eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache

121
2016
Claudia Riemer
flul4520030
L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 31 45 (2016) • Heft 2 resse für Sprache und Kultur zu lernen - mit der tendenziellen Zielrichtung, evtl. sogar als Mitglied dieser Sprachgemeinschaft akzeptiert zu werden. Die instrumentelle Motivation zielt hingegen auf eher pragmatische, die Nützlichkeit der L2 betreffende Gründe, insbesondere zur Verbesserung der Lebens- und Berufschancen oder um z.B. durch das Bestehen einer Sprachprüfung Zugang zu einem Ausbildungsgang zu erhalten. Beide Motivationstypen wurden als lernförderlich nachgewiesen (vgl. exemplarisch G ARDNER / M AC I NTYRE 1991). Der Forschungsschwerpunkt der G ARDNER schen Forschungsgruppe lag jedoch zweifellos auf der Untersuchung der Rolle der Integrativität beim Fremdsprachenlernen, wenn auch die seit den 1990er-Jahren erfolgte Kritik das socio-educational model häufig zu sehr darauf verengt hat. Der Ansatz ist deutlich breiter aufgestellt und sieht Lernmotivation auch wesentlich in den Einstellungen des Lernenden zur Lernaufgabe selbst sowie im Ausmaß der Lernanstrengung und Ausdauer verankert (vgl. G ARDNER 2010). Allgemeiner Konsens ist inzwischen, dass sich die beiden Orientierungen nicht gegenseitig ausschließen und sich in unterschiedlichen Ausprägungen in den Lernenden wiederfinden können; weitere spezifische Orientierungen wie Reise-, Bildungs- und allgemeine Kontaktmotive wurden außerdem ermittelt (vgl. B ELMECHRI / H UMMEL 1998; C LÉMENT / K RUIDENIER 1983). Das socio-educational model kann als ein bis heute gültiges, gleichzeitig umfassendes Modell zur Erfassung des Zusammenhangs von L2-Motivation und L2-Erwerb betrachtet werden. Es ist hinreichend anschlussfähig, um neuere Erkenntnisse und Ausformungen von die L2-Motivation beeinflussenden Variablen zu integrieren - seien es verhaltensregulierende Variablen (z.B. extrinsische und intrinsische Motivation, Einfluss von Kausalattributionen; s.u.) oder Unterrichts- und soziale Variablen, die im sozio-kulturellen Milieu verortet sind. Der aktuelle Forschungsdiskurs um das sog. Ideal L2 Self, das die Rolle des vom Lernenden selbst angestrebten, mit der Beherrschung der L2 verbundenen, idealen Selbstkonzepts als zentralen Motivator hervorhebt (vgl. D ÖRNYEI / U SHIODA 2009), kann auch als Neudefinition der integrativen Orientierung verstanden werden. Seit den 1990er-Jahren wurden verstärkt pädagogisch-psychologische, kognitionspsychologische und prozessorientierte Konzepte in die L2-Motivationsforschung integriert (vgl. D ÖRNYEI 1990 als Ausgangspunkt diesbezüglicher Entwicklungen). Für die hier dokumentierte Studie sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Attributionstheorie und die Selbstbestimmungstheorie als wesentliche Bezugstheorien zu benennen. Die auf die L2-Motivationsforschung bezogene Selbstbestimmungstheorie in der Tradition von D ECI und R YAN (1985) unterscheidet zwischen der ‚intrinsischen‘, aus Interesse und Selbstantrieb geleiteten Motivation und der ‚extrinsischen‘ Motivation, die sich aus externen Anreizen (wie etwa dem Erzielen guter Schulnoten oder der Vermeidung von Strafen) sowie der lernerseitigen Erfahrung von Selbstwirksamkeit speist. Die extrinsische Motivation wird weiter in vier unterschiedliche Verhaltensregulationen unterschieden: ‚External‘ reguliertes Handeln zielt auf die Vermeidung von Konflikten (z.B. mit Eltern oder Lehrkräften) bzw. auf Anerkennung durch andere. Die anderen drei Regulationen implizieren einen zunehmend selbstbestimmten Anteil, der sich bei der ‚introjizierten‘ Regulation noch auf der Basis äußeren Drucks und 32 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 Pflichtgefühls entwickelt, wohingegen ‚identifiziert‘ reguliertes Handeln die Nützlichkeit des Tuns reflektiert und schließlich bei der ‚integrierten‘ Regulation das L2-Lernen als Teil der eigenen Persönlichkeit und als Ausdruck eines individuellen Bedürfnisses akzeptiert ist (vgl. exemplarisch N OELS ET AL . 2000). Die L2-Attributionstheorie adaptiert grundlegende Konzeptionen von W EINER (1986), indem die Rolle lernerseitiger Interpretation von Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen (Kausalattributionen) beim Fremdsprachenlernen hervorgehoben werden. Erfolgserlebnisse können demnach die Lernmotivation verstärken, Misserfolgserlebnisse sie dagegen schwächen, insbesondere wenn die lernende Person die Ursachen für erfolgreiches oder weniger erfolgreiches Fremdsprachenlernen auf die eigene Leistungsfähigkeit zurückführt (‚internale‘ Lokation). Selbstwahrnehmungen, Selbstvertrauen und generalisierte Überzeugungen der Lernenden bzgl. der eigenen Person interagieren mit diesen Zuschreibungen. Bei ‚externaler‘ Lokation von Erfolg oder Misserfolg werden die Ursachen dafür außerhalb der Person verortet. Werden die Ursachen außerdem als wenig durch persönlichen Einsatz kontrollierbar eingeschätzt, kann dies eine Tendenz zur sog. ‚erlernten Hilflosigkeit‘ bewirken und negative Folgen auf die weitere Investition von Lernanstrengung bewirken (vgl. exemplarisch W ILLIAMS / B UR - DEN / A L -B AHARNA 2001). Neben der Erforschung der Motive für das Erlernen von Fremdsprachen wird inzwischen verstärkt an Ansätzen gearbeitet, die die Entstehung und Aufrechterhaltung hoch motivierten Lernens (vgl. D ÖRNYEI / H ENRY / M UIR 2016), also den dynamischen Charakter von Motivation untersuchen. Eine zunächst, z.B. zu Beginn des Fremdsprachenlernens, vorhandene oder nicht