Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2016
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Gnutzmann Küster SchrammDer Film The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule
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2016
Carmen Becker
Jana Roos
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45 (2016) • Heft 1 © 2016 Narr Francke Attempto Verlag C ARMEN B ECKER , J ANA R OOS * Der Film The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule - Lernszenarien gestalten und Lernpotenziale erschließen Abstract. Media is increasingly gaining significance in today’s society in general, and this phenomenon can also clearly be observed in the language learning classroom. Films in particular, have continually come to play a more prevalent role in young children's lives, especially in the home environment, as well as within the learning context in the school setting. For this reason, film is being employed as a medium to promote learning in a variety of subjects, and foreign language learning is also clearly influenced by this development. Therefore, the rising number of English films for children is also of great interest in the context of early foreign language learning in primary school. The majority of the English films, which are designed for young children are usually based on storybook classics, as in the case of The Gruffalo, a well-known award-winning international bestseller written by Julia Donaldson (1999). The following chapter will present a range of practical examples of how working with the film can provide opportunities for the development of different competencies. Furthermore, it will also discuss in detail to what extent the film can be employed as a valuable resource for foreign language teaching purposes. 1. Einleitung Durch die Allgegenwärtigkeit der Medien bilden Filme bereits für Kinder im Grundschulalter einen festen Bestandteil ihrer Lebenswelt. Dementsprechend findet sich eine wachsende Zahl englischsprachiger Originalfassungen von Kinderfilmen, die auch im Rahmen des frühen Fremdsprachenlernens von Bedeutung sind und deren Einsatz ein großes Motivations- und Lernpotenzial birgt. Häufig handelt es sich bei diesen Filmen um Verfilmungen von Bilderbuchklassikern, wie z.B. Eric C ARLE s The very hungry caterpillar aus dem Jahr 1969 oder die bekannte Kinderbuchserie Charlie & Lola von Lauren C HILD . Ein besonders bekanntes Beispiel ist auch der Kurzfilm The Gruffalo, * Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Carmen B ECKER , Technische Universität Braunschweig, Englisches Seminar, Abteilung Englische Sprache und ihre Didaktik, Bienroder Weg 80, 38106 B RAUNSCHWEIG . E-Mail: c.becker@tu-braunschweig.de Arbeitsbereiche: Sprachdidaktik, Portfolio Assessment, Didaktik und Methodik des Frühbeginns, Übergangsdidaktik sowie CLIL. Jun.-Prof. Dr. Jana R OOS , Universität Paderborn, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Didaktik des Englischen, Warburger Straße 100, D-33098 P ADERBORN . E-Mail: jroos@mail.uni-paderborn.de Arbeitsbereiche: (Früher) Fremdsprachenerwerb, Der Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule, Kommunikative Interaktion im Fremdsprachenunterricht, Diagnose und Förderung fremdsprachlicher Kompetenzen. 34 Carmen Becker, Jana Roos 45 (2016) • Heft 1 eine Adaption des gleichnamigen, vielfach ausgezeichneten internationalen Kinderbuchbestsellers von Julia D ONALDSON (1999), in dem ein ‚furchterregendes‘ Fantasietier im Mittelpunkt steht. Der 2010 für die BBC produzierte Film war sogar für einen Oscar in der Kategorie Trickfilm nominiert. Im Rahmen des Storytelling ist das Kinderbuch The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule seit langem populär, denn die in Reimform verfasste, mit den ansprechenden Illustrationen Axel S CHEFFLERS gestaltete Geschichte bietet vielfältige handlungsorientierte Zugänge. Einsatzmöglichkeiten der englischsprachigen Filmfassung im Unterricht hingegen sind bisher nur wenig erschlossen, denn der Einsatz des Mediums Film ist im frühen Fremdsprachenunterricht