Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2016
451
Gnutzmann Küster SchrammSabine HOFFMANN, Antje STORK (Hrsg.): Lernerorientierte Fremdsprachenforschung und -didaktik. Festschrift für Frank G. Königs zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr 2015 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 394 Seiten [68,00 €]
61
2016
Lutz Küster
flul4510140
140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 1 ein differenziertes Verständnis des Leitkonzepts, das pro- und reaktive Ausprägungen gleichermaßen berücksichtigt (vgl. S. 342-347). Die Stärke des Werks liegt eindeutig in der empirischen Ausrichtung. Die theoretischen Fundierungen hingegen fallen eher überblicksartig aus und werden im Lichte der Untersuchungsergebnisse nicht näher modifiziert. Kritisch sei zudem vermerkt, dass Redundanzen in der Darstellung oftmals ermüdend wirken. Gleichzeitig weist die Studie bestimmte „Leerstellen“ auf. Dass Gender-Fragen ausgespart werden, benennt der Autor explizit, andere Begrenzungen hingegen thematisiert er nicht. So bleibt er Angaben zu den Inhalten und Verfahren des universitären Sprachunterrichts wie auch der didaktischen Ausbildungsanteile schuldig, was das Verständnis der untersuchten Lernersichten erschwert. Ferner erscheint mir die Wertschätzung, die H UANG der berufsbezogenen Autonomieentwicklung der Studierenden entgegenbringt, angesichts deren primärer Orientierung an einem vorwissenschaftlichen Erfahrungsschatz höchst fragwürdig. In diesen Vorbehalten mag sich eine typisch „westliche“ Sicht spiegeln, dies schmälert jedoch nicht ihre Berechtigung als zu diskutierende fachliche Positionierung. Den genannten Monita zum Trotz ist es unbestreitbar ein Verdienst des Buches, der internationalen Fachöffentlichkeit einen empirisch gestützen Einblick in die universitäre Englischlehrerausbildung in China zu vermitteln. Dies kann dazu beitragen, dass wir uns hierzulande die kulturelle Determiniertheit eigener didaktischer Normvorstellungen intensiver vergegenwärtigen. Berlin L UTZ K ÜSTER Sabine H OFFMANN , Antje S TORK (Hrsg.): Lernerorientierte Fremdsprachenforschung und -didaktik. Festschrift für Frank G. Königs zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr 2015 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 394 Seiten [68,00 €] Festschriften sind bei Verlagen nicht sehr beliebt. Die Verkaufszahlen - so ist zu hören - lägen in der Regel deutlich unterhalb derer von thematisch klar konturierten Sammelbänden. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge jedoch anders. Denn den Herausgeberinnen ist es gelungen, eine thematische Kohärenz des Buchs über eine Gliederung in vier Inhaltsbereiche herzustellen, die ihrerseits durch das im Titel genannte Prinzip der Lernerorientierung miteinander verbunden sind. Die Themenfelder entsprechen bedeutenden Forschungsschwerpunkten Frank G. K ÖNIGS ’ und sind wie folgt betitelt: „Mehrsprachigkeit“, „Kompetenzen ausbilden, prüfen und erforschen“, „Methodik der Fremdsprachenvermittlung“ und „(Aus-)Bildung von Fremdsprachenlehrenden“. In einem fünften Hauptteil dokumentieren die Herausgeberinnen den akademischen Werdegang des Jubilars und über ein 24 S. langes Schriftenverzeichnis sein forscherisches Schaffen. Seine hohe Reputation in der scientific community spiegelt sich in der Zahl von 29 Beiträgen. Angesichts dieses Umfangs wird sich die vorliegende Rezension im Wesentlichen darauf beschränken