstehung aber durchaus nachvollziehbar ist: Bsp. 5b Die vorunsliegende Grafik zeigt, dass […]. Der Verfasser hebt durch die Verwendung der kollektiven Sprecherdeixis „uns“ hervor, dass es zwei an der Sprechsituation beteiligte Aktanten gibt, nämlich Autor und Leser, denen die Grafik als gemeinsames Bezugsobjekt vorliegt. Man könnte hier von einer Überdetermination sprechen. Der Verfasser hat vermutlich ein vages Wissen davon, dass Thematisierungen mit der Partizipialform „vorliegend-“ eingeleitet werden, denn sonst hätte auch ein Relativsatz gebildet werden können, z.B. „Der Text, der uns / mir / Ihnen vorliegt“. Es besteht aber Unkenntnis darüber, dass es sich bei „vorliegend-“ + Nomen um eine feste syntagmatische Fügung handelt, die Bestandteil der alltäglichen Wissenschaftssprache ist und die auch in der reduzierten elliptischen Form, also ohne Sprecherdeixis, ihre Handlungsqualität nicht verliert. Auch das folgende Beispiel zeigt Unsicherheiten im Umgang mit dieser thematisierenden Fügung: Bsp. 5c In den liegenden Grafiken geht es um […] Studentische Textproduktion in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch 105 44 (2015) • Heft 1 Hier soll vermutlich nicht die räumliche Situierung des Schaubilds hervorgehoben werden, um „liegende“ gegen „stehende“ Grafiken abzugrenzen. Vielmehr scheint der Verfasser sich an die Existenz einer formalhaften Ausdruckskombination zu erinnern, vermag diese aber produktiv nicht vollständig zu verbalisieren, sondern beschränkt sich auf eine Verkürzung (Elision des Präfix „vor-“). In Bsp. 5d handelt es sich offensichtlich um eine Vertauschung zweier häufig gebrauchter Ausdrucksmittel der Leserorientierung, nämlich „folgend-“ und „vorliegend-“: Bsp. 5d Dazu liefert die folgender Grafik Informationen. Der Student verbalisiert hier mittels katadeiktischer Prozedur eine Vorausfokussierung, die aber ins Leere geht, denn im Textverlauf folgt zwar die Beschreibung einer Grafik; das Bezugsobjekt selbst ist aber vor der Beschreibung abgedruckt, wäre also anadeiktisch zu verorten. Hier wird somit im linearen Text- und Wissensraum räumlich in die falsche Richtung verwiesen.  Ankündigende, überleitende, abschließende Formulierungen Um die Textorganisation deutlich zu machen, versuchen sich Studierende eifrig in der Verwendung der zur Verfügung stehenden sprachlichen Mittel, wobei es auch hier große Unterschiede hinsichtlich sprachlicher Korrektheit und semantischer Genauigkeit gibt. Bsp. 6a Zuallerst möchte ich anhand der Grafiken einige Daten präsentieren. „Zuerst“ wird von Studierenden häufig temporaldeiktisch verwendet, allerdings schon hier unter Missachtung der Tatsache, dass für das Aufzählen einer Reihe von Aussagen „zunächst“ der passendere Ausdruck wäre. Gegen „zuerst“ als adverbiales Gliederungselement spricht die häufig darin mitschwingende Hierarchisierung, die den irrigen Eindruck hinterlässt, dass das „zuerst“ Genannte auch das Wichtigste sei. Die Wortschöpfung „zuallerst“ ist möglicherweise einer Verschränkung von „zuerst“ und „zuallererst“ geschuldet, wobei die alltagssprachlich-emotionale Überspitzung im wissenschaftlichen Kontext unangemessen ist (vgl. auch Kap. 4.1). Neben den üblichen textgliedernden Ausdrücken (hochfrequent sind z.B. „dann“ und „danach“) fällt im Korpus die Verwendung formelhafter textabschließender Kommentierungen auf. Bsp. 6b Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Ärzte ernst und wichtig uberlegen müssen, wer wirklich Medikamente braucht. Während anadeiktische Verweise wie in Bsp. 6b sprachlich weitgehend fehlerfrei gelingen, fallen in Bsp. 6c wieder Doppelungen auf. Bsp. 6c Im folgenden ist die Schlussfolgerung zu entnehmen, dass zwar die Menschen mehr Problemen haben, aber […] 106 Melanie Moll 44 (2015) • Heft 1 „Im folgenden“ wird mit „Schlussfolgerung“ und einem unpassenden Verb kombiniert („Schlussfolgerung entnehmen“ anstatt „Schlussfolgerung ziehen“), was vermuten lässt, dass hier zwei formelhafte textkommentierende Sprechhandlungen nur ungenau erinnert und aneinandergereiht werden. Die Beispiele 6d, 6e und 6f sind symptomatisch für die Unsicherheiten bei der Verwendung textgliedernder Ausdrücke. Bsp. 6d Am Ende ich will nur sagen, dass alle Leute über negative wirkung für doping wissen sollen. Bsp. 6e Schließlich glaube ich, dass jeder Patient, der Nervosität oder Lampenfieber hat, muss Medikamenten nehmen. Bsp. 6f Am schließlich möchte ich erklären, dass […] Wenn „am Ende“ und „schließlich“ kombiniert werden zur