bislang insgesamt kaum etabliert, und es fehlt häufig an geeigneten Lernaufgaben für die filmbezogene Arbeit (vgl. B ECKER / R OOS i. V.). Dabei bietet sich der Kurzfilm The Gruffalo insbesondere auch in Verbindung mit der Behandlung des Buches an, um die Entwicklung filmbezogener sprachrezeptiver und sprachproduktiver sowie interkultureller Kompetenzen bereits im Englischunterricht der Grundschule anzubahnen. In diesem Beitrag sollen Einsatzmöglichkeiten der Originalfassung von The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule betrachtet und mit Blick auf das fremdsprachliche Lernpotenzial diskutiert werden. Dabei wird zunächst untersucht, welche Aspekte konkret für die Nutzung des Films in diesem Kontext sprechen. Anschließend werden exemplarisch Aufgabenszenarien zum Film vorgestellt, die es den Kindern im Englischunterricht ermöglichen sollen, den Film auf unterschiedlichen Ebenen zu erschließen, und die dazu beitragen können, ihre fremdsprachliche Handlungskompetenz im Sinne eines filmbezogenen sprachlichen Handelns zu fördern. 2. The Gruffalo Die Rahmenhandlung der Geschichte The Gruffalo bilden die Begegnungen einer kleinen Maus mit verschiedenen Tieren im Wald. Die Maus trifft dort nacheinander auf einen Fuchs, eine Eule und eine Schlange. Jedes der Tiere möchte die kleine Maus zum ‚Essen‘ einladen, allerdings mit dem Hintergedanken, sie zu verspeisen. Die schlaue Maus durchschaut dies und lehnt dankend ab, unter dem Vorwand, bereits mit dem Gruffalo verabredet zu sein. Dabei beschreibt sie die äußere Erscheinung dieser Fantasiefigur in so furchterregender Weise, dass die Tiere nacheinander fliehen. Als der Gruffalo plötzlich tatsächlich in Erscheinung tritt, beweist die Maus ihm, dass die anderen Tiere Angst vor ihr haben: Als sie sie gemeinsam mit dem Gruffalo noch einmal aufsucht, fliehen die Tiere - zwar vor dem Gruffalo, dieser aber denkt, sie fürchteten sich vor der Maus, und sucht erschreckt selbst das Weite. 2.1 Eignung des Films für den Englischunterricht der Grundschule Bei der Frage nach der Eignung der Geschichte The Gruffalo für den Englischunterricht der Grundschule lassen sich vielfältige Kriterien anführen. Dabei können einige, Der Film The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule 35 45 (2016) • Heft 1 die bereits für die Auswahl des Buches sprechen, gleichermaßen für den Film angelegt werden, da dieser sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die visuelle Gestaltung sehr eng an der Buchvorlage gehalten ist und der Text im Film wortgetreu übernommen wurde. Zu diesen Kriterien gehört zuallererst, dass die Geschichte das Interesse der Kinder weckt und eine Verbindung zu deren Lebensbzw. Vorstellungswelt ermöglicht. Hier sind die Angemessenheit des Inhalts und die dargestellten Figuren entscheidend, wie der Gruffalo als Fantasiefigur oder die clevere Maus als Handlungsträger, die die Fantasie der Kinder anregen oder ihnen Identifikationspotenzial bieten. In diesem Zusammenhang betonen B REDENBRÖCKER / B ÖHRER (2009: 17), dass der Gruffalo allein „(d)urch sein gruseliges und ungewöhnliches Aussehen [...] auf jeden Fall ertragreiche Äußerungen hervorlocken“ wird. Die Geschichte erfordert darüber hinaus die Koordination der Perspektiven der beteiligten Tiere und des Gruffalo, die jeweils sowohl in der Rolle des Bedrohenden als auch in der des Bedrohten dargestellt werden. Das hier angesprochene „Verhältnis von Angst und Mut“ (B ÖHMANN / L AWRENZ 2011: 2) ermöglicht zugleich das empathische Hineinfühlen in die Figuren. Bei einer Entscheidung für den Einsatz des Films gilt es allerdings die Unterschiede zwischen den beiden Medien, Buch und Film, zu berücksichtigen. So kann der Film z.B. sprachlich eine größere Herausforderung für die Kinder darstellen, da er - anders als der Vortrag der Lehrkraft beim Storytelling, der immer an eine spezifische Lerngruppe gerichtet ist - ein unbestimmtes Publikum anspricht. Möglichkeiten wie etwa die Temporeduzierung und die unmittelbare Wiederholung einzelner Wörter und Phrasen bei Verständnisschwierigkeiten, die