vorhandene Motivation kann sich im weiteren Lernverlauf fortwährend intensivieren oder abschwächen. Auf D ÖRNYEI und O TTÓ (1998) geht ein stärker prozessorientiertes Modell zurück. Dieses berücksichtigt die initiale Entscheidung von Lernenden für das Erlernen einer Fremdsprache sowie die Prozesse, die dazu führen, dass eine motivationale Schwelle überschritten wird und Lernhandlungen dann auch tatsächlich durchgeführt werden. Das Modell berücksichtigt des Weiteren, dass diese motivationalen und volitionalen, sich im Lernenden vollziehenden Prozesse mit äußeren Einflüssen in Wechselwirkung stehen: mit dem sozio-kulturellen Milieu und dort verorteten relevanten Bezugspersonen, mit den tatsächlich vorhandenen Lernmöglichkeiten - und im Falle gesteuerten Fremdsprachenlernens mit den konkreten Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die internationale Forschung zur L2-Motivation in unterschiedlichen Entwicklungslinien mit den Beweggründen von Lernenden für das Fremdsprachenlernen, damit verbundenen Willensbildungs- und Identitätsprozessen und, wenn auch in geringerem Umfang, mit den motivationalen Prozessen im Verlauf des Fremdsprachenlernens befasst hat. Weniger in den Blick genommen wurden die äußeren Bedingungen, die von den sprachen- und bildungspolitischen Entscheidungen in den unterschiedlichen Ländern abhängen, wie z.B. der vermeintlich simple Aspekt, ob und - wenn überhaupt - in welcher Schulform und mit welcher Verbindlichkeit und welchen Wahl-/ Wahlpflichtmöglichkeiten Fremdsprachen im jeweiligen nationalen Schulsystem angeboten werden. Dies verwundert nicht, L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 33 45 (2016) • Heft 2 nimmt man zur Kenntnis, dass die überwiegende Mehrzahl der Untersuchungen zur L2-Motivation zum Kontext des Erwerbs der internationalen L2 Englisch durchgeführt wurden, für die sich diese Frage, wenn überhaupt, nur in vernachlässigbarem Umfang stellt. Die Frage, ob und auf welche Weise aber solche äußeren Faktoren die Beweggründe und Prozesse (mit) initiieren und aufrechterhalten, eine Sprache wie das Deutsche als Fremdsprache (DaF) zu lernen bzw. ihren Erwerb hemmen oder gar zum Erliegen bringen, soll im Folgenden berücksichtigt werden. 2. Zur internationalen Stellung der deutschen Sprache Wer sich mit dem Lernen des Deutschen als Fremdsprache beschäftigt, stößt schnell auf Fragen nach der internationalen Stellung und dem Gebrauchswert der deutschen Sprache außerhalb deutschsprachiger Länder. Ganz erheblich unterscheidet sich die kommunikative Reichweite der deutschen Sprache von der anderer europäischer Sprachen wie Englisch (unangefochtene internationale Verkehrssprache), Französisch (Amts-, Zweit- und Kommunikationssprache neben den regionalen Muttersprachen in vielen außereuropäischen Ländern, insbesondere in Afrika) oder Spanisch (häufigste L1 auf dem amerikanischen Doppelkontinent). Im Vergleich mit anderen europäischen Sprachen, wie etwa den skandinavischen Sprachen, können L1- und L2-Sprecher des Deutschen diese Sprache aber in vielfältigen, auch internationalen Kontexten, insbesondere im Bereich der Medien, Bildung und zumindest teilweise im Rahmen internationaler Wirtschaftskommunikation und manchmal (tendenziell allerdings immer seltener) in der internationalen Wissenschaftskommunikation gewinnbringend einsetzen. Hierzu existieren vielfältige und differenzierte Analysen und länderspezifische Untersuchungen. Hier ist insbesondere Ulrich A MMON zu nennen, der langjährige Forschungsarbeit jüngst akribisch zusammengetragen hat und dabei einleitend zusammenfasst: „Wären Deutschkenntnisse nicht auch ein Vorteil für Fremdsprachler, so würde sich über kurz oder lang fast niemand mehr die Mühe machen, Deutsch als Fremdsprache zu lernen“ (A MMON 2015: 2). Die Zahl der Lernenden, die weltweit DaF lernen bzw. als Kommunikationsmittel verwenden, trägt erheblich zur internationalen Stellung der deutschen Sprache bei. Das Sprachenlernen impliziert neben rein sprachlich-kommunikativen Zielen gleichzeitig die Auseinandersetzung mit und den Kontakt zu deutschsprachigen Ländern und Kulturen und trägt zur Repräsentanz des Deutschen und der deutschsprachigen Länder in den Regionen der Welt entscheidend bei. Nicht umsonst ist die Unterstützung des Erlernens der deutschen Sprache ein zentraler Baustein der deutschen auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und spiegelt sich in entsprechenden Programmen des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (z.B. DAAD-Lektorenprogramm), des Goethe-Instituts und des deutschen Auslandsschulwesens (z.B. PASCH 1 ) wider. 1 Vgl. das seit 2008 aufgesetzte Programm „Schulen: Partner der Zukunft“, mit dem inzwischen mehr als 1.800 Schulen mit Deutschschwerpunkt weltweit gefördert werden; http: / / www.pasch-net.de/ (15.06.2016). 