eJournals Forum Modernes Theater 23/2

Forum Modernes Theater
fmth
0930-5874
Narr Verlag Tübingen
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2008
232 Balme

Fritz Lang Collection. Dr. Mabuse, der Spieler. Frau im Mond. Spione. Restaurierte Fassungen mit neuer Musik. 6 DVD-Set. München: Transit Film, 2007, ca. 32,00 €.

1201
2008
Peter W. Marx
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166 Rezensionen style (such as Lawrence’s rendition of ‘The Saga of Jenny’ directly to the audience). But McClung does not recognize the legacy of Bertolt Brecht in Weill’s innovations at all. He moreover fails to fully account for how the theme of psychoanalysis makes this so-called ‘conceptual musical’ too tendentious and serious to persist time, neither does he acknowledge the dubious entertaining character of ‘psychoanalysis for the layman’ in this musical. The issue of psychoanalysis and gender is also a sore spot in McClung’s argumentation of the social context. On numerous occasions McClung refers to the feminist objections to the musical’s sexist content, which has focused on Liza’s indecision which man to marry, sexual harassment and in the end of the play, the sacrifice of her career for a relationship. The depiction of the psychoanalyst Dr. Brooks plays a significant role in the social commentary. McClung implies the dramaturgical relevance of ‘adaptation’ when claiming that “judicious cutting of Dr. Brooks’s part is necessary” (197) for the play to be staged today. But the gender issue becomes rather oblique in light of a controversy claiming that the role of Liza can be understood within the playwright’s personal biography. Moss Hart namely struggled with personal and artistic demons for which he regularly visited psychiatrist L.S. Kubie. McClung suggests that Lady in the Dark - in the wake of Sigmund Freud’s death - can be seen as a vehicle for Dr. Kubie’s views on the purpose and legitimization of psychoanalysis in the US. Moreover, McClung presents us with a psycho-analytical reading of the play by Dr. Kubie suggesting that Liza’s indecisiveness can refer to a drive to become both sexes. In this reading Hart’s one-time performance of Liza’s role at a closed dress rehearsal would reveal a confusion concerning his sexual identity. Homosexuality was classified in the 1940s as a mental illness, which Dr. Kubie (sorry to say) claimed to be able to ‘cure’. In this sexually repressive context, McClung’s throw-away remarks give the play much further reaching implications than are discussed so far. His suggestive readings are appealing, though they ask for more historical contextualization and careful explanation. Finally, McClung’s attempts at rather conceptual analyses of both the performance and the musical score are unconvincing. His application of the Brechtian ‘Gestus’ - through a book by Kim H. Kowalke which is in turn based on a translation of Brecht’s notion - to some of the dance sequences in Lady in the Dark is, to say the least, dubious. This makes his subsequent reading of the dream sequences as “metadiegetic” relatively unsubstantiated. In his musicological discussion of symbolic keys and tonalities, ‘musical riddles’ and thumbprints, McClung falls short of analysing their relation to one another for the spectator in the perception of the performance and often mistakes Weill’s assumed intentions for his own narrative readings. Hence, despite McClung’s well-intentioned and highly accessible attempts to join a wide corpus of historical data, socio-cultural contexts, and historical voices on a somewhat forgotten musical in the history of musical theatre, the book lacks one strong argumentative thread and selfreflexivity towards its concepts and methodology, which at times regretfully leaves its reader ‘in the dark’. Amsterdam P IETER V ERSTRAETE Fritz Lang Collection. Dr. Mabuse, der Spieler. Frau im Mond. Spione. Restaurierte Fassungen mit neuer Musik. 