Forum Modernes Theater
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Narr Verlag Tübingen
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BalmePeter W. Marx: Max Reinhardt. Vom bürgerlichen Theater zur metropolitanen Kultur. Tübingen: A. Francke Verlag, 2006, 244 Seiten.
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Svetlana Jukanitschewa
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96 Rezensionen unter die Lupe genommen. Ferdinand ist der jüngere Bruder von jenem Wilhelm von Bayern, der die CdA-Darstellungen von Schloss Trausnitz in Auftrag gab und er bereiste in den 1560er Jahren die Höfe Norditaliens. In seinen Berichten findet die Autorin theaterhistoriografische Zeugnisse für die Theatralität dieser Zeit und macht Vorbildmomente für die Münchner Hochzeitfeier von 1568 aus, in deren Umfeld die erste dokumentierte improvisierte Aufführung der CdA entstand. Im 2. Teil des Buches werden u.a. neue Funde in die bestehende Bilderlandschaft eingebettet, Motivketten und Vorläufer aufgespürt, sowie Ausbreitung und Wirkung von Sujets untersucht. Katritzky kontextualisiert nach kunsthistorischer Manier die besprochenen Werke und nimmt eine Reihe von Neudatierungen und -zuschreibungen vor. Dabei bewegt sie sich wie viele vor ihr - es liegt in der Natur der Sache - zuweilen auf hypothetischem Terrain. Da detaillierte Beschreibungen von der Aufführungspraxis professioneller italienischer Truppen vor 1600 fehlen, ist man für Informationen zu Bühne und Bühnenbild weitgehend auf die bildnerischen Darstellungen angewiesen. So bespricht Katritzky im 3. Teil ihrer Arbeit anhand von Darstellungen verschiedene Kategorien von Bühnenformen. Weiter wird den zentralen Bühnen-Figuren ein kurzes Kapitel gewidmet, das präzise Informationen zu Kostüm, erster Nennung des Bühnennamens und den dahinter stehenden comici liefert. Eine Übersicht über die wichtigsten Bilderfolgen, die Vorlagen für viele der später auftauchenden Varianten dienten, rundet das Werk ab. Mit der Fülle an Informationen, den 340 s/ w Abbildungen, der 40-seitigen Bibliografie und dem 47-seitigen Index bietet die Edition wie kein anderes Buch eine Übersicht über das wesentliche ikonographische Material der CdA. Der Laie auf dem Gebiet erhält einen soliden Einstieg in die historischen Quellen und in die Ikonographie dieser Theaterform, der Forschende ein wertvolles Nachschlagewerk. Die Autorin bespricht die Quellenlage und die Zusammenhänge von Werken von Ambrogio Brambilla, Sebastian Vrancx, Jan Bruegel, Louis de Caulery, Marten de Vos, Mitglieder der Valckenborch und Francken Familien. Stiche von Jaques Callot und Werke aus dem Stockholmer Recueil Fossard werden genauso herangezogen wie eine Menge wenig bekannter oder bis dahin unbekannter Darstellungen aus dem weiten Spektrum der bildgewordenen Reflexion zur Commedia dell’Arte. Zürich S TEFANO M ENGARELLI Peter W. Marx: Max Reinhardt. Vom bürgerlichen Theater zur metropolitanen Kultur. Tübingen: A. Francke Verlag, 2006, 244 Seiten. Kaum eine andere Größe der europäischen Regie der ersten Dekaden des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist so oft zum Gegenstand theaterwissenschaftlicher Auseinandersetzungen geworden wie Max Reinhardt. Die beeindruckende Fülle der Publikationen, die zu Lebzeiten Reinhardts entstanden ist, wurde befördert durch die enorme gesellschaftliche Ausstrahlung dieses einzigartigen Künstlers, dem es binnen weniger Jahren gelungen war, zu einem in ganz Europa gefeierten Theatermacher und Leiter eines Theaterimperiums zu avancieren, und sie stand ganz im Zeichen der Suche nach seinem Erfolgsgeheimnis. Der erst einige Jahre nach dem Tod Reinhardts gewonnene Abstand zu seinem Schaffen ermöglichte eine differenzierte Einschätzung seines Theaters und dessen Einordnung sowohl in den theatralen als auch in den gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit. Nach knapp sechzig Jahren der ziemlich intensiven Beschäftigung mit dem Mythos Reinhardt scheinen heute sowohl seine Theaterunternehmen und alle seine Inszenierungen mehrfach und aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht als auch sein Privatleben in einzelnen Aspekten rekonstruiert zu sein. So wird jeder neue Versuch, einen analytischen Blick auf Reinhardts Leben zu werfen, schon allein deswegen zu einem spannenden Unterfangen, weil es immer komplizierter wird, neue Gesichtspunkte zu finden, unter denen Reinhardts Theaterarbeit analysiert werden