34 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 3. Motive und Motivation für DaF 3.1 Entstehung, Zielsetzung und Umfang der Studie Seit 2004 arbeite ich an einer internationalen Studie, die zunächst eher als Begleitprodukt internationaler Lehr- und Forschungskooperation angelegt war (für Zwischenberichte aus dieser Studie vgl. Riemer 2005, 2006, 2011). Sie zielt auf Erhellung derjenigen Motive und Motivationen, die Lernende mit der Fremdsprache Deutsch verbinden. Den Anfang markierten Datenerhebungen bei Studierendengruppen 2 der Auslandsgermanistik, mit denen ich im Rahmen kurzfristiger Dozenturen zusammenarbeitete. Im Zuge meiner Tagungs- und Publikationstätigkeit wurden Kollegen/ -innen, insbesondere aus dem Netzwerk des DAAD und der Goethe-Institute dafür gewonnen, sich mit Datenerhebungen an der Studie zu beteiligen. Von mir betreute studentische Qualifikationsarbeiten 3 mit unterschiedlichem Länderschwerpunkt lieferten weitere Einsichten und gleichzeitig Daten zur Re-Analyse. Mittlerweile liegen Daten aus 20 Ländern von insgesamt 1.180 DaF-Lernenden vor (Armenien, Bosnien und Herzegowina, China, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Kenia, Kroatien, Kuba, Lettland, Madagaskar, Mongolei, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Slowakei, Spanien, Taiwan). Tab. 1 4 liefert Informationen über die jeweiligen Datensammlungen und - soweit möglich - grobe Hinweise zum Lernkontext der DaF-Lernenden. Anzumerken ist, dass die einzelnen Samples unterschiedlich groß sind, teilweise nur (sehr) kleine Teilnehmendenzahlen umfassen, sehr oft nur an einem Ort im Land erhoben wurden und daher in keiner Weise als für das jeweilige Land repräsentativ gelten können. Gleichwohl erlauben sie auch länderspezifische Einsichten, wiewohl - durch die vergleichende und axial-selektive Datenanalyse unterstützt - mit der Zeit die länder- und regionenübergreifenden, allgemeinen Motivationstendenzen stark ins Zentrum der Forschungsaufmerksamkeit rückten. 2 Dabei knüpfte ich an eine durch Willis J. E DMONDSON begründete Tradition an, Studierende durch das Schreiben von Sprachlernbiographien zur Reflexion vorhandener Sprachlernerfahrungen zu bewegen und diese Daten über hochschuldidaktische Zwecke hinaus (das Einverständnis der Studierenden wurde eingeholt) für die eigene Forschungsarbeit zu verwenden (vgl. exemplarisch E DMONDSON 2004). 3 Vgl. die leider nur zum Teil veröffentlichten Arbeiten von G LÖCKNER (*2013), H ELANDER (2006), K IRCHNER (2003, *2004), R ABITA (2015) und Ü LSBERG (2008); mit * markierte Arbeiten sind online verfügbar. 4 N=1.180 Abkürzungen: GI=Goethe-Institut; SJ=Studienjahr; ZfA= Zentralstelle für das Auslandsschulwesen * Re-Analysen von Daten aus studentischen Qualifikationsarbeiten ** Re-Analysen von Daten aus studentischen Qualifikationsarbeiten (kontrastive Pilotstudien mit Untersuchungsteilnehmenden, die kein DaF gelernt haben) L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 35 45 (2016) • Heft 2 Länder in geographischer Nähe (zu deutschsprachigen Ländern) Daten erhoben Armenien (Eriwan)* *N=12 Schüler/ -innen (Sprachdiplomklassen 9-11 an einer Schule mit erweitertem Deutschunterricht, ZfA) 2008 Bosnien und Herzegowina (Bihać) N=47 Germanistikstudierende (1. SJ: N=28, 3. SJ: N=12, 4. SJ: N=7) 2006 Finnland (Helsinki und andere Städte)* *N=39 Schüler/ -innen verschiedener Schulen 2005 Frankreich (Nancy) Frankreich (Metz)** N=28 GI Nancy (A1-C1) **N=28 Schüler/ -innen der 12. Klasse an einem Lycée in Metz/ Lothringen, davon 14 DaF-Lernende und 14 Nicht- DaF-Lernende 2005 2015 Georgien (Tiflis)* *N=66 Schüler/ -innen (Sprachdiplomklassen 9-11 an einer Schule mit erweitertem Deutschunterricht, ZfA) 2008 Griechenland (Thessaloniki) N=29 Germanistikstudierende 2004 Kroatien (Zadar) N=121 Germanistikstudierende (1. SJ: N=26, 2. SJ: N=39, 3. SJ: N=16, 4. SJ: N=40) 2006 Lettland (Riga) N=8 Germanistikstudierende 2005 Polen (Poznań) N=21 Germanistik-/ Lehramtsstudierende Deutsch 2009 Portugal (Coimbra, Lissabon) N=45 Germanistikstudierende Coimbra (3. SJ: N=13, 4. SJ: N=32), N=21 GI Lissabon 2005 Russland (Uljanowsk) N=5 Germanistikstudierende (Kurzstatements) 2004 Schweden (Uppsala)* Schweden (Linköping, Stockholm u.a.)** *N=8 Germanistikstudierende im 1. Fachsemester **N=75 Studierende, Schüler/ -innen und andere junge Erwachsene, davon 23 DaF-Lernende und 52 ohne DaF- Lernerfahrungen 2003 2013 Slowakei (Nitra) N=103 Germanistikstudierende (1. SJ: N=15, 2. SJ: N=30, 3. SJ: N=41, 4. SJ: N=17) 2006 Spanien (Madrid, Granada, Fuenlabrada) N=99 GI Madrid (A1-C1), N=31 GI Granada (A2-C1), N=40 GI Barcelona (A1-C1), N=20 Staatliche Sprachschule Fuenlabrada (A1-B1) 2005 Länder in geographischer Entfernung (zu deutschsprachigen Ländern) China (Qingdao) N=24 Studierende aus studienbegleitenden Deutschkursen (ingenieurwissenschaftliches Studium, 1. SJ) 2014 Kenia (Nairobi) N=25 Bachelor- und Masterstudierende 2004 Kuba (Havanna) N=32 Fremdsprachenstudierende 2004 Madagaskar (Antananarivo) N=50 Germanistikstudierende (1. SJ: N=9, 2. SJ: N=12, 3. SJ, N=15, 4. SJ: N=14) 2004 Mongolei (Ulaanbaatar) N=26 Germanistik-/ Lehramtsstudierende (1. SJ N=6, 2. SJ: N=7, 3. SJ: N=11, 4. SJ: N=2) 2006 Russland (Chabarovsk) N=67 Dolmetscher-/ Fremdsprachenlehramtsstudierende (3. SJ: N=25; 4. SJ: N=23, 5. SJ: N=19) 2004 36 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 Taiwan (Kaohsiung) N=110 Fremdsprachenstudierende Deutsch/ Englisch (3. SJ Junior-College, N=68 Hauptfach Deutsch, N=42 Nebenfach Deutsch) (Kurzstatements) 2004 Tab. 1: Übersicht über bislang durchgeführte Teilstudien 3.2 Forschungsmethodischer Ansatz Die Studie folgt einem explorativ-interpretativen Forschungsansatz und ist an den Forschungsstil der Grounded Theory angelehnt. Zugrunde gelegt werden Prinzipien der sukzessiven und kontrastiven Erhebung von Daten sowie der theoretisch sensiblen und offenen, axialen und selektiven Datenkodierung bei der qualitativen Dateninterpretation (vgl. G IBBS 2007: 38-89; S TRAUSS / C ORBIN 1996), die eine insgesamt theoriegenerierende Zielsetzung unterstützen. Die Datenanalyse geht iterativ und zunächst fallbezogen, dann bzgl. der einzelnen Teilstudie fallübergreifend und schließlich die unterschiedlichen Datensammlungen kontrastierend vor. Zentrale Datengrundlage ist eine je länderspezifische Sammlung von schriftlich verfassten Sprachlernbiographien, die (je nach Möglichkeit) mit weiteren Daten aus semistrukturierten Lerner- und Experteninterviews (Lehrende, Schulleitung, Leitung von Sprachabteilungen), Dokumentenanalysen (Informationen zur Sprachenpolitik des Landes, zum Schulsystem, zu Lehrplänen etc.) und Unterrichtsbeobachtungen ergänzt werden. Mittels des vorgegebenen, aber offen gehaltenen Schreibimpulses, der in den unterschiedlichen Studien nur unwesentlich adaptiert wurde, werden die Untersuchungsteilnehmenden nach ihren Gründen für das Deutschlernen und ihren Fremdsprachenlernerfahrungen gefragt. 