Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2015
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Gnutzmann Küster SchrammSprache(n) im Fachunterricht – die österreichische Perspektive
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Elisabeth Langer
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44 (2015) • Heft 2 © 2015 Narr Francke Attempto Verlag E LISABETH L ANGER * Sprache(n) im Fachunterricht - die österreichische Perspektive Abstract. This paper gives an assessment of the role of language and literacy in content based subjects in Austrian schools. While the significance of integrating content and language in education has been widely acknowledged, both on the administrative level and in pre-serviceand in-service-teacher training, the implementation of language awareness in content based subjects and classes in schools is currently, at best, rudimental. The different approaches to complex topics on the one hand and their linguistic representation on the other, in language versus content subjects, are discussed; strategies to combine the didactics of both areas are proposed. The importance of bilingual instruction via Content and Language Integrated Learning (CLIL) as a means to bridge the gap between language and content instruction is emphasized and the special linguistic features of factual texts are outlined in order to show that appropriate training for all teachers is necessary. 1. Einleitung Das Lernen und Lehren an Schule und Hochschule erfolgt überwiegend durch das Medium der Sprache und die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten werden, zumindest soweit deklaratives Wissen betroffen ist, weitgehend mit sprachlichen Mitteln im Gedächtnis gespeichert. Der Zusammenhang zwischen Gehirn, Geist und Sprache ist aktuell ein wichtiger Forschungsgegenstand der Neuropsychologie. Dabei wurden in jüngster Vergangenheit einige Thesen, die das Sprachenlernen betrafen, widerlegt. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem von Interesse, dass im Gegensatz zu früheren Theorien gezeigt werden konnte, dass Sprachenlernen und Sprachhandeln als solches im Gehirn nicht streng lokalisiert sind, sondern viele Regionen involvieren und diese miteinander vernetzen (B ÖCKMANN 2008 und dort zitierte Literatur). Darüber hinaus deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass kompetente Mehrsprachige mentale Vorteile haben, die darauf zurückgeführt werden, dass bewusstes „Code Switching“ zwischen den Sprachen Konzentration erfordert und diese somit auch trainiert (B IALYSTOCK 2001). Daraus lässt sich ableiten, dass sprachliches und fachliches Lernen aus neurowissenschaftlicher Sicht in enger Verflechtung erfolgen, und dass eine * Korrespondenzadresse: Mag. Dr. Elisabeth L ANGER , Universität Wien, Fakultät für Chemie, Steingasse 5/ 10, 1030 W IEN . E-Mail: elisabeth.l.langer@univie.ac.at Arbeitsbereiche: Chemiedidaktik, DaZ im Fachunterricht, Wissenschaftliches Schreiben. 74 Elisabeth Langer 44 (2015) • Heft 2 Berücksichtigung des sprachlichen Repertoires der Schüler/ -innen bei der Erarbeitung fachinhaltsbezogener Konzepte das Lernen unterstützen kann. Der vorliegende Beitrag möchte einerseits skizzieren, in welcher Weise die zentrale Rolle der Sprache(n) für den Erwerb fachlicher Kompetenz in Sachfächern prinzipiell berücksichtigt und genutzt werden sollte und wie die erforderliche Sprach- und Textkompetenz im Unterricht aufgebaut werden kann. Dies soll mithilfe der einschlägigen Literatur aufgezeigt und anhand typischer Unterrichtssituationen und Aufgabenstellungen illustriert werden. Andererseits soll umrissen werden, welche positiven Ansätze es (in Österreich) bereits gibt, Sprachaufmerksamkeit und Mehrsprachigkeit in den Unterricht nicht-sprachlicher Fächer zu integrieren. Solche Initiativen sind auf der Ebene der Lehrer/ -innenaus- und -fortbildung an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen durchaus vorhanden, das Angebot ist jedoch nicht flächendeckend und nicht verbindlich. Einzelne Konzepte, die teilweise ergänzend Literatur und Materialien auf Webplattformen anbieten, sollen beispielgebend vorgestellt werden. Neben Fortbildungsveranstaltungen gibt es für praktizierende Lehrkräfte die Möglichkeit, im Rahmen von Aktionsforschungsprojekten die Unterstützung von Expert(inn)en in Anspruch zu nehmen, um die eigene Professionalität hinsichtlich eines sprachaufmerksamen Fachunterrichts zu steigern. 