eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 44/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2015
441 Gnutzmann Küster Schramm

Roman BARTOSCH, Andreas ROHDE: Im Dialog der Disziplinen. Englischdidaktik – Förderpäda-gogik – Inklusion. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag 2014, 192 Seiten [24,50 Euro]

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2015
David Gerlach
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© 2015 Narr Francke Attempto Verlag 44 (2015) • Heft 1 B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Roman B ARTOSCH , Andreas R OHDE : Im Dialog der Disziplinen. Englischdidaktik - Förderpädagogik - Inklusion. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag 2014, 192 Seiten [24,50 Euro] Von manchen als Modewort (oder gar als Neuetikettierung von „Integration“) verschrien, politisch gewollt und gesamtgesellschaftlich gewiss sinnvoll, jedoch in seiner Umsetzung an vielen Stellen sicherlich mangelhaft (dessen Gründe dann wieder auf politischer Ebene zu suchen sind): Inklusion, die Umsetzung gesellschaftlicher Teilhabe behinderter Menschen, insbesondere auch die Ermöglichung von Bildungsgerechtigkeit für beeinträchtige Schülerinnen und Schüler, bewegt seit einigen Jahren sowohl die Pädagogik als auch die öffentliche Debatte. Während sich eine Vielzahl von Publikationen im allgemein-pädagogischen und -didaktischen Kontext sowohl theoretisch wie zunehmend auch praktisch mit der Umsetzung von Inklusion auseinandersetzen, mangelt es bislang insbesondere in den Fachdidaktiken an Konzepten und Modellen, an denen sich die Lehrer(innen)bildung außerhalb der Sonder- und Förderschulpädagogik orientieren könnte. Umso erfreulicher ist nun speziell für die Englischdidaktik der Sammelband von Roman B ARTOSCH und Andreas R OHDE , die zu einer interdisziplinären Vorlesungsreihe an der Uni Köln im Sommersemester 2013 geladen hatten, um - wie sie in ihrem Vorwort darstellen - eine Brücke zwischen förderpädagogischen Ansätzen und der Englischdidaktik zu schlagen. Andreas R OHDE umreißt im ersten Beitrag entsprechend die Rollen, die Hochschullehre, Spracherwerbsforschung und Didaktik einnehmen müssen, um auch Elemente der Förderpädagogik in die Fremdsprachenlehrerbildung zu integrieren. Er plädiert dabei dafür, dass auch im inklusiven Unterricht mit der Unterstützung von Sonderpädagoginnen/ -en derselbe Bildungsbegriff mit denselben angestrebten Kompetenzen gelten müsse wie im regulären Unterricht. Bettina A MRHEIN und Christiane M. B ONGARTZ führen diesen Gedanken weiter und sehen „Chancen für die Lehrer(innen)bildung“ insofern, als der inklusive Gedanke - wenn er denn früh genug im Studium angesprochen und gefördert wird - in Kombination mit dem Konzept der Mehrsprachigkeit zu einer kompetenteren Lehrerpersönlichkeit sowie einem hohen Maß an Lehrkompetenz führen kann, was wiederum positive Auswirkungen auf den Lerneffekt im inklusiven Fremdsprachenunterricht hätte. Die weiteren Beiträge beschäftigen sich konkreter mit methodischen Aspekten bzw. spezifischen Schwierigkeiten: Indem sie verschiedene Formate aufgabenbasierten Lernens vorstellt, zeigt Ulla S CHÄFER , wie Englischunterricht auch für lernschwache Schülerinnen und Schüler motivierend (weil: bedeutsam) werden kann und betont in dem Zusammenhang, dass gerade junge und lernschwache Schülerinnen und Schüler besonders sprachkompetenter Lehrkräfte bedürfen. Andreas M AYER , Claudia J AEHNER und Kim S CHICK stellen dar, exemplifiziert anhand einer eigenen Studie, welche Prinzipien auch auf Basis der einschlägigen Forschung bei der Wortschatzarbeit mit schwachen Lernenden gelten sollten. Dazu gehören „das Prinzip des hochfrequenten Inputs für einen bestimmten Zielwortschatz“ (S.74), das „Training des automatisierten Abrufs“ (ebd.) sowie die „[p]honologische Elaboration“ (S. 75), die eine differenzierte Speicherung eines Wortes mit seiner Laut- und Silbenstruktur zum Ziel hat. Drei Beiträge gehen speziell auf Schülerinnen und Schüler mit Hörschädigungen ein. Amelie H AUSEN betont die Wichtigkeit des Englischlernens auch für Hörgeschädigte, kritisiert aber den noch bestehenden Mangel an geeignetem und evaluiertem Unterrichtsmaterial. Insbesondere