müssen, die Aufsätze in ihren Gegenständen und Tendenzen überblicksartig vorzustellen. Gleichwohl sollen der Leserschaft im Rahmen einer summarischen Wertung Orientierungen für eine mögliche Kaufentscheidung vermittelt werden. Innerhalb der einzelnen Themenbereiche sind die Beiträge alphabetisch nach Autorennamen geordnet. Dies impliziert zwar einen Verzicht auf thematische Subgliederungen, angesichts der Tatsache, dass Sammelbände in der Regel eher selektiv gelesen werden, ist dies jedoch gerechtfertigt. Im ersten Teil („Mehrsprachigkeit“) fällt auf, dass nur einige der Beiträger/ innen sich spezifisch mit der von Ihnen in universitärer Lehre vertretenen Sprache beschäftigen. Zu ihnen zählen in erster Linie Claus G NUTZMANN in Bezug auf das Englische in der Wissenschaftskommunikation, Wolfgang T ÖNSHOFF mit didaktisch-methodischen Grundsatzüberlegungen zu einem Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 45 (2016) • Heft 1 mehrsprachigkeitsorientierten DaF-Unterricht sowie Hans-Jürgen K RUMM mit dem Fokus auf die Bildungssprache Deutsch in einem „Curriculum Mehrsprachigkeit“. Primär in übergreifender Perspektive setzen sich hingegen Wolfgang H ALLET mit dem Konzept des sprachenvernetzenden Lernens und Lars S CHMELTER mit lexikalischen Transferstrategien auseinander, deren unterrichtliches Training er als „minimalinvasive“ Strategie bezeichnet. Eine Hinwendung zu anderen Einzelsprachen ist demgegenüber bei Britta H UFEISEN und Franz-Joseph M EIßNER zu beobachten. Während erstere nach der Rolle fragt, die Latein in einem Gesamtsprachencurriculum einnehmen könnte, untersucht letzterer die Erschließungsstrategien einer 59-jährigen Probandin bei der Konfrontation mit einem Text in der ihr zuvor völlig unbekannten Sprache Schwedisch. Er leitet daraus den Schluss ab, dass sich die Interkomprehensionsdidaktik verstärkt den Herausforderungen einer Intake-Optimierung stellen müsse. Fragen, die von empirischer (Lern-)Prozessforschung zur Anbahnung und Überprüfung fremdsprachlicher Kompetenzen reichen, stehen im Fokus des zweiten Teils. Empirisch ausgelegt ist vor allem der Beitrag von Sabine H OFFMANN zu Sprachlernberatungsgesprächen im DaF- Bereich. Darin analysiert die Autorin Ergebnisse einer Untersuchung zum interaktiven Gesprächsgeschehen in personenzentrierten Interviews. Ebenfalls auf Empirie gerichtet, jedoch eher auf einer Meta-Ebene angesiedelt, sind die Texte von Fabio A LVES und Claudia R IEMER . Während A LVES Frank K ÖNIGS ’ Modell des Übersetzungsprozesses aus dem Jahre 1987 in seiner Bedeutung für die Entwicklung der empirischen Translationsforschung würdigt, geht R IEMER der Frage nach, ob wir nach vielen Jahren der Lernerforschung genügend über die Lernenden wissen. Anhand einschlägiger Schriften des Jubilars reflektiert sie die Fortschritte, aber auch die ungelösten Aufgaben der empirisch forschenden Disziplin. Mit der Anbahnung bestimmter Teilkompetenzen beschäftigen sich Sylwia A DAMCZAK -K RYSTOFOWICZ (Hörverstehen) und Dieter W OLFF (Schreiben). Beide beziehen lernbzw. sprachpsychologische Forschungsergebnisse in ihre Überlegungen ein, die Erstgenannte in Bezug auf den Faktor Alter und auf eine adressatengerechte Förderung erwachsener Deutschlerner in Polen, der Letztgenannte mit Blick auf die - aus seiner Sicht überzogen anspruchsvollen, da sprachpsychologische Entwicklungsmodelle ignorierenden - Vorgaben des Europäischen Referenzrahmens und schulischer Rahmenpläne. Eva