1 Schließlich bleibt noch zu fragen, in welcher Weise Mehrsprachigkeit im Unterricht nicht-sprachlicher Fächer berücksichtigt werden könnte bzw. sollte und welcher Umgang mit Mehrsprachigkeit im Sachfachunterricht (SFU) an Österreichs Schulen gepflegt wird. 2. Sprachliches und fachliches Lernen in der Schule - Problemaufriss Der (Fremd-)Sprachenunterricht ist nicht Gegenstand dieser Arbeit, aber seine Umsetzung im österreichischen Schulwesen wird überblicksartig skizziert, um einen Vergleich mit dem SFU zu ermöglichen und Ansätze einer Kooperation zwischen diesen unterschiedlichen Fachgruppen darstellen zu können. In der schulischen Praxis kommt dem Sprachunterricht - nicht nur in Österreich - eine besondere Bedeutung zu: Sowohl über die gesamte Sekundarstufe summiert als auch auf jeder beliebigen Schulstufe ist die Menge jener Unterrichtsstunden, in denen die Landessprache oder eine Fremdsprache gelehrt wird, normalerweise größer als die Anzahl der Stunden jeder anderen Fachgruppe. 2 Auch werden an allen Schultypen ein- oder mehrstündige schriftliche Prüfungsarbeiten („Schularbeiten“) zur Leistungsbeur- 1 Eine organisatorische Maßnahme, die einen Rahmen bietet, um einen sprachaufmerksamen Fachunterricht an einzelnen Standorten und/ oder in einzelnen Regionen zu implementieren, liefert eine Qualitätssicherungs- und Schulentwicklungsinitiative des österreichischen Bildungsministeriums: SQA - Schulqualität Allgemeinbildung; http: / / www.sqa.at/ (28/ 02/ 2015). 2 Die vom Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) im Verordnungsweg veröffentlichten Lehrpläne enthalten Stundentafeln, die Mindeststundenzahlen festlegen: https: / / www.bmbf.gv.at/ schulen/ unterricht/ lp/ lp_abs.html (28/ 02/ 2015). Sprache(n) im Fachunterricht - die österreichische Perspektive 75 44 (2015) • Heft 2 teilung herangezogen, was als weiteres Indiz für den hohen Stellenwert der Sprachfächer gesehen werden kann. Diese Rolle des Sprachunterrichts ist wohl auf die Bedeutung der Sprache für menschliche Kommunikation auf allen Ebenen zurückzuführen, könnte aber auch damit begründet werden, dass Lernen und Lehren allgemein überwiegend durch das Medium der Sprache erfolgt, und dass Information aus allen Fachbereichen über sprachliche Medien gespeichert wird und von dort abgerufen werden kann. Dabei ist festzuhalten, dass kognitiver Anspruch und Komplexität der verwendeten Sprache mit dem inhaltlichen Niveau des vermittelten Fachwissens steigen, sodass ein Zuwachs an Sprachkompetenz zusammen mit fachinhaltsbezogener Kompetenz vermittelt werden muss - eine Aufgabe, die vor allem der Sachfachunterricht selbst zu leisten hat (vgl. L EISEN 2004). Hier soll nicht einer Reduktion von Unterrichtszeit im einen Bereich zugunsten des anderen das Wort geredet werden, wohl aber möchte ich aufzeigen, wo und wie Sprachunterricht und SFU besser kooperieren könnten und sollten bzw. wie ein Paradigmenwechsel in Richtung einer Berücksichtigung der in den Klassen vorhandenen Sprachenvielfalt in beiden Fachbereichen zu mehr Chancengleichheit und einer verbesserten Nutzung des Bildungspotenzials der mehrsprachigen Jugendlichen in deutschsprachigen Ländern führen könnte. Welche Parallelen und/ oder Gegensätze tun sich bei einem Vergleich der Unterrichtspraxis im Sprachbzw. Sachfachunterricht auf? Es ist bereits betont worden, dass Fachinhalte über das Medium der „Bildungssprache“ (G OGOLIN / L ANGE 2011) gelehrt und daher auch gelernt werden müssen. Auf der anderen Seite werden Sprache(n) über teilweise deutlich fachbezogene Themen bzw. Inhalte vermittelt. Aufgabenorientierung (Task-based language learning, TBLL) und der Ansatz Focus on Form (FoF) (N UNAN 2004; S HEEN 2002) sind Beispiele didaktischer Konzepte, die darauf abzielen, den Lernenden (meta)sprachliche Mittel im Wege ausgewählter Themen und Kommunikationssituationen an die Hand zu geben. Die Absicht, auf diese Weise authentisches Sprachhandeln zu initiieren und durch die Bereitstellung und den Gebrauch der sprachlichen Werkzeuge die dafür nötigen Kompetenzen aufzubauen, kann freilich nur gelingen, wenn es sich bei den Aufgabenstellungen nicht um mit attraktiven Titeln versehene Sprachübungen handelt. Die ausführliche Analyse dessen, was