5 In zwei neueren kontrastiven Pilotstudien wird explizit nach den Gründen gefragt, die die Befragten dazu veranlasst haben, sich gegen die Wahl des Schulfachs Deutsch bzw. gegen das Lernen des Deutschen zu entscheiden (vgl. G LÖCKNER 2013; R ABITA 2015). Die Wahl dieses retrospektiv-biographischen Datenerhebungsinstruments folgt der Überzeugung, dass ein solches offenes Format besser als ein geschlossenes imstande ist, die Besonderheiten einer auf eine spezifische L2 bezogenen Motivation explorativ zu erfassen. Die Offenheit der Fragestellung erlaubt den Untersuchungsteilnehmenden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, die ihren jeweils individuellen Konstellationen gut gerecht werden. Die Befragten haben es selbst in der Hand, wie ausführlich 5 Die (mit wenigen Ausnahmen in der L2 Deutsch geschriebenen) Sprachlernbiographien resultieren aus folgendem Schreibimpuls: „Bitte berichten Sie über Ihre bisherigen Erfahrungen beim Lernen und Gebrauch von Fremdsprachen und dabei insbesondere über die damit verbundenen Motive (Warum lernen Sie Deutsch? Warum haben Sie Deutsch gelernt? ) und Motivationen, Ängste und (Miss-)Erfolgserlebnisse. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere die Fremdsprachen Englisch und Deutsch - ohne andere Fremdsprachen dabei zu vergessen. Schreiben Sie alles, was Sie wichtig finden. Vorgeschlagener Umfang: 1-3 Seiten.“ In Fällen, in denen die Befragten nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten, wurde der Schreibimpuls in die jeweilige L1 übertragen und die Sprachlernbiographien wurden in der L1 verfasst. Es muss davon ausgegangen werden, dass insbesondere die in der L2 Deutsch geschriebenen Sprachlernbiographien Verzerrungen und Unschärfen aufgrund begrenzter Ausdrucksmöglichkeiten aufweisen und Äußerungen durch Vermeidungsstrategien reduziert wurden. L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 37 45 (2016) • Heft 2 und differenziert sie Auskünfte über sich selbst geben, was freilich dazu führen kann, dass die angestrebte Tiefe der Rückmeldungen nicht durchgängig erreicht werden kann. Anders als bei Befragungen mittels standardisierter Fragebögen mit geschlossenen Items suggeriert die offene Form der Befragung keine spezifischen Motive, sondern erst die Datenanalyse legt offen, welche Motive und Motivationsvariablen von den Befragten hervorgehoben bzw. überhaupt benannt werden, die sie bei der Wahl der Fremdsprache bzw. im Verlauf des Fremdsprachenlernens beeinflusst haben. Mit Hinweis auf den zwischenzeitlich weitgehend akzeptierten narrative turn in der SLA ist darauf zu verweisen, dass biographischen Daten wie den hier verwendeten eine besondere Qualität für die Theoriegenese zur Rolle von Affekten und Emotionen beim L2- Lernen zukommt, da sie eine lernerorientierte Perspektive auf Spracherwerbsprozesse und Lernsituationen ermöglichen (vgl. B ARKHUISEN / B ENSON / C HIK 2014; F RANCES - CHINI / M IECZNIKOWSKI 2004). Das Erhebungsformat hat daneben stärker forschungspragmatische Vorteile, dadurch dass es nämlich (u.a. mittels der Unterstützung durch Kollegen/ -innen) ökonomisch und vielfältig - auch über größere räumliche Distanzen hinweg - eingesetzt werden kann. G LÖCKNER (2013) hat darüber hinaus aufgezeigt, dass Sprachlernbiographien, wenngleich mit Anpassungen, auch über social media erhoben werden können. 3.3 Zentrale Ergebnisse Die Ergebnisse der Datenanalysen können im Rahmen dieses Beitrags lediglich zusammenfassend dargestellt werden und mit wenigen, originalgetreuen Datenbeispielen illustriert werden, was die Verankerung der Erkenntnisse in der Empirie zumindest exemplarisch verdeutlichen soll. Unterschieden werden können Ergebnisse, die länderspezifische Besonderheiten oder Schwerpunktsetzungen darstellen, von Mustern, die sich in den Daten länderübergreifend abbilden. Vorab nicht unerwähnt bleiben darf, dass viele der erhobenen Daten von Germanistikstudierenden stammen, die zwar retrospektiv umfänglich über ihre Erfahrungen mit dem Deutschlernen berichten können, die aber schlussendlich so motiviert waren, dass sie die Fremdsprache Deutsch zum Hauptinhalt ihres Studiums und damit zu einem Teil ihrer beruflichen Zukunft gemacht haben. Im weiteren Verlauf der Studie konnten aber auch gezielt kontrastive Datensätze von Lernenden aus schulischen Kontexten herangezogen werden, in den letzten Jahren ergänzt durch erste Pilotstudien, für die gezielt Teilnehmende gesucht und befragt wurden, die sich gegen das Erlernen der deutschen Sprache entschieden haben. Die Teilstudien liefern reichhaltige länderspezifische Erkenntnisse insbesondere in Bezug auf die Dimensionalisierung der gefundenen Hauptkomponenten der Motivation sowie ihrer Gewichtung untereinander. Weitere ländertypische Besonderheiten sind teils in den