eJournals Forum Modernes Theater 25/2

Forum Modernes Theater
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Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/1201
2010
252 Balme

Renaissance oder Resonanz

1201
2010
Viktoria Tkaczyk
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Renaissance oder Resonanz: Kunst und Wissenschaft des Fliegens bei Leonardo da Vinci Viktoria Tkaczyk (Amsterdam) Der Dichter und Philosoph Paul Valéry verweist in seinem Buch über Leonardo da Vinci fast beiläufig auf einen Zusammenhang, der gesonderte Aufmerksamkeit verdient. “ Seine Freude ” , schreibt Valéry über Leonardo, “ lebt sich in den schmückenden Festdekorationen aus, in reizenden Erfindungen, und wenn er davon träumt, einen fliegenden Menschen zu konstruieren, lässt er ihn in die Lüfte steigen, um Schnee von den Gipfeln der Berge zu holen und im Sommer auf das vor Hitze brodelnde Pflaster der Städte zu streuen. ” 1 Tatsächlich war Leonardo als Ingenieur in zahlreichen Feldern zugleich tätig. Er entwarf Theatermaschinen für das oberitalienische Festwesen ebenso wie Kriegs-, Landwirtschafts-, Bau- oder Flugmaschinen. Dennoch scheint die heutige Forschung teilweise wieder eine Grenze zwischen der wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit Leonardos zu ziehen, zumindest bleibt die Theaterarbeit des Renaissanceingenieurs in der äußerst umfangreichen Forschungsliteratur zu dessen Flugstudien konsequent ausgeblendet. 2 Leonardo hätte jedoch, so möchte ich behaupten, seine Flugstudien nicht im selben Ausmaß unternommen, wäre er nicht zugleich auch Zeuge und Ausstatter einer Theater- und Festkultur gewesen, in der spektakuläre Flugeffekte eine übergeordnete Rolle spielten. Die wissenschaftliche Erforschung und technische Realisierung des Fliegens stellte zur Wende des 16. Jahrhundert noch immer ein Tabu dar. Antike Mythen wie der Ikarusmythos oder die christliche Legende vom Sturz des Simon Magus warnten vor physischen ebenso wie vor geistigen Höhenflügen. 3 Gleichwohl hinterließ Leonardo mehr als 500 Entwurfsskizzen zu verschiedenen Flugmaschinen; die ersten datieren auf 1485, die letzten auf 1515. Diese Skizzen haben heute einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Leonardo aber vertraute sie seinerzeit nur geheim gehaltenen Heften an. Zudem lässt sich nicht nachweisen, dass er seine Maschinenentwürfe jemals realisiert, geschweige denn erprobt hat. 4 Das Festwesen hingegen stellte für Leonardo ein legitimes Experimentierfeld dar, das es ihm erlaubte, phantasievolle Flugwerke zu gestalten, die teilweise augenfällige technische Parallelen zu seinen Flugmaschinenentwürfen aufweisen. Die scheinbar über den Straßen schwebenden Wagen der italienischen Passions- und Triumphzüge, die sich von Kirchendecken senkenden Flugwerke im religiösen Spiel und die verschiedenen ex machina-Effekte höfischer Aufführungen schürten eine neuartige Flugfaszination, die sich auf Leonardos wissenschaftliches Interesse am Flug ausgewirkt haben mag. Zwar verband Leonardo seine Theaterarbeit selbst nicht explizit mit der Flugforschung. Ich möchte jedoch zeigen, dass sich zwischen beiden Tätigkeitsfeldern rückblickend durchaus Resonanzeffekte ausmachen lassen. In methodischer Hinsicht greife ich dabei auf das Resonanzmodell des New Historicism zurück. Stephen Greenblatt hat das “ Wunder ” und die “ Resonanz ” als zwei Modi der ästhetischen Erfahrung von (Kunst)-Objekten beschrieben: Es gebe (Kunst-)Ausstellungen in deren Rahmen die Exponate wie “ Wunderwerke ” angesehen werden, sie ziehen den Betrachter vollkommen in ihren Bann, wecken ein distanzloses Forum Modernes Theater, 25/ 2 (2010), 143 - 158. Gunter Narr Verlag Tübingen Begehren und eine ungehemmte Aufmerksamkeit. Es gebe aber auch Ausstellungen, in welchen die (Kunst-)Objekte im Betrachter eine Ahnung davon wach rufen, durch welche Hände sie einmal gewandert waren, wer sie geschaffen, geformt, gebraucht, sich angeeignet, ausgestellt oder literarisch beschrieben hat. Den Objekten sei anzumerken, dass sie einmal zwischen künstlerischen und außerkünstlerischen Repräsentations- und Aneignungspraxen zirkuliert waren; und diese Verhandlungsprozesse um das (Kunst-)Objekt wirkten in demselben nach. Den entsprechenden Effekt des Nach- und Mitklingens der Geschichte bezeichnet Greenblatt als ‘ Resonanz ’ : [T]he effect of resonance does not necessarily depend upon a collapse of the distinction between art and non-art; it can be achieved by awakening in the viewer a sense of the cultural and historically contingent construction of the art objects, the negotiations, exchanges, swerves, exclusions by which certain representational practices come to be set apart from other representational practices that they partially resemble. 5 Für den Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt wird die so verstandene Resonanz zum Ausgang einer Analyse, die den Spuren der historisch besehen weit zurückliegenden literarischen Verhandlungsprozesse um das vermeintliche (Kunst-)Objekt folgt. Im Folgenden wird es mir um solche literarische Spuren, aber auch um bildliche Spuren gehen. In der Gegenüberstellung der Schriften und Skizzen, die Leonardo von seiner Tätigkeit als Festgestalter und Flugforscher zurückgelassen hat, soll deutlich werden, inwiefern diese rückblickend auf ein Resonanzverhältnis schließen lassen. 6 Das Resonanzmodell erscheint mir für dieses Vorhaben auch deshalb geeignet zu sein, weil die Flugwerke im italienischen Theater des Quattro- und Cinquecento gemeinhin als Renaissancephänomene, das heißt im Kontext einer Neubelebung der griechisch-antiken Theatertechnik, gedeutet werden. 