könnte. Peter Marx, dem Autor der jüngsten Max- Reinhardt-Monographie, ist es gelungen, einen neuen Zugang zum Phänomen Reinhardt zu fin- Forum Modernes Theater, Bd. 22/ 1 (2007), 96-98. Gunter Narr Verlag Tübingen Rezensionen 97 den, indem er seine Betrachtungen methodisch an die Definition der Theatergeschichte als “Analyse des Verhältnisses von Inszenierung und dem Theater als Produktions- und Rezeptionsort” (19) anknüpfte und Reinhardts Theater als “Reflex der es umgebenden Zeit und Gesellschaft” (12) zur Diskussion stellte. Die zentrale Blickrichtung der Studie, wie sie bereits in ihrem Untertitel thematisiert erscheint, bewegt sich vom “bürgerlichen Theater zur metropolitanen Kultur”. Reinhardts Theaterkonzept wird dabei als Ausdruck der infolge der sozialen Veränderungen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Bürgerlichkeit begriffen. “Das Theater Max Reinhardts kann als ein typisches Beispiel dieser Bürgerlichkeit angesehen werden”, lautet die Leitthese des Verfassers, “an die es sich gezielt anlehnte und für die es ausdrücklich Angebote und Räume eröffnen wollte. Es entfaltet sich vor dem Hintergrund dieses Verständnisses von Bürgerlichkeit, es entwächst diesem aber gleichzeitig und wird Bestandteil einer internationalen, metropolitanen Kultur” (26). Im ersten Teil der Studie, “Theaterräume - Theaterentwürfe - Theaterformate”, wird der programmatische Pluralismus Reinhards Theaterkonzeptes am Beispiel dreier Theaterprojekte vor Augen geführt. Zuerst beschäftigt sich der Verfasser mit dem Kabarett Schall und Rauch (1901), an dessen Programm, Innenausstattung und äußerer Gestaltung sich künstlerische Bestrebungen und wirtschaftliche Ambitionen Reinhardts zu Beginn des 20. Jahrhunderts ablesen lassen. Ein Einblick in die Spielplangestaltung dieser Kleinkunstbühne und die darauffolgende Beschreibung ihrer räumlichen Verhältnisse und Atmosphäre macht ersichtlich, dass Schall und Rauch Reinhardt einen weiten Spielraum für Experimente mit verschiedenen ästhetischen Mitteln und Theaterformen eröffnete, deren Nebeneinander seinen späteren Inszenierungsstil auszeichnete. Zugleich orientierte sie sich in ihrer grundlegenden Intention, die u.a. im exquisiten Interieur und in der zentralen Lage zum Tragen kam, auf die “großbürgerliche Salonkultur” und ihre “Repräsentationsformen” (51f.) und war dadurch auch imstande, “einen Prozess der ‘Besiedelung’ der Stadt unter neuen Vorzeichen” (52) zu reflektieren. Die Kammerspiele des Deutschen Theaters, auf die Marx im nächsten Schritt eingeht, zeigten sich ebenfalls einerseits der “Idee eines Salontheaters um die Jahrhundertwende” [77] verhaftet. Reinhardt verstand es, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Exklusivität dieser Bühne zu betonen. Durch die hohen Eintrittspreise, Frackzwang und die entsprechende Innenausstattung der Räume machte er die Kammerspiele zu einer “Bühne für die bürgerliche Selbst- Darstellung, deren Habitus gezielt Eleganz und Stil großbürgerlicher Lebensführung evozierte” (75). Andererseits betrachtete er dieses Theater, wie Marx am Beispiel von zwei zukunftsweisenden Produktionen Reinhardts - Ein Sommernachtstraum (1905) und Gespenster (1906) - ausführt, als ein Experimentierort, an dem er, wie es bereits die Gespenster-Inszenierung beweist, “mit der herkömmlichen Inszenierungstradition” zu brechen suchte, indem er “sich nicht länger am Ideal einer möglichst getreuen, realistischen Darstellung” orientierte, sondern diese mit Hilfe der Bühnenbildentwürfe von Edvard Munch “vielmehr dem Konzept eines visuellen Gesamteindrucks unter[ordnete] “ (67). Das den ersten Teil abschließende Kapitel beschäftigt sich mit Reinhardts Arena-Aufführungen, in denen sich partiell Reinhardts Vision vom Theater der Fünftausend materialisiert findet und die eine weitere Entwicklungsphase des Theaterkonzeptes von Reinhardt markieren. Eine detaillierte Beschreibung der berühmten König Oedipus- Inszenierung im Zirkus Schumann macht deutlich, dass die Großrauminszenierungen, die “auf eine mehrtausendköpfige Zuschauerschar angelegt” (83) wurden, als ein “spiegelbildlicher Gegenentwurf” (90) zu den an die bürgerlichen Salons referierenden Konzepte des Kabaretts und der Kammerspiele gedacht waren. Sie wurden zu “ein[em] Reflex auf die Erfahrung der modernisierten Großstadt” (102) und sie sollten die Aufgabe erfüllen, der “das bürgerliche Theater […] nicht mehr gewachsen war”: die Masse “in eine Gestalt zu