nationalen Bildungssystemen, teils mit historisch begründeten sprachlichen Konstellationen und Bildungstraditionen oder in der geographischen Lage eines Landes begründet. Sie sind im Rahmen dieses Beitrags nicht darstellbar. Exemplarisch seien lediglich zwei Beispiele für solche länderspezifischen Einsichten aufgeführt: Das in der Teilstudie China gefundene Muster einer anfänglich rein extrinsisch-externalen Regu- 38 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 lation des Deutschlernens bei Studierenden hängt mit dem Pflichtcharakter des Sprachfachs in einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang zusammen, der von den Studierenden gewählt wurde, weil sie an national höher gerankten chinesischen Universitäten aufgrund ihre Schulabschlussnote keinen Studienplatz erhalten haben. Erst im Verlauf des Lernens und v.a. mit der Entwicklung des Ziels, ein Auslandssemester an einer deutschen Universität zu verbringen, werden selbstbestimmtere Regulationen entwickelt, wozu ein sehr positives Deutschlandbild (‚hochentwickeltes Industrieland‘) beiträgt. Ein anderes Beispiel ist die in den Daten aus der Teilstudie Griechenland - im Unterschied zu allen anderen Teilstudien - dominant zum Ausdruck kommende Bedeutung standardisierter zertifizierter Sprachprüfungen für das motivierte Weiterlernen (extrinsisch-externale Regulation), was in Einklang steht mit der (aktuell immer noch bestehenden) extrem hohen Zahl der an Goethe-Instituten in Griechenland abgelegten DaF-Prüfungen. Folgt man durch Experteninterviews gewonnenen Hinweisen, kommt in dieser Regulation das Ziel zum Ausdruck, mit Zertifikaten nachweisbare und (inter-) national anerkannte Qualifikationen zu erwerben. Im Folgenden werden zusammenfassend diejenigen Muster behandelt, die länderübergreifend in den Daten (re-)konstruiert werden konnten. Aus den Analysen lässt sich das Gesamtbild ableiten, dass Lernende des Deutschen als Fremdsprache individuelle Motivationsprofile aufweisen, aber hinsichtlich der motivationalen Hauptkomponenten erstaunliche Parallelen zeigen. Auffällig ist eine in sämtlichen Datensammlungen auffindbare positive Einstellung der befragten Lernenden zum Fremdsprachenlernen, auch ohne Bezug auf die konkrete L2 Deutsch. Dies stimmt mit dem Muster überein, dass die Lernenden in der Regel über teils umfangreiche Fremdsprachenlernerfahrungen verfügen und Deutsch als zweite oder weitere Fremdsprache nach Englisch gelernt wird. In Bezug auf die sprachspezifischen und nahezu durchgängig feststellbaren positiven Einstellungen zur L2 Deutsch, die als wichtige Sprache in der EU angesehen wird, kommt daneben aber durchaus Ambivalenz zum Ausdruck. Es überwiegen bei den Lernenden sprachspezifische Attribute wie „schwer“ und „hart“ im Vergleich zu solchen wie ‚„gar nicht so schwer“ und „schön“. Diese Zuschreibungen sind eingewebt in ein Netz, dass DaF- Sprachkompetenz etwas „Besonderes“ sei, da sie das erwartbare, inzwischen als weitgehend ‚normal‘ angesehene fremdsprachliche Profil einer Person (die über die L2 Englisch verfügt) ergänzt 6 und damit, aufgrund der Einschätzung des gesellschaftlichen Umfelds, dass Deutsch eine schwere Sprache sei, mit Prestigegewinn 7 verbunden wird. Gerade im schulischen Kontext wird Deutsch als schwere Sprache wahrgenommen. 8 Aus den kontrastiven Pilotstudien ergibt sich das Bild, dass sich gerade aus 6 Ich habe Deutsch gewählt, weil die Mehrheit der Chinesen nur Englisch gelernt haben. Aber ich glaube, wenn alle Personen mit Englisch zu lernen beginnen, dann diese Sprache nicht eine wertvolle Schulung ist. (China14_Bi019, Z. 11ff.) 7 In Kuba, wenn eine Person Deutsch kann, sagt man, dass sie sehr intelligent ist, weil viele Leute denken, dass Deutsch sehr schwer ist. (Kuba2004_Bio03, Z. 7ff.) 8 Donc j’ai une image très mitigée de la langue allemande en elle-même, pour son affreuse complexité […]. (Frankreich_Lothringen_Bio14, Z. 22f.) L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 39 45 (2016) • Heft 2 diesem Grund potenzielle Lernende gegen das Erlernen der Sprache entscheiden. 9 Für Lernende, die retrospektiv Lernerfolge berichten, lässt sich aber zugleich das Muster identifizieren, dass sie das Deutschlernen außerdem als positive intellektuelle Herausforderung begreifen und Stolz darauf entwickeln, während Lernende, die sich gegen das Deutschlernen entschieden haben, dieses als „elitär“ empfinden. Ein weiteres zentrales Muster bildet der Einfluss des schulischen DaF-Lernens auf die initiale Ausbildung und Aufrechterhaltung motivierten Handelns. In den Daten aus Ländern, in denen das Schulfach Deutsch angeboten wird, resultieren aus dem Pflichtbzw. Wahlpflichtcharakter des Faches vorrangig extrinsische Motivationen mit externalen und introjizierten Verhaltensregulationen. Gute Noten, die Anerkennung des Lehrers oder der Eltern sollen gewonnen werden, Gesichtsverlust soll vermieden werden. Erst wenn wahrgenommen wird, dass die Sprachkenntnisse auch außerhalb des Unterrichts von Wert sind bzw. werden können, gelingt es, Formen stärker selbstbestimmter Motivation zu entwickeln. Identifizierte Verhaltensregulationen entstehen, wenn spätere Berufschancen oder (z.B. während eines Auslandsaufenthalts oder im außerschulischen Alltag) die allgemeine Nützlichkeit der Fremdsprache für die Kommunikation erkannt wird - was aber gerade jüngere Lernende nicht zwangsläufig nachhaltig motiviert. Hierbei spielt der Umgang mit Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen beim Sprachenlernen eine wichtige