eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 47/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2018
472 Gnutzmann Küster Schramm

Theresa VENUS: Einstellungen als individuelle Lernervariable. Schülereinstellungen zum Französischen als Schulfremdsprache – Deskription, Korrelationen und Unterschiede. Tübingen: Narr 2017 (Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung), 417 Seiten [88,00 €]

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2018
Lutz Küster
flul4720140
140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 2 Ausgangslage illustriert er drei qualitativ unterscheidbare Niveaustufen anhand von Beispieltexten zum Beschreiben eines Schaubildes; die abschließende Kontextualisierung seiner Ergebnisse zeigt den großen Forschungsbedarf an der bearbeiteten Schnittstelle der Sachfach- und Sprachdidaktiken. Der Band bewegt sich mit seinem Fokus auf (Bedeutung von) Sprache in schulischen Lehr- und Lernkontexten auf einem Gebiet mit hoher Relevanz, das in den Sprachdisziplinen deutlich stärker im Aufmerksamkeitsfokus ist als in den Sachfachdidaktiken. Situativ und inhaltlich befindet sich die (inter-)nationale Forschung zum bilingualen Sachfachunterricht an einem ähnlichen Punkt mit dem Ziel, die Herausforderungen der (theoretischen) Konzeptualisierung und (empirischen) Beforschung der Integration von fachlichem und sprachlichem Lernen zu bewältigen. In dieser Hinsicht ist der Sammelband absolut zu begrüßen und trägt (s)einen Teil dazu bei, Erkenntnisgrenzen mittels interdisziplinärer Zusammenarbeit und Expertise zu überwinden und gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn alle Artikel dem Vorbild einiger Beiträge gefolgt wären, über die beschreibende Ebene als Zieldimension hinauszugehen sowie die Anschlussfähigkeit der Erkenntnisse stärker zu verdeutlichen. Vorangestellte Abstracts würden darüber hinaus den Zugang zu den Artikeln erleichtern. Münster D OMINIK R UMLICH Theresa V ENUS : Einstellungen als individuelle Lernervariable. Schülereinstellungen zum Französischen als Schulfremdsprache - Deskription, Korrelationen und Unterschiede. Tübingen: Narr 2017 (Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung), 417 Seiten [88,00 €] Ihren Ausgang nimmt die als Dissertation an der Universität Duisburg-Essen angenommene Studie bei einer Defizitwahrnehmung. In „Gesprächen mit unterschiedlichen Personengruppen“ stieß die Verfasserin auf „ein eher negatives Bild, das z.B. schülerseitig auf eine gewisse Unbeliebtheit des Fachs [Französisch] schließen lässt“ (S. 8). Diese Einschätzung empirisch zu überprüfen bzw. die Profile von Lernereinstellungen zum Französischen und zum Französischunterricht in Deutschland detailliert zu erforschen, war das Ziel der vorliegenden Untersuchung. Als erstes geht die Autorin der Frage nach, was unter individuellen Lernervariablen zu fassen sei (Kap. 2). Gestützt auf allgemein- und fachdidaktische Forschungsarbeiten entwickelt sie zu diesem Konzept ein eigenes Strukturmodell (Abb. 2, S. 23), das neben biologischen, kognitiven und affektiven Faktoren die Bereiche „Familiensprachen und vorgelernte Sprachen“ sowie „Lernstil und Persönlichkeitsmerkmale“ aufführt. Einstellungen weist sie den affektiven Faktoren zu. Diesem für die Studie zentralen Konzept ist das dritte Kapitel gewidmet. Im Rückgriff auf sozialpsychologische und soziolinguistische Forschung unterscheidet V ENUS zunächst Komponenten (kognitive, affektive und konative), Objekte und Funktionen von Einstellungen. Zu letzteren zählt sie eine Wissensfunktion (Steuerung der Informationsverarbeitung), eine instrumentelle (Verhaltensregulierung), eine selbstwertdienliche und eine identitätsstiftende Funktion. Der Objektbereich erfährt im Rahmen ihrer Untersuchung besondere Aufmerksamkeit. In fremdsprachendidaktischer Perspektive entwickelt sie zu ihm ebenfalls ein Strukturmodell (Abb. 3, S. 99), welches der späteren empirischen Erhebung als Orientierungsrahmen dient. Es basiert auf einer Grobgliederung in fachspezifische und