7 Es wird jedoch nachzuzeichnen sein, dass es sich bei den Flugwerken des italienischen Fest- und Theaterwesens kaum um Renaissancephänomene handelt. Eher ist von der Neuerfindung einer Theatertechnik zu sprechen, die ihre Resonanz in der wissenschaftlichen Erforschung und Beschreibung des Fliegens fand, wie sie Leonardo zeitgleich und nach ihm zahlreiche Gelehrte und Handwerker unternahmen. I. Die Neuerfindung des Fliegens im Festwesen der Renaissance Zu Leonardos Zeit oblagen die oberitalienischen Stadtstaaten dem, was der Kunsthistoriker Jacob Burckhardt in seiner Studie zur Kultur der Renaissance in Italien (1860) einmal als “ Zwang zur städtischen Selbstrepräsentation ” 8 bezeichnet hat. Geeignetes Medium der politischen Repräsentationskultur war das Festwesen, das aufgrund des massenwirksamen Charakters zu einem bedeutenden, äußerst lukrativen Betätigungsfeld für Handwerker, höfische Künstler und Gelehrte avancierte. Insbesondere in den Festen des Quattro- und Cinquecento ging aus der Bündelung verschiedenster sozialer Interessen und Energien ein neues Festrepertoire hervor, das keinen vorher definierten Regeln gehorchte. Dort trafen, so beschreibt es 1899 auch der Kulturhistoriker Aby Warburg im Kontext seiner prominenten Beschäftigung mit der Renaissance-Ikonologie, “ die treibenden und hindernden Kräfte zusammen, die über Blüte und Verfall der Kunstentwicklung so oft entscheiden. ” 9 Ein Produkt dieser Kräfte waren die phantasievoll gestalteten Theatermaschinen. Fast ausnahmslos handelt es sich dabei um Flugwerke. Obgleich diese Flugwerke den deus ex machina-Kränen des griechisch-antiken Theaters auf den ersten Blick ähneln, ist 144 Viktoria Tkaczyk hier jedoch nicht von der Renaissance einer Bühnentechnik auszugehen. Vielmehr lässt sich von einer theatertechnischen Neuerfindung sprechen, die ihren Anfang in der kirchlichen Liturgie des Duecento genommen hat: Im Duecento wurden dem streng regulierten Gestenvokabular der Liturgie zunächst anschauliche Passionsbilder und -skulpturen zur Seite gestellt. Diese dienten der religiösen Unterweisung und Wiedererinnerung. Der Kunsthistoriker Hans Belting spricht davon, dass sich der Betrachter an die Passionsbilder und -skulpturen auch mimetisch angleichen und sie “ als geistiges Bild in sich produzieren sollte ” 10 . Mit Beginn des Trecento wurde die liturgische Praxis durch dramatische Elemente (drammi liturgici) sowie durch außerliturgische Predigtelemente (uffizi drammatici) und Lauden bereichert. In diesem Rahmen traten erstmals auch Darsteller auf, um die Passionsbilder in so genannten quadri animati zu verkörpern. 11 Mit Erstarken der italienischen Festkultur im Quattrocento avancierten die lebenden Bilder zum spektakulärsten Element der religiösen Festzüge und sacre rappresentazioni. Im Rahmen der Festzüge sind Wolkengerüste (nuvole) angefertigt worden, um die Darsteller durch die Straßen zu tragen. Der Künstlerbiograph Giorgio Vasari schreibt deren Erfindung dem florentinischen Ingenieur Il Cecca (Francesco d'Angelo, 1446 - 1488) zu und schildert die Machart einer nuvola in aller Ausführlichkeit: Man nahm einen viereckigen Holzrahmen, ungefähr zwei Ellen hoch, mit vier starken Füßen an den Ecken, [. . .]. Auf diesem Rahmen lagen übers Kreuz zwei Bretter, [. . .]; daraus ragte ein Stab hervor, der eine Mandorla trug, reich mit Baumwolle, Cherubim, Seraphin und anderen Dingen ausgeschmückt, und in dieser saß oder stand eine Person, welche entweder den ersten Schutzpatron der Bruderschaft, oder den Heiland, die Madonna, St. Johannes oder einen anderen Heiligen darstellte. Die Gewänder dieser Gestalten verdeckten das Eisen so, daß man es gar nicht sah, [. . .]. Die ganze Maschine, sammt Stab und Eisen mit Baumwolle [. . .] erschien zuweilen von Lastträgern oder Bauern auf den Schultern getragen; sie vertheilten sich innen um jene Tafel, die wir einen Rahmen genannt haben, [. . .] und diese ganzen Maschinen [macchine] wurden Wolken [nuvole] genannt. 12 Nicht zufällig nennt Vasari die Gerüste “ macchine ” , - täuschten sie das Publikum doch dahingehend, dass sie auf wundersame Weise über dem Boden zu schweben schienen, angetrieben durch eine im Inneren verborgene, göttliche Maschinerie. Der Effekt, so heißt es in zahlreichen Chroniken, soll die Zuschauer der Passionszüge teilweise zu Tränen gerührt und in ihrem Glauben bestärkt haben. 13 Die prominenten Bildtafeln der Passion (die Epiphanie des Erzengels und die Himmelfahrt Christi) wurden in den Festzügen also nicht nur durch die Darsteller verkörpert. Den Eindruck des Lebendigen und Authentischen evozierten auch die Festwagen, deren scheinbare Selbstbeweglichkeit als ‘ maschinell ’ und damit als ‘ göttlich ’ angesehen wurde. 14 Nicht unbedeutend ist in diesem Zusammenhang, dass Vasari eine beinahe beliebige Reihe an Figuren aufzählt, die auf den Gerüsten Platz nehmen konnten. Denn neben die Corpus Domini- und Dreikönigsprozession traten seit Mitte des Quattrocento zunehmend profane Stadt- und Triumphzüge. Dabei erweiterte sich die vormals sakrale Besetzung der Wolkengerüste (Christus-, Engel- und Heiligenfiguren) um allegorisches und historisches Personal. Gegen Ende des Jahrhunderts präsentierten sich die Stadtfürsten zuweilen sogar selbst auf den nuvole. Somit wurde der durch die Wolkengerüste evozierte Flugeffekt zwar bewahrt, durch die personelle ‘ Umbesetzung ’ der Gerüste im Rahmen der Festkultur jedoch gewissermaßen profaniert. 145 Renaissance oder Resonanz Auch in den sacre rappresentazioni des Quattrocento wurden die Flugeffekte der Festzüge zitiert, wobei sie hier in technisch-ästhetischer Hinsicht zugleich einer bedeutenden Modifikation unterlagen. Denn der Repräsentationsraum verschob sich gegenüber den Festzügen um 90 Grad in die Vertikale. Wurden die nuvole in den Straßenzügen sukzessive aneinander gereiht, um sämtliche Stationen der Passion darzustellen, so inszenierte man in den Kirchenräumen meist nur ein ausgewähltes Bild der Passion und ordnete die Szenerie vertikal an. Dabei wurden die Wolkengerüste der Festzüge übernommen, aber zu sogenannten mandorle umgestaltet, die man an Seilen befestigte und von der Kirchendecke hinab gleiten ließ. Damit konnte man spektakuläre christus ex machina- und angelus ex machina-Effekte inszenieren. An der Entstehung der mandorla im Quattrocento lässt sich also nachvollziehen, dass das Flugwerk in der Theatergeschichte ein zweites Mal erfunden worden ist - und zwar nicht, indem die antike Bühnenpraxis wiederentdeckt und zitiert worden war. Vielmehr ist die zunächst im Rahmen der Festzüge erfundene nuvola in der sacra rappresentazione zur mandorla ‘ umfunktioniert ’ worden. Daher nimmt es auch nicht wunder, dass die mandorla in technischer Hinsicht kaum der antiken mechané nachempfunden war; ihre Bestandteile entstammten vielmehr vorwiegend dem Dom-, Festungs- und Schiffbau des Quattrocento. 