eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 44/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2015
441 Gnutzmann Küster Schramm

Uwe KOREIK, Aysel UZUNTAŞ, Sevinç HATIPOĞLU (Hrsg.): Fremd- und Fachsprachenunterricht. Studienvorbereitender und studienbegleitender Deutschunterricht für fremdsprachige Studien-gänge. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2014 (Perspektiven Deutsch als Fremdsprache, Bd. 28), 121 Seiten [13,00 €]

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2015
Andreas Hettiger
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144 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 44 (2015) • Heft 1 um Daten, die in authentischen Unterrichtskontexten erhoben werden und - aus der Außen- oder Innenperspektive - auf die Erfassung der interaktionalen Dimension des Fremdsprachenunterrichts abzielen. In Bezug auf die Datenanalyse differenziert die Autorin einmal in Anlehnung an die erziehungswissenschaftliche Videoanalyse vier Arten, und zwar die Segmentierungs-, Sequenz-, Konfigurations- und die Konstellationsanalyse (249), während aus linguistischer Perspektive entweder konversationsbzw. gesprächsanalytisch oder diskursbzw. funktional-pragmatisch orientierte Verfahren zur Anwendung kommen. Des Weiteren werden die niedrig und hoch inferenten Kodierungen erklärt, die sich einmal auf beobachtbare, zum anderen auf interpretativ gewonnene Phänomene beziehen. Kapitel 16 führt in die Aktionsforschung (255-267) ein. Nach einer Erläuterung der Grundlagen stellt F ELDMEIER den zyklischen Verlauf dieses Ansatzes dar (258) und beschreibt die einzelnen Schritte seiner Durchführung. Als wesentlich wird die Abgrenzung zum normalen Lehrerverhalten hervorgehoben (261). Damit einher geht die Frage, wie die Lehrenden mit dem notwendigen wissenschaftlichen Handwerkszeug ausgestattet werden können. Bei der Besprechung vermisst der Leser einen Überblick darüber, wie (und ob) sich Aktionsforschung in den vergangenen Jahren etabliert hat. Zum Abschluss blickt B ROWN auf seine Adventures in Language research: How I learned from my mistakes over 35 years (269-279) und stellt resümierend fest, was er aus seinen Fehlern gelernt hat. Seine Erkenntnisse führen ihn vom blinden Glauben an die Sicherheit statistischer Verfahren zur Hinwendung zu mehrmethodischen Zugängen mit der ihnen innewohnenden Unsicherheit. Der vorliegende Band empfiehlt sich sowohl als seminarbegleitendes Werk als auch zum Eigenstudium, denn er führt ansprechend und anschaulich in die forschungsrelevanten Themen ein und orientiert sich dabei an den Ansprüchen und Erfordernissen akademischer Lehre. Hierbei deckt er den Bedarf an theoretischem Wissen und leitet zum forschungsmethodischen Können an. Über die Bestandsaufnahme bestehender Methoden hinaus wäre es vielleicht auch noch anregend gewesen, an entsprechender Stelle auf multimodale Verfahren zu verweisen, die sich in den letzten Jahren ihren Weg in den Sozialwissenschaften gebahnt und langsam Eingang in Interaktionsstudien verschafft haben und sicher in der Zukunft für die Fremdsprachenforschung interessant werden könnten. Arcavacata di Rende S ABINE H OFFMANN Uwe K OREIK , Aysel U ZUNTAŞ , Sevinç H ATIPOĞLU (Hrsg.): Fremd- und Fachsprachenunterricht. Studienvorbereitender und studienbegleitender Deutschunterricht für fremdsprachige Studiengänge. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2014 (Perspektiven Deutsch als Fremdsprache, Bd. 28), 121 Seiten [13,00 €] „Sprache ist der Schlüssel zu Kommunikation, Verständnis und Diskurs und somit essenziell für ein erfolgreiches Studium, unabhängig vom Studienfach. Wo ein Studium in einer für die Studierenden fremden Sprache angeboten wird, muss sichergestellt werden, dass sie die Sprache gut genug beherrschen, um das Studium bewältigen zu können“. 1 Der von DAAD und HRK herausgegebene „Praxisleitfaden für deutsche Hochschulprojekte im Ausland“ umreißt mit diesen beiden Sätzen kurz und schlüssig, was über Erfolg und Misserfolg von Studiengängen entscheiden kann. Dies gilt insbesondere für deutsche Hochschulprojekte im Ausland, die früher vom DAAD als „Hochschulexportprojekte“ bezeichnet wurden und seit wenigen Jahren unter dem 1 Entwicklung von Sprachenkonzepten. Ein Praxisleitfaden für deutsche Hochschulprojekte im Ausland, hrsg. von DAAD und HRK, Bonn 2014, S. 53. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 145 44 (2015) • Heft 1 etwas weniger merkantilen und weniger unidirektionalen Label der „Transnationalen Bildungsprojekte“ firmieren. Immerhin 20000 ausländische Studierende nehmen zurzeit Studienangebote deutscher Hochschulen im Ausland wahr. 2 Neustes Projekt ist die Türkische-Deutsche Universität (TDU) in Istanbul, die im Wintersemester 2013/ 14 mit drei Bachelor- und zwei Master-Studiengängen in der Ingenieurwissenschaftlichen, der Rechtswissenschaftlichen und der Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaftlichen Fakultät ihren Betrieb aufgenommen hat. Die Abschlüsse sollen sowohl in der Türkei als auch in Deutschland anerkannt werden. Ein Konsortium aus 29 deutschen Hochschulen unter Führung der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und eine beim DAAD angesiedelte Geschäftsstelle koordinieren die deutschen Beiträge zum türkisch-deutschen Kooperationsprojekt, die vor allem im akademischen Bereich angesiedelt sind: Entsendung deutscher Dozenten, Aufbau des Sprachenzentrums, Austausch von Studierenden und Dozenten und Fortbildung türkischer Nachwuchswissenschaftler. 3 Von Anfang an hat dieses Gemeinschaftsprojekt der türkischen und der deutschen Regierung neben der wissenschaftlichen auch eine politische und eine wirtschaftliche Seite: die Intensivierung türkisch-deutscher Beziehungen und die Ausbildung junger Absolventen mit interkulturellen Schlüsselqualifikationen für den globalen Arbeitsmarkt. Sprache fungiert dabei als Querschnittsaufgabe. Während Englisch als Unterrichtssprache an internationalen Universitäten auch in nichtenglischsprachigen Ländern fast schon als Normalität zu bezeichnen ist, ist Deutsch als Unterrichtssprache in nichtdeutschsprachigen Ländern vergleichsweise eine Rarität. Umso wichtiger sind jene damit verbundenen Fragen, denen im Mai 2013 eine Tagung nachging, deren Beiträge nun in Buchform in der Reihe „Perspektiven Deutsch als Fremdsprache“ vorliegen. Dass Deutsch neben Türkisch und (in geringerem Maße) Englisch eine zentrale Unterrichtssprache an der TDU ist, erscheint durchaus bemerkenswert. Denn ohne ein lebendiges deutschsprachiges Umfeld außerhalb der Hochschule fehlen natürliche Sprechanlässe für die Studierenden. Daher ist ein Erfolg der neuen Institution keineswegs garantiert. Darüber sind sich die Herausgeberin Aysel U ZUNTAŞ , die das Sprachenzentrum der TDU leitet, und der Herausgeber Uwe K OREIK , der im deutschen Hochschulkonsortium für die Sprachausbildung an der TDU verantwortlich ist, in ihrem einleitenden Beitrag („Zum Modell der Sprachausbildung an der TDU - ein Konzept zur studienvorbereitenden und -begleitenden Fremd- und