Forum Modernes Theater
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Narr Verlag Tübingen
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2008
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BalmeAm Puls der Zeit
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2008
Meike Wagner
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Am Puls der Zeit. Theater und Revolution im 19. Jahrhundert Meike Wagner (München) Nie und nirgends habe ich die Bedeutung der Bühne, und ihre Stellung zu den Forderungen der Zeit verkannt; unzählige Male habe ich mir es zur Pflicht gemacht, darauf hinzuweisen, daß sie ihr Heil nur im festen, innigen Anschließen an die Gegenwart und das Leben finden könne. 1 Das Theater ist das constitutionelle Haus der Poesie, in welchem der Dichter mit der Beredsamkeit der dramatischen Kunst zur Volksversammlung spricht. 2 Politisches Handeln und gesellschaftliche Relevanz für die Gegenwart - darauf bestehen die Publizisten um 1848, wenn es um dramatische Kunst und Theater geht. Ein Lebensgefühl schlägt sich Bahn, das eine Erneuerung, einen Umschlag des Geschichtsverlaufs in eine bessere Gesellschaft, eine bessere Nation erwarten lässt. Die Zeit selbst setzt die Ziele, das Theater darf sich dem unruhigen Puls der Revolution nicht entziehen. Es werden Antworten von ihm gefordert auf die politischen und gesellschaftlichen Fragen des Umbruchs. Aber welches Theater könnte dies erfüllen? Welche Position muss das Theater hier einnehmen zwischen publizistischer Öffentlichkeit, Kunstautonomie und Repräsentationsanspruch? Und, lässt sich hier eine Neu-Konzeption von Theater erkennen, oder haben wir es hier letztlich mit den Schlagworten einer doch befristeten revolutionären Erhebung zu tun? Nach der französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen ist Europa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet durch massive soziographische und politische Veränderungen. Die Spannungen zwischen Restauration und politischem Reformwillen entladen sich 1848 in Revolutionen. In der Theatergeschichtsschreibung wird die Epoche von 1800 bis 1850 überwiegend als wenig produktive Phase gewertet, da die Erfolgsformate der Zeit - Rührstück und Melodrama - keine literarische Anerkennung erfahren. Interessant erscheint jedoch, Theater und Theatralität als operatives Medium und Modell einer Öffentlichkeit zu betrachten, die in der politischen Umbruchsphase ihre performative Wirksamkeit entfaltet. Denn es lässt sich zwischen 1840 und 1848 eine publizistische Debatte feststellen, die Theater als wirksame Öffentlichkeit kämpferisch verhandelt. In den Revolutionen von 1848/ 49 materialisieren sich diese Diskurse; jetzt ist die Zeit für eine lebensnahe und politiknahe Theaterpraxis. Mein Beitrag wird Albert Lortzings Opernprojekt Regina (1848) in diesen Zusammenhang stellen - der revolutionäre Lortzing am Puls der Zeit. Öffentlichkeit und Zirkulation Trotz des Diktums eines politischen Scheiterns der Revolutionen von 1848/ 49, muss man davon ausgehen, dass in der kurzen freiheitlichen Zeitspanne in Deutschland Konzepte einer modernen Literatur und Theaterkunst erprobt wurden, die eine auch über das Scheitern hinaus wirksame Moderne-Entwicklung in Gang setzten. Es stellt sich nun die Frage, welches Konzept von Literat und Dichter (Intellektuelle) respektive Dramatiker und Theaterkünstler hier vorliegt, und daran angekoppelt, welches Konzept von Literatur und Dichtung? Können Literatur, Theater und Literaten politisch wirksam sein? Jürgen Fohrmann hat die These aufgestellt, dass sich um 1800 ein geschichtliches Be- Forum Modernes Theater, Bd. 23/ 2 (2008), 121-134. Gunter Narr Verlag Tübingen 122 Meike Wagner wusstsein herausbildet, das auf dem Paradigma der Bewegung beruht und so zuallerst die Grundlage einer politischen und gesellschaftlichen Moderne ermöglicht: Von nun an ist ‘Zeit’ auch als die Selbstüberholung der Geschichte in das Denken getreten, und mit ihr wird der alte Raum gegen einen offenen Horizont von Möglichkeiten eingetauscht. Am Ende dieses Prozesses, ab den 1830er Jahren, tauchen dann nicht nur vereinzelt, sondern programmatisch all jene Schlagworte auf, die eine moderne Gesellschaft prägen und die sich in den Ideen des ökonomischen und politischen Liberalismus niederschlagen werden: ‘Freiheit’, ‘Emanzipation’, ‘Fortschritt’, ‘Gegenwart’, ‘Leben’, ‘Jugend’ usw. Was damit gegeben wird, ist ein Versprechen zur Moderne: Alles ändert sich, und alles ändert sich qua Bewegung nach vorn, zum ‘Besseren’. 3 Die Schnelligkeit der Zeit erfordert Orientierung. Daher entsteht, so Fohrmann, in dieser Zeit ein Diskurs um gesellschaftliche Wirksamkeit von Kunst und ein neues Bild von Gelehrsamkeit - nicht mehr als Ansammlung von Wissen, sondern als selegierende Vermittlungskompetenz von Wissen. Diese Entwicklung bringe das Bedürfnis einer medialen Vermittlungsinstanz hervor, die in Gestalt des Intellektuellen öffentlich wirken soll. 4 Diese Vermittlerrolle lässt sich nicht abtrennen von der Medienentwicklung der Zeit, das neue Leben ist eng verschränkt mit Öffentlichkeit und öffentlicher Debatte. “Öffentlichkeit wiederum ist Zirkulation. Zirkulation wird durch schnelle Medien hergestellt”. 5 Die neue Rolle eines Intellektuellen, idealerweise realisiert durch den Publizisten und Journalisten, verknüpft Universalität (im Gegensatz zum Spezialwissen des traditionellen Gelehrten) und Öffentlichkeitsanspruch (aus der Souveränität des Volkes hergeleitet): Vom Leben ermächtigt, bejaht der Intellektuelle also einerseits als reiner Agent des Mediums, etwa der Zeitschrift, die Verbindung von Öffentlichkeit und Sozialwissen, Allgemeinheit und zirkulierendem Geschwätz. Es ist nur das eine Leben, auf das alles führt, und es kann mithin nur eine ungeteilte und allerorts nötige Stimme geben, die für das Leben spricht. Weder wird eine ständische Differenz mehr akzeptiert noch erscheint ein spezialisiertes Reden sinnvoll, das sich aus den Kompetenzen speist, die - etwa im System allmählich entstehender moderner Disziplinen - im Rahmen funktionaler Differenzierungen erworben werden. Der universalistische Anspruch ergibt sich aus der Logik der Zirkulation, die die Anschlußfähigkeit an die erste Stelle setzt. 