15 Die genaue Beschreibung zweier sacre rappresentazioni des Untersuchungszeitraums verdanken wir dem russischen Bischof Abraham von Souzdal, der während des Florentiner Unionskonzil im März 1439 einer Ascensione (Himmelfahrt) sowie einer Annunziatione (Marienverkündigung) beigewohnt hatte. Souzdal zufolge repräsentierte in der Ascensione eine steinerne Estrade im Mittelschiff der Kirche den irdischen Schauplatz. Darüber befand sich auf einem Holzgerüst das Paradies, von dem sich im Moment der Auffahrt Christi eine mandorla herabsenkte: ein ringförmiges Flugwerk, auf dem sich eine Schar von Kindern in Engelsgewändern im Kreis drehte, um den Christusdarsteller in ihrer Mitte himmelwärts zu geleiten. 16 Souzdals Beschreibung der Inszenierungstechnik hat zu einer Reihe von Modellrekonstruktionen geführt, wie sie etwa in der Ausstellung “ Teatro e Spettacolo nella Firenze dei Medici. Modelli dei luoghi teatrali ” (Palazzo Medici Riccardi, Florenz, 2001) gezeigt worden sind (Abb. 1). Abb. 1: Anonyme Fotografie eines Bühnenmodells. Aus: Teatro e Spettacolo nella Firenze dei Medici. Modelli dei Luoghi Teatrali. Ausstellungskatalog. Hg. v. Elvira Garbero Zorzi u. Mario Sperenzi. Florenz 2001, S. 125. Welche Wirkung erzielten die Flugeffekte der sacre rappresentazioni im 15. Jahrhundert? Souzdals Berichte wechseln stetig zwischen 146 Viktoria Tkaczyk zwei Beobachterperspektiven. Zum einen spricht aus den Beschreibungen eine technische Neugier, die den Autor offenbar dazu verführt hatte, hinter die Kulissen der Flugeffekte zu sehen. So schildert Souzdal auch eine Annunziatione, die er ebenfalls 1439 in Florenz in der Santissima Annunziata- Kirche gesehen hatte (vgl. dazu die Rekonstruktion auf Abb. 2). Sehr genau erläutert er hier, wie der Erzengel im Marienmysterium längs durch das gesamte Kirchenschiff zu fliegen schien: Während er [der Engel] an den Stricken herabfährt, singt er mit sanfter Stimme [. . .]. Er hat hinter sich zwei Rädchen befestigt, die von unten, wegen der grossen Entfernung, unsichtbar sind, und in welche die zwei Stricke passen, während am dritten, feinsten Stricke Leute, die oben aufgestellt und ebenfalls unsichtbar sind, den Engel herablassen und wieder nach oben ziehen. 17 Abb. 2: Fotografie eines Bühnenmodells (R. Bencini, M. Bertoni). Aus: Teatro e Spettacolo nella Firenze dei Medici. Modelli dei Luoghi Teatrali, Ausstellungskatalog. Hg. v. Elvira Garbero Zorzi u. Mario Sperenzi. Florenz 2001, S. 118. Zum anderen lässt sich an Souzdals Worten aber auch ein religiös gestimmtes Staunen ablesen, das sich dem Glanz der Aufführung hingegeben hatte: “ So viel ich in meinem Unverstande vermocht, habe ich es niedergeschrieben, manches aber ist unmöglich zu beschreiben, weil so wunderbar und unaussprechlich. Amen. ” 18 Das emotionale Wechselspiel zwischen technisch-analytischer Neugier auf der einen und distanzlosem Staunen auf der anderen Seite verweist auf eine Wirkungsästhetik, die nicht mehr, wie bei den oben erwähnten Passionstafeln, auf dem mimetischen Verschmelzen von Betrachter und Kultobjekt gründet. Vielmehr ist hier der Beginn einer neuartigen Flugfaszination anzusetzen. Wie in jüngeren Untersuchungen zur Geschichte der kulturellen Aufmerksamkeit wiederholt gezeigt worden ist, sind es häufig auch nicht singuläre kognitive Leidenschaften, die zur epochenspezifischen Fokussierung bestimmter Kult- und Forschungsobjekte führen, sondern die Art und Weise, wie unterschiedliche Empfindungsweisen um diese Objekte in bestimmten historischen Räumen verschränkt sind. 19 Dies gilt auch für das Festwesen zu Leonardos Zeit, das einen öffentlichen Raum bot, in dem die immer noch religiös besetzte Flugthematik teilweise auf distanzlose Bewunderung, teilweise aber auch auf technischen Erfindungseifer und wissenschaftliche Neugierde stieß und damit eine neuartige Aufmerksamkeit und Faszination prägen konnte. 20 Leonardo war nicht nur Zeuge der sacre rapprensentazioni und Festzüge seiner Zeit. Er gestaltete diese auch maßgeblich mit. So findet sich unter den erhaltenen Skizzen des Künstler-Ingenieurs u. a. der Entwurf eines mit drei Rädern ausgestatteten Wagens, wie er ab Mitte des Quattrocento anstelle der nuvole häufig verwendet wurde, um die Darsteller der Festzüge durch die Straßen zu transportieren (Abb. 3). 21 147 Renaissance oder Resonanz Abb. 3: Leonardo da Vincis Skizze eines Festwagens, Codex Atlanticus, fol. 812 r (Biblioteca Ambrosiana, Mailand). Darüber hinaus zählt Leonardo zu den frühen Gestaltern des italienischen Hoftheaters. Im Quattrocento verfügten die Fürstenhöfe noch nicht über stehende Theater; in den Festsälen wurden jedoch mobile Bühnen errichtet. Auch hier stattete Leonardo Inszenierungen mit spektakulären Flugwerken aus, - so z. B. im Januar 1496, als im Mailänder Palast des Giovan Francesco Sanseverino die Komödie der Danae von Baldassarre Taccone zur Aufführung kam. Taccones Szenenanweisungen zufolge erforderte das Stück zahlreiche Flugeffekte. 22 An einer Skizze Leonardos (Abb. 4) ist abzulesen, dass für den Bühnenhimmel der Danae eine perspektivisch konstruierte Nische diente. Diese scheint sich auf einer Plattform befunden und von der Decke des Saals schräg abwärts bis in den Bühnenraum erstreckt zu haben. 23 Inmitten der Nische ist eine mit feurigen Flammen umrahmte mandorla erkennbar, auf der eine Gestalt thront. 