Rolle. Motivierend wirkt, dem gefundenen Muster nach, Erfolg dann, wenn Lernende dessen Ursachen im eigenen intentionalen Arbeitseinsatz begründet sehen (internale Lokation). Besonders demotivierend wirkt ausbleibender Erfolg dann, wenn die Ursachen auf eigenes Unvermögen zurückgeführt werden und wenn trotz Mühe kein Erfolg errungen wird (internale, nicht kontrollierbare Lokation). Weitere Komponenten für ausgeprägte wie mangelnde Motivation bzw. Motivationsschwankungen im Lernverlauf können unterrichtsmethodischen Variablen und der Lehrperson zugeordnet werden: Lehrende, eine abwechslungsreiche und zugleich herausfordernde methodische Gestaltung des Unterrichts können als mächtige Motivatoren wirken. Immer wiederkehrende Codes verweisen aber auf Demotivierung durch monotone Unterrichtsgestaltung, Leistungsdruck und Angst (u.a. vor den Lehrenden) sowie fehlende schulische Lerninhalte und -aktivitäten, die auch außerhalb des Unterrichts als bedeutsam erscheinen. Diese unterrichtsinternen Variablen haben folglich besondere Erklärungskraft für die Ausbildung einer kurzwie langzeitigen Motivation zum Erlernen des Deutschen. Die in Tab. 1 getroffene Unterscheidung zwischen Ländern, die sich in geographischer Nähe zu deutschsprachigen Ländern befinden (v.a. Europa), und Ländern, die geographisch weit entfernt sind, dient nicht nur der Herstellung einer besseren Übersichtlichkeit der Tabelle. Sie ist auch ein Ergebnis der deutlich unterschiedlichen Rolle kultureller Orientierungen in den Teilstudien, die diesen beiden Gruppen zugeordnet werden können. Kulturelle Orientierungen kommen in allen Teilstudien überwiegend in sehr allgemein gehaltenen Einstellungen zu Deutschland (selten werden andere 9 Je ne regrette pas de ne pas avoir choisi l’allemand car je pense que j’aurais eu des difficultés d’apprentissage et de mémorisation […]. (Frankreich_Lothringen_Bio15, Z. 8ff.) 40 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 deutschsprachige Länder genannt) zum Ausdruck. Auffällig ist aber, dass explizite Aussagen hierzu in den Datensammlungen aus Ländern mit geringer geographischer Entfernung zu deutschsprachigen Ländern unterrepräsentiert sind 10 ; nur in Einzelfällen sind sie von hohem und lernmotivationsbestimmendem Einfluss (besonders in Einzelfällen, die von hoher selbstbestimmter Verhaltensregulation geprägt sind). Ganz anders ist dies in den Studien zu Ländern in geographisch entfernteren Regionen: Dort wirken positive Einstellungen zu Deutschland, insbesondere ein sehr positives Deutschlandbild, Interesse für die deutschsprachige Literatur, Geschichte und Kultur(en) als wichtige und anhaltende Motivatoren für das Erlernen der deutschen Sprache. Als regionenübergreifendes Muster lässt sich hingegen ausmachen, dass auch bei fehlendem kulturellem Interesse für Deutschland/ deutsche Kultur(en) als initialem Auslöser, Deutsch lernen zu wollen, DaF-Lernende dennoch Informationen über deutschsprachige Länder und (alltägliche) Landeskunde als qualitätsstiftendes Element des Fremdsprachenunterrichts sehr schätzen. Als weiteres zentrales länderübergreifendes Muster wurde ermittelt, dass DaF in vielen Regionen der Welt an den Schulen und Hochschulen (sowie in der Erwachsenenbildung) oft gewählt und gelernt wird, wenn neben den oben genannten verpflichtenden (und weiteren personellen) Gründen auch allgemeine instrumentelle Motive vorhanden sind. Diese instrumentellen Orientierungen sind besonders dann ausgeprägt und Teil der Identitätsbildung, wenn auf Studium und Beruf gerichtete Ambitionen und Ziele mit ihnen verbunden werden und die Lernaktivitäten nicht vorrangig external reguliert sind. 11 Solche Ziele sind in der Regel mit dem Beruf des Deutschlehrers oder mit beruflichen Feldern in der Wirtschaft, bei internationalen Organisationen und im Tourismus sowie im Feld des Dolmetschens und Übersetzens verknüpft. Bei Schülern/ -innen und Studierenden in den ersten Studienjahren bleiben diese instrumentellen Motive oft eher im Allgemeinen und Unbestimmten und sind auf die generelle Verbesserung der Berufschancen (u.a. durch die Hoffnung auf ein Studium in Deutschland) ausgerichtet. Bei Studierenden in höheren Studienjahren und DaF-Lernenden im Kontext der Erwachsenenbildung lässt sich erkennen, dass ein Abgleich der Wünsche mit den tatsächlichen Chancen stattgefunden hat; ihre Lernziele sind deutlich konkreter und mit aktuellen bzw. kurzfristig erwarteten beruflichen und kommunikativen Bedarfen verbunden. Diese instrumentellen Orientierungen sind verwurzelt in vorhandenen Englischkenntnissen und der Zielsetzung, mit der Fremdsprache Deutsch ein weiteres und 10 Anders sieht dies in der kontrastiven Pilotstudie aus, die auf Re-Analysen der von R ABITA (2015) erhobenen Daten beruht. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein weiteres - durch eine erweiterte Impulsfrage operationalisiertes („Was denkst du über Deutschland, die Deutschen und die deutsche Kultur? “) - Erkenntnisinteresse verfolgt, den historisch-geographischen Kontext des Deutschlernens in der Region Lothringen zu berücksichtigen. Die gefundenen Muster weisen auf ein insgesamt positives Deutschlandbild hin, das nicht mit den ermittelten negativen Einstellungen zum schulischen DaF-Unterricht interagiert. 