Forum Modernes Theater
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Narr Verlag Tübingen
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2007
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BalmeEin richtiger Wald, ein wirklicher Traum
0601
2007
Peter W. Marx
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Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum. Max Reinhardts Sommernachtstraum 1905 Peter W. Marx (Mainz) Jedes Zeitalter hat ein bestimmtes nur ihm eigentümliches Bild von allen Vergangenheiten, die seinem Bewusstsein zugänglich sind. Die Legende ist nicht etwa eine der Formen, sondern die einzige Form, in der wir Geschichte überhaupt denken, vorstellen, nacherleben können. Egon Friedell 1 Der 31. Januar 1905, der Tag, an dem im Berliner Neuen Theater Shakespeares Sommernachtstraum in der Inszenierung von Max Reinhardt erstmals über die Bühne ging, gilt in der Geschichte des “modernen” deutschen Theaters als epochaler Wendepunkt: Legte die Inszenierung für Max Reinhardt in ästhetischer und ökonomischer Hinsicht den Grundstein für seinen kometenhaften Aufstieg, der ihn rund ein halbes Jahr später als Direktor wieder an das Deutsche Theater führen sollte, gilt sie dem grand récit der Theatergeschichte als der endgültige Schlussstein der jahrzehntelangen Experimente mit dem Naturalismus auf der Bühne. 2 Wohl kaum eine Inszenierung verkörpert im historischen Gedächtnis stärker Reinhardts Formel von dem “Theater, das den Menschen wieder Freude macht” 3 als sein Sommernachtstraum von 1905. Dem heutigen Betrachter bleibt dieser Zauber des Neubeginns verwehrt: Nicht nur, weil die Begeisterung vom Vortag emotional unerreichbar bleibt, auch weil die Magie der Aufführung sich nur sehr bruchstückhaft in den verbliebenen Zeugnissen sedimentiert; nur einige Kritiken und wenige Fotos lassen noch einen Blick auf dieses Bühnengeschehen zu. Insofern bleibt für eine heutige Annäherung nur eine “Arbeit am Mythos”, eine historisierende Perspektive, die aus der Zusammenschau des ästhetischen Ereignisses und seiner kulturellen und sozialen Bedingungen eine Annäherung zu gewinnen sucht. Fluchtpunkt der Überlegungen soll im Folgenden das sein, was Egon Friedell als die “unterirdischen Linien” der Geschichte bezeichnet hat. 4 So entwirft Egon Friedell in seiner monumentalen Kulturgeschichte der Neuzeit (1927- 1931), die er bezeichnender- und rätselhafterweise Max Reinhardt widmet, eine Historiographie, die sich nicht auf das Ereignis als manifeste Größe historischer Prozesse bezieht, sondern auf tieferliegende kulturelle - und das bedeutet für Friedell, in einem eher intuitiven als begrifflich scharf umrissenen Sinne, mentale - Vorgänge, die Gesellschaften und Zeiten prägen. So entwirft er Kulturgeschichte als eine fragmentarisch-anekdotische, deren Grundlage ein programmatischer Dilettantismus ist, weil nur dies die Skrupellosigkeit ermögliche, von disparaten Gegenständen zu sprechen, für die der Historiker unmöglich die gleiche Expertise aufbringen könne. 5 Friedells Geschichtsschreibung wird damit in seinem Verständnis zu einer “seelischen Kostümgeschichte”. 6 Sein Konzept, das den formulierten Anspruch des programmatischen Dilettantismus in bisweilen durchaus abenteuerlicher Weise umsetzt, kann gerade für die Theaterwissenschaft ein gutes Vademecum sein, um sich Forum Modernes Theater, Bd. 22/ 1 (2007), 17-31. Gunter Narr Verlag Tübingen 18 Peter W. Marx Abb. 1: Der Reinhardt’sche Wald mit den Elfen. gegen die Verlockungen der großen Entwicklungslinien zu wappnen. Dies umso mehr, als Friedell - in erstaunlicher Nähe zu aktuellen Diskussionen der Geschichtswissenschaft - den Historiker zum festen Bestandteil des historischen Beschreibungs- und Erkenntnisprozesses erklärt: “Alles, was wir von der Vergangenheit aussagen, sagen wir von uns selbst aus. Wir können nie von etwas anderem reden, etwas anderes erkennen als uns selbst”. 7 Von diesem Punkt aus ist es lohnend, sich nochmals dem Reinhardt’schen Sommernachtstraum zuzuwenden, um seine Legende im Geflecht genealogischer Linien und zeitgenössischer Bezüge neu zu lesen. Ziel ist dabei nicht die spektakuläre Enthüllung oder eine Fallstudie, die die Forschung um eine weitere Fußnote bereichert. Eine solche Re-Lektüre wird sich vielmehr zum Ziel setzen müssen, die Inszenierung, die durch ihren eigenen Mythos so überdeutlich erscheint, in die Vielstimmigkeiten ihrer historischen Bezüge zu setzen. Es kann nicht darum gehen, wenn wir Friedell in diesem Punkt folgen, die Legende abzuschaffen, sondern ihre Bedingungen und Wirkungen auf unser eigenes historisches Selbstverständnis zu diskutieren. Die Rezeption der Inszenierung Wirft man einen Blick auf die Kritiken jenes Theaterabends am 31. Januar 1905, so schlägt einem das Echo ästhetischer Überwältigung entgegen. Friedrich Düsel etwa resümiert: “Die Aufführung des ‘Sommernachtstraums’ gehört zu dem Schönsten, was die deutsche Bühne je gesehen hat”. 8 In ähnlichem Ton beschreibt Ernst Heilborn seine Erfahrung: Es war wirklich der Traum einer Sommernacht, in der der Wald seine neckischen, lieblichen Geheimnisse erschließt, ein Traum, den man gläubigen Auges mitansehen durfte, da Shakespeares “Sommernachtstraum” über die Bühne des Neuen Theaters ging. 9 Der “wirkliche Traum”, der von der Kritik immer wieder beschworen wird, fand seinen Ort - und gleichzeitig seinen ‘Auslöser’ - in dem “richtigen Wald”, den Reinhardt auf die Bühne des Neuen Theaters gezaubert hatte. Das Bühnenbild von Gustav Knina war keineswegs nur der szenische Rahmen für die Darbietung des Shakespeare’schen Textes, sondern war zumindest Mitspieler, wenn nicht sogar der heimliche ‘Star’ des Abends. Der Schauspieler Eduard von Winterstein, ein langjähriger Weggefährte Reinhardts, schreibt in seinen Memoiren über das Bühnenbild: Es war ein wirklicher, richtiger Wald, in den man beim Aufgehen des Vorhangs blickte. Ja, um die Täuschung vollkommen zu machen, wurde auf der Bühne mit großen Spritzen Tannenduft erzeugt, der sich bald im ganzen Zuschauerraum verbreitete. Wie nun beim Klange des Mendelssohn’schen Scherzo die Elfen - nicht mehr mit den obligaten Baströckchen angetan, sondern halbnackte, schlanke Mädchen, nur mit grünen Schleiern bedeckt - sich an den Händen haltend, hügelauf, hügelab um und durch die Bäume sich wanden - das war ein berauschender Anblick. An Zwirnsfäden hängende und hüpfende Lichtbirnen täuschten Glühwürmchen vor, und das Mondscheinwerfer-Licht warf berükkende Lichtreflexe durch das Laub der Bäume auf die Bühne. Im Hintergrunde war ein Teil des Bühnenbodens, vielleicht 4 qm umfassend, durch dicke Glasscheiben ersetzt, die Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum 19 von unten beleuchtet waren; das Licht traf in den ebenfalls künstlich erzeugten Wassernebeln die auf dem Spiegel dieses kleinen Sees tanzenden Elfen. 