eJournals Forum Modernes Theater 22/2

Forum Modernes Theater
fmth
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2196-3517
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/1201
2007
222 Balme

Uwe Böker, Ines Detmers, Anna-Christina Giovanopoulos (Eds.): John Gay’s The Beggar’s Opera 1728-2004. Adaptions and Re-Writings. Internationale Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Bd. 105. Amsterdam, New York: Editions Rodopi, 2006. 347 Seiten (engl. u. dt.).

1201
2007
Constanze Schuler
fmth2220216
216 Rezensionen noch jene Prägungen durch die Theaterbühne, die in der Forschung als so charakteristisch für diese Phase des Films beschrieben wird, so zeigt Sumurun sehr klar, dass Lubitsch sich den Stoff, der ihm von der Bühne her vertraut war, in einer innovativen, weil durch das Medium Film geprägten Weise aneignet. Die Schnitte und Kameraeinstellungen schaffen einen eigenständigen Rhythmus, der die medialen bzw. technischen Differenzen zwischen Bühne und Film ausstellt. Gleichzeitig ist die Reverenz an Reinhardt dem Film auch schon in seiner Besetzung eingeschrieben - zum letzten Mal trat in diesem Film Lubitsch selbst als Schauspieler vor die Kamera. Die Bergkatze (UA 1921) schließlich, in dem, wie in Sumurun, Pola Negri (1897-1987) die weibliche Hauptrolle spielt, wird im Vorspann als Groteske bezeichnet und macht diese Genrebezeichnung zum Programm: Optisch durch die Bauten von Ernst Stern geprägt, verbindet der Film komödiantische und melodramatische Elemente zu einer Fabel, die weniger von ihrem Inhalt als vielmehr von der Fülle komischer oder anrührender Einzelszenen lebt. Abgerundet wird diese Sammlung durch einen Dokumentarfilm, der den Lebensweg Lubitschs von Berlin nach Hollywood nachzeichnet. Die aufwendig gestaltete DVD-Box sowie ein Beiheft, von dem man sich im Ganzen aber doch etwas mehr Information gewünscht hätte, komplettieren das Set. Es ist zweifellos aus kulturgeschichtlicher Perspektive verdienstvoll, dass diese Filme nun wieder in einer gut erhältlichen und technisch einwandfreien Form vorliegen. Jenseits ihrer dokumentarischen Verdienste eröffnet die Sammlung dem, der sich auf das den Filmen eigene Bild- und Zeitmaß einlässt, ein großes Vergnügen. Mainz P ETER W. M ARX Uwe Böker, Ines Detmers, Anna-Christina Giovanopoulos (Eds.): John Gay’s The Beggar’s Opera 1728-2004. Adaptions and Re- Writings. Internationale Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Bd. 105. Amsterdam, New York: Editions Rodopi, 2006. 347 Seiten (engl. u. dt.). Bereits die erste Londoner Aufführungsserie von John Gays Beggar’s Opera im Jahr 1728 ließ keinen Zweifel daran, dass hier eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte ihren Lauf nahm: Besucherrekorde, überfüllte Häuser und Gastspiele verhalfen dem neuen Genre der ballad opera zu einer nie gekannten Popularität und machten ihren Schöpfer John Gay über die Grenzen Londons hinaus bekannt. Der von Uwe Böker, Ines Detmers und Anna-Christina Giovanopoulos herausgegebene Band John Gay’s The Beggar’s Opera 1728-2004. Adaptions and Re-Writings beschäftigt sich mit dieser Erfolgsgeschichte sowohl aus der Perspektive einer zunehmenden Kommerzialisierung von Theater seit Beginn des 18. Jahrhunderts als auch im Hinblick auf das literaturgeschichtliche Phänomen der Adaption und des Re-Writing - im Sinne der Um- und Fortschreibung einer literarischen Vorlage für ein verändertes zeit-, kultur- und sozialgeschichtliches Umfeld. Den Autoren gelingt es im einleitenden Artikel “From Gay to Brecht and Beyond: Imitation and Re-Writing of The Beggar’s Opera - 1728 to 2004”, den wissenschaftstheoretischen Zugang sowohl im Hinblick auf etablierte postmodern geprägte Diskurse als auch hinsichtlich fachspezifischer Grenzen zu erweitern. Der literaturwissenschaftlich-komparatistische Ansatz wird an eine theaterwissenschaftliche Lesart gekoppelt und Aufführungsgeschichte wird als Geschichte beständiger Um- und Fortschreibungen betrachtet: “If we consider theatrical performance to be a kind of re-writing, it is […] an on-going process of story-making and finding new meaning in the contexts of social structures and power relations of a given society at a given historical moment” (19). Der gelungene Brückenschlag zwischen Literatur-, Theater- und Kulturwissenschaft ist die Grundlage für den Facettenreichtum dieses Sammelbandes, der sich ausgehend vom Prototyp der Gay’schen Beggar’s