Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2015
442
Gnutzmann Küster SchrammContra - Mehr Schriftlichkeit bitte!
121
2015
Torben Schmidt
flul4420131
Pro und Contra 131 44 (2015) • Heft 2 Mehr Schriftlichkeit bitte! Wieso eigentlich? Macht diese Forderung Sinn? Was ist denn mit Schriftlichkeit genau gemeint und wer äußert diese Forderung eigentlich? Sind es vielleicht dieselben, die im Zuge sich massiv medial verändernder Schreib- und Leseprozesse, z.B. in Form von häufig als verkümmert wahrgenommenen Formen der schriftlichen (konzeptionell eher mündlichen) Kommunikation à la WhatsApp den Untergang der Schriftkultur befürchten? Ist es eine Forderung von denjenigen, die einen allgemeinen Sprachverfall wahrzunehmen glauben und als Konsequenz die Schule für die Ausbildung einer kultivierten Schriftlichkeit in die Pflicht nehmen? Vielleicht sind es auch Verlustängste bezüglich der Kulturtechniken des Lesens und Schreibens, die hier zu einer Überreaktion führen, da der Computer durch Rechtschreibprüfung, Spracherkennung und Autovervollständigung von Wortanfängen den Verfasser stärker aus der Verantwortung nimmt? Fest steht, unsere Schreib- und Leseroutinen verändern sich massiv, und in jedem Fall bedarf es einer differenzierten Betrachtung, wie Schriftlichkeit (als Metapher für einen Kompetenzkomplex des Verarbeitens und Produzierens von schriftlichen Texten) eigentlich gefördert wird, welche Ziele damit erreicht werden sollen und welcher Stellenwert ihr insgesamt zugemessen wird. Beteuern wir nicht immer wieder, dass wir eine Fremdsprache heutzutage vor allem kommunikations- und fähigkeitsorientiert unterrichten und dass die verschiedenen Fertigkeitsbereiche gleichberechtigt und integrativ gefördert werden? Leistet der moderne Fremdsprachenunterricht das etwa nicht? Muss hier eine Schriftlichkeitsoffensive her? Bereiten wir unsere Lernenden nicht auf eine Vielfalt von Textsorten, Textrezeptions- und -produktionsformen vor? Die Antwort ist ein klares Nein. Fakt ist doch, dass mit zeitgemäßen Lehrwerken orientiert an den can do-Deskriptoren der Bildungsstandards die Lernenden Bezug nehmend auf vielfältige Textsorten und Schreibanlässe - von einfachen Personenbeschreibungen über Berichte zu Ferienerlebnissen (häufig als Alibi-Aufgabe, um das simple past zu üben), dem Schreiben von Reimen, Emails, Internetartikeln, Bewerbungsschreiben, Interpretationen oder Filmkritiken - auf vielfältige Weise darin unterstützt werden, ihre Fähigkeiten im Kompetenzbereich Schreiben zu entwickeln. Zweifelsfrei muss hier kritisch hinterfragt werden, wie bedarfsgerecht Unterricht auf das vorbereiten kann, was im Leben an Schreibkompetenz in der Fremdsprache tatsächlich gebraucht wird. Hier wäre ein Authentizitätscheck vieler Aufgaben und Textsorten nötig. Vor allem die Frage der pragmatischen Angemessenheit der schriftlichen Kommunikation kommt bisher zu kurz. Wenn Lernende im Abitur eine zehnseitige Textanalyse anfertigen können, aber beim Verfassen einer Beschwerde-Email an das Kundencenter des Online-Shops an ihre Grenzen kommen, herrscht Optimierungsbedarf. Die Forderung nach mehr Schriftlichkeit ist hier aber falsch. Nicht die Quantität, sondern die Qualität macht den Unterschied. Lüneburg T ORBEN S CHMIDT