10 Reinhardt schuf einen dreidimensionalen Raum mit plastischen Bäumen und stellte sich damit nicht nur gegen die verbreitete Praxis eines Waldprospekts, der mehr oder weniger geschickt die Assoziation eines Waldes erweckte, er belebte diesen Raum durch allerlei Lichtund, wie wir der Schilderung Wintersteins entnehmen, Dufteffekte. Diese bewirkten zum einen eine sinnliche Grenzüberschreitung zwischen Bühne und Zuschauerraum, zum anderen verstärkten sie die plastische Wirkung des Bühnenraumes. Gerade die an Glühwürmchen erinnernden Lichterketten betonten die vertikale Dimension des Raumes, die auch durch Pucks Epilog, den Gertrud Eysoldt (1870-1955) an den sich senkenden Vorhang geklammert sprach, in den Blick des Publikums gerückt wurde. Die Ausstattung bestach aber nicht allein durch die Opulenz ihrer Mittel - bekanntermaßen führte Reinhardt in diesem Rahmen die Drehbühne in Berlin ein, die bislang nur als Apparatur für schnellere Umbauten eingesetzt wurde. Reinhardt gab ihr eine dramaturgische Funktion, wenn der Wald sich vor den Augen des Publikums zu drehen begann: Es mutet im ersten Augenblick wie ein übermütiges Husarenstücklein an, wenn dieser ganze praktikable Wald mitsamt Laub und Teich, mit Zettel, Titania und ihren Elfen mit Hilfe der geräuschlos funktionierenden Drehbühne plötzlich vor unseren Augen zu kreisen beginnt. Aber warum soll das Mühlrad, das in des guten Zettels dummem Kopfe herumgeht, und das Ende seines Traumes nicht durch so drastische Symbolik angedeutet werden? 11 Diese Beweglichkeit des Raumes zielte über eine technische Illusionssteigerung hinaus. Während Max Reinhardt in seiner Kaufmann von Venedig-Inszenierung 1905 im Deutschen Theater die Drehbühne einsetzte, um ein gedrängtes Panorama Venedigs vor die staunenden Augen des Publikums zu stellen, verwandelte er im Sommernachtstraum das Publikum selbst in Träumende, denen die Welt vor Augen tanzte. Die Wahrnehmung der Zuschauer wurde in die ‘Logik’ des Traumes einbezogen, so dass sie am Ende nicht weniger irritiert und verwundert waren als Shakespeares Figuren beim Erwachen. Genealogische Linien Der Reinhardt’sche Zauber ist indes nicht allein aus sich selbst erklärbar, sondern speist sich aus den Wurzeln einer komplexen und durchaus widersprüchlichen Bühnengenealogie, die in entscheidender Weise die Position der Inszenierung mitbestimmt. So stößt man bereits bei einem nur flüchtigen Blick auf die Bühnengeschichte auf den überraschenden Umstand, dass diese Komödie, die heute so unverbrüchlich zum Repertoire des deutschen Schauspieltheaters gehört, 12 1843 erstmals in Deutschland gespielt wurde. Es war Ludwig Tieck (1773-1853), der den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. für eine Inszenierung des Stückes gewinnen konnte, das bis dahin als unspielbar galt. Seine Inszenierung war ein so großer Erfolg, dass sie die weitere Bühnenpraxis prägte. Sie begründete die Konvention, die Elfen durch Kinder darstellen zu lassen und setzte auch für die weiteren Besetzungen Maßstäbe. Tieck etablierte etwa die Praxis, Puck mit einer Schauspielerin zu besetzen, obwohl er selbst grundsätzliche Vorbehalte gegen diese Lösung hatte: Diese Künstlerin [Charlotte von Hagn] war aber durchaus nicht muthwillig, schalkhaft und komisch, sondern sie suchte durch Empfindsamkeit die Gemüther der Zuschauer zu bewegen; auch hatte sie eine Tracht angelegt, welche die Anzüge des Königs und der Köni- 20 Peter W. Marx Abb. 2: Ein Ballerina-Puck (Paula Schlenther); Sammlung Manskopf der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt/ Main. gin überstrahlte, machte aber Aufsehen, und fand Beifall durch die halbe Entkleidung. 13 Charlotte von Hagn (1809-1891) steht am Beginn einer Bühnenkonvention, die Puck eher als eine elfenhafte Ballerina zeigt, 14 denn als einen anarchistischen Kobold. Obwohl von Hagn großen Erfolg beim Publikum hatte, beklagten einige Zeitgenossen die Unwahrscheinlichkeit bzw. das Unangemessene ihrer Darstellung. So hieß es in einer Kritik: Mit diesen Schmetterlingsflügeln sollte es Fräulein v. Hagn schwerlich gelingen, die Erde in 40 der Minuten zu umgurten. Würde nicht ein dunkles Gewand für einen Kobold passender gewesen sein, wo Alles sich in Gold und Silber hüllte? 15 Dieser Zweifel am Geschmack oder der Wahrscheinlichkeit der Interpretation konnte den Erfolg und die Nachwirkung nicht aufhalten. Zu sehr erlaubte dieser Stil es, bekannte und geschätzte Darstellungsmuster von Schauspielerinnen, die mit den Schlagworten von Toilettenluxus und sinnlicher Ausstrahlung verbunden waren, mit der Figur des Pucks zu verbinden. Gleichzeitig aber wurde dadurch der Sommernachtstraum in die Nähe der Feerie gerückt, die als opulentes Zauberstück in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überaus populär war. Die Feerie - für ihre Kritiker der Inbegriff eines unrealistischen, geistlosen Kommerztheaters - basierte auf einer einfachen Handlung und einer schlichten Dramaturgie, die, ähnlich wie das Melodrama, klar zwischen Gut und Böse unterschied und deren eigentlicher Kern eine Fülle spektakulärer szenischer Effekte war. Dass der Sommernachtstraum in einer gewissen Verwandtschaft zu diesem anrüchigen Genre stand, war auch den Zeitgenossen unbehaglich bewusst, wie man der Mahnung Wilhelm Oechelhäusers entnehmen kann, der im Shakespeare-Jahrbuch 1870 schrieb, es müsse bei Inszenierungen “auf die Lachmuskeln des gebildeten Publikums, nicht der Gallerie, speculirt werden”. 