Forum Modernes Theater
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Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/0601
2011
261-2
BalmeZum aktuellen Stand der Zuschauerforschung
0601
2011
Patrice Pavis
Ein Gespenst geht in Europa und der Welt des Theaters um: das Gespenst des Zuschauers. Dieses “neue” Konzept beschäftigt die akademische Reflexion und die Verwaltung der Theater derart, dass ihm allseits zahlreiche Bücher und Studien gewidmet werden. Dieses nur scheinbar gute Konzept, das für jeden offensichtlich und allen leicht zugänglich erscheint, wird leider schnell zum Albtraum des Theoretikers, eben weil das Offensichtliche zu keiner wirklichen Erkenntnis führt. Allerdings täte die Aufführungsanalyse tatsächlich gut daran, das Ende der theatralen Kette besser kennen zu lernen: die menschliche Person, der all diese unsinnige Arbeit von vorneherein und letztendlich gewidmet ist.
Die folgenden Ausführungen und die
kritische Synthese haben keinen anderen
Anspruch als dem Leser (ein anderer vager
Terminus!) einige Schlüssel an die Hand zu
geben, die ihm einen schnelleren Zugang zur
Problematik und aktuellen Untersuchungen
zum Zuschauer ermöglichen.
fmth261-20073
Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung Patrice Pavis (Paris) Ein Gespenst geht in Europa und der Welt des Theaters um: das Gespenst des Zuschauers. Dieses “ neue ” Konzept beschäftigt die akademische Reflexion und die Verwaltung der Theater derart, dass ihm allseits zahlreiche Bücher und Studien gewidmet werden. Dieses nur scheinbar gute Konzept, das für jeden offensichtlich und allen leicht zugänglich erscheint, wird leider schnell zum Albtraum des Theoretikers, eben weil das Offensichtliche zu keiner wirklichen Erkenntnis führt. Allerdings täte die Aufführungsanalyse tatsächlich gut daran, das Ende der theatralen Kette besser kennen zu lernen: die menschliche Person, der all diese unsinnige Arbeit von vorneherein und letztendlich gewidmet ist. Die folgenden Ausführungen und die kritische Synthese haben keinen anderen Anspruch als dem Leser (ein anderer vager Terminus! ) einige Schlüssel an die Hand zu geben, die ihm einen schnelleren Zugang zur Problematik und aktuellen Untersuchungen zum Zuschauer ermöglichen. 1. Der zur Debatte stehende Zuschauer 1.1 Der Zuschauer ist ein Subjekt Dieses “ zuschauende ” Subjekt ist zu konstituieren. Wir wissen beinahe nichts über den Zuschauer, außer dass er ein Objekt “ betrachtet ” : eine Bühne, eine Aufführung, einen Schauspieler, ein Ereignis, und noch viele andere, oft imaginäre Dinge. Das klassische Subjekt, beispielsweise das kartesianische, ist eines, das denkt und sich somit seiner Existenz versichert. Aus der marxistischen Perspektive ist das Subjekt ein Subjekt der Sprache, kultureller Codes, sozialer Konventionen, Institutionen; angesprochen/ angerufen durch das, was Althusser die ideologischen Staatsapparate nennt. Für Freud sieht das mit den tragischen Helden der Bühne konfrontierte Subjekt alles, verneint dabei aber die befreiten Teiles seines Ichs den “ Psychopathischen Personen auf der Bühne ” (1905). 1 Dieses eher intensivierte als unifizierte Subjekt projiziert seine Wünsche auf das, was es sieht und gelangt so zu ihrer Identifikation. Ähnlich wie das Kind im Spiegelstadium 2 in die symbolische Ordnung eintritt, indem es sich als von seiner Mutter verschiedenes Subjekt konstituiert, wird der Zuschauer erst er selbst, wenn er alle Ebenen dessen identifiziert, was er wahrnimmt. Nach dem Lacan ’ schen Spiegelstadium - ein quasihamletischer Spiegel - und nach der poststrukturalistischen Konzeption ist das Subjekt zugleich konstituiert und konstituierend, Effekt und Agens des Schauspiels, auf das es seinen Blick richtet. 