eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 46/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2017
462 Gnutzmann Küster Schramm

Christiane FÄCKE (Hrsg.): Selbstständiges Lernen im lehrwerkbasierten Französischunterricht. Stuttgart: ibidem-Verlag 2016, 178 Seiten [29.90 €]

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2017
Michael Koenig
flul4620138
Buchbesp rechungen • Rezensionsartik el 1 46 (2017) • Heft 2 46 Der erste inhaltliche Beitrag von Beate V ALADEZ V AZ UEZ stellt auf 0 Seiten mit einer ausgesprochen detaillierten inhaltsbezogenen Lehrwerkanal se das Französischlehrwerk À p lus 1 - 3 vor, welches im untersuchten Französischunterricht benutzt wird. Etwas befremdlich wirkt bei der Lektüre, dass vorwiegend bis ausschließlich mögliche positive Aspekte des Materials aufgezählt und als potentiell unterrichtswirksam bewertet werden. Was die Anregung zum selbstständigen Lernen betrifft, so zeigt sich, wie in einigen Lehrwerken anderer Sprachen ebenso, dass die entsprechenden Anregungen und Aktivitäten eher in den fakultativen Bereichen verankert sind (die erfahrungsgemäß von Lehrenden häufig einfach weggelassen werden) oder in den Lehrerhandreichungen expliziter thematisiert werden, wobei auch diese allerdings in der Praxis oftmals nur unzureichend rezipiert und im Unterricht umgesetzt werden. Die Autorin beschreibt eine etwas idealt pische Interpretation des Materials und nimmt an, dass selbst Lehrende, die einem selbstständigkeitsfördernden Unterricht eher ablehnend gegenüberstehen, sich nicht ganz den Verfahren selbstständigen Lernens entziehen können, wenn sie mit diesem Lehrwerk arbeiten (vgl. S. 2). Man vermisst etwas e i n e n l e h r werkkritischen Blick: Inwieweit Lehrwerkinhalte selbstständiges Lernen tatsächlich fördern oder Aufgaben und Übungen autonomiefördernd oder motivierend wirken, entscheidet sich in der Regel erst im praktischen Unterricht in Abhängigkeit zahlreicher weiterer Faktoren. Die akribische Anal se belegt allerdings modellhaft und detailliert an den einzelnen Lehrwerkteilen bis hin zu ausgewählten Übungen und Aktivitäten, wo überall in dem Lehrmaterial potentiell ein selbstständiges Lernen und Arbeiten angeregt und unterstützt wird. Kapitel 2, ebenfalls von Beate V ALADEZ V AZ UEZ , präsentiert die Ergebnisse der Leitfrageninterviews mit Französischlehrenden aus dem ersten und dem zweiten Jahr der Studie. Ausgehend von der Grundannahme, dass der Französischunterricht wenig autonomiefördernd ist, zielt die Interviewstudie darauf herauszufinden, ob und wie selbstständiges Lernen im Französischunterricht aus der Sicht der Lehrenden tatsächlich geschieht und welche Rolle dabei das Lehrwerk einnimmt. Die Darstellung der subjektiven Sichtweisen ist äußerst detailliert und informativ. In den ausgewählten Zitaten der Lehrenden wird die Komplexität des alltäglichen Bemühens um ein autonomieförderndes Unterrichtsgeschehen differenziert und aufschlussreich belegt. Gegenübergestellt werden die Einstellungen bzw. Sichtweisen und verbalisierten Unterrichtspraktiken von zunächst zwei Lehrenden, wobei eine eher aufgeschlossene Haltung zum selbstständigen Lernen mit einer eher reservierten Einstellung vergleichend angelegt wird. Die Ausschnitte aus den transkribierten Aussagen der Lehrenden, begleitend kommentiert von der Forscherin, sind spannend zu lesen und liefern einen Einblick in subjektive Theorien, Glaubensvorstellungen sowie Haltungen und Zweifel im Französischunterricht. In den Interviewausschnitten gruppieren sich Meinungsbilder, sogenannte „voices from the classroom“, vorwiegend um das Thema selbstständiges Lernen. Die ußerungen enthüllen dabei eine breite Palette von Themen wie u.a. Genderfragen, Urteile über Gruppengrößen, entwicklungsps chologische Einschätzungen, Rolle der Noten, Sitzordnung in der Klasse, die dominante Rolle von Wortschatz und Grammatik und nicht zuletzt das unterschiedliche Nutzungsverhalten bezüglich des verwendeten Lehrwerks und das eigene Rollenverständnis am Ende des Forschungsprojekts. Die vielfältigen wortwörtlichen Zitate, so zum Beispiel „Also das selbstständige Arbeiten der Lerner: MK ist für mich