16 Und Theodor Fontane mahnte angesichts einer Berliner Inszenierung aus dem Jahr 1880, der Sommernachtstraum sei “mehr […] als ein heiteres, phantastisches Ballet mit einiger Opernzutat”, 17 er sei vor allem und zuvörderst Dichtung. Diese ängstlich bestrittene Nähe zum Spektakel und damit zu zwar populären, aber kulturell als minderwertig betrachteten Theaterformen, war gerade deshalb so prekär, weil diese Verwandtschaft eben nicht klar räumlich und kulturell geschieden war, sondern auch in die prestigeträchtigen Hoftheater Einzug hielt. So zeigte etwa das Königlich Preußische Theater in Wiesbaden 1897 anlässlich der Kaiserfestspiele den Sommernachtstraum in einer aufwendigen, Aufsehen erregenden Inszenierung. Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum 21 Abb. 3: Ein Zimmer im Palast des Theseus, Wiesbaden 1897. (Programmheft Wiesbaden 1897) Der Intendant des Wiesbadener Theaters, Georg von Hülsen (1858-1922), ohnehin nicht gerade für einen dezenten Inszenierungsstil bekannt, entwickelte im Rahmen der Kaiserfestspiele 18 eine Bühnenästhetik, die sich nicht nur um eine “Glättung” von “Shakespeare’s Direktheiten und Urwüchsigkeiten im Ausdruck” 19 bemühte, sondern die gezielt Möglichkeiten einer ausgeweiteten szenischen Prachtentfaltung suchte. Diese Praxis, die unter der Überschrift der Wiesbadener Bearbeitung programmatischen Rang erhielt, organisierte bekannte kanonische Werke unter dem Gesichtspunkt des Melodramatischen um. Gemeint war damit eine dramaturgische Bearbeitung, die gezielt stumme Szenen, Balletteinlagen und ähnliches einfügte, um den szenischen Apparat zu voller Geltung zu bringen. Als exemplarisch für diesen Inszenierungsstil, den Ernst Leopold Stahl als “Orgien der Prunksucht” 20 bezeichnete, kann nebenstehende Abbildung (Abb.3) von Theseus’ Palast angesehen werden, die sich in überladenen Details ergeht. Stahl formulierte denn auch rückblickend: “Der Photograph und der Vermessungsamtmann führten das große Wort. Phantasie und Geist waren kaum mehr bemüht”. 21 Für diese ästhetische Praxis schien der Sommernachtstraum mit seinem Nebeneinander von Menschen- und Feenwelt und seinen unterschiedlichen Spielorten wie geschaffen. Die Inszenierung schwelgte in üppigen Bildern, wie man den Kritiken entnehmen kann: Alles das war auf seine poetisch-phantastische Wirkung wundervoll berechnet, und immer wieder vertiefte man sich gefesselt in den decorativen Zauber und ward nicht müde des neckischen Spiels zwischen Elfen und den Menschen … 22 Nicht alle Rezensenten teilten diese Begeisterung - im Gegenteil, es finden sich auch ausgesprochen kritische Stimmen gegen diese “Melodramatisierung” des Shakespeare’schen Textes. Besonders deutlich wird Eugen Kilian, der in einer allgemeinen Betrachtung “Zur Aufführung des Sommernachtstraums” im Shakespeare-Jahrbuch von 1898 die Wiesbadener Inszenierung ausdrücklich als Negativbeispiel benennt. So schreibt er mit Bezug auf die neu geschaffene, einleitende stumme Szene: Wohl noch nie hat eine deutsche Bühne auf die Vorführung dieser Komödie eine solch unerhörte und augenblendende Pracht von Dekorationen und Kostümen verwendet. […] Schon als der Vorhang über dem ersten Akte sich hob, wurde das Auge überrascht durch den Anblick eines Bacchanals, das in einem Prunksaal zu Ehren des fürstlichen Paares gefeiert wird: […] das Ganze ein sinnberükkendes, in seiner Art bezaubernd schönes Bild raffiniertester moderner Ausstattungskunst. Was diese stumme Scene aber, die eine beträchtliche Weile das Auge des Zuschauers gefangen nimmt, ehe der Dialog beginnt, mit Shakespeare und dem Sommernachtstraum zu schaffen hat, bleibt unerfindlich. 23 Kilians Warnung, dass “die Ausstattung als solche […] nie zum Selbstzweck werden” dürfe, gipfelt in seiner Feststellung, dass das “Wichtigere und Werthvollere” die “schauspielerisch[e] Wiedergabe des Dichterwortes” sei. 24 Ungeachtet der ästhetischen Wertung, die als Geschmacksfrage nicht zu diskutieren ist, ist es vor allem die wohlbekannte Denk- 22 Peter W. Marx Abb. 4: Szenenbild des Waldes in Beerbohm Trees Inszenierung 1900. figur, dass der Dichter vor dem Theater bzw. dem Regisseur zu schützen sei, die hier - wie auch später gegen Reinhardt - ins Feld geführt wird. Auffällig ist aber auch, dass dieser Gegensatz durch die Gegenüberstellung von Auge und Ohr erfolgt - eine Hierarchie der Sinne, die sich im 18. Jahrhundert mit Blick auf das Theater des Dramas etabliert hatte. Um die genealogischen Linien, die zu Reinhardts Sommernachtstraum führen, zu vervollständigen, muss man auch einen Blick nach London werfen, wo am 10. Januar 1900 das Stück in einer Inszenierung von Herbert Beerbohm Tree (1853-1917) am Her Majesty’s Theatre Premiere feierte. Zum Zeitpunkt der Premiere war Beerbohm Tree, einer der erfolgreichsten Schauspieler und Theaterleiter (“actor-manager”) seiner Zeit, auf dem Höhepunkt seiner Karriere und hatte sich einen Namen als Shakespeare-Regisseur gemacht. In der Forschungsliteratur, die ihn heute eher am Rande zur Kenntnis nimmt, 25 gilt sein Sommernachtstraum als Höhepunkt eines überholten, an Peinlichkeit grenzenden Realismus, der sich in Details und szenischen Effekten erschöpft. Zum Inbegriff dieser ängstlichen Realitätssucht wurden die legendären Kaninchen, die sich in Beerbohm Trees Wald getummelt haben sollen. 26 Auf den zweiten Blick aber erscheint diese Etikettierung, die Beerbohm Tree in das ästhetisch ‘unzulängliche’ 19. Jahrhundert ordnet, zu eilfertig: Bei näherer Betrachtung der Ausstattung und der Reaktionen des Publikums stellt man nämlich fest, dass es sich keineswegs nur um einen perfektionistischen Realismus handelte, der wild ins Kraut schoss, sondern dass der Inszenierung vielmehr eine Ästhetik zugrunde lag, deren Leitbegriffe - Nutzung aller szenischen Mittel, Abkehr vom Primat des Wortes - durchaus als vorausweisend auf die Moderne des 20. Jahrhunderts betrachtet werden können. Auch Beerbohm Tree stellte den Wald in das Zentrum seiner Inszenierung, wie der Kritiker der Londoner Times betont: No scene has ever been put upon the stage more beautiful than the wood near Athens in which the fairies revel and the lovers play their game of hide-and-seek. With a carpet of thyme and wild flowers, brakes and thickets full of blossom, and a background seen through the tall trees, of the pearly dawn or the deep hues of the night sky - the picture is one of real charm and restfulness. The mind in recalling it seems to dwell upon some actual beauty of nature instead of a painted arrangement of canvas and pasteboard. 