6 Fohrmann arbeitet als diskursives ‘Korrektiv’ zum Intellektuellen die historische Idee der ‘Kunst als sittlich-schöne Form’ heraus. 7 Diese steht für eine Wertbeständigkeit, die der Aktualität und der schnell vollzogenen Anschlussfähigkeit des intellektuellen Publizisten an den ‘Zeitgeist’ entgegensteht. Die zeitgenössischen Debatten um Theater zeigen die Verhandlung dieser beiden Konzepte von ‘Kulturvermittlung’. Die Theaterpraxis der Zeit muss sich messen lassen an ihrer Fähigkeit beides zu realisieren: im Durchgang durch die Werte einer idealistischen Kunstidee eine gesellschaftliche Anschlussfähigkeit herzustellen - Öffentlichkeit und Zirkulation. Die Zeit gebietet es, gesellschaftliche Relevanz und politische Wirksamkeit von Theater zu erreichen. Dieses Konzept von Theater, so meine Annahme, scheint eng verbunden mit der revolutionären Situation. Im Kern einer Debatte um die politische Funktion von Literatur und Theater lässt sich ein Konzept von ‘Gegenwart’ und ‘Gegenwärtigkeit’ vermuten, dass zuallererst eine politische Wirksamkeit ermöglicht. Kerstin Stüssel hat herausgearbeitet, dass im 19. Jahrhundert und virulent in den 1840er Jahren ‘Gegenwart’ in einem doppelten Sinne begriffen und diskutiert wird: 1) in ihrer räumlichen Bedeutung, und 2) in ihrer zeitlichen Bedeutung (erst ab Ende des 18. Jahrhunderts). D.h. etwas Gegenwärtiges betrifft etwas räumlich Anwesendes oder etwas der Am Puls der Zeit. Theater und Revolution im 19. Jahrhundert 123 Jetztzeit Zugeordnetes. Erstere, ältere Bedeutung lässt sich, so Stüssel, den Jungdeutschen Literaturkonzeptionen zuordnen: [D]ie ältere, räumliche Bedeutung von Gegenwart, die auf Anwesenheit und Präsenz verweist, schwingt aber im auffällig häufigen, prominenten Gebrauch des Begriffes im ‘Jungen Deutschland’ in Vor- und Nachmärz besonders deutlich mit. Gegenwart bedeutet so immer auch körperliche Gegenwart und impliziert die wirksame Tat, den punktuellen Eingriff und die Unterbrechung des Geschichtsverlaufs. Die Frage nach Gegenwartsliteratur verweist somit auf zweierlei: Auf die mit blinden Flecken behaftete, zu Paradoxien tendierende Darstellung und Erkenntnis einer je eigenen Zeit, deren Anfang und Ende sich in einem historischen Kontinuum auflösen oder aber punktförmig ineinanderschnurren und deshalb schwer zu bestimmen sind und auf die pragmatische Dimension von Texten, ihre situationsgebundene Wirksamkeit und ihre je aktuelle Funktion, die die Gegenwartsliteratur prekär zwischen Monumentalität und Momentaneität platziert. 8 Lässt sich nun aus dieser Konzeption von Gegenwartsliteratur, wie sie auch unter dem pejorativen Rubrum der ‘Tendenzliteratur’ im zeitgenössischen Sprachgebrauch erscheint, eine neuartige Idee von Theater im Sinne eines ‘Gegenwartsdramas’ und eines ‘Gegenwartstheaters’ deduzieren? Und, wie kann ein solches zeitgemäßes, aktives und im Sinne von Gesellschaft gestaltendes politisches Theater aussehen? Welche Ideen eines solchen Theaters zirkulieren und welche tatsächlichen Gestaltungsspielräume könnte ein solches Theater in der Zeit um 1848 haben? Man kann die Spielräume von Theater als politisches Medium auch in einen Zusammenhang stellen mit der Politisierung des öffentlichen Raumes im Zuge der 1848er Revolution. Manfred Gailus konzediert einer ‘politisierten Straßenöffentlichkeit’ höchste Massenwirksamkeit in der Revolution von 1848: Mehr noch als die beratende Sitzung im Clubzimmer des politischen Vereins oder das politisierende Gespräch in der Wirtsstube, mehr noch als das gedruckte Wort des von der Zensur befreiten Pressewesens kann die politisierte Straßenöffentlichkeit als das wichtigste massenwirksame ‘Medium’ der Revolutionszeit angesehen werden. Der besetzte öffentliche Raum war nicht allein Schauplatz von Politik, sondern verlangte und kreierte seinerseits einen eigenen Modus des Politischen: ‘Straßenpolitik’. 9 Man könnte nun soweit gehen, Theater als Teil dieser ‘Straßenpolitik’ zu betrachten, 10 und somit seine prekäre, aber auch wirksame Öffentlichkeit in der Aufführung in den Zusammenhang einer Versammlungssituation und der unkontrollierbaren, daher gefährlich entzündlichen, Jetzt-Situation zu setzen. Hier lässt sich annehmen, Gegenwärtigkeit als behauptetes Qualitätsmerkmal von Theater werde übertragen auf die Medienpraxis der politischen Öffentlichkeit, um sie ‘noch gegenwärtiger’ wirken zu lassen - nämlich gegenüber einem der Gegenwart zugewandten Volks-Publikum. Dies lässt sich veranschaulichen am Phänomen der dramatisierten Flugschrift, die um 1848 große Verbreitung findet. Im Theater allerdings ist diese Gegenwärtigkeit immer mit Konzepten von ‘Wiederholbarkeit’ und auch kulturellem Gedächtnis verbunden, d.h. die Gegenwärtigkeit ist schon immer mit Verlust und dem Versuch der symbolischen Einholbarkeit dieses Verlusts verbunden. Daher scheint es geboten, das politische Konzept von Öffentlichkeit mit dem repräsentativen Charakter des Theaters zusammen zu denken und auch mit Diskursen politischer Repräsentation zu verknüpfen. Augenfällig wird dieser Zusammenhang im Theater der französischen Revolution, das schon vielfach begründet als symbolische Politik und volksnahes Forum nationalpolitischer Performanz beschrieben worden ist. 124 Meike Wagner “… wie man athmet in der Luft” Susan Maslan vertritt in ihrem Aufsatz “Theatre and Democracy in Revolutionary France” (1995) die These, dass die zahlreichen vehement ausgetragenen Theaterrevolten um Aufführungsverbote und -gebote in Paris zwischen 1789 und 1794 11 Ausdruck eines Kampfes sind zwischen den Delegierten der Nationalversammlung und dem einfachen Volk um politische Repräsentation und also um Teilhabe an politischer Handlung. Maslan setzt der verordneten Stille der Zuschauer auf den Galerien der Nationalversammlung das ungebremste Ausagieren von Zuspruch und Unmut im Theater als revolutionäre Tradition gegenüber und folgert daraus den Anspruch des Publikums auf politisches Handeln. 