eJournals

Forum Modernes Theater
0930-5874
2196-3517
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/1201
2010
252 Balme
Inhalt Christopher Balme (München) Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Aufsätze: Julia Pfahl (Mainz) The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Christina Thurner (Bern) Verlorene Paradiese? Theater-Autorinnen und ihre Dramen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Viktoria Tkaczyk (Amsterdam) Renaissance oder Resonanz: Kunst und Wissenschaft des Fliegens bei Leonardo da Vinci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Benjamin Wihstutz (Berlin) Vom Abschweifen und Antizipieren. Die Aufführung als Vorstellung von Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Nicholas Johnson (Dublin) Theatrum Philosophicum: A Platonic Turn in Theatre Scholarship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Kurt Taroff (Belfast) Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind: The Struggle to Represent the Inner Life on Stage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Kareen Seidler (Geneva) Performing and adapting Shakespeare on the seventeenth-century German Wanderbühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Relektüre W. B. Worthen (New York) Jan Kott, Shakespeare Our Contemporary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Rezensionen: Johanna Dupré. Spiele des (Un)Sichtbaren: Performativität und Politik der Wahrnehmung im argentinischen Gegenwartstheater (Christine Felbeck) . . . . . . . . . . . . 213 Wolfgang Schneider (Hg.). Theater und Schule. Ein Handbuch zur kulturellen Bildung (Gabriela Paule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Wolfgang Sting, Norma Köhler, Klaus Hoffmann, Wolfram Weiße, Dorothea Griebach (Hg.). Irritation und Vermittlung. Theater in einer interkulturellen und multireligiösen Gesellschaft (Katharina Pewny) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Hellmut Flashar. Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart (Julia Stenzel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Petra Stuber, Ulrich Beck (Hg.). Theater und 19. Jahrhundert (Antje Tumat) . . . . . . . 219 Constanze Schuler. Der Altar als Bühne - Die Kollegienkirche als Aufführungsort der Salzburger Festspiele (Regina Wohlfarth) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Umschlagabbildung: Robert Lepage: Lipsynch; Acte 9, Foto: © Érick Labbé. Gedruckt mit der Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · Tübingen Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendung, im Magnettonverfahren oder ähnlichem Weg bleiben vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benützte Kopie dient gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49, 80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach Druck und Bindung: Laupp & Göbel, Nehren Printed in Germany ISSN 0930-5874 Editorial Is small beautiful? Zwei Nachrichten beschäftigen mich am Anfang des Jahres 2012. Im Dezember 2011 sind die Ergebnisse einer Untersuchung zu kleinen Fächern erschienen, die von der Potsdamer Arbeitsstelle ‘ Kleine Fächer ’ veröffentlicht wurde (http: / / www.kleinefaecher. de/ kartierung/ ) und ein gewisses Presseecho auslösten. Auch die Theaterwissenschaft wurde erfasst, obwohl jeder Lehrende dieses in vielerlei Hinsicht ‘ heimlichen ’ Massenfachs dem Begriff „ klein “ nur bedingt zustimmen würde. Dennoch ist die Theaterwissenschaft im deutschsprachigen Raum den Kriterien der Untersuchung zufolge durchaus klein. Mit 26 Professuren in der gesamten Bundesrepublik steht das Fach auf dem gleichen Niveau wie etwa die Indologie. Immerhin kann die Theaterwissenschaft Zuwächse verzeichnen: vor 10 Jahren hatten wir nur 20 Professuren. Dennoch bleibt das Fach nach den zugrunde gelegten Kriterien (Zahl der Standorte und der Professoren) immer noch ‘ klein ’ . Die überschaubare Zahl an Lehrenden wurde durch eine zweite Nachricht, die ebenfalls im Dezember bekannt wurde, bestätigt: Kurz vor Weihnachten veröffentlichte die DFG die Ergebnisse der Fachkollegien- Wahl. Die Theaterwissenschaft ist in einem Fachkollegium mit den Medienwissenschaften zusammengefasst. Nur zwei Vertreter dürfen gewählt werden. Nicht überraschenderweise wurde kein Theaterwissenschaftler gewählt, das heißt, kein Kandidat (ich war einer davon) konnte genug Stimmen sammeln, um mit den Medienwissenschaften zu konkurrieren. Ich sage nicht überraschend, weil die erstgenannte Zahl (26) die zweite mehr oder weniger vorhergesagt hat. Ich will damit nicht den Wahlmodus der DFG infrage stellen, sondern vielmehr die Frage aufwerfen, wie wir uns als kleines Fach künftig aufstellen, um mit der Situation fertig zu werden, dass wir in der wichtigsten Forschungsorganisation des Landes keine Vertretung mehr haben. Es gibt einige Szenarien für die künftigen Folgen: 1) in Ermangelung eines Fachvertreters werden wir systematisch benachteiligt und unsere ohnehin bescheidene Erfolgsquote wird noch bescheidener ausfallen; 2) weil wir keine Fachvertretung haben, werden unsere Anträge eher wohlwollend behandelt; 3) wir steigern unser Antragsvolumen derart, dass eine gewisse Erfolgsquote unausweichlich ist. Was die dritte Option betrifft, muss man anmerken, dass ein DFG-Antrag aus der Theaterwissenschaft immer noch Seltenheitswert hat, so dass dieses Szenario eher unwahrscheinlich ist. Das heißt, wir müssen noch viel mehr die Möglichkeiten einer Förderung durch die DFG nutzen, um noch nachdrücklicher die Bedeutung einer fachspezifischen Vertretung zu dokumentieren. Als Fach sollten wir uns aber auch gemeinsam überlegen, wie wir uns in der Forschungs- und Lehrlandschaft besser aufstellen können. Wir sollten die Treffen der Gesellschaft für Theaterwissenschaft nutzen, um einen Austausch zwischen den Instituten anzubahnen, um gemeinsam die Situation und Handlungsmöglichkeiten zu bedenken. Wir alle haben ein vitales Interesse an einer lebendigen Nachbarschaft zwischen den Instituten und einer guten Situation des Faches, weil wir gerade in einer so kleinen Community alle am Erfolg (und leider auch am Misserfolg) der anderen partizipieren. Hierbei sollte vor allem der Förderung unseres Nachwuchses in der Postdoc-Phase, der besonders unter der geringen Zahl von Professuren, die nun auch noch oftmals auf Jahre Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 117 - 118. Gunter Narr Verlag Tübingen hin besetzt sind, leidet, unsere Aufmerksamkeit gelten. Unser Fach befindet sich bekanntermaßen in einem Generationenwechsel, der kurz vor dem Abschluss steht. Die Zahl der bestehenden und demnächst zu besetzenden Professuren ist, wie die eingangs erwähnte Untersuchung belegt, recht überschaubar. Small ist nicht per se beautiful, es kann aber manchmal praktisch sein. Wir sollten also diesen Befund positiv nutzen, um unsere überschaubaren Kräfte zu bündeln. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass mit diesem Heft, das mit etwas Verzögerung erscheint, Veränderungen im wissenschaftlichen Beirat zu verzeichnen sind. Nach einer Übergangsphase haben die Gründungsmitglieder Hans-Peter Bayerdörfer und Wilfried Floeck nun ihre Mitwirkung beendet - wir möchten ihnen für die jahrzehntelange Arbeit unseren herzlichen Dank aussprechen. Als neue Mitglieder dürfen wir Ulrike Haß (Bochum) und Matthias Warstat (Erlangen) begrüßen. München, Januar 2012 Christopher B. Balme The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs Julia Pfahl (Mainz) Obwohl der Einsatz von technischen Medien auf der Bühne sowie das Spiel mit ihren je medienspezifischen Codes heute kein ästhetisches Novum mehr ist, zeugt die feuilletonistische wie wissenschaftliche Rezeption intermedialer Theaterprodukte nach wie vor von einer begrifflichen Unsicherheit hinsichtlich ihrer Analyse und Bewertung. Diese Beobachtung verweist auf die auch in der Theaterwissenschaft bis heute nicht gelöste Frage nach dem Medienstatus des Theaters sowie der Positionierung des Fachs im Rahmen der daran anschließenden Intermedialtätsdebatte. Mit Rückgriff auf die Medientheorie Sybille Krämers entwirft der Beitrag ein theaterwissenschaftliches Medienverständnis, das den Besonderheiten der Kunstform Theater, nämlich seiner in der leiblichen Kopräsenz von Akteuren und Publikum wurzelnden Unmittelbarkeit, gerecht wird und dem Theater aufgrund seiner performativen Qualitäten sowie seiner spezifischen Anordnung als Wahrnehmungsdispositiv in intermedialen ästhetischen Austauschprozessen eine besonders produktive Funktion zuweist. Als der kanadische Theatermacher Robert Lepage in den 1990er Jahren mit seiner Theatersaga The Seven Streams of the River Ota über die großen Theaterfestivals der Welt tourt, vergleicht der Kritiker Franz Wille in Theater heute die Inszenierung mit “ einem amerikanischen Serienformat in der dritten Generation, [deren] Dialoge knapp [. . .] das Lindenstraße-Format erreichen, wenn sie etwas weniger umständlich wären. ” 1 Diese und ähnliche Bemerkungen der Theaterkritik zu Inszenierungen, deren gemeinsames ästhetisches Merkmal der Einsatz technischer Medien auf der Bühne ist, sind für Christopher Balme in seinem 1999 erschienenen Aufsatz “ Robert Lepage und die Zukunft des Theaters im Medienzeitalter ” Anlass zu einer theaterwissenschaftlichen Positionsbestimmung. 2 Angesichts einer zunehmenden medialen Hybridisierung der Bühne müsse die Theaterwissenschaft an den umfangreichen, im Bereich des Theaters jedoch noch wenig verfolgten Forschungsansatz der Intermedialität anknüpfen. Balme sieht die Gründe für die Ablehnung der Vermischung unterschiedlicher medialer Ausdrucksweisen auf der Bühne in der Vorstellung einer Reinheit des Theaters als bildungsbürgerlicher Kunstform begründet. Die Idee einer medialen Spezifität, die gerade für das Theater als einer genuin “ plurimedialen ” 3 Kunstform per se in hohem Maße fragwürdig erscheint, beruhe dabei auf habitualisierten Wahrnehmungskonventionen. Jedes Medium verfüge demnach über eigene Gesetze, die die ästhetische Gestaltung im jeweiligen Medium prägen. 4 Werden diese Gesetze gebrochen, beispielsweise durch die Realisierung der Sehgewohnheiten eines Mediums mit den Mitteln eines anderen, wird diese Wahrnehmungskonvention irritiert - eine intermediale Ästhetik entsteht. “ Wenn das Theater neue ästhetische Ausdrucksmöglichkeiten in den Zwischenräumen des Intermedialen sucht, dann darf die Theaterwissenschaft nicht zögern, ihm dorthin zu folgen ” , 5 fordert Balme abschließend und plädiert für einen wissenschaftlichen Para- Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 119 - 132. Gunter Narr Verlag Tübingen digmenwechsel, der nicht mehr die lange verfochtene mediale Spezifität in den Mittelpunkt der Forschung stellt, sondern das Theater in einem größeren medientheoretischen Diskurs verortet. 2010 präsentiert Robert Lepage mit dem neunstündigen Epos Lipsynch sein neuestes Mammutwerk bei den Wiener Festwochen. Obgleich er fast fünfzehn Jahre später ohne Zweifel zu den international anerkanntesten Theaterkünstlern zählt und mit seinen Produktionen regelmäßig auf den großen Festivals der Welt präsent ist, zeugt die Rezeption dieser Inszenierung durch die Theaterkritik im Vergleich von einer nahezu unveränderten Haltung der Rezensenten: “ Lepage interessiert sich für Form mehr als für Inhalt; er mag seine Figuren nur, wenn sie Funktionen innerhalb der Form erfüllen; er unterwirft seine Geschichten einem hybriden Konstrukt und verschleiert mit ihrer Verflechtung den Mangel an Tiefe ” , schreibt etwa Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung. 6 Die erwartete große “ Verzauberung ” bleibe aus in diesem “ Oberflächen-Drama des Internetzeitalters ” , das stellenweise in “ melodramatischen Kitsch ” abdrifte und nach neun Stunden Lepages “ Illusionskunst ” ziemlich leiden lasse. 7 Abb. 1: Szenenbild Robert Lepage Lipsynch (UA 2010), Acte 1. Foto: © Érick Labbé. Obgleich diese und ähnliche Analysen des jüngsten Theatermarathons des Quebecers mitunter zu unterschiedlichen Gesamturteilen führen und einige Kritiker auch die Faszination der Bilderwelt des ‘ Theatermagiers ’ Lepage hervorheben, ist den meisten Rezensionen eines gleich: Der Fokus der Artikel liegt auf der inhaltlichen Zusammenfassung des neunstündigen Stücks, das, wenngleich nicht immer wertend, formal mit Serienformaten der Fernsehunterhaltung verglichen wird, wobei die ästhetische Seherfahrung völlig diffus mit Begriffen wie “ Wunder ” , “ Magie ” oder “ Zauberei ” beschrieben wird. Mehrere Aspekte erscheinen hier bemerkenswert: Einerseits nämlich, dass im Zentrum der Beurteilung von Theater bei den Kritikern offensichtlich nach wie vor der Text steht und gleichzeitig eine diagnostizierte formale und/ oder ästhetische Nähe des Theaters zu anderen Medienformaten ein kulturdefätistisches Misstrauen hervorruft. Andererseits, dass die intermedialen Bildwelten zwar als faszinierend beschrieben werden, die besondere Ästhetik dieser Darstellungsweisen aber nicht näher beschrieben oder gar analysiert wird. Mehr als zehn Jahre nach der Entdeckung der Intermedialitätsforschung für die Theaterwissenschaft wirft diese augenscheinlich unveränderte Bewertung von intermedialen Theaterformen durch das Feuilleton eine Reihe von Fragen auf: Handelt es sich hier um ein Defizit der Theaterkritik, dem die wissenschaftliche Theoriebildung weit voraus ist? Oder verweist die begrifflich undifferenzierte Beschreibung jener medialhybriden Theaterphänomene nicht vielmehr auch auf ein wissenschaftliches Desiderat? Offensichtlich hat die von Christopher Balme geforderte Partizipation der Theaterwissenschaft an der Intermedialitätsdebatte bisher nicht zur Schaffung der notwenigen Analysemethoden und Klassifizierungskategorien geführt, die die intermedialen Wahrnehmungserfahrungen beschreibbar machen könnten. Dieses Defizit haben auch die québecer Theaterwissenschaftlerinnen Chantal Hébert und Irène Perelli-Contos herausgestellt und da- 120 Julia Pfahl rauf hingewiesen, dass Theaterwissenschaft und -kritik gleichermaßen den visuellen Aspekt der Ästhetik dieses Theaters oftmals ausklammern: “ Si les modes de création ont changé, n'est-il pas impérieux que les modes de réception, d ’ évaluation et de critique changent aussi? ” 8 Neben dem Mangel geeigneter Analysekategorien lässt sich interessanterweise sowohl seitens der Fachpresse als auch bei den Vertretern der Wissenschaft ein hohes Bewusstsein für die durch eine intermediale Ästhetik ausgelöste veränderte Wahrnehmungserfahrung ausmachen. Grund genug also, die theaterwissenschaftliche Position innerhalb der Intermedialitätsdebatte noch einmal zu rekapitulieren und dabei besonders jene Kategorie der Wahrnehmung auf ihr Potential für die offenbar noch ausstehende Formulierung eines differenzierten Beschreibungsvokabulars in den Fokus zu nehmen. Theater - ein Medium? Die theaterwissenschaftliche Forschungsliteratur der vergangenen zehn Jahre zeugt zwar von einem großen Interesse des Fachs an intermedialen Theaterphänomenen 9 , eine einheitliche theoretische Standortbestimmung erfolgte jedoch bis heute nicht. Das “ Theater ist kein Medium - aber es benutzt welche! ” 10 - titelt Diedrich Diederichsen 2004 in einem Vortrag auf der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft und bringt damit den Kern der theaterwissenschaftlichen Intermedialitätsdebatte auf den Punkt: Das Problem der Auseinandersetzung mit technischen und elektronischen Darstellungsformen im Theater liegt bei den Fachvertretern nicht in der Ablehnung der zunehmenden Medieninvasion auf der Bühne. Dass sich das Theater seit jeher der technischen Möglichkeiten seiner Zeit bediente und bedient, ist unbestritten und für die Theaterwissenschaft auch kein Problem der kulturellen Wertigkeit ihrer Kunstform. Der Definition eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs verwehrt sie sich aber erstaunlich vehement und nachhaltig. Nun sind alle Beteiligten [. . .] an Diskussionen über neue Medien gewöhnt und können oft auf eine besonders reiche Erfahrung an Diskussionen über den Zusammenhang von neuen Medien und Theater zurückgreifen, der mindestens bis an die Anfänge der Avantgarden des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Ebenso alt sind alle möglichen Versuche, den Gebrauch der unterschiedlichsten neuen Medien in die Theaterpraxis zu integrieren: wirklich verschiedenartig sind indes die Register, in denen diese Versuche bemerkt, benannt und diskutiert werden. 11 Von diesem Befund zeugt sowohl die Publikation des 8. internationalen Kongresses der Gesellschaft für Theaterwissenschaft, der umfangreich die Fülle, aber auch die Heterogenität theaterwissenschaftlicher Forschung zum Thema ‘ Theater und Medien ’ dokumentiert als auch der von Freda Chapple und Chiel Kattenbelt edierte Band Intermediality in Theatre and Performance (2006). 12 In beiden Publikationen ist ein Ungleichgewicht zu verzeichnen zwischen Beiträgen, die eine definitorische Verortung des Fachs und seines Gegenstands innerhalb der medienwissenschaftlichen Diskurse anstreben und solchen Untersuchungen, die den unterschiedlichsten medialen, intermedialen oder mediensoziologischen bzw. -historischen Phänomenen im Theater nachgehen. Die zahlenmäßig weitaus geringeren Versuche, das Theater in einem größeren medientheoretischen Kontext zu verorten, 13 offenbaren gleichzeitig auch den Grund für die anhaltende Uneinigkeit der Fachvertreter innerhalb dieser Debatte. Angesichts höchst unterschiedlicher Definitionen des Terminus ‘ Medium ’ steht weiterhin, “ [a]m Anfang [. . .], im Blick auf eine Theaterwissenschaft als Medien-Wissenschaft, 121 The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs die Gretchenfrage: Wie hältst du's mit dem Medien-Begriff? ” 14 Interessanterweise scheint ein einheitlicher operabler Medienbegriff für die theaterwissenschaftliche Beschäftigung mit Medienphänomenen aber auch nicht unbedingt erforderlich zu sein. Nur so lässt sich die merkwürdige Gleichgültigkeit angesichts der wenig fruchtbaren Suche nach selbigem erklären. Die zahllosen Beispiele theaterwissenschaftlicher Beschäftigung mit intermedialen Erscheinungsformen von Theater scheinen zu beweisen, dass es weniger um theoretische Formelhaftigkeit als um die Erweiterung des Selbstverständnisses des Fachs als eine interdisziplinäre Kultur- und Medienwissenschaft geht. In ähnlicher Perspektive plädiert Balme im Rahmen der Hellerauer Gesprächsrunde 15 für eine Fokussierung auf das Verhältnis von Theater und Medien und versucht damit, die scheinbar unüberbrückbare Differenz zwischen Anhängern eines technizistischen Medienbegriffs, dem die Unmittelbarkeit von Theater entgegensteht und solchen Positionen, die als Theater genuin plurimedial konzipieren, zu überwinden. 16 Ich kenne keine Mediendefinition, die nicht auf das Theater passt. Man findet immer irgendwie eine Möglichkeit, sie auf das Theater anzuwenden. [. . .] Ich glaube, wir haben uns sehr lange mit einem eher technizistischen Medienbegriff beschäftigt, der Medien als Mittel der Speicherung und Übertragung von Informationen definiert. [. . .] Es wird immer schwierig sein, Theater sozusagen in Reinform als Medium zu definieren. 17 Vor dem Hintergrund seines Verständnisses von Intermedialität als dem “ Versuch, in einem Medium die ästhetischen Konventionen und/ oder Seh- und Hörgewohnheiten eines anderen Mediums zu realisieren ” , 18 versucht er stattdessen, die Auseinandersetzung mit den ästhetischen Auswirkungen des Medieneinsatzes im Theater zu stärken und die Frage nach den medienspezifischen Codes und Ausdrucksbzw. Darstellungsformen in den Fokus zu rücken. 19 Genau an dieser Stelle scheint die begriffliche Präzisierung eines theaterwissenschaftlichen Medienverständnisses aber insofern nötig, als nur so erklärt werden kann, wie verschiedene Medien im Theater zueinander ins Verhältnis treten und warum diese Interaktion als eine intermediale Ästhetik wahrnehmbar wird. Wenn Jürgen E. Müller Intermedialität als “ ein konzeptionelles Miteinander ” verschiedener Medien beschreibt, deren “ (ästhetische) Brechungen und Verwerfungen neue Dimensionen des Erlebens und Erfahrens eröffnen ” , 20 bleibt mit Gabriele Brandstetter nach den Mechanismen und Erkennungszeichen einer intermedialen Ästhetik zu fragen: [Ich] möchte nicht Theater und Medien gegeneinander ausspielen, sondern deren Verbund betrachten. [. . .] Was ließe sich als das Ästhetische von Theater oder anderen Medien benennen? Meine These ist, dass das Ästhetische an dem Punkt einsetzt, wo die Medien und das Theater nicht reibungslos funktionieren, sondern wo es Formen von Entzug oder von Widerständigkeit gibt. 21 Somit lassen sich drei Parameter herausstellen, die konstitutiv für die Erarbeitung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs sind: Das Theater ist als eine genuin plurimediale Kunstform zu denken, in deren Rahmen unterschiedliche Medien zueinander ins Verhältnis treten können, ohne ihre spezifischen Materialitäten an die Apparatur zu verlieren. Damit kommt dem Theater erstens ein besonderer Status innerhalb der medienwissenschaftlichen Reflexion zu, denn “ im Gegensatz zu den Medien ‘ Photographie ’ und ‘ Film ’ nehmen ins Medium ‘ Theater ’ transformierte Zeichen oder Texte anderer Medien nicht eine gleiche materielle Oberfläche an, so dass im Medium ‘ Theater ’ die 122 Julia Pfahl Differenzen der Medien und materiellen Zeichenträger betont werden ” . 22 Wenn Intermedialität zweitens an die Wahrnehmung von Brüchen, Friktionen, Widerständigkeiten gebunden zu sein scheint, bleibt zu fragen, wie die Interaktion verschiedener (Einzel-)Medien im Medium Theater medientheoretisch zu beschreiben und im Hinblick auf die zum Einsatz kommenden neuen Medien zu differenzieren ist. Ein theaterwissenschaftlicher Medienbegriff muss dann drittens Intermedialität als das ästhetische Miteinander vor dem Hintergrund dieser spezifischen medialen Bedingungen von Theater unter Berücksichtigung der Kategorie von Wahrnehmung beschreibbar machen. Konstitutionsfunktion und Wirkmechanismen von Medien Die Berliner Medienphilosophin Sybille Krämer versucht mithilfe eines kulturwissenschaftlichen Ansatzes die Dichotomie der dominanten Mediendiskurse zwischen Medienmarginalismus und Medienapriorismus zu überwinden und stattdessen einen dritten Weg zu beschreiten, und Medien als Vermittler von etwas zu begreifen, das sie zwar selbst nicht erzeugen, im Vollzug der Übertragung aber gleichwohl mitkonstituieren. 23 Damit distanziert sie sich von einem rein technikzentrierten Medienbegriff, unter den auch das Theater aufgrund seiner unmittelbaren Kommunikationsstruktur nur schwer zu subsumieren ist, und beschreibt Medien stattdessen als “ Apparaturen ” zur “ künstlichen Welterzeugung ” , die an ihrer Botschaft die “ Spur ” ihrer jeweiligen, spezifischen Materialität hinterlassen ” . 24 Medien sind somit nicht lediglich als sekundäre Übertragungsvehikel zu konzipieren, die sich zum Gehalt ihrer Botschaft indifferent verhalten, sondern performativ zu denken in dem Sinne, dass sie das, was sie hervorbringen, auch materiell und ästhetisch prägen. Krämer variiert hier das berühmte Diktum des kanadischen Medientheoretikers Marshall McLuhan ‘ the medium ist the message ’ 25 dahingehend, dass sie die Wirkungslatenz von Medien in ihrer nur scheinbaren Neutralität verortet, als “ blinde[n] Fleck in unserem Wahrnehmen und Kommunizieren ” . 26 Medien wirken wie Fensterscheiben: Sie werden ihrer Aufgabe umso besser gerecht, je durchsichtiger sie bleiben, je unauffälliger sie unterhalb der Schwelle unserer Aufmerksamkeit verharren. Nur im Rauschen, das aber ist in der Störung oder gar im Zusammenbruch ihres reibungslosen Dienstes, bringt das Medium sich selbst in Erinnerung. Die unverzerrte Botschaft hingegen macht das Medium nahezu unsichtbar. 27 Hier diagnostiziert sie wahrnehmungsästhetisch genau jenes Phänomen, das Brandstetter als Moment der intermedialen Interaktion, als “ Formen von Entzug oder von Widerständigkeit ” 28 beschreibt und das aufschlussreich sein könnte für eine Definition einer intermedialen Ästhetik im Theater. Wenn Intermedialität mit Jürgen E. Müller als die Realisierung ästhetischer Konventionen eines Mediums in einem anderen Medium beschrieben werden kann und die Auswirkungen des Einsatzes ‘ fremder ’ Medien eine Wahrnehmungsirritation hervorrufen, erweisen sich die von Krämer beschriebenen Störungen, die das Medium selbst in Erinnerung bringen, auf die Ebene des Theaters übertragen als eben solche Widerständigkeiten, die die medienspezifischen Codes in den Fokus rücken können. In der Verschränkung der höchst unterschiedlichen theoretischen Konzepte McLuhans und des Systemtheoretikers Niklas Luhmann, der Medien im Gegensatz zu McLuhan als indifferent gegenüber ihren Inhalten betrachtet und zwischen Medium und Form als lose und rigide gekoppelten Elementen unterscheidet 29 , argumentiert 123 The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs Krämer für eine Konzeption des Medialen im Performativen. 30 Die Wirkungsweise von Medien verortet sie in der konkreten Materialität des jeweiligen Mediums, das an der transportierten Botschaft einen “ Überschuss an Sinn ” , einen “ Mehrwert an Bedeutung ” hinterlässt, der “ von den Zeichenbenutzern keineswegs intendiert und ihrer Kontrolle auch gar nicht unterworfen ist ” . Wie etwa die Stimme als Medium der Rede nicht nur deren Inhalt, deren Botschaft, vermittelt, sondern das Gesagte durch Tonfall, Brüchigkeit der Kommunikation oder Versagen auch kommentiert oder gar unterminiert, ihr also nicht nur als Vollstreckerin oder als Werkzeug dient, sondern daneben selbst auch Aussagen macht, so verhält sich das Medium zur Botschaft “ wie eine unbeabsichtigte Spur zum absichtsvoll gebrauchten Zeichen ” . 31 Durch ihre Unterscheidung zwischen Medien als “ Mittler von etwas ” und technischen Instrumenten als “ Mittel für etwas ” und der Tatsache, dass sie die Botschaft des Mediums als etwas immer in einem Medium Gegebenes denkt, das “ außerhalb des Mediums überhaupt nicht zu existieren vermag ” 32 gelingt ihr eine Differenzierung zwischen technischen Medien wie etwa dem Film oder dem Computer, die sie unter dem Begriff ‘ Apparate ’ subsumiert, und technischen Instrumenten im Sinne von ‘ Werkzeugen ’ , unter denen sie “ physische wie auch symbolische technische Artefakte ” versteht, die der von ihnen vermittelten Botschaft äußerlich bleiben. Medien als Apparate effektivieren “ nicht einfach das, was Menschen auch ohne Apparate schon tun, sondern erschließen etwas, für das es im menschlichen Tun kein Vorbild gibt ” und fungieren somit als Apparate zur “ künstlichen Welterzeugung ” . 33 Dabei konzipiert sie die Unterscheidung zwischen Technik als Werkzeug und Technik als Apparat aber nicht antagonistisch als ontologische Differenz, sondern plädiert für eine doppelte Betrachtungsweise eines Mediums sowohl unter instrumentalen als auch unter apparativen Aspekten, je nachdem ob der technische Akt der Hervorbringung fokussiert, oder nach den besonderen medialen (und ästhetischen) Implikationen der Art und Weise der Hervorbringung gefragt werden soll - eben nach der Spur, die das Medium an seiner Botschaft hinterlässt. Das Theater lässt sich im Kontext dieses Medienverständnisses als eine Apparatur zur künstlichen Welterzeugung beschreiben, das durch die spezifische Art und Weise des Medieneinsatzes neue Welten und Wahrnehmungsweisen eröffnet und gleichzeitig die Modi der Hervorbringung, also die jeweiligen Codes der Darstellung ins Bewusstsein rückt. Medialität als Performativität Indem sich Krämer in ihrem Verständnis von Medien von der Annahme distanziert, diese fungierten nur als Vermittlungsinstanzen, die den von ihnen transportierten Inhalten äußerlich blieben, kritisiert sie implizit die semiotische Unterscheidung zwischen Zeichenträger und Zeichenbedeutung. Stattdessen versucht sie unter zu Hilfenahme des Konzepts der Performativität ein Medienverständnis zu etablieren, das die Performanz des Medialen ins Blickfeld der Erörterung rückt. 34 Als operatives Geschehen liegt der Fokus dabei nicht nur auf dem Inhalt der Botschaft, sondern auch auf der Art und Weise der Hervorbringung, womit die spezifische Materialität des jeweiligen Mediums und damit auch die dem Medium anhaftende Spur ins Blickfeld gerückt wird. Durch die Hervorhebung des Akts des Vollzugs, der als Aufführung von Zeichen auch eine Verschiebung der Zeichenbedeutung impliziert, offenbart sich das kreative und subversive Potential der Performanz des Medialen. Damit fokussiert Krämer das im gegenwärtigen medientheo- 124 Julia Pfahl retischen Diskurs vernachlässigte Charakteristikum des Mediums als Ver-Mittler im Sinne von “ Distanzsetzung bzw. Distanzüberbrückung ” , dessen Elementarfunktion die Aisthetisierung, also das ‘ Wahrnehmbar-Machen ’ und das zu Gesichtbzw. zu Gehör-Bringen ist. 35 Krämer verwendet ‘ Aisthetisierung ’ hier in der ursprünglichen griechischen Bedeutung des Terminus ‘ aisthesis ’ ( άίσθησις ) als ‘ sinnlich vermittelte Wahrnehmung ’ . In einem postmodernen Verständnis des Begriffs verweist sie damit auf eine deskriptive, prozessorientierte Konzeption von Aisthetisierung in der Einsicht, dass “ Erkennen und Wirklichkeit ihrer Seinsart nach ästhetisch sind ” , dass es sich also beim Ästhetischen nicht um “ sekundäre, nachträgliche Realitäten ” handelt, sondern “ dass das Ästhetische schon zur Grundschicht von Erkenntnis und Wirklichkeit gehört ” . 36 Durch die begriffliche Differenzierung zwischen Werkzeug und Apparat sowie ihrer Konzeption des Medialen im Performativen kann Krämers Medienverständnis für die Formulierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs nutzbar gemacht werden. Unter Anwendung der Begrifflichkeiten Krämers kann Theater als Akt der performativen Hervorbringung künstlicher Welten beschrieben werden, wobei sich an seinen Inhalten die Spuren seiner Einzelmedien bewahren. Ein Verständnis von Theater als Medium bewegt sich also auf einer Skala zwischen ‘ Übertragung ’ im Sinne einer Vehikelfunktion und ‘ Erzeugung ’ im Sinne seiner Konstitutionsfunktion. 37 Gleichwohl bleibt zu fragen, warum der Einsatz ‘ fremder ’ Medien wie beispielsweise Video oder Film als intermedial wahrgenommen und beschrieben wird, während die Verwendung ‘ genuiner ’ Theatermedien, worunter etwa Stimme, Körper oder Licht zu subsumieren wären, die beschriebene Wahrnehmungsirritation nicht provozieren? Wie kann also die Interaktion der verschiedenen Einzelmedien des Mediums Theaters differenziert werden, damit die spezifischen Mechanismen von Intermedialität analysierbar werden und erklärt werden kann, warum (nur) bestimmte mediale Interaktionen ästhetisch als intermedial wahrgenommen werden? Bereits in der Rekapitulation der Funktionsweise von Medien hat Krämer wiederholt auf Phänomene hingewiesen, die in der Wahrnehmung des Medialen begründet sind. Unter zu Hilfenahme des Gedankens der Spur, die das Medium an seiner Botschaft hinterlässt, die aber meist unterhalb der Schwelle unserer Aufmerksamkeit bleibt und nur in Momenten der Störung der Übermittlung wahrnehmbar wird sowie in der Akzentuierung des Moments der Aisthetisierung, des Wahrnehmbar-Machens, als Elementarfunktion von Medien, weist sie der Rezeptionsebene des Medialen eine ebenso bedeutende Rolle zu wie der Produktionsebene. Indem Medien das, was sie übertragen, gleichzeitig auch mit hervorbringen, vollziehen sie einen Akt der Verkörperung mittels dessen die Dinge, die sie übermitteln, erfahrbar und wahrnehmbar gemacht werden. Damit entwickelt Krämer ihr Medienverständnis interessanterweise unter Verwendung von Begrifflichkeiten, die dem Bereich des Theaters entstammen bzw. analog auf die Funktionsweise von Theater übertragbar sind, dessen Kommunikationsprozess im reziproken Verhältnis zwischen Ausführenden oder Produzierenden bzw. Vermittelnden und Zuschauenden, als Wahrnehmenden und dabei Mitgestaltenden begründet ist. Krämer plädiert im Anschluss an ihre Konzeption von Medialität als Performativität in Abgrenzung von Luhmann für ein Verständnis der Formgebung von Medien als einer kulturellen Praxis. Kulturelle Praktiken entfalten sich ihr zufolge im Spektrum zwischen Kunst und Kulturtechnik: ‘ Kunst ’ steht hier für das Unerhörte, für Überraschungen, Ereignis, Phantasie, Einzigartig- 125 The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs keit, Komplexität, faszinierte Aufmerksamkeit, für den Bruch mit dem Vertrauten, kurz: für Innovation. ‘ Kulturtechnik ’ meint dagegen Veralltäglichung, Routinisierung, Ritualisierung, Gewohnheitsbildung, Dispensierung der Aufmerksamkeit, kurz: Wiederholung. 38 Formgebung als Phänomen medialer Performanz situiert sie in diesem Verständnis also zwischen dem innovativen Potential von Kunst und der Wiederholung in der Kulturtechnik, denn “ [j]ede sich in Wahrnehmungsschemata sedimentierende Kunst zehrt von überkommenen Kulturtechniken und bildet sie zugleich um. ” 39 Abb. 2: Szenenbild Robert Lepage Lipsynch (UA 2010), Acte 5. Foto: © Érick Labbé. An dieser Stelle wird deutlich, warum die medialen Interaktionen des Theaters unterschiedliche Wahrnehmungserfahrungen hervorrufen. Weil das Theater als Kunst- und Kulturtechnik gleichermaßen zu beschreiben ist, manifestieren sich in den medialen Prozessen von Theater differente Phänomene intermedialer Interaktion, die auf den spezifischen Darstellungskonventionen des Mediums Theater basieren. Wenn wir im Theater konventionelle (Einzel-)Medien wie die Stimme oder den Schauspielerkörper oder Licht wahrnehmen und diese Wahrnehmung nicht als intermedial erfahren, dann sind diese medialen Akte als Kulturtechniken zu beschreiben, die zur Gewohnheit geworden sind und der Konvention nach zur medialen Spezifität von Theater zu gehören scheinen. Wenn aber der Einsatz elektronischer Bildmedien die Bühne in einen virtuellen Raum zu verwandeln scheint, wenn der Schauspielerkörper mit einem projizierten Körperbild in Interaktion tritt oder Darstellungskonventionen anderer Medien im Theater zum Einsatz kommen, wird Theater als Kunsttechnik zu einer kulturellen Praxis, die durch die Irritation oder Durchkreuzung der medialen Konventionen von Theater für Überraschungen, Faszination und ästhetische Innovation sorgen kann. Mit Blick auf solche Rezeptionserfahrungen kann Luhmanns Unterscheidung zwischen Medium und Form erklären, dass es auf den Beobachterstandpunkt ankommt, was als Medium und was als Form erfahren wird und wie dadurch das “ Prinzip der aisthetischen Neutralisierung ” 40 gebrochen und das Medium selbst auch beobachtbar werden kann. 41 Weil der performative Vollzug der Medien neben der Realisierung und Phänomenalisierung von Dingen immer auch ihre Veränderung und Unterminierung impliziert, kann das, was verkörpert wird, in andere Kontexte übertragen und somit neu oder anders konstituiert werden. Die Idee der ‘ Verkörperung ’ als kulturstiftende Tätigkeit erlaubt es, ‘ Übertragung ’ als ‘ Konstitution ’ auszuweisen und zu begreifen. 42 Die Bedeutung von Performativität ist in einer zeitgenössisch interessanten und anschließbaren Weise gar nicht ohne einen Bezug auf Medialität zu begreifen. [. . .] Erst die dekonstruktivistische Auseinandersetzung mit dem Performativen im Namen der Schrift einerseits und die kultur- und kunstwissenschaftliche Wiederentdeckung des Performativen andererseits hat das Nachdenken über Performativität bis zu jener Schwelle geführt, von der her Zusammenhänge zwischen Medien und Performanz hervortreten können. [. . .] Das Schwellenphänomen, um das es hier geht, ist der Sachverhalt der Aisthesis, verstanden 126 Julia Pfahl als der bipolar strukturierte Vollzug eines Ereignisses und seiner Wahrnehmung, das auf ein (symbolisches) Ausdrucksgeschehen gerade nicht reduzierbar ist. [. . .] Dabei geht in den Begriff der ‘ Aisthetisierung ’ ein, dass es sich im Wechselverhältnis von Ereignis und Wahrnehmung um ein ‘ in Szene gesetztes ’ Geschehen handelt, welches Akteur- und Betrachterrollen einschließt. 43 Ausgehend von einem Verständnis von Theater als einem performativen Ereignis, das nicht nur repräsentiert, sondern das Gezeigte auch phänomenalisiert, also den Sinnen zugänglich macht, kann Theatralität als Medialität konzipiert werden, bei der es sich aufgrund des der Medialität innewohnenden performativen Überschusses an Sinn eben nicht nur um Darstellung im Sinne von Mimesis handelt, sondern um eine ‘ Aufführung ’ oder Re-Inszenierung von etwas, das in diesem performativen Vollzug immer auch verschoben, verändert und unterminiert wird. Theater als Medium ist so als eine Apparatur zur künstlichen Welterzeugung zu beschreiben, die das, was sie zeigt und vermittelt, gleichzeitig auch mitkonstituiert. Konstitutiv für das von Krämer skizzierte Verhältnis von Medialität und Performativität ist nämlich gerade das Moment der Wahrnehmung dieser medialen Performanz, das als duales Wechselspiel zwischen einem Ereignis und seiner Wahrnehmung die Konstitutionsfunktion eben nicht nur auf der Produktionsebene, sondern gleichermaßen auch beim Rezipienten lokalisiert. Aufgrund ihres Aisthetisierungspotentials phänomenalisieren Medien, machen also die Dinge wahrnehmbar, und im Akt der Wahrnehmung wiederum partizipiert auch der Rezipient aktiv am Moment dieser Inszenierung. Damit wird es möglich, Medialität in Krämers Verständnis auch direkt auf das Theater zu beziehen. Wenn man Theater als einen Ort betrachtet, der durch einen sowohl phänomenalisierenden als auch konstituierenden Darstellungsakt im Spannungsverhältnis von Repräsentation und Performanz gekennzeichnet ist, und sich diese Darstellung mittels Medien und vor den Augen des Publikums vollzieht, die Zuschauer also nicht nur passive Rezipienten bleiben, sondern aktiv an dieser medialen Übertragung und Verkörperung, die immer im Sinne einer performativ vollzogenen Inkorporation gedacht wird, teilnehmen, dann scheint es nicht nur möglich, Krämers Verständnis von Medien und Medialität auf das Theater zu übertragen, sondern es wird offensichtlich, dass das Theater als kulturelle Praxis geradezu exemplarisch das vollzieht, was Krämers Medienbegriff theoretisch zu fassen versucht. Intermedialität als (theatraler) Wahrnehmungsmodus Für die konkrete Beschreibung der intermedialen Interaktionsmechanismen im Medium Theater bleibt gleichwohl die Tatsache, dass es sich beim Theater um ein Plurimedium handelt, das unterschiedlichste Medien wie etwa Film, Fernsehen, Video oder digitale Medien “ unter Beibehaltung ihrer jeweiligen Wahrnehmungsmodi und technischen Repräsentationsbedingungen ” 44 in sein Ausdrucksrepertoire integrieren kann, zu berücksichtigen. Mit Rückgriff auf Krämers Medienverständnis lässt sich Intermedialität als eine Formumwandlung medialer Produkte beschreiben, durch die neue ästhetische Wahrnehmungsformen entstehen, welche aufgrund der Irritation, Verzerrung oder Verschiebung spezifisch medialer Konventionen erfahrbar werden. Auf das Theater übertragen wäre dann zu präzisieren, was genau unter dem medialen Produkt, das dieser Formumwandlung unterzogen wird, zu verstehen ist. Ist es das Theater als ein plurimediales System, das durch die fremd- 127 The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs medialen Einflüsse in seiner Ästhetik hybridisiert wird? Wird es durch die Integration technischer Darstellungsmittel oder fremder medialer Konventionen in seiner Gesamtheit einem intermedialen Transformationsprozess unterzogen? Und ergibt sich daraus dann eine Differenzform, oder bleibt das Theate aufgrund seines besonderen medialen Status nicht vielmehr immer Theater? Abb. 3: Szenenbild Robert Lepage Lipsynch (UA 2010), Acte 9. Foto: © Érick Labbé. Um dem besonderen medialen Status des Theaters im Kontext der intermedialen Wechselspiele der Bühne gerecht zu werden, hat Christopher Balme in Anlehnung an Erving Goffman den Begriff des “ Rahmenmediums ” im Sinne eines Hypermediums vorgeschlagen. 45 Damit gelingt es ihm, das “ konzeptionelle Miteinander ” verschiedener Medien theaterwissenschaftlich fassbar zu machen. Der Terminus des Rahmens erhält im Kontext theaterwissenschaftlicher Parameter dabei eine mindestens doppelte Konnotation, denn er kann einerseits den materiellen Rahmen der Proszeniumsbühne und die zum Zuschauer offene Seite des Guckkastens oder in einem dramentheoretischen Zusammenhang die narrativen Bedingungen einer Spielhandlung beschreiben, andererseits aber auch in einem allgemeinsoziologischen Verständnis den sozialen Raum des Theaters als Teilsystem von Gesellschaft benennen. Für seine Verwendung als Schlüsselbegriff intermedialer Austauschprozesse im Theater ist diese Doppeltcodiertheit des Begriffs - ähnlich der Konzeptionalisierung des Mediums als ‘ Werkzeug ’ und als ‘ Apparat ’ - als mediale, also in formaler Hinsicht auf das Theater bezogene Kategorie sowie als soziologische Demarkationsbzw. Definitionsgrenze von entscheidender Bedeutung: Der Begriff der Rahmung dient zur Erforschung des Verhältnisses von medienästhetischen Innovationen, insbesondere hinsichtlich des Theaters zu den [neuen; J. P.] Bildmedien [. . .], und der Reflexion und Thematisierung der Medialität in den Medien selbst [. . .] sowie der Frage, wie der Akt der Rahmung und damit die Apparatur der ästhetischen Perzeption herausgestellt wird. 46 Balme rückt so die ästhetischen Auswirkungen des Medieneinsatzes von Theater ins Zentrum seiner Überlegungen und setzt damit den Akzent auf die Wahrnehmung bzw. die Konventionen von Wahrnehmung. So wie nach Goffman Rahmensetzung auf soziokulturell bedingten Regeln beruht, 47 bestimmt der ästhetische Rahmen des Theaters die in ihm wirksamen Regeln und schafft damit eine auf bestimmten medialen Konventionen beruhende Unterscheidung zwischen Theater und anderen Medien. Im Bewusstsein, dass eine bestimmte Wirklichkeit sowie die Art und Weise ihrer Darstellung im Theater, also in einem spezifischen ästhetischen Bezugssystem, wahrgenommen wird, wird diese Erfahrung zunächst eng auf das jeweilige System, in diesem Fall den theatralen Kontext bezogen, womit erklärbar wird, weshalb bestimmte intermediale Phänomene den habitualisierten theatralen Wahrnehmungsrahmen überschreiten und die beschriebenen ästhetischen Brechungen hervorrufen können, oder - um mit Sybille Krämer zu sprechen - die Spur des (theaterfremden) Mediums sichtbar werden lassen. Mit der Übertragung der Rahmentheorie auf das Theaters sieht Balme eine “ wahr- 128 Julia Pfahl nehmungsstrukturierende Kategorie ” 48 begründet, die den Rahmen als einen Schlüsselbegriff für intermediale Austauschprozesse im Theater identifiziert und das konzeptionelle intermediale Miteinander der verschiedenen medialen Darstellungsformen vor dem Hintergrund der medialen Konventionen des Theaters näher bestimmen kann. Das Theater und seine ihm eigenen Regeln für die Herstellung und die Rezeption von Wirklichkeit dienen als Apparatur ästhetischer Perzeption, durch die die jeweils in seinem Rahmen repräsentierten, thematisierten oder simulierten fremdmedialen Konventionen wahrgenommen werden. Dabei bilden die dem Theater eigenen Regeln für Darstellung und Wahrnehmung die Folie, auf der sich ein Reflexionsraum eröffnet, der in der durch die intermedialen Interaktionen provozierten Hybridisierung theatraler Konventionen den Akt des Betrachtens und die Situation der intermedialen Bezugnahme bewusst machen kann. Abb. 4: Szenenbild Robert Lepage Lipsynch (UA 2010), Acte 5. Foto: © Érick Labbé. In der Form des Theaters als spezifischem Wahrnehmungsbzw. Schauraum offenbart sich seine metareflexive Situation sowohl in Bezug auf seine Ontologie als Medium und als Rahmenmedium als auch hinsichtlich seiner Sonderstellung in intermedialen Wechselbeziehungen. Das Theater zeigt, und zwar nicht nur das Was, sondern auch das Wie, und das nicht nur in Bezug auf seine eigenen Mittel, sondern auch auf die in ihm zur Anwendung kommenden Fremdmedien - es ist, wie Peter Boenisch es formuliert hat, ein “ medientechnologisches Trainingscenter zur Perzeptionsschulung ” , das die spezifischen Codes und Funktionsweisen unterschiedlicher Medien offen legt und damit unsere durch diese beeinflussten Rezeptionsgewohnheiten als solche entlarven kann. 49 Wenn Sybille Krämer Medialität als Performativität konzipiert, dann lässt sich das Theater als ein paradigmatischer Ort medialer Performanz kennzeichnen, der im Moment der (inter)medialen Interaktion die Art der Hervorbringung besonders herausstellen kann und so die unsichtbare Seite seiner Medialität in den Fokus rückt. Das Theater benutzt also nicht nur Medien, sondern ist auch selbst als Medium zu beschreiben. Mit Hilfe eines performativen Verständnisses des Medialen und einer begrifflichen Differenzierung von Medien als Apparaten und Werkzeugen sowie unter Berücksichtigung ihrer Aisthetisierungsfunktion, wie von Krämer formuliert, gelingt es, das Theater als Medium und Rahmenmedium gleichermaßen aufzufassen, das sowohl die jeweiligen im Theater zum Einsatz kommenden Einzel- und Fremdmedien unter Beibehaltung ihrer spezifischen medialen Konventionen wahrnehmbar macht, als auch gleichzeitig durch die besondere Ästhetik der theatralen Rahmung eine intermediale Erfahrung ermöglicht. Damit wird die ‘ zauberhafte Theatermagie ’ im Sinne einer Kunsttechnik nicht nur als ästhetisches Innovationspotential eines Theaters im Medienzeitalter beschreibbar, sondern offenbart auch in der Überwindung einer kulturpessimistischen, rein textfokussierten Bewertung der Bühne den Charakter des Theaters als eine kulturelle Praxis, die den Umgang mit (neuen) Medien als ein in doppelter Hinsicht produktives Verfahren erfahrbar macht. 129 The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs Anmerkungen 1 Wille, Franz. “ Mit der Gießkanne im Regen stehen. ” Theater heute 8 (1996): 22. 2 Balme, Christopher. “ Robert Lepage und die Zukunft des Theaters im Medienzeitalter. ” Transformationen. Theater der neunziger Jahre. Ed. Erika Fischer-Lichte [et al.]. Berlin, 1999, 133 - 146. 3 Vgl. exemplarisch Meyer, Petra Maria. “ Theaterwissenschaft als Medienwissenschaft. ” Forum Modernes Theater 12.2 (1997): 115 - 131. 4 Balme 1999, 134. 5 Balme 1999, 144. 6 Tholl, Egbert. “ Funktion folgt der Form. Robert Lepage enttäuscht bei den Wiener Festwochen ” Süddeutsche Zeitung v. 14. 05. 2010: 12. 7 Vgl. u. a. Jandl, Paul. “ Neun Stunden im Halbdunkel. ” Die Welt v. 15. 05. 2010: 36; Stadelmaier, Gerhard. “ Neun Stunden, neun Leben, neun Schauspieler. ” Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14. 05. 2010: 33; Villiger- Heilig, Barbara. “ Neun Mal Leben, drei Mal Tod. ” Neue Zürcher Zeitung v. 19. 05. 2010: 49. 8 Hébert, Chantal/ Perelli-Contos, Irène. “ L ’œ uvre de Robert Lepage. Voyage(s) métaphorique(s) et décalage(s) perceptif(s). ” Le théâtre québécois 1975 - 1995. Ed. Dominique Lafon. Québec, 2001, 265 - 280, hier 273. 