27 Die Inszenierung lebte von einer Fülle kleiner Effekte, wobei Beerbohm Tree technisch originelle Lösungen ersann, wie den erwähnten Waldteppich, den Reinhardt später für Berlin übernahm, 28 oder kleine Glühbirnchen, die in Oberons Kostüm eingenäht waren. Im Zusammenspiel mit der Mendelsohn’schen Musik, die entgegen der Konvention in voller Länge gespielt wurde, und einer opulenten Ausstattung, deren Ausmaße man bereits an der Zahl von 70 Kindern, die als Elfen mitwirkten, erkennen kann, entstand eine atmosphärische Dichte, die an Kinderphantasien gemahnte. Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum 23 Very charming, too, is Mrs. Tree’s Titania. Her every movement is light and dainty, and as she trips to and fro amid her attendant sprites she looks just such a fairy queen as we have all in childhood pictured ourselves. 29 Das Träumerische der Inszenierung verstärkte sich noch durch einen Regieeinfall, der in seiner Wirkung eine Nähe zu Reinhardts Einsatz der Drehbühne zeigt: The glow dies away, the stage is swallowed up in gloom, the lights in the house are suddenly turned up, and the play is over. It is as if the audience were rudely awakened from a pleasing vision. A moment before they have been in darkness, watching the lighted stage and its throng of gay figures. There is a quick shifting of lights and they find themselves blinking at the curtain, wondering whether it has not really all been a dream. 30 Diese atmosphärische Dichte, die die Handlung des Stückes ganz in den Bereich des Fabelhaften verlagert, konnte nur gelingen, weil die Inszenierung keine Bezüge zur Gegenwart und Lebenswelt seines Publikums herstellte. Nur an zwei kleinen Stellen schien das London des Jahres 1900 durch: So sprach Louie Freear (1871-1939) als Puck mit starkem Cockney-Akzent und Beerbohm Trees Darstellung des Bottom wurde verschiedentlich als selbstironische Referenz auf seine eigene künstlerische Praxis interpretiert. Obwohl (oder vielleicht weil) die Inszenierung seinerzeit ein großer Erfolg war, wird sie von der Forschung heute kaum noch erwähnt. Zu sehr erscheint sie ein Musterfall des kommerziellen Londoner Theaters und des überlebten Victorian stage pictorialism. So wird im Verschwinden der Beerbohm Tree’schen Inszenierung aus dem kollektiven Gedächtnis der Theatergeschichte deutlich, wie sich der grand récit der Moderne nicht an der Theaterpraxis in ihrer Breite orientiert, sondern sich vornehmlich auf die Reformbestrebungen seit den 1890er Jahren konzentriert, die ihre ästhetische Praxis der Reduktion und Abstraktion mit dem Hinweis auf die vermeintlich historisch-authentische Konvention des Elisabethanischen Theaters begründeten. 31 Vergleicht man die Reinhardt’sche Inszenierung mit der von Beerbohm Tree, so wird schnell erkennbar, dass beide Produktionen dieser Richtung, die auf eine historisch adäquate Inszenierung zielte, nicht zugerechnet werden können. Beide Regisseure bedienten vielmehr das zeitgenössische Bedürfnis nach Spektakel und Sinnlichkeit und setzten auf eine in sich stimmige Bühnenatmosphäre. So sehr sich die szenischen Mittel gleichen, so sehr wird aber auch eine Unterschiedlichkeit zwischen Reinhardt und Beerbohm Tree erkennbar: Ein Blick auf das Londoner Bühnenbild des Sommernachtstraums macht deutlich, dass die Bühne zwar vielfach gefüllt war und lebendig wirkte, dass sie in ihrer äußeren Gestalt aber immer noch durch die Beschränkung gemalter Kulissen geprägt war. Der Raum, in dem sich die Darsteller frei bewegen konnten, ohne dass die graphisch erzeugte Tiefenwirkung zerstört wurde, war vergleichsweise schmal. Im Gegensatz dazu schuf Knina eine Raumbühne, deren räumliche Tiefe durch die Drehbühne noch besonders betont wurde. Mit Blick auf den Reinhardt’schen Ursprungsmythos, der mit dem Sommernachtstraum von 1905 verwoben ist, erstaunt es, in welchem Maße die Zeitgenossen sich der englischen Bühnenpraxis und der Nähe von Reinhardt und Beerbohm Tree bewusst waren. So schrieb Heinrich Stümcke: Wer nach London kommt und Englands größten Dramatiker auf der Bühnen kennen lernen will, den weisen die Gastfreunde und die Hotelportiers einmütig in His Majesty’s Theatre, und als Max Reinhardt den ‘Sommernachtstraum’ und ‘Die lustigen Weiber von Windsor’ herausbrachte und durch nie geschaute szenische Effekte verblüffte, da versicherten kundige Thebaner, daß er von jenseits des Kanals nicht nur 24 Peter W. Marx Abb. 5: Standbild aus dem Film Insel der Seligen (1913) Abb. 6: Arnold Böcklin: Im Spiel der Wellen (1883) die Anregung, sondern auch die Muster sich geholt habe. Beerbohm Tree sei groß und Reinhardt sein Prophet! 32 Maximilian Harden verwahrte sich 1905 gegen solche Stimmen und hob stattdessen die Unterschiede hervor: Der Neid hat ihm nachgezischelt, diesen Sommernachtstraum habe schon ein britischer Thespis geträumt und im Neuen Theater sei nur plagiirt, nicht geschaffen worden. Eine wohlausgesonnene Verdächtigung, die aber herzlich dumm ist. Was Herr Reinhardt der Schaulust bot, schiene den von Irving und Beerbohm Tree Verwöhnten wohl dürftig; und der feinste Reiz dieser Aufführung, ihr Orgelpunkt, fände die Leute der londoner season taub. 33 So kam es, als Beerbohm Tree 1907 erstmals nach Berlin kam, zu einer eigentümlichen Verkehrung, denn die Kritiker reagierten vergleichsweise kühl und abweisend. 34 Hatte Beerbohm Tree den Sommernachtstraum - hierin der deutschen Bühnenkonvention nicht unähnlich - als unschuldige Kinderphantasie und Märchenwelt gezeigt, bevölkerten Reinhardts Wald nicht mehr Kinder, ‘unschuldige’, neckische Wesen, sondern “halbnackte schlanke Mädchen, nur mit grünen Schleiern bedeckt”. 