nichts. Ich bin selber gern in Aktion“ (S. 81) veranschaulichen sehr konkret die Sichtweisen der beiden Lehrkräfte. Ein tabellarischer Vergleich aller vier an der Studie beteiligten Lehrkräfte am Ende des Kapitels vervollständigt die Einstellungsvielfalt. Zusammenfassend zeigen sich bei den vier Lehrenden unterschiedliche Grade der En t wicklung der eigenen Einstellung, von einer stark veränderten Einstellung bis hin zur Resignation gegenüber Innovation, so z.B.: „dass der eigene Lehrstil sich nur wenig ändert, auch 140 Buchbesp rechungen • Rezensionsartik el 46 (2017) • Heft 2 46 wenn sich das Lehrwerk ändert“ (S. ). Es wird dabei deutlich, dass die Grundeinstellung zum selbstständigen Lernen auch durch Intervention relativ stabil bleibt und dass der erhoffte Wandel nur mäßig erfolgt. Etwas trivial - wenn auch voll und ganz zutreffend - wirkt denn auch der Schlusssatz der Zusammenfassung dieses Teils: „Der Grad, inwieweit eine Lehrperson ihren Unterricht nach den Gesichtspunkten des selbstständigen Lernens ausrichtet, hängt stark von der eigenen Überzeugung von diesem Konzept der Unterrichtsgestaltung ab.“ (S.10 ) Im dritten Teil der Publikation werden von der Herausgeberin selbst - unter Mitarbeit von D e n n i s F REUER und Alexander M ILETIC - die Ergebnisse einer teilstandardisierten schriftlichen Befragung von Schülerinnen und Schülern dargestellt, die Antwort auf in etwa folgende zentrale Forschungsfragen gibt: Wie gehen die beteiligten Schüler/ -innen mit ihrem Lehrwerk um? Was erwarten sie von ihm? Inwieweit wird das Lehrwerk als Baustein für selbstständiges Lernen genutzt? (vgl. S. 108) Wie bereits erwähnt, nahmen ca. 100 Schüler/ -innen unterschiedlicher Jahrgangsstufen in zwei Durchläufen 201 und 201 an der Befragung teil. Die Ergebnisse, grafisch anschaulich visualisiert, bieten erwartungsgemäß wenig Überraschendes: Die meisten Schüler/ -i n n e n erwarten von einem Lehrbuch Grammatik und Wortschatz, und das Französischbuch dient grundsätzlich als Pflichtlektüre, Nachschlagewerk für Grammatik sowie Vokabeln und zur Prüfungsvorbereitung (S. 12 ). Es ist schwer, die teilweise widersprüchlichen Aussagen der Lernenden zur Frage, inwieweit das Lehrwerk von ihnen als Baustein für selbstständiges und selbstreflexives Lernen genutzt wird, richtig zu deuten. Vielleicht sind Jugendliche, die noch relativ wenig Erfahrung mit einer Metareflexion über Unterricht und ihr eigenes Lernverhalten haben, überfordert. Interessant wäre herauszuarbeiten, was ihre Vorstellung von selbstständigem Lernen‘ über ein Alleinlernen‘ außerhalb des Klassenzimmers hinaus eigentlich bedeutet. Die zusammenfassende Einschätzung der Herausgeberin im letzten Kapitel „Gesamtauswertung der Studie“ reflektiert differenziert die teilweise doch wenig ermutigenden und ernüchternden Ergebnisse und belegt, wie notwendig, aber auch komplex empirische Studien dieser Art sind, dass aber für eine nachhaltige Wirkung von eingesetzten Maßnahmen wahrscheinlich noch mehr Kontinuität und Intensität in der Intervention eingeplant werden müsste. Was die Intervention betrifft, so vermisst man eine Beschreibung der genauen Inhalte und des Vorgehens in den Lehrerteams, denn auch davon kann Entscheidendes abhängen. Von der Publikation profitieren können alle Interessierten, die sich vom Design und vom Verlauf der Studie für eigene Projekte anregen lassen wollen, aber auch alle mit dem Unterrichtsbetrieb Befassten, die aus den Aussagen der Lehrenden und der Schüler/ -innen etwas mehr erfahren wollen über Einstellungsmuster und Möglichkeiten der Entwicklung pädagogischen Handelns in Bezug auf die Förderung selbstständigen Lernens und Arbeitens (nicht nur) im Französischunterricht. Kassel M ICHAEL K OENIG Elisabeth K OLB : Sp rachm ittlung. Studien zur Modellierung einer k om p lex en Kom p etenz. Münster: Waxmann 2016, 2 Seiten [ , 0 ] Der komplexen Kompetenz Sprachmittlung widmet sich die Studie von Elisabeth K OLB , die 201 als Habilitationsschrift an der LMU München angenommen wurde und ein Jahr später im Waxmann-Verlag Münster erschienen ist. Dass eine der ersten, umfassenden Monogra- Buchbesp rechungen • Rezensionsartik el 