9 Davon zeugen u. a. Veröffentlichungen wie Leeker, Martina, ed. Maschinen, Medien, Performances. Theater an der Schnittstelle zu digitalen Welten. Berlin, 2001; Balme, Christopher/ Moninger, Markus, ed. Crossing Media. Theater - Film - Fotografie - Neue Medien. München, 2004; Chapple, Freda/ Kattenbelt, Chiel, ed. Intermediality in Theatre and Performance. Amsterdam/ New York, 2006; Schoenmakers, Henri [et al.], ed. Theater und Medien/ Theatre and the Media. Grundlagen - Analysen - Perspektiven. Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld, 2008. 10 Diederichsen, Diedrich. “ Der Idiot mit der Videokamera. Theater ist kein Medium - aber es benutzt welche. ” Theater Heute 4 (2004): 27 - 31. 11 Diederichsen 2004, 28. 12 Schoenmakers [et al.] 2008; Chapple/ Kattenbelt 2006. 13 Vgl. hierzu bes. Boenisch, Peter M. “ Aesthetic art to aisthetic act: theatre, media, intermedial performance. ” Chapple/ Kattenbelt 2006, 103 - 116. 14 Brandstetter, Gabriele. “ Un/ Sichtbarkeit: Blindheit und Schrift. Peter Turrinis ‘ Alpenglühen ’ und William Forsythes ‘ Human Writes ’ . ” Schoenmakers [et al.] 2008, 85 - 97, hier 85. 15 Leeker, Martina. “ Hellerauer Gespräche: Theater als Medienästhetik oder Ästhetik mit Medien und Theater? ” Leeker 2001, 405 - 433. 16 Vgl. hierzu Pfahl, Julia. Zwischen den Kulturen - zwischen den Künsten. Medial-hybride Theaterinszenierungen in Québec. Bielefeld, 2008: 405 - 433. 17 Balme zitiert in Leeker 2001, 406 f. 18 Balme 1999, 135. 19 Wie Balme plädiert auch Peter M. Boenisch für eine mediengeschichtliche Perspektive, in der er Intermedialität als eine Form von ‘ remediation ’ und als “ effect created in the perception of observers that is triggered by performance ” (Boenisch 2006, 113) beschreibt. Damit stellt auch er Wahrnehmung - hier als ein historisch determiniertes Phänomen - ins Zentrum der Reflexion. 20 Müller, Jürgen E. “ Intermedialität als poetologisches und medientheoretisches Konzept. ” Intermedialität. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Forschungsgebiets. Ed. Jörg Helbig. Berlin, 1998, 31 - 40, hier 31 f. 21 Brandstetter zitiert in Leeker 2001, 409. (Hervorhebung im Original). 22 Meyer 1997, 120. 23 Krämer, Sybille. “ Erfüllen Medien eine Konstitutionsleistung? Thesen über die Rolle medientheoretischer Erwägungen beim Philosophieren. ” Medienphilosophie: Beiträge zur Klärung eines Begriffs. Ed. Stefan Münker [et al.] Frankfurt/ M., 2003, 78 - 90. 24 Krämer, Sybille. “ Das Medium als Spur und als Apparat. ” Medien, Computer, Realität. Ed. Sybille Krämer. Frankfurt/ M., 1998, 73 - 94, hier bes. 81 und 84 f. 130 Julia Pfahl 25 McLuhan, Marshall. Die magischen Kanäle. Understanding Media. Dresden/ Basel, 1994, 21. 26 Krämer 2003, 81. 27 Krämer 1998, 74. 28 Brandstetter zitiert in Leeker 2001, 409. 29 Für Niklas Luhmann sind Medien in erster Linie Kommunikationsmittel, die bei der Übermittlung von Informationen zur Distanzüberbrückung dienen. Dabei wird die Distanz aber nicht aufgehoben, sondern transformiert. Luhmann betrachtet Medien als lose verknüpfte Elemente, die faktisch unbestimmt, damit aber potentiell empfänglich für Strukturierungen sind, während er das, was diese losen Verknüpfungen zu strukturbildenden Mustern verdichtet, als Form definiert. Durch ihr hohes Auflösevermögen sind Medien aufnahmefähig für Formen, somit also ohne einander nicht denkbar, stehen aber in einem asymmetrischen Verhältnis zueinander: Während sich die Form durchsetzt, bleibt das Medium passiv, wird aber durch die jeweilige Formgebung nicht verbraucht, sondern erneuert, und ist damit wieder offen für weitere Formgebungen. Nach Luhmanns Theorie nehmen wir daher, wo immer wir Medien begegnen, nicht die Medien selbst, sondern nur ihre konkrete Form war. Vgl. Luhmann, Niklas. “ Das Medium der Kunst. ” Delfin 7 (1986): 6 - 15; ders. Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt/ M., 1987, darin bes. Kap. III “ Medium und Form ” : 165 - 214; ders. Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt/ M., 1997. 30 Krämer, Sybille. “ Über das Zusammenspiel von ‘ Medialität ’ und ‘ Performativität ’ . ” Paragrana 13.1 (2004): 129 - 133. 31 Krämer 1998, 78 f. 32 Krämer 1998, 83. 33 Krämer 1998, 84 f. 34 Sybille Krämer, “ Was haben ‘ Performativität ’ und ‘ Medialität ’ miteinander zu tun? Plädoyer für eine in der ‘ Aisthetisierung ’ gründende Konzeption des Performativen. ” Performativität und Medialität. Ed. Sybille Krämer. München, 2004, 13 - 32. 35 Krämer 2004, 132. 36 Vgl. ausführlicher Barck, Karl-Heinz. “ Zur Aktualität des Ästhetischen. ” Ästhetische Grundbegriffe (ÄGB): Historisches Wörterbuch in sieben Bänden (Bd. 1). Ed. Karl- Heinz Barck [et al.] Stuttgart, 2000, 308 - 317 sowie Böhme, Gernot. Aisthetik. Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre. München, 2001. 37 Krämer 2003, 80. 38 Krämer 2003, 86. 39 Krämer 2003, 86. 40 Krämer 2003, 82. 41 Luhmann erklärt das Verhältnis von Medium und Form als ein wechselseitig bedingtes, in dem Formen immer nur als Form-in-einem- Medium wahrnehmbar werden, dabei das Medium selbst aber (zunächst) unsichtbar bleibt. Wahrnehmbar werden Medien nach Luhmann erst dann, wenn ein Medium selbst wieder zur Form in einem anderen Medium wird, wenn beispielsweise Geräusche sich zu Worten verdichten und diese wiederum im Medium der Sprache zu Formen der Satzbildung werden. Das Moment der Transformation also, der Übergang von Formen zu Medien und wieder zu Formen ist das Moment im Prozess der medialen Performanz, das Bezugnahme ermöglicht. Vgl. Luhmann 1987, 172. 42 Krämer 2003, 85. (Hervorhebungen im Original). 43 Krämer 2004, 13 f.(Hervorhebung im Original). 44 Moninger, Markus. “ Vom ‘ media-match ’ zum ‘ media-crossing ’ . ” Balme/ Moninger 2004, 7 - 12, hier 9. 45 Balme, Christopher. “ Pierrot encadré. Zur Kategorie der Rahmung als Bestimmungsfaktor medialer Reflexivität. ” Leeker 2001, 480 - 492. 46 Balme 2001, 480 f. 47 Goffman, Erving. Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. Frankfurt/ M., 1993, bes. 31 - 34. 48 Balme 2001, 481. 49 Boenisch, Peter M. “ Theater als Medium der Moderne? Zum Verhältnis von Medientechnologie und Bühne im 20. Jahrhundert. ” Theater als Paradigma der Moderne? Positionen zwischen historischer Avantgarde und Medienzeitalter. Ed. Christopher Balme [et al.] Tübingen/ Basel, 2003, 447 - 456, hier 453. 131 The medium has a message! - Zur Profilierung eines theaterwissenschaftlichen Medienbegriffs Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG JANUAR 2012 JETZT BESTELLEN! Matteo Taufer (ed.) Contributi critici sul testo di Eschilo Ecdotica ed esegesi Drama, Neue Serie, Band 8 2011, 276 Seiten €[D] 58,00/ SFr 77,90 ISBN 978-3-8233-6686-7 Il presente volume offre alla comunità scientifica un’articolata serie di studî sul testo di Eschilo. Si tratta, in larga parte, delle indagini in fieri del gruppo internazionale di ricerca impegnato nel progetto - che gode del patrocinio dall’Accademia dei Lincei - di revisione critica e riedizione delle sette tragedie, dei frammenti e degli scolî. Pur movendo da prospettive diverse nell’approccio alla tradizione manoscritta e a stampa del poeta, l’ équipe si rivela solidale nell’intento di tracciare un metodo globalmente storico nella rilettura del testo eschileo. In particolare, si rivela elemento di forza, condiviso nelle premesse metodologiche, l’opportunità di restituire alla lexis del tragediografo molteplici anomalie o asimmetrie - specie di lessico e sintassi - in cui consente la paradosi: Eschilo è poeta scabro, che trae il suo vigore espressivo dall’uso di termini e costrutti inconsueti o stranianti, come gli riconosceva già Aristofane nelle Rane . Una rinnovata edizione dei drammi superstiti dovrà tenere nel debito conto quei tratti distintivi, su cui fece peraltro leva la sensibilità critica antica, troppo spesso oscurati da una tendenza normalizzante in voga da almeno due secoli. Verlorene Paradiese? Theater-Autorinnen und ihre Dramen Christina Thurner (Bern) Das Drama gilt in der Theater- und Literaturgeschichte gemeinhin als ‘ männliche ’ Domäne, innerhalb derer Dramatikerinnen sich nur schwer Präsenz verschafften oder scheiterten. Um diese dichotome Wahrnehmung geht es im vorliegenden Beitrag. Dabei soll die Rolle der ‘ Dramatikerin ’ , ihre Autor-Funktion befragt und insbesondere ihre Rezeption in der Theater- und Literaturwissenschaft behandelt werden. Die zentrale Frage lautet, wie sich eine solche genderspezifische Alterität in die Wissenschaft ein- und in ihr festschreibt und mit welchen Konsequenzen für die Dramatik und für die theatralische Praxis. Exemplarisch soll die Rezeption von Luise Gottsched, Charlotte Birch-Pfeiffer, Marieluise Fleißer und dem Berner Kurzstückprojekt Verlorene Paradiese analysiert und dafür postuliert werden, dass die Präsenz von ‘ Dramatikerinnen ’ und damit ganz verschiedener Dramenformen und -themen im Kanon nur über differenzierte Betrachtungen nach expliziten historisch, produktionsästhetisch und theaterpraktisch adäquaten Kriterien zu erreichen ist. “ Eine Phalanx, ein Dutzend wirksamer Dramatikerinnen erobert die Bühne mit neuen Themen und Formen ” ; 1 dies schreibt 1933 der Theaterkritiker Hans Kafka. Inwiefern - mag man aus heutiger Sicht auf den theatralen und literarischen Kanon fragen - und wo sind sie geblieben, die wirksamen Dramatikerinnen? Während Kafka geradezu martialisch einen Aufbruch, eine Wende in der Theater- und Literaturgeschichte heraufbeschwört, gibt sich eine der wohl gemeinten Dramatikerinnen bereits drei Jahre früher weitaus skeptischer. Marieluise Fleißer stellt in ihrem kurzen Text Das dramatische Empfinden bei den Frauen fest: “ Wenn der bloße Kampf ein Drama wäre, hätten schon viele Frauen Dramen geschrieben. Aber zum sogenannten wohlabgewogenen Bau hat sie kein inneres Verhältnis. Sie fühlt die Forderung, die in jedem Stück liegt, daß es zu einem bestimmten Punkt hinaufsteigen muß, noch sehr dumpf, sieht nicht die klar gezogene Linie. Es ist denn auch der Einwand, den man immer wieder gegen Stücke von Frauen erhebt, daß sie nicht gebaut sind. ” 2 Fleißer orientiert sich in dieser Stelle offensichtlich an einer normativen Dramenpoetik. Zurückgehend auf ein Modell der geschlossenen Handlung mit Konflikt und klarem Spannungsbogen prägt im deutschsprachigen Raum - nach anderen wie Gottsched, Lessing oder Schiller - vor allem Gustav Freytag das Dramenparadigma. In seiner Schrift Technik des Dramas von 1863 entwirft er bekanntlich das fünfstufige Dreiecks-Schema mit steigender Handlung zum Höhepunkt und fallender Handlung zur Katastrophe. 3 Fleißer, die Freytags Vokabular aufnimmt, indem sie vom wohlabgewogenen Bau mit klaren Linien spricht, nimmt diese Norm (zumindest scheinbar) an, sagt aber gleichzeitig, dass die Frau dazu keine “ wesentliche Veranlagung ” habe. 4 Dass sie mit diesem Statement ihr bestens bekannte Zeitgenossen wie etwa Brecht nicht berücksichtigt, der eine dezidiert nichtaristotelische Dramenpoetik propagiert und realisiert hat, darauf wird noch einzugehen sein. Zunächst zurück zur weiblichen Phalanx oder zum Rückzug: Die beiden zitierten Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 133 - 141. Gunter Narr Verlag Tübingen Voten, das progressive von Kafka und das defensive von Fleißer widersprechen sich allerdings gar nicht so sehr, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Die Rolle der “ Dramatikerin ” , ihr Ansehen - wenn man so will - , wird jeweils nur anders gewertet. Beide, Kafka und Fleißer, diagnostizieren eine Abkehr vom bzw. einen Verstoß gegen den ‘ klassischen ’ Bau der Dramen. Kafka stellt dies als erfolgreiche formale und thematische Neuerung dar, in Fleißers Zitat kommt es zumindest vordergründig als Eingeständnis eines Unvermögens daher. In beiden Voten ist so eine genderspezifische Behauptung formuliert, die das aristotelisch normative Drama als männliche Domäne begreift. In diese Domäne nun dringen die Dramatikerinnen - je nach Wahrnehmung - kämpferisch ein oder sie scheitern daran, ja müssen daran scheitern. Um diese dichotome Wahrnehmung geht es im vorliegenden Beitrag. Es soll dabei explizit nicht - wie dies die Gendertheorie insbesondere der 1980er Jahre bis in die 1990er Jahre getan hat - darauf eingegangen werden, ob Frauen, speziell Dramatikerinnen, tatsächlich anders schreiben als Männer oder Dramatiker. 5 Das literarische und damit auch das dramatische Schreiben ist allerdings viel zu komplex, als dass m. E. Rückschlüsse vom Text auf das ‘ reale ’ Geschlecht des Autors und umgekehrt gemacht werden könnten. Schreiben ist immer auch ein Spiel, eine bewusste oder unbewusste Maskerade, in der die “ Person ” des Autors persona ist im etymologischen Wortsinn, Rolle, Maske, hinter die wir - nicht erst seit Roland Barthes oder Michel Foucault - nicht schauen können. 6 In den folgenden Ausführungen soll die Rolle der Dramatikerin - oder mit Foucault: ihre Autor-Funktion 7 - weiter befragt und insbesondere ihre Rezeption in der Theater- und Literaturwissenschaft behandelt werden. Dabei lassen sich - wie ich zeigen möchte - durchaus genderrelevante, aber auch wissenschafts- und nicht zuletzt praxisproblematisiernde Aussagen machen. Die zentrale Frage lautet also nicht wie und warum schreiben Dramatikerinnen anders als Dramatiker, sondern vielmehr wie schreibt sich eine solche Alterität 8 in die Wissenschaft ein und in ihr fest und mit welchen Konsequenzen für die Rezeption von Dramatik und für die theatralische Praxis. Ich werde mich dabei nach einer kurzen Exposition über das 18. Jahrhundert und Luise Gottsched vor allem auf drei Beispiele beziehen, auf die Rezeption von Charlotte Birch-Pfeiffer, als in ihrer Zeit, dem 19. Jahrhundert, erfolgreichste und heute kaum noch bekannte deutschsprachige Dramatikerin, auf Marieluise Fleißer und ihre genderspezifisch exemplarische, zum Teil prekäre Wahrnehmung in der Literaturwissenschaft und schließlich auf die Praxis und Rezeption heutiger Dramatikerinnen am Beispiel neuerer Projekte wie etwa dem Kurzstückspektakel Verlorene Paradiese des Stadttheaters Bern. Exposition: (Weibliches) Schreiben im Kontext der Produktionsbedingungen Im 18. Jahrhundert erreichten genderbezogene gattungspoetische Diskussionen eine erste Blüte, 9 Fragen wie ‘ welche literarische Gattung den Männern und welche den Frauen zugestanden sei ’ , wurden behandelt, und es galt allgemein die Auffassung, dass insbesondere die Dramenkunst einer strengen Logik unterworfen und somit der männlichen Autorschaft vorbehalten sei. 10 Dass ausgerechnet die Gattin des Dramentheoretikers Johann Christoph Gottsched, Luise Adelgunde Victorie Kulmus Gottsched, im 18. Jahrhundert Dramen geschrieben hat, wird in der Literatur- und Theaterwissenschaft - wenn überhaupt - vor allem als Akt der Emanzipation gedeutet. Die Feministin Helga Kraft beispielsweise schreibt in ihrem Kapitel zu Luise 134 Christina Thurner Gottsched unter dem Titel Die “ Mutter der deutschen Komödie ” der frühen Dramatikerin emanzipatorische Motive und Ausdrucksweisen zu, indem sie etwa sagt, dass die geborene Kulmus “ in ihren Stücken klugen Frauen einen zentralen Platz auf der Bühne einräumt und daß die weiblichen Figuren in ihren Fähigkeiten keineswegs dem Manne nachstehen ” 11 . Kraft projiziert diesen emanzipatorischen Gestus zurück auf die Autorin und behandelt diese als bisher in der Forschung zu wenig wahrgenommene Ausnahmeerscheinung in ihrer Zeit. 12 Diese Einschätzung macht m. E. ein grundsätzliches Problem deutlich, das auftritt, wenn die ‘ Dramatikerin ’ aus heutiger Sicht als ein kreatives Subjekt gesehen wird, das Texte aus individuellem Antrieb für einen bestimmten Zweck, die Bühne, produziert. In Luise Gottscheds Dramen - wie etwa in der heute noch bei Reclam greifbaren Komödie Die Pietisterey im Fischbein-Rocke, oder die doktormäßige Frau, in einem Lustspiele vorgestellt von 1736 - kommen zwar redegewandte Frauenfiguren vor, allerdings ist gerade das erwähnte Werk keine originäre Schöpfung einer sich emanzipierenden Autorin, sondern eine - in dieser Zeit durchaus übliche und von Luise Gottsched raffiniert betriebene - Übertragung aus dem Französischen. Der Text folgt in groben Zügen Guillaume Hyacinthe Bougeants La Femme Docteur ou la théologie tombée en quenouille von 1730, ist aber adaptiert auf deutsche Verhältnisse, d. h. den Pietismus, den das Stück als zunächst anonym publiziertes Lesedrama ironisierend kritisiert. Beachtet man diese vermeintlichen Details der ‘ Werkgeschichte ’ , so greift Krafts hier exemplarisch zitierte Aufwertung von Gottscheds Schaffen zu kurz, weil sie bestimmte historische und kulturelle Produktionsbedingungen nicht berücksichtigt und damit eine Autorin an einer kreativen Eigenständigkeit misst, die der Stückanlage grundsätzlich widerspricht und damit wissenschaftlich angreifbar wird. Charlotte Birch-Pfeiffers Theatertext(e) Ich knüpfe nun auch im Folgenden an die kulturhistorisch-philologische oder diskursanalytische Kritik an feministischen Aufwertungsversuchen von Autorinnen an und komme wiederum exemplarisch zum ‘ Problem ’ Charlotte Birch-Pfeiffer für die Wissenschaft. Obwohl Birch-Pfeiffer in ihrer Zeit eine der wichtigsten Figuren in der deutschsprachigen Theaterlandschaft war - sie lebte von 1800 bis 1868 - , gilt auch sie heute als nahezu vergessen. Dies bezeugen etwa ex negativo zahlreiche Pressemeldungen zum Amtsantritt von Barbara Frey am Schauspielhaus Zürich 2009, die festhielten, sie sei die erste Theaterdirektorin an diesem Ort. Das ist historisch nicht ganz richtig: Birch- Pfeiffer leitete das erste Zürcher Stadttheater 13 von 1837 bis 1843 - sechs glanzvolle Spielzeiten lang. Sie war aber nicht nur Theaterleiterin und Schauspielerin, sondern auch Dramatikerin. In ihrer Zürcher Ära wurden 20 ihrer eigenen Stücke aufgeführt und insgesamt rund siebzigmal gespielt - im Vergleich dazu: Schiller kam auf 29 Aufführungen, Goethe auf 5, Kleist auf 7, Lessing auf 2, Shakespeare auf 10, Kotzebue immerhin auf 30. 14 Man mag sich fragen, warum ihre alles in allem über hundert Dramentexte 15 für Theater und Oper neben jenen ihrer genannten Kollegen nicht in den literarischen Kanon eingegangen sind. Wer kennt heute noch Herma oder die Söhne der Rache, ihr erstes Drama von 1828, oder Pfeffer-Rösel (1829), Dorf und Stadt (1847), Der Leiermann und sein Pflegekind (1859) oder vielleicht am ehesten noch Die Grille (1856) nach George Sand? Corina Caduff schreibt dieses Vergessen in ihrem Aufsatz zu Birch-Pfeiffer der Gattung des Rührstücks zu, zu der diese Dramentexte zu zählen sind und die “ als Zeit- und Gebrauchsdramatik ihre Entstehungsepoche nicht zu überleben vermochte ” . 16 Die Plots sind jeweils schnell erzählt und ent- 135 Verlorene Paradiese? sprechen der bürgerlichen Moral der Zeit. So verpasst etwa in Der Leiermann und sein Pflegekind ein Mädchen beim Auswandern seiner verarmten Familie durch einen unglücklichen Zubzw. Unfall das Schiff nach Amerika. Ein Tunichtgut rettet Riekchen das Leben und ein heruntergekommener Leiermann nimmt es auf. Das herzensgute Kind läutert daraufhin alle, die mit ihm in Berührung kommen. Im Stück laufen schließlich verschiedene Handlungsstränge in überraschender Weise in totaler Harmonie zusammen; das Ganze mündet in einem Happy End mit Heirat, Familienzusammenführungen und tugendhafter Verbürgerlichung aller vorher gesellschaftlich Gestrandeten. Das deutschsprachige Theater der Zeit bediente weitgehend einen populären Publikumsgeschmack, was sich vor allem in den Themen und in der Handlungsführung zeigt. Ein Verdienst insbesondere von Birch-Pfeiffer war es jedoch, die Aufführungspraxis, insbesondere die Schauspielleistung, zu professionalisieren. 17 Auffällig an Birch-Pfeiffers Dramen sind denn auch die ausführlichen Nebentexte, was dafür spricht, dass sie für die Umsetzung auf der Bühne verfasst sind, eine Umsetzung, die die Dramatikerin durch Regieanweisungen im Text bereits ziemlich genau vor-schreibt. 18 Birch-Pfeiffers Dramentexte lassen deutlich ihre Doppelrolle als Theater-Autorin und -Regisseurin erkennen. Die Texte, die sie selber ironisch als “ wieschtes Theatergeschreib ” bezeichnet hat, 19 sollen dezidiert in den Aufführungen aufgehen. Das verbindet Birch-Pfeiffer übrigens mit heutigen Theater-Autorinnen und -Autoren, die sich oft selber gar nicht mehr Dramatiker/ -innen nennen wollen, worauf unten nochmals eingegangen wird. Interessant für die Fragestellung dieses Beitrags ist vor allem, wie die Wissenschaft nachträglich mit diesen ‘ Texten für die Bühne ’ umgeht. Als “ Mutter des Rührstücks ” wird Birch-Pfeiffer verschiedentlich in sprechender Parallele zur so genannten “ Mutter der Komödie ” (Gottsched) genannt. 20 Neben dieser gattungsoriginären Zuschreibung prägt vor allem - auch wieder mit defensivem Gestus - eine “ archäologische[], feministisch motivierte Forschung ” 21 die Birch-Pfeiffer- Rezeption. Kritisiert wird beispielsweise wiederum von Kraft im Hinblick auf Birch- Pfeiffers Texte eine “ Geschlechter-Zensur ” 22 mit dem Hinweis, dass lediglich zwei Dissertationen existierten, die sich “ befleißigen, ihre Dramen am Kanon zu messen oder der Trivialliteratur (mit oft unfairen Vergleichen) zuzuordnen ” . 23 Kraft sieht vielmehr in Birch- Pfeiffers Dramen durch die weiblichen Protagonisten das “ normative heterosexuelle Weltbild ” angegriffen 24 ; sie versteckten “ hinter dem Konventionellen [. . .] subtile gesellschaftliche Kritik oder doch zumindest eine Alternative zum gängigen Diskurs ” . 25 Eine solche Alternative erscheint aber m. E. höchstens in den individuellen glücklichen Schicksalswendungen - wohlgemerkt von im Grunde tugendhaften Frauen und Männern. Auch Susanne Kords Rehabilitierungsargument, dass Birch-Pfeiffer das Happy-End als triviales Merkmal relativiere, indem sie genau mit dieser Tradition experimentiere, 26 lässt sich an den Texten - soweit sie überhaupt greifbar sind - nicht lückenlos nachweisen; neben einer zum Teil abenteuerlich bis verblüffend konstruierten und zurechtgebogenen Handlungsführung hin zum guten Ende ist eine experimentelle Metareflexion jedenfalls nicht zu erkennen. Caduff kommt deshalb gar zum Schluss, dass “ allfällige Wiederauflagen von Birch-Pfeiffer-Texten ” trotz dieser feministischen Rettungsversuche, wie sie es nennt, heute “ wenig sinnvoll ” seien. 27 Dagegen gelte es - so Caduff - , durchaus die Leistung Birch- Pfeiffers als “ weibliche Theaterschaffende zu würdigen, die die darstellende Bühnenkunst des 19. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt hat. ” 28 Das Argument, Birch-Pfeiffer vor allem im Theaterkontext zu betrachten und zu 136 Christina Thurner würdigen, ist durchaus berechtigt; aber kann die Historiographie dies tun ohne die Texte? Reicht es, den ‘ Gegenstand ’ quasi an Historiker abzugeben als biographische Erfolgsgeschichte mit Aufführungsdaten, Bühneninformationen und Einnahmenzahlen? Ich denke nicht. Eine literatur- und theaterwissenschaftliche Perspektive auf Birch-Pfeiffers Texte als Texte für das Theater, d. h. ein in bestimmten soziokulturellen und historischen Kontexten stehendes Theater, kann durchaus relevante Ergebnisse generieren - etwa zum Zusammenhang von Dramentext und zeitgenössischer Aufführungspraxis, zu Figurenzeichnungen und Handlungsführung im Kontext eines die Theaterhäuser tragenden Bürgertums mit moralischem Wertekanon usw. Und allenfalls wäre sogar unter gendertheoretischen oder gattungspoetologischen Gesichtspunkten eine vergleichende Analyse von Birch-Pfeiffers Texten mit jenen anderer Rührstück-Autoren des 18./ 19. Jahrhunderts wie Kotzebue oder Iffland fruchtbar, die ebenfalls in ihrer Zeit starke Beachtung fanden und heute im literarischen Kanon ein Randdasein fristen. Am Beispiel der Birch-Pfeiffer-Rezeption sollte gezeigt werden, dass es aus heutiger wissenschaftlicher Sicht problematisch ist, diese Frau als Dramatikerin “ rehabilitieren ” zu wollen, wenn die Kriterien nicht genau differenziert und offen gelegt werden. Ihre Texte, ihre Dramen also, können und sollen nicht an klassischen Dramenpoetiken gemessen, sondern müssen m. E. im Kontext der Aufführungs- und Theaterpraxis betrachtet werden. Durch die nicht zu entzweiende Doppelrolle der Autorin ergibt sich schließlich auch für die Kategorie ‘ Dramatikerin ’ eine Modifikation, die an den Texten, insbesondere an den Nebentexten ablesbar ist. Nach Kriterien der heutigen Theaterpraxis würde man streng genommen gar nicht mehr von einer Dramatikerin, sondern von einer Theaterautorin sprechen - auch wenn diese Differenzierung durchaus ebenfalls diffizil ist - , einer Autorin also, die keine Dramen zur Lektüre, sondern kategorisch Gebrauchs- oder Prätexte für eine jeweils spezifische Aufführungspraxis schreibt, in der der geschriebene Text schließlich aufgeht. Als solche ‘ Theatertexte im theatralen Kontext ’ sind die Dramen von Birch-Pfeiffer denn auch zu behandeln, wenn man ihr als Phänomen in ihrer Zeit - auch als weibliches Phänomen - gerecht werden will. Marieluise Fleißers ‘ Alterität ’ Etwas anders verhält es sich mit Marieluise Fleißer, dem nächsten Beispiel, auf das wiederum nur punktuell in Bezug auf die Fragestellung nach dem genderspezifizierenden Diskurs zu Dramatiker/ innen eingegangen werden kann. Fleißers Dramen sind heute durchaus im literarischen Kanon zu finden und gelten zumindest als interessant. Das Problem bei der literatur- und theaterwissenschaftlichen Fleißer-Rezeption ist, dass sie lange Zeit lediglich in Bezug auf oder im Vergleich mit Brecht behandelt wurde. Während ein Teil der Forschung nachzuweisen versuchte, wie sehr Fleißers Texte von Brecht beeinflusst und gar umgeschrieben waren, 29 ging es einem anderen Teil von v. a. Literaturwissenschaftlerinnen eher darum, Fleißers Eigenständigkeit und Verschiedenheit von Brecht zu belegen. 30 Freilich ist insbesondere die Werkgeschichte ihres Erstlingsdramas Fegefeuer in Ingolstadt (1924) durchaus aussagekräftig wiederum in Bezug auf die Theaterpraxis der Zeit. Um das Stück aufführen zu können, war die zum Entstehungszeitpunkt 23jährige Autorin auf die Vermittlung durch einen erfahrenen Theatermann, Brecht, angewiesen. 31 Dieser änderte denn auch den ursprünglichen Titel Die Fußwaschung und griff in die Dramaturgie des Stücks ein. Die Fleißersche “ Urfassung ” ohne Brechts Korrekturen gilt als 137 Verlorene Paradiese? verloren, allerdings existiert eine späte neuerliche Überarbeitung von Fleißer selber aus dem Jahr 1971. 32 Ob und wie Fegefeuer in Ingolstadt von der Brecht'schen Ästhetik, einer zeitgenössisch durchaus paradigmatischen Ästhetik, geprägt ist, war sicherlich einige Untersuchungen wert. Dass es allerdings bis in die späten 1990er und in die 2000er Jahre gedauert hat, bis andere Forschungsfragen in den Vordergrund rückten, verwundert angesichts der metaphernreichen, performativen Sprechführung, der “ Polyphonie und Polyfunktionalität der Figurenrede ” , 33 der entpsychologisierten Charaktere, der Intertextualitäten usw. Aus gendertheoretischer Sicht lässt sich in Fleißers Stück außerdem eine scharfe Gesellschaftskritik nachweisen. Die Protagonistin, die Jugendliche Olga Berotter, ist ungewollt schwanger. Sie wird von ihrem religiös-patriarchalisch geprägten Umfeld verstoßen und nur von Roelle, ebenfalls einem Außenseiter, umworben. Für die Fragestellung des vorliegenden Beitrags relevant ist nun die Diskrepanz zwischen Fleißers anfänglich zitierter genderspezifischer Aussage zur ‘ Dramatikerin ’ und ihrem eigenen dramatischen Schaffen. Da lohnt es sich m. E. noch genauer hinzuschauen. Etwas weiter unten in Fleißers Text Das dramatische Empfinden bei den Frauen heißt es nämlich: “ Wir haben die Sprache, wir haben Szenen, wir haben besonders Rollen, die Spezialbegabung der Frau, weil sie sehr nah und bis in die Einzelheiten genau sieht, gewissermaßen vollständig um den Menschen herumgeht, den Punkt findet mit einer Witterung für menschliche Eigenheiten, wie sie in dieser Feinheit dem Mann abgeht. Die nächste Leistung, die wir bringen müssen, ist - das Stück. ” 34 Fleißer macht hier also durchaus dramatische Qualitäten wie die Rollenentwürfe aus, die sie als weibliche Qualitäten bestimmt. Das, was sie “ das Stück ” nennt, misst sie allerdings auch in dieser Stelle an einem klassisch-normativen Dramenkonzept, das bei ihr männlich konnotiert ist. Signifikant dabei ist, dass die zeitgenössische Theaterpraxis durchaus auch neuen Themen und Formen - wie Kafka betont - Platz eingeräumt hat. Im Dramatik-Diskurs stehen sich jedoch geradezu klischeehaft männliche Norm und weibliche Alterität bei Kafka, Fleißer, aber auch bis heute in der Theater- und Literaturwissenschaft gegenüber. An den historischen Beispielen bzw. an ihrer Rezeption sollte gezeigt oder zumindest daraufhin sensibilisiert werden, dass literaturwissenschaftliche Versuche einer Aufwertung von Dramatikerinnen und ihrem Werk problematisch sind, wenn sie die Kategorie ‘ Dramatikerin ’ nicht sehr genau differenzieren nach historischen, textgenetischen und theaterpraktischen Kriterien. Einige der zitierten Abhandlungen und Anthologien tun dies nicht oder nur unzureichend und tragen damit kaum zu vermehrter Präsenz von Dramen weiblicher Autoren im literarischen Kanon bzw. auf der Bühne bei. Dieses Fehlen ist in der Tat noch immer eklatant, wenn man sich Auflagenzahlen und Spielpläne anschaut. Am Theater Basel beispielsweise sind in der Spielzeit 2009/ 2010 von 16 Schauspielpremieren zwei Stücke von Dramatikerinnen 35 und am Schauspielhaus Zürich von 20 drei, 36 wobei eines davon eine Romanadaptation ist. 37 Schaut man in andere Sprachräume, etwa nach Großbritannien, fällt auf, dass Dramen von weiblichen Autoren 38 präsenter sind. Feministische Theaterwissenschaftlerinnen wie Elaine Aston schreiben dies v. a. den Bestrebungen seit den 1980er Jahren zu, Dramatikerinnen vermehrt zu fördern etwa durch Schreibworkshops wie am Royal Court usw. Solche Bestrebungen gibt es seit kürzerer Zeit auch im deutschsprachigen Raum, etwa mit dem Dramenprozessor in der Schweiz, der eine Chance nicht nur für Frauen ist. 138 Christina Thurner Genderspezifisch besetzt, aber nicht markiert Ein Projekt soll zum Schluss noch erwähnt werden, weil es m. E. einen exemplarischen ‘ Ausweg ’ aus dem Dilemma aufzeigt. Das Berner Stadttheater hat 2008 acht Dramatikerinnen aus der Schweiz und aus dem Ausland den Auftrag gegeben, ein Stück zu verfassen zum Spielzeitthema Verlorene Paradiese. 39 Die Stücke wurden dann im Mai/ Juni 2009 erfolgreich in einem Theatermarathon aufgeführt, einige haben bereits weitere Aufführungsorte gefunden. Beachtlich an diesem Projekt ist, dass ausschließlich Autorinnen Raum gegeben wird, ohne dass deren Weiblichkeit darüber hinaus irgendeine Rolle spielt. Verlorene Paradiese - aber nicht als Vertreibung aufgrund weiblicher Schuld. Das Berner Projekt wurde nirgends speziell als Dramatikerinnen-Anlass ausgewiesen. Da schrieben einfach Frauen fürs Theater, ohne dass ihr Frausein explizit Thema war oder ist. Dies tun ja Männer gewöhnlich umgekehrt auch nicht anders. Dadurch gehen jedoch diese acht ganz unterschiedlichen Texte der Autorinnen in den Dramen-Kanon ein, einige bleiben wohl drin, andere fallen vielleicht wieder heraus. Aber immerhin haben sie eine Bühne, also Raum erhalten, der zwar genderspezifisch besetzt, aber nicht als solcher markiert war. Jedes Stück wurde in seiner jeweiligen Eigenheit wiederum je eigen inszeniert. Daran ließe sich denn auch gewissermaßen ein Schlussvotum anschließen: Geschlechtsspezifische Alterität sollte einer differenzierten, fundierten Behandlung nach expliziten historisch, produktionsästhetisch und theaterpraktisch adäquaten Kriterien weichen und so im Kanon Präsenz markieren für ganz unterschiedliche Dramenformen und -themen - dies wäre den Theaterautorinnen und ihren Dramen auch in der übrigen Theaterpraxis sowie in der Literatur- und Theaterwissenschaft noch vermehrt zu wünschen und sei hier zur weiteren Vertiefung angeregt. Anmerkungen 1 Kafka, Hans. “ Dramatikerinnen - Frauen erobern die Bühne ” . Die Dame, Januar 1933: 17; zit. u. a. auch in Stürzer, Anne. Dramatikerinnen und Zeitstücke. Ein vergessenes Kapitel der Theatergeschichte von der Weimarer Republik bis zur Nachkriegszeit. Stuttgart/ Weimar, 1993 (= Ergebnisse der Frauenforschung, Bd. 30), 15. 2 Fleißer, Marieluise. “ Das dramatische Empfinden bei den Frauen. ” Frauen - Literatur - Forum 9, 29/ 30 (1986): 15 - 16, hier 16. 3 Freytag, Gustav. Die Technik des Dramas. Berlin, 2003 (EA 1863), 95. 4 Vgl. zur Tradition dieses Arguments auch Simmel, Georg. Philosophische Kultur. Über das Abenteuer, die Geschlechter und die Krise der Moderne. Gesammelte Essays. Berlin, 1983, 234: “ [. . .] daß die Frau zwar dem Manne, der sozusagen der geschlossene Grenzen-Durchbrecher ist, gegenüber als das geschlossene, von strenger Grenze umzirkte Wesen erscheint - aber mit ihren künstlerischen Leistungen gerade da versagt, wo die strenge Geschlossenheit der Form prävaliert: im Drama ” . 5 Vgl. dazu etwa Weigel, Sigrid. Die Stimme der Medusa. Schreibweisen in der Gegenwartsliteratur von Frauen, Reinbek, 1989; Stephan, Inge/ Weigel, Sigrid. Die verborgene Frau. Sechs Beiträge zu einer feministischen Literaturwissenschaft. Berlin, 1988; Bovenschen, Silvia. Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen, Frankfurt a. M., 1979 usw. 6 Exemplarisch zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa die Autorschafts-Maskerade in Grimmelshausens Courage, in deren Vorrede weibliches Schreiben im doppelten Wortsinn als Rollenspiel angekündigt wird. 7 Vgl. Foucault, Michel. “ Was ist ein Autor? ” . Schriften zur Literatur, übers. v. Karin von Hofer und Anneliese Botond. Frankfurt a. M., 1988, S. 7 - 31. 139 Verlorene Paradiese? 8 Vgl. zum hier verwendeten Alteritätsbegriff v. a. Balme, Christopher. “ Einleitung ” . Das Theater der Anderen. Alterität und Theater zwischen Antike und Gegenwart. Ed. Christopher Balme. Tübingen/ Basel, 2001, 7 - 19. 9 Vgl. zum Beispiel verschiedene Beiträge in der von Gottsched ab 1725 herausgegebenen ersten Frauenzeitschrift Die vernünftigen Tadlerinnen. 10 Vgl. Henke, Silvia. Studien zu einem kleinen Drama im Werk von Alfred Jarry, Else Lasker-Schüler, Marieluise Fleisser und Djuna Barnes. Würzburg, 1997, 20 f. 11 Kraft, Helga. Ein Haus aus Sprache. Dramatikerinnen und das andere Theater. Stuttgart/ Weimar, 1996, 23. 12 Dagmar von Hoff stellt 1989 in Dramen des Weiblichen. Deutsche Dramatikerinnen um 1800. Opladen, 1989, fest, dass durchaus die genderbedingte Subordination bereits in der Gattung der literarischen Produktion der Gottschedin festzumachen sei, indem sie herausstreicht, dass sich “ zum einen schon in der Lustspielproduktion der Luise Adelgunde Gottsched im Gegensatz zu Johann Christoph Gottscheds Trauerspielproduktion eine geschlechtsspezifische Zuweisung an [deutete], bei der das poetologische Feld des Lustspiels den Frauen noch eher als das Trauerspiel zugewiesen wurde ” ; vgl. Hoff 1989, 23. 13 Das “ Aktien-Theater ” an den Unteren Zäunen, “ aus dem später das heutige Opern- und Schauspielhaus hervorgingen ” , vgl. dazu Caduff, Corina. “ Charlotte Birch-Pfeiffer. Direktorin des Zürcher Theaters 1837 bis 1843 ” . Und schrieb und schrieb wie ein Tiger aus dem Busch. Über Schriftstellerinnen in der deutschsprachigen Schweiz. Ed. Elisabeth Ryter [et al.]. Zürich, 1994, 95 - 111, hier S. 98. 14 Vgl. Caduff 1994, 100. 15 D. s. Eigenkreationen, Dramatisierungen von Prosawerken sowie Übertragungen von Dramen aus anderen Sprachen. 16 Caduff 1994, 107 17 Vgl. Caduff 1994, 101. 18 So heißt es etwa zum Auftritt des Protagonisten: “ verkümmerter Mann von einigen fünfzig Jahren, das Gesicht bleich und verwittert, die Nase rot, [. . .] - den Leierkasten an einem Gurt vor sich hertragend, eine holländische kurze Pfeife im Mund, ironisch lächelnd, kommt von rechts und sieht sich neugierig um [. . .] ” ; vgl. Birch-Pfeiffer, Charlotte. Der Leiermann und sein Pflegekind. Halle o. J., 1859, 11. 19 Birch-Pfeiffer zit. in Caduff 1994, 101. 20 Vgl. Pargner, Birgit. Charlotte Birch-Pfeiffer (1800 - 1868). Eine Frau beherrscht die Bühne. Katalog zur Ausstellung im Deutschen Theatermuseum München vom 19. November 1999 bis zum 20. Februar 2000. Bielefeld, 1999, die diese Bezeichnung aber als “ nicht zutreffend ” kritisiert. 21 Caduff 1994, 108. 22 Kraft 1996, 56. 23 Kraft 1996, 52. 24 Kraft 1996, 65 25 Kraft 1996, 68. 26 Kord, Susanne. Ein Blick hinter die Kulissen. Deutschsprachige Dramatikerinnen im 18. und 19. Jahrhundert. Stuttgart, 1992 (= Ergebnisse der Frauenforschung, Bd. 27), 76. 27 Caduff 1994, 110. 28 Caduff 1994, 110. 29 Vgl. etwa Reichert, Carl-Ludwig. Marieluise Fleißer. München, 2001. 30 Vgl. beispielsweise Kraft 1996; außerdem Walach, Dagmar. “ Marieluise Fleißer: Fegefeuer in Ingolstadt ” Interpretationen. Dramen des 20. Jahrhunderts. Bd. 1, Stuttgart, 1996, 327 - 344. 31 Erstaufführung: 1926 durch Moritz Seeler, Junge Bühne, Deutsches Theater Berlin. 32 Vgl. Walach 1996, 327 f.: “ Handlungsabläufe und Dialog verdichtet, Szenen fortgeschrieben und nur Angedeutetes vertieft - an die Grundzüge des Dramas rührte sie nicht. ” 33 Vgl. Bühler-Dietrich, Annette. Auf dem Weg zum Theater. Else Lasker-Schüler, Marieluise Fleißer, Nelly Sachs, Gerlind Reinshagen, Elfriede Jelinek. Würzburg, 2003, 76. 34 Fleißer 1986, 16. 35 Margaret Obexer: Das Geisterschiff; Marguerite Duras: Falsche Namen. 36 Elfriede Jelinek: Rechnitz (Der Würgeengel); Katrin Lange: Unterm hohen Himmel: Parzival. 37 Agota Kristof: Gestern. 140 Christina Thurner 38 Etwa Caryl Churchill, Rebecca Prichard, Judy Upton, Sarah Kane usw. 39 Lola Arias: Musik für Tiere; Vanessa Badham: Leben und Tod von D-Star K; Odile Cornuz: Einbruch; Daniela Janjic: Durch Geister fahren; Rebekka Kricheldorf: Mechanische Tiere; Ivana Sajko: Szenen mit Apfel; Gerhild Steinbuch: Angst obs wer merkt; Sabine Wen-Ching Wang: Corea. Künstlerische Leitung: Erich Sidler, Bühnenbild: Christoph Wagenknecht, Stückentwicklung: Erik Altorfer, Karla Mäder, Erich Sidler. 141 Verlorene Paradiese? Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG OKTOBER 2011 JETZT BESTELLEN! Annemarie Stauss Schauspiel und Nationale Frage Kostümstil und Aufführungspraxis im Burgtheater der Schreyvogel- und Laubezeit Forum Modernes Theater - Schriftenreihe 36 2011, 313 Seiten €[D] 68,00/ SFr 91,00 ISBN 978-3-8233-6557-0 Das lange 19. Jahrhundert gilt als das Zeitalter der Nation. Doch dieser Begriff ist komplex und nationale Identität ist keine ahistorische Selbstverständlichkeit. Ausgehend von einem überarbeiteten Erklärungsmodell nach Benedict Anderson und dessen Erweiterung hinsichtlich des Theaters untersucht Annemarie Stauss die Genese und den Wandel nationaler Identität aus der Perspektive Wiens. Dabei geht die Autorin von der visuellen Komponente der Bühnenkunst aus und entwickelt anhand von Kostümfigurinen, Rezipienten und Produzentenzeugnissen sowie Zensurakten ein Panorama der unterschiedlichen Ansichten, Tendenzen und Interessen, aber auch insbesondere der vielfältigen Versuche von Einwirkung auf die Öffentlichkeit, sei es seitens der Regierenden oder auch der Regierten. Dabei erschließt sich die Verbindung zwischen ästhetischer und ideologischer Entwicklung auf der theaterhistorischen Zeitachse zwischen Welttheaterkonzepten weimarischen Zuschnitts, Historismus und Realismus, so dass die identitätsreflektierende und identitätsprägende Funktion des Theaters deutlich wird. Renaissance oder Resonanz: Kunst und Wissenschaft des Fliegens bei Leonardo da Vinci Viktoria Tkaczyk (Amsterdam) Der Dichter und Philosoph Paul Valéry verweist in seinem Buch über Leonardo da Vinci fast beiläufig auf einen Zusammenhang, der gesonderte Aufmerksamkeit verdient. “ Seine Freude ” , schreibt Valéry über Leonardo, “ lebt sich in den schmückenden Festdekorationen aus, in reizenden Erfindungen, und wenn er davon träumt, einen fliegenden Menschen zu konstruieren, lässt er ihn in die Lüfte steigen, um Schnee von den Gipfeln der Berge zu holen und im Sommer auf das vor Hitze brodelnde Pflaster der Städte zu streuen. ” 1 Tatsächlich war Leonardo als Ingenieur in zahlreichen Feldern zugleich tätig. Er entwarf Theatermaschinen für das oberitalienische Festwesen ebenso wie Kriegs-, Landwirtschafts-, Bau- oder Flugmaschinen. Dennoch scheint die heutige Forschung teilweise wieder eine Grenze zwischen der wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit Leonardos zu ziehen, zumindest bleibt die Theaterarbeit des Renaissanceingenieurs in der äußerst umfangreichen Forschungsliteratur zu dessen Flugstudien konsequent ausgeblendet. 2 Leonardo hätte jedoch, so möchte ich behaupten, seine Flugstudien nicht im selben Ausmaß unternommen, wäre er nicht zugleich auch Zeuge und Ausstatter einer Theater- und Festkultur gewesen, in der spektakuläre Flugeffekte eine übergeordnete Rolle spielten. Die wissenschaftliche Erforschung und technische Realisierung des Fliegens stellte zur Wende des 16. Jahrhundert noch immer ein Tabu dar. Antike Mythen wie der Ikarusmythos oder die christliche Legende vom Sturz des Simon Magus warnten vor physischen ebenso wie vor geistigen Höhenflügen. 3 Gleichwohl hinterließ Leonardo mehr als 500 Entwurfsskizzen zu verschiedenen Flugmaschinen; die ersten datieren auf 1485, die letzten auf 1515. Diese Skizzen haben heute einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Leonardo aber vertraute sie seinerzeit nur geheim gehaltenen Heften an. Zudem lässt sich nicht nachweisen, dass er seine Maschinenentwürfe jemals realisiert, geschweige denn erprobt hat. 4 Das Festwesen hingegen stellte für Leonardo ein legitimes Experimentierfeld dar, das es ihm erlaubte, phantasievolle Flugwerke zu gestalten, die teilweise augenfällige technische Parallelen zu seinen Flugmaschinenentwürfen aufweisen. Die scheinbar über den Straßen schwebenden Wagen der italienischen Passions- und Triumphzüge, die sich von Kirchendecken senkenden Flugwerke im religiösen Spiel und die verschiedenen ex machina-Effekte höfischer Aufführungen schürten eine neuartige Flugfaszination, die sich auf Leonardos wissenschaftliches Interesse am Flug ausgewirkt haben mag. Zwar verband Leonardo seine Theaterarbeit selbst nicht explizit mit der Flugforschung. Ich möchte jedoch zeigen, dass sich zwischen beiden Tätigkeitsfeldern rückblickend durchaus Resonanzeffekte ausmachen lassen. In methodischer Hinsicht greife ich dabei auf das Resonanzmodell des New Historicism zurück. Stephen Greenblatt hat das “ Wunder ” und die “ Resonanz ” als zwei Modi der ästhetischen Erfahrung von (Kunst)-Objekten beschrieben: Es gebe (Kunst-)Ausstellungen in deren Rahmen die Exponate wie “ Wunderwerke ” angesehen werden, sie ziehen den Betrachter vollkommen in ihren Bann, wecken ein distanzloses Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 143 - 158. Gunter Narr Verlag Tübingen Begehren und eine ungehemmte Aufmerksamkeit. Es gebe aber auch Ausstellungen, in welchen die (Kunst-)Objekte im Betrachter eine Ahnung davon wach rufen, durch welche Hände sie einmal gewandert waren, wer sie geschaffen, geformt, gebraucht, sich angeeignet, ausgestellt oder literarisch beschrieben hat. Den Objekten sei anzumerken, dass sie einmal zwischen künstlerischen und außerkünstlerischen Repräsentations- und Aneignungspraxen zirkuliert waren; und diese Verhandlungsprozesse um das (Kunst-)Objekt wirkten in demselben nach. Den entsprechenden Effekt des Nach- und Mitklingens der Geschichte bezeichnet Greenblatt als ‘ Resonanz ’ : [T]he effect of resonance does not necessarily depend upon a collapse of the distinction between art and non-art; it can be achieved by awakening in the viewer a sense of the cultural and historically contingent construction of the art objects, the negotiations, exchanges, swerves, exclusions by which certain representational practices come to be set apart from other representational practices that they partially resemble. 5 Für den Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt wird die so verstandene Resonanz zum Ausgang einer Analyse, die den Spuren der historisch besehen weit zurückliegenden literarischen Verhandlungsprozesse um das vermeintliche (Kunst-)Objekt folgt. Im Folgenden wird es mir um solche literarische Spuren, aber auch um bildliche Spuren gehen. In der Gegenüberstellung der Schriften und Skizzen, die Leonardo von seiner Tätigkeit als Festgestalter und Flugforscher zurückgelassen hat, soll deutlich werden, inwiefern diese rückblickend auf ein Resonanzverhältnis schließen lassen. 6 Das Resonanzmodell erscheint mir für dieses Vorhaben auch deshalb geeignet zu sein, weil die Flugwerke im italienischen Theater des Quattro- und Cinquecento gemeinhin als Renaissancephänomene, das heißt im Kontext einer Neubelebung der griechisch-antiken Theatertechnik, gedeutet werden. 7 Es wird jedoch nachzuzeichnen sein, dass es sich bei den Flugwerken des italienischen Fest- und Theaterwesens kaum um Renaissancephänomene handelt. Eher ist von der Neuerfindung einer Theatertechnik zu sprechen, die ihre Resonanz in der wissenschaftlichen Erforschung und Beschreibung des Fliegens fand, wie sie Leonardo zeitgleich und nach ihm zahlreiche Gelehrte und Handwerker unternahmen. I. Die Neuerfindung des Fliegens im Festwesen der Renaissance Zu Leonardos Zeit oblagen die oberitalienischen Stadtstaaten dem, was der Kunsthistoriker Jacob Burckhardt in seiner Studie zur Kultur der Renaissance in Italien (1860) einmal als “ Zwang zur städtischen Selbstrepräsentation ” 8 bezeichnet hat. Geeignetes Medium der politischen Repräsentationskultur war das Festwesen, das aufgrund des massenwirksamen Charakters zu einem bedeutenden, äußerst lukrativen Betätigungsfeld für Handwerker, höfische Künstler und Gelehrte avancierte. Insbesondere in den Festen des Quattro- und Cinquecento ging aus der Bündelung verschiedenster sozialer Interessen und Energien ein neues Festrepertoire hervor, das keinen vorher definierten Regeln gehorchte. Dort trafen, so beschreibt es 1899 auch der Kulturhistoriker Aby Warburg im Kontext seiner prominenten Beschäftigung mit der Renaissance-Ikonologie, “ die treibenden und hindernden Kräfte zusammen, die über Blüte und Verfall der Kunstentwicklung so oft entscheiden. ” 9 Ein Produkt dieser Kräfte waren die phantasievoll gestalteten Theatermaschinen. Fast ausnahmslos handelt es sich dabei um Flugwerke. Obgleich diese Flugwerke den deus ex machina-Kränen des griechisch-antiken Theaters auf den ersten Blick ähneln, ist 144 Viktoria Tkaczyk hier jedoch nicht von der Renaissance einer Bühnentechnik auszugehen. Vielmehr lässt sich von einer theatertechnischen Neuerfindung sprechen, die ihren Anfang in der kirchlichen Liturgie des Duecento genommen hat: Im Duecento wurden dem streng regulierten Gestenvokabular der Liturgie zunächst anschauliche Passionsbilder und -skulpturen zur Seite gestellt. Diese dienten der religiösen Unterweisung und Wiedererinnerung. Der Kunsthistoriker Hans Belting spricht davon, dass sich der Betrachter an die Passionsbilder und -skulpturen auch mimetisch angleichen und sie “ als geistiges Bild in sich produzieren sollte ” 10 . Mit Beginn des Trecento wurde die liturgische Praxis durch dramatische Elemente (drammi liturgici) sowie durch außerliturgische Predigtelemente (uffizi drammatici) und Lauden bereichert. In diesem Rahmen traten erstmals auch Darsteller auf, um die Passionsbilder in so genannten quadri animati zu verkörpern. 