24 Abb. 4: Bühnenskizze von Leonardo da Vinci, Einzelblatt (The Metropolitan Museum of Art). Leonardos Entwurf zeigt auffällige Ähnlichkeiten mit den mandorle, die in der ersten Hälfte des Quattroceno für die sacre rappresentazioni entwickelt worden waren. Demnach scheint sich Leonardo die Maschinentechnik und -ästhetik der Ascensione- Feste angeeignet zu haben, um die Figuren aus Taccones Komödie auf spektakuläre Weise ins Spiel zu bringen. 25 Ähnlich wie zuvor bereits in den Festzügen üblich, traten auch in dieser Inszenierung auf der mandorla keine biblischen Figuren mehr auf, sondern pagane Gottheiten (laut Taccones Anweisungen: Jupiter, Merkur und Apoll), allegorische Figuren (die Ewigkeit) und gänzlich profanes Personal (Danae). Für den Orfeo von Angelo Poliziano, der im Zeitraum zwischen 1506 bis 1508 in der Mailänder Stadtvilla des französischen Gouverneurs Charles d'Amboise aufgeführt wurde, entwarf Leonardo seine heute wohl prominenteste Theatermaschinerie: Ein auf einer Drehbühne platzierter Berg, der sich öffnen und die Protagonisten dann mithilfe einer Hebevorrichtung aus der Unterwelt auffahren ließ. 26 Neben der Höllenfahrt simulierte Leonardo im Orfeo aber auch den 148 Viktoria Tkaczyk Vogelflug des Perdix mittels einer eigens dafür konstruierten Maschine (Abb. 5). Abb. 5: Leonardo da Vincis Skizze einer Theatermaschine, Codex Atlanticus, fol. 231 a-v (Biblioteca Ambrosiana, Mailand). Dieser “ ocel de la comedia ” mutet auf den ersten Blick jedoch gar nicht wie eine Theatermaschine an. Vielmehr gleicht die Skizze jenen Bewegungsstudien, die Leonardo 1505 im Traktat Sul volo degli uccelli angefertigt hatte, als er sich intensiv mit Fragen des Vogel- und Menschenflugs beschäftigte: Auch hier finden sich zwei Versuchsanordnungen zur Gleichgewichtsverlagerung, in welchen die Vögel - ähnlich wie der “ ocel de la comedia ” - an Trapezen hängen (Abb. 6 a, 6 b). Die optische Ähnlichkeit zwischen den Skizzen lässt sich als ein Indiz dafür begreifen, dass Leonardo im Rahmen seiner Theaterarbeit mechanische Experimente durchführte, die unmittelbar mit seiner Flugforschung korrespondierten. Möglicherweise fand seine Experimentierfreude im Theater also einen Freiraum, der ihm in der wissenschaftlichen Arbeit (zumindest offiziell) verwehrt war. Dies jedoch würde die These des Kunsthistorikers Domenico Laurenza widerlegen, der neben Paul Valéry bislang als einziger auf Parallelen zwischen Leonardos Theaterarbeit und dessen Flugstudien hingewiesen hat. 27 Laurenza stützt sich dabei allerdings auf Arbeiten aus Leonardos Lehrjahren in Florenz, während er die Theatermaschinen aus der letzten Schaffensperiode des Ingenieurs schlichtweg als Ausdruck einer Flucht aus der ernsthaften Forschung ins Phantastische deutet. Gerade Leonardos Vogelmaschine für den Orfeo weist meines Erachtens allerdings sehr deutliche technische Bezüge zu seiner Flugforschung auf. Deshalb trifft es auch nicht ganz zu, wenn der Kulturphilosoph Hans Blumenberg die Flugforschung Leonardos noch in der Tradition der aristotelischen Mimesis verortet. 28 Erst mit Beginn der Moderne, so argumentiert Blumenberg, sei der Topos der Mimesis an einem metaphysischen Bedürfnis nach genuin Neuem zerbrochen. Kunst und Technik haben die Natur fortan nicht mehr nach-, sondern vorgeahmt. 29 Die Gebrüder Wright zum Beispiel entwickelten durch Flugmotor und Luftschraube ein aviatisches Modell, das jenseits des Vogelflugprinzips, aus der Logik Abb. 6 a und 6 b: Skizzen aus Leonardo da Vincis Traktat Sul volo degli uccelli, fol. 15 v, 17 v (Biblioteca Reale, Turin). 149 Renaissance oder Resonanz und den Gesetzmäßigkeiten technischer Prozesse heraus entstanden war. Zweifelsohne gingen die Wrights damit einen bedeutenden Schritt weiter als Leonardo. Wechselt man allerdings den Schauplatz von Leonardos Flugstudien zum Theaterwesen seiner Zeit, so zeichnet sich auch hier eine Eigendynamik des Technisch-Experimentellen ab, die über das aristotelische Mimesisprinzip hinausgeht. Bereits vor der wissenschaftlichen Erfindung und Legitimierung des Flugzeugs wurde der Menschenflug hier - zumindest als spektakulärer Theatereffekt - öffentlich ‘ vorgeahmt ’ . Gerade in medien- und kunsthistorischer Hinsicht bestätigt sich dabei die These Martin Burckhardts, dass “ das in den technischen und künstlerischen Artefakten exponierte Denken [. . .] dem Nach-Denken über die Dinge vorausgeht. ” 30 II. Resonanzen einer Faszination Während die Flugwerke des italienischen Theaterwesens im Quattro- und Cinquecento ein beinahe unhinterfragtes Faszinosum darstellten, erörterte und befragte Leonardo die Möglichkeit des Menschenflugs in seinen wissenschaftlichen Arbeiten mit äußerster Vorsicht. “ Ein Vogel ist ” , heißt es im Codex Atlanticus zwar, “ ein Gerät [strumento], das nach mathematischen Gesetzen funktioniert ” ; und es stehe folglich in der “ Macht des Menschen [potestà dell'omo], ein solches Instrument mit all seinen Bewegungen nachzubauen. ” 31 Allerdings folgt auf diese Feststellung eine bemerkenswerte Einschränkung: Wir können sagen, dass diesem Instrument [. . .] nichts fehlt als eine Vogelseele [l'anima dell'uccello], die von der Seele des Menschen nachgemacht werden muss. Die Seele gehorcht gewiss den Gliedermaßen der Vögel besser in allem, was deren Bedürfnissen entspricht, als es die Seele des Menschen machen würde, die von diesen Gliedermaßen getrennt ist, und das gilt zuvorderst für die fast unmerklichen Bewegungen zum Halten des Gleichgewichts; aber da wir sehen, wie der Vogel viele, mannigfache, gut wahrnehmbare Bewegungen ausführt, können wir dank dieser Erfahrung [esperienza] beurteilen, dass die gut wahrnehmbaren Kräfte in das Wissen [cognizione] des Menschen eingehen können, so dass er bestens dafür sorgen kann, dass dieses Instrument nicht abstürzt, zu deren Seele und Lenker er sich gemacht hat. 32 Mit dem Motiv der Vogelseele knüpfte Leonardo an den christologischen Diskurs seiner Zeit an; Vögel galten hier als Verkörperung der Seelen der Toten oder zumindest als Grenzgänger zwischen Dies- und Jenseits. Das aus der platonischen Philosophie rührende