6 DVD-Set. München: Transit Film, 2007, ca. 32,00 . Fritz Lang (1890-1976) ist einer jener Protagonisten der Filmgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts, die durch Werke, wie den monumentalen Nibelungen-Film (1922-24), Metropolis (1925/ 26) oder M - eine Stadt sucht einen Mörder (1931) einen festen Platz im Bildungskanon einnehmen. Allerdings gründet diese Position eher auf einer rückblickenden Perspektive, die diese Filme als Meilensteine der Moderne interpretieren. Am deutlichsten ist dies vielleicht an Metropolis zu erkennen, dessen Bilder heute fast schon Ikonen für die Modernisierungsängste und -fantasien sind, während seine Fabel eher in den Hintergrund getreten ist. Forum Modernes Theater, Bd. 23/ 2 (2008), 166-168. Gunter Narr Verlag Tübingen Rezensionen 167 Wirft man einen zweiten Blick auf Lang, der sich nicht durch diesen grand récit ablenken lässt, so entdeckt man ein deutlich vielschichtigeres und auch widersprüchlicheres Bild: So fällt nicht nur die extrem lange Schaffensphase auf, die von ersten Filmen ab 1919 (als Regisseur) bis zu späten Arbeiten 1960 reicht. So umspannt sein filmisches Schaffen die Phase der 1920er Jahre und Filme im US-amerikanischen Exil der 1930er und 1940er Jahre ebenso wie den Nachkriegsfilm in Deutschland. Auch die formale Bandbreite Langs ist beeindruckend, so stehen fantastische Filme neben Western und Kriminalfilmen, wobei die Grenze zwischen Kunst- und Populärfilm für ihn selbst weniger relevant gewesen zu sein scheint als für seine Kritiker und Historiographen. Die Beschäftigung mit Lang wird erleichtert durch eine gute Verfügbarkeit seiner Arbeiten auf DVD: So erschien bereits 2004 eine Fritz Lang Sonderedition, die Metropolis, M und Das Testament des Dr. Mabuse enthielt. Die vorliegende Ausgabe nun umfasst Dr. Mabuse, der Spieler (1922), Spione (1928) und Frau im Mond (1929). Allerdings bleibt der Fokus der auf DVD veröffentlichten Filme auf die 1920er Jahre beschränkt; der Wunsch, auch die US-amerikanischen Filme, wie Fury (1936, mit Spencer Tracy) oder Hangmen also die! (1943, Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht beim Drehbuch) sehen zu können, bleibt ebenso unerfüllt wie derjenige nach den Filmen, die er im Nachkriegsdeutschland gedreht hat, wie etwa Der Tiger von Eschnapur (1958/ 59) oder Das indische Grabmal (1958/ 59), beides Remakes von Filmen, für die Lang 1921 das Drehbuch verfasste. Hier offenbart sich in der Auswahl des Materials eine Verengung der historischen Perspektive, die hoffentlich bald überwunden werden kann. Dies als Vorbedingung angenommen, offenbaren die hier vorliegenden Filme nichtsdestoweniger ein faszinierendes Zeitbild, das über das Œuvre Langs hinaus von großem Interesse sind. Zunächst einmal fällt der monumentale Film Dr. Mabuse, der Spieler auf: Mit einer Gesamtspielzeit der beiden Teile von ca. 270 Minuten sprengt der Film sowohl historische wie zeitgenössische Konventionen. Die Figur des Dr. Mabuse, zu der Lang immer wieder zurückkehrte, ist, wie Siegfried Kracauer bemerkte, ein Verwandter des Dr. Caligari, der ebenfalls mithilfe von Hypnose Verbrechen begehen lässt. Mabuse entwickelt ein Netzwerk von Verbrechern, durch die er die Gesellschaft in ihren ökonomischen, moralischen und sozialen Grundfesten erschüttert. Die Kriminalhandlung des Films zieht sich wie ein roter Faden durch die opulenten Tableaux, mit denen der Film eine Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Verfasstheit zu Beginn der 1920er Jahre bietet. Dieses dramaturgische Moment wirkt sich auch unmittelbar auf die ästhetische Gestaltung aus: Für heutige Sehgewohnheiten irritierend, schwelgt der Film in seinen sozialen Choreographien, wobei immer wieder auch scheinbar nebensächliche Schauplätze der Handlung zu Schlüsselszenen der Gesellschaftsanalyse werden. Offensiv verabschiedet sich Lang von einer realistischen Bildführung und lässt stattdessen kommentierende Collagen entstehen. Spione umkreist ein ähnliches Thema: Ein skrupelloser Bankier baut ein Syndikat für seine kriminellen Machenschaften auf, das gezielt politische Spannungen und Verwicklungen erzeugt, um seine eigenen Ziele zu verfolgen. Willy Fritsch (1901-1973) als Agent 326 erscheint als ein Urvater des modernen 007, und es gelingt - dank einer mit der Handlung verwobenen Liebesgeschichte - schließlich auch hier, die Verbrecherbande dingfest zu machen. Auffällig ist allerdings in beiden Filmen, dass die Schlusssequenzen mehr an bürgerkriegsähnliche Zustände erinnern als an eine Polizeiaktion. Kracauer sieht daher im Schluss des Mabuse-Films eine Reminiszenz an die Straßenkämpfe der Spartakisten mit den Noske- Truppen. 