11 Mit Erstarken der italienischen Festkultur im Quattrocento avancierten die lebenden Bilder zum spektakulärsten Element der religiösen Festzüge und sacre rappresentazioni. Im Rahmen der Festzüge sind Wolkengerüste (nuvole) angefertigt worden, um die Darsteller durch die Straßen zu tragen. Der Künstlerbiograph Giorgio Vasari schreibt deren Erfindung dem florentinischen Ingenieur Il Cecca (Francesco d'Angelo, 1446 - 1488) zu und schildert die Machart einer nuvola in aller Ausführlichkeit: Man nahm einen viereckigen Holzrahmen, ungefähr zwei Ellen hoch, mit vier starken Füßen an den Ecken, [. . .]. Auf diesem Rahmen lagen übers Kreuz zwei Bretter, [. . .]; daraus ragte ein Stab hervor, der eine Mandorla trug, reich mit Baumwolle, Cherubim, Seraphin und anderen Dingen ausgeschmückt, und in dieser saß oder stand eine Person, welche entweder den ersten Schutzpatron der Bruderschaft, oder den Heiland, die Madonna, St. Johannes oder einen anderen Heiligen darstellte. Die Gewänder dieser Gestalten verdeckten das Eisen so, daß man es gar nicht sah, [. . .]. Die ganze Maschine, sammt Stab und Eisen mit Baumwolle [. . .] erschien zuweilen von Lastträgern oder Bauern auf den Schultern getragen; sie vertheilten sich innen um jene Tafel, die wir einen Rahmen genannt haben, [. . .] und diese ganzen Maschinen [macchine] wurden Wolken [nuvole] genannt. 12 Nicht zufällig nennt Vasari die Gerüste “ macchine ” , - täuschten sie das Publikum doch dahingehend, dass sie auf wundersame Weise über dem Boden zu schweben schienen, angetrieben durch eine im Inneren verborgene, göttliche Maschinerie. Der Effekt, so heißt es in zahlreichen Chroniken, soll die Zuschauer der Passionszüge teilweise zu Tränen gerührt und in ihrem Glauben bestärkt haben. 13 Die prominenten Bildtafeln der Passion (die Epiphanie des Erzengels und die Himmelfahrt Christi) wurden in den Festzügen also nicht nur durch die Darsteller verkörpert. Den Eindruck des Lebendigen und Authentischen evozierten auch die Festwagen, deren scheinbare Selbstbeweglichkeit als ‘ maschinell ’ und damit als ‘ göttlich ’ angesehen wurde. 14 Nicht unbedeutend ist in diesem Zusammenhang, dass Vasari eine beinahe beliebige Reihe an Figuren aufzählt, die auf den Gerüsten Platz nehmen konnten. Denn neben die Corpus Domini- und Dreikönigsprozession traten seit Mitte des Quattrocento zunehmend profane Stadt- und Triumphzüge. Dabei erweiterte sich die vormals sakrale Besetzung der Wolkengerüste (Christus-, Engel- und Heiligenfiguren) um allegorisches und historisches Personal. Gegen Ende des Jahrhunderts präsentierten sich die Stadtfürsten zuweilen sogar selbst auf den nuvole. Somit wurde der durch die Wolkengerüste evozierte Flugeffekt zwar bewahrt, durch die personelle ‘ Umbesetzung ’ der Gerüste im Rahmen der Festkultur jedoch gewissermaßen profaniert. 145 Renaissance oder Resonanz Auch in den sacre rappresentazioni des Quattrocento wurden die Flugeffekte der Festzüge zitiert, wobei sie hier in technisch-ästhetischer Hinsicht zugleich einer bedeutenden Modifikation unterlagen. Denn der Repräsentationsraum verschob sich gegenüber den Festzügen um 90 Grad in die Vertikale. Wurden die nuvole in den Straßenzügen sukzessive aneinander gereiht, um sämtliche Stationen der Passion darzustellen, so inszenierte man in den Kirchenräumen meist nur ein ausgewähltes Bild der Passion und ordnete die Szenerie vertikal an. Dabei wurden die Wolkengerüste der Festzüge übernommen, aber zu sogenannten mandorle umgestaltet, die man an Seilen befestigte und von der Kirchendecke hinab gleiten ließ. Damit konnte man spektakuläre christus ex machina- und angelus ex machina-Effekte inszenieren. An der Entstehung der mandorla im Quattrocento lässt sich also nachvollziehen, dass das Flugwerk in der Theatergeschichte ein zweites Mal erfunden worden ist - und zwar nicht, indem die antike Bühnenpraxis wiederentdeckt und zitiert worden war. Vielmehr ist die zunächst im Rahmen der Festzüge erfundene nuvola in der sacra rappresentazione zur mandorla ‘ umfunktioniert ’ worden. Daher nimmt es auch nicht wunder, dass die mandorla in technischer Hinsicht kaum der antiken mechané nachempfunden war; ihre Bestandteile entstammten vielmehr vorwiegend dem Dom-, Festungs- und Schiffbau des Quattrocento. 15 Die genaue Beschreibung zweier sacre rappresentazioni des Untersuchungszeitraums verdanken wir dem russischen Bischof Abraham von Souzdal, der während des Florentiner Unionskonzil im März 1439 einer Ascensione (Himmelfahrt) sowie einer Annunziatione (Marienverkündigung) beigewohnt hatte. Souzdal zufolge repräsentierte in der Ascensione eine steinerne Estrade im Mittelschiff der Kirche den irdischen Schauplatz. Darüber befand sich auf einem Holzgerüst das Paradies, von dem sich im Moment der Auffahrt Christi eine mandorla herabsenkte: ein ringförmiges Flugwerk, auf dem sich eine Schar von Kindern in Engelsgewändern im Kreis drehte, um den Christusdarsteller in ihrer Mitte himmelwärts zu geleiten. 16 Souzdals Beschreibung der Inszenierungstechnik hat zu einer Reihe von Modellrekonstruktionen geführt, wie sie etwa in der Ausstellung “ Teatro e Spettacolo nella Firenze dei Medici. Modelli dei luoghi teatrali ” (Palazzo Medici Riccardi, Florenz, 2001) gezeigt worden sind (Abb. 1). Abb. 1: Anonyme Fotografie eines Bühnenmodells. Aus: Teatro e Spettacolo nella Firenze dei Medici. Modelli dei Luoghi Teatrali. Ausstellungskatalog. Hg. v. Elvira Garbero Zorzi u. Mario Sperenzi. Florenz 2001, S. 125. Welche Wirkung erzielten die Flugeffekte der sacre rappresentazioni im 15. Jahrhundert? Souzdals Berichte wechseln stetig zwischen 146 Viktoria Tkaczyk zwei Beobachterperspektiven. Zum einen spricht aus den Beschreibungen eine technische Neugier, die den Autor offenbar dazu verführt hatte, hinter die Kulissen der Flugeffekte zu sehen. So schildert Souzdal auch eine Annunziatione, die er ebenfalls 1439 in Florenz in der Santissima Annunziata- Kirche gesehen hatte (vgl. dazu die Rekonstruktion auf Abb. 2). Sehr genau erläutert er hier, wie der Erzengel im Marienmysterium längs durch das gesamte Kirchenschiff zu fliegen schien: Während er [der Engel] an den Stricken herabfährt, singt er mit sanfter Stimme [. . .]. Er hat hinter sich zwei Rädchen befestigt, die von unten, wegen der grossen Entfernung, unsichtbar sind, und in welche die zwei Stricke passen, während am dritten, feinsten Stricke Leute, die oben aufgestellt und ebenfalls unsichtbar sind, den Engel herablassen und wieder nach oben ziehen. 17 Abb. 2: Fotografie eines Bühnenmodells (R. Bencini, M. Bertoni). Aus: Teatro e Spettacolo nella Firenze dei Medici. Modelli dei Luoghi Teatrali, Ausstellungskatalog. Hg. v. Elvira Garbero Zorzi u. Mario Sperenzi. Florenz 2001, S. 118. Zum anderen lässt sich an Souzdals Worten aber auch ein religiös gestimmtes Staunen ablesen, das sich dem Glanz der Aufführung hingegeben hatte: “ So viel ich in meinem Unverstande vermocht, habe ich es niedergeschrieben, manches aber ist unmöglich zu beschreiben, weil so wunderbar und unaussprechlich. Amen. ” 18 Das emotionale Wechselspiel zwischen technisch-analytischer Neugier auf der einen und distanzlosem Staunen auf der anderen Seite verweist auf eine Wirkungsästhetik, die nicht mehr, wie bei den oben erwähnten Passionstafeln, auf dem mimetischen Verschmelzen von Betrachter und Kultobjekt gründet. Vielmehr ist hier der Beginn einer neuartigen Flugfaszination anzusetzen. Wie in jüngeren Untersuchungen zur Geschichte der kulturellen Aufmerksamkeit wiederholt gezeigt worden ist, sind es häufig auch nicht singuläre kognitive Leidenschaften, die zur epochenspezifischen Fokussierung bestimmter Kult- und Forschungsobjekte führen, sondern die Art und Weise, wie unterschiedliche Empfindungsweisen um diese Objekte in bestimmten historischen Räumen verschränkt sind. 19 Dies gilt auch für das Festwesen zu Leonardos Zeit, das einen öffentlichen Raum bot, in dem die immer noch religiös besetzte Flugthematik teilweise auf distanzlose Bewunderung, teilweise aber auch auf technischen Erfindungseifer und wissenschaftliche Neugierde stieß und damit eine neuartige Aufmerksamkeit und Faszination prägen konnte. 20 Leonardo war nicht nur Zeuge der sacre rapprensentazioni und Festzüge seiner Zeit. Er gestaltete diese auch maßgeblich mit. So findet sich unter den erhaltenen Skizzen des Künstler-Ingenieurs u. a. der Entwurf eines mit drei Rädern ausgestatteten Wagens, wie er ab Mitte des Quattrocento anstelle der nuvole häufig verwendet wurde, um die Darsteller der Festzüge durch die Straßen zu transportieren (Abb. 3). 21 147 Renaissance oder Resonanz Abb. 3: Leonardo da Vincis Skizze eines Festwagens, Codex Atlanticus, fol. 812 r (Biblioteca Ambrosiana, Mailand). Darüber hinaus zählt Leonardo zu den frühen Gestaltern des italienischen Hoftheaters. Im Quattrocento verfügten die Fürstenhöfe noch nicht über stehende Theater; in den Festsälen wurden jedoch mobile Bühnen errichtet. Auch hier stattete Leonardo Inszenierungen mit spektakulären Flugwerken aus, - so z. B. im Januar 1496, als im Mailänder Palast des Giovan Francesco Sanseverino die Komödie der Danae von Baldassarre Taccone zur Aufführung kam. Taccones Szenenanweisungen zufolge erforderte das Stück zahlreiche Flugeffekte. 22 An einer Skizze Leonardos (Abb. 4) ist abzulesen, dass für den Bühnenhimmel der Danae eine perspektivisch konstruierte Nische diente. Diese scheint sich auf einer Plattform befunden und von der Decke des Saals schräg abwärts bis in den Bühnenraum erstreckt zu haben. 23 Inmitten der Nische ist eine mit feurigen Flammen umrahmte mandorla erkennbar, auf der eine Gestalt thront. 24 Abb. 4: Bühnenskizze von Leonardo da Vinci, Einzelblatt (The Metropolitan Museum of Art). Leonardos Entwurf zeigt auffällige Ähnlichkeiten mit den mandorle, die in der ersten Hälfte des Quattroceno für die sacre rappresentazioni entwickelt worden waren. Demnach scheint sich Leonardo die Maschinentechnik und -ästhetik der Ascensione- Feste angeeignet zu haben, um die Figuren aus Taccones Komödie auf spektakuläre Weise ins Spiel zu bringen. 25 Ähnlich wie zuvor bereits in den Festzügen üblich, traten auch in dieser Inszenierung auf der mandorla keine biblischen Figuren mehr auf, sondern pagane Gottheiten (laut Taccones Anweisungen: Jupiter, Merkur und Apoll), allegorische Figuren (die Ewigkeit) und gänzlich profanes Personal (Danae). Für den Orfeo von Angelo Poliziano, der im Zeitraum zwischen 1506 bis 1508 in der Mailänder Stadtvilla des französischen Gouverneurs Charles d'Amboise aufgeführt wurde, entwarf Leonardo seine heute wohl prominenteste Theatermaschinerie: Ein auf einer Drehbühne platzierter Berg, der sich öffnen und die Protagonisten dann mithilfe einer Hebevorrichtung aus der Unterwelt auffahren ließ. 26 Neben der Höllenfahrt simulierte Leonardo im Orfeo aber auch den 148 Viktoria Tkaczyk Vogelflug des Perdix mittels einer eigens dafür konstruierten Maschine (Abb. 5). Abb. 5: Leonardo da Vincis Skizze einer Theatermaschine, Codex Atlanticus, fol. 231 a-v (Biblioteca Ambrosiana, Mailand). Dieser “ ocel de la comedia ” mutet auf den ersten Blick jedoch gar nicht wie eine Theatermaschine an. Vielmehr gleicht die Skizze jenen Bewegungsstudien, die Leonardo 1505 im Traktat Sul volo degli uccelli angefertigt hatte, als er sich intensiv mit Fragen des Vogel- und Menschenflugs beschäftigte: Auch hier finden sich zwei Versuchsanordnungen zur Gleichgewichtsverlagerung, in welchen die Vögel - ähnlich wie der “ ocel de la comedia ” - an Trapezen hängen (Abb. 6 a, 6 b). Die optische Ähnlichkeit zwischen den Skizzen lässt sich als ein Indiz dafür begreifen, dass Leonardo im Rahmen seiner Theaterarbeit mechanische Experimente durchführte, die unmittelbar mit seiner Flugforschung korrespondierten. Möglicherweise fand seine Experimentierfreude im Theater also einen Freiraum, der ihm in der wissenschaftlichen Arbeit (zumindest offiziell) verwehrt war. Dies jedoch würde die These des Kunsthistorikers Domenico Laurenza widerlegen, der neben Paul Valéry bislang als einziger auf Parallelen zwischen Leonardos Theaterarbeit und dessen Flugstudien hingewiesen hat. 27 Laurenza stützt sich dabei allerdings auf Arbeiten aus Leonardos Lehrjahren in Florenz, während er die Theatermaschinen aus der letzten Schaffensperiode des Ingenieurs schlichtweg als Ausdruck einer Flucht aus der ernsthaften Forschung ins Phantastische deutet. Gerade Leonardos Vogelmaschine für den Orfeo weist meines Erachtens allerdings sehr deutliche technische Bezüge zu seiner Flugforschung auf. Deshalb trifft es auch nicht ganz zu, wenn der Kulturphilosoph Hans Blumenberg die Flugforschung Leonardos noch in der Tradition der aristotelischen Mimesis verortet. 28 Erst mit Beginn der Moderne, so argumentiert Blumenberg, sei der Topos der Mimesis an einem metaphysischen Bedürfnis nach genuin Neuem zerbrochen. Kunst und Technik haben die Natur fortan nicht mehr nach-, sondern vorgeahmt. 29 Die Gebrüder Wright zum Beispiel entwickelten durch Flugmotor und Luftschraube ein aviatisches Modell, das jenseits des Vogelflugprinzips, aus der Logik Abb. 6 a und 6 b: Skizzen aus Leonardo da Vincis Traktat Sul volo degli uccelli, fol. 15 v, 17 v (Biblioteca Reale, Turin). 149 Renaissance oder Resonanz und den Gesetzmäßigkeiten technischer Prozesse heraus entstanden war. Zweifelsohne gingen die Wrights damit einen bedeutenden Schritt weiter als Leonardo. Wechselt man allerdings den Schauplatz von Leonardos Flugstudien zum Theaterwesen seiner Zeit, so zeichnet sich auch hier eine Eigendynamik des Technisch-Experimentellen ab, die über das aristotelische Mimesisprinzip hinausgeht. Bereits vor der wissenschaftlichen Erfindung und Legitimierung des Flugzeugs wurde der Menschenflug hier - zumindest als spektakulärer Theatereffekt - öffentlich ‘ vorgeahmt ’ . Gerade in medien- und kunsthistorischer Hinsicht bestätigt sich dabei die These Martin Burckhardts, dass “ das in den technischen und künstlerischen Artefakten exponierte Denken [. . .] dem Nach-Denken über die Dinge vorausgeht. ” 30 II. Resonanzen einer Faszination Während die Flugwerke des italienischen Theaterwesens im Quattro- und Cinquecento ein beinahe unhinterfragtes Faszinosum darstellten, erörterte und befragte Leonardo die Möglichkeit des Menschenflugs in seinen wissenschaftlichen Arbeiten mit äußerster Vorsicht. “ Ein Vogel ist ” , heißt es im Codex Atlanticus zwar, “ ein Gerät [strumento], das nach mathematischen Gesetzen funktioniert ” ; und es stehe folglich in der “ Macht des Menschen [potestà dell'omo], ein solches Instrument mit all seinen Bewegungen nachzubauen. ” 31 Allerdings folgt auf diese Feststellung eine bemerkenswerte Einschränkung: Wir können sagen, dass diesem Instrument [. . .] nichts fehlt als eine Vogelseele [l'anima dell'uccello], die von der Seele des Menschen nachgemacht werden muss. Die Seele gehorcht gewiss den Gliedermaßen der Vögel besser in allem, was deren Bedürfnissen entspricht, als es die Seele des Menschen machen würde, die von diesen Gliedermaßen getrennt ist, und das gilt zuvorderst für die fast unmerklichen Bewegungen zum Halten des Gleichgewichts; aber da wir sehen, wie der Vogel viele, mannigfache, gut wahrnehmbare Bewegungen ausführt, können wir dank dieser Erfahrung [esperienza] beurteilen, dass die gut wahrnehmbaren Kräfte in das Wissen [cognizione] des Menschen eingehen können, so dass er bestens dafür sorgen kann, dass dieses Instrument nicht abstürzt, zu deren Seele und Lenker er sich gemacht hat. 32 Mit dem Motiv der Vogelseele knüpfte Leonardo an den christologischen Diskurs seiner Zeit an; Vögel galten hier als Verkörperung der Seelen der Toten oder zumindest als Grenzgänger zwischen Dies- und Jenseits. Das aus der platonischen Philosophie rührende Motiv des Seelenflugs fand zudem Eingang in die christliche Visionsliteratur, wo Dies- und Jenseitsvisionen teilweise als rein seelische Erhebungen beschrieben sind. 33 Wenn Leonardo also voll Bewunderung von der Seele des Vogels spricht, so tragen diese Überlegungen durchaus Spuren eines metaphysisch konnotierten Flugbegriffs. Doch war der Forscher bemüht, über die bloße Bewunderung und ein Staunen über die Natur hinauszugelangen, indem er die Seele des Fliegens zu ergründen suchte - und zwar mittels eines aus der Erfahrung (esperienza) resultierenden Wissens (cognizione). Allerdings sah Leonardo davon ab, seine Entwürfe auch tatsächlich zu realisieren oder die Flugmaschinen zu erproben. Stattdessen verlagerte er seine Forschung stets auf weitere Schauplätze des Experimentierens. Zu diesen Schauplätzen zählte unter anderem das Studium des ‘ Flugkörpers ’ . Leonardo spricht im Trattato sul volo degli uccelli vom “ luomo ne volatilij ” 34 (vom Menschen in einer Flugmaschine) und vergleicht die menschliche Anatomie mit derjenigen von Vögeln. Demnach hielt er den menschlichen Körper durchaus für geeignet, sich im Luftraum fortzubewegen. Leonardo traf diese 150 Viktoria Tkaczyk Aussagen in einem kulturellen Umfeld, in welchem das physische Vermögen zu fliegen jedoch allenfalls übernatürlichen Wesen (Engeln, Heiligen, Dämonen) und außernatürlichen Wesen (Hexen, Monstren) vorbehalten war. 35 Am deutlichsten äußerte sich die Verschränkung von Sakralität und körperlichem Flugvermögen in den seinerzeit zirkulierenden Legenden um die Levitation von Heiligen. Weit verbreitet war etwa die aus dem Duecento stammende Legende um die ekstatische Erhebung Franz von Assisis. In den anonymen Fioretti di San Francesco heißt es, ein Mönch habe gesehen, wie “ der heilige Franz in der Betrachtung Gottes entrückt und über den Boden erhoben wurde [. . .]; manchmal sah er ihn so hoch in die Luft hinausgehoben und mit einem solchen Glanz umgeben, daß er beinahe seinem Blick entschwand. ” 36 Zu Lebzeiten Leonardos kursierten in Oberitalien zudem Flugblätter mit Emblemen geflügelter Monstren und Hexen. An Inquisitionsdokumenten wie dem Hexenhammer lässt sich auch ablesen, dass in der Dämonologie ebenfalls darüber debattiert wurde, ob Hexen, Magier und Monstren mittels übernatürlicher Kräfte den Körper verlassen, um durch die Lüfte zu fliegen (Ausleibigkeitsphänomen), oder ob deren Flug als durchweg physisches Phänomen zu begreifen ist. 37 Für den gewöhnlichen Menschen stellte das Fliegen zu Leonardos Zeit also ein Tabu dar. Daher auch mag Leonardo seine anatomischen Flugstudien als regelrechte Höhenflüge verstanden haben. Sich selbst adressierend, schreibt er im Vogelflug-Traktat: “ Du, der du dich von Träumen nährst, dir gefällt es besser, mit Sophismen und Schwindeleien von großen und unsicheren Dingen zu sprechen, als von den sicheren und natürlichen, die nicht solche Höhenflüge [bzw. Höhen, altura] erreichen. ” 38 Die räumlichen Metaphern ‘ hoch ’ und ‘ tief ’ finden sich im wissenschaftlichen Diskurs der Frühen Neuzeit vielfach, wo versucht wird, zwischen mit religiösen Tabus behafteten Phänomenen und legitimen Forschungsobjekten zu unterschieden. Beziehungsweise: Die Metaphern treten, wie bei Leonardo ersichtlich, auch dort auf, wo eine Neuordnung und Erweiterung des Forschungskorpus unternommen wird. Der Kulturhistoriker Carlo Ginzburg hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass mit den frühneuzeitlichen Forschungsgegenständen auch die Neugierde eine allmähliche Umwertung vom Laster zur tugendhaften Leidenschaft erfahren hat. Sinnigerweise erhielt damit zugleich die Ikarusfigur, welche die curiositas von jeher verkörpert, eine neue (positive) Bedeutung. Die Neugierde avancierte im 17. Jahrhundert auch gleichsam zur Leitfigur der neu sich etablierenden (Experimental-)Wissenschaften und zierte die Frontispize wissenschaftlicher Publikationen. 39 Leonardo ließ sich bereits an der Wende zum 15. Jahrhundert - zumindest ein Stück weit - von seiner Neugierde leiten. Wo das Auge an die Grenzen des Wahrnehmbaren stieß, beließ er das Forschungsphänomen nicht im Bereich der obscuritas. Stattdessen wechselte er die Perspektive, den Schauplatz seiner Forschung: “ Um ein wahres Wissen über den Flug der Vögel in der Luft zu vermitteln ” , heißt es etwa im Manuskript E, “ ist es nötig, zuerst ein Wissen über die Winde zu vermitteln, wofür wir als Beweis die Bewegung des Wassers in sich selbst zeigen werden. Und diese Wissenschaft vom Sichtbaren wird der Zugang sein, der uns zur Kenntnis der in der Luft und im Wind Fliegenden führt. ” 40 Zu diesen Kenntnissen gelangte der Forscher aber nicht allein über die bloße Beobachtung von Wasserströmungen, sondern ebenso über komparatistische Studien zwischen Fischen und Vögeln, Schwimm- und Flugbewegungen. 41 Auch die Schifffahrt verhalf ihm zu Einsichten in Bewegungsprinzipien, die in der Idee eines Luftschiffs resultierten. 42 Als ein 151 Renaissance oder Resonanz weiterer Schau- und Experimentierplatz fungierte das Militärwesen; im Rahmen von Forschungen zur Ballistik entwickelte Leonardo eine Impetustheorie, die später zum zentralen Bestandteil seiner Flugforschung werden sollte. 43 Wo die bisher genannten Forschungen keine Antwort auf Leonardos Fragen geben konnten, ging dieser auch ungewöhnliche Wege wie etwa den über das Gehör. In den Madrider Codices beschreibt er das schnelle Flügelschlagen eines Ziegenvogels und konstatiert, “ daß das Schlagen der Flügel auf die Luft ein Geräusch erzeugt, das sich wie das Meckern eines Zickleins anhört [. . .]. ” 44 Der Forscher vergleicht dieses Meckern mit dem “ heftigen Rauschen ” eines fliegenden Sperbers und gelangt von den akustischen Beobachtungen zu äußert komplexen Analysen der Flugrhythmik. “ Nie ” , so schließt er hier jedoch, “ werden die Menschen, nachdem sie Vogelflügel an einer beliebig schnellen Maschine festgemacht haben, das Geräusch oder den Lärm hervorbringen, der bei denselben Flügeln zu beobachten war, wenn sie mit Schnelligkeit von den Vögeln bewegt werden. ” 45 Vergleichbare Momente der Resignation durchziehen auch die späten Flugstudien Leonardos. So konstatiert er um 1515, weder die Seenoch die Luftfahrt würden jemals den Perfektionsgrad erreichen, mit der sich die Tiere in diesen Elementen fortbewegten. 46 Daher verwundert es letztlich auch nicht, dass Leonardo seiner Bewunderung für die unnachahmbaren Bewegungskünste der Natur nicht in zum Scheitern verurteilten Flugversuchen Ausdruck verliehen hat. Vielmehr bevorzugte er den Rückzug auf den Experimentierraum seiner Notizbücher und Schriften. Mit seinen heute als ‘ Traktate ’ bekannten Schreibheften, in denen Schrift und Bild auf bemerkenswerte Weise korrelierten, hat Leonardo zu einer innovativen Form wissenschaftlichen Denkens und Schreiben gefunden. Das Fliegen stellte für Leonardo ein epistemisches Ding dar, das er physikalisch nicht be-, sondern lediglich umschreiben konnte. Er näherte sich diesem Ding durch ein Schreiben, das permanent den Schauplatz wechselte: Beinahe wahllos reihen sich im Vogelflug-Traktat aerodynamische, ballistische, anatomische, akustische und mechanische Überlegungen und Vorschläge zu Experimentalanordnungen aneinander. Durch die Taktik einer stets nur provisorischen Begriffsarmatur balanciert Leonardo auch das noch unbenennbare Konzept der Flugmaschine aus, stetig wechselt er zwischen den Begriffen “ volatilij ” , “ stumeto ” und “ uccello ” . 47 Die Sprache ist es auch, mithilfe derer Leonardo den Leser des Traktats zum virtuellen Zuschauer und Zeugen seiner Gedankenexperimente macht. Wiederholt bedient er sich einer antizipatorischen Rhetorik: “ Wenn du sagst, [. . .], dann erwidere ich darauf [. . .]. ” 48 Damit lässt sich das Vogelflug-Traktat nachträglich als ein Laboratorium interpretieren, in dem die Möglichkeit des Menschenflugs zumindest auf sprachlicher Ebene vorformuliert und erprobt worden ist. Dass sich Leonardo in seiner Arbeit auch dem Medium des Bildes (oder genauer: der Skizze und des Diagramms) bediente, um Bewegungsvorgänge der Natur zu analysieren und zu simulieren und damit einen höchst komplexen Bildbegriff entwickelt hat, ist aus kunsthistorischer Perspektive bereits vielfach gezeigt worden. 49 Überraschender Weise fanden die Flugstudien Leonardos dabei allerdings bislang kaum Beachtung. Die Zeichnungen im Vogelflug- Traktat veranschaulichen, was der Forscher mit bloßem Auge nicht zu sehen vermochte (Abb. 7 a-e). Über gleichsam ‘ kinematographisch ’ gestaltete Skizzen (fol. 6 r) brachte Leonardo kontinuierliche Bewegungsabläufe auf Papier. Die seriellen Folgen wirken offen, unabgeschlossen; es bleiben Leerstellen, nicht dargestellte Zwischenbewegungen, 152 Viktoria Tkaczyk Abb. 7 a - e: Skizzen aus Leonardos da Vincis Traktat Sul volo degli uccelli, fol. 6 r, 10 r, 8 r, 12 r, 15 v (Biblioteca Reale, Turin). 153 Renaissance oder Resonanz Abb. 8 a - c: Skizzen aus Leonardo da Vincis Traktat Sul volo degli uccelli, fol. 11 v, 16 v, 17 r (Biblioteca Reale, Turin). 154 Viktoria Tkaczyk die den Betrachter der Zeichnungen zum Mitvollzug der Bewegungen auffordern. Manchmal dienen auch nur dünne Konturen und Kreise, um die Bewegungsspuren der Vögel anzudeuten oder vorwegzunehmen (fol. 10 r). An anderer Stelle weisen gestrichelte, wie von Geisterhand gefertigte Linien auf unsichtbare Luftwiderstände hin, die den Flugkörper umgeben (fol. 8 r) oder sie verweisen auf die Berechenbarkeit des Impetus, der dem fliegenden Vogel inhärent ist (fol. 12 r). Teilweise stehen Seiten-, Front- und Oberansicht einer Bewegung auch nebeneinander und gewähren dem Betrachter so multiperspektivische Sichtweisen (fol. 15 v). Die im Vogelflug-Traktat vorgelegten Teilskizzen einer Flugmaschine erscheinen aus heutiger Sicht als äußerst fortschrittlich (Abb. 8 a-c). An keiner Stelle des Traktats finden diese Teilskizzen jedoch zusammen, stets haftet ihnen der Charakter des Prozesshaften an, des nonfinito einer undarstellbaren Idee. In seiner späten Schaffenszeit ging Leonardo dann von einfachen Ornithoptern zu Helikoptern und Konstruktionen mit mechanischen Antriebskräften oder tragenden Gleitflächen über, die sich immer weiter vom Vogelflugprinzip entfernten. Doch ist es auch hier bei unrealisierten Entwurfsskizzen geblieben. Durch Bild und Schrift versuchte Leonardo hier ebenfalls doppelte Evidenz zu generieren. Dem intermedialen Darstellungsstil ist jedoch ein Grad an Unschärfe inhärent. Im Zwischenraum von Bild und Schrift artikuliert sich eine unabgeschlossene Suchbewegung nach der Seele des Fliegens (l'anima dell'uccello). III. “ Mac(c)hina ” und “ Stume(n)to ” Leonardos Flugforschung hatte zwei Hauptschauplätze: Das Festwesen und das Traktat. Die Spur, die uns heute von einem Schauplatz zum anderen führt, zeugt von Differenzen ebenso wie von Resonanzen. Different sind zunächst die beiden Begriffe, die Leonardo selbst verwendete, um seine Flugmaschinenentwürfe für beide Schauplätze zu beschreiben. Die “ Mac(c)hina ” ist der Überbegriff für all jene Theatermaschinen, die der Experimentier- und Erfindungseifer der italienischen Ingenieure im Quattro- und Cinquecento hervorgebrachte. Wie gezeigt, verloren die im Prozess dieser künstlerischtechnischen Dynamik erfundenen nuvole und mandorle allmählich an sakraler Bedeutung. Die Wolkenwagen und Flugwerke wurden zunehmend mit profanem Personal besetzt. Ex machina kam dabei der wissenschaftlich noch tabuisierte Menschenflug ins Spiel. Auch Leonardo gestalte solche “ mac(c)hine ” , während er die Flugmaschinen in seiner wissenschaftlichen Arbeit noch vorsichtig als “ uccelli ” oder “ strume(n)ti ” umschrieb. Der Instrumentenbegriff erscheint dabei aus heutiger Perspektive umso treffender gewählt gewesen zu sein, als es sich hier vor allem um “ Denkinstrumente ” 50 handelte: Sie dienten als Motor einer Forschung, die sich auf mannigfache Schauplätze (Anatomie, Akustik, Ballistik, Mechanik/ Bühnentechnik) ausweitete und so stets neue Erkenntnisse über das Flugrätsel ermöglichte, ohne das Rätsel selbst zu lösen. Gemeinsam ist Leonardos “ mac(c)hine ” und “ strume(n)ti ” jedoch, dass sie sich rückblickenden beide als Erfindungen interpretieren lassen, die unterschiedliche Leidenschaften bündelten: Ein religiös gestimmtes Staunen ebenso wie technisch-experimentelle Neugierde und Erfindungseifer. Dieses Geflecht dreier sich streitender Leidenschaften machte die neuartige Flugfaszination zu Leonardos Zeiten aus. Hier nun ist das eingangs erwähnte, aus dem New Historicism entlehnte Interpretationsmodell der Resonanz anzusetzen, um die strukturelle Affinitäten zwischen scheinbar differenten Tätigkeits- und Experimentierfeldern herauszustellen. Das Resonanz- 155 Renaissance oder Resonanz modell erscheint mir auch deshalb ein passendes Interpretationsmodell zu sein, weil Leonardo selbst eine frühe Beschreibung des physikalischen Phänomens der Resonanz unternommen hat, das dann eintritt, wenn ein schwingungsfähiges System ein weiteres System aufgrund ähnlicher Eigenschwingungen anzuregen vermag. “ Die Bewegung eines Dings in der Nähe eines stabilen Dings führt oft dazu ” , heißt es im Codex Trivulziano “ dass sich das stabile Ding in die Bewegung des sich bewegenden Dinges verwandelt und das sich bewegende Ding erscheint stabil und ruhend. ” 51 Vom physikalischen Phänomen zum historiografischen Modell gewendet lässt sich mit der Resonanz rückblickend das Verhältnis zwischen der oberitalienischen Festkultur des Quattro- und Cinquecento und Leonardos Flugforschung beschreiben. Denn dass Leonardo die Thematik des Fliegens Zeit seines Lebens weiterverfolgte, mag gerade daran gelegen haben, dass er mit dem Theater und seinen wissenschaftlichen Notizbüchern gleich zwei Schauplätze gefunden hatte, die sich gegenseitig in Resonanz versetzen, und an denen er seiner Flugfaszination eine immer deutlichere Gestalt und Zukunft zu geben vermochte. Aus heutiger Perspektive erscheinen die Flugwerke des italienischen Festwesens im Quattro- und Cinquecento also in doppelter Hinsicht in einem neuen Licht: Sie sind weniger als Wiederentdeckungen (Renaissance) der griechisch-antiken Theatertechnik zu verstehen als vielmehr als Neuerfindung einer Bühnentechnik, die sich aus den Passionsbildern, den religiösen Festzügen und Triumphzügen, den sacre rappresentazioni und dem frühen Hoftheater entwickelt hat. Die Neuerfindung der Flugwerke ist aber auch als Resonanzeffekt einer wissenschaftlichen Flugforschung zu verstehen, die (wie bei Leonardo gesehen) hinter verschlossenen Türen stattfand und ihren Ausdruck in geheim gehaltenen Schriften fand, die ihre Flugfaszination aber mit dem italienischen Fest- und Theaterwesen teilte. Anmerkungen 1 Valéry, Paul. Leonardo da Vinci. 1894. Frankfurt a. M., 1998, 37. 2 Vgl. Guerrini, Mauro, ed. Bibliotheca Leonardina (1493 - 1989). Mailand, 1990, Bd. 3. 1731 - 1739. Die einzige Studie, die Leonardos Theaterarbeit berücksichtigt, stammt von Domenico Laurenza (s. u.). 3 Vgl. Ginzburg, Carlo. “ High and Low: The Theme of forbidden knowledge in the sixteenth and seventeenth centuries. ” Past and Present. A Journal of Historical Studies 70. (1976): 28 - 41. 4 Vgl. Hart, Ivor B. The World of Leonardo da Vinci. Man of Science, Engineer and Dreamer of Flight. London, 1961, 307, 311 - 313. 5 Vgl. Greenblatt, Stephen. “ Resonance and Wonder. ” Learning to Curse. Essays in Early Modern Culture. Ed. Stephen Greenblatt. New York/ London, 1990, 161 - 181, hier S 172. 6 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Kunsthistoriker Frank Fehrenbach, wenn er von “ Pendants ” zwischen Leonardos Malerei und Wissenschaft spricht. Vgl. Fehrenbach, Frank. Licht und Wasser. Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis. Tübingen, 1997, 12. 7 Eine explizite Rückführung der frühneuzeitlichen Theatermaschinerie auf die Antike wird bspw. in dem von Nicolas Boindin verfassten Lemma zu den “ Machines de Théâtre ” in der Ausgabe der Encyclopédie von 1765 durch Denis Diderot und Jean leRond d'Alembert unternommen. Theaterhistoriker des 20. und 21. Jahrhunderts verweisen häufig auf diesen Lexikoneintrag ohne die Renaissancequellen explizit zu befragen. Allein Lily Campbell führt in ihrer prominenten Studie zum Renaissancetheater die Theatermaschinen auf den Druck von Pollux ’ Onomasticon (1502) und vorab zirkulierende Abschriften des Werkes zurück. Vgl. Campbell, Lily. Scenes and Machines on the English Stage during the Renaissance. Cambridge, 1960, 59 - 65. In den Schriften 156 Viktoria Tkaczyk der frühneuzeitlichen Theateringenieure wird meinen Recherchen zufolge jedoch kein expliziter Bezug zur Antike hergestellt. Vgl. dazu ausführlicher Tkaczyk, Viktoria. Himmels-Falten. Zur Theatralität des Fliegens in der Frühen Neuzeit. München, 2011. 8 Burckhardt, Jacob. Die Kultur der Renaissance in Italien. 1860. Hamburg, 2004, 128 ff. u. 434 ff. Burckhardts teleologischer Ansatz und insbesondere sein Postulat, die italienische Renaissancekultur bilde den Nährboden des modernen Subjekts, werden heute kontrovers diskutiert. Seine Analysen des italienischen Fest- und Theaterwesens sind aber nach wie vor aufschlussreich. 9 Warburg, Aby. “ Die Bildchronik eines florentinischen Goldschmiedes. ” 1899. Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance. Ed. Gertrud Bing. Leipzig/ Berlin, 1932, Bd. 1, 69 - 77, hier 74. 10 Belting, Hans. Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion. Berlin, 1981, 222. 11 Vgl. Helas, Philine. Lebende Bilder in der italienischen Festkultur des 15. Jahrhunderts. Berlin, 1997, 13 - 28. 12 Vasari, Giorgio. “ Das Leben des Ingenieurs Cecca aus Florenz. ” Leben der ausgezeichneten Maler, Bildhauer und Baumeister, von Cimabue bis zum Jahre 1567. Ed. Ludwig Schorn u. Ernst Förster. 6 Bde. Stuttgart, 1839, Bd. 2, 2, 158 - 167, hier 163 f. 13 Vgl. dazu Helas 1997, S. 50 - 58. 14 Im Maschinendiskurs der Renaissance finden sich noch vielfach die Konnotationen des Göttlichen und Lebendigen, vgl. dazu auch Schmidt-Biggemann, Wilhelm. “ Maschine. ” Historisches Wörterbuch der Philosophie, 12 Bde., Ed. Joachim Ritter u. Karlfried Gründer. Darmstadt, 1971 - 2007. Bd. 5 [1980], Sp. 790 - 802, hier Sp. 790 f.; Bredekamp, Horst. Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin, 3 2000. 15 Besonders an den mandorle Filippo Brunelleschis, der vermutlich auch die durch Souzdal beschriebenen Kirchenspiele gestaltete, lässt sich nachweisen, dass er dafür die Technik der Hebevorrichtungen aus dem Dombau verwendete. Vgl. dazu McKinven, John A. Stage Flying. 431 B. C. To Modern Times. Illinois, 1995, 13. 16 Übers. zit. n. Wesselofsky, Alexander. “ Italiensche Mysterien in einem Reisebericht des XV. Jahrhunderts. ” Russische Revue. Monatszeitschrift für die Kunde Russlands 10. (1877): 425 - 441. 17 Zit. n. Wesselofsky 1877, 430. 18 Zit. n. Wesselofsky 1877, 431. 19 Vgl. bspw. Daston, Lorraine. “ Die kognitiven Leidenschaften: Staunen und Neugier im Europa der frühen Neuzeit. ” Wunder, Beweise und Tatsachen. Zur Geschichte der Rationalität. München, 2001, 77 - 98. 20 Dabei kommt es zur Überlagerung von Leidenschaften wie der admiratio, curiositas und inventio, die in der europäischen Kultur- und Kunstgeschichte eine jeweils eigene komplexe Bedeutungsgeschichte haben. Vgl. dazu auch Kemp, Martin. “ From ‘ Mimesis ’ to ‘ Fantasia ’ . The Quattrocento Vocabulary of Creation, Inspiration and Genius in the Visual Arts. ” Viator. Medieval and Renaissance Studies VIII. (1977): 349 - 397 sowie Curiositas. Welterfahrung und ästhetische Neugierde in Mittelalter und früher Neuzeit. Ed. Klaus Krüger. Göttingen, 2002. 21 Vgl. dazu Angiolillio, Marialuisa. Leonardo. Feste e Teatri. Neapel, 1979, 22 - 29 u. Abb. 5, 6. 22 Taccone, Baldassarre. La Danae. Pubblicata per le nozze Mazzacurati Gaetani d'Aragona. 1496. Bologna, 1888. 23 Vgl. dazu Pedretti, Carlo. Leonardo da Vinci. Architekt. Stuttgart, 1980, 292. 24 Vgl. dazu Steinitz, Kate T. “ Leonardo Architetto Teatrale e Organizzatore di Feste. ” Lettura Vinciana. Bd. IX. Florenz, 1969, Bildanhang, Transkrip. zu Abb. 5. 25 Vgl. dazu Pedretti 1980, S. 292. 26 Vgl. Steinitz, Kate T. “ A reconstruction of Leonardo da Vinci's revolving stage. ” Art Quarterly XII (1949): 325 - 338 sowie Pedretti, Carlo. “ Dessins d'une scène, exécutés par Léonard de Vinci pour Charles d'Amboise. ” Le Lieu Théâtral à la Renaissance. Ed. Jean Jacquot [et al.] Paris, 1968, 25 - 35. 157 Renaissance oder Resonanz 27 Vgl. Laurenza, Domenico. Leonardo on flight. Florenz, 2004, 10 - 15, 46, 49 - 55, S. 117 f. 28 Vgl. Blumenberg, Hans. “‘ Nachahmung der Natur ’ . Zur Vorgeschichte der Idee des schöpferischen Menschen. ” 1956. Wirklichkeiten, in denen wir leben. Stuttgart, 1999, 55 - 103, 60 f. 29 Blumenberg 1956, 89 - 94. 30 Burckhardt, Martin. Metamorphosen von Raum und Zeit. Eine Geschichte der Wahrnehmung. Frankfurt a. M., 1997, 170. 31 Codex Atlanticus, fol. 434 r, zit. n. da Vinci, Leonardo. Der Vögel Flug - Sul volo degli uccelli. Ed. u. übers. v. Marianne Schneider. München, 2000, Anhang, 102. 32 Da Vinci 2000, 102. 33 Vgl. hierzu Dinzelbacher, Peter. “ Ekstatischer Flug und visionäre Weltschau im Mittelalter. ” Fliegen und Schweben. Annäherung an eine menschliche Sensation. Ed. Wolfgang Behringer u. Dieter R. Bauer. München, 1997, 111 - 145. 34 Da Vinci 2000, fol. 5 r (hier 38 f.). 35 Vgl. Hart, Clive/ Stevenson, Kay G. Heaven and the flesh. Imagery of desire from the renaissance to the rococo. Cambridge, 1995, 109 - 127; Tazi, Nadia. “ Celestial Bodies. A Few Stops on the way to Heaven. ” Fragments for a History of the Human Body. Ed. Michel Feher [et al.] New York, 1989, 518 - 552. 36 Zit. n. Thurston, Herbert. Die körperlichen Begleiterscheinungen der Mystik. Ed. Joseph H. Crehan. Luzern, 1956, 20 ff. 37 Vgl. dazu Ginzburg, Carlo. Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Frankfurt a. M., 1997, insbes. 117 - 132. 38 Da Vinci 2000, fol. 11 r (hier 62). 39 Vgl. Ginzburg 1976. 40 MS E fol. 54 r. Zit. n. Da Vinci 2000, 96. 41 Vgl. dazu Uccelli, Arturo. I Libri del volo di Leonardo da Vinci. Mailand, 1952, 214 ff. 42 Vgl. dazu Heydenreich, Ludwig Heinrich. Leonardo da Vinci. Basel, 1954, 148. 43 Vgl. Dibner, Bernd. “ Maschinen und Waffen. ” Leonardo. Forscher, Künstler, Magier. Ed. Silvio A. Bedini. München, 2005, 166 - 189, 181. 44 Madrid II, fol. 84 r. Zit. n. Da Vinci 2000, 100 f. 45 Da Vinci 2000. 46 Windsor, 12666 r [ca. 1515]. Zit. n. Gombrich, Ernst H. “ Leonardo da Vinci's Method of Analysis and Permutation. The Form of Movement in Water and Air. ” The Heritage of Apelles. Studies in the art of the Renaissance. Oxford, 1976, 39 - 56, hier 143, Übers. V. T. 47 Mehrfach gebraucht Leonardo für die Flugmaschine die Begriffe “ vccello ” (fol. 7 r), “ oeto ” (fol. 8 r) und “ lucel ” (fol. 8 r), nur einmal spricht er vom “ luomo ne volatilij ” (fol. 5 r) häufiger hingegen vom “ stumeto ” (fol. 15 v). zit. aus Da Vinci 2000. 48 Da Vinci 2000, fol. 16 r (hier 82 f.). 49 Vgl. bspw. Kemp, Martin. “ Die Zeichen lesen. Zur graphischen Darstellung von physischer und mentaler Bewegung in den Manuskripten Leonardos. ” Leonardo da Vinci. Natur im Übergang. Ed. Frank Fehrenbach. München, 2002, 207 - 228; Fehrenbach, Frank. Licht und Wasser. Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis. Tübingen, 1997. 50 Damit ließe sich die These Hankins ’ und Silvermans revidieren, der zufolge erst die materielle Kultur der “ eleborate instruments ” des späten 16. Jahrhunderts (Tele-, Mikroskop etc.) zur Ausprägung von “ instrumentes of the mind ” (Denkinstrumenten im oben beschriebenen Sinne) führten. Denn im Falle von Leonardos Flugstudien liegt kein technisches Apriori vor, das “ strumeto ” ging als ein Denkinstrument der materiellen Konstruktion des Flugzeugs voraus. Vgl. Hankins, Thomas/ Silverman, Robert J. Instruments and the Imagination. Princeton, 1995. 51 Zit. n. da Vinci, Leonardo. Il Codice n° 2162 della Biblioteca Trivulziana di Milano, 2 Bde., Mailand 1980 [1487 - 1490], Bd. I, S. 74. Vom Abschweifen und Antizipieren. Die Aufführung als Vorstellung von Zukunft Benjamin Wihstutz (Berlin) Benjamin Wihstutz betrachtet in seinem Essay aus einer phänomenologischen Perspektive das Verhältnis von Antizipation und Imagination des Theaterzuschauers. Es geht um die Frage, inwiefern Aufführungen ästhetische Erfahrungen von Zeitlichkeit und Potentialität ermöglichen, die auf einer Ebene des Imaginativen die Aufführung als schöpferische Vor-stellung von Zukunft erfahren lassen. Mit Bezug auf Jürgen Goschs Inszenierung von Wer hat Angst vor Virginia Woolf..? und insbesondere auf zwei Performances von Forced Entertainment wird untersucht, auf welche Art und Weise Zukünftiges im Zusammenspiel von Inszenierung und Zuschauerimagination entsteht und dem Zulaufen der Aufführung auf ihr unwiderrufliches und gewisses Ende dabei eine entscheidende Rolle zukommt. Unter Heranziehung von Heideggers Begriffen der Sorge und des Vorlaufens in den Tod wird in dieser Hinsicht nicht zuletzt danach gefragt, inwieweit bestimmte Inszenierungsstrategien, welche die Vergänglichkeit der Aufführung selbst ins Rampenlicht rücken, die Endlichkeit des Daseins auf besondere Weise reflektieren lassen. Das Theater lebt nicht allein von der Präsenz und Repräsentation des Dargestellten. Auf einer Zwischenebene des Imaginativen entfaltet die Aufführung zugleich ein Theater der Einbildung: das Abschweifen, Assoziieren, Phantasieren, Erinnern und Antizipieren gehört aus der Sicht des Zuschauers genauso zum Theatererlebnis wie Schauspiel, Bühnenbild oder dramatische Handlung. So wie der Schauspieler die Einbildungskraft bereits im Probenprozess nutzt, um sein Spiel der Vorstellung einer zukünftigen Aufführung anzugleichen und die Antizipation auch während der Aufführung selbst in entscheidendem Maße an seinem Spiel beteiligt ist, impliziert auch die Zuschauerwahrnehmung ein zeitliches Vorgreifen der Einbildungskraft, das als Antizipation oder Erwartung Zukunft imaginativ entstehen lässt. Die folgenden Überlegungen gehen von der Hypothese aus, dass sich die Aufführung aus der Sicht des Zuschauers in zweierlei Hinsicht als Vorstellung von Zukunft begreifen lässt: Zum einen handelt es sich um ein grundlegendes imaginatives Vorgreifen der Wahrnehmung, das sich im Nachhinein entweder als antizipatorisch oder als Erwartung einer imaginären, nicht-eintretenden Zukunft entpuppt. Zum anderen vermag die Aufführung als singuläres und ästhetisch hervorgehobenes Ereignis Zeitlichkeit an sich zu reflektieren und damit in der ästhetischen Erfahrung eine Vorwegnahme zu ermöglichen, die Heidegger in Sein und Zeit in Bezug auf das “ Sein zum Tode ” als “ Sich-vorweg-Sein ” bzw. “ Vorlaufen ” der Sorge bestimmt hat. 1 Mit dem bevorstehenden Ende einer Aufführung lässt sich die Gewissheit eines existenziellen Endes performativ in Szene setzen und für den Zuschauer antizipatorisch erfahren. In beiden Fällen kann die Aufführung als ‘ Vorstellung ’ begriffen werden: einerseits als Vorgreifen der Wahrnehmung, andererseits als ‘ Vorlaufen in den Tod ’ . Herbert Blau bringt die Bedeutung der Imagination im Theater mit der Behauptung auf den Punkt: “ The brain is the best stage of all ” 2 . Für die Wahrnehmung des Zuschauers Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 159 - 62. Gunter Narr Verlag Tübingen bedeutet dies jedoch vor allem: The brain is the first stage of all. Imaginativ ist der Zuschauer der Gegenwart der Aufführung immer schon voraus, seine Einbildungskraft sucht stets nach passenden Bildern der Zukunft, die die gegenwärtigen Sinneseindrücke ergänzen und ihnen ihre spezifische Bedeutung verleihen. Das schöpferische Potenzial der Phantasie korrespondiert dabei unmittelbar mit dem Vorausgreifen der Wahrnehmung - die vorgestellte Zukunft entsteht zwischen Phantasie und Erwartung, zwischen dem Abschweifen und dem Antizipieren. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten des Vorgreifens differenzieren, die eng aufeinander bezogen sind: Während von ‘ Erwartungen ’ bereits vor dem Eintreten der vorgestellten Zukunft gesprochen werden kann, lässt sich in der Regel immer erst ex-post feststellen, ob es sich um eine ‘ Antizipation ’ handelt. 