lernspezifische Einstellun- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 47 (2018) • Heft 2 gen, denen sie jeweils drei Unterbereiche zuordnet. Im ersten Fall sind dies die Zielsprache, deren Sprecher und die zielsprachlichen Länder und Kulturen, im zweiten das Erlernen von Fremdsprachen allgemein, das der Zielsprache Französisch im Besonderen sowie der Unterricht in dieser Zielsprache. Die Verfasserin bezeichnet Einstellungen als Variablen, „die eine bipolare Struktur (Valenz) aufweisen und sich hinsichtlich Stärke, Stabilität sowie dem Grad [sic] der Explizitheit unterscheiden“ und auf individuelle Erfahrungen im Umgang mit den genannten fachbzw. lernspezifischen Einstellungsobjekten rückführbar sind (ebd.). Hieraus schließt sie auf eine externe Steuerbarkeit von Einstellungen, was für ihr Vorhaben insofern von besonderer Bedeutung ist, als sie nicht nur auf einer deskriptiven Ebene klären möchte, mit welchen Voraussetzungen speziell der Französischunterricht konfrontiert ist. Vielmehr gilt ihr Interesse auch normativ der Frage, wie die Variablen so zu beeinflussen sind, dass das Fach Französisch in der Wahrnehmung von Schülerinnen und Schülern an Attraktivität gewinnt. Zu diesem Zweck möchte sie zudem herausfinden, in welchem Verhältnis Lernereinstellungen zu schulischem Lernerfolg stehen. Diesen definiert sie als Ausbildung von Kompetenzen in bestimmten Bereichen und als Leistung, die im Sinne des Erreichens vorgegebener Ziele durch Noten attestiert wird. Zugleich hebt sie jedoch hervor, dass Lernerfolg nicht immer von außen messbar ist (S. 112). Damit leitet V ENUS zum Hauptteil ihres Buchs, der Darstellung und Auswertung ihrer empirischen Erhebung, über (Kap. 4). Sie kann hierbei anknüpfen an eine qualitative Untersuchung zu „Spracheinstellungen Jugendlicher im Hinblick auf das Französische“, welche sie ihrer Staatsexamensarbeit an der Würzburger Universität zugrunde gelegt hatte und der sie nunmehr den Status einer Vorstudie zuweist (S. 113). Die Rahmenbedingungen sind in beiden Fällen vergleichbar, da jeweils Schüler(innen) an bayerischen Realschulen und Gymnasien die Probanden bilden. In der Wahl ihrer Untersuchungsgegenstände greift die Autorin auf das o.g. Strukturmodell (Abb. 3) zurück, das sie spezifisch auf das Französische bezieht (Abb. 6, S. 121) und in der Folge näher erläutert, bevor sie es unter Einbeziehung des Aspekts Lernerfolg und der daran gebundenen Faktoren „Schülerleistung“ sowie „Lernfreude und Interesse am Fach“ in ein komplexes „Einstellungs-Lernerfolgs-Modell des Französischlernenden“ (Abb. 7, S. 141) überführt. Von hier aus formuliert sie ihre Forschungsfragen (S. 142, 143, 147): 1. „Welche Einstellungen haben Schülerinnen und Schüler, die Französisch im schulischen Kontext lernen, zu den für den Französischunterricht relevanten Einstellungsobjekten? “ 2. „Besteht ein Zusammenhang zwischen Einstellungen zu den ausgewählten Einstellungsobjekten und dem Lernerfolg von Französischlernenden im schulischen Kontext? “ und 3. „Lassen sich zwischen den Schülerinnen und Schülern, die Französisch im schulischen Kontext lernen, Unterschiede bezüglich der Einstellungen zu den fachspezifischen wie lernspezifischen Einstellungsobjekten feststellen? “ Insbesondere zu den beiden letztgenannten Fragen formuliert V ENUS im Anschluss an den fremdsprachendidaktischen Forschungsstand Hypothesen, die zu überprüfen Ziel ihrer Studie ist. Konsequenterweise folgt sie primär dem quantitativen Forschungsparadigma, auch wenn sie zu Recht darauf verweist, dass eine dichotomische Trennung in qualitativ-interpretative und quantitativ-statistische Verfahren nicht zielführend ist (S. 150). Sie entscheidet sich für das Instrument einer schriftlich-elektronischen Befragung mittels der Software SoScie Survey und bereitet die Konstruktion des Fragebogens durch eine Pilotierungsphase vor, aus der sie im Zuge einer detaillierten Itemanalyse (S. 161-176) wertvolle Rückschlüsse gewinnen kann. Der Fragebogen erfasst biographisch-demographische Daten (u.a. die Zahl