35 Seine Kritiker registrierten diese Verschiebung sehr bewusst und hoben sie zumeist lobend hervor. Diese Neuinterpretation der Fabelwesen, die gezielt erotische Obertöne einband, verweist auf eine weitere genealogische Linie, nämlich den seinerzeit legendären Schweizer Maler Arnold Böcklin (1827-1901). Auch wenn es nie eine förmliche Zusammenarbeit zwischen Reinhardt und Böcklin gab, lassen sich doch einige Bezüge feststellen: So basierten etwa die Wandmasken, die Reinhardts erstes Theater Schall und Rauch zierten, auf Entwürfen Böcklins, und als Reinhardt 1913 seinen Film Insel der Seligen drehte, griff er deutlich auf Böcklin’sche Bildmotive zurück. Jenseits dieser mehr oder weniger anekdotischen Berührungspunkte lässt sich ein innerer Bezug zwischen Reinhardt und Böcklin feststellen, der in Böcklins Bildsprache gründet: Dieser nämlich nimmt innerhalb der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts eine Sonderrolle ein. Zwar wurde Böcklin, der zu Lebzeiten ausgesprochen populär war, wie sich an den zahlreichen Reproduktionen seiner Bilder ablesen lässt, immer wieder in die Nähe der großen Strömungen der Moderne gestellt, letztlich aber stehen seine Bilder und ihr Stil quer zu diesen Entwicklungen. Seine fast schon eigentümliche Vorliebe für Nymphen, Einhörner und Kentauren trug Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum 25 ihm denn auch den Vorwurf der “Kentauromanie” ein. Dabei sind Böcklins Fabelwesen keine ätherisch-abstrakten Wesen, sie symbolisieren das Kreatürliche, Sinnliche. Zwar finden sich auch ironische Bilder, wie jenes des Kentaur beim Hufschmied, in der Regel aber überwiegen sinnlich-elementare Figuren und Szenen. Böcklin verbindet hierbei einen realistisch-detailgetreuen Stil mit der Darstellung seiner Fantasiegeschöpfe. Die in den Titeln angegebenen mythologischen Bezüge können kaum darüber hinwegtäuschen, dass Böcklin sich der Figuren lediglich bediente, um sie in seinem Sinne zu interpretieren. Alfred Julius Meier-Graefe hat in seiner Streitschrift Der Fall Böcklin (1905) dies als einen theatralen Grundzug der Böcklin’schen Bilder gekennzeichnet. Meier-Graefe, dessen Abrechnung für die folgenden Jahre die Rezeption des Malers nachhaltig lenkte, bemängelt bei ihm das Abzielen auf den Effekt, die simple Eindeutigkeit der Pose. So kritisiert er an William Turner, was er auch Böcklin vorwirft: Dagegen zeigen seine phantastischen Grotten, seine mythologischen Szenen, seine Feerien, in denen das Gemalte wie flatternder Tüll wirkt, eine zum Theater verwandelte Bildfläche. Sind seine Beleuchtungen im Bilde ungereimt, auf der Bühne kann man sich solche Effekte sehr reizvoll denken; was ihm dort an Solidität abgeht, könnte hier gerade zum Vorzug werden. 36 Letztlich sei, so Meier-Graefe, für den das Theater a priori nur eine mindere Kunst darstellt, die Bildkomposition Böcklins nicht künstlerischen Ideen verpflichtet, sondern einer billigen Effekthascherei: Der Held auf der Bühne wird bei ihm zur ‘Figur’. Seine Landschaften bilden lediglich die Kulissen seiner Figuren. […] Die Hauptsache, das Wesentliche […] wird nun deutlich erkennbar. Es beruht auf der Neuheit der Szene. 37 Liest man diese Kritik jenseits ihrer ästhetischen Wertung als eine Beschreibung von Darstellungsformen, so lässt sich durchaus eine Parallele zu Reinhardts Sommernachtstraum erkennen. Auch dessen Darstellung der Fabelwesen verband das Fantastische mit einem realistischen Darstellungsstil und löste sich so von tradierten Konventionen, um die Fabelwesen als Chiffren des Sinnlich-Kreatürlichen - auch in Abgrenzung zu vorherrschenden gesellschaftlichen Vorstellungen - nutzen zu können. Durch die Übersetzung Pucks “in einen Böcklin’schen Troll”, 38 wie ein Kritiker vermerkte, eröffnete sich der Inszenierung ein über die Theatertradition hinausreichender Resonanzraum. Die Inszenierung im Spannungsfeld der genealogischen Linien Ohne im Entferntesten einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, lassen die aufgezeigten genealogischen Linien doch einige markante Züge der Reinhardt’schen Inszenierung erkennen: Reinhardt scheute sich offensichtlich nicht, unterschiedliche kulturelle Einflussfaktoren zu einem konstitutiven Moment seiner Inszenierung zusammenzubinden. So verknüpfte ihre visuelle Sprache Elemente der Populärkultur, wie dem kommerziellen “Spektakeltheater” englischer Prägung, das nicht vor einer opulenten szenischen Darstellung zurückschreckte, 39 mit einer avancierten Bühnenästhetik. In diesem Wechselspiel wurde der szenische Raum zu einem aktiven Mitspieler: Erst durch die opulente, detailversessene Darstellung des Waldes erhielt das technisch innovative Instrument der Drehbühne eine neue, symbolische Bedeutung. Ebenso wie die Beleuchtung trug sie zu einer Atmosphäre bei, die sich nicht auf der Ebene des Dargestellten erschöpfte, sondern die Zuschauer in ihrer Wahrnehmung einband. Es ist nicht 26 Peter W. Marx Abb. 7: Gertrud Eysoldt als Puck. (Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln, Schloss Wahn) ohne Ironie, dass gerade diese Verbindung von populärkulturellen Elementen, innovativer Technik und einem bekannten kanonischen Text die Wahrnehmung Reinhardts als Überwinder des Brahm’schen Bühnennaturalismus stärkte. Entscheidend trug zu dieser Wirkung auch Reinhardts Neuinterpretation der mythischen Fabelwesen bei. Standen diese seit dem 19. Jahrhundert eher unter dem Vorzeichen unschuldiger Niedlichkeit - eine Linie, die sich von Tieck über Hülsen bis zu Beerbohm Tree nachzeichnen lässt - betonte Reinhardt das Kreatürliche dieser Figuren. Seine Abwendung von der Praxis, die Elfen durch Kinder darstellen zu lassen, öffnet die Figuren als Chiffren vorzivilisatorischer Sinnlichkeit, wie sie sich bei Böcklin vorgebildet finden. Damit war der Wald nicht mehr eine kindliche Gegenwelt, sondern wurde zum Ort der ansonsten gesellschaftlich disziplinierten Sinnlichkeit und Sexualität. Wie sehr dies programmatischen Charakter hatte, kann man auch dem Umstand entnehmen, dass Reinhardt Puck durch Gertrud Eysoldt spielen ließ. Kein schelmisches Elfchen tanzt da im Ballettkleidchen vor uns, sondern es tollte ein Fäunchen, grundhäßlich, boshaft und gutmütig, mit derber Freude an Schabernack und Verwirrung, gänzlich mitleidlos die grimmigsten Schmerzen der armen Irregeführten, wenn sie nur komisch waren, mit einem erfreuten ‘Hoho-ho-ho’ begleitend. 