3 Folglich ist jede Antizipation mit Erwartungen verbunden, keinesfalls aber ist jede Erwartung antizipatorisch. Viele Erwartungen treten nicht ein, viele Vorstellungen der Zukunft bleiben imaginär und werden niemals gegenwärtig. Hingegen betreffen Antizipationen das Vorspüren einer tatsächlich eintretenden Zukunft, sie implizieren ein verkörpertes Wissen des Zukünftigen, das unweigerlich Gegenwart werden wird. In wenigen Ausnahmefällen kann allerdings bereits vom Antizipieren gesprochen werden, wenn die antizipierte Zukunft noch nicht zur Gegenwart geworden ist. Dies betrifft all jene Fälle, bei denen absolute Gewissheit über das Eintreten des Vorausgesehenen herrscht. Das Voraussehen des Zeitpunkts, zu dem die vorgestellte Zukunft gegenwärtig werden wird, ist dabei nicht entscheidend, vielmehr geht es um das Vorspüren einer Gewissheit des Zukünftigen. Der Prototyp einer solchen Antizipation ist die Vorstellung des Todes. Auch wenn über das Wie? und das Wann? keinerlei Gewissheit herrscht, ist das zukünftige Eintreten des Todes gewiss. Die antizipatorische Vorstellung desselben ist daher selbst Teil des Lebens, sie begleitet das Leben. Nur in seltenen Fällen wird ein solches Vorspüren des Todes bewusst wahrgenommen, als unbewusste Vor-stellung prägt sie die Existenz von Beginn an. Mein Essay gliedert sich in zwei Abschnitte: Der erste Abschnitt befasst sich mit den Erwartungen und Antizipationen des Zuschauers, die sich auf die unmittelbare Zukunft der Aufführung beziehen. Der zweite Abschnitt führt anhand der Analyse zweier Aufführungsbeispiele der Gruppe Forced Entertainment vor, auf welche Weise zeitgenössische Performances in der Lage sind, die Antizipation des Zuschauers selbst in Szene zu setzen, sodass die Vergänglichkeit der Aufführung als existienzielle Zeitlichkeit des Daseins reflektiert und ästhetisch erfahren wird. Von dieser Erfahrung ausgehend soll danach gefragt werden, inwieweit die Zeitlichkeit des Theaters dem Zuschauer eine Vorstellung von Zukunft ermöglicht, die sich mit Heidegger als ein “ Vorlaufen in den Tod ” begreifen lässt. I. Die Vor-stellung der Wahrnehmung Es handelt sich um einen der berühmtesten Fehler der Filmgeschichte: In einer voll besetzten Cafeteria am Mount Rushmore in den USA zieht die Geheimagentin Eve Kandell (Eva Maria Saint) einen Revolver aus ihrer Handtasche und schießt auf den Protagonisten Roger O. Thornhill (Cary Grant), der zu Boden sinkt. Das Merkwürdige ereignet sich im Hintergrund an einem der Cafeteria-Tische: Mit dem Rücken zum Geschehen sitzt dort ein kleiner, etwa zwölfjähriger Junge und hält sich in Erwartung der Schüsse die Ohren zu. Die Szene aus Hitchcocks North by Northwest (1959) veranschaulicht auf wunderbar unbeabsichtigte Weise das Antizipie- 160 Benjamin Wihstutz ren als Bestandteil der Zuschauerwahrnehmung. Der Junge ist nur ein Statist, der eigens für diese Szene viele Male hintereinander seinen Platz am Cafeteriatisch des Filmsets einnehmen musste und vermutlich bei jedem Dreh aufs Neue auf die Schüsse wartete, die seinen Auftritt beendeten. Von Regisseur und Kameramann offenbar unbeobachtet, konnte er sich - zumindest dieses eine Mal - aus Furcht vor dem zu erwartenden Knall nicht zurückhalten, seine Ohren zu schützen. Dem Filmzuschauer wird damit ein eigentümlicher Anblick geboten. Achtet man auf die Geste des Jungen, lässt sich der Schuss nicht nur vorausahnen, sondern buchstäblich voraussehen. Die Antizipation des Statisten, der in dieser Szene selbst einen unbeteiligten Zuschauer spielt, wird zur Antizipation des Filmzuschauers - Sekunden bevor die Schüsse fallen, ist ihre Wahrnehmung bereits zu sehen. Während im Kino oder vor dem Fernseher für den Zuschauer durch die Leinwand oder Mattscheibe immer eine unüberwindbare Distanz zum Geschehen bleibt, lässt eine abgefeuerte Waffe im Theater auf ungleich intensivere Weise die Nähe und Gegenwärtigkeit einer Aufführung erfahren. Die Wahrnehmung des lauten Knalls eines im selben Raum und zur selben Zeit abgegebenen Schusses, stellt für das Publikum zunächst einmal die zeitliche Markierung eines ereignishaften Augenblicks dar - es ist die pure Präsenz eines Geräusches, das sich am eigenen Leibe durch ein Aufschrecken und Zusammenzucken erfahren lässt. Zieht ein Schauspieler auf der Bühne eine Waffe, lässt sich dieser Moment des Aufschreckens bereits vorspüren. Hier wird der Zuschauer selbst zum kleinen Jungen, der sich vor Erwartung des Schusses die Ohren zuhält: Gegen Ende des ersten Aktes von Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf? gibt es eine Szene, die eine solche Erwartung des Zuschauers evoziert. Das nächtliche Saufgelage und die latent aggressive Stimmung zwischen den Ehepartnern Martha und George und ihren beiden Gästen Honey [Putzi] und Nick haben sich zu diesem Zeitpunkt bereits gefährlich zugespitzt. Als Martha dem jungen Paar voller Schadenfreude eine peinliche Geschichte über die Jugendjahre ihres Mannes erzählt, tritt George, nach einer kurzen Abwesenheit, von Martha zunächst unbemerkt, wieder auf die Bühne und von hinten an sie heran: George tritt wieder auf. Er versteckt seine Hände hinter dem Rücken. Niemand sieht ihn. [. . .] George zieht ein Gewehr mit kurzem Lauf hinter seinem Rücken hervor und zielt damit ruhig auf Marthas Hinterkopf. Putzi schreit . . .springt auf. Nick springt auf, und gleichzeitig dreht Martha sich um und erblickt George. George drückt ab. 4 Was geschieht in einer Aufführung in einem solchen Moment mit der Wahrnehmung des Zuschauers? Unweigerlich tauchen unzählige Fragen und Bilder auf, die sich innerhalb von Zehntelsekunden vor seinem inneren Auge abspielen: Würde George Martha tatsächlich umbringen? Würde er sie vor den Augen der Gäste erschießen? Was passiert, wenn der Schuss fällt? Bewegt sich Martha noch am Boden oder ist sie sofort tot? Schießt er absichtlich daneben? Hat er nicht “ den Mumm ” , wie Martha ihm gegenüber immer wieder behauptet? Beginnt nun ein Blutbad, bei dem George auch noch die beiden Gäste umbringt? Werden sie Theaterblut benutzen? Wird die ‘ erschossene ’ Schauspielerin laut aufschreien? Lohnt es sich, die Ohren zuzuhalten? Assoziationen, Erwartungen und Imaginationen greifen ineinander, die Einbildungskraft führt Regie. Mit dem Vorausschauen des Zuschauers ist mehr verbunden als ein rein gedankliches Vorgreifen. Die Erwartungen werden imaginiert, mit Bildern und Empfindungen versehen. Die Bilder können vom Wahrscheinlichen ins Imagi- 161 Vom Abschweifen und Antizipieren näre abdriften und ebenso wieder zur Wirklichkeit zurückführen. In Bruchteilen einer Sekunde vermag die Einbildungskraft Zeiten und Räume zu verknüpfen, Szenarien zu entwerfen und Zukünfte zu konzipieren, sie ist, wie Heidegger so treffend formuliert hat, “ heimatlos ” und ständig in Bewegung. 5 Sie bezieht sich auf Fiktion und Realität, auf Repräsentation und Präsenz gleichermaßen. So impliziert der vorgestellte Schuss nicht allein Mord und die Darstellung des Mords auf der Bühne. Zugleich ist mit ihm das Voraushören eines sich im nächsten Moment real ereignenden Schusses verbunden. Mit diesem akustischen Vorhören ist wiederum das Aufschrecken des eigenen wahrnehmenden Körpers assoziiert, zusammen ergeben sie ein synästhetisches Vorspüren, das sich als Vorstellung der Wahrnehmung bezeichnen ließe. Das Beispiel veranschaulicht somit einerseits, auf welche Weise Erwartungen die Wahrnehmung des Zuschauers imaginativ beeinflussen können. Andererseits verweist es zugleich auf ein grundlegendes Prinzip: Jeder Wahrnehmung geht eine vorgestellte Wahrnehmung voraus, die einem nur selten derart bewusst wird wie im hier inszenierten Augenblick eines bevorstehenden Ereignisses. Als einer der ersten hat William James auf die zeitliche Einbettung der gegenwärtigen Wahrnehmung, auf deren komplexes Vor- und Zurückgreifen hingewiesen: Einen Teil der Komplexität bildet das Echo der soeben vergangenen Objekte und, in geringerem Maße, vielleicht der Vorgeschmack jener, die gleich ankommen werden. [. . .] Besteht der gegenwärtige Gedanke aus ABC- DEFG, wird der nächste aus BCDEFGH und der übernächste aus CDEFGHI bestehen - wobei sich die nachklingenden Elemente [lingerings] der Vergangenheit sukzessive entfernen und die herankommenden Elemente [incomings] der Zukunft den Verlust wettmachen. Dieses Nachklingen der alten Objekte und das Heranströmen der neuen sind die Keime von Erinnerung und Erwartung, der retrospektive und der prospektive Zeitsinn [sense of time]. Sie verleihen dem Bewußtsein jene Kontinuität, ohne die es nicht ein Strom genannt werden könnte. 6 Das Zukünftige ist somit immer schon Teil der gegenwärtigen Wahrnehmung. Würden wir lediglich Augenblick auf Augenblick wahrnehmen, könnten wir uns gar nicht in Raum und Zeit orientieren, wir hätten es vielmehr mit “ kaleidoskopisch wechselnden Erfahrungssplittern ” 7 zu tun. Wie bereits die Sätze William James ’ andeuten, lässt sich dabei eine äußere Wahrnehmung von einem inneren Verarbeiten der Wahrnehmungen, die Perzeption von der Kognition nicht trennen - Erwartung und Erinnerung sind selbst Bestandteil des Wahrgenommen, sie ordnen es ein und verknüpfen es mit Vergangenem und Zukünftigem. Zum einen handelt es sich dabei um unmittelbar vergangene und zukünftige Sinneseindrücke, um die Einbeziehung von Protention und Retention (Husserl) 8 , von Vor- und Nachbildern - zum anderen jedoch auch um ein Erinnern und Erwarten subjektiver Erfahrungen und Vorstellungen, die mittels Assoziationen an die Gegenwart geknüpft werden. So wird ein Zuschauer, der sich an eine ähnliche Mordszene einer vergangenen Theateraufführung erinnert fühlt, die beschriebene Szene von Wer hat Angst vor Virginia Woolf? vollkommen anders wahrnehmen als jemand, der sich zum ersten Mal mit einer gezogenen Waffe auf der Bühne konfrontiert sieht. Gänzlich anders wiederum nimmt ein Zuschauer die Szene wahr, wenn er den Inhalt des Stückes bereits kennt oder dieselbe Inszenierung in einer anderen Aufführung gesehen hat. So wie der kleine Junge in North by Northwest genau wusste, dass die Schüsse fallen würden, würde jener Zuschauer wissen, dass es sich hier kaum lohnen würde, sich die Ohren zuzuhalten. Vielmehr würde er voller Vorfreude jenen 162 Benjamin Wihstutz Moment antizipieren, in dem sich die Erwartung der Zuschauer in die Wahrnehmung einer sich als harmlos herausstellenden Gegenwart auflösen würde: Ein großer, gelb-roter chinesischer Sonnenschirm schießt aus dem Lauf und öffnet sich. Putzi schreit noch einmal, diesmal eher vor Erleichterung und aus Verwirrtheit. [. . .] Putzi ist außer sich. Martha lacht auch . . .sie bricht fast zusammen vor Lachen. 9 In der Aufführung des Stückes am Deutschen Theater in Berlin (Regie: Jürgen Gosch, Premiere 18. 11. 2004) konnte man dieses Auflösen der Erwartungen deutlich im Zuschauersaal spüren. Ein allgemeines Seufzen und erleichtertes Auflachen war zu hören, als sich der Schirm aus dem Lauf des Gewehrs öffnete 10 . Offenbar hatte die Vorstellung der Wahrnehmung vieler Zuschauer einen Streich gespielt, das vermeintliche Antizipieren des Schusses entpuppte sich als Trugbild, als potenzielle imaginäre Zukunft, die niemals zur Gegenwart werden würde. Die Erwartung des Publikums wurde enttäuscht, zugleich entsprach diese Enttäuschung jedoch der Erleichterung, dem Knall und der vorgestellten Zukunft noch einmal entkommen zu sein. “ Alles Mögliche strebt nach Existenz ” 11 , schreibt Leibniz in seinem Text “ Über den Begriff der Möglichkeit ” und bestimmt diese Aussage als eine der “ ersten allgemeinen Wahrheiten ” , aus denen alle Erfahrung a priori bewiesen werden kann. Gewissermaßen ließe sich behaupten, dass sich dieses Streben nach Existenz im Theater mittels der Einbildungskraft erfahren lässt: das Vorausschauen wird mit Bildern versehen, die sich nach der Wirklichkeit sehnen: Der Schrei Marthas, der Schuss aus Georges Gewehr und das Blutbad - all die Vorstellungen und Erwartungen der Zuschauer sind Bilder einer potenziellen Zukunft, die danach streben, aus den Tiefen des Imaginären zum Realen vorzudringen. 12 Die Einbildungskraft greift auf ein Reservoir potenzieller Zukünfte zurück, die als Möglichkeiten der Welt innewohnen. Nelson Goodman hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass diese Möglichkeiten “ die Grenzen der wirklichen Welt nicht zu überschreiten brauchen ” . Vielmehr liegen “ alle möglichen Welten ” selbst “ innerhalb der wirklichen Welt ” 13 . Da die wirkliche Welt stets mehr umfasst als die sich in der Gegenwart realisierende Welt, können auch Prozesse und Produkte der Einbildungskraft nicht allgemein pejorativ als falsch bewertet oder als der Wirklichkeit diametral entgegengesetzt betrachtet werden. Der Begriff der ‘ Einbildung ’ beschreibt hingegen bereits seinem Wortsinn nach einen reziproken Austausch mit der Welt, er lässt sich sowohl als Ein-bildung, als Aufnehmen und Verinnerlichen äußerer Bilder, als auch als Entstehen und Produzieren von inneren Bildern verstehen. Keine Einbildung, keine noch so phantastische Vorstellung der Zukunft kommt aus dem Nichts. Jede nimmt ihren Ausgang in der Erfahrungswelt des jeweiligen Subjekts und ist somit immer schon Teil des realen In-der- Welt-Seins. 14 Mithin lässt sich das Abschweifen in Phantasien vom Antizipieren des Zuschauers nicht eindeutig trennen. Jeder Zugang zu einer Vorstellung der Zukunft wird über die Einbildungskraft ermöglicht, die das äußere (nicht allein visuelle) gegenwärtige Bild mit inneren Bildern des Möglichen unterfüttert und ihm somit Bedeutung verleiht. So wird die beschriebene Szene zwischen Martha und George erst auf der Grundlage der auf die Zukunft zielenden inneren Bilder als ‘ gefährlich ’ oder ‘ spannend ’ wahrgenommen und eingestuft. Erst die Vorstellung des potenziellen Mordes macht das Bild zu einem auf diese Weise wahrgenommenen und empfundenen. Die Einbildungskraft lässt damit etwas erscheinen, dass man mit Maurice Merleau-Ponty die “ Dichte des Fleisches ” nennen könnte. 15 Es ist das Potenzielle 163 Vom Abschweifen und Antizipieren und Latente, das Abwesende und Unsichtbare, das sich unter das Sichtbare mischt. Nichts lässt sich als “ nackte Oberfläche ” wahrnehmen. Jedes Wahrgenommene steht bereits in subjektiven und objektiven Zusammenhängen, welche die Einbildungskraft zeitweise aufzudecken vermag. So ist selbst eine Farbe wie ein bestimmtes Rot, um ein Beispiel Merleau-Pontys aufzugreifen, zugleich “ ein Fossil, hervorgeholt aus dem Untergrund imaginärer Welten ” , das sich als “ Zeichensetzung im Feld der roten Dinge ” positioniert, “ das die Dachziegel, die Fahne der Grenzwärter und der Revolution, gewisse Böden bei Aix oder auf Madagaskar umfasst ” 16 . Das Zukünftige ist stets Teil dieses Unsichtbaren, welches das Sichtbare unterfüttert, in der Erwartung und Antizipation tritt es an die Oberfläche. Was ist nun aber das diesbezüglich Spezifische der Zuschauerwahrnehmung im Theater? Sind nicht an jeder Wahrnehmung imaginative Prozesse beteiligt, die sich auf die Zukunft beziehen? Lässt sich die Erwartung und Antizipation nicht ebenso im Alltag außerhalb des Theaters erfahren? Zweifellos, und doch lässt sich die Aufführung womöglich als besondere, aus dem Alltag herausgehobene Raum-Zeit betrachten, in welcher der Zuschauer das grundlegende Spiel der Einbildung auf ausgezeichnete Weise ästhetisch erfährt. Denn das Theater stellt für den Zuschauer einen liminalen Raum und eine liminale Zeit zur Verfügung, in der er eine Gegenwart wahrnimmt, die sich zwischen Alltag und Rückkehr in den Alltag ereignet, die kollektiv erfahren wird und zugleich höchst subjektive Deutungen und Assoziationen zulässt 17 . Anders als im Alltag braucht der Zuschauer hier keine Angst vor einem Realitätsverlust zu haben, wenn er seinen Vorstellungen und Assoziationen freien Lauf lässt, er muss seine Phantasie nicht an die Wirklichkeit anketten. Im Gegenteil erfordert die zeitgleiche Konfrontation mit realem und fiktivem Raum, mit Präsenz und Repräsentation vom Zuschauer ein ‘ Hin- und Her-Switchen ’ der Wahrnehmung, das stets auch ein Abschweifen in Phantasien und ein Imaginieren von Zukünftigem einbezieht. Auch gegenüber den anderen Künsten zeichnet das Theater eine spezifische Qualität bezüglich der imaginativen Vorstellung von Zukunft aus. Während beim Lesen eines Buches oder dem Betrachten eines Filmes lediglich Zukünfte vorgestellt und antizipiert werden, die per se nicht reale Gegenwart werden können, sondern auf die Seite des Fiktiven gebannt bleiben, zielen die Vorstellungen des Rezipienten im Theater immer auch auf eine sich performativ realisierende Zukunft, die sich hic et nunc vor den Augen des Zuschauers ereignet. Nun findet nicht nur die Aufführung in einer Zeit des Zwischen statt, auch ist die Einbildungskraft selbst eine Kraft des Zwischen. Als heimatloses Vermögen vermittelt sie zwischen den Zeiten, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren und dem Realen und Fiktiven sowie zwischen Wahrnehmung und Denken, wie zahlreiche Philosophen seit Aristoteles' Einführung des Begriffes der phantasia erkannt haben. 18 Wenn jeder Zugang zur Welt mit Prozessen der Einbildung verbunden ist, so lässt das Theater als Ort des Zwischen diese Prozesse auf besondere Weise erfahren. Die Zukunft, die sich dem Zuschauer im Theater imaginativ erschließt, bleibt jedoch, wie die angeführte Szene aus Wer hat Angst vor Virginia Woolf? zeigt, in der gegenwärtigen Wahrnehmung zunächst immer auch eine Illusion im buchstäblichen Sinne: sie offenbart sich als Spiel der Einbildung, als Spiel der Möglichkeiten. Mit ihrer klaren Unterscheidung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist aber auch die Zeit selbst, wie nicht zuletzt Albert Einstein angemerkt hat, “ eine hartnäckige Illusion ” , die wir allein dem synthetischen Wirken der Einbildungskraft verdanken. Ohne sie wären wir zeitlose Wesen. 19 164 Benjamin Wihstutz II. Die Vorstellung des Todes Wenn die Einbildungskraft dem Erfassen von Zeitlichkeit zugrunde liegt und eine Aufführung sich immer auch als ein Theater der Einbildung begreifen lässt, in dem die Einbildungskraft des Zuschauers ‘ Regie führt ’ , so stellt sich die Frage, inwieweit das Theater als Kunstform vermag, Zeitlichkeit als Grund des menschlichen Daseins widerzuspiegeln, ja ob nicht ein performatives In-Szene-Setzen der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit einer Aufführung dem Zuschauer auf gewisse Weise die Zeitlichkeit und Vergänglichkeit seiner eigenen Existenz vorspielt. Zweifelsohne ist jeder Aufführungsbesuch mit dem Wissen verbunden, dass es sich dabei um ein vergängliches Ereignis handelt. Theater lässt sich nicht auf ein dramatisches Werk oder das Schauspiel reduzieren, die Aufführung konstituiert sich als raum-zeitlich begrenzte Begegnung zwischen Akteuren und einem Publikum im Hier und Jetzt. Ungeachtet ihrer kontingenten Elemente wird eine einzelne Aufführung vom Zuschauer als in-sich schlüssige Zeit- Form wahrgenommen: als eine Abfolge von Ereignissen zwischen einem in der Regel klar definierten Beginn und einem eindeutigen, unwiderrufbaren Ende. Das Ende ist dabei als Vorstellung ein inhärenter Bestandteil der Aufführung selbst, eine Aufführung ohne die Gewissheit ihres Endes existiert nicht. Jede Wahrnehmung im Theater impliziert die Gewissheit eines zukünftigen Endes, die Antizipation desselben begleitet die Aufführung von Beginn an. In einigen Momenten tritt sie in Form von konkreten Vorstellungen unbeabsichtigt in den Vordergrund, beispielsweise wenn der Zuschauer sich beginnt, zu langweilen: Man schaut auf die Uhr, fragt sich, wie lange es noch dauern wird, überlegt, ob nach dem Theaterbesuch noch Zeit für ein Glas Wein bleibt oder wie stark wohl der Applaus ausfallen wird. In der Regel bleibt die Vorstellung des Endes jedoch eher im Hintergrund, was sie nicht daran hindert, existenzieller Bestandteil der Aufführung zu sein. Der Applaus lässt das Ende gegenwärtig werden. Dabei markiert bereits das (gewöhnlich) dem Applaus vorangehende Erlöschen des Lichts auf der Bühne einen Übergang: die Aufführung ist zu Ende, die Welt ‘ draußen ’ wartet auf die Rückkehr in den Alltag. Mit dem Ende der Aufführung ereignet sich ein liminaler Moment, der zugleich die liminale Raum-Zeit der Aufführung abschließt: das Spektakel ist vorbei und doch ist es noch nicht ganz vergangen: seine Akteure lassen sich noch einmal blicken. Der Applaus lässt die Zuschauer ein letztes Mal als Gemeinschaft aktiv werden, bevor sie individuell den Heimweg antreten. Der Applaus ist der krönende Abschluss einer Aufführung, er ist stets ihr Höhepunkt und zugleich ihr Ende, ihr Tod. Mit dem Verstummen des letzten Klatschens stirbt die Aufführung endgültig. Die britische Performance-Gruppe Forced Entertainment thematisiert in mehreren ihrer Inszenierungen die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit der Aufführung, indem sie dem Anfang oder Ende der Performance ein besonderes Pathos verleiht. Das Ende der Performance Bloody Mess bietet dem Zuschauer ein finales Bild, das sich selbst auslöscht und als eine Art langsames Sterben inszeniert wird. Die letzten Momente der Aufführung werden auf diese Weise bewusst hinausgezögert und lassen ihren ‘ Tod ’ in besonderem Maße antizipieren: Überall auf der Bühne verteilt sind die Spuren der vergangenen zweieinhalb Stunden zu sehen, dazwischen sitzen und stehen die zehn Performer. Es ist ohne Frage eine Bloody Mess, die sich dem Auge des Betrachters hier bietet: Hunderte von knallbunten Bonbons liegen herum, Popcorn ist verstreut, mehrere Lautsprecher stehen kreuz und quer im Raum verteilt, eine Gitarre liegt auf dem Boden, daneben Bierflaschen, Glitzerperücken, große silberne Pappsterne, Kostüme, die herumfliegen und über Kleiderständern 165 Vom Abschweifen und Antizipieren hängen. Komplettiert wird das theatrale Schlachtfeld von den Resten herumwabernder dichter Nebelschwaden, die große Teile des hell erleuchteten Saales ausfüllen. Die Bühne verbreitet Endzeitstimmung: Bruno Rubicek, einer der Performer in Clownsgestalt, ist gerade dabei, seine Geschichte vom Untergang der Welt zu beenden. Während seine Worte zuvor die meiste Zeit von lauter Musik und den Stimmen und Geräuschen anderer Performer übertönt wurden, sind sie nun in einer sich plötzlich ausbreitenden Ruhe deutlich zu hören: “ Dust, just dust. ” schluchzt er ins Mikrophon. Sein Weinen wirkt einerseits maßlos übertrieben, andererseits könnte es das von der Bühne fabrizierte Bild wohl kaum passender ergänzen, welches den Raum mit einer apokalyptischen Atmosphäre auflädt, der sich auch das Publikum kaum noch entziehen kann. Es ist mucksmäuschenstill. “ Dust, just dust ” sagt Bruno noch einmal. Zuletzt schluchzt er nur noch. Robin Arthur, ein anderer Performer, löst die Szene auf recht unspektakuläre Weise auf: “ Let's go ” sagt er zu Bruno, “ Somebody's gotta clean this shit up ” . Beide erheben sich und gehen langsam zum hinteren Teil der Bühne, wo sie sich leise hinsetzen. Zurück bleibt nur das Surren der Lautsprecher und die Erinnerung an einen schrillen lauten Abend, der nun unweigerlich zu seinem Ende zu kommen scheint. Inmitten des Schweigens tritt noch einmal die Performerin Cathy Naden auf und dabei ganz nahe an die erste Reihe des Publikums heran. Was nun folgt ist von Beginn deutlich als finaler Monolog der Aufführung gekennzeichnet: This is the last thing that you see. You see me standing in the light. You're looking at me. You can see my face, you can see my lips, you can see my eyes. You can see that I'm thinking. But my eyes don't give anything away. My face is a complete blank. It says nothing and it says everything. Both at the same time. It's the last thing you see. Während Naden spricht, beginnen nacheinander einzeln die Scheinwerfer auszugehen. Einer nach dem anderen erlischt. Nach und nach verschwindet immer mehr von dem chaotischen Durcheinander auf der Bühne und taucht ab in die Dunkelheit. Der bunte Glitzer und die Bonbons werden grau, die Performer im Hintergrund lassen sich nur noch erahnen. Unaufhaltsam geht die Aufführung ihrem Ende entgegen. Schließlich steht nur noch Cathy im Licht eines einzelnen letzten Scheinwerfers, der auf ihr Gesicht gerichtet ist. Sie spricht ihre letzten Worte: And the lights are going out. And soon, perhaps much sooner than you expect, I vanish, I disappear, I am gone. I am gone forever. And I am never coming back. [Pause] This is the final moment. This is the last light. Das Licht erlischt. Die lang antizipierte Dunkelheit ist da und die Aufführung ist zu Ende. Der Applaus schließt sie ab. Nehmen Forced Entertainment die Zeitlichkeit des Theaters mit dieser übertrieben pathetischen Darstellung lediglich auf die Schippe? Oder spiegelt diese finale Szene ein durchaus ernstzunehmendes, spezifisches Moment von Zeitlichkeit wider, das jedes antizipierbare Ende einer Aufführung begleitet und sich hier für den Zuschauer auf besondere Weise erfahren lässt? Herbert Blau hat die Vergänglichkeit des Theaters bekanntlich einmal mit den Worten beschrieben, dass bei jeder Aufführung jemand vor den Augen des Publikums sterbe. 20 Wäre es vermessen, das Ausstellen der Vergänglichkeit, das die britische Performance-Gruppe um Regisseur Tim Etchells hier betreibt, als In-Szene-setzen des ‘ Sterbens ’ einer Aufführung zu bezeichnen bzw. die Behauptung aufzustellen, die Performance verweise auf eine grundlegende Verbindung zwischen der Zeitkunst Theater und der Zeitlichkeit des 166 Benjamin Wihstutz Daseins? Steckt vielleicht sogar in jedem ‘ Tod ’ einer Aufführung gewissermaßen eine Vor-stellung des Todes? Martin Heidegger hat in Sein und Zeit darauf hingewiesen, dass der Tod als ‘ Ende des In-der-Welt-Seins ’ selbst als der Existenz zugehörig betrachtet werden muss und das menschliche Dasein von Geburt an prägt: Im Dasein steht, solange es ist, je noch etwas aus, was es sein kann und wird. Zu diesem Ausstand aber gehört das ‘ Ende ’ selbst. Das ‘ Ende ’ des In-der-Welt-seins ist der Tod. Dieses Ende, zum Seinkönnen, das heißt zur Existenz gehörig, begrenzt und bestimmt die je mögliche Ganzheit des Daseins. 21 Die Möglichkeit des Sterbens gehört folglich immer schon zum Leben dazu: sobald ein Mensch auf die Welt kommt, ist er bereits alt genug zu sterben. Das zukünftige Eintreten dieser Möglichkeit ist gewiss, auch wenn es in der Vorstellung seltsam unbestimmt bleibt - der Tod lässt sich nicht wirklich vorstellen und doch weiß man, dass er einen einholen wird. Heidegger bezeichnet ihn dementsprechend als “ eigenste, unbezügliche, gewisse und als solche unbestimmte, unüberholbare Möglichkeit des Daseins ” 22 . Ist es legitim, das Ende einer Aufführung mit dem Ende des Lebens zu vergleichen? Keineswegs soll und kann es darum gehen, Heideggers Thesen ihrem Kontext zu entreißen und sie eins zu eins auf das Theater zu übertragen. Vielmehr möchte ich die Überlegung anstellen, inwieweit der zeitlich verfassten und auf spezifische Weise in Szene gesetzten Ereignishaftigkeit des Theaters die Möglichkeit einer Reflexion der von Heidegger als Sinn des Seins bestimmten “ Zeitlichkeit des Daseins ” innewohnt. In Anbetracht der zitierten Passagen fällt zumindest ins Auge, dass ein Großteil der Aussagen aus Sein und Zeit über den Tod auch auf das Ende einer Aufführung zutrifft. Wie oben gezeigt, gehören zur Zuschauerwahrnehmung nicht allein begleitende Vorstellungen der zukünftig möglichen Ereignisse, sondern ebenso die Vorstellung seines ‘ gewissen ’ und ‘ unüberholbaren ’ Endes der Aufführung. Ähnlich wie der Tod das Leben unwiderruflich begrenzt und bestimmt, definiert auch das Ende einer Aufführung ihre ‘ je mögliche Ganzheit ’ , die als einmaliges Ereignis nach dem Verstummen des Applauses unwiderruflich vergangen ist und sich nicht mehr wiederbeleben lässt. Wenn die Aufführung dazu imstande wäre, die unüberholbare und gewisse Möglichkeit des ‘ Endes ’ in der Wahrnehmung des Zuschauers auf besondere Weise antizipier- und reflektierbar zu machen und damit Zeitlichkeit selbst ausrespektive vor-zustellen - und fraglos geben Forced Entertainment Anlass, diese Möglichkeit anzunehmen - gäbe es wohl kaum eine Kunst, die dem Rezipienten geeigneter das von Heidegger postulierte “ Vorlaufen in den Tod ” ermöglichte als das Theater. Mit dem ‘ Vorlaufen in den Tod ’ bezeichnet Heidegger weder suizidale Gedanken noch ein Nachdenken oder Grübeln über den Tod. Vielmehr ist damit gemeint, den Tod als Möglichkeit des Seins, als dem Leben zugehörig anzuerkennen, und sich dadurch seiner eigenen Existenz mit seinen Möglichkeiten bewusst zu werden, die ‘ Unentschlossenheit des Man ’ zu verlassen. Wenn Cathy Naden in Bloody Mess ihre letzten Worte spricht und die Scheinwerfer einzeln erlöschen, wird wohl kaum ein Zuschauer anfangen, über den eigenen Tod nachzudenken. Doch wird mit dem Aufzeigen und Zur- Schau-stellen dieser letzten Momente etwas offenbart, das jeder Aufführung inhärent ist und zugleich unmittelbar mit der eigenen Existenz verbunden ist: die Zeitlichkeit des Seins. Um nichts anderes geht es in der beschriebenen Szene der Performance. Hier tritt die zeitliche Verfasstheit der Aufführung selbst ins Rampenlicht - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden zu den Protagonisten der finalen Szene: Ein 167 Vom Abschweifen und Antizipieren verlassenes Schlachtfeld der Bühne, das die Ereignisse der verstrichenen Zeit der Aufführung nachhallen lässt, das einzelne Ausknipsen der Scheinwerfer, dass die Gegenwärtigkeit des Zu-Ende-Gehens unübersehbar macht und schließlich das Thematisieren und unweigerliche Antizipieren dieses bevorstehenden Endes: “ This is the last thing that you see. ” / “ This is the final moment. ” Wie könnte das Verstreichen von Zeit, die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit einer Aufführung deutlicher in Szene gesetzt werden? Lässt sich hier nicht in der Tat von einem ‘ Vorlaufen in den Tod der Aufführung ’ sprechen? Die letzten Augenblicke von Bloody Mess lassen die Zeitlichkeit des Seins weder durch das Thematisieren von Vergänglichkeit mittels einer dramatischen Handlung, noch durch eine andere Form der Repräsentation von Zeit auf der Bühne reflektieren. Hingegen ist es die Reduzierung der Zuschauerwahrnehmung auf das schlichte Verstreichen von Zeit selbst, das die Zeitlichkeit des Seins widerspiegelt und diese dem Publikum vor-spielt. Lyotard hat in einem ähnlichen Zusammenhang bekanntlich von einer Ästhetik des Erhabenen gesprochen. Das Sujet des Erhabenen in der Avantgarde, wie es sich etwa bei den Bildern Barnett Newmans zeigt, sei das Augenblickliche. “ Es geschieht jetzt und hier. Das, was geschieht (quid), kommt danach. ” 23 Der Schock des Erhabenen, das Überraschende der Nacktheit des Ereignisses, vermag dabei zugleich die Vorstellung zu evozieren, “ daß nichts geschieht, daß es nicht weitergeht, daß die Wörter, die Farben oder die Töne fehlen, daß der Satz der letzte sein wird. ” 24 Zweifellos ließe sich die Inszenierung des Endes bei Forced Entertainment in der Tradition einer solchen Ästhetik des Erhabenen betrachten. Und doch drängt sich der Verdacht auf, dass es um mehr gehen könnte als um einen erhabenen Moment des Ereignisses. Denn die von Lyotard gestellten Fragen Geschieht es? Ist es, ist das möglich? spielen bei Forced Entertainment insofern keine Rolle, als die Antizipation des Zuschauers ihre Antworten längst vorweggenommen hat. Die Performance präsentiert dem Publikum somit weniger ein überraschendes Ereignis der Wahrnehmung, sie konfrontiert es vielmehr mit einer Reflexion von Zeitlichkeit an sich und zwar in Anbetracht einer zeitlich verfassten, auf ein unwiderrufliches Ende zulaufenden, Aufführung. Mit dem inszenatorisch hervorgehobenen Verstreichen der Zeit wird zugleich die Gewissheit in den Fokus gerückt, dass nach der Aufführung nichts mehr bleibt, kein Werk, keine erleuchtete Bühne, keine weitere Möglichkeit szenischer Darstellung. Anders als bei einem abstrakten Gemälde, gehört die zeitliche Verfasstheit der Aufführung nicht allein zu ihrer Wahrnehmung, sie gehört selbst zum Theater; ohne ihren zeitlich markierten Anfang und ihr Ende existierte das Theater nicht. Als Vorstellung von Zukunft ist sich die Aufführung durch die Einbildungskraft des Zuschauers “ je-vorweg ” , ihre mögliche Zukunft ist immer schon Teil ihrer Gegenwart. Zu diesen Möglichkeiten der Zukunft gehört unweigerlich das Ende der Aufführung - die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit eines theatralen Ereignisses entsteht erst auf der Grundlage ihres Endes und dessen Vorstellung. Wenn in der beschriebenen Szene von Bloody Mess das theatrale Schlachtfeld der Bühne durch die einzeln ausgehenden Scheinwerfer nach und nach in der Dunkelheit verschwindet, rückt diese Vorstellung immer stärker in den Vordergrund und überschattet buchstäblich die Vergangenheit und Gegenwart der Aufführung. Was für den Zuschauer am Ende bleibt, ist das zukünftige Ende, das schließlich zum gegenwärtigen und vergangenen wird. Heidegger bestimmt die zeitliche Verfasstheit des Daseins über die ‘ Sorge ’ . Mit der Sorge bezeichnet er jene komplexe Struktur des Seins, die sich in der Zeitlichkeit immer zwischen Vergangenheit (genauer: ‘ Gewesen- 168 Benjamin Wihstutz heit ’ ), Gegenwart und Zukunft, zwischen ‘ Sein ’ und ‘ Seinkönnen ’ konstituiert: Auf der einen Seite ist der Mensch immer schon in-einer-Welt, in die er ‘ geworfen ’ ist, auf der anderen Seite ist er selbst für den ‘ Entwurf ’ seines Lebens verantwortlich, er hat die Freiheit der Wahl, er bedient sich der Möglichkeiten seines Seinkönnens. Aus ‘ Angst ’ vor diesem Seinkönnen, vor den Möglichkeiten einer ungewissen Zukunft, wovon der Tod eine ‘ augezeichnete ’ darstellt, flüchtet sich der Mensch in die Gewohnheiten des Alltags (Gegenwart), er ist ihnen ‘ verfallen ’ , und übersieht somit die meiste Zeit die Freiheit seiner Möglichkeiten. Die Sorge umfasst somit einerseits eine existenzielle Angst vor dem Ungewissen und andererseits ein Sich-sorgen um die Banalitäten des Alltags auf der Grundlage des In-der-Welt-seins. Es ließe sich behaupten, dass die Vorstellung von Zeitlichkeit im Theater, das ‘ Vorlaufen in den Tod der Aufführung ’ , wie es in Bloody Mess von Forced Entertainment in Szene gesetzt wird, den Zuschauer etwas über das zeitlich bestimmte Dasein als ‘ Sorge ’ erfahren lässt. Die übertrieben inszenierte apokalyptische Stimmung am Ende der Performance offenbart sich als Zur- Schau-Stellung eines genuin theatralen Moments: des Spürens von Vergänglichkeit, das mit jedem Ende einer Aufführung verbunden ist und das zu einem gewissen Grad immer auch die zeitliche Verfasstheit des Daseins und seine Endlichkeit widerspiegelt. Das Wissen des Zuschauers, das er im nächsten Moment die Welt des Theaters verlassen wird, lässt ihn die Gewissheit erfahren, dass auch die ‘ Welt des Alltags ’ und sein In-der-Welt-Sein einmal zu Ende gehen wird. Das Ende der Aufführung ermöglicht ihm im Spüren dieser Gewissheit ein ‘ Vorlaufen in den Tod ’ und damit die Möglichkeit, im Hier und Jetzt eine spürbare ‘ Eigentlichkeit ’ zu gewinnen. Liegt nicht genau darin jene grundlegende Faszination der letzten Augenblicke einer Aufführung, die sich spätestens in dem Moment einstellt, wenn das Licht endgültig erlischt und der Applaus einsetzt? Blickt nicht gewissermaßen mit jedem ausgehenden letzten Scheinwerfer im Theater die Sorge des Daseins dem Zuschauer ins Gesicht? Offenbart sich in ästhetischen Reflexionen wie dieser nicht womöglich sogar der zeitlich bestimmte Sinn des Seins als ‘ Möglichkeit ’ zwischen “ Geworfenheit ” und “ Entwurf ” des eigenen Seinkönnens? In der Performance The World in Pictures nehmen Forced Entertainment das Moment des endgültigen unwiderruflichen Endes der Aufführung wieder auf und inszenieren es auf neue Weise. Diesmal ist es der Performer Jerry Killick, der, alleine auf der Bühne, die Zuschauer adressiert. Es lohnt sich zum Abschluss meiner Überlegungen diesen Monolog ausführlich zu zitieren: I'd like you to think back just one hour before the show started this evening. That's seven o'clock this evening. [. . .] I'd like you to think about your journey here. Some of you would have come by Bus or Underground, I guess. Can you remember anybody who was on that U-Bahn-train with you? [Pause] Can you remember any faces? [Pause] [. . .] And then you came in here and you sat and the lights in the auditorium went down. And pretty soon the show is going to finish and the lights are going to come back up again. [. . .] Now think about the end of the show and your way home. [. . .] Or think about tomorrow morning - you may have to get up to go to work or to study. Or maybe you got children. [. . .] But tomorrow evening it's pretty unlikely that any of you will be here. And by that time maybe you will have forgotten some of what you saw here this evening. [Pause] And in a month's time, maybe you'll have forgotten everything that you saw here tonight. Or maybe you remember a bit. [Pause] And in a year's time, maybe you will be no longer talking to the people you came here 169 Vom Abschweifen und Antizipieren with tonight. And maybe by then you will be living in a new place or maybe you started a new job. Or maybe you have lost someone close to you. [Pause] And in a five years time maybe one or some of the people in this room will have died. It's possible. [Pause] And in a fifty years time, I should think quite a lot of the people that are now in this room will have died. [Pause] And in a hundred years time, it's pretty safe to say that everybody here in this room will have died. [Pause] And in two hundred years time, not only will we all be dead but those of us who have children, they will have died. Everybody who can remember us will have died. [. . .] And in a thousand years time, it's pretty unlikely that this building will still be standing. [. . .] And in a ten thousand years time, this whole city probably won't be here. It will be a desert. [Pause] Or a body of water. Or maybe not even that, maybe just space. A vacuum. Es bedarf wohl kaum weiterer Erklärungen, um auf den durch die Inszenierung hergestellten Zusammenhang zwischen der Zeitlichkeit der Aufführung und der Zeitlichkeit des Daseins hinzuweisen. Das Ende der Aufführung wird unmittelbar mit dem zukünftigen Tod der Zuschauer, sogar mit dem Ende der Zivilisation, in Verbindung gebracht. Dabei ist es nicht ohne Grund die Einbildungskraft der Zuschauer, an die sich der Performer Jerry Killick wendet. Er fordert das Publikum auf, sich eine Vorstellung von Zukunft zu machen, die nicht nur das Ende der Aufführung antizipiert, sondern weit über dieses Ende, ja selbst über das Ende der eigenen Existenz hinausgeht. Die Zuschauer sind gezwungen, in eine ferne Zukunft abzuschweifen, sie mit ihren Bildern der Phantasie auszumalen und sich zugleich bewusst zu werden, dass nun das Ende der Aufführung unmittelbar bevorsteht. Abschweifen und Antizipieren ergänzen sich zu einer Vor-stellung von Zukunft, die stets ungewiss ist, aber deren Grundlage mit absoluter Gewissheit eines Tages wie diese Aufführung zu Ende gehen wird. Die Einbildungskraft des Zuschauers vermag in seinem ‘ Vorlaufen ’ diese existenzielle Konstitution des Daseins zu erfassen und neue Möglichkeiten, neue mögliche Zukünfte hervorzubringen. Als Vor-stellung von Zukunft lässt somit die Aufführung die “ je-mögliche Ganzheit des Daseins ” erahnen. Das ‘ Theater der Einbildung ’ von Forced Entertainment kann dabei behilflich sein. Anmerkungen 1 Heidegger, Martin. Sein und Zeit. Tübingen 1986, § 41 und § 52. 2 Blau, Herbert. “ The Nothing That Is: Aesthetics of Anti-Theatre ” . Forum Modernes Theater. 1 (2009): 49 - 59, hier 52. 3 Vgl. dazu Peres, Constanze. “ Antizipation - Spektrum und Struktur ” . Antizipation in Kunst und Wissenschaft. Ein interdisziplinäres Erkenntnisproblem und seine Begründung bei Leibniz. Ed. Friedrich Gaede und Constanze Peres. Tübingen/ Basel, 1997, 19 - 34. 4 Albee, Edward. Wer hat Angst vor Virginia Woolf . . .? Frankfurt/ Main, 1963, 38. 5 Heidegger, Martin. Kant und das Problem der Metaphysik. Frankfurt am Main 1998, 136. 6 James, William. “ Die Wahrnehmung der Zeit ” . Klassiker der modern Zeitphilosophie. Ed. Walther Ch. Zimmerei und Mike Sandbote. Darmstadt, 1993, 31 - 66, 32. 7 Waldenfels, Bernhard. Phänomenologie der Aufmerksamkeit. Frankfurt am Main, 2004, 211. 8 Vgl. Husserl, Edmund. Texte zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins. Hamburg, 1985, insbesondere 33 - 35 und 161 - 163. 9 Albee 1963, 38. 10 Diese Beobachtung bezieht sich auf meine Aufführungsbesuche am 29.01., 05.03. und 01. 05. 2006. 11 Leibniz, Gottfried Wilhelm. “ Über den Begriff der Möglichkeit ” Kleine Schriften 170 Benjamin Wihstutz zur Metaphysik. Frankfurt am Main, 1986, 177. 12 Um Missverständnisse zu vermeiden, sei an dieser Stelle betont, dass ich die Begriffe Imaginäres und Reales nicht im Sinne Lacans verwende, sondern als Gegensatz von phantasmatisch-bildhaften und Wirklichkeit, wobei die Ebene des Imaginativen, deren Vermögen die Einbildungskraft in all ihren Facetten ist, zwischen diesen beiden vermittelt. 13 Goodman, Nelson. Tatsache, Fiktion, Voraussage. Frankfurt am Main, 1975, 78. 14 Ich habe dies an anderer Stelle ausführlich dargelegt. Siehe: Wihstutz, Benjamin. Theater der Einbildung. Zur Wahrnehmung und Imagination des Zuschauers. Berlin, 2007. 15 Merleau-Ponty, Maurice. Das Sichtbare und das Unsichtbare. München, 1994, 178. 16 Merleau-Ponty, 1994, 174 f. 17 Selbstverständlich verstehe ich Alltag und Theater nicht als schlichten Gegensatz, ein Aufführungsbesuch kann als Teil des Alltags gesehen und auch so wahrgenommen werden. Dennoch zeichnet den (Zeit-)Raum des Theaters aufgrund seiner (inszenatorischen) Rahmung als Kunst-Raum eine ästhetische Differenz zu sonstigen Alltagsräumen und - zeiten aus, ohne die bestimmte Formen ästhetischer Erfahrung nicht möglich wären. Nichts anderem als der Hervorhebung dieser Differenz dienen die zahlreichen, in der Tradition des abendländischen Theaters konventionalisierten räumlichen und zeitlichen Schwellen (wie das Kartenabreißen, das Abdunkeln des Zuschauerraumes, das Öffnen des Vorhangs etc.). Hans-Thies Lehmann spricht daher auch von einer “ Zeit der Initiation ” , die der “ Wahrung eines ausgegrenzten autonomen Zeitraums der Erfahrung ” dient. (Postdramatisches Theater, Frankfurt am Main [1999] 2005, 319). Da die Aufführung jedoch zugleich ein soziales Ereignis bleibt, kann die ästhetische Differenz zum Alltag von einem Re-Entry des Sozialen (oder in der Sprache Lehmanns ein “ Einbruch des Realen ” ) jederzeit gekreuzt werden. Dieses paradoxe Verhältnis von Aufführung als Kunst und als sozialer Realität näher zu erläutern, würde in diesem Kontext jedoch zu weit führen. 18 In der Tat gibt es kaum einen berühmten Denker in der Geschichte der abendländischen Philosophie, der sich nicht mit der Einbildungskraft als synthetisches Vermögen befasst hat. Von Augustinus über Paracelsus, Hume, Kant, Rousseau und Hegel bis hin zu Heidegger und Sartre nimmt die Einbildungskraft immer wieder einen prominenten Platz zwischen Kognition und Perzeption ein, teilweise wird ihr dabei ein grundlegendes welt- und erkenntniskonstituierendes Vermögen bescheinigt, teilweise wird sie aber auch lediglich als empirisches und reproduzierendes Vermögen beschrieben. Vgl. Kamper, Dietmar. Zur Geschichte der Einbildungskraft, München, 1981. 19 Einsteins Diktum wird unterschiedlich zitiert, mal ist auch von der Realität als Illusion die Rede. Meist heißt es: “ People like us, who believe in physics, know that the distinction between past, present and future is only a stubbornly persistent illusion. ” Vgl. Hawkings, Steven, ed. A Stubbornly Persistent Illusion. The essential Works by Albert Einstein. Philadelphia, 2009. 20 Vgl. Blau, Herbert. “ Universals of Performance; or, Amortizing Play ” . SubStance. 37/ 38 (1983): 140 - 161, 155. 21 Heidegger, Martin. Sein und Zeit. Tübingen, 1986, 233 f. 22 Heidegger 1986, 259. 23 Lyotard, Jean-François. “ Der Augenblick, Newman ” . Das Inhumane. 1988 Wien, 2006, 95 - 101, 99. 24 Ders., “ Das Erhabene und die Avantgarde ” . Lyotard 2006, 107 - 125, 109. 171 Vom Abschweifen und Antizipieren Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@francke.de • www.francke.de NEUERSCHEINUNG OKTOBER 2010 JETZT BESTELLEN! Klaus Ley (Hg.) Dante Alighieri und sein Werk in Literatur, Musik und Kunst bis zur Postmoderne Mainzer Forschungen zu Drama und Theater, Band 43 2010, 256 Seiten + CD-ROM, €[D] 58,00/ SFr 81,90 ISBN 978-3-7720-8377-8 Der vorliegende Band versammelt Beiträge zur kunstarten- und gattungsübergreifenden Rezeption der Divina Commedia . Dass Dantes Werk bis in die Gegenwart hinein eine besondere Anziehungskraft ausübt, belegen zahlreiche Bearbeitungen für die Bühne. Doch auch im Bereich des Comics und der Buchillustration zeigt sich eine breit gestreute Auseinandersetzung unterschiedlicher Künstler mit der Divina Commedia . Einen weiteren Schwerpunkt des Bandes bilden die Beiträge zu früheren Rezeptionsphasen, wobei der (Musik-)Dramatik besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Daneben wird der Faszination nachgegangen, die Dante auf herausragende Vertreter der neueren europäischen Literatur ausübte. Weitere Studien befassen sich mit bedeutenden Prätexten aus der Antike. Dem Band ist eine DVD mit ergänzenden Materialien beigelegt. Sie enthält neben Videoausschnitten zu dem Beitrag „Dante, ‚Francesca da Rimini’ und das Erinnern im italienischen Melodramma“ eine umfangreiche Bibliographie zur musikalischen Rezeption von Dante und seinem Werk. Der Thematik der Bildrezeption widmet sich der Beitrag, „Mainzer Drucker in Italien und die frühen Ausgaben der Divina Commedia “, aus dem sich weitere Perspektiven auf die Kanonbildung und die „questione della lingua“ an der Wende zum Cinquecento ergeben. Theatrum Philosophicum: A Platonic Turn in Theatre Scholarship Nicholas Johnson (Dublin) Freddie Rokem's Philosophers and Thespians: Thinking Performance (2010) and Martin Puchner's The Drama of Ideas: Platonic Provocations in Theater and Philosophy (2010) mark two major additions to the library of philosophy and performance. A shared impulse animates these books, which both start from a reconsideration of Plato's relationship to the theatre. The books differ in emphasis and tone, but these are overtly complementary projects; on their back covers, each book leads with a laudatory review by the other's author. Philosophers and Thespians is concerned with what Rokem calls the “ discursive strategies ” of theatre and philosophy. Based first on close readings of four key “ encounters ” between representatives of these disciplines, the second part of Rokem's book trains its focus on the historical dimension of such encounters as the Second World War approached, especially in the life and thought of Walter Benjamin. Puchner's project is somewhat narrower in its initial approach, but considerably broader in its conclusions. With primary analysis rooted in both Classical and Continental philosophy, The Drama of Ideas seems to inaugurate a larger project of envisioning a “ dramatic Platonism ” with far-reaching implications for philosophy, theatre, and academia itself. Taken together, these two works signal an important inflection point on the expanding field of theatre research that engages seriously with the philosophical discourse, and both will be essential reading for those who populate the working groups and symposia in this area of the discipline. The radical gesture in these arguments - implicit in Rokem's approach, but explicit in Puchner's writing - is the vision of theatre itself as a project of thought. The tendency to divide “ theatre ” from “ theory ” in bookstores, popular culture, and academic course design overlooks an ancient link, explored by both these authors, that is both conceptual and etymological: thea [sight] is the Greek root shared by both theatron and theorein. This link suggests something more significant than merely two neighbouring disciplines that shared a birthplace at the Acropolis of Athens. Puchner notes early in his book that thea is the root used in Plato's description of “ the drama of sight ” in the parable of the cave, and he reads the use of this morpheme as “ superimposing seeing and contemplation, ” with the profound result that “ theatre and theory [. . .] form a single activity ” . 1 Rokem treats the same idea in a more historically specific manner, stating that the theatre/ theory relation shows that “ philosophizing as a discursive practice developed and flourished in the wake of attending performances and having made a journey to attend them ” . 2 This difference is emblematic of the two approaches here. Claims stated in conceptual terms in The Drama of Ideas are often concretely staged in the historical encounters that form the basis of Philosophers and Thespians. Puchner's powerful and wide-ranging argument for a philosophy more alert to its Platonic foundation and its dramatic expression seems to dovetail, in its own Socratic dialogue, with Rokem's patient, scholarly analysis of individual cases of those who embodied that particular ethos. Rokem is enamoured of spatial metaphors in the articulation of his project. He Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 173 - 178. Gunter Narr Verlag Tübingen describes the terrain between philosophers and thespians as a largely unmapped “ border landscape, ” a site of struggles in which “ each partner in the dialogical encounter desires to take over the other's practices ” . 