12 Obgleich Maslan in ihrem Beitrag ‘performative Aktionskultur’ und ‘diskursive Schriftkultur’ unzulässig gegeneinander ausspielt, um die Jürgen Habermas nachfolgende Traditionslinie der Strukturanalyse von Öffentlichkeit auszuhebeln, 13 führt ihre methodische Zusammenführung der theatralen und der politischen Repräsentation nichtsdestotrotz zu einer Fokussierung auf das Entstehen einer spezifischen Öffentlichkeit, die sich als Diskurs auch in den Schriften des Vormärz nachweisen lässt, insbesondere in der Zeit zwischen 1840 und 1848. In den 1840er Jahren setzen sich zahlreiche Journalisten und Theaterhistoriker mit dem Entwurf eines “neuen Nationaltheaters” auseinander. Neben der angestrebten Professionalisierung der Bühnen ist es vor allen Dingen die Formulierung von Bildungs- und Öffentlichkeitsaufgaben, die hier das Theater als staatstragende Institution in der politischen Kultur verankert wissen wollen. An dieser Stelle soll es um den Aufsatz “Theater und dramatische Poesie in ihrem Verhältnisse zum Staate” von Theodor Rötscher gehen, der 1843 in Rotteck/ Welkers Staats-Lexikon erschienen ist. Rötscher verbindet hier einen legitimistischen Ansatz mit Überlegungen zu einem Staatstheater als ‘politische Bildungsstätte’. Er ist insofern legitimistisch, als er zunächst weit ausholend auf antikes Theater und die Aristotelische Dramentheorie in Verbindung mit klassischem und idealistischem Gedankengut den Kunstwert der dramatischen Poesie herausarbeitet. Das Drama werde Kunst, indem es Ideen versinnliche und also ein Allgemeines und Unvergängliches verkörpere. 14 “Das Drama hebt also den geschichtlichen Geist in seiner höchsten Reinheit heraus und bringt ihn zu seinem erschöpfenden Ausdrucke”. 15 In einer Art dialektischen Dynamik führt das Drama die konfliktreich Handelnden zu einer allgemeineren Wahrheit, die als absolute Gegenwart des Geistes letztlich harmonisierend Gültigkeit erlangt: Wovon und wohin befreit uns aber das ächte Drama? Es baut in uns die Wahrheit der sittlichen Idee auf, welche sich aus allen Conflicten und Einseitigkeiten als die unwiderstehliche Macht erhebt, durch ihre der Handlung und der Thätigkeit der Individuen immanente Kraft sich siegreich über alle erscheinenden Gegensätze schwingt, die sie auslöst, weil jeder derselben sich vermaß, die ganze Wahrheit zu sein. 16 Aufgabe des Theaters ist es nun, diese “Wahrheit der sittlichen Idee” als Erziehungsideal in die Köpfe der Masse, des Publikums einzupflanzen und so zu einer Erziehung zum freiheitlichen Staate zu gelangen. Jörg Wiesel hat 2001, in seiner umfassenden und originellen Analyse des Rötscher- Textes, 17 genau an dieser Stelle eingesetzt und den idealistischen Bildungsanspruch, den Rötscher eben aus der Verkörperung der sittlichen Idee im Drama ableitet, als letztlich undemokratisches und monarchistisches Prinzip gelesen. Rötscher verwalte das bildungspolitische Programm der Goethezeit und löse mit der Bildung des Subjekts dessen Recht auf parlamentarische Vertretung auf. Wiesel legt damit den Finger auf ein grund- Am Puls der Zeit. Theater und Revolution im 19. Jahrhundert 125 sätzliches Problem in der Argumentation Rötschers. Jedoch kann seine Kritik ihre Stärke nur erreichen durch eine Ausblendung der vormärzlichen Debatten um Repräsentation und Öffentlichkeit. Das Problem bei Rötscher liegt letztlich in der ambivalenten Haltung zwischen einem diskursiven Öffentlichkeitsmodell und einer idealistisch geistigen Erhöhung zu einem allgemeinen Ganzen. Rötscher erweist sich hier ganz als Kind seiner Zeit. Repräsentative politische Mitbestimmung und öffentlicher Diskurs im Sinne einer konfliktreichen öffentlichen Auseinandersetzung ohne Harmonisierungsstreben sind moderne Konzepte, die im Vormärz keineswegs als gesicherte Werte der politischen Kultur gelten können. Die Diskussion darüber, was öffentlich sein kann und in welcher Form die Teilhabe an politischer Handlung erfolgen kann, ist gerade erst in Gang gekommen. Im Zeitalter des Liberalismus kristallisieren sich grundsätzlich zwei Bedeutungsstränge von ‘Öffentlichkeit’ heraus. Auf der einen Seite wird Öffentlichkeit als Idee der Meinungsfreiheit und als Verfahren der öffentlichen Diskussion betrachtet, auf der anderen Seite verkörpert sie die durch Mehrheit beherrschte öffentliche Meinung als gesellschaftliche Macht. Rötscher betont in seinem Text die Kraft des Theaters, öffentlich auf die Massen einzuwirken durch die Bereitstellung eines unmittelbaren Erlebnisses, und verbindet die öffentliche Funktion des Theaters mit der Presse und der Frage der Pressefreiheit: Wenn Regierungen daher das Gut der politischen Freiheit zu verkürzen und den Aufschwung des nationalen Lebens wirklich niederzuhalten gesonnen sind, so ist es auch nur eine Consequenz, wenn sie dasjenige Drama, aus dem die Kraft des historischen Geistes und der Sieg der Freiheit uns entgegenweht, von der Bühne fern halten, eine Consequenz, welche mit der Fesselung der Presse völlig gleicher Abstammung ist. 18 Rötscher verspricht sich weiter von dem erfolgreichen “Kampf in Deutschland für die höchsten Güter der Freiheit, für die Entfesselung unsres öffentlichen Lebens” neue Kraft für die dramatische Poesie. Diese Abschnitte machen deutlich, dass Rötscher sich hier durchaus mit einer radikaleren Fassung von Öffentlichkeit verbündet, wie sie etwa auch im Rahmen des Staats- Lexikons, in dem ja auch Rötschers Text publiziert ist, von Carl Welcker in seinem Beitrag “Öffentlichkeit/ öffentliche Meinung” formuliert wird: “Das ganze politische Leben freier Völker bewegt sich in der Oeffentlichkeit, wie man athmet in der Luft”. 19 Dieser öffentlichkeitspolitische Tenor bestimmt wesentlich die Debatten um Theater in den Jahren 1840 bis 1848. So lässt sich auch Richard Wagners künstlerisch-politische Utopie hier einordnen. Die Künstler erleben die von Metternich geprägte Politik der Vormärz-Zeit als repressive Praxen in Form von restriktiver Zensur, aktiver Bespitzelung und wirtschaftlichen Zwängen. Die März- Revolution hingegen verspricht eine Befreiung von diesen Repressionen und eine freie Entfaltungsmöglichkeit in jeder Hinsicht. Dadurch gibt es ein verstärktes Bewusstsein für den Zusammenhang von politischen Vorgaben und künstlerischem Schaffen. Die Verknüpfung von politischer und künstlerischer Revolution gewinnt um 1848 immense Bedeutung, so auch in Wagners zentralem Text “Die Kunst und die Revolution (1849)”. Wagner geht für seine Vision der Befreiung der Kunst durch Politik und der Befreiung der Politik durch Kunst von zwei Prämissen aus. Zum einen ist nur der künstlerisch tätige Mensch ein freier Mensch, zum anderen ist das Theater das europäische Leitmedium der Öffentlichkeit schlechthin: Erst in der theatralen Öffentlichkeit, d.h. in der Theateraufführung, wird das Drama zur Kunst. Die immense Reichweite des Theaters verleiht diesem Schlagkraft: 126 Meike Wagner Unsere moderne theatralische Kunst versinnlicht den herrschenden Geist unsers öffentlichen Lebens, sie drückt ihn in einer alltäglichen Verbreitung aus wie nie eine andre Kunst, denn sie bereitet ihre Feste Abend für Abend fast jeder Stadt Europas. 