Motiv des Seelenflugs fand zudem Eingang in die christliche Visionsliteratur, wo Dies- und Jenseitsvisionen teilweise als rein seelische Erhebungen beschrieben sind. 33 Wenn Leonardo also voll Bewunderung von der Seele des Vogels spricht, so tragen diese Überlegungen durchaus Spuren eines metaphysisch konnotierten Flugbegriffs. Doch war der Forscher bemüht, über die bloße Bewunderung und ein Staunen über die Natur hinauszugelangen, indem er die Seele des Fliegens zu ergründen suchte - und zwar mittels eines aus der Erfahrung (esperienza) resultierenden Wissens (cognizione). Allerdings sah Leonardo davon ab, seine Entwürfe auch tatsächlich zu realisieren oder die Flugmaschinen zu erproben. Stattdessen verlagerte er seine Forschung stets auf weitere Schauplätze des Experimentierens. Zu diesen Schauplätzen zählte unter anderem das Studium des ‘ Flugkörpers ’ . Leonardo spricht im Trattato sul volo degli uccelli vom “ luomo ne volatilij ” 34 (vom Menschen in einer Flugmaschine) und vergleicht die menschliche Anatomie mit derjenigen von Vögeln. Demnach hielt er den menschlichen Körper durchaus für geeignet, sich im Luftraum fortzubewegen. Leonardo traf diese 150 Viktoria Tkaczyk Aussagen in einem kulturellen Umfeld, in welchem das physische Vermögen zu fliegen jedoch allenfalls übernatürlichen Wesen (Engeln, Heiligen, Dämonen) und außernatürlichen Wesen (Hexen, Monstren) vorbehalten war. 35 Am deutlichsten äußerte sich die Verschränkung von Sakralität und körperlichem Flugvermögen in den seinerzeit zirkulierenden Legenden um die Levitation von Heiligen. Weit verbreitet war etwa die aus dem Duecento stammende Legende um die ekstatische Erhebung Franz von Assisis. In den anonymen Fioretti di San Francesco heißt es, ein Mönch habe gesehen, wie “ der heilige Franz in der Betrachtung Gottes entrückt und über den Boden erhoben wurde [. . .]; manchmal sah er ihn so hoch in die Luft hinausgehoben und mit einem solchen Glanz umgeben, daß er beinahe seinem Blick entschwand. ” 36 Zu Lebzeiten Leonardos kursierten in Oberitalien zudem Flugblätter mit Emblemen geflügelter Monstren und Hexen. An Inquisitionsdokumenten wie dem Hexenhammer lässt sich auch ablesen, dass in der Dämonologie ebenfalls darüber debattiert wurde, ob Hexen, Magier und Monstren mittels übernatürlicher Kräfte den Körper verlassen, um durch die Lüfte zu fliegen (Ausleibigkeitsphänomen), oder ob deren Flug als durchweg physisches Phänomen zu begreifen ist. 37 Für den gewöhnlichen Menschen stellte das Fliegen zu Leonardos Zeit also ein Tabu dar. Daher auch mag Leonardo seine anatomischen Flugstudien als regelrechte Höhenflüge verstanden haben. Sich selbst adressierend, schreibt er im Vogelflug-Traktat: “ Du, der du dich von Träumen nährst, dir gefällt es besser, mit Sophismen und Schwindeleien von großen und unsicheren Dingen zu sprechen, als von den sicheren und natürlichen, die nicht solche Höhenflüge [bzw. Höhen, altura] erreichen. ” 38 Die räumlichen Metaphern ‘ hoch ’ und ‘ tief ’ finden sich im wissenschaftlichen Diskurs der Frühen Neuzeit vielfach, wo versucht wird, zwischen mit religiösen Tabus behafteten Phänomenen und legitimen Forschungsobjekten zu unterschieden. Beziehungsweise: Die Metaphern treten, wie bei Leonardo ersichtlich, auch dort auf, wo eine Neuordnung und Erweiterung des Forschungskorpus unternommen wird. Der Kulturhistoriker Carlo Ginzburg hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass mit den frühneuzeitlichen Forschungsgegenständen auch die Neugierde eine allmähliche Umwertung vom Laster zur tugendhaften Leidenschaft erfahren hat. Sinnigerweise erhielt damit zugleich die Ikarusfigur, welche die curiositas von jeher verkörpert, eine neue (positive) Bedeutung. Die Neugierde avancierte im 17. Jahrhundert auch gleichsam zur Leitfigur der neu sich etablierenden (Experimental-)Wissenschaften und zierte die Frontispize wissenschaftlicher Publikationen. 39 Leonardo ließ sich bereits an der Wende zum 15. Jahrhundert - zumindest ein Stück weit - von seiner Neugierde leiten. Wo das Auge an die Grenzen des Wahrnehmbaren stieß, beließ er das Forschungsphänomen nicht im Bereich der obscuritas. Stattdessen wechselte er die Perspektive, den Schauplatz seiner Forschung: “ Um ein wahres Wissen über den Flug der Vögel in der Luft zu vermitteln ” , heißt es etwa im Manuskript E, “ ist es nötig, zuerst ein Wissen über die Winde zu vermitteln, wofür wir als Beweis die Bewegung des Wassers in sich selbst zeigen werden. Und diese Wissenschaft vom Sichtbaren wird der Zugang sein, der uns zur Kenntnis der in der Luft und im Wind Fliegenden führt. ” 40 Zu diesen Kenntnissen gelangte der Forscher aber nicht allein über die bloße Beobachtung von Wasserströmungen, sondern ebenso über komparatistische Studien zwischen Fischen und Vögeln, Schwimm- und Flugbewegungen. 41 Auch die Schifffahrt verhalf ihm zu Einsichten in Bewegungsprinzipien, die in der Idee eines Luftschiffs resultierten. 42 Als ein 151 Renaissance oder Resonanz weiterer Schau- und Experimentierplatz fungierte das Militärwesen; im Rahmen von Forschungen zur Ballistik entwickelte Leonardo eine Impetustheorie, die später zum zentralen Bestandteil seiner Flugforschung werden sollte. 43 Wo die bisher genannten Forschungen keine Antwort auf Leonardos Fragen geben konnten, ging dieser auch ungewöhnliche Wege wie etwa den über das Gehör. In den Madrider Codices beschreibt er das schnelle Flügelschlagen eines Ziegenvogels und konstatiert, “ daß das Schlagen der Flügel auf die Luft ein Geräusch erzeugt, das sich wie das Meckern eines Zickleins anhört [. . .]. ” 44 Der Forscher vergleicht dieses Meckern mit dem “ heftigen Rauschen ” eines fliegenden Sperbers und gelangt von den akustischen Beobachtungen zu äußert komplexen Analysen der Flugrhythmik. “ Nie ” , so schließt er hier jedoch, “ werden die Menschen, nachdem sie Vogelflügel an einer beliebig schnellen Maschine festgemacht haben, das Geräusch oder den Lärm hervorbringen, der bei denselben Flügeln zu beobachten war, wenn sie mit Schnelligkeit von den Vögeln bewegt werden. ” 45 Vergleichbare Momente der Resignation durchziehen auch die späten Flugstudien Leonardos. So konstatiert er um 1515, weder die Seenoch die Luftfahrt würden jemals den Perfektionsgrad erreichen, mit der sich die Tiere in diesen Elementen fortbewegten. 