3 This mise en scène frames his project as a fundamentally dramatic event, dealing as it does with an exchange of practices that one can imagine in a workshop or studio setting. He also returns repeatedly to the figure of the crossroads, arising both from Oedipus (who features heavily in the first chapter) and from the concept of the journey (which is a central and defining metaphor of the whole project) as a “ scripted embodiment ” . In one of the valuable passages where Rokem reveals his work to be highly personal, he finds a phrase used by his mother throughout his childhood in the writings of Walter Benjamin from 1936: “ Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen ” . 4 This linkage of journey, contemplation, and narrative emerges as a core thread of Rokem's work, leading backward to his Performing History (2000) and, perhaps, forward to a future work about exile, which is mentioned several times in the introduction but underdeveloped in the body of this book. Rokem also seems to have taken to heart Bertolt Brecht's metaphor from the Messingkauf Dialogues of the theatre as a planetarium, and his book is written in the contemplative voice of a man looking at the stars. Constellations, the appropriate title for the second part of this work, are also scripted embodiments: fictions that arise from an accidental proximity, given meaning only as manifestations of human wishes. The first “ encounters ” analyzed in the book are nebular fictions in this vein, artfully manmade combinations of the arbitrary and the artificial. Assessing Plato's Symposium, the first chapter of Philosophers and Thespians offers three vital arguments that arise from Rokem's “ dramatic ” reading of the situation. First, he notes that Plato's interspersing of small disagreements in the details highlights the unreliability of narration, and by extension the instability of all Ideals. Thus, rather than the apotheosis of either mimetic representation or philosophical critique, Symposium points out the limitations on expression. The reading here also implicitly critiques the more extreme readings of Plato's essentialism. Second, Rokem unpicks the dense network of conflicts, to show that the structure embraces agon from all directions, in both content and form; this mode of “ competition ” is shown to be native to thought as well as germane in theatrical enjoyment. Third, usefully deploying the riddle of the Sphinx as a countertext, Rokem shows how the “ missing half ” that defines Eros in Symposium is linked to the “ opposition between the one and the many on which the riddle text is based ” . 5 These three gestures - the transient narrator, the competitive dramaturgy, and the complication of singular identity - give rise to “ an ongoing, dynamic dialectic between unity and multiplicity ” . 6 It is only a short step to show that this dialectic is also definitive of the situation of the actor. The second chapter turns to Shakespeare's Hamlet, and sees itself bringing a genuinely new argument in this form: “ Shakespeare's text frequently ‘ performs philosophy ’ and ‘ philosophizes performance ’ in ways in which Hamlet himself is totally unaware ” . 7 With attention again on form and content together, Rokem argues that Hamlet is a meta-textual staging of the philosophy/ theatre dialectic, and shows convincingly that this appears in many of the discursive strategies taken by characters and by Shakespeare himself. The answer to the question “ Who's there? ” - Hamlet's opening line and the title of this chapter - is answered by Rokem as follows: “ both philosopher and thespian ” . 8 Rokem moves far beyond the play-within-a-play and the passages in which Hamlet theorizes about theatre for the players, sections in which his argument would be Nicholas Johnson 174 almost conventional. In a strategy emblematic of this book, Rokem spends the first part of the chapter looking at basic details, and then asks simple questions from which arise quite complex results, refocusing critical attention on the micro-historical concentrates in the play. For example, in a section that explores the strangeness of the dialogue between Horatio and Hamlet when they first meet in Act I Scene 2, Rokem pivots from their friendship to contrast Wittenberg - an “ uncanny ” city that represents erotic and intellectual freedom - and Elsinore, city of political intrigue. 9 The second half of the chapter, filled with individual gemlike readings of philosophers reading Hamlet, is perhaps overfull: in quick succession over ten pages, Rokem considers Derrida, Marx, Hegel, Austin, Butler, Büchner, Müller, Nietzsche, and of course Benjamin, and then concludes with a single paragraph on Wittgenstein. While the range and insight in these pages is often impressive, the feeling is that of a prolegomenon to a new and different (and necessary) work. The next two chapters depict encounters of a more biographical and historical nature. First, Rokem reads the short but intense correspondence of Friedrich Nietzsche and August Strindberg, introducing the “ highly theatricalized modality of dialectical thinking ” 10 in Nietzsche's Die Geburt der Tragödie, a work that also greatly interests Puchner. The correspondence, Rokem argues, can be read “ as a modern ‘ drama ’ of how two individuals develop their own unique creativity on the brink of and beyond the borderline to insanity ” . 11 Though the letters present interesting content for readers of these authors, Rokem seems to realize that this epistolary drama “ does not contain a discussion about the discursive practices of philosophy and theatre in the strict sense ” . 12 Rather than claiming a direct logical link to the first two encounters, he cleverly connects the sanity/ madness dialectic in the letters to the philosophical questions of truth and simulation that animate Agathon's table and Elsinore's court. After a satisfying section that reads Nietzsche in a more strictly philosophical mode, the next chapter jumps forward in time to a meeting in Denmark between Bertolt Brecht and Walter Benjamin, who discussed Kafka and played chess in the summer of 1934. From their mutual reading of the short story Das Nächste Dorf, Rokem extrapolates distinctive outcomes in Brecht's plays and Benjamin's philosophy, setting the scene for the final two chapters of this book. Brecht and Benjamin share the end of Philosophers and Thespians, as two emblems of a modernist experiment with different discursive linkages of performance and philosophy in the face of a specific historical catastrophe. Rokem draws together Brecht's staging of Mother Courage and Her Children, discussed at the end of Chapter 4, with a famous anecdote about Picasso and his painting Guernica. In reply to a soldier who asked him, “ did you do that? ” Picasso is said to have answered, “ No, you did ” . It is the action that fascinates Rokem here: “ the gesture of pointing [. . .] creates an interaction between the aesthetic field and a particular historical event at the same time as it activates the reader or viewer ” . 13 It is telling that a painting, Jacques-Louis David's The Death of Socrates, also inspires Martin Puchner to state that pointing is the most Platonic of gestures, 14 though Plato has long since been relegated to the background of Rokem's argument. Rokem's late readings of Kafka, Brecht, and Benjamin form a convincing argument for the work of art as thinking a thought, as Alain Badiou has put it. The ideal name for this “ thinking art ” is available in German, and is the subject of the final chapter of Rokem's work: das Denkbild. This sixth chapter focuses on the performative storytelling of Walter Benjamin, whose final works (especially the unfinished Passagen- Werk) are framed as an expansive gesture 175 Theatrum Philosophicum that alternates between acting and writing, a “ performative modality ” weaving thought with action. It should be clear simply from the structure presented here that Rokem's logic is that of the glückliche Zufälle, the logic of the constellation, the line drawn through space and time to create unexpected connections. It is interesting that an author so historically attuned is capable of jumping across such expanses of time. There are moments that suggest their own staging: in his recurring critique of J. L. Austin's How to Do Things with Words, one can almost picture a present-day Rokem patiently raising his hand at the back of a Harvard lecture in 1955. If there is a key weakness here, it is the tendency - apparently a choice - to hold back the fullness of theoretical conclusions that arise from these questions. Rokem's scholarly ethos thus feels almost too delicate at times, more engaged in the particular than the general, more attuned to people than to disciplines. Standard caveats sprinkled across the introduction - “ I could have set out [. . .] ” , 15 “ no claim is made for completeness ” , 16 “ it is impossible to make any sweeping statements ” 17 - blur into quite surprising resistance to follow through: “ I will [. . .] not engage directly in this debate of theories, even if they are an important part of my agenda ” . 18 While simultaneously acknowledging the contemporary political and ideological issues that his readings invoke as “ urgent ” , Rokem obliquely refers to his hope to shed “ indirect light ” on them. The difference in ethos is evident in the titles of these two works: if Rokem is thinking, then Puchner is provoking. The Drama of Ideas clearly fits into a larger project within Puchner's work to envision a dramatic philosophy and a philosophical drama. A founding metaphor for this interest appears in a personal anecdote in the preface, and like Rokem's, it is also a spatial one. Puchner notes that the black box theatre in which he spent much of his free time in university was directly underneath one of the largest lecture theatres, “ in the space left by the ascending auditorium, an arrangement that echoed Plato's parable of the cave ” . 19 Puchner conceives of his effort as one of synthesis, of understanding the relation between these two spaces as the relation, in fact, between two events. His introduction hovers at times on the polemic border that Rokem is so hesitant to cross, since there is a clear corrective reflex to this book that means to “ rescue ” Plato from disciples and critics alike. Any potential excess in this dimension is keenly avoided, however, through the exemplary clarity of the writing and the obvious command of the philosophical terrain. Fascinatingly, Puchner reads Plato not as an enemy of theatre, but rather as a radical reformer: the type of enemy who sees himself as the truest friend, and who is sometimes proved to be so. Puchner denies the simple perception in popular consciousness (held even among numerous philosophers who are listed here) that Plato is an absolutist and an idealist, revealing instead a profoundly materialist attention through an alternative dramaturgy of his dialogues. An appealing structural awareness defines Puchner's approach here: instead of the circus atmosphere surrounding the Festival of Dionysus, Plato's dialogues offers chamber theatre for small audiences of friends; instead of poetry, he offers prose; instead of a chorus, his actors are individuals. The contemporary critique that Plato's legacy has been insufficiently taken up is implied, simply by the observation that the dominant form of philosophy remains the monologue in all its forms (lecture, treatise, monograph, review), rather than the dialogue (though brief historical exceptions are acknowledged). By their fusion of truth and fiction, comedy and tragedy - the mixing of which Puchner is hardly the first observer - the most important dialectic in the dialogues is shown to be that of abstraction and 176 Nicholas Johnson embodiment. 20 Curiously, the attention to this dialectic engine of conflict reclaims a Marxist, or perhaps more properly a Hegelian, reading of Plato. This novel approach will undoubtedly expose him to a critique from surprised philosophers who feel their anti-Platonism is justified, or from the identity-focused discourse within Performance Studies, a group that has largely rejected Badiou's neo-Platonism out of hand. Puchner can be read in this case much as he reads Plato: the structure of this argument shows that he is staging his own “ dramatic Platonism, ” and is himself a reformer, rather than an enemy of either discourse. The dramatic perspective on Plato's own dialogues that makes up Puchner's first chapter is developed further in Chapter Two. The chapter traces the history of what Puchner calls “ the Socrates play ” , a grouping that would benefit from more concretely stated principles of inclusion and exclusion. The plays mentioned clearly form a minor tradition of adaptations and extensions from Plato's dialogues, including chamber/ closet dramas, educational projects, tragedy, comedy, and opera. This tradition is seen by Puchner as serving to keep alive the notion of Plato as dramatist, but the chapter doesn't integrate as clearly as it might with the thesis expounded in the introduction. The section might have benefited from a more “ Platonically materialist ” attention to the differences in structure, approach, apparatus and reception across the drama; these differences are ironed out in gestures like the list of plays in Appendix 1, 21 which is helpful to researchers but naturally cannot be claimed as exhaustive, and by the graph of these plays that is presented in Appendix 2. 22 Though the only claim in this graph is for a gradually increasing “ number of sources, ” rather than “ number of Socrates Plays ” over time, such a numerical approach is not particularly indicative of anything without a full statistical apparatus behind it. The graph more likely reflects an increase in the approach and technology of theatre documentation, rather than forming any empirical basis for this argument. Its performance of rigour makes it an easy target for those who see “ interdisciplinary ” as a mere buzzword, and its lack of frame does not do justice to the rest of the book. Puchner returns strikingly to the comforts of home turf, however, in the final three chapters. This recapitulation of the book's core is signaled first by the title of the third chapter, “ The Drama of Ideas. ” In it, Puchner reframes a modern drama often referred to as “ non-Aristotelian ” as specifically “ Platonic ” . 23 The utility of the detour into Socrates plays becomes more evident when two of their authors, August Strindberg and Georg Kaiser, are assessed for their transformative power on the modern theatre. More selfconscious dramatic Platonists that the chapter goes on to cover include Oscar Wilde, George Bernard Shaw, Luigi Pirandello, Bertolt Brecht, and Tom Stoppard. Having approached through drama, the book then turns in the fourth chapter to delve into philosophy. The result is sweeping in scope and striking in depth, opening with a thorough re-reading of Søren Kierkegaard that is considerably more satisfying than Rokem's brief invocation of this massive legacy. 24 The natural step, via the newly “ dramatic as well as theatrical way of writing philosophy ” 25 inaugurated by Kierkegaard, is down the line often categorized as existentialist: Friedrich Nietzsche, Jean-Paul Sartre, Albert Camus, and, rather surprisingly, Kenneth Burke and Gilles Deleuze. Added to these names in the final chapter are three writers and philosophers who explicitly embrace Plato, and in whose writing Puchner accurately detects the shade of the dramatic: Martha Nussbaum, Iris Murdoch, and Alain Badiou, who haunts this book from the very beginning. The concluding Epilogue returns to the “ provocations ” of the first chapter and use- 177 Theatrum Philosophicum fully suggests that dramatic Platonism is a kind of antidote to the excesses of what Puchner calls “ corporealism ” in the humanities and relativism in culture. 26 This is precisely the explicit debate that Rokem seems intent to avoid, though many of these same questions arise in his book. Behind the attempt to find a new mode of relation between theatre and philosophy lingers an active institutional debate: “ how to integrate drama and philosophy? ” 27 This oblique reference to practice as research is declared early on as part of the “ implicit agenda ” in Philosophers and Thespians, and it resonates with Rokem's two questions stated in his introduction: “ how can artistic practice be considered a form of research? and what type of thinking is produced by such artistic and creative practices? ” 28 Such questions are clearly worthy of ongoing exploration in the field. It testifies to the strength of the scholarship in both works that the audience is left wanting more, a truism known to both these researchers from the theatre. It is also a positive indicator, more so than a critique, that so many alternative examples can be imagined. Foremost, for this reader, are those from the works of Samuel Beckett and Theodor Adorno, both of whom have strong bonds with this discourse that are treated only briefly. One further outcome from these important works should be a reconsideration of pedagogy in theatre studies, in both content and form. There are innumerable undergraduates in Theatre Studies and acting courses who have been instructed to read Aristotle's Poetics, but the work done by Rokem and Puchner offers a convincing argument for including at least Plato's Symposium at the bedrock of this discipline as well. Though they may not put to rest the “ ancient quarrel between philosophy and poetry ” spoken of by Plato, these two works demand a revision of both anti-theatrical prejudice and anti-Platonic reflexes in philosophy. For the thespians, these works advocate a return to the crossroads, the planetarium, and the void that marks the border between the lecture hall and the theatre. Notes 1 Puchner, Martin. The Drama of Ideas: Platonic Provocations in Theater and Philosophy. Oxford, 2010, 7. 2 Rokem, Freddie. Philosophers and Thespians: Thinking Performance. Stanford, 2010, 31. Rokem attributes his own insight into the “ journey ” component of theoria to Wilson Nightingale, Andrea. Spectacles of Truth in Classical Greek Philosophy: Theoria in its Cultural Context. Cambridge, 2004, 3. 3 Rokem 2010, 3. 4 Rokem 2010, 17. 5 Rokem 2010, 45. 6 Rokem 2010, 45. 7 Rokem 2010, 61. 8 Rokem 2010, 60. 9 Rokem 2010, 67. 10 Rokem 2010, 90. 11 Rokem 2010, 91. 12 Rokem 2010, 104. 13 Rokem 2010, 166. 14 Puchner 2010, 198. 15 Rokem 2010, 1. 16 Rokem 2010, 6. 17 Rokem 2010, 4. 18 Rokem 2010, 6. 19 Puchner 2010, vii. 20 Puchner 2010, 20. 21 Puchner 2010, 199. 22 Puchner 2010, 209. 23 Puchner 2010, 73. 24 See Rokem 2010, 109 - 112. 25 Puchner 2010, 138. 26 Puchner 2010, 193. 27 Puchner 2010, 193. 28 Rokem 2010, 5. 178 Nicholas Johnson Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind: The Struggle to Represent the Inner Life on Stage Kurt Taroff (Belfast) In the following pages, I will examine the intersection between closet drama and monodrama. While these two forms each have their own discrete and unique histories and characteristics, there is, in several conceptual regards, significant overlap between them. Over the course of the nineteenth and twentieth centuries, growing fascination with subjectivity, interiority, and the life of the mind opened the doors to experimentation with new forms of drama that attempted to capture psychical experience in dramatic form. The authors of these experiments continually found themselves facing the same dilemma. On the one hand, they could subject their work to the physical limitations and collaborative nature of the stage, where the contributions of designers and actors, with their very presence and their own creativity might serve to diffuse the author's singular vision, even as it renders a vision so complete and fixed as to limit the spectator's ability to play an active creative role in that vision. Conversely, the author might choose to limit their dramatic visions to the non-physical (and therefore boundless) world of the page, allowing it to unfold in the imagination of the reader, and thus form a more direct link between the vision created in the author's mind and that formed in the course of reading. This article traces the historical background of this conundrum, as well as the theoretical concerns with which it is intertwined. Nikolai Evreinov and Monodrama In 1908, Russian author and director Nikolai Evreinov gave a lecture entitled “ Introduction to Monodrama ” at the Circle of Art and Literature in Moscow. Evreinov's theory of a dramatic world structured around the inner experience of a single protagonist was not wholly novel, but he was the first to fully articulate a theory for the form. Evreinov defined monodrama as a “ kind of dramatic presentation which, while attempting to communicate to the spectator as fully as it can the active participant's state of mind, displays the world around him on stage just as the active participant perceives the world at any given moment of his existence on stage. ” 1 Essentially, Evreinov sought to convey the subjective experience of a strong central protagonist with such power and immediacy as to evoke in the spectator the illusion that he or she has merged with that protagonist, sharing fully in the experience depicted. To achieve this goal, efforts are required of both the playwright and the director/ designer. The playwright is called upon to structure his or her play so as to reflect the internal psychical experience of a single protagonist. If the playwright successfully conveys through the text and plot this experience of interiority, it then becomes the job of the director and designer to create a mise-en-scène that approximates the protagonist's perceptual experience, as Evreinov notes, “ The basic principle of monodrama is the principle of the stage representation's coalescence with the active participant's representation. In other words, the external spectacle must be an expression of the internal spectacle ” (191). If these efforts are successful, then, more than just empathising with the character, “ the spectator ‘ coexperiences ’ along with the active partici- Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 179 - 194. Gunter Narr Verlag Tübingen pants ” (184). Indeed, Evreinov concludes, “ To induce the illusion in the spectator that he is turning into the participant is the chief task of monodrama ” (191). At the heart of Evreinov's theory is an intriguing, and quite possibly insurmountable paradox. Evreinov notes: Any psychologist takes it to be elementary that the world around us inevitably undergoes transmutations, due to sense impressions; and the notion that the object of an impression inherently is what it in fact borrows from the subject of an impression is not an exclusively psychological phenomenon. All our sensory activity undergoes the process of projecting purely subjective transmutations onto an extrinsic object. [. . .] The world around us borrows, as it were, its character from the subjective, individual ‘ ego. ’ [. . .] And it is modified as we modify, as our mental mood alters: the cheerful glen, the cornfield and the forest that I admire as I sit carefree with my beloved will become nothing more than a bright green patch, yellow stripes and a dark border, if at that moment I am brought news of a misfortune befalling someone close to me. (192 - 3) This presentation of subjectivity was very much in accord with the state of psychology and philosophy of mind in Evreinov's day, and has largely remained so. Theorists such as William James, Henri Bergson, and Maurice Merleau-Ponty, as well as psychologists such as Freud, Jung, and Lacan, all at various points expressed a view of a world understood in great measure through the subjective experience of the individual mind's contact with and impressions of (and upon) an outside world. Evreinov's goal is to attempt to approximate this subjective experience, unique to the individual, in artistic form. However, the great problem for any art form attempting to portray this experience is grounded in the difficulty (if not impossibility) of such communication in practice, as is expressed in the following remarks: Consciousness can find in its experience only what it has itself put there. Thus the experience of communication would appear to be an illusion. A consciousness constructs - for x - that linguistic mechanism which will provide another consciousness with the chance of having the same thoughts, but nothing really passes between them. 2 (Maurice Merleau- Ponty) The only states of consciousness that we naturally deal with are found in personal consciousnesses, minds, selves, concrete particular I's and you's. Each of these minds keeps its own thoughts to itself. There is no giving or bartering between them. 3 (William James) The greater number of emotions are instinct with a thousand sensations, feelings or ideas which pervade them: each one is then a state unique of its kind and indefinable, and it seems that we should have to re-live the life of the subject who experiences it if we wished to grasp it in its original complexity. 4 (Henri Bergson) While such assessments would seem to doom even the slightest possibility of success for Evreinov's project in any medium, the theatre is dealt a double blow by such considerations. Even if it were possible for an individual's vision to be conveyed as though directly from the mind of the author, the nature of the theatrical process itself places obstacles (that is to say, intermediaries) between the author and the spectator. The director, designers, crew, and the myriad collaborators in theatrical production, no matter how dedicated to presenting the playwright's vision, cannot help but act as interpreters - ensuring that the link between author and spectator is mediated by the visions, capabilities, and individualities of those who take part in the production process. Consequentially, for some writers, both before and after Evreinov, this problem of stage representation proved so insurmountable that while they may have had a dramatic conception for their work, it seemed preferable to avoid the stage altogether. 180 Kurt Taroff Closet Drama The concept of closet drama - plays written to be read rather than performed - has existed since at least the Roman era, and gone through several vogues of popularity, often, as in the cases of Hrotsvit's religious plays and the Interregnum in England, out of necessity. The Romantic era, however, saw the rise of a trend in closet drama based largely in conceptual concerns of what the play itself was trying to convey, and what the theatres could (or could not) provide. The English Romantics (and in many cases their Continental brethren), believing that the highest form of art was one that linked the mind of the spectator/ reader with that of the author, largely eschewed the physical stage for a ‘ mental theatre ’ to be performed only in the mind of the reader. 5 It was the Romantics, lead by Coleridge and Charles Lamb, who championed the belief that Shakespeare was better read than performed. And their view was not simply retrospective. Several of the major English Romantic poets - Wordsworth, Shelley, and Byron - created plays that twentieth century critics have looked at as “ a new kind of allegory in which villain and heroine represent conflicting aspects of the hero's self with the hero's problem to reconcile his internal conflict through self-development. [. . .] Such a drama is monodramatic in that it exists as the perception of a single observer. ” 6 And while monodramas need not necessarily be closet dramas (nor closet dramas monodramas), it is no coincidence that most, if not all, of these plays were written for the closet. One rationale behind the Romantic closet drama was that even if it were indeed possible to ever fully communicate to a reader the contents of the mind of the dramatist as he or she composed the play, the concreteness of stage production would ensure that the vision that would become hardened in the spectator's mind as the material of the play would be not that of the author, but rather that of the designer and the actor. In reading such works, however, the ‘ mental theatre ’ , as Byron called it, formed in the mind of the spectator, might not be precisely what the author had in mind, but at least it removed the intermediaries of the manager, designers, and actors. In this way, the spectator is free to stage the play without limits in his or her own mind, and if the play is designed as such, might well imagine themselves experiencing the events of the play through the central character in a true monodrama. Evlyn Gould, explicating a passage by Flaubert, and speaking in reference to the author's La Tentation de Saint Antoine (The Temptation of Saint Anthony), notes, “ By means of a ‘ thrusting stiletto ’ (or a ‘ cutting style ’ ) that would penetrate deeply into the mind of its reader, that same reader would benefit from a pleasure not unlike Antoine's. The chance to glide on smooth surfaces - the pleasure of the movement of thought itself - would be for the reader like the saint's own fluid mental voyages. ” Gould ultimately asserts that “ La Tentation demands that we become its subject. ” 7 In this, the closet monodrama potentially has another major advantage over the stage - the removal of the protagonist's body (the body of the other whose subjectivity we are meant to share) and the opportunity to place ourselves fully in the position of that protagonist. Furthermore, such a theatre avoids the technical limitations of the stage that lay bare its unreality all too clearly, distancing us from full immersion in the world of the play. The desire to create as direct a link as possible between author and spectator/ reader may be seen through the frequent identification of the Romantic writers and their central characters. Langbaum notes that “ in borrowing the poet's eyes we also borrow the past experience behind them ” , 8 and continues, asserting that the plots of these plays are 181 Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind about the self-development of an individual with whom the reader can identify himself to make the poem an incident in his own selfdevelopment as well. For the poetry of experience is, in its meaning if not its events, autobiographical for both the writer and the reader. 9 Charles Lamb's rationale for the superiority of reading Shakespeare focused on the opportunity for a reader to share an experience with the author in a way a spectator never could: “ Lamb considers tragedy the highest poetic genre, thanks to the emotional identification it inspired, and Shakespeare the supreme tragic poet, thanks to his ability to lose himself entirely in his creations. A similar annihilation of self should ideally occur in the spectator. . . but the physical reality of the stage constantly works against this. ” 10 This desire to create for the reader a simulacrum of the author's imaginings during the process of writing the work is enhanced by the fact that many critics have seen the heroes of these plays as avatars for the authors themselves. The reader, then, is expected to approximate in reading the process of the author in writing, even as the author, during this process, imagined himself as the protagonist. The Romantic dramatic author thus accomplishes a merging of these three heretofore distinct positions - author, protagonist and reader. We will see this concept re-emerge in theoretical discussions of monodrama in the early twentieth century. Intimating the continuity between French Romanticism and Symbolism, Evlyn Gould sees a similar process at work in Stephane Mallarmé's closet drama Hérodïade (begun in 1864, and a lifelong project of Mallarmé's, unfinished at his death), in which the “ formal representation of the mind's inner rhythms, both repeats and elicits (or elicits because it repeats) the echoes of the interior scenes of both readers and writers. ” 11 Gould is careful to note, however, that although Mallarmé (and by extension other writers of such dramas of subjectivity) may enter into the subjectivity of his protagonist, that protagonist is not a representation of Mallarmé himself: This is not a “ spectacle du Moi, ” the writer does not stage himself; his own ego or personality has been sacrificed to the performance. It is the unanchored spectacle of a kind of reified subjectivity, an event, in which, theoretically, readers and writers are joined. 12 The model Gould proposes here is instructive for a great many monodramatic works as conceived by Evreinov: both author and spectator dissociating from their respective egos, and meeting in the shared experience of a central protagonist. Bakhtin: The Novel, Monologism, and Monodrama A recurring concern in discussions of closet drama is the use of stage directions that would seem impossible to perform on stage. Martin Puchner speaks of such works as belonging to the “ exuberant ” type of closet drama, which he defines as containing “ an excess of theatrical action ” . These are plays “ whose constant changes of scenes, large casts of characters, sudden appearances and disappearances, and strategic mixture of hallucination and reality wilfully exceed the limits of theatrical representation. ” 13 This description could refer to a great many of the subjective visions of monodrama. Rather than seeing these as plays which are ripe for physical representation but merely lack the technology or medium for such representation, Puchner views the exuberant closet drama as a move to a completely different genre; one with the trappings of the theatre but a far more prevalent narrative element. Using the “ Circe ” chapter of Joyce's Ulysses as 182 Kurt Taroff his major example, Puchner argues that in the exuberant closet drama (at least its modernist incarnation), stage directions are most profitably seen not as instructions to a director or scene designer, but rather as an independent and authoritative narrative voice. In the creation of this new hybrid form, “ the closet drama not only rejects the [form of] theatre but also needs to create a different, literary one in its stead ” . 14 The problem of closet drama (particularly those closet dramas focused on notions of subjectivity) is at its centre a generic concern. The question must be asked why the authors of these closet dramas, if they were indeed set on avoiding theatrical representation, chose to write in dramatic form at all, rather than in the form of the novel, which underwent its greatest period of growth, power, and innovation in this very same period. A possible answer to this question comes in the work of one of the great proponents of the novel as a genre, Mikhail Bakhtin. After Dostoevsky (his prime example), Bakhtin argues, the novel is characterised by: A plurality of independent and unmerged voices and consciousnesses, a genuine polyphony of fully valid voices [. . .] What unfolds in [Dostoevsky's] work is not a multitude of characters and fates in a single objective world, illuminated by a single, authorial consciousness; rather a plurality of consciousnesses, with equal rights, and each with its own world. 15 Bakhtin contrasts the heteroglossia of Dostoevsky's novels (and of the novel as a form in general) with what he perceives to be the monologism of the theatre: The rejoinders in a dramatic dialogue do not rip apart the represented world, do not make it multi-leveled; on the contrary, if they are to be authentically dramatic, these rejoinders necessitate the utmost monolithic unity of that world. In drama the world must be made of a single piece. Any weakening of this monolithic quality leads to a weakening of dramatic effect. The characters come together dialogically in the unified field of vision of author, director, and audience, against the clearly defined background of a single-tiered world. The whole concept of dramatic action, as that which resolves all dialogic oppositions, is purely monologic. A true multiplicity of levels would destroy drama. 16 What Bakhtin saw as a damning flaw is seen as the very goal of theatre for Evreinov, who argued, “ Our mind is limited in its capacity for perception . . . A readjustment in the objects of our concentration provokes mental fatigue and consequently a weakening of the ability to perceive. [. . .] So the true object of a dramatic performance must be seen to be an emotional experience, and [. . .] it should be the emotional experience of a single mind, not several. ” 17 Marvin Carlson has mounted a stout defense of the heteroglossia of the theatre, noting that Bakhtin “ refers almost invariably to tragedy, and especially to classic tragedy, noting such phenomena as the regularizing poetic form, the focus on the hero, with other characters merely reflecting his concerns, and the drive of tragedy toward the resolution of differences. ” 18 Carlson goes on to dispute Bakhtin's argument for monologism in the form of the dramatic text, with reference to playwrights such as Calderón, Shakespeare, and Ibsen. But his most telling argument, at least with reference to the question of monodramatic closet drama, comes when he speaks of “ the theater's inevitable heteroglossia ” , conditioned by “ the whole production apparatus, including the director and potentially a whole range of contributing artists working on scenery, lighting, costumes, and so on. ” 19 As we noted earlier, this same model of collaboration, while perhaps ensuring that the stage is a heteroglossic place, acts against the expres- 183 Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind sion of a single vision - the monologic world that Bakhtin derided. The written drama, either before it gets to production or with no intention of ever reaching the stage, has no such problem. At the heart of Bakhtin's vision of the dialogic, polyphonic, and heteroglossic novel lay the figure of the narrator: “ We acutely sense two levels at each moment in the story; one, the level of the narrator, a belief system filled with his objects, meanings and emotional expressions, and the other, the level of the author, who speaks (albeit in a refracted way) by means of this story and through the story. ” 20 For Bakhtin, the novel's particular advantage comes from an intricately intertwined system of dialogues, at the center of which stands the narrator, who acts as intercessor between the author and his characters. The narrator, though telling the author's story, tells it in his own voice and in his own world, which is not the author's. This gap between narrator and author is made even more palpable in the case of a third-person narrator setting forth the tale of a separate and equally independent and fully valid hero. Thus begins a mélange of interwoven dialogues involving variously: author, narrator, hero, and all of the individual characters (each of which is fully individuated and valid, with independent and distinct worldviews). And here we begin to see why the novel may prove unsuitable to the creation of a completely singular subjective viewpoint: the multiple levels created by the gaps between author, narrator, and character work against the portrayal of a “ single emotional experience ” . Indeed, if the narrator is the conduit of the hero's story, then whose experience is it that we share - narrator or hero? Even in the case of first-person narration, the hero in the guise of narrator and the hero as character in the story are not co-identical: “ The ‘ speaking ’ subject (the agent of the speech-act, to update the terms) and the ‘ spoken ’ subject (the grammatical subject of the utterance) can never coincide. ” 21 Such a gap, Maurice Merleau-Ponty suggests, is true not only in fiction, but in lived experience itself: “ Between the self that analyzes perception and the self which perceives, there is always a distance. ” 22 Nevertheless, the potential advantages of first person narrative proved tantalising to Evreinov, who suggested that the heroes of monodrama “ be designated by the simple but expressive first-person pronoun ‘ I, ’ [. . .] I should prefer this not only [. . .] because in that form [. . .] ‘ the most intimate pulse can best be felt, ’ but simply out of practical considerations. ” 23 Ironically, however, Evreinov's first experiment with monodrama, The Representation of Love, demonstrated the limitations both of the use of the ‘ I ’ , as well as of narration in general, as solutions to the problem of the representation of subjectivity. The Representation of Love's hero/ narrator, begins the play in the guise of the character C. S. (Cattarhal Subject), sitting on a park bench, recounting the story of his lost love to another character, H.T (Hemorroidal Type). C. S. introduces the character of ‘ I ’ , himself at a younger age, who then plays out the memory of his affair. ‘ I ’ takes over the telling of the story, reading all stage directions aloud in first-person, even as he plays out the action, while reading all stage directions for his lover ( ‘ She ’ ) in the third-person. Spencer Golub argues that “ This produces a narrative effect, the sense of having an additional angle of perception on the action. ” 24 In fact, the narrative effect is doubled here, and as a result produces three levels of stage interaction - the older C. S., ‘ I ’ as narrator, speaking directly to the audience (or to H. T.), and ‘ I ’ in the immediate world and time scheme of his relation to ‘ She ’ . Such division of perception makes it difficult to ascertain at which level a spectator is meant to merge with this tripled character. Ultimately, narrative form presents an inherent obstacle to unity of perspective 184 Kurt Taroff invested in a central protagonist, presenting an intriguing and instructive paradox. While the stage, with its many collaborators, works against a monological presentation, the novel's multi-layered, heteroglossic world, facilitated by the intercession of narration, is equally resistant to such an aesthetic. And while a naïve spectator may choose to ignore the artifice of the stage and the apparatus of theatrical production, the narrator cannot so easily be elided from the text of which he or she is an integral part. And while Puchner claims that in the modern closet drama the function of the narrator is present in the form of stage directions, I would suggest such cases are rare (Puchner offers few beyond “ Circe ” , which, as it appears within Ulysses can only tenuously be called a closet drama), and are exceptions that prove the rule. The closet drama may then offer the clearest path to both the elimination of narrative polyphony and the ‘ nuisance ’ of stage collaboration, and the best opportunity for a direct link between author and reader. Picard and Sologub: Playing the Author As intimated earlier, many of the Symbolists shared the Romantic poets ’ suspicion of the stage. Even Maurice Maeterlinck, whose works enjoyed considerable success at the Théâtre de l'Oeuvre, was a theatrical skeptic: “ I always enjoy reading a play far more than I do seeing it acted, for on the stage the delicate symbolic essence of what every thoughtful writer wishes to convey cannot but escape. ” 25 However, there was also a significant strain in Symbolist thought, influenced strongly by Wagner, that saw in a gathered audience (as in the audiences of Greek Tragedy) the potential to create a unity out of multiplicity; as Nietzsche suggested, “ Here we have a surrender of individuality and a way of entering into another character. And this phenomenon is encountered epidemically: a whole throng experiences the magic of this transformation. ” 26 The search for reconciliation between the desire for an audience and the suspicion of the stage was likely a central factor in the ideas of Belgian symbolist Edmond Picard (a member of the Les XX group of artists, which included Maeterlinck), who in 1887 wrote an essay entitled, ‘ Lettre sur le Monodrame ’ , in which he bemoaned the state of contemporary theatre and called for its renovation. Picard decried the obsession with pictorial detail in stage setting, and proclaimed that the “ great masterpieces of dramatic art ” , such as Shakespeare, and Goethe's Faust, were incapable of being performed on contemporary stages, “ without sacrilegious mutilation ” . 27 Not only, Picard believed, did the obsession with scenery render some of the great works of dramatic art practically impossible to produce, but the very dependence upon visual representation of every aspect of the scene served to alienate the spectator from the performance. As a solution, Picard proposed a radical minimalist alteration of the theatre. Picard's essay envisions a single actor (the author, or, perhaps, a stand-in for the author) who would read the play to the audience in its entirety - setting the scene with, as Picard calls it, “ a truly literary description ” , before reading the play, performing each role, “ varying his tone and accentuation just enough, and mimicking only to the extent necessary to present the illusion of the play ” . 28 Picard maintains that by forcing the spectator to create the world of the play in their own imagination through the suggestion of the décor by the speaker, increased audience involvement in the play's action will naturally follow. Picard's vision demonstrates a very close link to another of Mallarmé's lifelong, never realised projects, The Ideal Book, which may have been part theatre and part poetry reading, and which Mallarmé intended to exert strict control over in terms of the 185 Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind specific movements and actions of the actor. And as Martin Puchner notes, “ Just as the stage and its props are not mimetic signs [the performance of the Book was to be in Mallarmé's own library, which represented nothing so much as itself], the actor does not impersonate a character, but rather Mallarmé himself. ” 29 This emphasis on the representation (or speaking presence) of the author on the stage suggests an insistence on the writer's authority to maintain a Prospero-like control over the revels he creates with his words in the minds of the spectators. Bridging the gap between the French Symbolist anti-theatricality and Nikolai Evreinov's avid embrace of the stage is one of the founders of the Russian Symbolist movement, Fyodor Sologub. In his essay, “ The Theatre of a Single Will ” , Sologub complains bitterly that “ The modern theater presents a sorry spectacle of fragmented will and therefore disunited action . . .. Just as the unique will of I reigns supreme in the macrocosm, so in the little circle of the theater spectacle only one unique will should reign supreme - the will of the poet. ” 30 Like Picard, Sologub imagines the playwright (or a reader standing in for him), placed at the front of the stage (though in this case over to either side), reading the title page, character lists and stage directions of the play. Unlike Picard, Sologub does imagine a set, but declares that whatever scenery there is “ must be one-dimensional ” , and that “ it is also best that all dramas be played in a single setting ” . 