20 Damit ist ein Potential des Theaters benannt, das jedoch in der Einschätzung Wagners derzeit keine wirkliche Realisierung erhält. Das zeitgenössische Theater hat dreierlei Hemmnisse: 1.) restriktive Zensur und polizeiliche Kontrolle, 2.) Kapitalisierung und Kommerzialisierung und 3.) undemokratische Zuschauerverhältnisse. Die realpolitische Lage in Deutschland erfordert es daher, zunächst einmal überhaupt Teil einer Öffentlichkeit zu werden, Theater als öffentliche Institution zu bilden und die Kunst im politischen Akt zu befreien: Aus ihrem Zustande zivilisierter Barbarei kann die wahre Kunst sich nur auf den Schultern unsrer großen sozialen Bewegung zu ihrer Würde erheben: sie hat mit ihr ein gemeinschaftliches Ziel, und beide können es nur erreichen, wenn sie es gemeinschaftlich erkennen. Dieses Ziel ist der starke und schöne Mensch: die Revolution gebe ihm die Stärke, die Kunst die Schönheit! 21 Kunst und Revolution sind durch den Öffentlichkeitscharakter und das gemeinsame Ziel der ‘Menschenbildung’ eng verwoben in der gesellschaftlichen Utopie. 22 Das Theater steht hier paradigmatisch für Ereignisse, die politische Öffentlichkeit, gesellschaftliches Freiheitsstreben und sinnliches Erleben miteinander verknüpfen. Während in England schon 1809 in den legendären Old Price Riots, einer drei Monate andauernden Theaterrevolte am Covent Garden Theatre, Modelle freier Meinungsäußerung erprobt und performativ ausgelebt worden sind, wird es auf dem Kontinent noch einige Zeit dauern, bis sich die bürgerliche Gesellschaft und öffentliche Meinung aus der eisernen Umklammerung des Metternichschen Spitzelsystems befreien kann. Dem Theater kommt hier als wesentliches Medium der Öffentlichkeit und des kollektiven Erlebens eine spezifische Rolle zu. Opernrevolution Albert Lortzing ist sich des revolutionären Potentials der Oper als Theaterform bewusst, als er sich daran macht, mit Regina eines der zeitnahsten Theaterwerke der Revolution von 1848 zu schaffen. Genau wie auch Richard Wagner kennt er die explosive Wirkung von Daniel François Aubers Oper La Muette de Portici, die wenige Wochen nach der Pariser Juli-Revolution von 1830 in Brüssel die belgische Revolution entzündet. 23 Zeitgenossen berichten immer wieder von der befeuernden Wirkung des patriotischen Duetts “Amour sacré de la patrie” (Masaniello, Pietro): Tombe le joug qui nous accable Et sous nos coups périsse létranger! Amour sacré de la patrie, Rend-nous laudace et la fierté; A mon pays je dois la vie. Il me devra sa liberté. (Akt II, Szene 2) Das französisch-belgische Theaterpublikum entzündet sich am musikalischen und hier kollektiv erlebten Nationalgefühl und schafft nach der Vorstellung realpolitische Fakten: Der Mob greift zu den Waffen, stürmt die Zeitungsredaktionen, den Justizpalast und hat somit den Startschuss für die Belgische Revolution gegeben, die am 4. Oktober 1830 zur Unabhängigkeitserklärung gegenüber den Niederlanden führen wird. Man muss Aubers Oper hier sicher im Kontext der geistigen und politischen Situation sehen. Es gärt und brodelt in Brüssel. Schon Tage vor der Opernaufführung etwa finden sich anonyme Maueranschläge in der Stadt, die den Zusammenhang von königlichen Feierlichkeiten Am Puls der Zeit. Theater und Revolution im 19. Jahrhundert 127 und Revolution herstellen: “Lundi, 23 août. feu d’artifice; mardi, 24. illumination; mercredi, 25. révolution”. 24 Und man weiß heute, dass französische Geheimagenten agitierten, wie schon der Zeitgenosse Franz Heinrich Ungewitter vermutet: Viele von den Zuschauern, besonders unter der niedern Volksklasse, waren mit Stöcken versehen, was schlimme Absichten verrieth. Außerdem hatten gutgekleidete Männer einer Menge Arbeiter Geld und Theaterbillette angeboten. 25 Die Stumme von Portici ist der passende Katalysator für die revolutionäre Stimmung. Es ist jedoch Auber anzurechnen, dass er eine neuartige Ausdrucksform der Oper fand, die eine packende Emotionalität über Musik und Dramaturgie vermittelt und so das kollektiv schwelende Gefühl bündelt und performativ an die Oberfläche schwemmt. Richard Wagner formuliert dies in einer euphorischen Kritik der Stummen präzise und eindrucksvoll: Denn das Neue an dieser Musik zur ‘Stummen’ war diese ungeahnte Konzision und drastische Gedrängtheit der Form: Die Rezitative wetterten wie Blitze auf uns los; von ihnen zu den Chorensembles ging es wie im Sturme über und mitten im Chaos der Wut plötzlich die energischen Ermahnungen zur Besonnenheit, oder erneute Aufrufe; dann wieder rasendes Jauchzen, mörderisches Gewühl, und abermals dazwischen ein rührendes Flehen der Angst oder ein ganzes Volk seine Gebete lispelnd. Wie dem Sujet am Schrecklichsten, aber auch am Zartesten nichts fehlte, so ließ Auber seine Musik jeden Kontrast, jede Mischung in Konturen und in einem Kolorit von so drastischer Deutlichkeit ausführen, daß man sich nicht entsinnen konnte, eben diese Deutlichkeit je so greifbar wahrgenommen zu haben. 