beim Vorlesen oder Vortragen gegeben sind, fallen somit weg. Gleichzeitig bietet der Film zusätzliche Verstehenshilfen durch die animierte Darstellung, wie z.B. die Gestik und Mimik der Charaktere oder die Untermalung mit stimmungsvollen Geräuschen, die das Buch nicht oder nur in eingeschränkter Form bietet bzw. die an die individuelle Ausgestaltung der Geschichte durch die Lehrkraft gebunden sind. Der Austausch mit Lehrkräften zeigt in diesem Zusammenhang, dass Kinder den Film häufig als gruseliger empfinden als das Buch, und auch die Autorin Julia Donaldson selbst teilt diese Empfindung (vgl. B ÖHMANN / L AWRENZ 2011: 17). Als Auslöser können hier z.B. die im Buch nicht vorhandenen Hintergrundgeräusche im Wald angesehen werden. Gesteigert wird die Spannung des Films vor allem auch durch die individuellen Stimmen der Tiere, in denen sich die jeweilige Stimmung ausdrückt, wie z.B. Überraschung oder auch Angst vor dem Gruffalo. Auch die Kameraperspektive, die die einzelnen Charaktere und deren Gestik und Mimik in den Fokus rückt, trägt hierzu bei. Bereits beim Blick auf das Cover des Films, wo der Gruffalo die Maus am Schwanz festhält und als potenzielle Nahrung vor seiner Nase baumeln lässt, deutet sich das erhöhte Maß an Spannung gegenüber dem Buch an. Auf dem Buchcover hingegen betrachtet der Gruffalo die Maus lediglich interessiert aus einer gewissen Distanz, halb versteckt hinter einem Baum (vgl. Kapitel 2.2; Abbildung 1 und 2 [ S. 40]). An dieser Stelle deutet sich bereits an, dass im Hinblick auf die Eignung und die Einsatzmöglichkeiten des Films vielfältige Aspekte eine Rolle spielen. Das Heranziehen eines Kriterienkatalogs (vgl. Tabelle 1 auf der folgenden Seite [adaptierte Fassung 36 Carmen Becker, Jana Roos 45 (2016) • Heft 1 des Kriterienkatalogs von B ECKER / R OOS 2016, i.V.]) kann helfen, diese systematisch zu betrachten. Schülerbezogene Kriterien Der Film ... • weckt in Bezug auf seine Inhalte das Interesse und die Neugier der Schülerinnen und Schüler und ist motivierend. • knüpft an das Weltwissen und die Erfahrungen der Lernenden an. • ist mit den kulturellen Hintergründen der Lernenden vereinbar. Filmbezogene Kriterien Der Film ... • ist nicht zu lang (alters- und lerngruppenspezifisch). • kann (auch) in Episoden gezeigt werden. • setzt bedeutungstragende filmästhetische Mittel ein (z.B. Musik und Ton, animierte Figuren, Gestik und Mimik der Charaktere). Sprachbezogene Kriterien Der Film ... • weist einen engen Zusammenhang von Sprache bzw. Ton und Handlung auf (geringe Ton- Bild-Schere). • baut auf den fremdsprachlichen Vorkenntnissen der Schülerinnen und Schüler auf. • ermöglicht ein Anknüpfen an Themen- und Wortfelder des Englischunterrichts. Kriterien zur Kompetenzentwicklung Der Film ... • bietet eine Grundlage für filmbezogenes sprachliches Handeln − sprachrezeptives Handeln (Hör- / Hör-Sehverstehen, ggf. Leseverstehen) − sprachproduktives Handeln (Sprechen, ggf. Schreiben) (vgl. B LELL / G RÜNEWALD / K EPSER / S URKAMP , i. V.) durch − bedeutungsvollen Input, der in sinnvollen Zusammenhängen präsentiert wird. − authentisches Sprachmaterial. • bietet eine Grundlage für die Entwicklung interkultureller Kompetenz. − bietet Einblicke in fremde Kulturen und Lebensweisen. − ermöglicht Vergleiche mit der Lebenswelt der Kinder. • ermöglicht die Förderung von Global- und Detailverstehen. Tab. 1: Kriterienkatalog zur Auswahl von Filmen für den Englischunterricht der Grundschule (vgl. B ECKER / R OOS i.V.) Bei den Auswahlkriterien für Filme, die im Englischunterricht der Grundschule eingesetzt werden können, bietet sich eine Unterteilung in schülerbezogene, filmbezogene und sprachbezogene Kriterien sowie Kriterien zur Kompetenzentwicklung an. Die inhaltliche Eignung als zentrales Element der schülerbezogenen Kriterien wurde oben bereits angesprochen. Was die sprachbezogenen Kriterien betrifft, so lässt sich zunächst ganz allgemein als vorteilhaft festhalten, dass die englischsprachige Originalfassung authentischen fremdsprachlichen Input liefert. Dabei wird die Sprache in der Der Film