im Sinne des TBLL unter „Aufgaben“ zu verstehen sei, ist nicht Gegenstand dieses Artikels. Es bleibt jedoch anzumerken, dass im Wesentlichen (schriftliches oder mündliches) Sprachhandeln in wechselnden Kommunikationskontexten erprobt und erlernt werden soll und dass die fachliche Verankerung und Tiefe von Themen und Texten nicht im Vordergrund stehen kann. Eine nur oberflächliche Auseinandersetzung mit oft sehr komplexen Themen (z.B. Globalisierung, Klimawandel, Gentechnologie …) kann jedoch aus fachlicher Perspektive das Entstehen von ‚Scheinbildung‘ und falschen Vorstellungen fördern. Darüber hinaus muss die Frage gestellt werden, inwieweit dieser handlungsorientierte Ansatz tatsächlich Eingang in die Schulpraxis gefunden hat. Eine breit angelegte empirische Studie dazu liegt nicht vor, doch deuten Diplomarbeiten an Instituten für Fremdsprachendidaktik an österreichischen Universitäten darauf hin, dass im Fremdsprachenunterricht eine hohe Bereitschaft der Lehrpersonen besteht, 76 Elisabeth Langer 44 (2015) • Heft 2 diese zeitgemäßen Unterrichtsformen auch umzusetzen (vgl. z.B. F RIEDL 2012; N IE - DERMAYR 2014), was zweifellos auch durch die Implementierung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER 2001), die Bildungsstandards E8 (ÖSZ 2009) und die neuen österreichischen Reifeprüfungsvorschriften (BMBF 2015) motiviert ist. Auf der anderen Seite stellt die sprachliche Komplexität von Sach- und Fachtexten im SFU vielfach eine Schwierigkeit beim Erwerb von Fachkompetenz durch die Schüler/ -innen dar. Dies gilt insbesondere für Zweitsprachenlernende. Ein hinreichendes Bewusstsein für die Rolle der Sprache im Fachunterricht fehlt den Sachfachlehrkräften jedoch noch weitgehend (S CHMÖLZER -E IBINGER et al. in Vorbereitung). 3 Dem Sprachunterricht mangelt es somit häufig an einer vertieften Auseinandersetzung mit den fachlichen Aspekten der behandelten Themen, während im SFU fachbezogene Sprachkompetenz zwar (zumindest in der Sekundarstufe II) eingefordert, jedoch kaum im Unterricht gefördert wird. Eine engere Kooperation von Fach- und Sprachunterricht birgt demnach die Chance, beiden Problemen adäquat zu begegnen. Fächerübergreifender Unterricht scheitert jedoch leider häufig an den Gegebenheiten des Schulalltags (z.B. rigide Stundenpläne), und Teamteaching wird nur sehr eingeschränkt finanziert. Hier könnte schon eine verbesserte Kommunikation der Lehrkräfte hilfreich sein, indem von Sachfachlehrkräften ausgewählte Texte auch im Sprachunterricht bearbeitet würden. Vor allem aber könnte und sollte Schulentwicklung in diesem Punkt ansetzen, um die strenge Trennung der Fächer dort aufzulösen, wo dies auf Seiten der Schüler/ -innen einem Kompetenzerwerb in fachlicher und sprachlicher Hinsicht im Wege steht. Sowohl im Sprachunterricht als auch im SFU ist eine Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit, die im Alltag der Schüler/ -innen gelebte Praxis ist, eher die Ausnahme denn die Regel. Es liegt in der Natur der Sache, dass Ansätze dazu freilich sehr viel eher im Sprachunterricht zu verzeichnen sind. Vor allem wird im additiven Förderunterricht „Deutsch als Zweitsprache“ auf die unterschiedlichen Herkunftssprachen Bezug genommen. 4 Im SFU muss eine Umsetzung der weiter unten dargestellten Möglichkeiten, die sprachliche Vielfalt in den Klassen für das fachliche Lernen zu nutzen, erst erfolgen. 3. Sprache im SFU Im Folgenden wird nun auf Unterrichtskonzepte eingegangen, die sprachliches und fachliches Lernen verbinden, und im Anschluss deren praktische Umsetzung an österreichischen Schulen diskutiert. 3 Auf sprachaufmerksamen Sachfachunterricht wird weiter unten eingegangen (vgl. Abschnitt 3.2). 4 Eine umfangreiche Sammlung von Methoden, Materialien und Medien dafür bietet das Bildungsministerium: http: / / www.schule-mehrsprachig.at/ (28/ 02/ 2015). Auf dieser Website wurden auch seit 2006/ 07 Schulprojekte zum Thema „Interkulturalität und Mehrsprachigkeit“ dokumentiert. Im Laufe von acht Schuljahren wurden aus ganz Österreich und von allen Schultypen - jedoch überwiegend von der Grundschule - 577 Projekte registriert, wobei Mehrsprachigkeit als solche nur ein Thema unter mehreren darstellt. Sprache(n) im Fachunterricht - die österreichische Perspektive 77 44 (2015) • Heft 2 3.1 Bilingualer SFU Content and Language Integrated Learning (CLIL) ist ein nicht nur in Österreich und im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitetes und beliebtes Konzept, das sich überwiegend auf die Fremdsprache Englisch bezieht und vor allem in Biologie, Geografie und Geschichte zum Einsatz kommt (vgl. D OFF 2010). Die Frage, inwieweit ein solcher Unterricht sprachliche bzw. fachliche Kompetenzentwicklung fördert, gilt in Hinsicht auf die Sprache als wissenschaftlich bejaht, wird hingegen in Bezug auf das fachliche Lernen kontrovers diskutiert (vgl. z.B. V OLLMER 2008). Neuere Arbeiten (B ONNET 2007; H AAGEN -S CHÜTZENHÖFER et al. 2011; L ANGER / N EUMANN 2012; R IT - TERSBACHER 2009) belegen freilich, dass CLIL auch in Fächern wie Physik und Chemie so eingesetzt werden kann, dass sowohl ein sprachlicher als auch ein fachbezogener Kompetenzzuwachs erfolgt. Im Rahmen der Schulpraxis wird am bilingualen Unterricht jedoch von beiden Seiten Kritik geübt 5 : Während Sachfachlehrkräfte häufig meinen, bilingualer Unterricht gehe auf Kosten der Fachinhalte, befürchten Sprachlehrer/ -innen, nicht hinreichend sprachkompetente Unterrichtende in den Sachfächern könnten ein Einüben insbesondere von Transferfehlern verursachen. Gegen CLIL in multilingualen Klassen wird der Einwand vorgebracht, dass Zweitsprachenlernende teilweise schon durch die Unterrichtssprache überfordert seien, man möge ihnen also nicht SFU in einer Fremdsprache zumuten. 6 L ANGER / N EUMANN (ebd.: 94) argumentieren dagegen, dass gerade Lerner/ -innen mit einer anderen Herkunftssprache von CLIL profitieren können: „Second language learners (SLLs) are especially disadvantaged in science lessons since their proficiency in the schools’ first language is often limited to BICS 7 . This drawback ceases to exist if a language that is foreign to all students is the medium of instruction. Moreover, SLLs are used to switching languages easily helping them to cope with the bilingual approach.“ Vor allem betonen L ANGER / N EUMANN (ebd.: 93f.), dass der Einsatz einer Fremdsprache im SFU bei Unterrichtenden und Unterrichteten das Bewusstsein dafür schafft, dass der sprachlichen Formulierung der Fachkonzepte Beachtung geschenkt werden müsse. CLIL bildet somit eine Brücke zu Sprachaufmerksamkeit im SFU unabhängig von der Sprache, in der der Unterricht erfolgt. Darüber hinaus wird an dieser Stelle (ebd.: 95) darauf hingewiesen, dass der CLIL-Unterricht durch Einbeziehung der verschiedenen in der Klasse vertretenen Erstsprachen bereichert werden kann. Unter- 5 Aussagen über Einschätzungen der österreichischen Lehrkräfte wie diese gründen hauptsächlich auf persönlichen Erfahrungen als Lehrerin bzw. Schulleiterin und meinen Einsatz in zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen an Pädagogischen Hochschulen in mehreren Bundesländern. Diese Einschätzungen sind also nicht durch Befragungen statistisch belegt, werden aber hier im Zusammenhang mit Untersuchungsergebnissen wiedergegeben, weil sie die Situation im schulischen Alltag illustrieren und zum Verständnis der Untersuchungen beitragen. 6 Dieser Vorbehalt wurde sowohl im Rahmen meiner Unterrichtspraxis als auch während von mir gestalteter Fortbildungen wiederholt geäußert. 7 BICS steht für Basic Interpersonal Communication Skills - im Gegensatz zu CALP (Cognitive Academic Language Proficiency) (C UMMINS 1979). Die für die vorliegende Arbeit nicht relevanten Literaturangaben im direkten Zitat sind weggelassen. 78 Elisabeth Langer 44 (2015) • Heft 2 richtskonzepte und -materialien für den bilingualen Naturwissenschaftsunterricht finden sich auf der Website einer Comenius-Schulpartnerschaft 8 , auf die die Arbeit von L ANGER / N EUMANN verweist. Bilinguale Programme im SFU werden an zahlreichen Schulen Österreichs angeboten. Bilingual unterrichtende Schulen in Wien werden vom Stadtschulrat unterstützt. 