46 Daher verwundert es letztlich auch nicht, dass Leonardo seiner Bewunderung für die unnachahmbaren Bewegungskünste der Natur nicht in zum Scheitern verurteilten Flugversuchen Ausdruck verliehen hat. Vielmehr bevorzugte er den Rückzug auf den Experimentierraum seiner Notizbücher und Schriften. Mit seinen heute als ‘ Traktate ’ bekannten Schreibheften, in denen Schrift und Bild auf bemerkenswerte Weise korrelierten, hat Leonardo zu einer innovativen Form wissenschaftlichen Denkens und Schreiben gefunden. Das Fliegen stellte für Leonardo ein epistemisches Ding dar, das er physikalisch nicht be-, sondern lediglich umschreiben konnte. Er näherte sich diesem Ding durch ein Schreiben, das permanent den Schauplatz wechselte: Beinahe wahllos reihen sich im Vogelflug-Traktat aerodynamische, ballistische, anatomische, akustische und mechanische Überlegungen und Vorschläge zu Experimentalanordnungen aneinander. Durch die Taktik einer stets nur provisorischen Begriffsarmatur balanciert Leonardo auch das noch unbenennbare Konzept der Flugmaschine aus, stetig wechselt er zwischen den Begriffen “ volatilij ” , “ stumeto ” und “ uccello ” . 47 Die Sprache ist es auch, mithilfe derer Leonardo den Leser des Traktats zum virtuellen Zuschauer und Zeugen seiner Gedankenexperimente macht. Wiederholt bedient er sich einer antizipatorischen Rhetorik: “ Wenn du sagst, [. . .], dann erwidere ich darauf [. . .]. ” 48 Damit lässt sich das Vogelflug-Traktat nachträglich als ein Laboratorium interpretieren, in dem die Möglichkeit des Menschenflugs zumindest auf sprachlicher Ebene vorformuliert und erprobt worden ist. Dass sich Leonardo in seiner Arbeit auch dem Medium des Bildes (oder genauer: der Skizze und des Diagramms) bediente, um Bewegungsvorgänge der Natur zu analysieren und zu simulieren und damit einen höchst komplexen Bildbegriff entwickelt hat, ist aus kunsthistorischer Perspektive bereits vielfach gezeigt worden. 49 Überraschender Weise fanden die Flugstudien Leonardos dabei allerdings bislang kaum Beachtung. Die Zeichnungen im Vogelflug- Traktat veranschaulichen, was der Forscher mit bloßem Auge nicht zu sehen vermochte (Abb. 7 a-e). Über gleichsam ‘ kinematographisch ’ gestaltete Skizzen (fol. 6 r) brachte Leonardo kontinuierliche Bewegungsabläufe auf Papier. Die seriellen Folgen wirken offen, unabgeschlossen; es bleiben Leerstellen, nicht dargestellte Zwischenbewegungen, 152 Viktoria Tkaczyk Abb. 7 a - e: Skizzen aus Leonardos da Vincis Traktat Sul volo degli uccelli, fol. 6 r, 10 r, 8 r, 12 r, 15 v (Biblioteca Reale, Turin). 153 Renaissance oder Resonanz Abb. 8 a - c: Skizzen aus Leonardo da Vincis Traktat Sul volo degli uccelli, fol. 11 v, 16 v, 17 r (Biblioteca Reale, Turin). 154 Viktoria Tkaczyk die den Betrachter der Zeichnungen zum Mitvollzug der Bewegungen auffordern. Manchmal dienen auch nur dünne Konturen und Kreise, um die Bewegungsspuren der Vögel anzudeuten oder vorwegzunehmen (fol. 10 r). An anderer Stelle weisen gestrichelte, wie von Geisterhand gefertigte Linien auf unsichtbare Luftwiderstände hin, die den Flugkörper umgeben (fol. 8 r) oder sie verweisen auf die Berechenbarkeit des Impetus, der dem fliegenden Vogel inhärent ist (fol. 12 r). Teilweise stehen Seiten-, Front- und Oberansicht einer Bewegung auch nebeneinander und gewähren dem Betrachter so multiperspektivische Sichtweisen (fol. 15 v). Die im Vogelflug-Traktat vorgelegten Teilskizzen einer Flugmaschine erscheinen aus heutiger Sicht als äußerst fortschrittlich (Abb. 8 a-c). An keiner Stelle des Traktats finden diese Teilskizzen jedoch zusammen, stets haftet ihnen der Charakter des Prozesshaften an, des nonfinito einer undarstellbaren Idee. In seiner späten Schaffenszeit ging Leonardo dann von einfachen Ornithoptern zu Helikoptern und Konstruktionen mit mechanischen Antriebskräften oder tragenden Gleitflächen über, die sich immer weiter vom Vogelflugprinzip entfernten. Doch ist es auch hier bei unrealisierten Entwurfsskizzen geblieben. Durch Bild und Schrift versuchte Leonardo hier ebenfalls doppelte Evidenz zu generieren. Dem intermedialen Darstellungsstil ist jedoch ein Grad an Unschärfe inhärent. Im Zwischenraum von Bild und Schrift artikuliert sich eine unabgeschlossene Suchbewegung nach der Seele des Fliegens (l'anima dell'uccello). III. “ Mac(c)hina ” und “ Stume(n)to ” Leonardos Flugforschung hatte zwei Hauptschauplätze: Das Festwesen und das Traktat. Die Spur, die uns heute von einem Schauplatz zum anderen führt, zeugt von Differenzen ebenso wie von Resonanzen. Different sind zunächst die beiden Begriffe, die Leonardo selbst verwendete, um seine Flugmaschinenentwürfe für beide Schauplätze zu beschreiben. Die “ Mac(c)hina ” ist der Überbegriff für all jene Theatermaschinen, die der Experimentier- und Erfindungseifer der italienischen Ingenieure im Quattro- und Cinquecento hervorgebrachte. Wie gezeigt, verloren die im Prozess dieser künstlerischtechnischen Dynamik erfundenen nuvole und mandorle allmählich an sakraler Bedeutung. Die Wolkenwagen und Flugwerke wurden zunehmend mit profanem Personal besetzt. Ex machina kam dabei der wissenschaftlich noch tabuisierte Menschenflug ins Spiel. Auch Leonardo gestalte solche “ mac(c)hine ” , während er die Flugmaschinen in seiner wissenschaftlichen Arbeit noch vorsichtig als “ uccelli ” oder “ strume(n)ti ” umschrieb. Der Instrumentenbegriff erscheint dabei aus heutiger Perspektive umso treffender gewählt gewesen zu sein, als es sich hier vor allem um “ Denkinstrumente ” 50 handelte: Sie dienten als Motor einer Forschung, die sich auf mannigfache Schauplätze (Anatomie, Akustik, Ballistik, Mechanik/ Bühnentechnik) ausweitete und so stets neue Erkenntnisse über