The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule 37 45 (2016) • Heft 1 Filmfassung von The Gruffalo in sinnvollen Zusammenhängen und in Verbindung mit der Handlung eingesetzt und durch die Kombination von Bildern, Geräuschen und Handlungssituationen unmittelbar erlebbar, wodurch bereits eine wichtige Grundlage für die Kompetenzentwicklung entsteht. Die Geschichte selbst hat einen repetitiven Charakter, so dass sich bestimmte Situationen und damit verbundene Redemittel wiederholen und den Text einprägsam und vorhersehbar machen. Dies erleichtert das Verstehen und ist mit Blick auf den Film vor allem insofern hilfreich, als das Sprechtempo der Filmfiguren stellenweise recht hoch ist. Gleichzeitig kann der Film so gut in Episoden unterteilt werden, um einzelne Szenen, wie z.B. die Begegnungen zwischen der Maus und verschiedenen Tieren, wiederholt und ggf. auch unter verschiedenen Schwerpunktsetzungen oder Aufgabenstellungen anzuschauen. In Bezug auf den Wortschatz verbindet die fantasievolle Geschichte die Wortfelder body und animals miteinander. Damit liefert sie unterschiedliche Anknüpfungspunkte an thematische Schwerpunkte des Englischunterrichts in der Grundschule und ermöglicht es, auf Vorkenntnissen der Schülerinnen und Schüler aufzubauen. Auch durch das Einbeziehen der - ggf. bereits bekannten - Buchvorlage können Vorkenntnisse erweitert und vertieft werden. Darüber hinaus bietet die Kontrastierung von Bilderbuch und Film erste Gelegenheiten, die Wirkung filmspezifischer Elemente wie z.B. Ton und Musik, die Kameraperspektive sowie die Beziehung zwischen diesen verschiedenen filmischen Elementen zu erkunden und so die Wahrnehmung filmästhetischer Aspekte bei den Kindern anzubahnen. Im Vordergrund der Arbeit mit dem Film steht die Verknüpfung mit den im Englischunterricht der Grundschule zu entwickelnden Kompetenzen, die schwerpunktmäßig im mündlichen Bereich liegen. Der erfolgreiche Einsatz des Films und die Möglichkeiten, das vorhandene Lernpotenzial im Sinne der Kompetenzentwicklung zu erschließen, hängen wiederum entscheidend mit der Auswahl geeigneter Lernaufgaben zusammen. 2.2 Einsatzmöglichkeiten des Films im Englischunterricht der Grundschule Da Originalfassungen von Kinderfilmen häufig eine natürliche Sprechgeschwindigkeit aufweisen, kann ein hohes Spannungsgefüge zwischen altersgemäßem Inhalt und sprachlicher Zugänglichkeit auftreten. Geeignete Lernaufgaben können dazu beitragen, dieses Spannungsgefüge aufzubrechen und den Einsatz von englischsprachigen Kinderfilmen bereits in der Grundschule zu ermöglichen (B ECKER / R OOS i.V.). Lernaufgaben zielen auf die Kompetenzentwicklung ab, sie fördern und fordern Lernende auf unterschiedlichen Ebenen. Gute Lernaufgaben knüpfen an das Vorwissen und die vorhandenen Kompetenzen der Lernenden an und ermöglichen es ihnen, diese wahrzunehmen, zu zeigen, selbst wertzuschätzen und weiterzuentwickeln (M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER / P ANT 2013: 39). Gute Lernaufgaben sind „in sinnstiftende Kontexte eingebunden“ (MSW 2008: 13) und bieten Raum für Bearbeitungsformen, die die individuellen Interessen und das Sprachniveau einzeln oder gemeinsam arbeitender Lernender berücksichtigen (ebd.). Eine Differenzierung erfolgt durch offene Aufgabenformate, 38 Carmen Becker, Jana Roos 45 (2016) • Heft 1 die verschiedene Grade inhaltlichen und sprachlichen Einlassens auf den Film erlauben. Bezogen auf den Einsatz von Filmen stellen H ENSELER / M ÖLLER / S URKAMP (2011: 122) Lernaufgaben als „Abfolge von aufeinander abgestimmten Arbeitsaufträgen“ dar, durch welche neben der Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz die Entwicklung von auf die Filmarbeit bezogenen Kompetenzen gefördert werden kann. Geeignete Lernaufgaben dienen somit als wichtiges Sprungbrett für das filmbezogene sprachrezeptive sowie sprachproduktive Handeln. Laut T HALER (2014: 181) eignet sich ein dreischrittiges prozessorientiertes Pre-, While- und Post-Viewing-Vorgehen für den Einsatz von Filmen im Englischunterricht der Grundschule. Dabei sind in der