9 3.2 Sprachaufmerksamer SFU Die Begriffe „Sprachsensibilität“, „Sprachbewusstsein“ und „Sprachaufmerksamkeit“ werden mehr oder weniger synonym eingesetzt. In dieser Arbeit wird im Einklang mit S CHMÖLZER -E IBINGER et al. (2013) der Terminus „Sprachaufmerksamkeit“ verwendet. „Jeder Unterricht ist Sprachunterricht! “ ist eine mittlerweile vielzitierte Binsenweisheit, und doch ist die Erkenntnis dieses Umstands im österreichischen Schulwesen noch recht jung. Für Schüler/ -innen mit von der Unterrichtssprache verschiedenen Herkunftssprachen und/ oder Schüler/ -innen aus bildungsfernen Bevölkerungsschichten bildet das im schulischen Fachunterricht der Sekundarstufe zum Tragen kommende bildungssprachliche Register (vgl. G OGOLIN / L ANGE 2011) eine Hürde, die oftmals ein Verfehlen des Schulerfolgs nach sich zieht. Wie kann diesem Problem begegnet werden, und was wird tatsächlich getan, um fachbezogene Sprachkompetenz im SFU aufzubauen? Um sich mit dieser Frage auseinandersetzen zu können, müssen die sprachlichen Anforderungen des SFU näher beleuchtet werden. Dazu sei zunächst ein kurzer Textausschnitt aus einem Schulbuch für den Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde/ Politische Bildung“ für die 8. Schulstufe herangezogen: Im November 1918 ging der Erste Weltkrieg zu Ende. Am 3. November 1918 unterzeichnete Österreich-Ungarn den Waffenstillstandsvertrag mit den Siegermächten, am 11. November 1918 folgte das Deutsche Reich. Im Jänner 1919 begannen in mehreren Vororten von Paris die Friedensverhandlungen (= Pariser Vororteverträge), an denen nur die Siegermächte teilnahmen: Die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien führten die Verhandlungen an. Die Siegermächte beschlossen die Friedensbedingungen ohne Beisein der Verliererstaaten (= die Mittelmächte: Bulgarien, das Osmanische Reich, das Deutsche Reich, Österreich, Ungarn). Diese waren von den Verhandlungen ausgeschlossen und durften zu den Friedensbedingungen nur schriftlich Stellung nehmen. Sie mussten - laut Friedensverträgen - die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg übernehmen und für Kriegsschäden aufkommen (= Reparationszahlungen). H OFER , Jutta / P AIREDER , Bettina (2012): Netzwerk Geschichte @politik 4, Linz: Veritas, S. 6. Dieser Text wirkt auf den ersten Blick einfach, und tatsächlich werden einige übliche Kennzeichen von Sachtexten, wie z.B. lange und komplexe Sätze, unpersönliche For- 8 http: / / sciencemaths-clil.eu/ (28/ 02/ 2015) 9 http: / / www.stadtschulrat.at/ bilingualitaet/ catid18/ (28/ 02/ 2015) Sprache(n) im Fachunterricht - die österreichische Perspektive 79 44 (2015) • Heft 2 mulierungen oder Nominalphrasen, weitgehend vermieden. Nicht vermieden werden Fachbegriffe und - teils auch mehrgliedrige - Komposita (Waffenstillstandsvertrag). Vor allem aber ist diese kurze Passage auf der Textebene herausfordernd, einerseits durch die Herstellung von Kohärenz („unterzeichnete Österreich-Ungarn …, … folgte das Deutsche Reich.“), in erster Linie aber durch eine inhaltliche Verdichtung, die sich unter anderem in den Klammerausdrücken manifestiert. Diese verlangen ein vertieftes Textverständnis und die Fähigkeit zur Textinterpretation (Verhandlungen >> Verträge; für Kriegsschäden aufkommen >> Reparationszahlungen). Das gewählte Beispiel soll nicht nur einige Kennzeichen von im SFU üblichen Sachtexten aufzeigen, sondern auch deutlich machen, dass eine Beurteilung der Angemessenheit eines Textes einer genauen Analyse bedarf, die von den Fachlehrkräften häufig nicht geleistet werden kann. Viele Sachfachlehrer/ -innen pflegen in der eigenen Sprachverwendung ein hohes Niveau, die metasprachlichen Fähigkeiten zur Weitergabe fachbezogener Sprachkompetenz fehlen ihnen aber, sodass Schüler/ -innen - besonders solche mit anderen Erstsprachen - teilweise sprachlich überfordert sind. Dies sei an einem Unterrichtstranskript 10 illustriert: 1. L: Wie die Auftrennung funktioniert; 2. Wissen wir, 3. Dann gelangt die mobile Phase; 4. Mit den einzelnen Komponenten in den Detektor; 5. U: nd Detektoren gibt es auf verschiedene Art. (-) 6. Aber; (-) 7. Die Detektion beruht darauf; 8. Dass sich die Eigenschaft der mobilen Phase in irgendeiner Weise ändert. 9. Meistens ist es entweder die Leitfähigkeit; 10. Die elektrische Leitfähigkeit 11. Oder die Wärmeleitfähigkeit; 12. Oder auch die Dichte. 