der zu Hause gesprochenen Sprachen und etwaige Beteiligungen an Schüleraustausch), sodann die Einstellungen zu den eingangs genannten Einstellungsobjekten, schließlich die Einschätzungen des 142 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 2 eigenen Lernerfolgs und letztlich das intendierte Verhalten der Befragten anlässlich der schulischen Fremdsprachenwahl am Ende der Sek. I. Zur Auswertung: Es konnten insgesamt 739 Datensätze berücksichtigt werden, davon entfielen 150 auf den Realschulbereich mit Französisch als zweiter Fremdsprache (F2, 9./ 10. Kl.), der Rest auf den Gymnasialbereich. Hier wiederum lag der Schwerpunkt ebenfalls auf der F2 (8./ 9. Kl.), in geringerem Maße beteiligten sich ferner Schüler/ innen der F1 (7./ 8. Kl.) und der F3 (10. Kl.). In einer Vielzahl von Tabellen werden die Ergebnisse differenziert ausgewiesen. In Bezug auf die erste Forschungsfrage kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Probanden Französisch überwiegend als schöne, aber schwierige Sprache betrachten, deren Nützlichkeit sie hingegen nicht wahrnehmen, auch nicht im Hinblick auf mehrsprachigkeitsdidaktische Erwägungen (S. 243f.). Was die Attraktivität des Französischunterrichts betrifft, zeichnen sich deutlich positivere Einschätzungen ab als in früheren Untersuchungen. Hinsichtlich möglicher Abwahlentscheidungen am Ende der Sek. I hält sich die Zahl derer, die das Fach weiter belegen wollen, mit denen, die es abwählen wollen, die Waage. Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Einstellungsvariablen und den Lernerfolgsvariablen (Forschungsfrage 2) konnte nachgewiesen werden. Weiterführende Regressionsanalysen ergaben dabei, dass v.a. die Einstellungen zur französischen Sprache, zum Französischlernen und zum Französischunterricht als Prädiktoren von Lernerfolg anzusehen sind (S. 260). Eine differenzierte Auswertung der Einstellungsprofile (Forschungsfrage 3) brachte zutage, dass Mädchen signifikant positivere Einstellungen zu allen erfragten Bereichen aufweisen als Jungen. Der Einfluss eines mehrsprachigen Elternhauses auf die Einstellungsprofile zum Französischen erwies sich demgegenüber als sehr gering (S. 304-308). Abschließend (Kap. 5) entwickelt die Verfasserin „Perspektiven für Forschung und Praxis“. U.a. leitet sie aus ihrer Studie die Forderung nach einer Sensibilisierung der Schüler/ innen für Ziele der Mehrsprachigkeit ab. Außerdem regt sie an, Auslandsaufenthalte als verpflichtenden Bestandteil in der Ausbildung von Französischlehrkräften zu implementieren, um Lehrkräfte zu befähigen, erfahrungsbasiert bei den Schüler/ innen für positive Einstellungen zum Fach zu werben. Auf forschungsmethodologischer Ebene sieht sie die Ergiebigkeit des gewählten Designs als bestätigt an, spricht sich aber für eine Ergänzung um offene und halboffene Formate aus (S. 321). Die Studie überzeugt durch eine sorgsame Herleitung der Forschungsfragen, eine gut begründete Erstellung des Forschungsinstrumentariums sowie eine gründliche, statistisch versierte und differenzierte Auswertung. Sie ist klar formuliert und daher gut zu lesen. Ihren Charakter als Qualifikationsarbeit merkt man ihr gleichwohl an, nicht zuletzt in unnötig verwirrenden Kapiteluntergliederungen in fünf Ebenen, von denen allerdings nur drei ins Inhaltsverzeichnis Eingang finden. Der insgesamt positive Eindruck wird nur an wenigen Stellen geschmälert. So wird zwar erläutert, dass gezielt einzelne Gymnasien mit der Bitte um Durchführung der Erhebung im gesamten Klassenverband angeschrieben wurden, allerdings wird nicht erkennbar, ob und wenn ja inwieweit durch diese Auswahl der Schulen eine breite Streuung des sozialen Umfeldes (Stadt/ Land, Sozialstruktur des Einzugsbereichs) gewährleistet war. Kritik verdient zudem, dass die Verfasserin die normativen Prämissen ihrer Empfehlungen für schulische Praxis nicht explizit reflektiert. Dessen ungeachtet liefert die Studie wertvolle Erkenntnisgewinne und leistet einen wichtigen Beitrag zur empirischen Lernerforschung. Berlin L UTZ K ÜSTER