Pre- Viewing-Phase zunächst Aufgaben von Bedeutung, die das Vorwissen aktivieren, eine Seherwartung aufbauen und das zum Verstehen des Films zentrale Vokabular vorentlasten. Ziel ist es, eine Verständnisgrundlage und damit eine Basis für die vertiefende Arbeit zu schaffen (ebd.). Für die While-Viewing-Phase eignen sich vor allem Aufgaben, die zunächst auf globales Inhaltsverstehen abzielen und dadurch sprachrezeptives Handeln ermöglichen. Das Verstehen kann durch spezifische Inhaltsfragen unterstützt werden: „The five w-questions can help children understand what is going on in the film: Who? When? Where? What? Why? “ (ebd.). Die Post-Viewing-Phase sollte schließlich Aufgaben beinhalten, die zum vertieften inhaltlichen Verständnis und zum produktiven sprachlichen Handeln führen sowie zur weiteren Arbeit mit den Filminhalten anregen. Thaler schlägt in diesem Zusammenhang vor, nach einem 4P-Muster vorzugehen, da Kinder insbesondere an persons, places, plot, point (problem) interessiert seien (ebd.: 182; vgl. Tabelle 2). Entsprechende inhaltliche Fragen können dabei individuell an die sprachlichen Möglichkeiten der Lerngruppe angepasst werden. Insgesamt ist es nicht das Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler jede Einzelheit des Films verstehen und wiedergeben können. Vielmehr geht es darum, dass sie ein Gefühl für authentische gesprochene Sprache entwickeln und der Geschichte den Sinnzusammenhang entnehmen können. Persons • Who is the main character? • Can you describe him/ her? • How old is he / she? What does he/ she look like? What is he/ she wearing? • Is he/ she happy/ sad/ nervous...? • What do they say? Can you repeat what X says? • Do you like them? Places • Where are the people? • Do the places change? • What time of the day is it in this place? Plot • What happens? • How does the story start/ end? • Do you like the ending? • Who is telling the story? Der Film The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule 39 45 (2016) • Heft 1 Point (Problem) • What is the message? What is the lesson you can learn? • Is there any problem? • Is it a happy end? Why? Who wins? • What is the moral? Do you agree? Tab. 2: The 4 P’s (T HALER 2014: 182) Wenn Lernaufgaben auf der Basis des Pre-, While- und Post-Viewing-Ansatz entwickelt werden, dann kann filmbezogenes rezeptives und produktives sprachliches Handeln angeregt und der zunächst oft (zu) hoch scheinende sprachliche Anspruch kompensiert werden. Auf diese Weise wird ein gewinnbringender Einsatz von Original-Filmen schon im Englischunterricht der Primarstufe ermöglicht. Im Folgenden soll anhand des Films The Gruffalo ein prozessorientiertes, dreischrittiges Lernszenario für die Filmarbeit und Anbahnung von Filmkompetenz im Englischunterricht der Grundschule vorgestellt werden. Bei einer Literaturverfilmung wie The Gruffalo, bietet es sich an, im Vorfeld mit dem Bilderbuch zu arbeiten. Der Wortschatz sollte dazu (z.B. anhand von Bildkarten oder der Abbildungen im Buch) eingeführt, das Bilderbuch als Ganzes vorgelesen und betrachtet und eine Vielzahl von kreativen Lernaufgaben bearbeitet worden sein. Die Lernenden sollten nach Abschluss der Arbeit mit dem Bilderbuch mit dem darin enthaltenen Wortschatz, dem Handlungsablauf und der bildnerischen Gestaltung vertraut sein. So verwendet der Illustrator Axel S CHEFFLER z.B. kraftvolle Farben, die jedoch eine überwiegend helle und freundliche Ausstrahlung haben und stellt die Tiere und insbesondere ihre Augen mit stark anthropomorphen Zügen dar, sodass diese „[...] Gefühle wie Stolz, Wut, Überraschung, Angst und Erleichterung sehr treffend ausdrücken“ (vgl. B ÖHMANN / L AWRENZ 2011: 4). Die Fokussierung auf die bildnerische Gestaltung ebnet den Weg für die Filmarbeit und schafft nicht nur eine Grundlage für das Verstehen der authentisch gesprochenen Sprache, sondern auch für das Wahrnehmen von filmspezifischen Darstellungsverfahren wie Kameraeinstellungen, Perspektive, Licht und Ton, wobei auch der Vergleich von Film und Buch als Zugang dienen kann. Lernaufgaben in der Pre-Viewing-Phase sollten