40 Hatte Tieck noch die Sinnlichkeit der Charlotte von Hagn als der Figur entgegenstehende Störung kritisiert, provozierte Reinhardt durch die Besetzung mit Gertrud Eysoldt gerade diese Irritation und machte sie zu einem zentralen Bestandteil seiner Interpretation. Hierbei wirkten sich frühere Rollen der Eysoldt, wie Elektra (Hofmannsthal), Lulu (Wedekind) oder Salome (Wilde), 41 auf den Puck aus, wenn etwa Paul Goldmann ächzte, dass die Eysoldt als “Spezialistin für Hofmannsthalsche und Wedekindsche Frauengestalten” aus dem “lieblichsten Elfen, der je über die Bühne gehuscht ist, einen perversen Gassenbuben machte”. 42 Auch andere Kritiker bemerkten den neuen Akzent, den diese Besetzung für die gesamte Lesart des Stückes setzte: Seltsamerweise ließ man ferner den Puck durch die Darstellerin perverser Frauenrollen Frau Eysoldt spielen, welche aus dem Elfen einen häßlichen Waldkobold machte, der zwar jeder Poesie entbehrte, dessen Clownspäße jedoch den Beifall des Publikums fanden. 43 Marvin Carlson hat dieses Phänomen so treffend als Heimsuchung (“haunting”) beschrieben, 44 und darauf aufmerksam gemacht, dass eine Schauspielerin/ ein Schauspieler, der mit Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum 27 bestimmten Rollen großen Erfolg hatte, auch in neuen Rollen, die diesem Schema nicht entsprechen, von ihren/ seinen bisherigen Bühnenfiguren heimgesucht werden kann. Das Publikum sieht, so Carlson, neben der tatsächlichen Bühnenfigur, den unsichtbaren Körper der alten Rolle. Dass Reinhardt mit dieser Besetzung, die ja im Einklang mit seiner Lesart der Elfenwelt stand, eine grundsätzliche Interpretation des Stückes verfolgte, die auf die conditio humana des Menschen als (auch) kreatürliches Wesen zielte, hat besonders Maximilian Harden betont. 45 Für ihn unterstreicht der Reinhardt’sche Wald bei Athen, wie dünn der scheinbar so erhabene kulturelle Firnis über der Triebnatur des Menschen ist: Lachend verstanden wir die ewig unwandelbare Philosophie der Erotik und waren lachend bereit, den täppischen Puck zu den Weltweisen zu zählen, weil er wiehernd den Hengst vor die Wahl zwischen Stute und Hafer stellt und am Thiergleichniß ahnen lehrt, was wir bald danach im höheren Bereich unseres Wollens schauen: wie grundthöricht es ist, in dieser Welt irrer Triebe hochmüthig auf das Bewußtsein des homo sapiens zu pochen. 46 Harden deutet den Sommernachtstraum, angeregt durch Puck-Eysoldt, nicht mehr im Sinne einer eskapistisch-unschuldigen Kinderphantasie, sondern der Traum wird ihm zum Ausdruck sublimierter Wirklichkeit. Man darf wohl - ohne eine unmittelbare Wechselwirkung behaupten zu wollen - darauf verweisen, dass Freuds Traumdeutung, 1899 bzw. 1900 erschienen, hier als Resonanzraum sicherlich Pate stand. Es wäre eine unzulässige Verkürzung, Reinhardts Inszenierung als eine unmittelbare Wirkung dieses neuen Traumverständnisses lesen zu wollen - gleichwohl wird aber deutlich, dass eine ‘Unschuldigkeit’, wie sie durch die Kostümierung und Ausstattung konventioneller Inszenierungen des 19. Jahrhunderts noch behauptet wurde, von Reinhardt programmatisch unterlaufen wurde. Das agile und raumgreifende Spiel der Eysoldt, die vor Hässlichkeiten nicht zurückscheute, stand symbolhaft für die Rückkehr des Verdrängten. Allerdings wurde dies nicht als Konflikt ausagiert, sondern fand letztlich in der Opulenz der Darstellung eine harmonisierende Versöhnung. Der Erfolg beim Publikum und bei Teilen der Kritik blieb nicht unwidersprochen. Gerade aber die heute oft vergessenen, ablehnenden Stimmen geben Aufschluss über die kulturelle Positionierung der Produktion. So lästert Theodor Müller-Fürer über die “Kataloginszenierung”: Seit sich die Fabrikation von Theaterdekorationen aller Hülfsmittel des Kapitals, der Technik und der Kunst bemächtigt hat und ein ansehnlicher Industriezweig geworden ist, kann man ihr zumuten, auf der Bühne einen Wald plastisch aufzubauen: viele Bäume mit wirklichen Zweigen und Blättern, Unterholz, moosigen Waldboden, kleine glänzende Waldseen, in denen sich der Mond spiegelt, Schilf an ihren Ufern, Glühwürmchen in den Bäumen und im Grase, das Laub der Bäume muß im Winde rauschen, der Ast, auf dem der Faun die Rohrflöte bläst, muß beim Abspringen knacken, und Waldduft muß sich - wenn auch gemischt mit dem Gummiduft der nebelspendenden Dampfschläuche - von der Bühne in den Zuschauerraum ergießen. Das alles liefern Hugo Baruch u. Co. auf Bestellung in angemessener Frist. 47 Paul Goldmann, einer der treuesten Reinhardt-Gegner, stellt dem Regisseur den Dichter gegenüber: Es war also in dieser “Sommernachtstraum”- Aufführung vielerlei zu sehen, nur nicht der “Sommernachtstraum”. An die Stelle der Shakespeareschen Poesie traten die echten Bäume, an die Stelle des Dichters drängte sich anmaßend der Regisseur, an Stelle des “Sommernachtstraum” von William Shakespeare wurde ein “Sommernachtstraum” von Max Reinhardt aufgeführt. 