13. Da: s wird gemessen 14. Und diese Änderung wird aufgezeichnet 15. Und macht sich dann als Peak bemerkbar. Chemie, 11. Schulstufe, Schultyp: Realgymnasium; L: Lehrkraft Andere Lehrpersonen setzen bewusst eine einfache Sprache ein, um eine solche Überforderung zu vermeiden, lassen dabei aber unbeachtet, dass Fachkompetenz fachbezogene Sprachkompetenz einschließt. Auch hierzu ein Beispiel aus dem Chemie-Unterricht: 10 Die Unterrichtstranskripte stammen von Unterrichtsvideos, die im Rahmen des vom Bildungsministerium finanzierten Forschungsprojekts „Didaktisches Coaching für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen“ (2010-2012) aufgenommen wurden (S CHMÖLZER -E IBINGER et. al. 2013). Die Transkription erfolgte nach dem Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem GAT 2 (S ELTING et al. 2009). Der Projektbericht ist als Download verfügbar: https: / / www.bmbf.gv.at/ schulen/ unterricht/ ba/ dic_bericht_lang_24484.pdf? 4dz gm2 (28/ 02/ 2015). 80 Elisabeth Langer 44 (2015) • Heft 2 1. L: Nur (.) der Kompressor funktioniert so: (.) 2. dass er die Luft rAUSzieht (3 sec) 3. so 4. dass ist eine Waa: ge (.) 5. die ziemlich genau (-) 6. ah: 7. Sw: [Frau Professor] 8. L: isT Ja: 9. Und (.) des is so wie eine moderne Küchenwaage 10. I kann was drauflegen 11. so wie´n ä Kuli jetzt vom (.) Sergio 12. und wenn ich da wieder drauf drücke 13. dann (.) sagt er wieder Null an gä: 14. Sm: [null: ] 15. L: ok 16. jetzt zeigt er wieder Null an 17. zeigt sie wieder Null an Chemie, 9. Schulstufe, Schultyp: Handelsakademie; L: Lehrkraft; Sm: Schüler; Sw: Schülerin Tatsächlich sollten die Lehrkräfte eine „konzeptionell schriftliche Sprachverwendung“ (K OCH / O ESTERREICHER 1994) auf angemessenem Niveau pflegen und die Schüler/ -innen durch die Wahl der Unterrichtsmethoden zu fachbezogener Textkompetenz hinführen, weil die rezeptive und produktive Arbeit mit und an Sachtexten im SFU von zentraler Bedeutung ist. Aus dem didaktischen Fokus auf Kompetenzorientierung auch bei den Aufgabenstellungen der neuen österreichischen Reifeprüfung ergibt sich ein deutlich gestiegener Anspruch an die Textkompetenz der Schüler/ -innen. Textkompetenz wird als Fähigkeit verstanden, „Texte selbständig zu lesen, das Gelesene mit den eigenen Kenntnissen in Beziehung zu setzen und die dabei gewonnenen Informationen und Erkenntnisse für das weitere Denken, Sprechen und Handeln zu nutzen. Textkompetenz schließt die Fähigkeit ein, Texte für andere herzustellen und damit Gedanken, Wertungen und Absichten verständlich und adäquat mitzuteilen“ (P ORTMANN -T SELIKAS 2002: 14; vgl. auch S CHMÖLZER -E IBINGER / L ANGER (in Vorbereitung)). Textkompetenz entspricht dem anglophonen „Literacy“ (K ERN 2000), doch fokussiert der Begriff Textkompetenz stärker auf das Lesen und Schreiben von Texten, während „Literacy“ heute vor allem in Form verschiedener Unterbegriffe (Academic Literacy, Scientific Literacy, Media Literacy) gebraucht wird und in weiterem Sinne die Fähigkeit zur Partizipation an schriftsprachlich geprägter Kommunikation bedeutet. Forschungsbasierte Konzepte und Modelle für einen sprachaufmerksamen SFU im Einzelnen darzulegen, ist nicht Gegenstand dieses Beitrags. Wie die Hinführung zu einer fachbezogenen und fächerübergreifenden Textkompetenz gelingen kann, wird beispielgebend durch das 3-Phasen-Modell von S CHMÖLZER -E IBINGER (2008/ 2011) aufgezeigt. Dazu sind auch zahlreiche Unterrichtsmaterialien zu Geschichte und natur- Sprache(n) im Fachunterricht - die österreichische Perspektive 81 44 (2015) • Heft 2 wissenschaftlichen Fächern verfügbar (vgl. ebda.; L ANGER / S CHMÖLZER -E IBINGER 2009; L ANGER 2010; H ELTEN -P ACHER 2012; S CHMÖLZER -E IBINGER et al. 2013). Weitere Konzepte und Modelle werden bei S CHMÖLZER -E IBINGER et al. (2013: 53-92) eingehend beschrieben. Welche Initiativen gibt es nun, um die Umsetzung eines sprachaufmerksamen SFU zu fördern? Im Bereich der Forschung und Lehre an österreichischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen sind in jüngerer Vergangenheit mehrfach Untersuchungen und Projekte durchgeführt worden, die sich mit der Rolle der Sprache im SFU auseinandersetzen. Ergebnisse des bereits erwähnten Projekts „Didaktisches Coaching für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen“ sind „Sieben Leitlinien für den Sprachaufmerksamen Unterricht“ (S CHMÖLZER -E IBINGER et. al. 2014: 22-52), Analyseinstrumente für den Sprachgebrauch von Lehrkräften sowohl in der Selbstreflexion (ebd.: 106-119) als auch in der Unterrichtsbeobachtung (ebd.: 124-146) und ein Curriculum für die Ausbildung zum Sprachfördercoach für den SFU. Diese Ausbildung wurde bislang nicht finanziert, wohl aber wurden wiederholt Seminareinheiten aus dem Curriculum in der Lehrer/ -innenfortbildung angeboten. In der didaktischen Aus- und