B URWITZ -M ELZER wiederum richtet ihre Aufmerksamkeit auf Kriterien einer Entwicklung von Lern- und Prüfaufgaben im Kontext schulischen Oberstufenunterrichts. Ihr Beitrag bildet inhaltlich eine Brücke zu dem von Rüdiger G ROTJAHN und Karin K LEPPIN , der Kompetenzevaluation zum Gegenstand hat. Anknüpfend an die fortdauernde Tätigkeit K ÖNIGS ’ im Rahmen der Feststellungsprüfung deutscher Sprachkenntnisse unter Bewerber/ inne/ n für den Schuldienst, die ihre Lehrbefähigung im Ausland erworben haben, unterziehen sie die betreffenden Testverfahren einer kritischen Analyse. Der Untertitel des dritten Buchteils weist als Schwerpunkt methodische Aspekte der Fremdsprachenvermittlung aus. Gleichwohl sind diese nicht strikt von inhaltsbezogenen und damit didaktischen Fragen zu trennen. Am eindeutigsten methodisch ausgerichtet ist der Beitrag von Ruth A LBERT zu einer Methodenerprobung in Alphabetisierungskursen mit erwachsenen DaZ- Lernern, welche nicht mit der lateinischen Schrift vertraut sind. Ebenfalls nur am Rande inhaltliche Aspekte behandeln zwei Texte, in denen die Einsatzmöglichkeiten digitaler Medienformate in sprachenübergreifender Perspektive erörtert werden: Im Kontext eines Blended Learning arbeitet Stefan B AIER den Mehrwert heraus, der aus seiner Sicht Lernplattformen im Allgemeinen und Anwendungen wie Voki.com, Glogster und Wordle im Besonderen für die Gestaltung eines lerneraktivierenden Fremdsprachenunterrichts zukommt. Positiv wertend, jedoch auch kritisch diskutierend wendet sich Simon F ALK den Möglichkeiten Mobilen Lernens zu, mithin der Nutzung von Anwendungen für Smartphones und Tablet-PCs. Überzeugend plädiert er dafür, Lerner als Co-Designer und Co-Forscher in Unterrichtsforschung einzubeziehen. Demgegenüber 142 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 1 kommen in zwei Beiträgen mit den didaktisch-methodischen Potenzialen spezifischer Medientexte bzw. Textgattungen die Inhalte sprachlichen Lernens stärker zum Tragen. Mit Blick auf die Gattung Krimis bringt Victoria S TOROZENKO neben Aspekten generischen Lernens auch Potenziale der Schreibförderung zum Anschlag, während Uwe K OREIK die Notwendigkeit, im DaF/ DaZ-Unterricht auch kulturkundliche Inhalte zu behandeln, betont. In dieser Zielrichtung analysiert er die Einsatzmöglichkeiten des Kurzfilms „Der kleine Nazi“. Gleichfalls mit Blick auf kulturkundliches Lernen hebt Dietmar R ÖSLER hervor, welche Bedeutung das Übersetzen und die Arbeit mit Übersetzungen im Fremdsprachenunterricht bzw. in fremdsprachenphilologischen Studiengängen auch heutzutage noch haben können. Einer lernerorientierten Grammatikvermittlung wiederum widmet sich Dagmar S ILBERSTEIN . Konkret geht es ihr darum zu zeigen, wie Modalpartikel im DaF/ DaZ-Unterricht unter Berücksichtigung aktuell gesprochener Sprache am Gegenstand der Fernsehserie „Berlin, Berlin“ erarbeitet werden können. Den zu Recht als stiefmütterlich kritisierten Umgang der Fremdsprachenforschung mit den spezifischen Lernbedingungen an berufsbildenden Schulen greift Jörg R OCHE auf. Er legt dar, dass und wie Aufgaben- und Handlungsorientierung gerade angesichts der besonders heterogenen Schülerschaft dieser Schulform eine geeignete methodische Wahl darstellen. Während hier die lernerbezogenen Aspekte einer Unterrichtsgestaltung im Vordergrund stehen, rückt Wolfgang Z YDATIß in Bezug auf bilinguale Bildungsgänge die Spezifik sprachlicher Lernziele ins Zentrum seines