48 28 Peter W. Marx Damit bindet Goldmann ex negativo die Inszenierung in den für das traditionelle Moderne-Verständnis so typischen Diskurs über die Eigenständigkeit des theatralen Kunstwerks ein. Die Schlagworte von Entliterarisierung und Retheatralisierung bilden hier einen begrifflichen Horizont, der es erlaubte, solche Stimmen als Kronzeugen für die Modernität Reinhardts in Anspruch zu nehmen. Eine solche Lesart läuft Gefahr, zugunsten einer Eindeutigkeit der Einordnung die verbindenden Momente und Kontinuitäten der genealogischen Linien auszublenden. Obgleich sich Reinhardt in vielen Punkten gegen die Bühnenkonvention wendet, zeigt doch die Nähe zu Beerbohm Tree oder den Böcklin’schen Bildwelten, dass er keineswegs einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit anstrebte. Vielmehr stand seine Inszenierung in einem produktiven, wenn auch nicht widerspruchsfreien Spannungsverhältnis zur Bühnenkonvention, der Zuschauererwartung und dem Anspruch auf Neugestaltung. So gesehen, fordert der Mythos des Reinhardt’schen Sommernachtstraums einen zweiten Blick: Wenn sich Reinhardt nicht eindeutig in den Kanon der Avantgarde sortieren lässt, dann kann die gespaltene Aufnahme der Zeitgenossen einen Hinweis auf die spezifische Besonderheit und Leistung dieses theatralen Ereignisses geben. Einen bemerkenswerten Ansatz hierzu bietet Ernst Heilborn in seiner Rezension, der Reinhardts Bühne mit der Struktur des Elisabethanischen Theaters vergleicht. Deutlich - hier lassen sich Parallelen zu Goldmann und Müller-Fürer feststellen - beschreibt Heilborn die Abweichung, die er vor allem in einer überbordenden Ästhetik und Visualität erkennt. Heilborn lehnt die Inszenierung aus diesem Grund aber nicht ab, sondern versteht sie als Antwort auf die zeitgenössische Bedingtheit des Berliner Publikums 1905: Aber wir sind weit davon entfernt, ein ideales Publikum zu sein, wir sind phantasielose, überbürdete Großstadtmenschen, und unsere Schauspieler sprechen den Vers, als läsen sie Ansichtspostkarten vor. Shakespeares Bühnengedichte sind in den Jahrhunderten seit ihrem Entstehen dieselben geblieben, die Zuschauer aber sind andere, ganz andere geworden. So meine ich, ist es recht, wenn man uns die Brille aufsetzt, ohne die wir nun einmal nicht sehen können; wenn man unserm Farbensinn schmeichelt, um uns die Traumwelt zu eröffnen, in der Menschen des 16. Jahrhunderts ohnedies heimisch waren; wenn man unserer armen, mißhandelten Einbildungskraft bewußt zu Hilfe kommt. 49 Heilborns Deutung ist nicht nur von einer bemerkenswerten Gelassenheit und Einsicht in die eigenen historischen Fallstricke, sie entwickelt auch eine Idee zur Aneignung kanonischer Werke, die als ausgesprochen innovativ gelten kann. Folgt man Heilborn, so hat Reinhardts Inszenierung ihre szenischen Mittel selbstbewusst eingesetzt, um die Idee des Shakespeare’schen Textes in eine für die Zeitgenossen annehmbare Form zu bringen. Die Formel der “Brille, ohne die wir nun einmal nicht sehen können”, kann als erkenntnisleitendes Konzept für die Beschreibung der Reinhardt’schen Inszenierung angesehen werden. Hierbei bleibt für den heutigen Betrachter, der die Fäden des Gesamten nachträglich entwirrt, die Vielfalt, aber auch die Widersprüchlichkeit der unterschiedlichen Einflüsse und Quellen offen nebeneinander stehen. Heilborns Vorstellung, dies als Bedingung einer zeitgenössischen oder besser zeitgemäßen Rezeption Shakespeares zu deuten, lenkt den Blick auf einen bemerkenswerten Zusammenhang: Reinhardts Inszenierung harmonisiert nicht etwa das heterogene Material, das Shakespeare für sein Stück verarbeitet hat, sondern übersetzt diese Heterogenität in eine Vielfalt der Formen und Einflüsse. Hierdurch entsteht eine Dialektik, die für die Theatergeschichte insgesamt durchaus von zentraler Bedeutung ist: Dort, wo die Bühne Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum 29 sich den historischen Bezügen ihrer Zeit öffnet, die eigene Geschichtlichkeit programmatisch in ihre Kunst und Ausdrucksformen einbindet, gewinnt sie bisweilen eine Gestalt, die sie der Flüchtigkeit des eigenen Augenblicks enthebt - da wird die Bühne tatsächlich zum Wald und das, was sie zeigt, zum Traum als Moment kultureller Selbstreflexion. Anmerkungen 1 Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit. 2 Bde, 1927-1931, 16. Aufl., München 2005, S. 13. 2 Beispielhaft ist hier Günther Rühle in seiner jüngst erschienen Studie Theater in Deutschland, wenn er die Inszenierung als “Wiedergeburt des Theaters aus dem Traum” (S. 113) beschreibt; vgl. Günther Rühle, Theater in Deutschland, 1887-1945. Seine Ereignisse - seine Menschen, Frankfurt/ Main 2007. 3 Max Reinhardt, “Über ein Theater, wie es mir vorschwebt” [orig.: 1901], in: Hugo Fetting (Hrsg.), Max Reinhardt, Leben für das Theater. Briefe, Reden, Aufsätze, Interviews, Gespräche, Auszüge aus den Regiebüchern, Berlin 1989, S. 73-76, hier S. 73. 4 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit., S. 11. 5 Friedell schreibt: “Was aber im Speziellen die Kulturgeschichte betrifft, so ist es schlechterdings unmöglich, sie anders als dilettantisch zu behandeln. Denn man hat als Historiker offenbar nur die Wahl, entweder über ein Gebiet seriös, maßgebend und authentisch zu schreiben […], oder mehrere, womöglich alle Gebiete vergleichend zusammenzufassen, aber auf einer sehr leichtfertige, ungenaue und dubiose Weise”; Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit., S. 49. 6 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, S. 28. 7 Ebd., S. 17. 8 Friedrich Düsel, “Deutsche Zeitung v. 2.2.1905”, in: Norbert Jaron, Renate Möhrmann, Hedwig Müller (Hrsgg.): Berlin - Theater der Jahrhundertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889- 1914), Tübingen 1986, S. 567f.; hier S. 567. 9 Ernst Heilborn: “Frankfurter Zeitung v. 4.2.1905”, in: Norbert Jaron, Renate Möhrmann, Hedwig Müller, (Hrsgg.): Berlin - Theater der Jahrhundertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889-1914). Tübingen 1986, S. 569f.; hier S. 569. 10 Eduard von Winterstein, Mein Leben und meine Zeit. Ein halbes Jahrhundert deutscher Theatergeschichte, Berlin 1947, S. 172f. 11 Heinrich Stümcke, Bühne und Welt Jg. 7. H. 10. 1905, in: Norbert Jaron, Renate Möhrmann, Hedwig Müller, (Hrsgg.): Berlin - Theater der Jahrhundertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889-1914). 1906, Tübingen 1986, S. 574f. 12 So weist der deutsche Bühnenverein in seiner Statistik für die zurückliegende Spielzeit 20 Inszenierungen mit 300 Aufführungen aus, die von insgesamt 111.316 Zuschauern besucht wurden. Damit liegt der Sommernachtstraum an sechster Stelle und war das meistgespielte Shakespeare-Stück der letzten Spielzeit. 13 Ludwig Tieck: “‘Der Sommernachtstraum’, von Shakespeare” [orig.: 1852], in: Ludwig Tieck (Hrsg.), Kritische Schriften. Zum ersten Mal gesammelt und mit einer Vorrede herausgegeben. Vierter Band. (Dramaturgische Blätter. 