Opera mit diversen Adaptionen und Neufassungen beschäftigt. Die Beispiele reichen von der im 20. Jahrhundert vergleichbar beliebten Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Forum Modernes Theater, Bd. 22/ 2 (2007), 216-217. Gunter Narr Verlag Tübingen Rezensionen 217 Weill über im deutschen Sprachraum weniger bekannte Stücke wie Václav Havels Zebrácká opera, Wole Soyinkas Opera Wonyosi, Chico Buarque de Hollandas Ópera do Malandro, Dario Fos L’opera dello sghignazzo bis hin zu Alan Ayckbourns A Chorus of Disapproval. Uwe Böker ordnet im ersten Beitrag die Beggar’s Opera von John Gay in die sozialhistorischen Kontexte der Entstehungszeit ein und benennt mit der Kriminal- und Bettlerthematik, der politischen Satire, der parodistischen Umdeutung der italienischen opera seria zur englischen ballad opera und der Kommerzialisierung von Kultur und Literatur wichtige Eckpfeiler des Publikumserfolgs von 1728. Dieser eigentümliche Grundakkord aus gesellschaftspolitischer Satire und Kommerz, aus dem Unterhaltungsanspruch einer beginnenden leisure industry und dem durchaus subversiven Potenzial des Stoffes wird auch in den anderen Beiträgen des Sammelbandes aufgenommen und erweist sich als Gradmesser für die Akzentverschiebungen, die die Autoren von Bearbeitungen und Neufassungen im Hinblick auf den jeweiligen zeit- und kulturgeschichtlichen Kontext vorgenommen haben. Diese Herangehensweise ermöglicht immer wieder aufschlussreiche Seitenblicke auf weniger beachtete ‘Nebenschauplätze’: So beleuchtet Ian Gallagher das Rechts- und Strafsystem sowie Londons kriminelle ‘Unterwelt’ um 1728, während sich Anna-Christina Giovanopoulos mit den historischen Vorbildern für John Gays Beggar’s Opera sowie deren Mystifizierung beschäftigt. Horst Höhne richtet sein Augenmerk auf Polly, die wenig erfolgreiche und kaum bekannte Fortsetzung der Bettleroper, mit der es John Gay nicht gelang, an den Erfolg seines Genre- Erstlings anzuknüpfen. Frank Engelmann lotet anhand der 1773 aufgeführten Bow-Street Opera den schmalen Grat zwischen Adaption, Bearbeitung und Plagiat aus. Das ebenso emphatische wie nüchtern-sachliche “Hoppla” aus dem Lied der Seeräuber-Jenny wählt Klaus Schuhmacher als Ausgangspunkt für seine Überlegungen zur Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Es wird für ihn zur Chiffre einer spezifischen Ästhetik, zum “Erkennungswort der Epoche”, in dem sich jene “Suchtmixtur aus Desillusion und Schamlosigkeit, Sachlichkeit und Sentimentalität” (193) spiegelt, mit der Brecht/ Weill den Nerv der Zeit treffen. Den europäischen Modellen der Beggar’s Opera und der Dreigroschenoper stellt Wumi Raji die 1977 entstandene Opera Wonyosi von Wole Soyinka gegenüber und untersucht Umakzentuierungen, wie sie Soyinka im Hinblick auf die soziokulturelle Situation im postkolonialen Afrika der ausgehenden 70er Jahre vorgenommen hat. Auch Kathrin Sartingen, Christoph Oliver Mayer und Anja Müller konzentrieren sich in ihren Beiträgen über die Umdeutungen der Beggar’s Opera durch Chico Buarque de Hollanda, Dario Fo und Alan Ayckbourn auf die Frage nach den Techniken und Verfahrensweisen des Re- Writing, der kulturellen Übertragbarkeit, dem Aktualitätsbezug und dem provokativen Potenzial des Stoffes in seiner Scharnierfunktion zwischen den Zeiten und Kulturen. Auch wenn einzelne Aufsätze z.T. ein wenig zu kursorisch geraten sein mögen, erlaubt der Sammelband ein produktives ‘Re-Reading’, eine neue Sicht auf bekannte wie unbekannte Bearbeitungen und Fortschreibungen der Beggar’s Opera von 1728 bis 2004 und wird somit zum interessanten Referenzpunkt für die Phänomene des Re-Writing und der Adaption. Mainz C ONSTANZE S CHULER Martin Revermann: Comic Business. Theatricality, Dramatic Technique, and Performance Contexts of Aristophanic Comedy. Oxford: University Press, 2006, XIV + 396 S. Die hier anzuzeigende Studie Revermanns kann eine doppelte Bedeutung beanspruchen. Sie arbeitet (1) ein wesentliches Strukturmerkmal der attischen Alten Komödie - in Abhebung zur Tragödie - heraus, ihre besondere ‘Betriebsamkeit’, Dynamik und Handlungsvielfalt (von Revermann als ‘comic business’ gefasst), die sie von der eher statischen Tragödie unterscheidet. Hierfür nutzt Revermann (2) das Instrumentarium des performance criticism, das er zugleich weiterentwickelt. Diese zweite Bedeutung macht Rever- Forum Modernes Theater, Bd. 22/ 2 (2007), 217-219. Gunter Narr Verlag Tübingen