31 Sologub also permits the presence of actors on his stage, though he has difficulty containing his contempt for those actors: The actors come on stage and do what the author's stage directions prompt them to, as they are read aloud, and speak what the play script sets down. If an actor forgets his lines - and when do they not forget them! - the reader reads them, as calmly and as loudly as all the rest. 32 Sologub's actors, then, are reduced to little more than puppets, echoing practitionertheorists such as Mallarmé and Edward Gordon Craig, among others, who wish to see the actor replaced by a marionette who may more fully respond to the control and desires of the writer/ director. (While the emergence of the director in this context reinforces the notion of a more unified control over the stage, it also creates a new dialectic between writer and director, alleviated only, as we shall see, in cases where the writer directs his own work.) Furthermore, the actor posed an additional problem in the tendency (similar to that of settings, as discussed earlier) to make specific and concrete what had previously existed in the mind's eye of the writer and had the potential to be similarly (though uniquely and subjectively) reimagined in the mind of the reader. Jonas Barish records that “ For Anatole France, it is pointedly not the bad actors, but the good ones, who spoil plays: their egregious individuality spills over and drowns everything. ” 33 Barish goes on to suggest that for the antitheatrical modernists, marionettes “ hold out the hope that the theatre will be able to free itself once and for all of its humiliating dependence on live players, and take its place alongside the other arts, where the artist's will is law. ” 34 As Barish's assessment suggests, much of the resistance to the stage among the modernists (as evidenced by an essay such as “ The Theatre of a Single Will ” ) can be attributed, as noted earlier, to the collaborative nature of the theatre in opposition to the desire for a unified approach to the work of art invested in the writer (and, starting around this time, the director). The actors, designers, and even stage crew can only stand in the way of the complete realisation of the vision formed in the psyche of the writer. As Gould argues, “ It is precisely the lack of control over the total dramatic effect, over the part of drama . . . over the material realities of represen- 186 Kurt Taroff tation contained in the actor's act but lost to the writer's, which keep [the writer] from doing what he does best. ” 35 Puchner argues that a determination to reduce (or inasmuch as possible, eliminate) collaboration was a key factor in the rise of the director in the late nineteenth century, noting that “ This motivation is particularly evident in the case of Craig, whose polemical attacks on theatre were in the service of gaining full control over the production process and thus eliminating all of the contingencies associated with collaboration. ” 36 For Evreinov's part, it is clear that he welcomed the sort of ‘ flattening ’ that Bakhtin decried. According to Spencer Golub, Evreinov asserted that “ in any play, we are essentially seeing the character from a single, subjective point of view, the author's ” , and consequently wondered, “ Why not accept this as a condition of art in general and allow the artist free rein to explore the power of this impulse in conscious agreement with his audience? ” 37 This integration of author and protagonist stands as a logical extension of Sologub's ever-present author. But the fact that Evreinov also acted as director for his own work demonstrates his determination to keep control of the production process narrowly controlled in the hands of a single figure. And while he may not have been able to rid himself of collaborators such as actors and designers, he did manage to unify three uniquely powerful theatrical figures into one playwright/ director/ dramatic protagonist. Innovation and Representation: Evreinov and Craig Evreinov was well aware of his colleagues' resistance to the materiality of the stage, and in his theory of monodrama (despite its passionate call for unity of vision as an essential element of the theatrical process), as in the rest of his life in the theatre, he mounted a vigorous defense of theatricality in the theatre: Lately there has been much clamor in favor of abolishing scenery. And indeed it ought to be abolished in drama as soon as it hinders more than it helps. But can it not develop into something else? For monodrama this is almost a question of life and death. [. . .] The author of a modern drama, in my interpretation, will fix both these moments in the character's environment in a stage direction; he will pedantically demand of the set-designer an instantaneous transformation of the cheerful landscape into a meaningless medley of a clamorous green, unnerving yellow and sullen olive, and he will be right in his pedantry. 38 Evreinov appeals to the remarkable possibilities presented by the new advances in stage design, and in this same section speaks admiringly of Craig. It is surely one of the great ironies of the 20 th century avant-garde that between 1909 and 1912, while experimentalists such as Evreinov and Meyerhold were working in both St. Petersburg and Moscow, Craig was working in collaboration with Stanislavski at the Moscow Art Theatre, which had by now become reviled by the Avant-Garde as staid and passé, as typified by Valery Briusov's vitriolic “ Unnecessary Realism ” ; an essay which appeared in the same volume as Sologub's. But this irony is heightened by the fact that what Craig was directing at the MXAT was a production of Hamlet in an interpretation described by Stanislavski himself as ‘ monodrama ’ . 39 And furthermore, the production was meant to be the first public demonstration of Craig's theory of screens, a method of continuous on-stage set changes that would allow action to flow without the need for the curtain to fall. The screens had significant conceptual implications on the notion of temporality. Martin Puchner, suggesting that Gertrude Stein's drama is par- 187 Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind ticularly better suited for the page than the stage, presents an instructive argument: Subjected to the temporality of the theatre, the audience cannot control the time, place, or speed of reception and must submit to the pace of the performance. There is no way of assuring that the performance conforms to the desires of any particular audience member, with the result that the audience and performance are almost always out of sync. One solution to the a-synchronicity is the act of reading, for readers, in contrast to viewers in the theatre, can adjust the speed of reading, as well as its time and place, to their own sensibilities and needs. 40 Paradoxically, for Evreinov, Craig, and subjectivist playwrights (such as Strindberg in his ‘ Inferno ’ period), the problem is not that the theatre is too continuous, but that scene changes and intervals mean that the stage presentation must be interrupted, and those interruptions often have no relation to the successful conveyance of the author/ director's idea. In addition, Puchner's approval of the reader's ability to put down their book for a moment to contemplate, and perhaps ‘ catch up ’ to the text would in no way be considered an advantage to Evreinov, who sees the real-time functioning of the theatre as a key element in his effort to align the experience of his protagonist to the spectator. To the extent that we may be said to stop and contemplate life in the midst of it, life itself does not stop when we do; when we put down the book to contemplate it, the book does stop. Evreinov wishes us to share the experience of the protagonist in real time, without interruption, chosen or unchosen. If we contemplate a moment in the play, that contemplation takes place in an ulterior space, just as in life (or, alternately, the continuing action of the play may move into the ulterior space, just as intentionality works in everyday living). As described by the French painter Piot: Craig's aim seems to be to achieve, by means of simplification, a musical ebb and flow of the scene, bringing it into the time-scheme so as to link it with the play. [. . .] There has always been an antagonism between the movement of the plot and the immobility of the scenery: if the scene could change in harmony with the development of the plot, this would provide an entirely new source of expression. 41 Such a method of staging is very much in accord with ideas such as William James's stream-of-consciousness, Henri Bergson's duration, and monodrama in its potential to allow a free flow of time and experience onstage. In addition, Craig's screens potentially offer a solution to the problem of instantaneous changes in place or circumstance, precisely what Evreinov was calling for in his plea to modern stage designers. Ultimately, Craig's screens for Hamlet collapsed during final dress rehearsals and set changes had to be done behind a curtain. Craig, who was not present, believed that Stanislavski had intentionally sabotaged his work, a grudge he held until his final meeting with Stanislavski in Moscow in 1935. The idea was only ever realised in limited fashion, but continues to play a prominent role in the history of stage design. Medium and Message: Subjectivity and Genre I would like to conclude with a discussion of the nature of genre and representation, and an argument that it is not theatre itself that stood (or stands) as the greatest obstacle to the goals that precipitated the writing of closet dramas, but rather the relative strengths and weaknesses of any medium of representation engaged in an effort to create an immersive experience of subjectivity. While most of our discussion to this point has focused upon the limits of the stage - its inability to reproduce the fruits of the 188 Kurt Taroff author's imagination with sufficient accuracy or subtlety - for many in the nineteenth and twentieth centuries, the problem was not that the stage was incapable of doing enough to meet their vision, but that it did too much. While Wagner's Gesamtkunstwerk was an inspiration to Evreinov and many others, Mallarmé was among those who (like Brecht later in the century), felt that Wagner's spectacle lulled his audiences into a “ passive trance ” , denying them responsibility for or access to independent interpretation of or active participation (mental or physical) in the performance. 42 Mallarmé saw an alternative in the re-separation of the arts, with particular emphasis on the form of dance. Collaborative in nature, like the theatre, dance is arguably just as resistant to monologisation. However, while the theatre's combination of the visual and the text has a tendency (or at least the capacity) to provide a complete, digestible story to a passive spectator, dance tends to work much more in the abstract, as Evlyn Gould surmises: The dance is then a form of theatre which cannot fix representations on one side of the footlights and a spectator or subject on the other but one which promotes a mobile interchangeability of subjects and objects. The strategies of the dance performance as Mallarmé reads them are thus reminiscent of [. . .] what Jean-François Lyotard envisions as a kind of rotating proscenium arch that simultaneously distinguishes and confuses the audience and the stage, the theatre and the world, reality and fantasy, catching a spectator somewhere between the intensities of his or her own unconscious desires and those emanating from bodies and signs on stage. 43 If theatre presents a world as given, as something outside an observer, one which requires little, if any effort for a spectator to complete in his or her mind, the dance provides free-floating symbols that require (or at least welcome) a reaching back into one's own mind. In the process, the spectator makes the performance his or her own, and the dance takes place in the mind just as much as on the stage. An example of the potential for dance to escape some of the concretisation of the theatre comes from Mallarmé's admiration for Loie Fuller, who achieved fame in Paris in the 1870s dancing with large veils that obscured much of her body, in distinct variation from the common dance attire of the period which emphasised the body of the dancer. Puchner argues that “ these veils represented for Mallarmé the model of a gestural ballet as disengaged as possible from the individual corporeality of the dancer and thus as close as possible to pure fiction. ” 44 It is difficult to escape the conclusion that Mallarmé believed he had found, in dance as a genre, and in Fuller in particular, a solution to the problem, discussed earlier, of the stubborn individuality and reality of the actor on the stage. Devoid of voice or even shape, the dancer becomes a cipher, open to a wide-range of interpretations and connotations. Ultimately, Mallarmé opined, “ Dance alone, by virtue of its evolutions, along with mime seems to me to necessitate a real space or the stage./ In a pinch, paper suffices to evoke any play: assisted by his multiple personality, each being able to play it for himself within, which is not the case when it comes to pirouettes. ” 45 And yet, this very inability of the spectator to play for himself the dancer's pirouette works against a merging with character and full immersion, as the spectator appreciates the virtuosity of the dance rather than becoming fully immersed in it. Furthermore, the lack of text in dance only serves to heighten the paradox, as it extends the necessity of the spectator calling forth their own imaginative powers in ‘ completing ’ the performance, but at the same time limits the spectator's ability to establish a firm grounding within any sort of plot or narrative. 189 Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind An opposing perspective of the rationale behind closet drama, rather than looking at contemporary forms, sees an answer in technologies that would later be born. Hassan El Nouty, speaking of the Romantic form, sees not a deliberate attempt to overshoot the capabilities of the stage in order to foreclose the possibility of visual representation, but rather an “ Ideal Theatre ” , which strove toward a representation of anything and everything that could be imagined in the mind of the artist. In El Nouty's conception, such a theatre was waiting for a technology that would permit the realisation of these visions - a dream destined to be fulfilled by film and later video. 46 Strikingly similar assessments have been made by later twentieth century critics concerning the proper medium for Evreinov's theory of monodrama. Spencer Golub argues that, “ Monodrama as a form was ultimately outstripped by the cinema (especially the German expressionist cinema) which it anticipated, ” 47 while Sharon Carnicke opines, “ Cinema has been more successful than the stage in handling such extreme subjectivity. ” 48 Laurence Senelick, speaking of Craig's production of Hamlet, points to the idea of author/ hero conflation, but also asserts the superiority of film for monodramatic purposes when he says, “ The monodramatic eye of the designer/ director fusing with Hamlet's mind's eye might best be portrayed by a camera lens. ” 49 The assertions of the superiority of film as a medium for these types of subjective visions are based, for the most part, on two specific rationales. First, as explicitly stated by Senelick above, is the notion that while theatre is faced with the problem of presenting us with a physical representation of the protagonist with whom we are supposedly merging in the form of the actor playing that character, the medium of film, as in the firstperson ‘ I ’ of narrative form, offers the ability to eliminate such physical representation and the possibility of allowing us to see through the protagonist's eyes (for which the camera now substitutes). But, as the Russian semiotician Yuri Lotman has written, point-ofview perspective is not the panacea it might seem: Many experiments have proved that shooting long sequences of film from the viewpoint of one of the characters results in a loss in the sense of subjective focus rather than a gain, since the audience starts to interpret the shots as normal scenic filming. In order to present a sequence of film as embodying the point of view of a particular character, it is necessary (through montage) to alternate the shots taken from his point in space with shots which fix his position from somewhere outside him, from the audience's (i. e. ‘ nobody's ’ ) point of view or that of other characters. 50 In addition, it would seem that the disembodied voice of the protagonist is likely to distract the viewer and even further distance the spectator, who, even if they are seduced into identification through point-of-view, knows that the voice that they hear is not their own. Film, then, is subject to largely the same problem as theatre to the extent that it must physically represent the character through whom we are supposed to be experiencing the drama. The other reason for the assertion of film's superiority for the purposes of monodramatic presentation comes from the fact that while Evreinov may have appealed to the scenic innovators of the early twentieth century such as Craig to produce the instantaneous changes in scenery, mood, and even character demanded by his theory, the theatre could not then, and arguably still cannot compete with the cinema's ability to seamlessly and ‘ magically ’ affect such changes. Any attempt to do so on stage is likely to provide a stark reminder of the stage's theatricality, while film retains a remarkable ability to present a sheen of ‘ reality ’ to even the most fantastical events. 190 Kurt Taroff And yet, like the skeptics of Wagner's Gesamtkunstwerk, film's illusionistic superiority is not welcomed by all. Contemporary avant-garde theatre director Richard Foreman, in the preface to his play Film is Evil: Radio is Good, suggests: No matter how exotic the adventure portrayed on the screen, the fact that it's filmed convinces the spectator that it takes place in the “ real world. ” [. . .] Film, by its very nature, works in our consciousness to limit our options. [. . .] Silent film comes closer to evoking this more complete kind of transcendence because of its strangeness [. . .] But what concerns me here is the present impact of contemporary film, as opposed to the more positive psychic effects of radio, poetry, and, of course, the theatre. [. . .] A painting leaves gaps that the viewer's vibrating consciousness must fill - more gaps than film does. [. . .] A good painting is a reference to a system of perceiving reality, rather than a stand-in for reality itself. The same for poetry and poetic theatre. But film runs the danger of handing its audience a dead substitute for reality, rather than a lively way of alluding to it. 51 Ironically, Foreman is now focused more on film work than theatre. Nevertheless, we see again here the idea at work that the presentation of a complete picture, rather than involving the spectator more deeply in the artwork at hand, instead distances them from it, forcing them to view it (or worse yet, passively receive it) as an outsider. It is worth noting that Evreinov's theory has been subjected to strikingly similar critiques in recent years, with Sharon Carnicke suggesting that he was susceptible to charges of hypocrisy: Evreinov had complained that realism on stage left little to the imagination, and hence, cut the audience out of the creative process of theatre. Rather than co-creating the world of the play, spectators at the Moscow Art Theatre were at the mercy of the director by being presented with ready-made choices in the most minute details of the set and environment of the play. In all but its non-realistic style, the same could be said for monodrama. Evreinov tried to create all the variations of the protagonist's perceptions for his audience, again leaving nothing to the imagination. Monodrama was far from a suggestive theatre which freed the imagination of the audience. 52 In this struggle between over-representation and minimalism, we get some sense of the futility of seeking the ideal form for the depiction of subjective experience. Each medium, it seems, seeks its own style for such expression and it is fascinating to see the intellectual cross-currents between these styles and the philosophical concepts in which they are grounded. Early in this essay, we looked at several views on the veritable impossibility of communicating the stuff of consciousness between individuals, and the obstacles that this presented to artists intending to represent consciousness. In this same vein, Louis Gillet, in speaking of Joyce's attempt to recreate consciousness in Ulysses, labeled it, “ An illusory project, because no language exists which can translate what is beyond language. ” 53 Indeed, the problem of representing thought in language proves a greater obstacle to the novel than it is to film or theatre. For while film and theatre may visually portray the world as it is perceived by the protagonist, the novel must resort to words if it is to attempt to describe that same landscape, and though we may often articulate thoughts to ourselves, our impressions of the scenery around us rarely express themselves linguistically. Edouard Dujardin, whose 1887 novel Les Lauriers sont Coupés (The Bays Are Sere) and its attendant theory of monologue intérieur served as an inspiration to Joyce, keenly felt this problem: “ Total reproduction, real ‘ reproduction of the film of consciousness ’ is something almost impossible to 191 Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind imagine. And that is why we have several times made clear that interior monologue must not render thought ‘ raw, ’ but give the impression of it. ” 54 And in a variation of Puchner's assertion of the novelisation of the closet drama in work such as Ulysses, Dujardin suggested a theatrical equivalent for his novelistic form: One can wonder whether, after having taken up such a place in the novel, interior monologue is not destined to go into the theatre, in order to renew it, so to speak. We can well imagine, in the course of a dialogue, a series of ‘ disguised ’ monologues which would differ from the ‘ disguised ’ monologues of Racine in that, instead of being the translation into rational terms of the character's thoughts, the latter would be expressed anterior to their logical organization, that is to say as they come into being and in an apparently ‘ raw ’ state - in other words, in which the character would let the intertwined voices of his heart speak directly during the dialogue. 55 Rather than utilising the myriad and unique tools of the stage in his attempt to translate the method he had conceived for his monologue intérieur from the purely linguistic medium of the novel, Dujardin remained firmly ensconced in that linguistic mode. Surely this is, in part, a reflection of Dujardin's native medium as a writer, but it nevertheless demonstrates the varying tools and methods that each artistic medium can bring to bear in attempting to portray the experience of consciousness. In a letter to Dujardin dated April 8, 1888, Stéphane Mallarmé wrote in praise of Les Lauriers sont Coupés: I can see you have set down a cursory method of notation that turns upon itself, whose sole aim, independent of large-scale literary structures, poetry or decoratively convoluted phraseology, is to express, without misapplication of the sublime means involved, everyday experience which is so difficult to grasp. So there is here less a happy result of chance than one of those discoveries we are all tending towards in our different ways. 56 While Mallarmé's interest in and praise for Dujardin's novel primarily demonstrates the French symbolist concern for interiority and subjectivity, his comments may be interpreted in a far broader manner. For this depiction is at the centre of the varied experiments that this article has recounted, along with many others in the years since. This goal of the depiction of “ everyday experience, ” as we have seen throughout this article, may not only be “ difficult to grasp ” , but perhaps even impossible. Each form, indeed each individual work of art, attempting to approximate this experience must grapple with the limits and advantages afforded by their respective media. Perhaps, then, the question of which medium is best suited for the depiction of subjectivity and consciousness is the wrong one to ask. Instead, it might be said that artists in all media (and increasingly, across media) are engaged in a quest, likely an endless quest, for “ those discoveries we are all tending towards in our different ways. ” Notes 1 Evreinov, Nikolai. “ Introduction to Monodrama. ” Russian Dramatic Theory from Pushkin to the Symbolists: An Anthology. Ed. Laurence Senelick. Austin, 1981, 183 - 199 (187). Parentheticals refer to this text. 2 Merleau-Ponty, Maurice. The Phenomenology of Perception. London, 2002, 207. 3 James, William. The Principles of Psychology. Cambridge, MA, 1981, 221. 4 Bergson, Henri. Time and Free Will. Mineola, NY, 2001, 17 - 18. 5 George Gordon, Lord Byron, quoted in Erdman, David V. “ Byron's Stage Fright: The 192 Kurt Taroff History of His Ambition and Fear of Writing for the Stage. ” ELH 6. 3 (1939): 219 - 45, 231. 6 Langbaum, Robert. The Poetry of Experience. New York, 1963, 63 - 65. 7 Gould, Evlyn. Virtual Theatre from Diderot to Mallarmé. Baltimore, 1989, 139, 140. 8 Langbaum 1989, 48. 9 Langbaum 1989, 52. 10 Carlson, Marvin. Theories of the Theatre. Ithaca, N. Y., 1993, 224 - 225. It is worth noting that Jeffrey N. Cox has identified “ monodramatic traits ” in Lamb's 1802 play, John Woodvil. Cox, Jeffrey N. In the Shadows of Romance: Romantic Tragic Drama in Germany, England, and France. Athens, OH, 1987, 43. 11 Gould 1989, 160. 12 Gould 1989, 164. 13 Puchner, Martin. Stage Fright: Modernism, Anti-Theatricality, and Drama. Baltimore, 2002, 15. 14 Puchner 2002, 92. 15 Bakhtin, Mikhail. Problems of Dostoevsky's Poetics. Minneapolis, 1984, 6. [Italics are Bakhtin's.] 16 Bakhtin 1984, 17. 17 Evreinov 1981, 186. 18 Carlson, Marvin. “ Theater and Dialogism. ” Critical Theory and Performance. Ed. Janelle G. Reinelt and Joseph R. Roach. Ann Arbor, 1992, 312 - 23, 314. 19 Carlson 1992, 319. 20 Bakhtin, Mikhail. The Dialogic Imagination. Austin, 1981, 314. 21 Erdinast-Vulcan, Daphna. “ The I That Tells Itself: A Bakhtinian Perspective on Narrative Identity. ” Narrative 16.1 (2008): 1 - 15, 6. 22 Merleau-Ponty 2002, 49. 23 Evreinov 1981, 197. 24 Golub, Spencer. Evreinov: The Theatre of Paradox and Transformation. Ann Arbor, 1984, 40. 25 Maeterlinck, quoted in Barish, Jonas. The Antitheatrical Prejudice. Berkeley, 1981, 339 - 340. 26 Nietzsche, Friedrich. “ The Birth of Tragedy ” in The Birth of Tragedy and The Case of Wagner. New York, 1967, 64. 27 Picard, Edmond. Discours sur le Renouveau au Théâtre. Bruxelles, 1897, 112. [Translation K. T.] 28 Picard 1987, 116 - 119. 29 Puchner 2002, 69. 30 Sologub, Fyodor. “ The Theater of a Single Will. ” Russian Dramatic Theory from Pushkin to the Symbolists: An Anthology. Ed. Laurence Senelick. Austin, 1981, 132 - 148, 136 - 137. See also translation by Daniel Gerould in TDR 21. 4 (1997): 85 - 99. 31 Sologub 1981, 145. 32 Sologub 1981, 139. 33 Barish 1981, 343. 34 Barish 1981, 344. 35 Gould 1989, 51. 36 Puchner 2002, 10. 37 Golub 1984, 37. 38 Evreinov 1981, 192 - 193. 39 My discussion of Craig's production of Hamlet at the Moscow Art Theatre is heavily indebted to Laurence Senelick's Gordon Craig's Moscow Hamlet: A Reconstruction (Westport, CT, 1982). 40 Puchner 2002, 102. 41 Piot, letter to Jacques Rouché, quoted in Bablet, Denis. The Theatre of Edward Gordon Craig. London, 1981, 122 - 123. 42 Puchner 2002, 71. 43 Gould 1989, 153. 44 Puchner 2002, 80. 45 Gould 1989, 218 n. 46 Hassan El Nouty, Theatre and pre-Cinema, cited in Gould 1989, 37. 47 Golub 1984, 46. 48 Carnicke, Sharon. The Theatrical Instinct: Nikolai Evreinov and the Russian Theatre of the Early Twentieth Century. New York, 1989, 78. 49 Senelick 1982, 190. 50 Lotman, Juri M. “ Point of View in a Text. ” New Literary History 6: 2 (1975): 339 - 352, 351 - 352. 51 Foreman, Richard. “ Preface to Film is Evil: Radio is Good ” . Unbalancing Acts: Foundations for a Theater. Ed. Ken Jordan. New York, 1992, 150 - 152. 52 Carnicke 1989, 77 - 78. 193 Screens, Closets, and Echo-Chambers of the Mind 53 Louis Gillet, quoted in Dujardin, Edouard. Interior Monologue in The Bays Are Sere; and, Interior Monologue. London, 1991, 115. 54 Dujardin 1991, 116. 55 Dujardin 1991, 144. 56 Stéphane Mallarmé, quoted in Anthony Suter, preface to Dujardin 1991, 87 - 88. 194 Kurt Taroff Performing and adapting Shakespeare on the seventeenth-century German Wanderbühne 1 Kareen Seidler (Geneva) Companies of English players, the so-called “ English comedians ” , brought English plays to the Continent from the 1590s. They performed all over the German-speaking countries, with great success and in a large variety of venues, for the general public or at the service of a nobleman. Some of the Shakespearean playtexts that resulted from this theatrical hotbed are still extant. These texts are not translations but clearly adaptations, adjusted to the changing linguistic, theatrical, social and religious conditions. They are thus not primarily readerly works but rather by-products of stage-productions. 2 Like the early Shakespearean quartos - which recent scholarship has re-examined in a more benevolent light 3 - the German adaptations are thoroughly theatrical texts and should be analyzed as such. Nevertheless, these texts are often remarkably close to the Shakespearean originals. 4 This article first focuses on how the Shakespearean texts were adapted for the German Wanderbühne. The adaptations share a number of features, shaped by theatrical conventions and conditions; for instance, the adaptors shortened the plays, conveyed information visually and physically rather than verbally and elaborated the role of the clown. The second part of the article will stress the importance of the context of performance and show how it can help to better understand the playtexts. Both early modern and contemporary performances will be considered, mainly focusing on Romio und Julieta, an adaptation of Romeo and Juliet. 5 To start with the main features of these adaptations: First and foremost, the early German Shakespeare adaptations were shorter than the Shakespearean originals. Like the early quartos, 6 their origins are more closely related to the stage than to the page; they are versions cut for performance. Another reason for shortening the plays was the language barrier. In fact, the English comedians first performed in English. 7 As a contemporary observer tells us, the Germans “ not vnderstanding a worde they sayde [. . .] flocked wonderfully to see their gesture and Action ” . 8 The German audiences were particularly impressed with the naturalistic 9 acting of the English which was entirely new to them. 10 Especially in the early days, the shows also included acrobatic feats, as well as music and dancing. The English comedians were thus “ all-round entertainers ” . 11 When such entertainers cut a play for performance, the first thing to go were probably monologues. I here assume that the playtexts were initially shortened, possibly, though not necessarily (only) due to the language constraints. Later, when Germanspeaking adaptors took over, new material was added. 12 Yet the initial cuts may still be visible in the extant German texts. In Der Bestrafte Brudermord (an adaptation of Hamlet), “ To be or not to be ” is thus neither “ the question ” (as in the Second Quarto, TLN 1710), nor “ the point ” (as in the First Quarto, CLN 836) but simply disappears. 13 In fact, this German Hamlet is stripped of all but one soliloquy. 14 Similarly, Romio und Julieta has no potion speech and no Queen Mab speech; many other monologues are also shortened or omitted. This shortening often streamlines the plot. For instance, in Romio und Julieta the first two scenes of Shakespeare's Act V (Romeo learns of Juliet's supposed death Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 195 - 204. Gunter Narr Verlag Tübingen and buys poison from the apothecary; Friar John tells Friar Laurence that his letter failed to reach Romeo) are wholly done away with. Whereas in Shakespeare, the Friar's letter, explaining the sleeping-potion plot, fails to reach Romeo, in Romio und Julieta, Romio does receive a letter from the Father (Shakespeare's Friar), but it merely asks him to hurry back: “ Hier bin ich angelangt, weil mir der Pater geschriben, ich soll so schnell alss es möglich alhier anlangen ” (V.iv, p. 397). 15 Romio thus only learns that Julieta is “ dead ” when he arrives at the monument. He goes on to kill himself with his dagger. This neatly disposes of the first two scenes of Act V. Alongside such changes, we find that events or actions which are narrated, summarized or alluded to in Shakespeare are often physically acted out in the plays of the Wanderbühne. One explanation might be the initial need to make things visible, to show the story to the audience. For example, in Shakespeare's Titus Andronicus, Aaron's first speech includes the following: AARON Away with slavish weeds and servile thoughts! I will be bright, and shine in pearl and gold To wait upon this new-made empress. To wait, said I? - to wanton with this queen [. . .] (II.i.18 - 21) 16 Whereas Aaron may be speaking metaphorically - “ away with slavish weeds ” - his German equivalent Morian quite literally takes off his old garment: MORIAN Lass mich auch nu diese alte Lumpen ablegen, weil ich sehe, dass meine heimliche Bulinne Gunst vnd Gnad beym Keyser hat. (Ziehet den alten Rock abe.) [. . .] so mache ich den Keyser warlich zum Hanrey (Tito Andronico, I, p. 167) 17 Aaron's transformation is thus made visible: Morian physically enacts it by removing his old coat, to show “ pearl and gold ” underneath. 18 The German text might also indicate early modern English stage practice. Jonathan Bate actually makes use of several stage directions from the German Titus in his edition of the Shakespearean play. 19 In a similar vein, what is alluded to in Shakespeare is often made explicit in the German plays. 20 For instance, in Romio und Julieta, we find that the adaptors have clarified a crux in the original. Shakespeare's texts never make Paris's presence at Capulet's feast explicit, although he has been invited (Q1 I.ii.13 - 16; Q2, I.ii.20 - 23). 21 In the German text, Paris is present at the Capulet feast, and he even addresses Julieta (II.iii, p. 335). 22 Romio und Julieta might therefore confirm that in early modern London, Paris was also onstage in this scene. Another common feature is comedy, an element that is of crucial importance for the strolling players' performances. It is mainly supplied by the omnipresent clown. 23 His importance could be accounted for by his mediating role between audience and actors: he was the first to speak German, usually in the pauses between acts. 24 In fact, “ Picklhäring ” was used as the generic designation for the clown. 25 The role was usually taken on by the Prinzipal (that is, the leader of the company), given its central importance. 26 The plays go out of their way to incorporate the clown into the plot. One of his main characteristics is a concern with his bodily needs and material things - food, 27 excrements, sex, and money. He often offers a comic parallel to the main plot. A related feature is the mixture of tragic and comic sequences. 28 In the Wanderbühne plays, most of the comic interludes in tragic or near-tragic moments are produced by the clown. A passage from Romio und Julieta can illustrate this point. Tipold (Tybalt) and Mercutius have just been killed. As in the 196 Kareen Seidler Shakespearean original, the tragic tension is at its height for the first time in the play. Tipold's corpse is lying on the empty stage, and in the German play, Picklhäring enters and deliberates: ietzt soll ich lauffen vnd sehen wass vor ein tumult auf der gassen. Aber wass ligt hier vor ein voller Nassküttl; potz schlapperment dass ist Tipold, blut er doch alss wie ein schwein, holla Tipold, ich befehle dir bey des Herzogs Vngnad, das du aufstehest vnd gehest mit mir, er will nicht andtwortten, ja er ist gahr todt, larmen larmen, Tipold ist todt gestochen, gestorben vnd lebt nicht mehr. (IV.ii, pp. 367, 369) 29 Though Picklhäring's disrespect in the face of death may seem alarming, the passage is not devoid of comedy. Picklhäring is also instrumental to the plot: he calls for the other characters to come on stage and discover the dead body. Other Wanderbühne clowns behave in a similar fashion when faced with a corpse: in Gottfridt von Boullion, Hanswurst finds the dead Gernard, accuses him of drinking too much, asks him to get up and finally realizes that he is dead. 30 Picklhäring further says that Tipold is “ bleeding like a pig ” - and in Papinianus, the clown Traraeus also compares a recently killed man to a bleeding pig, showing similar irreverence. 31 Asper actually lists “ interaction with the dead ” among the main characteristics of the English comedians' clown. 32 Another scene mixing tragic and comic elements can be found in both the English and the German version of Romeo and Juliet. Consider the following sequence from Romio und Julieta: Julieta, having taken the sleeping potion, has been discovered “ dead ” . The Nurse brings the news: “ Ach gnädige Fraw was Vnglikh! Julieta ligt in Jhrer besten Kleitung aussgestreket vnd todt ” . Whereupon Picklhäring retorts: Das ist erstunkhen vnd erlogen, weil sie aussgestreckt ligt, so muess ich gehen vnd sehen was ihr schadt, dan ich verstehe mich tröfflich auf die aussgestrekte Krankheiten. Then, he confirms that she is indeed “ dead ” : O Ellend, o noth, o barmbhertzigkeit, o mausericordia, Julieta hat sich zu todt gestorben, o erschröckliche bost Zeitung, sie ligt auss gestreckt mit Händt vndt Füessen, vnd ist so steuff alss ein gefrohrner Stockhfisch. Yet when Julieta's father arrives on the scene and all start lamenting, the clown asks: “ Ist dan das so grosse sach, das ein Mahl ein Mensch stirbt[? ] ” . 33 These antics are similar to Picklhäring's joking about the dead Tipold. However, the audience is here aware that Julieta is not actually dead. This dramatic irony is also found in Shakespeare, where (especially in the First Quarto) the family joins in choruslike wailing, which, according to some critics, is “ purposeful comedy ” . 34 Here and elsewhere, Romio und Julieta thus brings out the underlying comic element in Romeo and Juliet and thereby makes a contribution to the play's ambivalent place between tragedy and comedy. 35 Nineteenth-century scholars frowned upon the scenes involving Picklhäring which they considered as “ utterly devoid of taste ” . 36 The comic elements in the Wanderbühne plays might be qualified as more farcical than their English originals. Yet the laughter of twenty-first-century audiences in similar situations should be taken into account when derogative remarks are made about the taste (or rather the supposed lack thereof ) of seventeenth-century German spectators. For instance in The First Part of Henry IV, Falstaff encounters Blunt's corpse on stage and comments: Soft! who are you? - Sir Walter Blunt. There's honour for you! Here's no vanity! God keep 197 Performing and adapting Shakespeare on the seventeenth-century German Wanderbühne lead out of me; I need no more weight than mine own bowels [. . .] I like not such grinning honour as Sir Walter hath. (V.iii.32 - 35, 58 - 59) In a recent Royal Shakespeare Company production 37 much was made of Falstaff 's discovery of and interaction with the dead body, at which the audience laughed heartily. Of course, Falstaff here also contributes to the play's profound interrogation of the concept of honor. Yet this scene and the laughter it can produce can be likened to the early German plays. Unfortunately, hardly any descriptions of early modern performances on the German Wanderbühne have survived. Yet, “ Cardinal Arno š t Harrach is known to have enjoyed a Romeo and Juliet play in Prague in 1658 ” , and according to him “ the Pickelhäring of the company [. . .] was ‘ very good and funny ’” . 38 This again underlines the importance of the clown in the seventeenth century, but does not provide details about performance practice. Another description, from a performance in Bevern on 27 August 1680, is extant: 39 Vmb 2 Uhr ward die schöne Tragoedia: Romio vnd Juliette oder der Streit zwischen den Montagesern vnd Cappalitaneren agiret. Der Prinzipal war Romio, hat vnseren ihm geschenckten Rock mit den Silbern spitzen an. Die meisten brachten sich selbst umb, Juliette war in ein Monument gelegt, als wann sie tod wehre, hatte aber nur einen schlafftrunck bekommen, erwachet wie sie siehet, ihr beede Liebste Romio vnd Caletto sich selbst erstochen, ersticht sie sich auch. 40 The described performance took place only eight years before the probable date of the manuscript of Romio und Julieta (1688), 41 but the details of this description do not entirely agree with the known playtext. In the extant text, there are three murders and two suicides, so “ most of them ” did not “ kil[l] themselves ” . Also, the name “ Caletto ” does not appear in the extant manuscript of Romio und Julieta; this may have been Paris's family name in this version of the play. Although there is precious little evidence about early modern performances, the German adaptations have again been put on stage in the last few decades. Of course, there are differences between the behavior of contemporary audiences and that of early modern ones. Yet since the plays are theatrical in nature, it is on stage that they reveal their essence. 42 The problems that a text might pose can often be resolved in performance - or a performance can give the issue a different angle. For instance, the particular importance of the mixture of comedy and tragedy in a foreign language performance context is explained by Christine Schmidle, who directed Der Bestrafte Brudermord, performed by Anglophone actors in German for an Anglophone audience: 43 the comic scenes became the connection between audience and actors, [linking them to] the serious and more important scenes [. . .] audience members could never stop following the story because the play is interrupted by comic scenes often enough to make a serious scene in a foreign language fascinating enough to keep watching. 44 For this production, which reconstructed the performance conditions of the Wanderbühne to a certain extent, the alternation of tragic and comic sequences was thus vital. The production showed the reactions of an audience who did not understand the language which the actors spoke on stage. However, it must be noted that this only partly captures the context in which Der Bestrafte Brudermord was performed. In fact, the language barrier between German audience and English-speaking actors slowly disappeared around 1600, when the players started to perform in German. 45 Yet the extant text of 198 Kareen Seidler Der Bestrafte Brudermord has been dated to the end of the seventeenth century, so it can only partly be related to performances involving a language barrier between audience and actors. 46 Setting these reservations aside, Schmidle's production also helped to shed light on a different problem for contemporary audiences and critics, namely the sense of parody. To illustrate this, some more detailed background information is requisite. Near the end of Der Bestrafte Brudermord, the Queen has drunk the poison, the King laments this unfortunate error in an aside and the text continues as follows: KÖNIGIN O wehe, ich sterbe! Der König stehet vor der Königin. 47 HAMLET Und Du, Tyranne, sollst sie in dem Tode begleiten. ersticht ihm von hinten zu. KÖNIG O wehe, ich empfange meinen bösen Lohn! LEONHARUDS Adieu, Prinz Hamlet! Adieu, Welt! ich sterbe auch. Ach verzeihet mir, Prinz! (V.vi, p. 301). 48 Was this meant to be funny? In a recent performance of the play in German before a German audience, 49 Leonhardus's (Laertes) lines were actually changed, from “ ich sterbe auch ” to “ ich sterbe ” . Nevertheless, laughs accompanied this quick succession of deaths. Modern audiences (who understand the text) are inclined to laugh at this because they see it as a parody of a great Shakespearean tragedy. They know the “ real ” Hamlet and this passage seems to ridicule it. But it is highly unlikely that the people who produced this text were aiming at a parodic effect. The seventeenth-century German audiences would not have known the original, only the adaptation. The English comedians used “ the most popular plays of the London stage, not because their [German] audiences were eager to see the triumphs of the London theatre [. . .] but because they were good plots that were adaptable and effective ” . 50 Parody was not intended; after all, “ to ironize the plot or to disillusion the audience ” was not common in this age and on this stage. 51 However, Schmidle's production of the play showed that the sense of parody gets lost in translation. During this performance, where the audience did not understand the text, the passage cited above was taken in absolute earnest. The audience perceived the scene as tragic; no one laughed. This implies that the language constellation between audience and actors/ playtext should be taken into account when analyzing these plays. 