zunächst an das Vorwissen und die Kompetenzen der Lernenden anknüpfen. Ist das Bilderbuch bekannt, eignet sich ein Einstieg über den Vergleich der Cover von Buch und Film. Dazu betrachten die Kinder die Cover und vergleichen sie miteinander. Abb. 1 und 2, S. 40 40 Carmen Becker, Jana Roos 45 (2016) • Heft 1 Abb. 1 und 2: Buchcover und Filmcover von The Gruffalo Die Lehrkraft erstellt dazu eine zweispaltige Tabelle an der Tafel, und die Lernenden beschreiben die Unterschiede je nach ihren individuellen sprachlichen Möglichkeiten. So können z. B. die unterschiedlichen Farben, der Gesichtsausdruck der Maus und des Gruffalo und die dargestellte Szene beschrieben werden. Die Ergebnisse werden von der Lehrkraft stichwortartig in der Tabelle gesammelt (vgl. Tabelle 3). Book cover Film cover Colours: yellow, light green … Colours: brown dark green … The mouse is happy. The mouse is walking through the forest. … The mouse is scared. … The gruffalo looks friendly. His eyes look friendly. … The gruffalo looks scary. His eyes look scary. The gruffalo wants to eat the mouse. … Tab. 3: Vergleich von Buch- und Filmcover In einem zweiten Schritt sollte in der Pre-Viewing-Phase die Seherwartung aufgebaut werden. Dazu wird im Plenum eine Tabelle mit drei Spalten erstellt (vgl. Tabelle 4 [ S. 41]). Die erste Spalte Book knüpft an das Vorwissen der Kinder an. Aus der Erinnerung werden unter der Rubrik Animals sämtliche Charaktere gesammelt: mouse, fox, owl und snake. Unter der Rubrik Places werden die Behausungen der Tiere bzw. Der Film The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule 41 45 (2016) • Heft 1 die Orte, an denen sie im Wald zusammentreffen, zusammengestellt: underground house, treetop house, logpile house, rocks, stream und lake. Unter der Rubrik Feelings können wahrgenommene Stimmungen oder Gefühle und unter der Rubrik Extras stilistische Mittel, die nach Ansicht der Kinder im Film vorkommen, gesammelt werden. Die Schülerinnen und Schüler vermerken in den Spalten Book und Guess what’s in the film mit einem bzw. , was im Buch vorkommt und nach ihrer Vermutung im Film vorkommen bzw. nicht vorkommen wird. Ein Gespräch über die im Buch vermittelte Stimmung schließt sich an. Zum Abschluss der Pre-Viewing-Phase erhalten die Kinder die zuvor im Plenum erarbeitete Tabelle. Book Guess what’s in the film Film Characters / Animals: • mouse • fox • owl • snake • extra animals Places: • underground house • treetop house • logpile house • rocks • stream • lake Feelings: • funny • scary • sad Extras: • music • sounds • movements • voices Tab. 4: Pre-Viewing Activity: Vergleich Buch und Film In der While-Viewing-Phase sollen die in der Pre-Viewing-Phase aufgebauten Seh- und Hörerwartungen überprüft werden, und die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit zum sprachrezeptiven Handeln erhalten. Dazu wird der Film einmal im Ganzen gezeigt. Die Kinder vermerken während des Anschauens in der dritten Spalte der Tabelle, ob die im Buch vorkommenden Charaktere, Orte und Stimmungen auch denen des Films entsprechen und überprüfen somit ihre im Vorfeld gemachten Vermutungen. Hier kommen die Kompetenzen des Hör- und Hör-/ Sehverstehens zum Tragen. Anschließend wird die Liste gemeinsam besprochen, und Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden konkret benannt. In einem weiteren Schritt wird der Film in Sequenzen 42 Carmen Becker, Jana Roos 45 (2016) • Heft 1 gezeigt, und kurze Gespräche zu den von T HALER (2014; vgl. Tabelle 2 [S. 38f.]) genannten Fragen in Bezug auf persons, places, plot und point (problem) schließen sich an. Dabei sollte insbesondere auf Aspekte eingegangen werden, die den Film vom Buch unterscheiden. So wird die Geschichte im Film von einer Eichhörnchenmutter erzählt, die als weiterer Charakter zu Beginn des Films eingeführt wird. Auch die oben beschriebene Tatsache, dass der Film auf Kinder häufig wesentlich gruseliger wirkt als das Buch, kann in diesem Zusammenhang thematisiert werden. Gründe für die unterschiedlichen Gefühle, die durch die stilistischen Mittel des Films