eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 48/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/81
2019
482 Gnutzmann Küster Schramm

Contra - Die deutsche Fremdsprachendidaktik muss internationaler werden

81
2019
Bernd Tesch
flul4820125
Pro und Contra 125 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0025 Die deutschsprachige Fremdsprachendidaktik ist im Rahmen der nationalen Lehrerbildung verankert. Hinzu kommt ein weltweites Angebot an Deutsch als Fremdsprache für rund fünfzehn Millionen Deutschlernende, das in absoluten Zahlen die nationalen fremdsprachlichen Bildungsbedarfe mit etwa zehn Millionen Schülern sogar noch übertrifft. Die absoluten Zahlen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Fremdsprachendidaktik in vielfältige Sprachen gegliedert ist, in ihrem Bildungsauftrag die regionalen Gegebenheiten in den Bundesländern aufgreift, dabei spezifische Bedarfe identifiziert und auf gesellschaftlichen Wandel und nationale Bildungsreformen reagiert. Auch die Lehrerbildungsmodelle unterscheiden sich in den Bundesländern nicht unerheblich (mit und ohne Praxissemester, unterschiedliche Verzahnungsformen der drei Phasen, Staatsexamen oder Bachelor/ Master). Die besondere Bedarfslage lässt sich auch daran erkennen, dass der Englischunterricht in Deutschland keinesfalls mit EFL, der Französischunterricht nicht mit FLE, der Spanischunterricht nicht mit ELE, usw. gleichgesetzt werden kann. Die Verlage tragen den regionalen Besonderheiten mit sehr spezifischen und an das nationale und regionale Zielpublikum adressierten Lehrwerken Rechnung. Gewichtiger dürfte jedoch sein, dass es innerhalb der deutschsprachigen Fachdidaktik eigene Schwerpunkte, Entwicklungslinien und Diskurstraditionen gibt, die sich mehr oder minder deutlich von internationalen Konzepten unterscheiden. Als Beispiel sei das Konzept der Lernaufgabe genannt, das nicht mit dem task based teaching and learning-Ansatz angelsächsischer Prägung identisch ist. Die hiesigen Ausprägungen umfassen sowohl komplexe Lernaufgaben wie auch kompetenzorientierte Lernaufgaben, die beide eng mit der seit 2003 in Deutschland eingeführten Kompetenzorientierung verbunden sind. Auch die Debatten um die Einführung der Bildungsstandards sind vor dem Hintergrund nationaler Traditionen und Diskurse zu verstehen. Dies bedeutet jedoch weder eine Rechtfertigung für nationale fachdidaktische Filterblasen noch für eine Beschränkung auf deutschsprachige Literatur, was aber nach meinem Überblick auch nicht zutrifft. Das Problem liegt eher in der nicht zu bewältigenden Flut nationaler und internationaler Titel. Für die romanistische Fachdidaktik kommt noch hinzu, dass neben englischsprachigen vor allem auch französischsprachige und spanischsprachige Veröffentlichungen rezipiert werden müssen. Gleiches gilt für die slawistische Fachdidaktik. Man ist also auf eine Vorselektion relevanter internationaler Titel angewiesen, die tatsächlich meist ohnehin die gebührende Prominenz erhalten und sich wellenartig auf die übrige fachdidaktische Welt ausbreiten. Wenn man als Fachdidaktiker/ in überdies an internationalen Kongressen teilnimmt, partizipiert man zwangsläufig auch an den internationalen Diskursen. Problematisch ist dagegen, dass deutschsprachige Autoren zwangsläufig auf Englisch bzw. in englischsprachigen Organen publizieren müssen, um außerhalb des deutschsprachigen Raums überhaupt wahrgenommen zu werden und am internationalen Dialog teilzunehmen. Hier steht die nicht anglistische deutsche Fremdsprachendidaktik vor einer besonderen Anstrengung. Die Herausforderung besteht also nicht darin, internationaler zu werden, sondern vielmehr, die internationale Wissenschaftssprache, die nun einmal Englisch ist, zu benutzen. Tübingen B ERND T ESCH