141 46 (2017) • Heft 2 46 phien zum Thema aus dem deutschsprachigen Raum kommt, verwundert nicht: Gerade hi e r wird der Sprachmittlung - auch im europäischen Vergleich - in den letzten Jahren ein gesteigertes Interesse entgegengebracht. Sie ist curricular in bildungspolitischen Texten verankert (S. 0f.), und Aufgabenmaterial liegt umfangreich vor (S. f.). Dennoch scheint das Thema bislang ohne konsistente Theorie oder Bezugswissenschaft auszukommen, so dass sich K OLB vornimmt, „sich nachträglich mit der Sprachmittlung auseinanderzusetzen und didaktischmethodische Konzepte zu entwickeln, die über rein unterrichtspraktische Vorschläge hinausg e h e n [...]“ (S. 1 ). K OLB gibt vor diesem Anspruch zunächst einen Überblick zum Forschungsstand, der durch eine Kontextualisierung der Sprachmittlung in bildungsadministrativen Texten, dem fremdsprachendidaktischen Diskurs (auch in seiner historischen Dimension), in Übersetzungswissenschaft (auch international) und Interkulturalitätstheorie ausdifferenziert wird. Die besondere Stärke der Ausführungen liegt nicht nur in der gründlichen Recherche internationaler Forschungsliteratur, sondern vor allem in ihrer überzeugenden Diskussion, die als Aufarbeitung der M then und Lücken des fremdsprachendidaktischen Diskurses zum Thema Sprachmittlung (S. 28f.) organisiert ist. Eklatante terminologische und curriculare Widersprüc h e des Konzepts werden minutiös nachgezeichnet. So thematisiert K OLB beispielsweise die zwar gängige, aber sowohl auf die curricularen Rahmentexte als auch auf translationswissenschaftliche Theorien bezogen verkürzende bis schlicht falsche Annahme, Sprachmittlung sei von Übersetzung grundsätzlich zu unterscheiden. Es wird plausibel nachgezeichnet, wie und warum eine solche Vorstellung sich als Konsens vor allem praxisorient ierter fremdsprachendidaktischer Arbeiten durchsetzen konnte (S. 1, S. ) und warum sie dennoch problematisch ist. Weiterhin werden beispielsweise der Kompetenzbegriff (S. 12 f.) einer Prüfung unterzogen oder Textsortenmerkmale diskutiert, die bei sprachmittelnden Tätigkeiten zu beachten wären, aber eben aus textlinguistischer Perspektive kaum eindeutig zu identifizieren sind (S. 1 f.). Dass es sich hierbei nicht um linguistische Spitzfindigkeiten handelt, die in der Praxis irrelevant bleiben, zeigt sich spätestens, wenn Textsortenadä uatheit als Evaluationskriterium für Sprachmittlungsaufgaben in Abiturprüfungen angesetzt wird, ohne jedoch überzeugend ausdifferenziert werden zu können. Die Aufarbeitung des Forschungsstands mit Widersprüchen zwischen Curricula, Forschung und Lehrmaterialien profitiert von der diskursanal tischen Herangehensweise, die K OLB in ähnlicher Form bereits in ihrer Dissertationsschrift realisiert hat. Sie nähert alle für fremdsprachendidaktische Fragestellungen relevanten Ebenen einander an und gelangt auf diese Weise zu einer Repräsentation des Themas, die weit über das hinausgeht, was beispielsweise alleinige Dokumentenanal sen von Curricula leisten könnten. Ein solcher Blick auch auf Elemente impliziter Modellierungen (S. 1 1f.), die deskriptiv oder normativ Aufgaben oder Handreichungen unterliegen, ist nicht nur generell erhellend, sondern vor allem für die Unterrichtspraxis und ihre Erforschung von erheblicher Relevanz: Unterrichtspraxis ist doch gerade dadurch bestimmt, dass sie keine stringente Umsetzung theoretischer Modelle und curricularer Vorgaben ist. Wenn letztere die Praxis überhaupt beeinflussen, dann in einer zwangsläufigen Verbindung mit der Eigend namik des Unterrichts selbst. Hier wirken auch immer implizite Handlungstheorien, die mit den curricularen Setzungen durchaus in Konkurrenz geraten können. Bei der Nachzeichnung entsprechender Widersprüche bleibt nicht aus, dass K OLB sich punktuell selbst auf Referenzen beruft, deren Gültigkeit sie zuvor in Frage gestellt hat (z.B. S. ). Forschungsmethodisch entsteht hier das Problem, einerseits den D i s kurs in seiner gesamten Komplexität und Widersprüchlichkeit repräsentieren zu wollen, dies aber andererseits nicht ohne eigene normative Setzungen, die jedoch selbst Teil des anal sierten Diskurses sind, tun zu können.