1 Typisch für beide Filme ist die symbolisch aufgeladene Raum- und Bildgestaltung, die immer wieder zu Chiffren der kulturellen Verfasstheit werden. Diese Räume sind nicht als realistische zu lesen, sondern sind symbolische Szenen, die einen Resonanzraum für den Handlungsverlauf bieten. Dies entspricht Langs programmatischem Ansatz, mit seinen Filmen ein Porträt seiner Gegenwart zu liefern; gerade dies aber könnte auch der Ansatzpunkt einer Re-Lektüre dieser Filme sein, die danach fragt, inwiefern der paranoide Grundzug der beiden Filme, der die Furcht vor einem übermächtigen Manipulator mit nahezu übermenschlichen Fähigkeiten zu seinem dramaturgischen 168 Rezensionen Motor macht, nicht auch einen blinden Fleck der historischen Wahrnehmung erzeugte. Der dritte der hier versammelten Filme, Frau im Mond, schließlich knüpft in gewisser Weise an den utopischen Gestus von Metropolis an, fokussiert sich aber ganz auf den Topos der Mondreise. Thea von Harbou (1888-1954), Langs Ehefrau, die mit ihm gemeinsam zahlreiche Drehbücher verfasste, hatte sich durch die Arbeiten von Hermann Oberth (1894-1989) inspirieren lassen. Der Film schwelgt in den Fantasien der Raumfahrt, die seit Jules Vernes De la terre à la lune (1865) und Georges Méliès’ Film Le Voyage dans la Lune (1902) ein fester Bestandteil des populären Imaginären war. Aus heutiger Sicht oszilliert die spielerische Darstellung der Schwerelosigkeit sowie die Detailfreude, mit der die Rakete und die Mondlandschaft dargestellt werden, zwischen genialischer Vision und liebenswertem Anachronismus. Auch an diesem Beispiel lässt sich das Phänomen beobachten, dass die Fabel vor dem Fluss der Bilder in den Hintergrund tritt. So manifestiert sich hier die Lust am Spektakulären bzw. an symbolischem Tableau oder Collage, die das eigentlich leitende Prinzip dieser Filme zu sein scheint. Die Fabel hingegen, wie oft bei Lang, wirkt eigentümlich naiv bzw. dramaturgisch widersprüchlich. Es ist ein glücklicher Umstand, dass durch die digitale Aufbereitung zunehmend erschwingliche und technisch einwandfreie Editionen von Filmen, die einen festen Platz im historischen Diskurs haben, aber eben im ‘üblichen’ Kreislauf von Filmen durch Kino und Fernsehen nur noch eine Randposition einnehmen, wieder verfügbar sind. Es wäre zu wünschen, dass dieser Trend anhält und weitere (Wieder-) Entdeckungen ermöglicht. Bern P ETER W. M ARX Anmerkung 1 Vgl. Siegfried Kracauer, Von Caligari bis Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993, S. 90. Kristina Jensen: Formen des episierenden Metadramas. Ausgewählte Dramentexte José Sanchis Sinisterras und anderer spanischer Gegenwartsdramatiker. Frankfurt a. M.: Vervuert, 2007, 274 Seiten. Metadrama in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen und in seiner historischen Entwicklung war bereits mehrfach Gegenstand von aktuelleren Untersuchungen. Nun hat die Romanistin Kristina Jensen das Ergebnis ihrer Studien zu Formen des episierenden Metadramas bei spanischen Gegenwartsautoren vorgelegt. Das Hauptaugenmerk richtet die Autorin in ihren Analysen auf die Dramenproduktion von Sanchis Sinisterra, einem der heute erfolgreichsten spanischen Dramatiker. Jensen verortet in ihrer Arbeit das episierende Metadrama des Autors innerhalb des Kontexts zeitgenössischer spanischer Dramenproduktion und der Theorie zum Metadrama und schließt damit eine Forschungslücke. Sie stellt die These auf, dass bei José Sanchis Sinisterrra ein systematischer Rückgriff auf verschiedene Formen metadramatischer Episierung stattfindet, und somit die Selbstreflexivität eine Konstante seiner Dramenproduktion ist. Die Autorin legt ihrer Untersuchung als theoretische Basis die Typologie zum Metadrama von Karin Vieweg-Marks (1989) zu Grunde und modifiziert diese. In ihrer Einleitung bespricht die Autorin ausführlich diese Theorie und zeigt deren Vorzüge und Nachteile auf. Sie weist vor allem auf das Problem der Überschneidungen innerhalb des Kategoriensystems von Vieweg-Marks hin, weshalb sie es um Gradationsskalen zur Explizität episierender Verfahren, zur Betonung von Narration oder Figuration und zur metadramatischen Intensität erweitert. Diese Erweiterung bietet für künftige Analysen im Bereich des Metadramas die Möglichkeit, verschiedene metadramatische Formen systematischer zu verorten. Die Autorin führt für die zu untersuchenden Stücke den Oberbegriff des episierenden Metadramas ein. Dieses umfasst die Unterkategorien thematisches Metadrama, episierendes Metadrama im engeren Sinne und figurales Metadrama. Dieser Dreiteilung folgend ist die Arbeit aufgebaut. Im Hauptteil der Studie werden Dramen analysiert, die sich diesen drei Formen zu- Forum Modernes Theater, Bd. 23/ 2 (2008), 168-170. Gunter Narr Verlag Tübingen