26 Dieser Oper - “heiß bis zum Brennen und unterhaltend bis zum Hinreißen” 27 - ermangele es ganz und gar an Steifheit und hohlem Pathos. ‘Echtes Gefühl’ stellt sich durch die massiven Effekte der Streicher und der Dramaturgie des Chores als ‘bewegte Masse’ in ‘drastischen Gruppierungen’ ein. Dies sind die ‘operativen’ Zutaten eines Revolutionspotentials, das Die Stumme in nachfolgenden, mit politischen Turbulenzen verbundenen Aufführungen - die immer wieder zu zeitweisen Verboten führten - bei ihrem Siegeszug durch Europa unter Beweis stellt. Während Auber sich auf die Position der ‘revolutionären Gefühlswelt’ zurück zieht und in Distanz zu den realpolitischen Konsequenzen bleibt, 28 avanciert Die Stumme zur ‘Revolutionsoper wider Willen’. Lortzing war Die Stumme sehr vertraut, hatte er sie doch im Mai und Juni 1847 mehrfach am Theater an der Wien dirigiert, 29 bevor sie auch in Wien verboten wurde. Im Gegensatz zu Auber versteht sich Lortzing jedoch als Teil der politischen, revolutionären Bewegung. Er macht seine dezidiert liberale und demokratische Haltung zur 1848er Revolution in Wien öffentlich und beteiligt sich aktiv am Geschehen. Er lässt sich mitreißen von den Ereignissen. Man könnte vermuten, dass das Opern-Projekt Regina Lortzings Versuch darstellt, die Oper als Theater am Puls der Zeit zu realisieren: eine Oper “im festen, innigen Anschließen an die Gegenwart und das Leben”. So ließe sich Albert Lortzing als Vermittlungsfigur darstellen zwischen einer politischen Publizistik, die in den überstürzenden Ereignissen Position beziehen muss, und der ästhetischen Wertbeständigkeit der Opernkunst. Albert Lortzings Regina (1848) Lortzing ist 1846-48 am Theater an der Wien als Kapellmeister tätig und erlebt die Wiener März-Ereignisse hautnah mit. Lortzing, in dessen komischen Opern sich immer wieder versteckte Hinweise auf seine liberale Haltung finden, begrüßt den Umsturz des 13. und 14. März. Dennoch befürchtet er, dass die errun- 128 Meike Wagner genen Freiheiten durch Ausschreitungen und Übergriffe zunichte gemacht werden könnten und beteiligt sich an der für Ordnung sorgenden Bürgerwehr. Sein Theaterdirektor Franz Pokorny hatte sich sofort als Unterstützer der Revolution gezeigt, wie die Allgemeine Theaterzeitung vermerkt: Director Pokorny hat seine Anhänglichkeit auf eine höchst rühmliche Weise an den Tag gelegt, indem er am 13. März gleich beim Ausbruche der Volksbewegung das untergeordnete Dienstpersonale seiner beiden Theater [Theater an der Josefsstadt und Theater an der Wien, M.W.] zusammenberief, es zur Ordnung mahnte, ihm Waffen reichte und eine Monatsgage ausbezahlen ließ. Ein großer Theil der Schauspieler schloß sich, ebenfalls bewaffnet an, und half so eine Armada bilden, die nicht nur die beiden Theater und ihre Nachbarschaft gegen böswilliges Gesindel schützet, sondern fortwährend bei Tag und Nacht Patrouillen entsendet, die selbst die entferntesten Vorstädte durchstreifen […]. 30 Pokorny ist geschickt genug, sein Theater mit der patriotischen Begeisterungswelle zu verknüpfen, sein Spielplan in Schauspiel und Oper wird entsprechend schnell umgestellt. In die Aufführungen werden patriotische Gesänge und Grußadressen eingeflochten, das Publikum stimmt begeistert ein. Als Pokorny sich entschließt, die Preise zu senken und mit Das bemooste Haupt oder Der lange Israel von Roderich Benedix am 1. April 1848 ein Stück aus dem studentischen Umfeld aufführt, ist ihm die Gunst der aktivsten Wiener revolutionären Bevölkerungsgruppe sicher: Das Theater an der Wien wird zum Treffpunkt und Aktionsraum der Wiener Studenten. 31 In der Folge machen die Studenten das Theater an der Wien am 4. April 1848 offiziell zu ihrem Hauptsitz und erreichen die Umbenennung in ‘Deutsches Nationaltheater’. Lortzings Wirkungsort wird zum symbolischen Zentrum der revolutionären Studentenschaft. Er wird den Studenten chorische Freiheitsgesänge liefern, die er dort auch mit ihnen probt und aufführt. So etwa die Vertonung des Freiheitsliedes von Carl Herlossohn “Sieg der Freiheit oder Tod! ” (handschriftlich von Lortzing datiert auf 5. April 1848), in dem es heißt: “Alle Fesseln wolln wir brechen / jede Unbill wolln wir rächen / frei das Gottesurteil sprechen: / Sieg der Freiheit oder Tod! ” Für Lortzing ist die politische Unruhe auch persönlich eine unsichere Zeit. Nachdem schon seit März desselben Jahres Gerüchte über die Auflösung der Oper kursiert waren, hatte Pokorny dem gesamten Opernpersonal aus wirtschaftlichen Gründen zum 1. September 1848 endgültig gekündigt. Lortzing steckt mit seiner großen Familie in existentiellen Zwängen. Hier zeigt sich ein Dilemma des politischen Lortzing. Während er in der zensurfreien Zeit regelrecht aufblüht, den neuen ‘Freiheiten’ seine Chorlieder entgegenschmettert, so hat er auf der anderen Seite ein dringendes Interesse an einer baldigen Beruhigung der Lage. Jürgen Lodemann beschreibt Lortzings Lage: Der Opernkomponist gerät zwischen die Fronten, ist zwar sofort heftig engagiert, wo die räuberische Fürstenwillkür endlich vertrieben wird, nicht aber dort, wo ‘Radikale’ die Situation ausnutzen und ihrerseits räuberisch vorgehen. Diese schwierig balancierende Zwischen-Position, der gerechte Ausgleich und die Freiheit von jeder Form von Gewalt, von der Gewalt von oben wie von unten, das wird das Thema seiner Regina. 32 Lortzings Oper Regina ist 1848 in der einzigen zensurfreien Schaffensperiode des Komponisten entstanden. Obgleich keine Revolutionssondern eine Freiheitsoper - Regina entzündet keine Tumulte, sondern feiert die Freiheit als höchstes Gut, das auf festem aber gemäßigtem Wege zu erreichen ist - ist dieses Werk auf einzigartige Weise mit den Geschehnissen der März-Revolutionen und ihren Diskursen verbunden. Die Entstehung des Werkes überhaupt kann man mit den publizistischen Forderungen nach einem Am Puls der Zeit. Theater und Revolution im 19. Jahrhundert 129 ‘Zeit-Theater’ verbinden, aber auch einzelne Motive und Ereignisse in der Oper lassen sich auf Zeitungsberichte und -debatten zurückführen. Damit ist Lortzings Regina das einzige musikdramatische ‘Zeit-Stück’ dieser Epoche. Begonnen hat Lortzing die Oper am 31. Mai 1848, in einer ersten Konsolidierungsphase der Revolution. Zur gleichen Zeit erscheint Wagners solidarisch revolutionärer “Gruß aus Sachsen an die Wiener”. 33 Die Oper wurde am 5. Oktober 1848 beendet. Bereits einen Tag später kommt es zum letzten revolutionären Aufstand in Wien, als die zum Kampf gegen das aufständische Ungarn bestimmten Truppen meutern und der Kriegsminister Latour von der aufrührerischen Menge gelyncht wird. Während Graf Windischgrätz mit kroatischen und tschechischen Truppen Wien für die Reaktion zurückerobert, arbeitet Lortzing an der Ouvertüre. Am 31. Oktober kapituliert Wien, die Revolution ist gescheitert. In der Folge kommt es zu Verhaftungen und Hinrichtungen. So wird auch der Führer des liberalen Flügels Robert Blum, der als Teil einer Deputation des Frankfurter Paulskirchen-Parlaments zur Beobachtung der Situation nach Wien gereist war, trotz seiner Immunität als Abgeordneter verurteilt und am 9. November 1848 exekutiert. Blums Tod löste deutschlandweit Trauer aus und auch Lortzing trauert um den Freund aus Leipziger Jahren. 