52 A recent staged reading of Romio und Julieta also contributed to a better understanding of the playtext. It was directed by Simon Godwin; the cast was made up of students; the performance was in English and before an English-speaking audience, consisting of students and interested members of the general public. 53 Despite its sometimes awkward language the play proved entirely stageable in a modern context and often extremely funny. Along with the subsequent discussions with actors and audience, the staged reading led to a deeper understanding of and a more straightforward approach to the play. For instance, during rehearsal, the actors first found the tragic ending - which is as melodramatic as that of Der Bestrafte Brudermord - hilarious. After an initial reading, however, the actor playing Capulet (who spoke most of the lines in the final scene) suggested to “ do this differently ” . He changed from boisterous, pompous and loud declamation to near-whisper, filled with heavy sadness. The result was strikingly different. The parody turned into something that could be interpreted as tragic. Also, “ awkward ” language can be transformed to make perfect sense in perfor- 199 Performing and adapting Shakespeare on the seventeenth-century German Wanderbühne mance. Consider the following exchange: Julieta's Nurse has just learned who the stranger was that Julieta met at her father's feast. She communicates this news: AMMA Schöne Julieta, es wahr der Junge Romio. JULIETA Wie der Junge Romio? AMMA Ja der Junge Romio. (II.iii, p. 337) 54 While these lines may seem somewhat unimaginative, this was altered in the staged reading, where Julieta placed the emphasis on “ the ” ( “ der ” ). Amma's somewhat exasperated reply - “ Yes, the young Romio ” - produced laughter from the audience. A similar repetition of words was also turned into an advantage. Once the Nurse has delivered the message from Julieta to Romio and requested his presence, Romio answers: “ Geliebte Fraw, ich werde mich gehorsamb einfinden, vnd gehorsamb aufwarthen ” (III.vi, p. 353). 55 In the staged reading, Romio paused before the second “ gehorsamb ” ( “ obediently ” ), as if he was trying but failing to find a different word. A performance thus permits to navigate around passages that may seem awkward or nonsensical on the page. Another sequence that worked well in the staged reading is unique to the German version, namely Romio's serenading Julieta under her window. The song is not sung by Romio but by the “ boy ” ( “ Jung ” ) accompanying him. In the staged reading, Romio was mouthing the words along with the boy, suggesting that he had written the verses himself. Picklhäring took on the boy's role, reciting the song while standing on a ladder, to the tunes of a harmonica. The ladder was used for much comic business, Romio first urging Picklhäring up the ladder, then dragging him down again once the song was finished. Interestingly, a ladder is used for very similar purposes in Des Harlequins Hochzeit-Schmauß, where the lover “ leans a ladder onto the chamber window and sings the following song ” . 56 One instance in Romio und Julieta presents a scene which ends with Julieta's exit; the next scene beginning with her re-entry - a potentially challenging moment according to modern staging conventions. Capolet has just officially given Julieta's hand to Paris and her father asks her to follow him. In the next scene, Julieta enters together with Romio and the Father, who proceeds to wed them in secret: CAPOLET [. . .] So Adie Tochter Julieta, folge mir vnd erfrewe deine fraw Muetter. (abit.) JULIETA Ich folge Herr Vatter. (abit). [III.x] PATER ROMIO. JULIETA. PATER Kommet herr meine Kinder, [. . .] (III.ix and III.x, p. 361) 57 The staged reading, with its quick scene changes, 58 turned the potential problem of Julieta's exit and immediate re-entry in a different location into a virtue. Her disobedience was emphasized visually: after having pronounced her last line, she started to follow Capolet, who had just exited stage left; a triangle sounded; Julieta whirled around and rushed to embrace Romio who came running towards her from stage right. The Father then interrupted their embrace with his first line. Merely on the basis of the text and without any reference to performance, Anna Baesecke already praised how the two scenes are strung together “ with real theatrical contrast ” . 59 To name but one final instance where a (modern) performance can help to elucidate the playtext: upon taking leave from Romio in the so-called “ balcony scene ” , 60 Julieta says: “ Nehmet hin Romio dises von mir, vnd morgen vmb 9 Vhr will ich euch meine meinung wissen lassen ” (II.v, p. 343). 61 200 Kareen Seidler “ Dises ” ( “ this ” ) might refer to a love token of some kind. In the staged reading, however, Julieta simply blew Romio a kiss, a straightforward stage solution to an ambiguous passage on the page. According to Adolf Scherl, Romio und Julieta “ is a text which serves a purpose, serving the theatre, based not on the literary qualities of the text but rather on the effectiveness of the stage action ” . 62 This also applies to other seventeenth-century German Shakespeare adaptations. As I hope to have shown, this certainly needs to be taken into account when analyzing the plays. By putting the German Romeo and Juliet and its peers back on stage, many of the instances that may initially seem puzzling on the page turn out to make perfect sense in performance. Notes 1 Earlier versions of parts of this article were given as papers at the conference “ Local/ Global Shakespeares ” of the British Shakespeare Association in London (2009), and at the conference “ Shakespeare and Conflict: A European Perspective ” of the European Shakespeare Research Association in Pisa (2009). 2 According to Ralf Haekel, the quality of these plays precisely lies not in their literary, but in their performative dimension (Haekel, Ralf. Die Englischen Komödianten in Deutschland: Eine Einführung in die Ursprünge des Deutschen Berufsschauspiels. Heidelberg, 2004, 79). 3 See, for instance, Erne, Lukas. Shakespeare as Literary Dramatist. Cambridge, 2003; Ioppolo, Grace, Revising Shakespeare. Cambridge, Mass., 1991; Irace, Kathleen O. Reforming the “ Bad ” Quartos: Performance and Provenance of Six Shakespearean First Editions. Newark, Del., 1994; Maguire, Laurie E. Shakespearean Suspect Texts: the “ Bad ” Quartos and their Contexts. Cambridge, 1996; Taylor, Gary/ Stanley Wells, ed. The Division of the Kingdoms: Shakespeare's Two Versions of King Lear. Oxford, 1983; Urkowitz, Stephen. “ Good news about ‘ bad ’ quartos. ” “ Bad ” Shakespeare: Revaluations of the Shakespeare Canon. Ed. Maurice Charney. Rutherford, N. J., 1988, 189 - 206. 4 How exactly these early German Shakespeare adaptations came into being is still a matter of contention. An explanation like the following might be given: when the English players travelled to the Continent, they brought with them English plays (Shakespeare's among them), in print, in manuscript, in their memories or in a combination of several of these. Over the years, they then proceeded to adapt the plays to their current staging needs (and possibilities), as well as to the political and/ or religious context they were performing in. 5 Regarding the problematic of analyzing early modern plays within the context of contemporary performances, see page 84 of this article. 6 See Erne 2003, 23. 7 Also, they possibly only performed extracts of plays (Asper, Helmut G. Hanswurst: Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspielerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Emsdetten, 1980, 328; Hughes, Charles, ed. Shakespeare's Europe: Unpublished Chapters of Fynes Morysons's Itinerary: Being a Survey of the Condition of Europe at the end of the 16th Century. London, 1903, 304.) Around 1600, the English Comedians started to perform in German (see also note 45). 8 Fynes Moryson in Hughes 1903, 304. 9 One spectator actually uses the word “ naturel ” ( “ natural ” ) to describe a performance, namely the “ roasting ” of Aaron in a version of Titus Andronicus (Flemming, Willi, ed. Das Schauspiel der Wanderbühne. Leipzig, 1931, 25). 10 Baesecke, Anna. Das Schauspiel der englischen Komödianten in Deutschland: Seine dramatische Form und seine Entwicklung. Halle, 1935, 11. “ [T]he English actors introduced a liveliness of expression, a vividness in gesture and spontaneity in performance ” (Williams, Simon. Shakespeare on the Ger- 201 Performing and adapting Shakespeare on the seventeenth-century German Wanderbühne man Stage. II: 1586 - 1914. Cambridge, 1990, 45). 11 Brandt, George W./ Hogendoorn, Wiebe. Theatre in Europe: A Documentary History: German and Dutch Theatre, 1600 - 1848. Cambridge, 1993, 46. 12 The surviving playtexts seem to confirm this. Romio und Julieta and Der Bestrafte Brudermord are stripped of nearly all Shakespearean monologues, but new material has been added, such as, for instance Der Bestrafte Brudermord's prologue or Romio und Julieta's I.ii, where Julieta and Antoneta (a Nurse figure) are introduced in the poetic setting of a garden. Similarly, Kunst über alle Künste ein bös Weib gut zu machen (an adaptation of The Taming of the Shrew) has been fleshed out with numerous German allusions and comic passages. 13 All references to Hamlet are to Kliman, Bernice W./ Bertram, Paul, ed. The Three-Text Hamlet: Parallel Texts of the First and Second Quarto and First Folio. New York, 1991. I follow them in using TLN (Through Line Numbering) for the Second Quarto (Q2) and the Folio (F), and CLN (Consecutive Line Numbering) for the First Quarto (Q1). 14 Namely, “ Now might I doe it ” (III.iii, Q2, TLN 2350); the equivalent speech can be found in III.ii of Der Bestrafte Brudermord (Cohn, Albert. Shakespeare in Germany in the Sixteenth and Seventeenth Centuries: An Account of English Actors in Germany and the Netherlands and of the Plays Performed by them during the same Period. Reprint, New York, 1971, 273.) All references to Der Bestrafte Brudermord, Tito Andronico and Romio und Julieta are to Cohn. The act and scene reference is followed by the page number; a translation is provided in the footnotes. Unless otherwise noted, the translations are by Lothar Bucher, Georgina Archer and Moritz Lippner, all printed in Cohn. Although Cohn gives the play the title “ Romio und Julietta ” , the extant manuscript (and Cohn's text) consistently use “ Julieta ” in the playtext. I therefore adopt this spelling. 15 “ Here I am, because the friar wrote to me to come as quickly as possible ” (p. 398). 16 Unless otherwise noted, all references to Shakespeare's plays are to Shakespeare, William. The Complete Works. Ed. Stanley Wells/ Gary Taylor. Oxford, 1988. 17 “ Let me now put off these old rags, as I see that my secret mistress has the good favour of the Emperor. (Takes off the old mantle) [. . .] I vow I will make a cuckold of the Emperor. ” (168). 18 The opening stage direction of Act I tells us that Morian is wearing a “ plain black garment over his splendid clothes ” (my translation, “ Morian, welcher schwartz vnd geringe Gewandt vber seine prechtige Kleider gezogen ” [I, 161]). 19 See William Shakespeare. Titus Andronicus. Ed. Jonathan Bate. London, 2006, 44 - 48. 20 Another major change is the often simpler, more straightforward or less literary language in the German adaptations. It could be traced back to a moment in time when someone did not speak or understand enough German or English - be it the audience, the actors or the adaptors or writers. A development can be seen here, from early adaptations, such as Tito Andronico, to later plays, such as Romio und Julieta, which contain verse passages (usually reserved for solemn occasions). 21 All references to Romeo and Juliet are to Shakespeare, William. Romeo and Juliet. Ed. Jill L. Levenson. Oxford, 2000. 22 This goes hand in hand with his pronounced presence throughout the play. Unlike in Shakespeare, he also figures on the list of guests to be invited, so that his importance is again emphasized (I.iv, 327). The final and most striking instance of this phenomenon is that he is buried in one grave with Julieta at the end of the play (V.iv, 406). 23 The term “ clown ” is here used in its Shakespearean sense. 24 Asper 1980, 26. 25 Romio und Julieta's manuscript confirms this: it uses italics for the names of all characters with the exception of Picklhäring. 26 Newald, Richard. Die Deutsche Literatur: Vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit: 1570 - 1750. München, 1963, 83. Newald postulates that the clown's role was usually 202 Kareen Seidler molded onto the Prinzipal - Duke Heinrich Julius of Brunswick thus seems to have written parts specifically for Thomas Sackville. Flemming believes that the Prinzipal took on the role of the clown precisely because it was a minor, ancillary part which would facilitate his “ management of the whole ” ( “ Leitung des Ganzen ” [Flemming 1931, 19]). All translations of secondary sources are my own. 27 Throughout Romio und Julieta, Picklhäring is associated with food and with the kitchen. He shares this with the clown of the commedia dell'arte who is also constantly hungry. Picklhäring is not the only clown to have a food-related name; Jean Potage and Hans Stockfisch were also popular. 28 However, this was not confined to the German Wanderbühne plays; in fact, the “ easy co-existence of comedy and tragedy in Shakespeare's plays ” has often been pointed out (Aebischer, Pascale. Shakespeare's Violated Bodies: Stage and Screen Performance. Cambridge, 2004, 81). 29 “ Now I am bid to run and see what is the tumult in the street. But look what a plastered drunkard is lying here? Zounds, it is Tipold, bleeding like a pig. Hollah, Tipold, by the Duke's displeasure I command thee to get up and go with me. He won't answer; dear me, he is dead! Alarm, alarm! Tipold is stabbed to death, is killed, and lives no more! ” (Adapted from Cohn 1971, 368, 370). 30 II.i, fol. 7 v, “ H[ans] Wurst fält über den todten Gernard sagt er habe . . . [sich] voll gesoffen, er soll zu seinen volk gehen, [. . .] erbliket das er todt ist visitiret ihn ” . 31 II.viii in Flemming 1931, 160, “ liegt er doch da, und blutet wie ein schwein ” . 32 “ Umgang mit [. . .] Toten ” (Asper 1980, 192). 33 V.iii, 391, 393. “ AMMA. [. . .] what a disaster! Julieta lies here dressed out in her best, stretched out, and dead./ PICKL. You lie in your throat! As she is stretched out, I must go and see what is the matter with her; I thoroughly understand stretched-out illnesses. [. . .] Oh misery, oh distress, oh pity, oh mousericordia! Julieta has died herself to death. Oh dreadful news! [. . .] There she lies, hands and feet stretched out, and as stiff as a frozen stockfish. [. . .] Is it such a great thing that some one dies? ” (Adapted from Cohn 1971, 392, 394). 34 Lower cited in Levenson 2000, 322. 35 According to some critics who support the view that Shakespeare first wrote Romeo and Juliet and then A Midsummer Night's Dream, Shakespeare may have been commenting on Romeo and Juliet's comic potential in the Pyramus and Thisbe sequence. Shakespeare's tragedy heightens the comic element with the musicians-episode which follows this scene. 36 Cohn 1971, CXXIV. Eduard Devrient shows similar contempt. According to him, “ these are the criteria according to which we are to measure the German taste of the seventeenth century ” ( “ nach diesem Maaßstabe haben wir den deutschen Geschmack des siebzehnten Jahrhunderts zu messen ” [Devrient, Eduard. Geschichte der Deutschen Schauspielkunst. Vol. II. Leipzig, 1848, 190]). 37 Directed by Michael Boyd, Stratford-upon- Avon, 28 February 2008. 38 Scherl, Adolf. “ Romeo a Julie z ji ž ních Č ech. ” Divadelní revue 12 (2001): 69 - 70; 69. My thanks go to Pavel Drábek who drew my attention to this article and kindly translated it for me. 39 Asper, Helmut G. Spieltexte der Wanderbühne: Ein Verzeichnis der Dramenmanuskripte des 17. und 18. Jahrhunderts in Wiener Bibliotheken. Wien, 1975, 45. 40 “ At two o'clock the beautiful tragedy: Romio and Juliette or the fight between the Montaguese and the Cappalitanes was acted. The Prinzipal was Romio; he wore the coat we gave him, with the silver points. Most of them killed themselves, Juliette was laid into a monument, as if she were dead, but [she] had only received a sleeping potion, [she] wakes up[,] as she sees that her two lovers Romio and Caletto have stabbed themselves she also stabs herself ” (Herzog Ferdinand Albrecht, in Asper 1975, 45). 41 See Scherl 2001, 69. 42 Christine Schmidle seconds this: Der Bestrafte Brudermord “ has so many theatrical, physical elements that make it interesting on stage ” (private communication, July 2010). 203 Performing and adapting Shakespeare on the seventeenth-century German Wanderbühne 43 At the Blackfriars Playhouse (American Shakespeare Center), Staunton (Virginia), 18 and 19 January 2010. My thanks go to Christine Schmidle for providing me with material about this production. 44 Private communication, July 2010. 45 After 1605, no performances in English are recorded (Creizenach, Wilhelm. Die Schauspiele der Englischen Komödianten. Reprint, Darmstadt, 1967, XXVI), but in 1610 the English actors' proficiency in German was still criticized (see Meissner, Johannes. Englische Comödianten zur Zeit Shakespeares in Österreich. Wien, 1884, 6). 46 The assumption being that parts of the extant text can be traced back to the beginning of the seventeenth century. Hamlet was printed in 1603 and 1604/ 05, although Shakespeare is thought to have written some version of the play around 1600. 47 The King presumably positions himself in front of the Queen to hide her dead body. 48 “ QUEEN. Alas! I die! / The King stands before the Queen./ HAMLET. And thou, tyrant, shalt bear her company in death./ Stabs him from behind./ KING. Alas! Alas! I receive my due recompense! / LEON. Farewell, Prince Hamlet! Farewell, world! I die too. Ah, forgive me, Prince! ” (Adapted from Cohn 1971, 302). 49 Directed by Daniel Steinbach, Theatralia, Ruhr-Universität Bochum, 13 January 2007. This was a student production; the audience consisted of the general public. 50 Holland, Peter. “ Shakespeare abbreviated. ” The Cambridge Companion to Shakespeare and Popular Culture. Ed. Robert Shaughnessy. Cambridge, 2007, 26 - 45; 31. 51 “ Die Handlung zu ironisieren und das Publikum zu desillusionieren liegt [. . .] der ganzen Epoche durchaus fern ” (Flemming 1931, 27). The only character to occasionally break the illusion, by commenting on the action or by directly addressing the audience, was the clown. 52 “ Performing the play in a different language takes away a lot of funny moments that scholars frown upon ” (Schmidle, private communication, July 2010). 53 Judith E. Wilson Drama Studio, University of Cambridge, 13 February 2008. The reading was organized by Abigail Rokison and myself, in the context of the Graduate Drama Seminar at the English Faculty of the University of Cambridge. Lothar Bucher's translation was used, with some minor adjustments. 54 “ AMMA. Fair Julieta, it was the young Romio./ JULIETA. What, the young Romio? / AMMA. Yes, the young Romeo ” (Adapted from Cohn 1971, 338). 55 “ My dear madam, I shall come obediently and wait upon you obediently ” (354). In the English translation, where “ obediently ” is the last word of the sentence, and therefore allows for a pause preceding it, the comic effect was even greater than in the German original. 56 My translation. “ Er lehnet die Leiter an das Cammer-Fenster/ und singet folgendes Lied ” (Ketelsen, Uwe-K., ed. Komödien des Barock. Hamburg, 1970, 206). Tymbor in Comedia von der Schönen Phänicia also has musicians serenade Phänicia in order to win her over (Act II, in Tieck, Ludewig, ed. Deutsches Theater. Berlin, 1817. Vol. I, 268, and 270 - 271). 57 “ CAPUL. Julieta, follow me and gladden the heart of thy mother. (exit.)/ JULIETA. I follow father. (exit.)/ [III.x] FATHER. ROMIO. JULIETA./ FATHER Come here, my children [. . .] ” (adapted from Cohn 1971, 362). 58 The director noted the “ breathlessness ” the text produced in production. This impression was seconded by the actors, especially by those portraying the protagonists (discussion following the staged reading, 13 February 2008). 59 “ [m]it echt theatralischer Kontrastierung ” (59). 60 The designation “ balcony scene ” needs to be qualified because the early printed texts do not mention a balcony. Juliet merely appears at a “ window ” (Q1, II.i.44; Q2, II.i.45). 61 “ Take this, Romio, from me, and to-morrow at nine o'clock I will let you know my mind ” (adapted from Cohn 1971, 344). 62 Scherl 2001, 69. 204 Kareen Seidler Relektüre Jan Kott, Shakespeare Our Contemporary W. B. Worthen (New York) Shakespeare Our Contemporary: a catchy title. The first time I heard it was in an undergraduate Shakespeare class at the University of Massachusetts, taught by the distinguished scholar of nineteenth century British theatre, Joseph W. Donohue, Jr. It was the era of “ relevance ” in US higher education, and though for me Shakespeare at the RSC was no more familiar, or accessible, than melodrama at the Adelphi, the sense in which literature spoke to the issues of the present was nonetheless a persistent theme in many of my classes, though not, interestingly enough, in this one. That wasn't to last, and rightly so. And yet the belief that Shakespeare directly addresses the contemporary world, either through the timeless purchase of the thematics of the plays or through the plays' participation in an essentialized dynamics of performance continues to mark a faultline between academic and popular Shakespeare, a fissure that perhaps defines Shakespeare Our Contemporary as well. Kott, too, speaks of the universal claims of Shakespeare's drama on our attention, and both Shakespeare Our Contemporary and its now-familiar impact on British stage Shakespeare in the 1960s - Peter Brook's King Lear, Peter Hall's work at the RSC - have come in for sharp critique. 1 For Alan Sinfield, Kott's location of Shakespeare in history, while “ skeptical and pessimistic ” in fact merely flips a “ conservative coin ” shared with E. M. W. Tillyard: whether conceiving Shakespeare as part of the Grand Mechanism of power politics or an anodyne World Picture, both Kott and Tillyard predicate their Shakespeares “ on the ideas of an essential human nature and the desirability of ‘ order ’“ and both imagine the plays as “ hostile to positive political action. ” 2 Despite Kott's tactical location of Shakespeare as an instrument of anti-Stalinist engagement in Poland, the invocation of Kott in the theatre in works like The Wars of the Roses was politically “ doubtful, ” “ siphoning any residual idealism into deference towards the magnates who perpetrate oppression and reverence for the social system which sustains them. ” 3 In this sense, however it betrayed Kott, the “ radical impetus ” of the RSC can also “ be attributed to Kott, whose criticism was certainly more political than the main western academic tradition (though not in the Lear-Beckett chapter); to the intermittent invocation and influence of Brecht; and above all to the confused political awareness of the time. ” 4 As Sinfield's exception of the “ Lear-Beckett chapter ” implies, some of these tensions are reflected in Kott's work, too: Kott made Shakespeare our contemporary by claiming that the plays' (in Poland, resistant) use in history arises from their transcendent perspective on history. As Leanore Leiblein argues, Kott's repositioning of Shakespeare in the cultural field, which removed “ the exclusive power to interpret Shakespeare from the institutions that had claimed him - the universities and their scholar critics - and returned him to readers and spectators, whoever they might happen to be, ” was offset in Kott's critical practice by a kind of “ private hermeneutics in which interpre- Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 205 - 211. Gunter Narr Verlag Tübingen tation fulfills expectation. ” 5 Tracking the convergence between Kott and Brook, Leiblein also notes the tension between an instrumental and essential account of Shakespearean meanings running through Kott's writing: “ a Shakespeare that can be made to speak (albeit differently) in many times transcends all time. ” 6 Still, Kott's provocation remains provocative. The burgeoning of editions of Shakespeare's plays; the explosion of Shakespeare festivals in the theatre; the ongoing filming of Shakespeare plays and their many knockoffs; the appearance of books by Stephen Greenblatt, Marjorie Garber, James Shapiro and others on the trade lists of major publishers; the (sigh) apparently increasing media enthusiasm for the authorship “ controversy ” : Shakespeare remains our contemporary in extraordinarily vivid ways. Kott's approach to Shakespeare is - and this is where he's least sympathetic to contemporary historicism - motivated by his overt belief in the identity of the plays, an identity that can be seized, however, only in contemporary ( “ presentist ” would perhaps be our word for it now) terms: “ Shakespeare is like the world, or life itself. Every historical period finds in him what it is looking for and what it wants to see. A reader or spectator in the mid-twentieth century interprets Richard III through his own experiences. He cannot do otherwise. ” 7 As his blending of “ reader or spectator ” suggests, performance provides a critical paradigm for Kott's Shakespeare. For in the theatre, the plays urgently occupy the present tense; even when they assert their pastness, they do so in our accent. Indeed, as Allen J. Kuharski observes, the “ paradox of Kott's influence and stature ” finally leads back to the “ quintessential theatricality of his analyses and often visionary proposals for the plays in performance ” ; in Shakespeare Our Contemporary, originally written in Polish before Kott “ had any knowledge of English, ” the reading of performance is based entirely on Polish productions. 8 Moreover, Kott's Shakespeare is richly, instrumentally involved in the immediate discourse of Polish cultural politics. Kott presents “ Shakespeare's history plays, for example, as a variety of Brechtian Lehrstücke, or ‘ learning plays ’ , ” a rigorous, antisentimental reading of Shakespeare that, while generally part of the “ Marxist humanist school of cultural criticism that emerged in reaction against Stalinism in Poland, Czechoslovakia, Hungary, and elsewhere, ” often “ owed little to Marx, but proved immensely popular with young British and western European directors at the time. ” 9 Perhaps symptomatically, Shakespeare Our Contemporary evinces Kott's easy mobility, the subtle ways he moves from a thematic or formal reading of the drama to a critical engagement with stage production, a form of critique widely regarded in the Anglo American academy as only modestly capable of speaking to Shakespeare. Kott's title marks its own historicity, not only Kott's situation of Shakespeare in Stalinist Poland, but in our history, from Joe Papp's 1959 battle with Robert Moses to keep his populist Shakespeare festival free, to the desire for “ relevance ” in literary pedagogy in the later 1960s and early 1970s, to the controversially “ Brechtian ” radicalism of the RSC, to what we might call the discursive/ political (new historicist) and economic/ political (cultural materialist) strategies for mapping the function of Shakespeare across the ideological force fields of early modern England and the many cultures that have succeeded it, including those - India, China, Nigeria, among many others - in which “ Shakespeare's ” historicity and contemporaneity is part of a specific dynamic of political and cultural imperialism. For the past three decades, though, historical critique has been imaginatively preoccupied with exhuming the alien conceptual and affective dynamics of early modern 206 Relektüre social discourse. Much of the energy of the New Historicism arises from an effort to reframe the impulse toward thematic relevance in the ideological dynamics of nowdistant political and cultural negotiations, in which power circulated through the representational forms of - among many other practices - literature and theatre. The transformation of “ the aesthetic analysis of verbal artifacts to the ideological analysis of discursive practices, ” a sensitivity to both “ the instability and the instrumentality of representation ” is, as Louis Montrose argues, pervasively concerned with “ writing, reading, and teaching as modes of action, and it is in this broad sense that its perspective can be characterized as ideological. ” 10 In this sense, teaching demonologies against King Lear or the discourses of power latent in A Midsummer Night's Dream alerts students both to the structures of power inscribed in representation then, and the different shaping of power informing Shakespeare's circulation in pedagogy, literature, theatre now. The rich literature on contemporary Shakespeare - in film, education, pedagogy, digital media and popular culture - is in a sense part of this logic, illustrating not so much that Shakespeare's thematics might also be ours, but the instrumental value of Shakespeare, the ways we fashion ourselves by making Shakespeare our contemporary. 11 When I first read Shakespeare Our Contemporary as a (very) callow teenager, what was most striking were the images I would reencounter for some years to come: Gloucester and Hamm; the bloody staircase, and so on. Yet Kott's historicity was visible enough: the Norton edition of the 1970s is framed by introductory essays by Martin Esslin and Peter Brook, marking the book's simultaneous positioning both in literary and in theatre history. Brook describes Kott as an “ Elizabethan. Like Shakespeare, like Shakespeare's contemporaries, the world of the flesh and the world of the spirit are indivisible ” ; for Brook, Kott embodies a primitivizing modernism, defying the disabling “ dissociation of sensibility ” that was, for Eliot at least, the crisis of modernity itself. 12 Following a related modernist trajectory, Esslin's essay carefully positions Kott as a Marxist whose Marxism doesn't really matter (recalling a familiar strategy for domesticating Brecht in the 1950s and 60s), identifying Kott with Shakespeare through the purely aesthetic rigor of their politically autonomous vision. Pointing out that translations of Shakespeare were central to the fashioning of a number of eastern European national literatures, Esslin suggests that “ there may be, that is, for each epoch an optimum place from which to view the great autonomous work of art - a place, in fact, from which the experience of an epoch is most intensely felt and epitomized, a place from the experience of which the significance of the great work of art may emerge most clearly for an entire age. ” 13 Tracing out Kott's evolving dissatisfaction with Stalinism, Esslin also urges a discursive reciprocity between Shakespeare's positioning and Kott's: once Kott could dissever himself from the “ preordained goal ” of both Marxism and conventional Marxist critique, he would be able - as perhaps only Marxist critics were trained to do - to direct his attention on “ the violence and mutability of history, ” “ the historical process itself, stark, violent, and relentless. ” For Esslin, Kott's value lies in his (un Marxist) antimaterialism: Kott's historical process is “ totally free of any vulgar teleological [or material] conception, a great wheel of power, endlessly revolving. ” 14 In the rush to depoliticize and so redeem Kott, both Brook and Esslin assimilate Kott to a canonical literary modernism; in so doing, they occlude our view of the distinctive situatedness of Kott's discourse, not why 1950s Poland provided an ideal vantage on an autonomous Shakespeare, but what Shakespeare's political utility might have been in 1950s Poland, when the assertion 207 Relektüre of different models of history and historical change clearly had immediate, personal and political consequences. They also reflect the politics of Kott's reception, in which an identity with Shakespeare guarantees the apoliticality of critique. While Sinfield is surely right to see Kott's adoption by Brook, the RSC, and others as enabled by the readiness with which his avowedly “ universal ” claims could be deracinated from their moment of articulation, perhaps now this reciprocity is more evident, a more consequential element of our late/ post/ modern Shakespeare. Endlessly revolving, Kott's wheel seems to anticipate the impact of Foucault on new historicism in the 1980s, itself sometimes charged with generalizing the thematics of “ power ” - I'm thinking here of Stephen Greenblatt's famously controversial final sentence to the deservedly celebrated essay “ Invisible Bullets ” : “ There is subversion, no end of subversion, only not for us. ” 15 While there has been more pervasively influential scholarship by eastern European scholars - Robert Weimann's Shakespeare and the Popular Tradition in Theater comes to mind, published in the GDR in 1967, and extensively revised for its 1978 English version - Kott's study marks an early juncture of the political and the aesthetic in Shakespeare critique, a moment where a “ universalizing ” claim was, perhaps, doing distinctive work in the representation of the state, history, ideology, and art. Joining art and politics, the academic to the popular, the literary to the theatrical, Shakespeare Our Contemporary addressed dynamics that were, in the 1960s, outside the dominant critical practice in the west; Kott was, in a sense, both exciting and illegible, though his conjunction of interests has sustained a significant strain of Shakespeare studies ever since. 16 Returning to Shakespeare Our Contemporary this time, I was impressed by how Kott's writing now seems deeply located in a divided temporality: his 1950s and 60s and our 1950s and 60s. Kott attends to Shakespeare's formation in the present in a specific, implicitly politicized mode of cultural production: theatre. Though his emphasis on the Grand Mechanism strikes us as transhistorical, Kott's series of images are typically drawn from the modern stage (the bloody staircase of Jessner's 1920 Richard III) and indeed from the stage of a largely-unknown Poland in the 1950s. Now, Kott's “ Shakespeare ” seems to register a specific time and place. This Shakespeare is not “ dematerialized, or rather, disembodied ” ; instead, “ power has names, eyes, mouth and hands. It is a relentless struggle of living people who sit together at one table. ” 17 Stalin died in 1953, and it's hard not to feel the internecine power struggles across the Soviet Union and eastern Europe reverberating in Kott's account of the death scene of Shakespeare's kings: the four or five men who surround the dying monarch “ have already laid a plot, brought their loyal troops to the capital, communicated with their vassals. They have given orders to hired assassins [. . .] only one of them may remain alive. ” 18 Kott's history is not marked by dramatic climax, but as an endless process of purge and revision: its “ most terrifying ” dimension “ is its natural matter-of-factness. ” 19 Without discounting the urgently universalizing dimension of Kott's Shakespeare, perhaps now the present-tense historicity of the application of that Shakespeare is more visible. It's probably correct to see “ King Lear or Endgame ” as one of the least politicallyinflected essays in Shakespeare Our Contemporary; though, remembering that Endgame had premiered (in the UK) only in 1957 (its manuscript blue-penciled by the censor), the range and suggestiveness of Kott's reciprocal reading here - of Lear and Endgame, but also of Godot, the Book of Job, and other Beckett and Shakespeare plays in passing - is remarkable, not least for imaginatively redrawing the map of stage genre. For the “ theatrical 208 Relektüre paradox ” of Gloucester's clown-show suicide at Dover is, as Kott elaborates, entirely foreign to the dominant mode of stage naturalism; much as Poel and Barker alerted audiences to the pace of Shakespeare's plays on the bare stage, the “ philosophical buffoonery of the sort found in modern theatre ” alerts us to the ways the grotesque might meaningfully sustain both the medieval morality play and the modernist clown show. 20 But of course the grotesque also has a more sinister register. But what did in fact the Grand Mechanism mean for Shakespeare? A succession of kings climbing and pushing one another off the grand staircase of history, or a wave of hot blood rising up to one's head and blinding the eyes? A natural order that has been violated, so that evil produces evil, every injury calls for revenge, every crime causes another? Or a cruel social order in which the vassals and superiors are in conflict with each other, the kingdom is ruled like a farm and falls prey to the strongest? (30) Gloucester traverses Pozzo's stage: Shakespeare's history is not located in the past. The history plays outline a paradigm of social change continuous with our own, modern history. And while the staircase implies an inevitable progress, it's composed of steps, moments of stasis, in which progress and change depend on blinding bloodshed: the critique of Stalinism here is clear enough. To Kott and his original Polish readers, this paradigm of progress was surely familiar. Hastings is awakened at four in the morning, and “ Shakespeare's genius shows itself also in the way he depicts the events occurring at four a. m. Who has not been awakened in this way at four a. m. at least once in his life? ” 21 Through “ Shakespeare's text we ought to get at our modern experience, anxiety and sensibility. ” 22 Kott's our here strikes me as a moment of productive disidentification, marking not only the distinctive modernity of socialist eastern Europe, but more rigorously the instrumental locality of Shakespeare, his plays, and what they were used for. Kott's translated words - experience, grotesque, Beckett, Shakespeare - signified differently across the Iron Curtain, and the testament to this difference often emerges less in his grand thematic statements (where the familiarity of the terms renders alternative meanings and situated uses opaque) than in the comments on theatrical production. “ Hamlet of the Mid-century ” opens with a translation of Czeslaw Milosz's “ Elegy of Fortinbras, ” in which Hamlet is succeeded by a grimly bureaucratic Fortinbras, with his sewer projects and decrees on prostitutes and beggars. 23 Inasmuch as Kott's political, textual, and theatrical Hamlet bleeds into one another, it's perhaps fitting that when, in Kott's account of the 1956 production in Cracow, Hamlet returns from Wittenburg, he returns to Poland. 24 The “ dead sound of the words ‘ Denmark's a prison ’ , three times repeated ” jibes, then, with a world in which being rousted at four in the morning for interrogation or execution is familiar. The words “ watch ” and “‘ enquire ’ were the words most commonly heard from the stage, ” and Kott carefully positions the production, without comment, “ a few weeks after the XXth Congress of the Soviet Communist Party. It was light and clear, tense and sharp, modern and consistent, limited to one issue only. It was a political drama par excellence. ” 25 How should we relate these two sentences? Something is rotten in the prison/ state of Denmark, a Denmark that much else in the essay identifies with contemporary Poland: its younger generation hungry for news, its politicians mouthing dead sounds, spies everywhere, everyone “ corroded by fear. ” This production can never, now, be my experience, and it was never really our experience in the west, other than through Kott's brilliant account of it. Absent as performance, it nonetheless returns as cri- 209 Relektüre tique, testifying to the work that Shakespeare could do, was doing, then and there, across a curtain that rendered “ our ” Shakespearean contemporaneity a fiction of history. Hamlet reads books, and the appearance of the books he reads speaks to the rhetoric of any production of the play: is he reading an antique looking, leather-bound quarto? a tome of some kind? a paperback Hamlet? As a college student in the 1970s, largely innocent of Shakespeare in the theatre, I was fascinated by Kott's remark that in Cracow in 1956, Hamlet's “ words, words, words ” were materialized onstage in newspapers. It seemed right that a newspaper-reading Hamlet must be “ a rebellious ideologist ” (the inspiration, perhaps, of Peter Hall's production with David Warner in 1965); but now, for me, it's not the black sweater and blue jeans but the newspaper - a figure for the anticipation, the appetite, the disappointment, the emptiness, the fear promised by the quotidian round of public life - that marks how the theatre made Shakespeare Kott's contemporary, regardless of whether that Shakespeare ever became ours. 26 Recording a moment of asynchrony between east and west in the Cold War, Kott marks the ways Shakespeare not only catalyzes and conceals the political potentiality of theatre, but also marks a differential utility, instrumentality, contemporaneity. Shakespeare Our Contemporary remains unique, troubling, and essential reading. Notes 1 See Dollimore, Jonathan/ Sinfield, Alan. “ History and Ideology: The Instance of Henry V. ” Alternative Shakespeares. Ed. John Drakakis. London, 1985, 208 - 10; and Sinfield, Alan. “ Introduction: Reproductions, Interventions, ” and “ Royal Shakespeare: Theatre and the Making of Ideology. ” Political Shakespeare: New Essays in Cultural Materialism. Ed. Jonathan Dollimore and Alan Sinfield. Ithaca, 1985. 2 Sinfield, Alan. “ Introduction: Reproductions, Interventions. ” Dollimore, 1985, 131. 3 Sinfield, Alan. “ Royal Shakespeare: Theatre and the Making of Ideology. ” Dollimore, 1985, 162. 4 Sinfield, Alan. “ Royal Shakespeare: Theatre and the Making of Ideology. ” Dollimore 1985, 164. 5 Lieblein, Leanore. “ Jan Kott, Peter Brook, and King Lear. ” Journal of Dramatic Criticism and Theory 1.2 (1987): 41, 42. 6 Lieblein 1987, 43. 7 Kott, Jan. Shakespeare Our Contemporary. New York, 1974, 5. 8 Kuharski, Allen J. “ Jan Kott in Exile: Arden and Absolute Milan. ” New Theatre Quarterly 18 (2002): 122. 9 Kuharski 2002, 123. 10 Montrose, Louis. The Purpose of Playing: Shakespeare and the Cultural Politics of the Elizabethan Theatre. Chicago, 1996, 2. 11 Two recent collections come to mind illustrating this perspective: Newstock, Scott and Thompson, Ayanna, eds. Weyward Macbeth: Intersections of Race and Performance. New York, 2010; and Shaughnessy, Robert, ed. The Cambridge Companion to Shakespeare in Popular Culture. Cambridge, 2007. The notion that “ like it or not, all we can ever do is use Shakespeare as a powerful element in specific ideological strategies, ” sustains Terence Hawkes's Meaning by Shakespeare. London, 1992; I cite here from 3. 12 Brook, Peter. Preface to Kott 1974, np [viii]. Eliot, T. S. “ The Metaphysical Poets. ” Selected Essays. San Diego, 1978, 247. As Richard Halpern notes in a slightly different context, “ Modernism constructs a Shakespeare lodged firmly in the twentieth century - what Jan Kott calls Shakespeare Our Contemporary. ” Halpern, Richard. Shakespeare among the Moderns. Ithaca, 1997, 3. 13 Esslin, Martin. “ Introduction, ” to Kott 1974, xii-xiii. 14 Esslin 1974, xix. 15 Greenblatt, Stephen. “ Invisible Bullets: Renaissance Authority and its Subversion, Henry IV and Henry V. ” Political Shakespeare: New Essays in Cultural Materialism. 210 Relektüre Ed. Jonathan Dollimore and Alan Sinfield. Ithaca, 1985, 45. 16 Weimann, Robert. Shakespeare and the Popular Tradition in Theater: Studies in the Social Dimension of Dramatic Form and Function. Baltimore, 1978. 17 Kott 1974, 8. 18 Kott 1974, 9. 19 Kott 1974, 15. 20 Kott 1974, 146, 147. 21 Kott 1974, 23, emphasis W. W. 22 Kott 1974, 59. 23 Kott 1974, 57. 24 Kott 1974, 69. 25 Kott 1974, 60, 59. 26 Kott 1974, 68. 