erzeugt werden, können beim Betrachten und Vergleichen einzelner Szenen in Buch und Film auch schon im Englischunterricht der Grundschule mit einfachsten sprachlichen Redemitteln benannt werden (z.B. The sounds, music, eyes is/ are scary. The mouse is small.). Exemplarisch kann etwa die Sequenz des Films betrachtet werden, in der die Maus versucht, einen Fluss zu überqueren, und es kann besprochen werden, warum diese Szene ggf. als unheimlich(er) wahrgenommen wird als die entsprechende Szene im Bilderbuch (vgl. P ATON 2010: 3). So wird die Flussüberquerung in der Illustration im Buch nicht im Detail dargestellt. Im Film jedoch durchlebt man die detailliert ausgestaltete, gefährlich wirkende Szene aus der Perspektive der kleinen Maus, die gleich mehrere Gefahren zu überwinden hat. So rutscht sie auf dem Baumstamm aus, fällt mehrmals beinahe in den Fluss und fährt mitsamt dem sich in Bewegung setzenden Baumstamm um Haaresbreite einen Wasserfall herunter. In letzter Sekunde wird sie von der Eule „gerettet“, die sie aufgreift und an ihren Krallen hängend mit auf einen Ast hoch oben im Baum nimmt. Die Tongestaltung der Szene, die das Rauschen des Flusses, das Schreien der Eule und die musikalische Untermalung umfasst, erhöht die Spannung. In der Post-Viewing-Phase sollten Lernaufgaben Gelegenheiten zum filmbezogenen sprachproduktiven Handeln bieten. Der Film wird dazu noch einmal betrachtet, und die Kinder identifizieren und sammeln anschließend sämtliche Lieblingsspeisen des Gruffalo, die sich die Maus im Laufe der Geschichte ausdenkt - wie roasted fox, owl ice cream und scrambled snake - und stellen diese auf einem Gruffalo Menue zeichnerisch dar. Anschließend stellen sich die Kinder die Zeichnungen gegenseitig vor. Gemeinsam wird dann überlegt, wie man die Geschichte verändern könnte, indem man die Tiere, die Speisen und die Behausungen der Tiere austauscht. Dazu wird an der Tafel eine Sammlung von bekanntem Tiervokabular sowie weiteren möglichen Behausungen und Gruffalo-Speisen erstellt. Anschließend bekommen die Kinder den typischen Wortwechsel von Maus und Tier als Lückentext vorgelegt und verändern diesen durch Einsetzen des zuvor gesammelten Wortschatzes. A(n) ______saw the mouse, and the mouse looked good. “Where are you going to, little brown mouse? Come and have_______ ____ my _________ house.” “It’s frightfully nice of you, _____________, but no - I’m going to have ________ with a gruffalo.” “A gruffalo? What’s a gruffalo? ” “A gruffalo! Why, didn’t you know? He has knobbly knees, and turned-out toes, and a poisonous wart at the end of his nose.” Der Film The Gruffalo im Englischunterricht der Grundschule 43 45 (2016) • Heft 1 “Where are you meeting him? ” “Here, by this ________ And his favourite food is_________” “__________? ___________! ” “Goodbye, little mouse.” (Donaldson & Scheffler 1999) Die neugeschaffene Szene könnte dann z.B. folgendermaßen aussehen: A tiger saw the mouse, and the mouse looked good. “Where are you going to, little brown mouse? Come and have tea on my logpile house.” “It’s frightfully nice of you, tiger, but no - I’m going to have tea with a gruffalo.” “A gruffalo? What’s a gruffalo? ” “A gruffalo! Why, didn’t you know? He has knobbly knees, and turned-out toes, And a poisonous wart at the end of his nose.” “Where are you meeting him? ” “Here, by this lake. And his favourite food is tiger cake” “Tiger cake? Grrrrrrr! ” “Goodbye, little mouse,” Die Kinder erweitern abschließend das zuvor erstellte Gruffalo Menue um eine weitere Speise und üben die durch creative copying entstandenen Szenen ein. In diesem Zusammenhang können ggf. auch komische Elemente der Geschichte verdeutlicht werden. Diese sind in der Geschichte teilweise eher subtil dargestellt und können gerade aufgrund des höheren Spannungsfaktors des Films leicht in den Hintergrund treten. In einem nächsten Schritt fertigen die Kinder gemeinsam ein Storyboard für ihre Szene an. Das Storyboard dient als Script für die sich anschließende Produktion eines kurzen Videoclips. Vor dem „Dreh“ überlegen die Kinder, mit welchen