Interesses. Er entfaltet das Konzept einer domänenorientierten Diskursfähigkeit und zeigt Wege auf, wie diese unterrichtlich angebahnt werden kann. Das fünfte und letzte Themenfeld zur (Aus-)Bildung von Fremdsprachenlehrenden erweitert den Blick auf zukünftige Lehrende als Lernende. Grundlegend beleuchtet Hélène M ARTINEZ die einschlägigen Vorgaben der KMK zu Kompetenzstandards, welche sie als Beitrag zur Vergleichbarkeit und Qualitätsentwicklung in der universitären Lehrerbildung würdigt. Sie macht aber auch geltend, dass Kompetenzstandards nur dann greifen, wenn über opportunity-to-learn- Standards die nötigen Rahmenbedingungen bereitgestellt werden. Gleich zwei Beiträge befassen sich mit der Ausbildung einer interkulturellen Kompetenz unter Lehramtsstudierenden. Frauke und Heinz S TRÜBIG heben unter Verweis auf K ALFKIS „epochaltypischen Schlüsselprobleme“ die aus ihrer Sicht zentrale Bedeutung des Fremdverstehens hervor. Kritischer äußern sich Angela S CHMIDT -B ERNHARDT und Antje S TORK , wenn sie nach einer Diskussion des Kulturbegriffs am Beispiel eines Begegnungsprojekts deutscher und polnischer Lehramtsstudierender deutlich machen, dass eine „kulturelle Brille“ den Blick auf ein angemessenes Verstehen der anderen auch versperren kann. Deshalb betonen sie die Bedeutung einer (selbst)kritischen Reflexion von Begegnungserfahrungen. „Reflexion“ bzw. „reflexives Lernen“ sind Schlüsselbegriffe dreier weitere Beiträge. David G ERLACH beruft sich auf D EWEY , wenn er eine verstärkte Verankerung von Reflexionsaufgaben in der Lehrerbildung fordert. Ausgehend von der Feststellung, dass aus empirischer Fremdsprachenforschung keine unmittelbaren Handlungsempfehlungen für unterrichtliche Praxis ableitbar sind, spricht sich Karin A GUADO ebenfalls dafür aus, forschendes Lernen konsequenter in Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrenden zu implementieren, da sie darin einen Weg sieht, die Qualität von Unterricht zu verbessern. Eine ähnliche Zielvorstellung lässt sich schließlich bei Michael L EGUTKE und Imke M OHR erkennen. Das Autorenduo illustriert anhand der Fort- und Weiterbildungsreihe Deutsch Lehren Lernen des Goethe-Instituts, wie die dort angeleiteten Praxiserkundungsprojekte zu Kontinuität und Nachhaltigkeit von Professionalisierungsprozessen beitragen können. Es gehört zu den Genrekonventionen einer Festschrift, dass die Autorinnen und Autoren in ihren Beiträgen Verbindungen zwischen den eigenen Arbeitsschwerpunkten und jenen des Geehrten herausarbeiten. Insofern erweist sich in ihr in der Regel ein doppelter Adressatenbezug als prägend, richten sich die Texte doch nicht nur an die wissenschaftliche Öffentlichkeit insge- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 143 45 (2016) • Heft 1 samt, sondern zumindest implizit auch an den Jubilar selbst. Das hier besprochene Buch bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Mag dieser Umstand mancher Festschrift eine nur eingegrenzte Relevanz für die Fortentwicklung der fachlichen Diskurse und damit eine vergleichsweise geringe Attraktivität verleihen, erwächst aus ihm hier insofern ein besonderer Reiz, als die Dialogstruktur den Leser zu einer differenzierten Problemsicht verhilft. Das Buch sei all jenen empfohlen, die sich einen Einblick in zentrale Forschungsfragen der Sprachlehrforschung und Fremdsprachendidaktik und in die Positionierungen namhafter Vertreter verschaffen wollen. Berlin L UTZ K ÜSTER