Fortbildung gibt es zahlreiche Initiativen, Lehrpersonen das methodische Rüstzeug für einen sprachaufmerksamen SFU an die Hand zu geben. Lehrveranstaltungen, die sich gezielt an Sachfachlehrkräfte wenden, werden vor allem in der schulinternen Lehrer/ -innenfortbildung angeboten, beschränken sich jedoch meist auf Einzelveranstaltungen. Der Lehrgang „Deutsch als Zweitsprache“, den die Pädagogische Hochschule Wien anbietet, ist offen für Lehrkräfte aller Fächer und Schultypen der Sekundarstufe und wird in steigendem Ausmaß auch von Sachfachlehrkräften absolviert. In diesem dreisemestrigen Lehrgang nehmen Themen wie „Literale Kompetenz“, „Sprachaufmerksamer Unterricht in allen Fächern“ und fachunabhängige Konzepte und Methoden, wie die durchgängige sprachliche Bildung (G OGOLIN / L ANGE 2011) oder das scaffolding (G IBBONS 2002) einen breiten Raum ein. Besonders hervorzuheben ist die Initiative des Österreichischen Sprachenkompetenzzentrums (ÖSZ), das eine eigene Arbeitsgruppe für den sprachaufmerksamen Fachunterricht eingerichtet hat. Im Rahmen des Projekts „CHAWID - Chancengerechte Wissensvermittlung in Deutsch“ wurde eine beeindruckende Menge an Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe I und zahlreiche Fächer erstellt. Die Materialien sind sehr übersichtlich gestaltet und stellen eine tabellarische Information zu allen für den Einsatz im Unterricht relevanten Aspekten voran. Insbesondere werden die durch die Aufgabe geförderten, fachbezogenen sprachlichen Kompetenzen präzisiert. So heißt es z.B. in einer Mathematik-Aufgabe für die 8. Schulstufe: „Einem anspruchsvollen Sachtext die wesentlichen Inhalte zur Lösung einer Aufgabenstellung entnehmen können. Zusammengesetzte Nomen (=Komposita).“ 11 Die Unterrichtsbeispiele sind in einem Webportal 12 des ÖSZ gesammelt, das dar- 11 http: / / www.oesz.at/ sprachsensiblerunterricht/ materialienliste_02.php? kat=%25 (28/ 02/ 2015); Aufgabenbeispiel: Mathematik - Geothermale Energie. 12 http: / / www.oesz.at/ sprachsensiblerunterricht/ main_02.php (28/ 02/ 2015) 82 Elisabeth Langer 44 (2015) • Heft 2 über hinaus didaktische Werkzeuge, Informationen zu Lehrveranstaltungen und eine Liste relevanter Literatur anbietet. Beginnend mit dem Schuljahr 2014/ 15 führt das ÖSZ einen zweisemestrigen Lehrgang „Sprachsensibler Fachunterricht“ für Sachfachlehrkräfte durch. Erwähnt werden soll ferner der österreichische Projektverbund IMST („Innovationen Machen Schulen Top“ - eine Initiative des BMBF zur Weiterentwicklung und Unterstützung des österreichischen Schulunterrichts), die an der Universität Klagenfurt verortet ist. Im Rahmen von IMST existieren vier Themenprogramme, deren Auftrag es ist, von Lehrkräften durchgeführte Aktionsforschungsprojekte auf Schulebene zu unterstützen. Diese Projekte sind jeweils auf ein Schuljahr angelegt und werden seitens der Projektnehmer/ -innen mit einem Projektbericht abgeschlossen. Die Berichte werden in einem Webportal 13 gesammelt. Eines der Themenprogramme fokussiert auf Lesen und Schreiben: „Schreiben, Lesen, Literatur - differenziert, kompetenzorientiert, fächerübergreifend“. Aber auch im Themenprogramm „Kompetenzen im mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht“ ist die Förderung fachbezogener Sprachkompetenz ein wichtiges Ziel. Dies gilt insbesondere für Sachunterrichtsprojekte in der Grundstufe (vgl. z.B. R AINER 2014). 3.3 Mehrsprachigkeit als Ressource im SFU Sprachaufmerksamer Fachunterricht zielt - wie weiter oben dargestellt - einerseits darauf ab, fachbezogene Sprachkompetenz in der Landes- und Unterrichtssprache aufzubauen. Andererseits nützt er die Mehrsprachigkeit vieler Lernender als Ressource. Ein Unterricht, der beiden Forderungen umfassend gerecht wird, muss jedoch als Utopie bezeichnet werden, und auch eine nur weitgehende Realisierung der genannten Prinzipien erfolgt in österreichischen Schulen der Sekundarstufe derzeit nur in Einzelfällen. Gleichzeitig nimmt die Menge der Schüler/ -innen mit von der Unterrichtssprache verschiedenen Herkunftssprachen selbst in der Sekundarstufe II zu, was zu sprachlichen Verständnisproblemen im Unterricht führt, aber zugleich auch ein steigendes Problembewusstsein auf allen Ebenen des Schulwesens bewirkt. Der „monolinguale Habitus der multilingualen Schule“, den G OGOLIN (1994/ 2008) für Deutschland konstatiert