Mitteln (z.B. Kameraeinstellung und Perspektive, Musik und Geräusche) sie die Szene besonders unheimlich oder lustig gestalten können, und setzen dies anschließend um. Bei einer Filmvorführung können die so entstandenen individuellen Endprodukte gemeinsam besprochen und in Bezug auf ihre Wirkung verglichen werden. Dabei wird das bei der Bearbeitung des Films angebahnte Bewusstsein für die Wirkung filmischer Elemente auf eine praktische Ebene überführt. Das vorgestellte Beispiel verdeutlicht, dass über für die Grundschule relevanten Wortschatz, wie animals und nature, ein vertiefter Zugang zu Filminhalten geschaffen werden kann, der neben einem detaillierten Verstehen authentisch gesprochener Sprache auch die kreative Arbeit mit kontextualisiertem Wortschatz ermöglicht (B ECKER / R OOS i.V.). 3. Fazit Die Geschichte des Gruffalo hat weltweit Bekanntheit erlangt und hat es, z.B. als Theaterstück adaptiert, sogar bis nach Manhattan geschafft, wie die New York Times 2004 berichtete: „Over the years mid-Manhattan has attracted many a monstrous creature. King Kong has visited. Godzilla, too. And now (shudder) comes the Gruffalo“ (V AN G ELDER 2004). 44 Carmen Becker, Jana Roos 45 (2016) • Heft 1 Über geeignete Lernaufgaben, die in einem prozessorientierten Pre-, While- und Post-Viewing-Vorgehen auf vielfältige Weise einen Zugang zum Film ermöglichen, können bereits im Englischunterricht der Grundschule Lernszenarien entwickelt werden, die Gelegenheiten zum filmbezogenen sprachrezeptiven sowie sprachproduktiven Handeln eröffnen. Insbesondere in Verbindung und im direktem Vergleich mit der literarischen Vorlage ermöglicht die Arbeit mit dem Film nicht nur ein vertieftes inhaltliches Verständnis, sondern kann auch als Sprungbrett dienen, um Filmkompetenz kindgemäß anzubahnen und sukzessive zu entwickeln. Literatur B ECKER , Carmen / R OOS , Jana (i.V.): „Film im Englischunterricht der Grundschule: Kompetenzentwicklung durch Lernaufgaben“. In: B LELL / G RÜNEWALD / K EPSER / S URKAMP (Hrsg.) (i.V.). B LELL , Gabriele / G RÜNEWALD , Andreas / K EPSER , Matthis / S URKAMP , Carola (Hrsg.) (i.V.): Film in den Fächern der sprachlichen Bildung. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren (Reihe Film - Bildung - Schule, Bd. 2). B ÖHMANN , Marc / L AWRENZ , Nina (2011): Der Grüffelo von Axel Scheffler und Julia Donaldson. Ideen und Materialien zum Einsatz des Bilderbuchs in Grundschule und Kindergarten. Weinheim und Basel: Beltz. B REDENBRÖCKER , Martina / B ÖHRER , Julia (2009): „The Gruffalo“. In: Grundschulmagazin Englisch 5, 17. D ONALDSON , Julia / S CHEFFLER , Axel (1999): The Gruffalo. London: MacMillan Children’s Books. H ENSELER , Roswitha / M ÖLLER , Stefan/ S URKAMP , Carola (2011): Filme im Englischunterricht. Grundlagen, Methoden, Anregungen für die Unterrichtspraxis. Seelze: Klett/ Kallmeyer. M INISTERIUM FÜR S CHULE UND W EITERBILDUNG DES L ANDES N ORDRHEIN -W ESTFALEN (MSW) (2008): Kompetenzorientierung - Eine veränderte Sichtweise auf das Lehren und Lernen in der Grundschule. Frechen: Ritterbach. M ÜLLER -H ARTMANN , Andreas / S CHOCKER , Marita / P ANT , Hans Anand (Hrsg.) (2013): Englischkompetenzen entwickeln: Praxiserprobte Lernaufgaben für die Sekundarstufe I. Die Bildungsstandards Englisch illustriert durch umfangreiches Videomaterial aus Klassenzimmern. Braunschweig: Diesterweg & IQB. P ATON , Gill (2010): Discovery Film Festival. Teacher’s Resource - The Gruffalo. Dundee: Dundee Contemporary Arts. T HALER , Engelbert (2014): Teaching English with Films. Paderborn: Schöningh. V AN G ELDER , Lawrence (2004): „Theater in Review: Small Mouse, Big Imagination“. New York Times, February 12, 2004. http: / / www.nytimes.com/ 2004/ 02/ 12/ theater/ theater-in-review-smallmouse-big-imagination.html. (03.12.2015) Filmverzeichnis I Will Never Not Ever Eat a Tomato, UK 2007, Lauren C HILD / Kitty T AYLOR . (DVD BBC/ Tiger Aspect Productions). The Gruffalo, UK 2009, Axel S CHEFFLER / Julia D ONALDSON / Max L ANG . (DVD BBC/ Magic Light Pictures). The Very Hungry Caterpillar, Eric C ARLE (DVD).