Fügung „am schließlich“, so liegt hier nicht nur eine fehlerhafte Kombinatorik vor. Es handelt sich auch um eine Verwendung von Gliederungselementen, die aus der Alltagssprache geläufig sind, in der Wissenschaftssprache aber nur selten eingesetzt werden. Abschließende sprachliche Handlungen werden in wissenschaftlichen Texten eher mit „zusammenfassend“, „zum Abschluss“ oder „abschließend“ eingeleitet (s. G RAEFEN / M OLL 2011). Sehr häufig verwenden Studierende aber als Textgliederungsmittel „zum Schluss“ oder „am Schluss“. In dieser Funktion lassen sich die Fügungen in wissenschaftlichen Texten nur selten finden; sie erinnern eher an die schulische Aufsatzgliederung („Einleitung - Hauptteil - Schluss“). Elemente der Wortfamilie „schließen“ / „Schluss“ kommen in wissenschaftlichen Texten dagegen bei der Verbalisierung von Beurteilungen und Bewertungen oder bei der Formulierung des Resultats mentaler Prozesse zum Einsatz (z.B. „zu einem Schluss / einer Schlussfolgerung kommen“, „aus einer Sache etwas schließen“).  Reihung von Versatzstücken Novizen des wissenschaftlichen Schreibens neigen teilweise zu einem phrasenhaften Stil, der daher rührt, dass sie sich wissenschaftssprachlich anmutender Mittel und Verfahren bedienen, diese aber nicht funktional einzusetzen vermögen. So das folgende Beispiel: Bsp. 7 Angesichts dieser Situation stellt sich die dringende Frage: Sollten Ärzten Medikamente verschreiben, die das psychische Wohlbefinden ihrer Patienten verbessern? Außerdem möchte ich betonen, dass es viele andere Möglichkeiten gibt, um Nervosität zu lösen. Betrachtet man die Argumente, muss man zum Schluss kommen, dass … Der Student hat offenbar ein Gerüst aus Versatzstücken memoriert, die aneinandergereiht und mit - scheinbar beliebigen - Inhalten gefüllt werden. Dieses leerformelhafte Verfahren ist in studentischen Textproduktionen häufig zu beobachten, denn es gibt offenbar Halt und Orientierung bei ersten wissenschaftlichen Schreibversuchen. Studierende setzten häufig auf Analogiebildungen und verwenden mehr oder weniger Studentische Textproduktion in der fremden Wissenschaftssprache Deutsch 107 44 (2015) • Heft 1 exakt erinnerte Bausteine. Möglicherweise rührt dieser phrasenhafte Stil aber auch daher, dass im Sprachunterricht gut gemeinte Redemittellisten zum Einsatz kommen, ohne dass dabei die Funktion solcher formelhaften Kombinationen im Kontext authentischer Texte und Diskurse diskutiert und ihre semantische Differenzierung thematisiert würde. 5. Ausblick Es konnte hier nur ein kleiner Ausschnitt aus dem breiten Spektrum der Normabweichungen und Aneignungsprobleme internationaler Studierender auf dem Weg zu einer souveränen Wissenschaftssprachkompetenz gezeigt werden. Neben den in Kap. 4 präsentierten Phänomenen sind sprachliche Mittel der Textgliederung und Textorganisation (Verknüpfungen und Verweise mittels deiktischer und operativer Prozeduren, logische Relationierungen und Sprecherdeixis), die Semantik wissenschaftstypischer Sprechhandlungsverben, größere sprachliche Handlungsformen wie z.B. das Argumentieren sowie Begriffserläuterung und Definition vermittlungsrelevant. Für eine Verbesserung der Unterrichtspraxis wäre es sicherlich lohnend, weitere empirische Analysen vorzunehmen: So wurde an einigen Stellen deutlich, dass in Textproduktionen von Studienanfängern häufig mit sprachlichen Handlungsformen und Strukturen operiert wird, wie sie in wissenschaftlichen Texten nur selten vorkommen. Der einschlägige DaF-Unterricht steht also vor der Aufgabe, Lerngegenstände, Aufgabenstellungen und sprachliche Strukturen noch stärker auf die tatsächliche wissenschaftssprachliche Praxis und ihre charakteristischen Ausdrucksmittel auszurichten. Literatur A POLINARSKI , Beate / P OSKOWSKY , Jonas (2014): Ausländische Studierende in Deutschland 2012. Ergebnisse der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. http: / / www.sozialerhebung.de/ download/ 20/ soz20_auslaenderbericht.pdf (letzter Zugriff 28.8.2014). D AAD (2008): Qualität durch Internationalisierung. Das Aktionsprogramm des DAAD 2008-2011. Bonn: DAAD. https: / / www.daad.de/ presse/ de/ aktionsprogramm_9_07_08.pdf (letzter Zugriff 24. 08.14). D AAD (2010): Memorandum zu Deutsch als Wissenschaftssprache. https: / / www.daad.de/ de/ download/ broschuere_netzwerk_deutsch/ Memorandum_veroeffentlicht.pdf (letzter Zugriff 24.8.2014). DAAD (2013): Internationalität an deutschen Hochschulen. 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