hat, wird von G OMBOS (2008) für Österreich bestätigt. Dennoch ist in den letzten Jahren der mehrsprachigen Gesellschaft besonders im Bereich der Schule vermehrt Beachtung geschenkt worden: Institutionen wie das ÖSZ und das European Centre for Modern Languages (ECML) in Graz nehmen sich der Thematik Sprachaufmerksamkeit und Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit im Unterricht aller Fächer verstärkt an. So lautet etwa der Titel des aktuellen Arbeitsprogramms des ECML „Languages at the Heart of Learning/ Les langues au cœur des apprentissages“. Synergien zwischen sprachlichem und fachinhaltsbezogenem Lernen stehen 13 https: / / www.imst.ac.at/ imst-wiki/ index.php/ Hauptseite (28/ 02/ 2015) Sprache(n) im Fachunterricht - die österreichische Perspektive 83 44 (2015) • Heft 2 ausdrücklich im Fokus dieses Programms. Einer der thematischen Bereiche für Projekteinreichungen ist „Inclusive, plurilingual and intercultural education in practice“ 14 . Eine umfassende Betrachtung der Rolle der Mehrsprachigkeit im Unterricht bietet das „Curriculum Mehrsprachigkeit“ (K RUMM / R EICH 2011; R EICH / K RUMM 2013) das auf dem österreichischen LEPP-Prozess (Language Education Policy Profiling) 15 beruht. Dieses Curriculum definiert für alle Schulstufen von der Grundschule bis zum Ende der Sekundarstufe II fächerübergreifende Lernziele, die die Entwicklung einer Mehrsprachigkeitskompetenz unterstützen. Die Förderung einer Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit auch im SFU ist ausdrückliches Ziel des Curriculums. Die darin vorgeschlagenen konkreten Unterrichtsmethoden eignen sich freilich überwiegend für den Einsatz im Sprachunterricht. Das ÖSZ hat im Auftrag des Bildungsministeriums ein Rahmenmodell „Basiskompetenzen Sprachliche Bildung für alle Lehrenden“ 16 für Lehramtsstudierende aller Fächer erstellt. Dessen praktische Umsetzung wurde jedoch bislang nicht finanziert. Möglichkeiten, Mehrsprachigkeit im SFU einzusetzen, skizziert L ANGER (2014). Methoden und Konzepte aus dem Sprachunterricht, dem CLIL-Unterricht und dem Deutschsprachigen Fachunterricht (DFU) werden auf ihre Eignung zur Anwendung im SFU geprüft. Zu den ausgewählten Möglichkeiten gehören das Auflegen von Lehrbüchern in den Herkunftssprachen der Schüler/ -innen, mehrsprachige Fachwortlisten, Tabellen und Diagramme und mehrsprachige Textproduktion (ebd.: 50). Diese Aktivitäten gelangen vereinzelt auch zum Einsatz im SFU. Darüber hinaus wird angeregt, Schüler/ -innen zur Recherche in mehreren Sprachen zu ermutigen, Sprachreflexion und Sprachvergleiche zu fördern und zur Überarbeitung und Optimierung multilingualer Arbeiten der Lernenden sprachhomogene Peergruppen einzurichten (ebd.: 51-53). Die Autorin weist darauf hin, dass die Förderung einer derartigen Mehrsprachigkeitskultur Gegenstand von Schulentwicklungsvorhaben sein könnte. 4. Desiderata für Forschung und Lehre Aus dieser Betrachtung der Rolle der Sprache im SFU ergeben sich mehrere Desiderata für die didaktische Forschung. Einerseits sollten die existierenden Konzepte und Modelle für sprachaufmerksamen SFU (G OGOLIN / L ANGE 2011; S CHMÖLZER -E IBINGER et al. 2013: 53-92) ergänzt und erweitert werden, andererseits müsste dort, wo diese zum Einsatz kommen, eine Evaluation ihrer Wirksamkeit und Effizienz erfolgen. Vor allem aber sollte sich die Lehrer/ -innenaus- und -fortbildung verstärkt des Themas annehmen, und die Umsetzung eines sprachaufmerksamen SFU in den Schulen müsste gefördert werden. Hier wäre zu fordern, dass sowohl das Rahmenmodell „Basiskompetenzen 14 http: / / call.ecml.at/ Call201619/ Themesforopenprojectproposals/ tabid/ 3799/ language/ en-GB/ Default. Aspx#1 (28/ 02/ 2015) 15 http: / / www.coe.int/ t/ dg4/ Linguistic/ Source/ Austria_CountryReport_final_DE.pdf (28/ 02/ 2015) 16 http: / / www.oesz.at/ download/ Rahmenmodell_Basiskompetenzen_21_1_2014.pdf (28/ 02/ 2015) 84 Elisabeth Langer 44 (2015) • Heft 2 Sprachliche Bildung für alle Lehrenden“ 13 implementiert wird als auch das forschungsbasiert ausgearbeitete Konzept der Sprachfördercoaches (S CHMÖLZER -E IBINGER et al. 2013, 2014) in den Schulen zum Einsatz kommt. Literatur B IALYSTOK , Ellen (2001): Bilingualism in Development. Language, Literacy, and Cognition. Cambridge: Cambridge University Press. 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