11 Am Gymnasium habe ich auch Deutsch gelernt aber es hat mich nicht so entzückt, weil ich sehr strenge Lehrerin hatte. Trotzdem habe ich am Uni Deutsch als die zweite Sprache gewählt. Ich wollte mehr als zwei Sprachen beherrschen, dass ich mehrere Möglichkeiten in meinem zukünftigen Beruf haben konnte. (Slowakei 2006_1_Bio07, Z. 2ff.) L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 41 45 (2016) • Heft 2 gleichzeitig besonderes Element individueller Mehrsprachigkeitsprofile auszubilden, das den Inhaber dieses Profils besonders auszeichnet, da Deutsch als schwere Sprache gilt. Dieses Muster, eine gefundene Kernkategorie, fasse ich als „instrumentelles Exoten-Motiv“ zusammen. Die Analysen legen freilich auch reichlich Muster offen, die zeigen, dass DaF-Lernende die Instrumentalität des Exoten-Motivs häufig nicht hinreichend mit Leben füllen können, da sie ihre (oft langfristigen) beruflichen Ziele nicht angemessen im DaF- Unterricht wiederfinden und/ oder im Lebensumfeld das instrumentelle Potenzial der Fremdsprache Deutsch nicht ‚erlebt‘ wird, da konkrete Anwendungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt fehlen. 12 Auffällig ist, dass in der Frankreich-Studie gefundene Muster, die Instrumentalität inkludieren, unterrepräsentiert sind, selbst in der Teilstudie aus der grenznahen Region Lothringen. Hier dominieren Bildungs-, Kontakt- und Reisemotive, im schulischen Bereich außerdem ausgeprägt vorhandene external-extrinsische Regulationen und das Image des Deutschunterrichts als eines häufig ungeliebten 13 Elitefachs. Der instrumentelle Nutzen der Sprache wird zwar mitunter in den Sprachlernbiographien erwähnt, jedoch ohne dass ein Zusammenhang mit verhaltensregulierenden oder identitätsstiftenden Effekten deutlich wird. 4. Transnationale Herausforderungen für den DaF-Unterricht Aktuelle Zahlen und Analysen zu den Entwicklungen und Tendenzen der Nachfrage nach Deutschlernangeboten in der Welt liefert der vom Auswärtigen Amt herausgegebene Überblick über eine durch das Netzwerk Deutsch 14 organisierte Datenerhebung im Jahr 2015 (vgl. A USWÄRTIGES A MT o.J.). Mit dieser Dokumentation werden für die länderspezifischen und -übergreifenden Analysen komplementäre Informationen geliefert, die wichtige Randbedingungen für das Erlernen des Deutschen sichtbar machen. So geben sie u.a. Aufschluss darüber, wie zugänglich das Deutschlernen im Rahmen des staatlichen Schulsystems, durch das Hochschulangebot sowie durch außerschulische Lernangebote ist. Auffällig ist dabei für viele Länder der hohe Anteil der Schüler/ -innen an der Gesamtzahl der DaF-Lernenden. Einige Beispiele mit Blick auf meine Studie seien genannt: Für Armenien wird die Gesamtzahl von 31.809 DaF-Lernenden berichtet, davon 29.808 im Schulbereich. Für Frankreich werden insgesamt 1.005.444 DaF-Lernende, davon 998.749 an Schulen ermittelt, was im Vergleich mit der Datenerhebung im Jahr 2010 einen Rückgang um 39.136 DaF-Lernende bedeutet. 30.282 12 Gefunden wurde außerdem das Muster, dass fehlende instrumentelle Orientierung mit negativen Einstellungen zur Sprache interagiert und dazu führt, dass die Sprache erst gar nicht gewählt wird: Jag valde inte Tyska för att jag tycker språket är „fult“, låter konstigt och jag kände ingen anledning till varför jag skulle kunna språket. [Ich wählte nicht Deutsch, weil ich finde, dass die Sprache „hässlich“ ist, merkwürdig klingt und ich wüsste keinen Grund, warum ich die Sprache können sollte.] (Schweden_2013_Bio03, Z. 5f.) 13 „Apprendre l’allemand est pour moi un calvaire“. (Frank_Loth_Bio14, Z. 28) 14 Mitglieder des Netzwerks Deutsch sind: deutsche Botschaften, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Goethe-Institut, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und weitere Partnerorganisationen vor Ort. 42 Claudia Riemer 45 (2016) • Heft 2 Schüler/ -innen lernen DaF in Madagaskar bei einer Gesamtzahl von 31.625 DaF-Lernenden (Zuwachs von 6.713 seit 2010). In der russischen Föderation lernen 1.129.018 Schüler/ -innen DaF bei einer Gesamtzahl von insgesamt 1.546.062 Lernenden (dramatischer Rückgang um 483.494 Lernende seit 2010). Solche Zahlen spiegeln wider, dass die Bedeutung des DaF-Lernens und damit auch die Stellung der deutschen Sprache in vielen Regionen der Welt (noch) davon profitieren, dass DaF im Kanon der schulischen Sprachenfächer seinen Platz findet. Gleichzeitig sind solche Zahlen immer auch ein Ergebnis spezifischer nationaler Entwicklungen (z.B. die durch die Implementation des französischen Schulsystems erfolgte Einführung des Wahlpflichtfachs DaF an Sekundarschulen in frankophonen Ländern Afrikas, hier: Madagaskar). Die noch in vielen Regionen vorhandenen, durch das nationale Bildungssystem geschaffenen günstigen Rahmenbedingungen können sich aber recht schnell ändern. So gibt es z.B. in Frankreich derzeit eine kontroverse bildungspolitische Diskussion um die von der Bildungsministerin ins Gespräch gebrachte Abschaffung der als elitär geltenden bilingualen und Europaklassen an den Mittelschulen; eine solche Abschaffung hätte gravierende Folgen für das schulische DaF-Angebot. In den Teilstudien wurde das Muster ermittelt, dass unter den Germanistikstudierenden sehr viele ehemalige Schüler/ -innen sind, die besondere Erfolge im Schulfach Deutsch erzielt haben und bei denen außerdem die Tendenz in Richtung einer intrinsischen Motivation erkennbar ist. Ein anderes, häufig gefundenes Muster deutet aber darauf hin, dass jüngere Lernende häufig nicht freiwillig das Schulfach Deutsch wählen. Bildungsambitionen der Eltern führen zur Anmeldung an Privatschulen mit verstärktem DaF-Angebot (Teilstudien Armenien und Georgien), Deutsch wird aufgrund des Rats von Eltern und anderen Familienmitgliedern oder wegen Peers gewählt oder es fehlen