Fachsprachenvermittlung“) durchaus im Klaren. Die TDU erscheint in dieser Publikation mit ihrer Unterrichtssprache Deutsch als großes Abenteuer, dessen Ausgang offen ist: „Fremdsprachige Studiengänge - vor allem im Ausland - stellen für die Studierenden und die Lehrenden eine große Herausforderung dar. Nicht selten werden dabei die hochgesteckten Ziele nicht wirklich erreicht, weil eine zunächst nicht völlig ausreichende Sprachkompetenz das fachliche Leistungsvermögen behindert“ (25). Neben für jede Art von Fremd- und Fachsprachenunterricht relevanten Themen (Kooperationen zwischen Sprachausbildung und Fakultäten, studienbegleitender Fremdsprachenunterricht, Förderung der Mehrsprachigkeit, sorgfältig ausgewählte Lehrkräfte, Einsatz von Blended Learning-Elementen, Lehrmaterial mit steiler Progression und anderes mehr) stechen in dieser Publikation Fragestellungen hervor, die spezifisch für eine türkisch-deutsche Kooperation sind. Türkische Lerntraditionen etwa sind offensichtlich so verschieden von deutschen, dass das Thema „Lernerautonomie“ behutsam eingeführt werden muss. Gesellschaftliche, kulturelle und rechtliche Unterschiede beider Länder spielen tendenziell in alle Disziplinen hinein, aber kaum in eine so stark und evident wie in die Rechtswissenschaften. Diesen interkulturellen Aspekten 2 Vgl. www.daad.de/ medien/ hochschulen/ projekte/ studienangebote/ duz-spec_daad_monitordatei.pdf (30. 12.2014). 3 Vgl. http: / / www.bmbf.de/ press/ 3499.php (30.12.2014). 146 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 44 (2015) • Heft 1 von Sprache und Recht gehen Anne G LADITZ und Philip K UNIG in ihrem Beitrag „Sprache und Recht als kulturelle Mittel der Verständigung“ nach - ein Beitrag, der mit gelehrsamem Understatement und doch recht oberflächlichen Bezugnahmen als Vortrag wahrscheinlich besser funktioniert hat als der Artikel. Die beiden stellen die grundsätzliche kritische Frage nach der „Berechtigung der deutschen Sprache in der Juristenausbildung an einer deutsch-türkischen Hochschule“ (63) und sensibilisieren dafür, dass ein Studium von Rechtsordnungen und juristischer Terminologie ohne ein spezifisches kulturelles Hintergrundwissen nicht denkbar sei. Izzet F URGAÇ und Natalya Z ALIPYATSKIKH gehen ihr Thema „Zur Vermittlung der Fachsprache ‚Technisches Deutsch‘“ aus der doppelten Perspektive der Ingenieurwissenschaften und der DaF- Didaktik an. Während die Zeichnung in den technischen Disziplinen als die eigentliche „Sprache des Ingenieurs“ auf Eindeutigkeit ziele (72), sei dieses Ideal in den Wissenschaftssprachen nicht gleichermaßen zu erreichen. Umso wichtiger, so die Autoren, sei eine frühe Integration der Fachsprache in die Sprachausbildung, und zwar schon in den studienvorbereitenden Sprachunterricht ab den Niveaustufen A1/ A2. Da von Lehrkräften des Fachsprachenunterrichts keine vertiefte Fachkenntnis erwartet werden könne, bedürfe es einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Sprachlehrkräften und Fachdozenten, von der letztlich alle profitierten: „Der Fachmann [wird] sprachlich sensibilisiert, der Nichtfachmann bzw. Fachsprachenlehrer begreift den fachlichen Denkstil und der Student bekommt seine gewünschte fachliche, sprachliche und zugleich fachsprachliche Ausbildung“ (80). Auf der Suche nach best practices richtet sich der Blick nicht zufällig nach Hannover. An der dortigen Leibniz Universität existiert ein Fachsprachenzentrum, das über langjährige Erfahrungen mit der Verzahnung von Fachstudium und Fachsprachenunterricht verfügt. Diese