211 Relektüre Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Postfach 25 60 · D-72015 Tübingen · Fax (0 7071) 97 97-11 Internet: www.francke.de · E-Mail: info@francke.de Anders als andere Einführungen geht diese gemäß dem aktuellen Stand des Fachs vom Aufführungsbegriff aus und erläutert vor diesem Hintergrund die Grundlagen der Theaterwissenschaft. Anhand konkreter Beispiele werden sowohl die speziellen methodischen Probleme des Fachs erörtert als auch die Beziehungen zwischen Theaterwissenschaft und anderen Disziplinen dargestellt. Ein Literaturverzeichnis, ein Glossar und ein Register runden den Band ab. Erika Fischer-Lichte Theaterwissenschaft Eine Einführung in die Grundlagen des Fachs UTB M 3103 2010, X, 273 Seiten, zahlreiche Abbildungen, € [D] 19,90/ SFr 35,90 ISBN 978-3-8252-3103-3 Rezensionen Johanna Dupré. Spiele des (Un)Sichtbaren: Performativität und Politik der Wahrnehmung im argentinischen Gegenwartstheater. Kleine Mainzer Schriften zur Theaterwissenschaft; Bd. 19. Marburg: Tectum-Verlag, 2010, 246 Seiten. Im Jahr 2010 ist die weltweit größte Buchmesse in Frankfurt dem Ehrengast Argentinien gewidmet. Neben zahlreichen Großveranstaltungen zu den literarischen Aushängeschildern des Landes von Borges und Cortázar und ihren epischen Nachfahren wie etwa Martín Kohan, Alan Pauls und Samanta Schweblin ist auch der zeitgenössischen Dramatik ein kleiner Programmfokus vorbehalten. So repräsentieren Lola Arias und Rafael Spregelburd stellvertretend für die junge Autorengeneration die sogenannten Neuen Tendenzen (auch teatro joven, teatro del off oder teatro experimental genannt) argentinischer Gegenwartsdramatik in Diskussionen, Lesungen und der spanischsprachigen Inszenierung von Arias ’ Theatertext Mi vida después im Frankfurter Mousonturm. Die beiden teatristas - Begriff für die in Argentinien häufige Personalunion von Autor, Regisseur und Schauspieler - figurieren damit als Exportschlager einer bislang nur marginal beleuchteten Theaterszene, deren Vitalität mit über 150 Aufführungen an einem Samstagabend in Buenos Aires jedoch ihresgleichen sucht. Diesem Forschungsdesiderat begegnet die Mainzer Theaterwissenschaftlerin Johanna Dupré mit ihrer auch auf der Buchmesse ausgestellten Studie zur Performativität und Politik der Wahrnehmung im argentinischen Gegenwartstheater. In der von Kati Röttger betreuten Arbeit entwirft Dupré ein Konzept zur Beschreibung und adäquaten Analyse dieser Neuen Tendenzen seit den 1980/ 90er Jahren, mit dem sie deren Kategorisierung als unpolitisches, hermetisches und rein formal ausgerichtetes Theater entschieden entgegentritt. Diese gängige These einer Krise des Theaters (Kap. 2.2.1) erklärt Dupré schlüssig im Kontext der argentinischen Theatertradition (Kap. 2.1), in der das Ideal eines sozialkritischrealistischen Theaters mit eindeutigen Botschaften, das im politischen Theater der 1960/ 70er Jahre - insbesondere im teatro abierto - seine Ausprägung fand, immer noch den wichtigsten Referenzpunkt darstellt. Das Theater der Neuen Tendenzen bricht jedoch mit dieser Tradition, so dass ausgehend von Federico Irazábal ein neues Konzept politischen Theaters etabliert werden muss (Kap. 2.2.3). Dabei ist zudem ein an Jorge Dubatti orientiertes performatives Theaterverständnis grundlegend (Kap. 2.2.2), denn das Politische liegt nach Spregelburd nunmehr weniger in Themen und Inhalten, sondern im Produktionsmodus. Im Sinne eines erweiterten Theaterbegriffs erfolgt der Prozess der politischen Bedeutungszuschreibung erst im Akt der Rezeption als aisthetische Erfahrung des Zuschauers und ist keine Entschlüsselung einer a priori formulierten Botschaft mehr. Das Theater der Neuen Tendenzen wird nach Dubatti so zum Ort, der durch die im convivio erlebten Erfahrungen einen Raum für die Konstitution einer alternativen Subjektivität eröffnet und einen Gegenpol zu den vorherrschenden gesellschaftlichen Strömungen [d. h. dem Alltagsraum] bilden kann (36). Nach Irazábal dekonstruiert es als zentrale politische Handlung die dominante Version der Wirklichkeit, indem beim Zuschauer neue Sichtweisen provoziert werden: mirar de nuevo (42). Mit ihren Ansätzen zu einer Ästhetik des Performativen und der Beschreibung des Theaters als Erfahrung und Ereignis liefern Dubatti, Irazábal und Spregelburd ein anschlussfähiges Konzept, auf das Dupré für ihr Denkmodell einer Politik der Wahrnehmung aufbaut. Dieses konturiert sie in einem zweiten Schritt mit phänomenologischen Theorien von Jacques Rancière, Bernhard Waldenfels und Dieter Mersch zum Vorgang der Wahrnehmung und des Wahrnehmungsgeschehens (Kap. 3). Dupré kommt so zu der erweiterten Definition, dass das Theater der Neuen Tendenzen Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 213 - 215. Gunter Narr Verlag Tübingen ein performatives, spielerisches [ist], dass [sic] keine klaren Botschaften übermittelt [sic] sondern Ereignisse sinnlich erfahren lässt. Es ist wirklichkeitskonstituierend, indem es ein raum-zeitliches Sensorium kreiert, das von den normalen Bedingungen der sinnlichen Erfahrung und den sie strukturierenden Hierarchien losgelöst ist. Dabei kann es gerade durch seine Position an der Peripherie einem [sic] Erfahrungsraum erzeugen, der für die Zeit seiner Existenz eine andere, alternative Aufteilung des Sinnlichen aufscheinen lässt, die mit jener, die die Wahrnehmung der Alltagsrealität strukturiert, in Konflikt tritt. (91) Die Politizität liegt in den erzeugten Konflikten und Dissensen (Rancière, 73), die als sinnliche Grenz- und Fremdheitserfahrung bzw. Blickstörung in der Wahrnehmung des Publikums stattfinden und in der Transzendierung des Theaterrahmens ein Anderssehen bewirken (Waldenfels, 84). Diesen Erfahrungen muss der Rezipient nicht nur antworten (Responsivität der Wahrnehmung, 87), sondern sie auch ethisch verantworten (Mersch, 88). In einem dritten Schritt wendet Dupré das entwickelte performative und phänomenologische Konzept auf drei Beispiele der Theaterpraxis an (Kap. 4) und zeigt, wie im Zuge eines Anderssehens durch ein konfliktreiches Spiel zwischen Eigenem und Fremden unsichtbare, verdrängte Aspekte der Wirklichkeit sichtbar werden: So bringt die Objekttheatergruppe El Periférico de Objetos - die die Positionierung am Rande bereits im Namen trägt - in Máquina Hamlet (1995) den Terror der Geschichte, v. a. der letzten Militärdiktatur, durch Akte der Zerstörung von anthropomorphen Puppenkörpern in einem subtilen Spiel an den Grenzen zwischen “ lebendiger Subjektivität und totem Objektstatus ” (111) zum Vorschein. In Manifiesto de Niños (2007) inszenieren sie durch den fragmentierten Szenenraum, mit dem Seherfahrungen hinsichtlich Selektivität und Perspektive befragt werden, und ein verstörendambivalentes Spiel zwischen Unbefangenheit und Grausamkeit die gegen Kinder verübte physische, soziale und ökonomische Gewalt. Indem die urbane Intervention Proyecto Filoctetes (2002) von Emilio García Wehbi 23 hyperrealistische Latexpuppen in abgetragener Alltagskleidung und in Grenzsituationen im sozialen Raum der Stadt positioniert und die Reaktionen der unfreiwillig zu Zuschauern gewordenen Passanten registriert, fokussiert sie im Verlassen des begrenzten Zeit-Raums des Theaters den Körper der alltäglich zu Unsichtbaren gewordenen Deklassierten in der städtischen Realität. Vor dem Hintergrund der griechischen Philoktet- Sage entlarvt das liminale Spektakel zwischen (para)theatralem Ereignis, Fiktionalität und scheinbarer Realität (155) das Wegsehen als Handlung und fragwürdige Normalisierung im Rahmen einer dominanten Sehordnung. Für die Dauer der Aktion werden somit auch die anderen Unsichtbaren der Metropolen sichtbar, die cartoneros etwa, die seit der Wirtschaftskrise 2001 das Stadtbild von Buenos Aires prägen. Den unterschiedlichen Techniken dieser Bühne des Sichtbarmachens liegt, wie Dupré eindrücklich nachweist, jeweils eine Ästhetik des Obszönen zugrunde, die als sinnliche Störung der Ordnung und gewohnter Wahrnehmungsmuster zum produktiven Prinzip wird. Der Künstler wird mit Wehbi zum agente de mal (146). Johanna Dupré legt mit Spiele des (Un)Sichtbaren einen überaus verdienstvollen und längst überfälligen Beitrag zum argentinischen Gegenwartsdrama vor. Mit ihrem etablierten Modell einer Politik der Wahrnehmung bietet sie auch künftigen Forschungen ein anschlussfähiges Konzept nicht nur zur Analyse des argentinischen Gegenwartstheaters, fokussiert Dupré doch letztlich die zentrale transnationale Fragestellung, wie sich eine postdramatische Theaterästhetik mit politischer Wirkung verbinden lässt. Vor diesem Hintergrund bleibt grundsätzlich zu fragen, warum in der theoretischen Fundierung das Konzept der Postdramatik nach Lehmann keinerlei Eingang findet. Mit der sehr gelungenen Übertragung des Denkmodells auf drei Beispiele der Theaterpraxis stellt sich zudem der kleine Wermutstropfen ein, dass der Theorieteil eine allzu große Überlast aufweist (92: 80 Seiten). Hier wäre Straffung zugunsten einer weiteren Analyse eines der im Ausblick vorgeschlagenen Stücke (172 f.) wünschenswert gewesen. Diese kleinen Monenda trüben jedoch keineswegs den hervorragenden Gesamteindruck einer sehr lesenswerten Studie, die künftige Forschung zum Thema nicht mehr unberücksichtigt lassen kann und die auch mit 214 Rezensionen ihrem Anhang aus Interviews und einem Manuskript von Spregelburd noch weiterführende Anregungen zu liefern vermag. Trier C HRISTINE F ELBECK Wolfgang Schneider (Hg.). Theater und Schule. Ein Handbuch zur kulturellen Bildung. Theater, Band 9. Bielefeld: transcript Verlag, 2009, 349 Seiten. Der vorliegende Sammelband ist vor allem eines: eine beeindruckende Dokumentation gegenwärtig bestehender Ansätze einer künstlerischen wie pädagogischen Zusammenarbeit von Theatern und Schulen in Deutschland. Exemplarisch werden konzeptionelle Ausrichtungen dieser Zusammenarbeit vorgestellt, aber auch die Relevanz theatraler Bildung ästhetisch wie pädagogisch legitimiert und reflektiert. Die insgesamt 26 Beiträge, die hier leider nicht einzeln besprochen werden können, sind Ergebnisse eines Symposions, das die Befunde einer 2006 durchgeführten landesweiten - und damit erstmals auf so breiter Basis angelegten - Erhebung an hessischen Schulen diskutierte. Die Erhebung fragte “ sowohl nach der Wahrnehmung der Angebote der professionellen Theater als auch nach der Entwicklung des Darstellenden Spiels und der Zusammenarbeit von Theater und Schule im Bereich der Theaterpädagogik ” (9). Als Grundlage dieser Initiative diente der Bericht der Enquete-Kommission “ Kultur in Deutschland ” des Deutschen Bundestages, deren Handlungsempfehlungen zur “ Schulischen kulturellen Bildung ” als konkrete bildungs- und kulturpolitische Arbeitsaufträge zu verstehen sind. Dass die darin formulierten Zielsetzungen inzwischen weitgehend etabliert sind und in der Praxis auch tatsächlich angestrebt werden, zeigt insbesondere die Finanzierung und Unterstützung der Erhebung durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie das Hessische Kultusministerium. In diesem kulturpolitischen Kontext versteht sich auch der vorliegende Band: Er erhebt den Anspruch, nicht nur eine Bestandsaufnahme zu bieten, sondern er “ will Handbuch sein für bildungs- und kulturpolitisches Handeln ” (11). Das irritiert zunächst, widmet sich die Publikation doch ausschließlich theatraler Bildung und nimmt damit nur ein einziges Feld kultureller Bildung in den Blick. Doch ist es gerade ihr Modellcharakter, der diesen Anspruch rechtfertigen kann, denn der Band zeigt exemplarisch und richtungsgebend auf, welche Chancen auch für andere Bereiche kultureller Bildung und für andere Bundesländer bestehen, wenn Politik, Wissenschaft, Kunst und Pädagogik an einem Strang ziehen, um die jeweilige Zusammenarbeit zielgenau und modellhaft zu entwickeln. Das eröffnete sehr weite Feld an Fragestellungen, Ergebnissen und Perspektiven wird in vorliegendem Band von Wissenschaftlern, Theaterschaffenden und Pädagogen gemeinsam diskutiert. Diese interdisziplinäre Anlage erweist sich als notwendig und geeignet, um die Sichtweisen verschiedener Fächer und Institutionen auf den Gegenstand zu klären, sich daraus ergebende Problemfelder der Zusammenarbeit zu benennen und den Weg für Zukünftiges zu weisen. Eine der Stärken des Bandes ist gerade die Zusammenschau bereits zu verzeichnender Erfolge - wie etwa die Präsentation spezieller Schulversuche oder gar landesweiter Modelle der Kooperation zwischen Theatern und Schulen - und die Identifikation und Diskussion theoretisch-konzeptioneller wie praktisch-organisatorischer Problemfelder genau dieser Kooperation. Es zeigt sich, dass bestimmte Konflikte im Zusammenhang der Förderung theatraler Bildung aus verschiedensten Perspektiven immer wieder neu ans Licht treten. Dazu gehört etwa der Befund, dass in der gegenwärtigen Praxis offenbar dem Theaterspiel der Kinder und Jugendlichen größere Relevanz zugeschrieben wird als der Rezeption professioneller Theaterkunst. Sowohl aus künstlerischer als auch aus theaterpädagogischer Sicht wird aber reklamiert, Rezeption und Produktion als zusammengehörig zu betrachten, um “ ästhetische Bildung in der Schule in der Zusammenschau von ‘ Theater sehen ’ und ‘ Theater spielen ’ als ‘ wahrnehmende und gestaltende ’ Auseinandersetzung mit der Theaterkunst auszuloten ” (19). Dafür muss es auf kulturpolitischer Ebene insbesondere um den Ausbau nachhaltiger Strukturen für entsprechende Kooperationen gehen und nicht allein um Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 215 - 216. Gunter Narr Verlag Tübingen 215 Rezensionen die Förderung von Einzelaktivitäten. Es geht also auch um die Verankerung theatraler Bildung in der allgemeinbildenden Schule, denn nur diese Institution erreicht tatsächlich alle Kinder und Jugendliche. Logische Konsequenz ist daher die Forderung nach einem Schulfach ‘ Kulturelle Bildung ’ als notwendigem Gegengewicht zu den PISA-Fächern. Als erster Schritt in diese Richtung kann zumindest für das Bundesland Hessen der inzwischen klar erkennbare politische Wille bewertet werden, “ ein Landesprogramm Theater und Schule langfristig zu etablieren ” (37). Dieses Ziel wiederum wirft zwei weitere grundsätzliche Fragen auf, die in vorliegendem Band mehrperspektivisch diskutiert werden. Es zeigt sich in verschiedenen Beiträgen, dass “ die ‘ Systeme ’ Theater und Schule auf ihre Kompatibilität zu überprüfen ” (10) sind. Das betrifft auf der einen Seite die jeweiligen Strukturen, die organisatorisch nicht immer leicht zusammenzubringen sind, es betrifft aber - weit wichtiger - das jeweilige Selbstverständnis als Künstler bzw. als Pädagoge und das zu überprüfende Bild vom jeweils anderen Kooperationspartner. Es ist der alte Konflikt zwischen Kunst und Pädagogik, dem sich nicht nur das Fach Theaterpädagogik fortlaufend zu stellen hat, sondern der auch und gerade im Aufeinandertreffen von Theaterschaffenden und Lehrkräften und ihrer jeweiligen Institutionen bewältigt sein will. Es geht um (teils zu korrigierende) Erwartungen aneinander, um die Forderung nach gegenseitiger Akzeptanz in der Unterschiedlichkeit. Theater und Schule also als ein “ Traumpaar ” (15) oder als eine “ unheilige Allianz ” (41)? Dieses Spannungsfeld wird von zahlreichen Beiträgen aspektreich beleuchtet und für zukünftige Zusammenarbeit produktiv gemacht. Eine zweite grundsätzliche Frage betrifft die Forderung nach einer professionellen Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte. Hier allerdings ist die Situation alles andere als zufriedenstellend: Grundständige Studiengänge gibt es kaum, allenfalls Ergänzungs- oder Erweiterungsstudiengänge an nur wenigen Hochschulen - was insgesamt zu lediglich kompensatorischen Fortbildungsangeboten führt, die langfristig keine Lösung sind. Viele der Beiträge widmen sich diesem Defizit und formulieren damit einen klaren bildungspolitischen Auftrag, der übrigens auch in dem erwähnten Bericht der Enquete-Kommission enthalten ist: Für die Stärkung der künstlerischen Fächer sei sicherzustellen, “‘ dass der vorgesehene Unterricht durch qualifizierte Lehrkräfte tatsächlich erteilt wird ’” (10). Bei einer wie in diesem Band so großen Fülle an Beiträgen stellt sich die Frage nach ihrer Ordnung und Gliederung. Der Herausgeber benennt dazu fünf Großkapitel, für die die Kategorien Politik, Kunst, Pädagogik, Modelle und Perspektiven leitend sind. Die themabedingt sehr disparaten Beiträge werden auf diese Weise gebündelt, gelegentliche Tücken der Kategoriebildung ergeben sich dadurch, dass sie keine eindeutige Zuordnung der Beiträge zulässt. Auch das Schlusskapitel ‘ Perspektiven ’ erscheint von seiner Ausrichtung nicht konsistent genug. Doch schmälert dieses strukturelle Problem den inhaltlichen Ertrag der Publikation nicht. Dem Herausgeber ist es gelungen, den gegenwärtigen und optimistisch stimmenden Stand der Zusammenarbeit zwischen Theater und Schule zu dokumentieren und gleichzeitig aus der theoretischen Reflexion bestehender Konfliktfelder zukünftige Aufgaben interdisziplinärer Zusammenarbeit zu identifizieren. Bayreuth G ABRIELA P AULE Wolfgang Sting, Norma Köhler, Klaus Hoffmann, Wolfram Weiße, Dorothea Griebach (Hg.). Irritation und Vermittlung. Theater in einer interkulturellen und multireligiösen Gesellschaft. Scena. Beiträge zu Theater und Religion. Band 4. Münster: Lit Verlag, 2010, 229 Seiten. Der vorliegende Band ist der vierte in der Reihe “ Scena. Beiträge zu Theater und Religion ” , die Ingrid Hentschel und Klaus Hoffmann im LIT Verlag herausgeben. Er dokumentiert die Tagung “ Dialog Theater und Religion - Theater in einer interkulturellen Gesellschaft ” , die im Dezember 2008 an der Universität Hamburg stattfand. Zusätzlich zu Vorträgen, Projektberichten und Podiumsdiskussionen des Kongresses nahmen die Herausgeber vertiefende theoretische Beiträge und Darstellungen interkultureller Theaterpro- Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 216 - 218. Gunter Narr Verlag Tübingen 216 Rezensionen jekte in das Buch auf. In dem äußerst vielschichtigen Band sind formal und inhaltlich heterogene Texte in vier Kapiteln versammelt. Einer Einleitung folgen unter der Rubrik “ Dialoge ” erstens Debatten zur Frage, “ wie Künste der Fremde und Andere in Kultur und Religion [. . .] thematisieren können ” . Zweitens werden “ Grenzen und Tabus der Darstellbarkeit religiöser Inhalte und Fragen ” besprochen, und drittens und viertens werden unter den Titeln “ Vermittlung ” und “ Projekte ” interkulturelle Theaterprojekte und ihre Leitprinzipien dargestellt. Den versammelten Stimmen, gleich ob sie monografisch formulieren oder ob der Ausschnitt aus einer Diskussionsveranstaltung abgedruckt ist, ist die Bereitschaft zum Dialog und zur Relativierung der eigenen Positionen anzumerken. Implizit und explizit sind in dem Buch der Studiengang Performance Studies und das interdisziplinäre Zentrum Weltreligionen, zwei reiche Hamburger Vermittlungstraditionen zwischen Theater und Theorie, sowie zwischen den Religionen, präsent. Die Forschungskontexte des vorliegenden Bandes sind theaterwissenschaftlich, erziehungswissenschaftlich und religionswissenschaftlich. Aus theaterwissenschaftlicher Sicht ist zu konstatieren, daß Fragen nach der Gemeinschaft stiftenden Funktion des geteilten Erlebnisses und Hervorbringens von Aufführungen, die im vergangenen Jahrzehnt viele Forscher/ innen beschäftigte, und die damit einher gehenden Konzentration auf Präsenz (im Unterschied zu Repräsentation), abgelöst werden. Ihnen folgen, wie in “ Irritation und Vermittlung ” sowie anderen Orts zu konstatieren ist, Synthesen der vermeintlichen Gegensätze von Präsenz und Repräsentation, des Ästhetischen und des Politischen. Der vorliegende Band steht nicht nur für diese Entwicklung, sondern er treibt sie maßgeblich voran. Die versammelten Aufsätze und Debatten sind verbunden durch die Reflexion der Bedingungen, die Dialogizität zwischen Personen und Positionen unterschiedlicher Kulturen, Herkünfte und Glaubenssysteme ermöglichen. Das Bestreben nach einer gewaltfreien Begegnung mit dem Anderen betrifft das Zusammentreffen von Schauspielern unterschiedlicher Herkunft, von Schauspielern und ihrem Publikum, von Lehrenden und Lernenden und von Menschen, die unterschiedliche Religionen (inner- und außerhalb von Institutionen) praktizieren. Damit sind sehr unterschiedliche Ebenen angesprochen, einige seien im Folgenden genannt: Die Ebene der Selbstverortung von Schauspielern und Schauspielerinnen, die sich dann aufmacht, wenn sie zum Thema ihrer Herkunft improvisieren. Normierungen und Klischees, die oftmals noch ausschlaggebend dafür sind, welche Rollen ein Schauspieler mit Migrationshintergrund bekommt. So ist wiederholt zu lesen, daß junge “ türkisch wirkende ” Schauspieler angesprochen werden, um Agression zu verkörpern. Eine weitere Ebene ist die der Theatertexte und -Aufführungen und ihrer lokalen so wie internationalen Rezeption. Einige Ausblicke in die Theatergeschichte, beispielsweise in das griechische Tragödientheater und sein Verhältnis zum afrikanischen Theater, sind ebenfalls in den Band inkludiert. Ein weiterer roter Faden ist die rezeptionsästhetische Frage, genauer: Religion spezifische Konnotationen der Theatertradition des Mitleidens, oder der “ Mitleidenschaft ” , die der ehemalige Intendant des Thalia Theaters Ulrich Khoun formuliert. Die Frage nach der Auseinandersetzung mit Transzendenz im Theater zeigen sich als anschlußfühig nicht nur für Aufführungen, die Religion explizit themnatisieren, sondern für eine große Bandbreite an Theateraufführungen, besonders in einer Stadt, in der die gesellschaftlichen und ethischen Aspekte des Theaters so präsent sind wie in den Hamburger Theatern der Jahrtausendwende. Zusätzlich zu der Frage der Interkulturalität und Multireligiosität erweist sich beim Lesen auch die Achse des Lokalen und des Globalen als bedeutunsgebend. Aufgrund der Verankerung in Hamburg ist der lokale Aspekt stark präsent. Die globale Perspektive ist vor allem in den transkontinental ausgerichteten Beiträgen angesprochen. Der Untertitel des Bandes, nämlich “ Theater in einer interkulturellen und multireligiösen Gesellschaft ” hinterläßt [allerdings? W. D. E.] die offene Frage, ob die diskutierten Ansätze und Theaterprojekte nun spezifisch für die deutsche Gesellschaft sind, oder ob sie für andere west- und mitteleuropäischen Kontexte verallgemeinbar wären. Der vorliegende Band ist eine Einführung in Aspekte von Theater und Interreligiosität und eine Übersicht über die Hamburger großen Sprechbühnen und über die freie-Szene des vergangenen Jahrzehnts. Er eröffnet zweifellos neue 217 Rezensionen Fragestellungen, die die Theaterwissenschaft in Zukunft beschäftigen wird. Die polyphone und dialogische Form der inkludierten Artikel entspricht dem Inhalt, nämlich der Suche nach Vermittlung über Differenzen hinweg, dies eröffnet auch Zugänge für Leser und Leserinnen unterschiedlicher Provenienz. Gent K ATHARINA P EWNY Hellmut Flashar. Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage. München: C. H. Beck, 2009, 428 Seiten. Als Hellmut Flashars Buch zur Inszenierung der Antike auf der Bühne der Neuzeit 1991 erschien, war es das erste seiner Art im deutschsprachigen Raum: Erstmals stand die Bühnenpräsenz des griechischen Dramas im Zentrum einer Monografie. Der Titel des Bandes deutet an, dass in der Inszenierung antiker Dramen immer auch das Antike- und das Selbstverständnis der Inszenierenden eine Rolle spielt: Antiken im Plural sind das Thema, eine Relation zweier Epochen, nicht kontextisolierte Dramentexte. Das lässt auf eine kultur- und theaterhistorische Einbettung hoffen; auf eine Darstellung, die sich nicht mit Detailanalysen begnügt. Und dieses Versprechen löst die Studie in weiten Teilen ein. So überrascht es nicht, dass etliche Rezensenten dem Band trotz Kritik im Detail einmütig den Charakter eines zukünftigen Standardwerks bescheinigten. Die neuere Forschung gibt den Prognosen Recht: Bis heute kommt eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart des antiken Theaters an Flashar nicht vorbei. So ist es mehr als erfreulich, dass das Werk 2009 in einer erweiterten Neuauflage erscheint. Allerdings lässt schon die Einleitung ahnen, was der Band dann bestätigt: Die zweite Auflage ist nahezu textidentisch mit der ersten; es kommt lediglich ein Kapitel zur jüngsten Vergangenheit hinzu. Das im Anmerkungsapparat ergänzte Einführungskapitel (I) gibt einen Überblick über die antiken Aufführungsbedingungen; es bietet nach wie vor eine solide Grundlage für die folgenden historisch-kommentierenden Ausführungen. Flashar lässt die Inszenierungsgeschichte des Attischen Dramas auf der Bühne der Neuzeit erst mit den Experimenten des Weimarer Hoftheaters wirklich beginnen; zwischen der Inszenierung des Ödius (Edipo re) auf der Bühne des Teatro Olimpico in Vicenza 1585 (dazu Kap. II) und dem ausgehenden 18. Jh. sei griechische Tragödie und Komödie “ nur mittelbar präsent, in Bearbeitungen, Umdichtungen und mit fremden Zutaten ” (S. 32). Dieser mittelbaren Präsenz ist nichtsdestotrotz ein eigenes Kapitel gewidmet (Kap. III), in dem Flashar einen Überblick v. a. über die Situation in der Romania liefert. Die folgenden Kapitel zeichnen die Entwicklung nach von der Antike-Rezeption in Weimar (Kap. IV) über politische Funktionalisierungen in Preußen (Kap. V) bis hin zur Vereinnahmung durch das Bildungsbürgertum in der 2. Hälfte des 19. Jh. (Kap. VI), um an der Wende zum 20. Jh. im Kontext der Theaterreform neue Formen der Präsentation des antiken Dramas zu diagnostizieren (Kap. VII). Neben den ‘ üblichen Verdächtigen ’ wie etwa Max Reinhardt thematisiert Flashar auch Randfiguren der Theatergeschichte wie Max Oberländer. Ähnliches gilt für die Ausführungen zum Theater der Weimarer Republik (Kap. VIII) und des Nationalsozialismus (Kap. IX). Diese Kapitel wurden, wie auch die zur Nachkriegsgeschichte und zu den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik (Kap. X, XI), bis auf einige Straffungen unverändert übernommen. Angesichts der facettenreichen Diskussion der ersten Auflage konzentriert sich die Besprechung hier auf neu Hinzugekommenes und größere Abweichungen. Leider hat Flashar Anmerkungen der theaterwissenschaftlichen wie der altphilologischen Rezensionen zur Erstauflage großenteils nicht berücksichtigt - sie hätten zur historischen Tiefenschärfe beitragen können. Dass der Text über weite Strecken unbearbeitet bleibt, verleiht ihm einen zuweilen anachronistischen Ton. Kennern der Auflage von 1991 mag auffallen, dass erkleckliche Teile des Abschnitts zur “ globalisierten Antike ” aufs Wort einem nun entfallenen Unterkapitel der Erstauflage entsprechen. Wenngleich Flashar 2009 in der Bewertung des Regietheaters vorsichtigere Töne anschlägt, so sieht er das Verhältnis von Text und Theater doch als Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 218 - 219. Gunter Narr Verlag Tübingen 218 Rezensionen prinzipiell unumkehrbare Abhängigkeitsrelation. Bezeichnend ist das Fazit zu den jüngsten Entwicklungen: Die Überschrift, “ Anschwellender Bocksgesang ” , ist bekanntlich der Titel eines Essays von Botho Strauß. Der Titel soll aber lediglich “ anzeigen, daß [. . .] die Präsenz des antiken Theaters [. . .] stark ‘ angeschwollen ’ ist ” (S. 281). Diese Bemerkung weist auf ein Kernproblem der Darstellung: Angesichts der Fülle des Materials kapituliert die Analyse und geht vielerorts über globale Anmerkungen nicht hinaus. Unter dem Titel “ Das Repertoiretheater ” werden schließlich Aischylos, Sophokles und Euripides blockartig nacheinander abgehandelt, was angesichts der nicht mehr in erster Linie an Werkzusammenhängen orientierten Theaterpraxis wenig sinnvoll ist. Das Buch endet mit grundsätzlichen Einlassungen zum Verhältnis von Drama und Theater. In seiner Auseinandersetzung mit Inszenierungen der jüngsten Vergangenheit lässt Flashar es an eben jener hermeneutischen Reflexion fehlen, die er für szenische Auseinandersetzungen mit dem antiken Drama fordert. Hier wird allzu deutlich, dass er das Verhältnis von Theater und Drama als ein dienendes versteht: Das Theater hat das Bedeutungspotential des Dramas lediglich zu erschließen und zu konkretisieren; wo dies nicht gelingt, vielleicht auch gar nicht das Ziel ist, kommt Flashar schnell zu einem negativen Urteil, ja einer Verurteilung der Inszenierungen als ‘ seltsam ’ , ‘ kryptisch ’ , ‘ hermetisch ’ . Literatur - so das implizite Fazit - darf polyvalent sein, Theater muss eine konkrete, aus dem Drama erschließbare Botschaft vermitteln. So kommt der respektable Philologe Flashar immer wieder zu erstaunlich trivialen Interpretationen, etwa wenn er lakonisch bemerkt, in Leander Haußmanns Antigone-Inszenierung (1993) werde Kreon von einer Frau gespielt, “ um das Weibische dieser Gestalt zu betonen ” (S. 325). Überhaupt ist es oft die lakonische Kürze, die zum Problem wird: Die allermeisten Inszenierungen der letzten Jahre handelt Flashar in wenigen Sätzen ab; und die Bewertung orientiert sich in erster Linie am Kriterium der Texttreue. Der Text, so heißt es abschließend, sei die “ wesentliche Errungenschaft ” (S. 351) des europäischen Theaters. Als Zeugen für diese Behauptung nennt Flashar “ einige gerade der besten Regisseure ” (ebd.); wer die besten Regisseure sind, das entscheidet er sehr subjektiv. Leider verzichtet der Band nicht nur nahezu vollkommen auf eine Auseinandersetzung mit der theaterwissenschaftlichen Forschung, sondern auch auf ein Literaturverzeichnis. Zwar ist das Sachregister angesichts der Fülle des Materials hilfreich. Doch eine Orientierung über die neuere Forschungsliteratur ersetzt es nicht. Die in der Neuauflage ersatzlos weggefallenen Bildtafeln sind ein Verlust - gerade angesichts des breiteren, auch nicht-akademischen Publikums, das der Band ansprechen will. In ungemein sympathischer Begeisterung endet der Autor mit einem Plädoyer für die Antike auf der Bühne; wo er mit der überzeitlichen Gültigkeit der antiken Themen argumentiert, fällt er allerdings hinter ausführliche Debatten zurück, die das problematische Verhältnis der konkurrierenden Ansprüche von überzeitlicher Geltung und historischer Singularität in der Formierung von Klassikern problematisiert haben. Aus der Feder eines Altphilologen nimmt sich die Geschichte der Antike-Inszenierung naturgemäß anders aus, als es der Theaterwissenschaftler gewohnt ist. Doch wäre zu wünschen gewesen, dass der Philologe die Nachbardisziplin ernster nimmt, gerade dort, wo es um theoretische und methodische Fragen zum Umgehen mit Aufführung und Inszenierung geht. So bleibt das mit Verve und mit reicher Kenntnis der antiken Dramen geschriebene Buch Einiges schuldig. Doch ist zu erwarten, dass es auch in seiner zweiten Auflage die Auseinandersetzung mit der Inszenierungsgeschichte der Antike befördern wird: Dem Wissenschaftler bietet es wertvolles Material, dem Laien einen Überblick über die Bühnenpräsenz des Attischen Dramas. Lesenswert ist das Buch in jedem Fall. München J ULIA S TENZEL Petra Stuber, Ulrich Beck (Hg.). Theater und 19. Jahrhundert. Schriften der Hochschule für Musik und Theater “ Felix Mendelssohn Bartholdy ” 2. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2009, 245 Seiten. Im Zentrum des Bandes Theater und 19. Jahrhundert steht die Idee der Grenzüberschreitung Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 219 - 221. Gunter Narr Verlag Tübingen 219 Rezensionen zwischen (Theater-)theorie und (Theater-)praxis einerseits und den Disziplinen Theater-, Musik- und anderen Kulturwissenschaften andererseits. Der Band besteht aus zwei Teilen, die in unterschiedlichen Kontexten entstanden sind: Die wissenschaftlich ausgerichteten Aufsätze des ersten Abschnitts unter dem Titel “ Aufführungspraxis im 19. Jahrhundert ” gehen auf das 2008 an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig gehaltene Kolloquium “ Theater/ Musik im 19. Jahrhundert ” zurück. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen steht die Musik in Schauspielaufführungen - allerdings letztlich vor allem aus “ theaterhistoriographischer ” (Petra Stuber, S. 9) Perspektive. Der zweite, von Studierenden des Studiengangs Dramaturgie verfasste Teil “ Gegenwärtige Inszenierungen ” geht aus einem Workshop aus dem Jahre 2007 hervor, in dem über aktuelle Inszenierungen von Dramentexten aus dem 19. Jahrhundert diskutiert wurde. Mit einem berühmten Sonderfall der Schauspielmusikgeschichte beginnt Susanne Boetius den wissenschaftlichen Teil des Bandes: In ihrem Beitrag über “ Felix Mendelssohn Bartholdys Schauspielmusiken zu Antigone und Ödipus in Kolonos ” rekonstruiert sie die Folgen der Aufführungsbedingungen im Potsdamer Palais für die Besetzung dieser Musiken, die im Auftrag des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. entstanden. Wie Gesine Schröder im folgenden Text zeigt, fand Heinrich Bellermann in seiner Musik zu Sophokles gänzlich andere kompositorische Lösungen zur Wiederbelebung der griechischen Tragödie: in “ barockisierendem ” Stil und mit dem Versuch, eine “ würdige ausdrucksvolle Melodie zu erfinden, welche nicht an die moderne Oper erinnert ” (Chrysander bei Schröder, S. 46). Schröder geht es in ihren Überlegungen nicht um die Qualität der Kompositionen Bellermanns, sondern um ästhetische Fragestellungen im Hinblick auf die griechische Tragödie mit zeitgenössischer Musik im 19. Jahrhundert. Nach diesen Beiträgen über Aufführungen in Berlin und Potsdam wendet sich Johann Hüttners Text der “ Aufführungspraxis im Wien des frühen 19. Jahrhunderts am Beispiel von Franz Grillparzer und Ferdinand Raimund ” zu. Seine Ausführungen offenbaren einmal mehr die fließenden Grenzen zwischen den Bühnengattungen unserer Musikgeschichtsschreibung. Sie machen neugierig auf eine genaue Betrachtung der Wiener Quellenlage von Textbüchern und Musikalien. Letztere hat Maren Goltz in ihrem Text über “ Die Praxis der Bühnen- und Zwischenaktmusik bei den Theateraufführungen der Meininger während der Regierungszeit Herzog Georgs II. von Sachsen-Meiningen (1866 - 1914) ” für das Meininger Hoftheater aufgearbeitet und damit eine Lücke in der Schauspielmusikforschung geschlossen. Vor allem im deutschen Sprachraum des 19. Jahrhunderts bildete jede Bühne eine eigene regionale Tradition heraus. Es erscheint daher sinnvoll, wie hier ein Theater über einen bestimmten Zeitraum unter konstanten institutionellen Rahmenbedingungen zu betrachten. Maren Goltz bestätigt die bisherigen Erkenntnisse der Schauspielmusikforschung auch für Meiningen: Die Musik im Sprechtheater fand keine bis kaum Erwähnung in den Rezensionen oder auf den Theaterzetteln. Die Aufführungen waren aber dennoch mit sorgfältig ausgewählter, allerdings sehr kurzer - durch den Anschein von historisch stimmiger “ Originalität ” in das Inszenierungskonzept des Meininger Hoftheaters integrierter - Musik versehen. Lars Gebhardt und Jörg Rothkamm stellen Gattungsfragen in den Mittelpunkt ihrer Beiträge. Lars Gebhardt verfolgt in “‘ . . .eine Abgeburt, welche aus gräulichen Inceste entsteht. . . ’ - Hector Berlioz' Huit Scènes de Faust als Schauspielmusik? ” die These, dass Berlioz' Huit Scènes de Faust ursprünglich als Schauspielmusik konzipiert waren. Jörg Rothkamm ( “ Gattungsspezifisch komponiert? Französische und deutsche Musik zur Pantomime in Ballett, Oper und Schauspiel zwischen 1828 und 1841 ” ) zeigt in seinem Text auf, wie in allen drei Gattungen Ballett, Oper und Schauspiel Pantomimenmusik Anlass für kompositionsgeschichtliche Innovationen gab. Wolf-Dieter Ernst schließlich geht in seinem Beitrag zur “ Schauspielerausbildung am Beispiel der königlichen Musikschule in München ab 1874 ” einem wenig aufgearbeiteten Thema nach. Ernst betont noch für das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts die enge Verknüpfung von Schauspieler- und Sängerausbildung und zeigt auf, “ dass Schauspieler in dieser Zeit selbstverständlich auch Darsteller in der Oper und im Musikdrama waren ” (S. 109). Auch Goltz und Hüttner berichten für ihren jeweiligen Unter- 220 Rezensionen suchungszeitraum in Meiningen (S. 87) und Wien ( “ Die meisten Darsteller der heiteren Vorstadtstücke konnten Fähigkeiten im Gesang vorweisen, oft auch im Tanz ” , S. 60) von den sängerischen Fähigkeiten der Schauspieler. Fraglich erscheint daher die in der Einführung des Bandes formulierte These, der Einsatz des Melodrams im Schauspiel sei eine Reaktion auf die mangelnden sängerischen Fähigkeiten der Schauspieler: “ Das Melodram ist [. . .] jene [. . .] Struktur, in der sich gerade die Trennung von Schauspiel und Musik niederschlägt, denn es ist für Schauspieler gedacht, die nicht mehr singen können ” (S. 10). Das Melodram war nicht erst im 19. Jahrhundert in spezifischen Szenentypen aus ästhetischen und dramaturgischen Gründen (neben gesungenen Liedern) ein zentraler Teil fast jeder Schauspielmusik. In den essayistisch formulierten Beiträgen der Studierenden im zweiten Teil des Bandes werden einzelne Inszenierungen von ausgewählten Dramen des 19. Jahrhunderts reflektiert: Hebbels Judith und Maria Magdalena sowie Grillparzers Das goldene Vließ. Einen Bezug zum ersten Teil des Bandes schafft Lene Grösch, indem sie das Thema Schauspielmusik in ihrem Text “ Die Stille hat einen Körper - mit Grillparzer in der Karaoke- Bar ” aufgreift. Sie interpretiert heutige Bühnenmusikszenen anhand der Leierszene in Medea, in der Kreusa der Ausländerin Medea ein Stück griechischer Kultur durch ein Lied zur Leier beibringen will. Roger Vontobel gestaltete in seiner Essener Inszenierung von 2007 diese Szene als Karaoke-Lied. Der Medienwechsel, so Grösch, sei hier hervorgehoben in dem Medium Karaoke, in dem durch die Zusammenführung von Konservenmusik und Live-Stimme “ das Spiel mit der eigenen Kultur als Folie bereits inhärent ” und die Frage der Authentizität eingeschrieben sei. Der Essay “ Von der Gleichzeitigkeit der Künste ” des Schauspielkomponisten Fred Kerkmann aus der Sicht des in der Theaterpraxis arbeitenden Künstlers bestätigt viele der Annahmen für die Gegenwart, die in der Schauspielmusikforschung auch für das 19. Jahrhundert erarbeitet wurden. Kerkmann beschreibt seine Musik als Teil der Inszenierung im multimedialen Verband der Künste: “ Meine Kunst ist ein Teil einer anderen Kunst, sie wird von ihr absorbiert, zu etwas Neuem ” (S. 163). Der Band hat der akademischen Öffentlichkeit sehr lesenswerte Erkenntnisse zum Thema Schauspielmusik zugänglich gemacht. Eine willkommene Ergänzung wäre die musikgeschichtliche Einordnung und ästhetische Beurteilung der jeweiligen Musiken als Teil des gesamten Bühnenereignisses. So ruft der Band zu einem noch intensiveren Dialog aller der am Nachdenken über das Phänomen Musik und Bühne beteiligten Disziplinen auf - zu einem Thema, dessen Erforschung für das 19. Jahrhundert gerade erst begonnen hat. Heidelberg A NTJE T UMAT Constanze Schuler. Der Altar als Bühne - Die Kollegienkirche als Aufführungsort der Salzburger Festspiele. Mainzer Forschungen zu Drama und Theater. 37. Tübingen: Francke Verlag, 2007, 279 Seiten. Der Theatermacher und Festspielgründer Max Reinhardt bezeichnete das Bayreuther Festspielhaus als “ vielleicht das Genialste ” der Werke Richard Wagners. Er selbst ging jedoch in Salzburg einen anderen Weg. Stand am Beginn des Festspielprojektes 1876 in Bayreuth der Bau des Festspielhauses auf dem Grünen Hügel, so sollte in Salzburg indessen die ganze Stadt zur Szene werden. Dazu wurden mehrere bereits vorhandene Örtlichkeiten, geschlossene Räume wie auch offene Plätze zu Spielstätten erkoren. Erst fünf Jahre nach Festspielgründung wurde durch Umbau des Marstalls das erste Salzburger Festspielhaus eröffnet. Das Gründerkollektiv der Salzburger Festspiele setzte von Beginn an auf ein mehrere Sparten umfassendes Repertoire mit Schauspiel und Oper - “ Beides und von beiden das Höchste ” 1 . Zudem sprachen nach dem Ersten Weltkrieg und seinen Folgen die materiellen Rahmenbedingungen zunächst gegen ein großes Bauprojekt. Begonnen hatten die Salzburger Festspiele 1920 auf dem Domplatz mit sechs Vorstellungen von Hofmannsthals Jedermann. 1921 wurde das Festspiel auf Stadttheater, Reitschule, Naturthea- Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 221 - 223. Gunter Narr Verlag Tübingen 221 Rezensionen ter Mirabellgarten sowie das Mozarteum ausgedehnt. Im Jahr 1922 wurde schließlich die mächtige Kollegienkirche bespielt, die nach dem Dom zweitgrößte Kirche der Stadt Salzburg. Für den Regisseur, Theaterleiter und Festspielgründer Max Reinhardt war das Theater ein aus dem Alltag herausgenommener und gleichzeitig in ihm wurzelnder Bereich des Lebens. Auf dieser Grundlage bemühte er sich, auch bei den Salzburger Festspielen, um Erneuerung traditioneller Theaterformen, Erweiterung des Repertoires, Stärkung der Regiearbeit. Die Einbeziehung neuer Räume und Szenen wie der Domfassade und dem Domplatz war ein wesentlicher Aspekt dieser Strategie. Erbaut in den Jahren 1694 - 1707 von Johann Bernhard Fischer von Erlach, dem späteren kaiserlichen Hofbaumeister, wurde die Kollegienkirche für Professoren und Studenten der 1623 eröffneten Universität, die bisher Gottesdienste in der Aula abgehalten hatten, wo auch die “ Comoedien und andere prophana ” aufgeführt wurden, zum würdigen Gotteshaus. 1810 - 1918 war die Kollegienkirche Garnisonskirche, seit 1962 ist sie wieder Pfarrkirche der wiedereröffneten Universität. Der Kollegienkirche als Spielstätte der Salzburger Festspiele hat die Theaterwissenschaftlerin Constanze Schuler ihre Dissertation gewidmet, die im Rahmen des von der DFG geförderten Graduiertenkollegs “ Raum und Ritual: Funktion, Bedeutung und Nutzung sakral bestimmter Räume und Orte ” an der Universität Mainz entstanden ist. Während einer studienbegleitenden mehrjährigen Mitarbeit in der Dramaturgie der Salzburger Festspiele, in der sie umfassend in den Festspielbetrieb wie auch die Festspielgeschichte eintauchen konnte, stieß die Autorin dort auf diese reizvolle und bisher wissenschaftlich noch nicht detailliert beleuchtete und reflektierte Themenstellung. Die Arbeit ist logisch aufgebaut, klar strukturiert und in drei große Teile mit insgesamt zwölf Kapiteln gegliedert und geht den in der Theaterwissenschaft bisher weitgehend vernachlässigten Wechselbeziehungen zwischen Raum und Ritual nach. Im Zentrum der Studie steht die Untersuchung zum Verhältnis von Raum und Ritual an der Schnittstelle von Theater und Festspiel und die Klärung der zunehmenden Bedeutung sakraler Räume als Bezugspunkt für zeitgenössisches Theater in der säkularisierten Welt des 20. Jahrhunderts. Es wird der Frage der Konstruktion eines sakralen Raums im Rahmen von Festspielen nachgegangen und die Konsequenzen der Nutzung des Kirchengebäudes als Theaterraum, die Adaption ritueller Handlungssequenzen sowie die Ritualisierung des Theaterereignisses untersucht. Im ersten Teil werden grundlegende theoretische und methodische Prämissen formuliert, die Kategorien Raum und Ritual im gegenwärtigen Diskurs der Theaterwissenschaft reflektiert und schließlich der sich nicht auf das theaterwissenschaftliche Methodenrepertoire beschränkende kulturwissenschaftliche und interdisziplinär orientierte Forschungsansatz kommentiert und begründet. Der zweite Teil gibt einen Überblick zur Konstellation “ Salzburger Festspiele und sakraler Aufführungsort ” auf der Grundlage der Festspielkonzeption von Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal. Der dritte Teil ist den großen bislang in der Kollegienkirche gezeigten Inszenierungen gewidmet und in Werkbeschreibungen wie Inszenierungsanalysen ausgeführt: - 1922 Hugo von Hofmannsthal: Salzburger Großes Welttheater (UA, Inszenierung: Max Reinhardt) - 1969 Emilio de' Cavalieri: Rappresentatione di Anima e di Corpo, geistliche Oper (Inszenierung: Hans Graf) - 1987 Franz Schmidt: Das Buch mit sieben Siegeln, Oratorium (Inszenierung: George Tabori) Schließlich gibt die Autorin einen Ausblick auf die neuerliche Integration der Kollegienkirche in das Festspielprogramm durch die Leiter des Zeitfluss- Festivals Markus Hinterhäuser und Tomas Zierhofer-Kin in Hinblick auf die Produktion von Luigi Nono: Prometeo (1993) und Morton Feldman: Neither (1997). In ihrer modellhaften Untersuchung der Festspielinszenierungen in der Kollegienkirche macht Constanze Schuler die Bedeutung dieses Kirchenraums als Aufführungsort für Musiktheater und Schauspiel der Salzburger Festspiele deutlich. Aufschlussreich ist die Darstellung der Irritationen, die durch die von Generalsekretär Franz Willnauer 1987 programmierte Aufführung des Oratoriums Das Buch mit sieben Siegeln von Franz 222 Rezensionen Schmidt in einer Inszenierung von Georges Tabori ausgelöst wurden. Der von dieser Produktion ausgelöste Skandal, der in ein erzbischöfliches Verbot szenischer Aufführungen in der Kollegienkirche mündete, kann heute als ein erster Baustein für die Neuausrichtung und Öffnung der Festspiele durch Gérard Mortier und Hans Landesmann in den Jahren 1992 - 2001 gewertet werden. Im Rahmen des von Mortier und Landesmann geförderten Zeitfluss-Festivals gelang Markus Hinterhäuser und Tomas Zierhofer-Kin mit einem programmatisch mutigen und szenisch sensiblen Kurs ein Neuanfang in der Kollegienkirche. Mit der von Hinterhäuser verantworteten Produktion von Salvatore Sciarrinos Oper Luci mie traditrici (2008) in der Inszenierung von Rebecca Horn kam erst jüngst ein neuer Stein in der Perlenkette der szenischen Aufführungen in der Kollegienkirche hinzu. Constanze Schulers Verdienst ist es, ein wichtiges Kapitel Salzburger Festspielgeschichte aufgearbeitet und dem wissenschaftlichen Fachpublikum sowie auch allen am (Musik-)Theater und den Salzburger Festspielen Interessierten näher gebracht zu haben. Ihre Arbeit ermöglicht einen Blick auf die Geschichte der Festspiele und die Entwicklung ihrer Programmatik aus der spezifischen Perspektive einer der Spielstätten heraus, wobei die Inszenierungsanalyse geschickt in den Kontext von Spielstättenrealität, Festspielstruktur und -geschichte eingebettet ist. Die Arbeit legt offen, welch wesentliche Rolle die Verknüpfung von Theater, Kirche und Ritual am Beginn der Festspiele einnahm und wie das Oszillieren von Sakralisierung des Theaters und Theatralisierung von Kirchenraum zu immer wieder neuen Weichenstellungen für das Festspielkonzept führte. München R EGINA W OHLFARTH Anmerkungen 1 Hofmannsthal, Hugo v. “ Die Salzburger Festspiele (1919) ” Gesammelte Werke. Reden und Aufsätze II. Ed. Bernd Schoeller. Frankfurt a. M., 1979, 258. 223 Rezensionen Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG JANUAR 2012 JETZT BESTELLEN! Kati Röttger (Hrsg.) Welt - Bild - Theater Band II: Bildästhetik im Bühnenraum Forum Modernes Theater, Band 38 2012, 336 Seiten €[D] 68,00/ SFr 91,00 ISBN 978-3-8233-6612-6 Die Frage nach dem Zusammenspiel von Theater und Bild lässt sich nicht losgelöst von den medialen Komponenten beantworten, in denen dieses Zusammenspiel gegeben ist. Gleichzeitig ist es von ästhetischen Überschreitungen oder auch verschiedenen aisthetischen Einstellungen bestimmt, die nicht selten mit Medienwechseln oder auch dem Einsatz neuer Technologien einhergehen. Nachdem in Band 1 der gleichnamigen Publikation das Verhältnis von „Welt-Bild-Theater“ unter dem Aspekt der „Politik des Wissens und der Bilder“ thematisiert wurde, befassen sich die Beiträge im vorliegenden Band 2 mit der Frage, ob und inwieweit von spezifischen Bildästhetiken des Theaters in unterschiedlichen historischen Epochen die Rede sein kann. Sei es Theater, Tanz, High-Tech-Spektakel, Performance oder Musiktheater, für alle Bühnenkünste stellt sich dabei immer wieder das Problem, Bildhaftigkeit in Angrenzung zu Sprache, Raum, Zeit, Körper und anderen theatereigenen Phänomenen zu denken. Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG OKTOBER 2010 JETZT BESTELLEN! Kati Röttger (Hg.) Welt-Bild-Theater Band 1: Politik des Wissens und der Bilder Forum Modernes Theater, Band 37 2010, 404 Seiten, 37 Abb., €[D] 68,00/ SFr 96,90 ISBN 978-3-8233-6606-5 Der Titel des Buches ruft das alte Konzept des Theatrum Mundi wieder auf. Damit soll nicht nur das Verhältnis von Welttheater und Welterkenntnis in Vergangenheit und Gegenwart in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden. Gleichzeitig wird eine dritte Größe in dieses Ambivalenzgefüge eingebracht: das Bild. Jüngere Entwicklungen in der Bildforschung machen uns heute auf eine erneute Relevanz des Bildes aufmerksam. War unsere Wissenskultur seit Beginn der Moderne von der Ordnung der Schrift bestimmt, erhalten Bilder durch die technischen Verbreitungsmöglichkeiten, welche die digitalen Medien eröffnen, eine neue Wertigkeit als Kategorie des Wissens. Gleichzeitig wird die Macht der Bilder als zunehmend bedrohlich erfahren, weil Bilder oft als bloßer Realitätsersatz (als Kopie, Abbild oder Simulakrum) verunglimpft oder andererseits mit Lebewesen verwechselt werden. Vor diesem Hintergrund diskutieren die Beiträge dieses Buches die Möglichkeiten eines ‚aufgeklärten’ Umgangs mit und Zugangs zu Bildern, den speziell das Theater eröffnet. Dabei steht insbesondere der Wirkungszusammenhang zwischen Welt, Bild und Theater unter den heutigen Bedingungen der Globalisierung zur Debatte.