das Flugrätsel ermöglichte, ohne das Rätsel selbst zu lösen. Gemeinsam ist Leonardos “ mac(c)hine ” und “ strume(n)ti ” jedoch, dass sie sich rückblickenden beide als Erfindungen interpretieren lassen, die unterschiedliche Leidenschaften bündelten: Ein religiös gestimmtes Staunen ebenso wie technisch-experimentelle Neugierde und Erfindungseifer. Dieses Geflecht dreier sich streitender Leidenschaften machte die neuartige Flugfaszination zu Leonardos Zeiten aus. Hier nun ist das eingangs erwähnte, aus dem New Historicism entlehnte Interpretationsmodell der Resonanz anzusetzen, um die strukturelle Affinitäten zwischen scheinbar differenten Tätigkeits- und Experimentierfeldern herauszustellen. Das Resonanz- 155 Renaissance oder Resonanz modell erscheint mir auch deshalb ein passendes Interpretationsmodell zu sein, weil Leonardo selbst eine frühe Beschreibung des physikalischen Phänomens der Resonanz unternommen hat, das dann eintritt, wenn ein schwingungsfähiges System ein weiteres System aufgrund ähnlicher Eigenschwingungen anzuregen vermag. “ Die Bewegung eines Dings in der Nähe eines stabilen Dings führt oft dazu ” , heißt es im Codex Trivulziano “ dass sich das stabile Ding in die Bewegung des sich bewegenden Dinges verwandelt und das sich bewegende Ding erscheint stabil und ruhend. ” 51 Vom physikalischen Phänomen zum historiografischen Modell gewendet lässt sich mit der Resonanz rückblickend das Verhältnis zwischen der oberitalienischen Festkultur des Quattro- und Cinquecento und Leonardos Flugforschung beschreiben. Denn dass Leonardo die Thematik des Fliegens Zeit seines Lebens weiterverfolgte, mag gerade daran gelegen haben, dass er mit dem Theater und seinen wissenschaftlichen Notizbüchern gleich zwei Schauplätze gefunden hatte, die sich gegenseitig in Resonanz versetzen, und an denen er seiner Flugfaszination eine immer deutlichere Gestalt und Zukunft zu geben vermochte. Aus heutiger Perspektive erscheinen die Flugwerke des italienischen Festwesens im Quattro- und Cinquecento also in doppelter Hinsicht in einem neuen Licht: Sie sind weniger als Wiederentdeckungen (Renaissance) der griechisch-antiken Theatertechnik zu verstehen als vielmehr als Neuerfindung einer Bühnentechnik, die sich aus den Passionsbildern, den religiösen Festzügen und Triumphzügen, den sacre rappresentazioni und dem frühen Hoftheater entwickelt hat. Die Neuerfindung der Flugwerke ist aber auch als Resonanzeffekt einer wissenschaftlichen Flugforschung zu verstehen, die (wie bei Leonardo gesehen) hinter verschlossenen Türen stattfand und ihren Ausdruck in geheim gehaltenen Schriften fand, die ihre Flugfaszination aber mit dem italienischen Fest- und Theaterwesen teilte. Anmerkungen 1 Valéry, Paul. Leonardo da Vinci. 1894. Frankfurt a. M., 1998, 37. 2 Vgl. Guerrini, Mauro, ed. Bibliotheca Leonardina (1493 - 1989). Mailand, 1990, Bd. 3. 1731 - 1739. Die einzige Studie, die Leonardos Theaterarbeit berücksichtigt, stammt von Domenico Laurenza (s. u.). 3 Vgl. Ginzburg, Carlo. “ High and Low: The Theme of forbidden knowledge in the sixteenth and seventeenth centuries. ” Past and Present. A Journal of Historical Studies 70. (1976): 28 - 41. 4 Vgl. Hart, Ivor B. The World of Leonardo da Vinci. Man of Science, Engineer and Dreamer of Flight. London, 1961, 307, 311 - 313. 5 Vgl. Greenblatt, Stephen. “ Resonance and Wonder. ” Learning to Curse. Essays in Early Modern Culture. Ed. Stephen Greenblatt. New York/ London, 1990, 161 - 181, hier S 172. 6 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Kunsthistoriker Frank Fehrenbach, wenn er von “ Pendants ” zwischen Leonardos Malerei und Wissenschaft spricht. Vgl. Fehrenbach, Frank. Licht und Wasser. Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis. Tübingen, 1997, 12. 7 Eine explizite Rückführung der frühneuzeitlichen Theatermaschinerie auf die Antike wird bspw. in dem von Nicolas Boindin verfassten Lemma zu den “ Machines de Théâtre ” in der Ausgabe der Encyclopédie von 1765 durch Denis Diderot und Jean leRond d'Alembert unternommen. Theaterhistoriker des 20. und 21. Jahrhunderts verweisen häufig auf diesen Lexikoneintrag ohne die Renaissancequellen explizit zu befragen. Allein Lily Campbell führt in ihrer prominenten Studie zum Renaissancetheater die Theatermaschinen auf den Druck von Pollux ’ Onomasticon (1502) und vorab zirkulierende Abschriften des Werkes zurück. Vgl. Campbell, Lily. Scenes and Machines on the English Stage during the Renaissance. Cambridge, 1960, 59 - 65. In den Schriften 156 Viktoria Tkaczyk der frühneuzeitlichen Theateringenieure wird meinen Recherchen zufolge jedoch kein expliziter Bezug zur Antike hergestellt. Vgl. dazu ausführlicher Tkaczyk, Viktoria. Himmels-Falten. Zur Theatralität des Fliegens in der Frühen Neuzeit. München, 2011. 8 Burckhardt, Jacob. Die Kultur der Renaissance in Italien. 1860. Hamburg, 2004, 128 ff. u. 434 ff. Burckhardts teleologischer Ansatz und insbesondere sein Postulat, die italienische Renaissancekultur bilde den Nährboden des modernen Subjekts, werden heute kontrovers diskutiert. Seine Analysen des italienischen Fest- und Theaterwesens sind aber nach wie vor aufschlussreich. 9 Warburg, Aby. “ Die Bildchronik eines florentinischen Goldschmiedes. ” 1899. Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance. Ed. Gertrud Bing. Leipzig/ Berlin, 1932, Bd. 1, 69 - 77, hier 74. 10 Belting, Hans. Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion. Berlin, 1981, 222. 11 Vgl. Helas, Philine. Lebende Bilder in der italienischen Festkultur des 15. Jahrhunderts. Berlin, 1997, 13 - 28. 12 Vasari, Giorgio. “ Das Leben des Ingenieurs Cecca aus Florenz. ” Leben der ausgezeichneten Maler, Bildhauer und Baumeister, von Cimabue bis zum Jahre 1567. Ed. Ludwig Schorn u. Ernst Förster. 6 Bde. Stuttgart, 1839, Bd. 2, 2, 158 - 167, hier 163 f. 13 Vgl. dazu Helas 1997, S. 50 - 58. 