zur Förderung interkulturellen Lernens und um den Austausch Gehörloser mit Gehörlosen anderer Länder (mit anderen Gebärdensprachsystemen) zu fördern, fordert Anne S TOPPOK eine Anpas- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 44 (2015) • Heft 1 sung von Sprachenzertifikaten und des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens, um darauf basierend eine länderübergreifende Vergleichbarkeit von Anforderungen und Kompetenzen für Gebärdensprache zu schaffen. Jens H EßMANN stellt den Online-Sprachkurs „Sign2Go“ vor, mit dem britische Gebärdensprache gelernt werden kann. Interessanterweise kann dies als methodische Mischform eines Immersions- und eines bilingualen Ansatzes gewertet werden, bei der die britische Gebärdensprache immersiv anhand von Videosequenzen trainiert und über eine deutsche Gebärdensprache gemittelt wird. Im letzten Teil des Sammelbandes wird insbesondere die Literaturdidaktik als Chance gesehen, um Englisch als Fremdsprache inklusiv und motivierend zu fördern, wie Carsten A LBERS mit seinem „Weg zu einem erweiterten Literaturbegriff“ (S. 147) betont. Er stellt die Bedeutung des spielerischen Umgangs mit Sprache durch Reime, Lieder und Geschichten heraus, wünscht sich aber auch mehr Material für die Gestaltung inklusiven Englischunterrichts und regt eine Vernetzung der Englischförderpädagogen an, um dieses Material auszutauschen. Etwas gegen die mit der Literaturdidaktik eingeschlagene Richtung des Bandes - aber auch die Bedeutung der Sprache als solche (und Englisch als lingua franca) betonend - diskutiert Andreas K ÖPFER „Kernkategorien einer inklusiven Englischdidaktik“: Er sieht den Englischunterricht als solchen bereits mit seinen „Prinzipien ‚Differenzierung‘, ‚Kooperation‘ und ‚Gemeinsamer Gegenstand‘“ (S. 163) als geeignet an, um inklusives Denken bei den Lernenden wecken zu können. Dann wieder literaturdidaktisch geprägt argumentiert Göran N IERAGDEN , der lebensweltnahe, literarische Kurzformen mitsamt Lernzielen und möglichen methodischen Herangehensweisen aufzeigt. Den Abschluss des literaturdidaktischen Teils und des Bandes insgesamt bildet ein Interview aus der Vorlesungsreihe zwischen Sascha R UF und Roman B ARTOSCH , in dem die Storyline-Methode vorgestellt und hinsichtlich der Frage diskutiert wird, welche Rolle Literaturtheorie in der Hochschule spielt, wenn - insbesondere auch im Kontext von Lernschwierigkeiten - solche Methoden primär im Wesentlichen Textverstehen üben und evozieren sollen. Zusammenfassend stellt der Sammelband viele bedeutsame Aspekte und Kriterien dar, die eine inklusive Englischdidaktik erfüllen sollten. Insbesondere die eher allgemeinen Beiträge (R OHDE , A MRHEIN / B ONGARTZ , K ÖPFER ) bilden dabei eine gute (Diskussions-)Grundlage für die Umsetzung in der Fremdsprachenlehrer(innen)bildung aller Phasen und aller Schulformen. Jedoch müssen diese Konzepte auch an den Hochschulen, Studienseminaren und in den Schulen rezipiert, auf- und angenommen, mit Inhalten, Methodik und Praxis gefüllt und erprobt werden. Dass insbesondere die Literaturdidaktik sowie die Gehörlosenpädagogik ein besonderes Gewicht in diesem Werk erhalten, liegt am gewählten Schwerpunkt (Förderschwerpunkt Sprache und Lernen/ Hören und Kommunikation) und der Auswahl seiner Expertinnen und Experten, mindert dabei aber nicht die Qualität der einzelnen Beiträge oder des Sammelbandes insgesamt. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn auch andere Beeinträchtigungen z.B. auf sozialemotionaler oder geistiger Ebene und entsprechende Vorschläge oder Konzepte zum förderlichen Umgang mit ihnen stärkeren Eingang in den Band gefunden hätten, möglicherweise auch unter Berücksichtigung der nicht-beeinträchtigten Schülerinnen und Schüler im inklusiven Fremdsprachenunterricht. So bleiben einige Fragen - wie auch in anderen Publikationen zum Thema Inklusion - zur praktikablen Umsetzung offen, die noch diskutiert und weiter erforscht werden müssen. Überaus begrüßenswert ist dennoch, dass die Herausgeber und Autoren des Bandes es gewagt haben, ihre Disziplinen aus englisch-fachdidaktischer bzw. sonderpädagogischer Perspektive neu zu denken und zu erweitern. Marburg David G ERLACH