werden von Dagmar S CHIMMEL in ihrem Beitrag „Ein allgemein- und fachsprachliches Verzahnungsmodell - Zur Optimierung des Spracherwerbs“ exemplarisch am dortigen Ergänzungs- und Masterstudiengang „Geotechnik“ präsentiert und diskutiert. Ein bereits in der Grundstufe einsetzender fachsprachlicher DaF-Unterricht steigere demnach die Motivation der Lerner und führe letztlich zu besseren Lernergebnissen, was mit den Bestehensquoten der Hannoveraner Fachsprachen-DSH und mit besseren Erfolgen in den Studienfachprüfungen zu belegen sei. Auch hier wird der Zusammenarbeit zwischen Fachwissenschaftlern und Sprachlehrkräften die zentrale Rolle zugewiesen. Sie sei „vermutlich der Schlüssel für eine erfolgreiche fachsprachliche Ausbildung im studienvorbereitenden, sicherlich aber auch im studienbegleitenden Sprachunterricht“ (42). Abgerundet wird der Sammelband mit Untersuchungen von Angeboten und Modellen an türkischen Hochschulen, an denen Deutsch unterrichtet wird (in Vorbereitung für ein Germanistikstudium bzw. zur Deutschlehrerausbildung). Außerdem werden Einzelaspekte der Lernerautonomie und kooperativer Lernformen beim Fremdsprachenlernen an ausgewählten türkischen Hochschulen beleuchtet. Selten sind die naturgemäß heterogenen Beiträge eines Tagungsbands von so hoher Qualität, dass sie das Potential haben, in die kanonische Literatur einer Fachdisziplin einzugehen - da macht auch das vorliegende Büchlein keine Ausnahme. Darum geht es aber auch nicht. Die Qualität der vorliegenden Beiträge liegt eher in der Aufnahme des Augenblicks: Viele Beiträge atmen den Pioniergeist eines neuen Projektes und einer damit verbunden Aufbruchsstimmung. Man darf den Herausgebern zustimmen, dass schon das Zustandekommen dieser Publikation als „Beweis erfolgreicher türkisch-deutscher Kooperation“ zu werten sei (5). Für Außenstehende ist die Publikation eine interessante Bestandsaufnahme am Start eines Projektes, das zu verfolgen sich auch für deutsche Hochschulen lohnt. Die beschriebenen Themen und Probleme sind ja auch hierzulande nicht fremd. Spiegelbildliche Prozesse erleben deutsche Hochschulen, wenn die Lehrsprache ganzer Studiengänge auf Englisch umgestellt wird und Studierende und Lehrende dabei mit großen sprachlichen Herausforderungen konfrontiert werden. Auch die angekündigte Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 147 44 (2015) • Heft 1 Entwicklung von fachsprachlichem DaF-Material in den Fächern Jura, Mechatronik und BWL darf auf ein die TDU überschreitendes Interesse rechnen. Insbesondere der Versuch, Deutsch als Wissenschaftssprache neben der Lingua Franca Englisch nicht nur zu bewahren, sondern aktiv weiterzuentwickeln, verdient uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Die TDU setzt ein Zeichen türkisch-deutscher Verbundenheit in Zeiten, in denen das Nebeneinander von Kulturen und Religionen häufig aus der Konfliktperspektive erlebt und medial wahrgenommen wird. Das ist gut so. In der Praxis wird diese Zusammenarbeit, die immer auch die speziellen Landesgegebenheiten berücksichtigen muss, alle Akteure vor große Herausforderungen stellen. Diese werden sie durch professionelle Strukturen und den geduldigen und tatkräftigen guten Willen zur Kooperation bewältigen müssen. Dafür können die Leserinnen und Leser dieser Publikation und ihren Autorinnen und Autoren nur alles Gute und viel Glück wünschen. Die dynamischen Prozesse an der TDU sind es wert, auch nach der Lektüre weiterhin mit Spannung und Wohlwollen verfolgt zu werden. Braunschweig A NDREAS H ETTIGER