2. Teil.) Berlin/ New York 1974, S. 375-76; hier S. 376. 14 Wie sehr dies durch das Rollenfach von Hagns angelegt war, kann man der Beschreibung von Ludwig Eisenberg in seinem “Großen Biographischen Lexikon” (1903) entnehmen: “Von einer glänzenden Erscheinung voll der anmutigsten Formen unterstützt, legte sie auf diese [Konversationsstücke] den Schwerpunkt und die Darstellung heiterer und ausgelassener Weltkinder, sowie der koketten Salondamen fand an ihr eine außerordentlich glückliche und begabte Repräsentantin.” Ludwig Eisenberg, Das Große Biographische Lexikon der deutschen Bühne im 19. Jahrhundert, Leipzig 1903, S. 384. 15 Zit. nach Julius Petersen, “Ludwig Tiecks Sommernachtstraum-Inszenierung”, in: Neues Archiv für Theatergeschichte 2 (1930), S. 163-98; S. 194. 30 Peter W. Marx 16 Wilhelm Oechelhäuser, “Ueber die Darstellung des Sommernachtstraums auf der deutschen Bühne”, in: Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft 5 (1870), S. 310-24; S. 321. 17 Theodor Fontane, Causerien über das Theater, 2. Aufl., Berlin 1905, S. 479. 18 Vgl. zu Hülsens Stil und seiner Direktion Maximilian Stetten, “Georg von Hülsen und das Königliche Theater zu Wiesbaden”, in: Bühne und Welt 1 (1898/ 99), S. 101-106, der allerdings (im Stil seiner Zeit) nicht zu einer wirklich kritischen Würdigung Hülsens gelangt. Vgl. auch Heinrich Stümcke, “Die Festspiele auf dem Wiesbadener Hoftheater. Ein kunstpolitischer Traktat”, in: Bühne und Welt 1 (1898/ 99), S. 769-84. 19 Gerda Haddenhorst, Die Wiesbadener Kaiserfestspiele 1896-1914. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau. XXXVI.) Wiesbaden 1985, S. 31. 20 Ernst Leopold Stahl, Shakespeare und das deutsche Theater. Wanderungen und Wandlungen seines Werkes in dreiundeinhalb Jahrhunderten, Stuttgart 1947, S. 472. 21 Stahl, Shakespeare, S. 472. 22 Haddenhorst, Die Wiesbadener Kaiserfestspiele, S. 31. 23 Eugen Kilian, “Zur Aufführung des Sommernachtstraums”, in: Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft 34 (1898), S. 52-65; S. 55. 24 Kilian, “Zur Aufführung”, S. 55. 25 Symptomatisch hierfür ist etwa Jay Halios Studie A Midsummer Night’s Dream (1994), die die jüngere Bühnengeschichte des Stücks beschreibt und die Beerbohm Tree zwar in einer Kapitelüberschrift aufführt, seiner Inszenierung aber nur knappe zwei Seiten widmet. 26 Vgl. ausführlich zu der Inszenierung und auch zur Frage der Kaninchen B. A. Kachur, “Herbert Beerbohm Tree’s A Midsummers Night’s Dream: A Case in Point”, in: Theatre Studies 26/ 27 (1979/ 81), pp. 99-116. 27 Anonymus, “Her Majesty’s Theatre ‘A Midsummer Night’s Dream’”, in: The Times January, 11, 1900, S. 4. 28 Dies berichtet Winterstein, Mein Leben, S. 171. 29 Anonymus 1900, S. 4. 30 Anonymus 1900, S. 4. 31 Vgl. hierzu Wilhelm Hortmann, Shakespeare und das deutsche Theater des XX. Jahrhunderts, Berlin 2001, bes. S. 34-41. 32 Heinrich Stümcke, “Von den Berliner Theatern 1906/ 07. XIV”, in: Bühne und Welt 9 (1907), S. 121-27; S. 121f. 33 Maximilan Harden, “Theater”, in: Die Zukunft 52 (1905), S. 186-96; hier S. 196. 34 Alfred Klaar schrieb in der Vossischen Zeitung: “Die szenischen Bilder haben in geschwätzigen Reklamen einen so großen Schatten vorausgeworfen, daß das Licht, das sie nun ausstrahlten, auch nicht entfernt den Erwartungen entsprach. […] Wir hatten an diesem ersten Beerbohm-Abend nichts zu bestaunen, und es ist wenig und unwesentlich, was wir von ihm annehmen können. Gibt er uns über das ethnographische Interesse hinaus eine Lehre, so ist es nur die, unseren Shakespeare auf dem längst beschrittenen Wege nicht tiefer durchzubilden, aber auch höher einzuschätzen.” Alfred Klaar, “Neues Königliches Operntheater: Gastspiel Beerbohm Tree: ‘König Richard I’”, in: Vossische Zeitung 13. April 1907, o.S. 35 Winterstein, Mein Leben, S. 172. 36 Alfred Julius Meier-Graefe, Der Fall Böcklin und die Lehre von den Einheiten, Stuttgart 1905, S. 204. 37 Meier-Graefe, Der Fall Böcklin, S. 229f. 38 Meyerfeld 1905, S. 307; vgl. hierzu auch Rühle, Theater in Deutschland, S. 109. 39 Vgl. hierzu einführend Michael R. Booth, Victorian Spectacular Theatre 1850-1910, Boston [etc.] 1981, pp. 1-29. 40 Gertrud Prellwitz, “Theater-Korrespondenz”, in: Preu§ische Jahrbücher 120 (1905), S. 149- 55, hier S. 150. 41 Vgl. zur Spielweise der Eysoldt auch Erika Fischer-Lichtes Lesart ihrer Elektra 1903; Erika Fischer-Lichte, Theatre, Sacrifice, Ritual. Exploring Forms of Political Theatre. London/ New York 2005, bes. pp. 1-14. 42 Paul Goldmann, Vom Rückgang der deutschen Bühne. Polemische Aufsätze über Berliner Theater-Aufführungen, Frankfurt/ Main 1908, S. 232. 43 Anonymus, “Neue Freie Presse v. 3. 2. 1905”, in: Norbert Jaron, Renate Möhrmann, Renate, Hedwig Müller (Hrsgg.), Berlin - Theater der Ein richtiger Wald, ein wirklicher Traum 31 Jahrhundertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889-1914), Tübingen, 1986, S. 570f. 44 Vgl. Marvin Carlson, The Haunted Stage. The Theatre as Memory Machine, [ 1 2001], Ann Arbor 2003, bes. pp. 52-95. 45 Harden setzt dies bewusst auch gegen die bisherige Darstellungstradition, wenn er schreibt: “Denn Puck ist weder eines weisen Prospero wohlerzogener Knecht noch ein Seidenpage, der, mit Essenzen besprengt, in Palastzimmern lungert, sondern ein stämmiger Bursch, den das feinere Elfenvolk einen täppischen Gesellen schilt, ist Robin good Fellow, der tausenderlei Schabernack im Schlingelhirn hat, mit heller Schadenfreude die schläferige Gevatterin aus der Dünnbierruhe zwickt, den müden Wanderer ins Dickicht foppt und sich vor Wonne auf seinem Moospolster kugelt, wenns ihm gelang, mit verheißendem Stutengewieher den Hengst von der vollen Haferkrippe zu geilen”; Harden, “Theater”, S. 194. 46 Harden, “Theater”, S. 195. 47 Theodor Müller-Fürer, “Neue Preussische Zeitung v. 1.2.1905”, in: Norbert Jaron, Renate Möhrmann, Renate, Hedwig Müller (Hrsgg.), Berlin - Theater der Jahrhundertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889-1914), Tübingen 1986, S. 571f, hier S. 571. 48 Goldmann Vom Rückgang der deutschen Bühne, S. 232f. 49 Heilborn “Frankfurter Zeitung”, S. 569.