34 Genau jetzt bricht Lortzing seine Arbeit an Regina ab, die Ouvertüre bleibt unvollendet. Lortzing ist sich sofort bewusst, dass der Erfolg seiner ‘Zeitoper’ von den politischen Umständen abhängt und formuliert seine Bedenken am 20. Oktober 1848 in einem Brief an seinen Verleger Raimund Härtel: Hiermit zeige ich Ihnen an, daß ich ein neues Opus vollendet, in welches ich Vertrauen setze, weil es Zeitumstände berührt, Freiheitslieder u.d.g. enthält und einige famöse Parthien besitzt. Ich habe die Oper für das Kärnthnerthor: Theater berechnet, leider aber laßen die hiesigen Zustände noch auf keine Eröffnung der Bühnen hoffen und dann auch - leider muß ich es aussprechen, fragt sich - ob derartiges gegeben werden darf, denn Wien steht auf dem Punkte, seine Errungenschaften - schmachvoller Gedanke! - wieder herausgeben zu müßen. Wenn wir nicht die Kroaten, die vor unsern Thoren liegen sammt den österreichischen Truppen aufs Haupt schlagen, ist unsre Freiheit dahin. Gott stärke unsre Waffen. 35 Breitkopf und Härtel, denen hier offenherzig und vielleicht etwas naiv das Risiko der Verlegung schon geschildert wird, lehnen am 7. Dezember 1848 die Drucklegung ab mit fadenscheinigen Verweisen auf ‘Mangel an Originalität’. Das politische Risiko ist zu dieser Zeit schon wieder viel zu hoch. Auch vorsichtige Versuche, die Oper in Leipzig oder Breslau unterzubekommen, scheitern. Lortzing wird die Uraufführung und auch die Veröffentlichung seiner Oper nicht mehr erleben. 36 Regina beginnt mit einem Arbeiterstreik in einer Fabrik. Die Arbeiter fordern vehement mehr Lohn. Der Geschäftsführer Richard verhindert Gewaltanwendung, indem er verspricht, sich für die Arbeiter beim Fabrikanten einzusetzen. Regina, die Tochter des Fabrikherrn, wird Zeugin des Vorfalls und gesteht Richard ihre Liebe. Bei der Rückkehr des Fabrikanten, Herr Simon, dankt dieser Richard für sein Einschreiten und gibt ihm Reginas Hand als Lohn. Der Werksmeister Stephan, in dessen Schuld Simon steht, ist seinerseits verliebt in Regina und fordert ihre Hand. Nach seiner Zurückweisung verbündet Stephan sich mit dem Freischärler Wolfgang und dessen Freikorps und überfällt die Fabrik während des abendlichen Versöhnungs- Festes. Regina wird entführt und die Fabrik in Brand gesetzt. Richard und eine Schar Bewaffneter nehmen die Verfolgung auf. Als die Situation am Pulverturm für Stephan ausweglos erscheint, will er sich mit Regina in die Luft sprengen. Regina gelingt es jedoch, 130 Meike Wagner Stephan vor der Entzündung des Pulverturms zu erschießen. 37 Im Finale treffen die Liebenden wieder aufeinander und Richard führt den Chor zum Freiheitslied an. In formaler Hinsicht orientiert sich Lortzing weitgehend an der Grand Opéra. Petra Fischer macht den Zusammenhang deutlich: Der unvermittelte Sprung in eine möglichst spannungsreiche Anfangssituation, die Passivität des Tenor-Helden - nach seiner Beschwichtigungsrede zu Beginn der Oper ist Richard für den Gang der Handlung geradezu bedeutungslos -, die herausgehobene Position des Chors - das Bild des Chores als zerstörerische Masse - das Volk als dramatis personae, alle diese Charakteristika der Grand Opéra eignen auch der Lortzingschen Oper. Auch der Schluß der ‘Regina’ scheint zunächst auf die typische Grand Opéra-Katastrophe hinzuzielen. Hätte Scribe das Libretto geschrieben, wäre das Spektakel eines explodierenden Pulverturmes am Schluß der Oper gestanden. 38 Wie die Grand Opéra ist auch Regina größtenteils durchkomponiert, Dialoge fehlen weitgehend. Die Konfliktparteien und Figuren der Oper lassen sich mit den März-Ereignissen in Zusammenhang bringen. So kann man zwischen der Figur des Richard und Robert Blum Ähnlichkeiten feststellen. Blum galt als ausgesprochen überzeugender Redner, hatte er doch durch die Kraft des Wortes während der Leipziger Unruhen 1845, 39 ähnlich wie Richard in der Fabrik, die Volksmassen beruhigt und von Gewaltausbrüchen abgehalten. Die Dankesadresse der Stadt Leipzig an Blum könnte auch an Richard gerichtet sein: Sie haben, treu ihrer Bürgerpflicht, die aufgeregten Tausende ermahnt: nicht zu verlassen den Boden des Gesetzes und mit Vertrauen auf die Behörden zu blicken, die unseren gerechten Beschwerden Abhülfe herbeiführen würden. Sie haben durch Ihre Worte den stürmischen Ausbruch der Gemüter gesteuert. Wir danken Ihnen dafür. 40 Die Einbettung der politischen Ereignisse in ein Liebes- und Eifersuchtsdrama verstellt dennoch nicht den Blick auf Lortzings Verhandlung revolutionärer Konflikte, die einen Beitrag zu den Diskursen von 1848 darstellen. Die radikalen Freischärler, von Lortzing negativ gezeichnet, lassen ihren revolutionären Kampf umschlagen in die Lust an Zerstörung und das Ausleben des Rachedursts. Hier könnte man anarchistische Positionen etwa eines Mikhail Bakunin erkennen. Dagegen favorisiert Lortzing deutlich die gemäßigte revolutionäre Position, die den Kampf um die ‘März-Errungenschaften’ führt, aber dann eine Stabilisierung der Situation anstrebt. Denn nur im Frieden kann die Freiheit gedeihen. Lortzing gibt so eine Nähe zu den Positionen des ‘Jungen Deutschland’ zu erkennen. In seiner Leipziger Zeit war Lortzing Mitglied des Vereins “Tunnel über der Pleiße”, dem auch die Jungdeutschen Heinrich Laube und Karl Gutzkow angehörten. Dort geht es um sozial und politisch engagierte Literatur und Kunst. Vor allem Pressefreiheit und die soziale Frage stehen im Zentrum. Radikale oder gar anarchistische Positionen fehlen. Wie auch bei Lortzing. In seiner Oper sollen die Besitzverhältnisse nicht angetastet werden: Das kapitalistische System bekommt ein menschliches Antlitz verpasst, Arbeiter und Bürger verständigen sich über die Produktionsbedingungen. Im Finale der Oper ist es das gesamte Volk, das die Freiheit feiert und verteidigt. “Landleute, Arbeiter aus allen Klassen [und] Soldaten” 41 strömen zusammen. Albert Lortzing hat für dieses vaterländische und freiheitliche Finale die populäre “Deutsche Hymne” von Friedrich Stoltze bearbeitet, der