attraktive schulische Alternativangebote (Teilstudie Madagaskar). Mitunter wird sogar über die schlichte Zuweisung zu Deutschklassen berichtet, gegen die man sich nicht gewehrt habe (Teilstudie Frankreich/ Lothringen). Solche Muster weisen darauf hin, dass sich in den Ambitionen von DaF lernenden Schüler/ -innen, wenn sie denn überhaupt vorhanden sind, eher von Eltern und Gesellschaft an sie herangetragene und noch nicht hinreichend internalisierte Sollens-L2-Selbstkonzepte (Ought-to L2 Self) widerspiegeln, die nicht als ideale L2-Selbstkonzepte (Ideal L2-Self) internalisiert sind und daher nicht zu selbstbestimmteren oder gar zu intrinsischen Verhaltensregulationen führen. Solche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Angebote für schulischen DaF-Unterricht auf motivationale Nachhaltigkeitsprobleme stoßen. Der schulische DaF-Unterricht und auch alle anderen DaF-Angebote stehen vor ganz erheblichen Herausforderungen und sind aufgefordert, sich sowohl durch curriculare wie didaktische, allgemeine Lernziele betreffende und methodische Neujustierungen an geänderte Rahmenbedingungen und mit dem Fremdsprachenlernen verbundene Ambitionen anzupassen. Letztlich betreffen Entwicklungen in diesem Bereich die gesamte ‚Nahrungskette‘ der mit der internationalen Stellung der deutschen Sprache interagierenden Tätigkeitsfelder, beginnend bei den Berufschancen von jungen Menschen mit Deutschkenntnissen und Deutschlehrern/ -innen bis hin zur Hochschulgermanistik in nicht deutschsprachigen Ländern. Letztere ist aufgefordert, solche Entwick- L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache 43 45 (2016) • Heft 2 lungen in der akademischen Ausbildung von Germanisten/ -innen und Deutschlehrern/ -innen in den zentralen Ausbildungsinhalten angemessen zu berücksichtigen. Abschließend ist festzuhalten, dass die in der internationalen L2-Motivationsforschung diskutierten Konzepte für die Erforschung des Lernens des Deutschen als Fremdsprache eine gute wissenschaftstheoretische Basis darstellen. Sie sind jedoch in ihren Dimensionalisierungen hinsichtlich der Spezifik der Zielsprache erheblich anzupassen und zu gewichten. Die in den Teilstudien ermittelte Interaktion zwischen (z.T. fehlenden) Ambitionen, Orientierungen und situativ verorteten unterrichtlichen Lernerfahrungen sind genauer zu untersuchen. Neuere prozesstheoretische Ansätze (vgl. D ÖRNYEI / H ENRY / M UIR 2016) liefern hier gute Anknüpfungspunkte. Das dort verwendete Bild hochmotiviert auf ein langfristiges Ziel ausgerichteten Fremdsprachenlernens als eines mitreißenden Stroms (directed motivational currents) sollte jedoch aus DaF- Perspektive hinterfragt werden und ggf. mit einem Fokus auf die Untersuchung von Prozessen der Demotivierung ergänzt werden. Außerdem sind die hier vorgestellten Ergebnisse noch umfänglich mit anderen für die L2 DaF vorhandenen Forschungsarbeiten aus unterschiedlichen Länderkontexten abzugleichen (vgl. exemplarisch B USSE 2015 und die anderen Beiträge in diesem Themenschwerpunkt). Sie sind auch dahingehend zu prüfen, welche Konsequenzen für die transnationalen und länderspezifischen DaF-Angebote und deren didaktisch-methodische Ausgestaltung zu ziehen sind. Literatur A MMON , Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin [etc.]: De Gruyter. A USWÄRTIGES A MT ( O .J.): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. Berlin, verfügbar als Print und online u.a. unter: https: / / www.goethe.de/ resources/ files/ pdf37/ Bro_Deutschlernerhebung_final2.pdf [25.6.2016]). B ARKHUISEN , Gary / B ENSON , Phil / C HIK , Alice (2014): Narrative Inquiry in Language Teaching and Learning Research. New York/ London: Routlegde. B ELMECHRI , Faiza / H UMMEL , Kirsten (1998): „Orientations and motivation in the acquisition of English as a second language among high school students in Quebec City“. In: Language Learning 48, 219-244. 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Einleitung Die 2005 erstmalig vorgestellte Theorie „L2 Motivational Self System“ (vgl. D ÖRNYEI 2005: 93ff.), kurz L2MSS, leitete eine neue Phase der L2-Motivationsforschung ein (vgl. D ÖRNYEI / U SHIODA 2009). Der Einbezug von Erkenntnissen der „Psychologie des Selbst“ und v.a. die bereits in den 1980er Jahren in der Psychologie diskutierte Idee der „possible selves“ (vgl. M ARKUS / N URIUS 1986) führte zu einem neuen Verständnis der L2-Motivation. Im iranischen Kontext war Motivation für das Fremdsprachenlernen bisher hauptsächlich Gegenstand der Erforschung im Bereich English as a Foreign Language (EFL). Sowohl die traditionelle Vorstellung über instrumentelle und integrative Orientierungen als auch die neueren Konzeptualisierungen in der L2-Motivationsforschung wurden in unterschiedlichen Lernkontexten, wie bei iranischen Englischlernenden und -studierenden, IELTS 1 -Vorbereitungskursen und auch in Schulen, untersucht (siehe Abschnitt 3.2.) Auch wenn Englisch als lingua franca im iranischen Bildungs- und Hochschulsektor weit verbreitet ist, bleibt diese Sprache eine „besondere“ im gesellschaftlichen Bewusstsein. Deutsch hingegen wird in weit kleinerem Umfang und - wie * Korrespondenzadresse: Mostafa M ALEKI , DAAD Informationszentrum Teheran, Dr. Shariati St., Yakhchal St., Keynejad St., Eslamieh East St., No.10, T EHERAN , Iran. E-Mail: Mostafa2054@yahoo.com Arbeitsbereiche: DaF, Sprachen- und Bildungspolitik, Hochschuldialog. 1 Das International English Language Testing System (IELTS) ist ein standardisierter Test für Englisch als Fremdsprache.