füllen” (117). Beschäftigen sich die Kapitel des ersten Teils der Studie mit Reinhardts ästhetischem Programm, so stehen im Blickfeld des zweiten Teils “der organisatorische Aufbau des ‘Theaterimperiums’ Reinhardt sowie seine Arbeitsweise” 98 Rezensionen (119). Im einleitenden Kapitel, “,Reinhardt goes global! ’ Tourneen, Gastspiele, Expansionen”, skizziert der Verfasser anhand einer detaillierten Beschreibung der 1911 in der Londoner Olympia Hall herausgebrachten Großrauminszenierung von The Miracle, mit der Reinhardt “aus dem deutschen Sprachraum auf das internationale Parkett” (135) trat, wie Reinhardts Theater sich “zu einer Kunstform entwickelte, die konsequent den Horizont nationaler, bürgerlicher Kunst überschritt” (119). Bemerkenswert ist das Kapitel, in dem Marx sich mit den wenigen Arbeiten Reinhardts für die Filmindustrie beschäftigt. In Anbetracht der weiten Bandbreite ästhetischer und technischer Mittel, zu denen Reinhardt in seinen Inszenierungen griff, kann man allerdings eine intensive Wendung des Regisseurs zum aufgehenden Medium Film vermuten. In der Tat aber ist es Reinhardt trotz einigen Versuchen nicht gelungen, im Kino an seine Theatererfolge anzuknüpfen. Von Reinhardts ‘Rendezvous’ mit dem Film ‘profitierte’ hauptsächlich der Film, der aus seinen Arbeiten starke Impulse bezogen hat. Der enorme Erfolg Reinhardts, auf den im Buch immer wieder hingewiesen wird, wirft die Frage nach den wirtschaftlichen Grundlagen seiner Unternehmungen sowie nach Strategien, deren Einsatz die Nivellierung der für die bürgerliche Gesellschaft charakteristischen Gegenüberstellung von Kunst und Ökonomie ermöglichte, auf, der im Band ebenfalls nachgespürt wird. Anschließend müssen auch die Schlusskapitel des Bandes, die das Theater von Max Reinhardt im Kontext und als Teil der deutsch-jüdischen Geschichte und “als historisches Lehrstück, das zentrale Züge der historischen Entwicklung offenbart” (211) diskutieren und die das Bild des Reinhardtschen Schaffens plastisch vollenden, erwähnt werden. Der Gesamteindruck, der nach der Lektüre entsteht: eine präzise, kenntnisreiche, klar strukturierte, elegant geschriebene und gut zu lesende Arbeit. Berlin S VETLANA J UKANITSCHEWA Martin Baumeister: Kriegstheater. Groß stadt, Front und Massenkultur 1914-1918. Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte. Neue Folge. 18. Essen: Klartext Verlag, 2005; 320 Seiten. Die Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts ist in den letzten Jahren ein wenig stiefmütterlich behandelt worden. Zwar sind eine Reihe von wichtigen Einzelmonographien erschienen bzw. fanden einzelne Aspekte eine Würdigung, Arbeiten aber, die in größerem Maßstab darauf zielen, Theater (mit all seinen Formen und Schattierungen) in seiner Wirkung auf den kulturellen und sozialen Kontext zu beschreiben, haben nur wenige sich zur Aufgabe gemacht. Martin Baumeister wendet sich in seiner Studie Kriegstheater diesem Zusammenhang zu, wenn er das Verhältnis von Theater und theatralen Formen und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs bzw. der ‘mentalen Aufrüstung’ im Vorfeld untersucht. Es ist nicht ohne Ironie, oder wenn man es ernster formulieren will, symbolische Bedeutung, dass ein solch wichtiger Anstoß, eine solche kreative Weiterung des historiographischen Blicks nicht von einem Theaterwissenschaftler, sondern von einem Historiker kommt. Verzichtet man allerdings auf disziplinären Lokalpatriotismus, kann man sich vor allem daran freuen, dass hier der so oft beschworene interdisziplinäre Blickwinkel eindrucksvoll sein Potenzial unter Beweis stellt. Theater, so der Ausgangspunkt von Baumeister, hatte entscheidenden Anteil an der Mobilisierung der Bevölkerung, die für einen Massenkrieg wie den Ersten Weltkrieg unverzichtbar war. So einleuchtend dies auf den ersten Blick sein mag, methodisch erfordert ein solcher Fokus einen beständigen Grenzwechsel zwischen der sog. Hoch- und Populärkultur. Dies aber ist nur möglich, wenn man seine Begriffe grundsätzlich hinterfragt: Populäre Kultur lässt sich dementsprechend weniger durch ästhetisch-moralische Kategorien bestimmen, wie sie ihre zeitgenössischen Gegner ins Feld führten und die noch bei wissenschaftlichen Diskussionen um die ‘Trivialliteratur’ und das ‘Trivialtheater’ im Vordergrund standen, sondern mehr durch ihren über den Markt vermittelten demokratischen Charakter. (16) Forum Modernes Theater, Bd. 22/ 1 (2007), 98-100. Gunter Narr Verlag Tübingen