14 Im Maschinendiskurs der Renaissance finden sich noch vielfach die Konnotationen des Göttlichen und Lebendigen, vgl. dazu auch Schmidt-Biggemann, Wilhelm. “ Maschine. ” Historisches Wörterbuch der Philosophie, 12 Bde., Ed. Joachim Ritter u. Karlfried Gründer. Darmstadt, 1971 - 2007. Bd. 5 [1980], Sp. 790 - 802, hier Sp. 790 f.; Bredekamp, Horst. Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin, 3 2000. 15 Besonders an den mandorle Filippo Brunelleschis, der vermutlich auch die durch Souzdal beschriebenen Kirchenspiele gestaltete, lässt sich nachweisen, dass er dafür die Technik der Hebevorrichtungen aus dem Dombau verwendete. Vgl. dazu McKinven, John A. Stage Flying. 431 B. C. To Modern Times. Illinois, 1995, 13. 16 Übers. zit. n. Wesselofsky, Alexander. “ Italiensche Mysterien in einem Reisebericht des XV. Jahrhunderts. ” Russische Revue. Monatszeitschrift für die Kunde Russlands 10. (1877): 425 - 441. 17 Zit. n. Wesselofsky 1877, 430. 18 Zit. n. Wesselofsky 1877, 431. 19 Vgl. bspw. Daston, Lorraine. “ Die kognitiven Leidenschaften: Staunen und Neugier im Europa der frühen Neuzeit. ” Wunder, Beweise und Tatsachen. Zur Geschichte der Rationalität. München, 2001, 77 - 98. 20 Dabei kommt es zur Überlagerung von Leidenschaften wie der admiratio, curiositas und inventio, die in der europäischen Kultur- und Kunstgeschichte eine jeweils eigene komplexe Bedeutungsgeschichte haben. Vgl. dazu auch Kemp, Martin. “ From ‘ Mimesis ’ to ‘ Fantasia ’ . The Quattrocento Vocabulary of Creation, Inspiration and Genius in the Visual Arts. ” Viator. Medieval and Renaissance Studies VIII. (1977): 349 - 397 sowie Curiositas. Welterfahrung und ästhetische Neugierde in Mittelalter und früher Neuzeit. Ed. Klaus Krüger. Göttingen, 2002. 21 Vgl. dazu Angiolillio, Marialuisa. Leonardo. Feste e Teatri. Neapel, 1979, 22 - 29 u. Abb. 5, 6. 22 Taccone, Baldassarre. La Danae. Pubblicata per le nozze Mazzacurati Gaetani d'Aragona. 1496. Bologna, 1888. 23 Vgl. dazu Pedretti, Carlo. Leonardo da Vinci. Architekt. Stuttgart, 1980, 292. 24 Vgl. dazu Steinitz, Kate T. “ Leonardo Architetto Teatrale e Organizzatore di Feste. ” Lettura Vinciana. Bd. IX. Florenz, 1969, Bildanhang, Transkrip. zu Abb. 5. 25 Vgl. dazu Pedretti 1980, S. 292. 26 Vgl. Steinitz, Kate T. “ A reconstruction of Leonardo da Vinci's revolving stage. ” Art Quarterly XII (1949): 325 - 338 sowie Pedretti, Carlo. “ Dessins d'une scène, exécutés par Léonard de Vinci pour Charles d'Amboise. ” Le Lieu Théâtral à la Renaissance. Ed. Jean Jacquot [et al.] Paris, 1968, 25 - 35. 157 Renaissance oder Resonanz 27 Vgl. Laurenza, Domenico. Leonardo on flight. Florenz, 2004, 10 - 15, 46, 49 - 55, S. 117 f. 28 Vgl. Blumenberg, Hans. “‘ Nachahmung der Natur ’ . Zur Vorgeschichte der Idee des schöpferischen Menschen. ” 1956. Wirklichkeiten, in denen wir leben. Stuttgart, 1999, 55 - 103, 60 f. 29 Blumenberg 1956, 89 - 94. 30 Burckhardt, Martin. Metamorphosen von Raum und Zeit. Eine Geschichte der Wahrnehmung. Frankfurt a. M., 1997, 170. 31 Codex Atlanticus, fol. 434 r, zit. n. da Vinci, Leonardo. Der Vögel Flug - Sul volo degli uccelli. Ed. u. übers. v. Marianne Schneider. München, 2000, Anhang, 102. 32 Da Vinci 2000, 102. 33 Vgl. hierzu Dinzelbacher, Peter. “ Ekstatischer Flug und visionäre Weltschau im Mittelalter. ” Fliegen und Schweben. Annäherung an eine menschliche Sensation. Ed. Wolfgang Behringer u. Dieter R. Bauer. München, 1997, 111 - 145. 34 Da Vinci 2000, fol. 5 r (hier 38 f.). 35 Vgl. Hart, Clive/ Stevenson, Kay G. Heaven and the flesh. Imagery of desire from the renaissance to the rococo. Cambridge, 1995, 109 - 127; Tazi, Nadia. “ Celestial Bodies. A Few Stops on the way to Heaven. ” Fragments for a History of the Human Body. Ed. Michel Feher [et al.] New York, 1989, 518 - 552. 36 Zit. n. Thurston, Herbert. Die körperlichen Begleiterscheinungen der Mystik. Ed. Joseph H. Crehan. Luzern, 1956, 20 ff. 37 Vgl. dazu Ginzburg, Carlo. Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Frankfurt a. M., 1997, insbes. 117 - 132. 38 Da Vinci 2000, fol. 11 r (hier 62). 39 Vgl. Ginzburg 1976. 40 MS E fol. 54 r. Zit. n. Da Vinci 2000, 96. 41 Vgl. dazu Uccelli, Arturo. I Libri del volo di Leonardo da Vinci. Mailand, 1952, 214 ff. 42 Vgl. dazu Heydenreich, Ludwig Heinrich. Leonardo da Vinci. Basel, 1954, 148. 43 Vgl. Dibner, Bernd. “ Maschinen und Waffen. ” Leonardo. Forscher, Künstler, Magier. Ed. Silvio A. Bedini. München, 2005, 166 - 189, 181. 44 Madrid II, fol. 84 r. Zit. n. Da Vinci 2000, 100 f. 45 Da Vinci 2000. 46 Windsor, 12666 r [ca. 1515]. Zit. n. Gombrich, Ernst H. “ Leonardo da Vinci's Method of Analysis and Permutation. The Form of Movement in Water and Air. ” The Heritage of Apelles. Studies in the art of the Renaissance. Oxford, 1976, 39 - 56, hier 143, Übers. V. T. 47 Mehrfach gebraucht Leonardo für die Flugmaschine die Begriffe “ vccello ” (fol. 7 r), “ oeto ” (fol. 8 r) und “ lucel ” (fol. 8 r), nur einmal spricht er vom “ luomo ne volatilij ” (fol. 5 r) häufiger hingegen vom “ stumeto ” (fol. 15 v). zit. aus Da Vinci 2000. 48 Da Vinci 2000, fol. 16 r (hier 82 f.). 49 Vgl. bspw. Kemp, Martin. “ Die Zeichen lesen. Zur graphischen Darstellung von physischer und mentaler Bewegung in den Manuskripten Leonardos. ” Leonardo da Vinci. Natur im Übergang. Ed. Frank Fehrenbach. München, 2002, 207 - 228; Fehrenbach, Frank. Licht und Wasser. Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis. Tübingen, 1997. 50 Damit ließe sich die These Hankins ’ und Silvermans revidieren, der zufolge erst die materielle Kultur der “ eleborate instruments ” des späten 16. Jahrhunderts (Tele-, Mikroskop etc.) zur Ausprägung von “ instrumentes of the mind ” (Denkinstrumenten im oben beschriebenen Sinne) führten. Denn im Falle von Leonardos Flugstudien liegt kein technisches Apriori vor, das “ strumeto ” ging als ein Denkinstrument der materiellen Konstruktion des Flugzeugs voraus. Vgl. Hankins, Thomas/ Silverman, Robert J. Instruments and the Imagination. Princeton, 1995. 51 Zit. n. da Vinci, Leonardo. Il Codice n° 2162 della Biblioteca Trivulziana di Milano, 2 Bde., Mailand 1980 [1487 - 1490], Bd. I, S. 74.