als Frankfurter Mundart- und so genannter ‘Paulskirchen-Dichter’ tätig war. Heil Freiheit Dir, du Völker Zier, Dir leben wir, dir sterben wir! […] Auf! rüstet Euch! Das Schwert zur Hand, Im Sturmschritt für das Vaterland! Am Puls der Zeit. Theater und Revolution im 19. Jahrhundert 131 Ein Volk! Ein Heer! Ein Herzensschlag! Nun kommt der Freiheit großer Tag! Das Volk läßt sich nicht spotten! O Glanz! O Sieg! O helle Ruhmesbahn! Auf Vaterland! Voran! Auf! Vaterland, Voran! Wenn man sich den Zeitkontext der Opernentstehung vor Augen hält, dann erscheint dies wie ein letztes Beschwören der revolutionären Freiheitsvision vor der endgültigen Niederlage. Es ist jedoch durchaus radikal, eine Oper mit einem Arbeiterstreik beginnen zu lassen und die Forderungen der Arbeiter zu rechtfertigen. Radikal ist dies im Sinne des Operngenres, augenfällig ist jedoch, dass in den Wiener Zeitungen pausenlos von Arbeiterstreiks, Maschinenstürmerei und Protesten berichtetet wird. Dies gehört zum revolutionären Alltag in Wien. So ist es nur konsequent, dies in das Projekt der ‘Zeit-Oper’ zu integrieren. In fast Brecht-Weillscher Manier skandiert der Chor der Arbeiter seine Forderungen, der Beginn der Oper ist ein regelrechter Protestsong. Nach einer halben Minute Einleitung, in der das rhythmische “Wir wollen nicht” von Flöte und Streichern vorweg genommen wird, setzt mit Macht der Chor skandierend ein. Das “Wir wollen nicht” legt harte Rhythmen über treibend fächelnde Streicher, um sich dann in der Stimmlage dramatisch nach oben zu steigern, wenn es um den Sachverhalt geht: “Auch noch besondre Liebespflicht, bei solchem kargen Lohn”. Jürgen Lodemann kommentiert dieses Klangerlebnis als eine Spiegelung der Welt von 1848: Es ist, als gäbe es mit diesen Lortzing-Noten eine Art Tonaufnahme aus dem Jahr 1848 - skandierend marschierendes Rufen, Sprech- oder Straßengesang waren auch damals in Übung, der Komponist hat das zu hören bekommen, als Studenten und Arbeiter durch Wiens Straßen zogen […]. 42 Anlass zum Streik ist Kilians Aufforderung, dem Dienstherrn einen dankbaren Empfang zu bereiten: die Arbeiter würden sich entwürdigen, wenn sie den ausbeuterischen Fabrikherrn auch noch lieben sollten. Hier ist formuliert, was jeden Arbeiters, auch des Kapellmeister Lortzings Recht ist. Die Arbeiter müssen nicht dankbar sein für den Lohn, wenn sie dafür “des Leibes Kräfte” einsetzen. Der gerechte Lohn ist nur die “verfluchte Schuldigkeit” des Fabrikherrn. Die Auseinandersetzung steigert sich bis zur Androhung von Waffengewalt: “Beschlossen ists, zu Ende sei / Die Knechtschaft und die Tyrannei! / Wir werden Recht uns bald verschaffen, / Seis nicht mit Worten, seis mit Waffen”. Jetzt droht die Situation zu kippen. Lortzing rechtfertigt die Forderungen der Arbeiter, will aber durch Richard Versöhnung erreichen. Diese gelingt durch das Fest der Arbeiter mit dem Fabrikherrn, 43 wird jedoch von den Freischärlern bedroht und zunichte gemacht. Schon am Anfang ist so die Stoßrichtung festgelegt: Regina appelliert leidenschaftlich an die Zuschauer, das kostbare Gut der Freiheit zu erkämpfen, zu nutzen und zu bewahren, aber nicht durch den Exzess aufs Spiel zu setzen. In ähnlicher Tonlage schreibt Lortzing an Georg Meisinger nach der militärischen und politischen Niederlage; die Freiheiten sind verloren, der Exzess hat ihre Konsolidierung verspielt: Du wirst viel Wahres und dito Unwahres in den Zeitungen gelesen haben; so viel ist gewiß, daß es schrecklich hier zu gieng und daß sich viel darüber sagen ließe, wenn man mit gutem Gewißen dem Papiere alles, was man denkt, anvertrauen könnte […] In vielfacher Beziehung sind wir hier wieder auf dem alten Punkte, wie vor den März-Tagen. Im Kärtnerthor sind: die Stumme und Don Juan verboten, mit vielen Stücken gehts eben so - die Censurfreiheit wurde eben zu weit getrieben! 44 Damit schließt sich eine Tür, die einen Weg zu einem politisch öffentlichkeitswirksamen Theater eröffnet hätte. Stattdessen wird sich bis zur Jahrhundertwende Theater als machtrepräsentatives System verfestigen und keinen 132 Meike Wagner politischen Spielraum mehr erringen. Auch Albert Lortzing wird nie mehr die Möglichkeit haben, seine politische Haltung in seiner Arbeit auszudrücken. Nach seiner Wiener Revolutionsepisode wird er keinen Fuß mehr in der Theaterwelt fassen können und stirbt 1851 gebrochen und verarmt in Berlin. Anmerkungen 1 T.F. Lumau in: Allgemeine Theaterzeitung, 23.3.1848, Wien. 2 A. Barri in: Allgemeine Theaterzeitung, 28.3.1848, Wien. 3 Jürgen Fohrmann, “Die Erfindung des Intellektuellen”, in: Jürgen Fohrmann und Helmut J. Schneider (Hg.), 1848 und das Versprechen der Moderne, Würzburg 2003, S. 113-127; S. 113. 4 Fohrmann weist darauf hin, dass der Begriff des ‘Intellektuellen’ erst während der Dreyfus- Affäre (1898) geprägt wurde, die Funktion des Intellektuellen in unserem heutigen Sinne jedoch in der von ihm beschriebenen Epoche entstanden ist. Vgl. Fohrmann, “Die Erfindung”, S. 113. 5 Fohrmann, “Die Erfindung”, S. 115. 6 Fohrmann, “Die Erfindung”, S. 119. 7 Vgl. Fohrmann, “Die Erfindung”, S. 124. 8 Kerstin Stüssel, “Punkt, Punkt, Komma, Strich… - Revolution(en) und die Geschichte von ‘Gegenwartsliteratur’”, in: Fohrmann und Schneider, 1848 und das Versprechen, S. 33-48; S. 35. 9 Manfred Gailus, “Die Straße”, in: Christof Dipper (Hg.), 1848. Revolution in Deutschland, Frankfurt a. M. u. Leipzig, 1998, S. 155-169; S. 155. 10 So etwa Yvonne Raffelsberger, “Theater und Presse 1848/ 49 in Berlin und Wien”, unveröffentlichtes Manuskript, 52 S., München 1998. 11 1791 wurde die Theaterfreiheit proklamiert sowie eine Aufhebung der Zensur; die kurze Phase der ‘theatralen Entfesselung’ dauert bis zu deren Wiedereinführung 1794. 12 Tatsächlich erreichten die ‘Theatermeuten’ in verschiedenen konkreten Fällen, dass ein Stück nach anfänglichem Verbot aufgeführt wurde (Charles IX von Marie Joseph Chenier, 1789) oder auch, dass ein Theater ein angesetztes Stück wegen Verstößen gegen den ‘allgemeinen Volkswillen’ absetzte (L’Auteur d’un moment von François Léger, 1792). 13 Maslan liest in der Tradition der amerikanischen Performance Studies diese Fälle als radikales Potential des live Ereignisses Theater und bringt es in Anschlag gegen die von Jürgen Habermas (Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1962) vertretene Schriftkultur als Grundlage einer bürgerlichen Öffentlichkeit. Obgleich Maslan zahlreiche Schriftstücke, Zeitungsartikel, veröffentlichte Parlamentsreden zum Thema der Theaterfreiheit als Dokumentation der Debatte um die Kraft der theatralen Repräsentation hinzuzieht, macht sie die Wechselwirkungen zwischen dem theatralen Ereignis und den verschrifteten Veröffentlichungen nicht kenntlich. Meines Erachtens schwächt die Polarisierung zwischen ‘Aktionskultur’ und ‘Schriftkultur’ Maslans Argument, eine Durcharbeitung der Interdependenzen und hybriden Performanzen in der medialen Zusammenschau würde den reflexartigen Angriff auf Habermas hinter sich lassen und neue Perspektiven eröffnen. 14 Theodor Rötscher, “Theater und dramatische Poesie in ihrem Verhältnisse zum Staate”, in: Staats-Lexikon oder Enzyklopädie der Staatswissenschaften in Verbindung mit vielen der angesehensten Publicisten Deutschlands, Bd. 15, hg. v. Carl von Rotteck und Carl Welcker, Altona 1843, S. 388-408; S. 389. 15 Rötscher, “Theater und dramatische Poesie”, S. 389. 16 Rötscher, “Theater und dramatische Poesie”, S. 390. 17 Jörg Wiesel, “Zum Verhältnis von Theater und Staat im Vormärz. Heinrich Rötscher und der Chor”, in: Maria Porrmann und Florin Vaßen (Hg.), Theaterverhältnisse im Vormärz (= Forum Vormärz Forschung Jahrbuch 2001), Bielefeld 2002, S. 25-41; S. 27. 18 Rötscher, “Theater und dramatische Poesie”, S. 395-396. 19 Carl Welcker, “Öffentlichkeit/ öffentliche Meinung”, in: Staats-Lexikon, S. 253. 20 Richard Wagner, “Die Kunst und die Revolution (1849)”, in: Die Kunst und die Revolution, Am Puls der Zeit. Theater und Revolution im 19. Jahrhundert 133 hg. v. Tibor Kneif, München 1975, S. 7-50; S. 23. 21 Wagner, “Die Kunst”, S. 39. 22 Wagner, “Die Kunst”, S. 18. 23 Es handelt sich um den revolutionären Aufstand, der von der Aufführung am 25. August 1830 im Théâtre Royal de la Monnaie ausgeht. 24 Vgl. Franz Heinrich Ungewitter, Geschichte der Niederlande von dem Zeitpuncte ihrer Entstehung an bis auf die neueste Zeit und ausführliche Schilderung der belgischen Revolution von ihrem Ausbruch bis zum Ende des Jahres 1831, Bd. l, 1831, S. 255. 25 Ungewitter, Geschichte der Niederlande, S. 255. 26 Richard Wagner, “Erinnerungen an Auber (1871)”, in: Gesammelte Schriften und Dichtungen, Leipzig 4 1907, S. 42-60; S. 45. 27 Wagner, “Erinnerungen”, S. 46. 28 So distanziert er sich explizit von der Revolution in Paris 1830. 29 Vgl. Fritz Racek, “Einiges über Lortzings Tätigkeit am Theater an der Wien”, in: Friedrich Wilhelm Riedel und Hubert Unverricht (Hg.), Symbolae Historiae Musicae. Hellmut Federhofer zum 60. Geburtstag, Mainz 1971, S. 248-251; S. 249. 30 Allgemeine Theaterzeitung, 17. März 1848, Wien. 31 Zur außerordentlichen Wirkung der Aufführung hier nur ein Ausschnitt aus den zahlreichen Berichten: “Interessanter noch als die Vorstellung auf der Bühne, war die im Parterre, welche fast ganz von heimischen und fremden Studenten occupirt war. Jede Wendung, jede auf die Universität bezügliche Stelle, besonders aber das der depravirten Präsidentin gebrachte ‘Pereat’ wurde unter Jubel, der kein Ende erreichen wollte, aufgenommen. Die Studentenlieder sangen alle mit, Studenten und Publikum, die Fußlampen schienen weggeräumt: ein den Wienern neues Schauspiel! ” L. Raudnitz in: Allgemeine Theaterzeitung, 3. April 1848, Wien. 32 Jürgen Lodemann, Lortzing. Gaukler und Musiker, Göttingen 2000, S. 449. 33 Richard Wagner, “Gruß aus Sachsen an die Wiener”, in: Gesammelte Schriften und Briefe, Bd. 12, hg. v. Julius Kapp, Leipzig 1914, S. 36-39. 34 Blum war von 1832-1847 Theatersekretär am Leipziger Stadttheater, wo auch Lortzing tätig war. 35 “Brief an Raimund Härtel am 20. Oktober 1848”, in: Sämtliche Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, hg. v. Irmlind Capelle, Kassel 1995, S. 339. 36 1899 bemächtigt sich Adolphe l’Arronge an der Königlichen Hof-Oper Berlin der Oper Regina, verlegt sie ins Jahr 1813 gab ihr eine stark monarchistische Tendenz. Die DDR- Aufführung von 1951 ist wiederum eine massive Bearbeitung - diesmal zur Arbeiteroper. Erst 1998, 150 Jahre nach der Märzrevolution, findet die Uraufführung der Originalfassung am Schillertheater Nordrhein-Westfalen in der Regie von Peter Konwitschny statt. 37 Es lassen sich in den Wiener Zeitungen tatsächlich Berichte nachweisen, nach denen es einen Freischärler-Überfall auf Pulvertürme bei Simmering gegeben hat, bei dem in letzter Minute die Sprengung durch militärisches Eingreifen verhindert werden konnte. Vgl. Allgemeine Theaterzeitung vom 1. April 1848: “In der Nacht vom 29. auf den 30. März versuchte eine zucht- und ordnungslose, elende Banditenhorde die Pulverthürme im sogenannten ‘Neugebäude’ nächst Simmering, in der ausgesprochenen Absicht zu stürmen, Alles in die Luft zu sprengen! ” 38 Petra Fischer, Vormärz und Zeitbürgertum. Gustav Albert Lortzings Operntexte, Stuttgart 1996, S. 268. 39 Unruhen in Leipzig 1845: Am 12. April demonstriert eine große Menschenmenge vor dem Hotel, in dem Prinz Johann logiert. Die Menge wirft mit Steinen die Fenster des Hotels ein. Als die Menge sich schon zerstreut, feuert Militär und einige Menschen sterben. Am 13. April findet eine Versammlung statt, in der Robert Blum die Teilnehmer überzeugt, die Gesetzte zu achten. Er wird Kopf einer Delegation, die die Wünsche der Menschen im Rathaus vorträgt. Robert Blum profiliert sich als derjenige, der Leipzig vor dem Chaos rettet. 40 Dankesadresse des Stadtrates an Robert Blum anlässlich seines Geburtstags am 10. November 1845. 41 Libretto, Akt III, Szene 7, Programmbuch Nr. 15 Regina, Schillertheater Nordrhein- 134 Meike Wagner Westfalen, Spielzeit 1997/ 98. Alle weiteren Textzitat aus Regina dort entnommen. 42 Lodemann, Lortzing, S. 465. 43 Diese Versöhnung mit festlichen Symbolen auszugestalten gehört zum ‘arbeitspolitischen Repertoire’ der Zeit. Vgl. etwa die Berichte der Allgemeinen Theaterzeitung zur Maschinenfabrik der Wien-Gloggnitzer Eisenbahngesellschaft (27. März 1848) und zu Haslingers K.K. Hof- und bürgerl. Kunst- und Musikalienhandlung (1. April 1848). 44 “Brief an Georg Meisinger vom 26. November 1848”, in: Sämtliche Briefe, S. 344.