1.2 Der Zuschauer im Mittelpunkt der Sozialwissenschaften Gerade erst konstituiert, ist der Zuschauer, ob er will oder nicht, aufgefordert, von den Errungenschaften der Sozialwissenschaften zu profitieren und sich der Reihe nach oder auch gleichzeitig zum Soziologen, Semiologen, Anthropologen, Politologen, interkulturellen Experten usw. zu machen. Der springende Punkt ist, herauszufinden, wie er ausgehend vom Theater Zugang zu diesen Wissensgebieten erlangt, wie er sie kombiniert, ihr Zusammenspiel interpretiert: er Forum Modernes Theater, 26 (2011 [2014]), 73 - 97. Gunter Narr Verlag Tübingen tritt in den Konflikt der Interpretationen ein. Die Wahrnehmungen und ihre Interpretationen reihen sich in seinem Inneren mit einer Geschwindigkeit und einer außergewöhnlichen Flüchtigkeit aneinander. Alles ist im Fluss, eine illusorische Bilderfolge, flüchtige Eindrücke. 1.3 Der Zuschauer in der Geschichte Für den Zuschauer und a fortiori für den Theoretiker wäre das einzige Mittel, an der Oberfläche dieses stetigen Flusses zu bleiben, nach historischer, ja historisierender Weise vorzugehen: durch die Analyse, in welchen historischen, kulturellen, sozio-ökonomischen Kontexten das Schauspiel existiert und inwieweit sich die Fragestellung konstant verändert. Man müsste also die Geschichte der impliziten Theorien des Zuschauers nachzeichnen, auch wenn es nur geschähe, um zu verstehen, wie das Subjekt in verschiedenen Epochen polymorphe Theaterformen unterschiedlich wahrnimmt, die ihrerseits von Grund auf variieren. 2. Historische Bezüge Dank der Forschungsarbeit von Marie- Madeleine Mervant-Roux 3 oder Florence Naugrette 4 können wir besser nachvollziehen, wie jede Epoche die kritische Rolle ihrer Zuschauer definiert: l 1950er Jahre: Für Philosophen wie Henri Gouhier oder Regisseure wie Jean Vilar grenzt die Theatervorstellung an eine Zeremonie oder eine Kommunion, fähig, die Menschen einander näher zu bringen. Das Publikum der einfachen Leute ist noch zu überzeugen und zu gewinnen: “ beim Zuschauen agiert er (der Zuschauer) nicht als solcher, sondern als Repräsentant der Lebenswelt, aus der er kommt ” 5 , “ im Rahmen einer allgemeinen Identifikation des Theaters mit einem klassischen politischen Raum ” 6 . l 1960er Jahre: Der “ aktive ” , ja “ reaktive ” Zuschauer wird manchmal befördert zum politischen Aktivisten. Er ist aufgefordert, an der Bühnenhandlung teilzunehmen (Happening, Interventionen auf der Bühne). Das Theater ist ebenso Zeremonie wie populäres Fest, politische oder gewerkschaftliche Manifestation, öffentliche Intervention, Einladung, das Leben zu verändern. Der Zuschauer identifiziert sich mit dem gequälten Körper des Schauspielers; ein Schauspieler, der mehr von Artaud als von Brecht inspiriert ist. Der Zuschauer erhält seine Bedeutung in diesem spontanen, einzigartigen, nicht wiederholbaren Ereignis, untrennbar vom Spiel, indem er selbst versucht, dem zu entfliehen, was Derrida in Bezug auf Artaud die “ Geschlossenheit der Repräsentation ” nennt. l 1970er Jahre: Hier koexistieren eine Kultursoziologie marxistischen Ursprungs (Bourdieu, Lotman) und eine Semiologie der Kommunikation, ohne dass zwischen beiden immer die Verbindungen hergestellt werden. Die Soziologie von Bourdieu untersucht kulturelle Gewohnheiten, das symbolische Kapital, die Distinktionsmerkmale des Zuschauers, der vor allem als kultureller Konsument betrachtet wird. Die Semiologie sieht ihn vielmehr (allerdings bleibt die Nuance oft unmerkbar) als einen Dekodierer, einen Erzeuger und Beschreiber von Zeichen und Netzen, einen Mechaniker der Struktur. Zumindest gewöhnt sich der Zuschauer daran, die Zeichen der Aufführung in ihrer Gesamtheit zu interpretieren, mit ihr in eine “ theatrale Beziehung ” zu treten, eine fast mystische Union. Diese Interaktion wird sich als unerschöpfliches Thema von Reflexionen und Publikationen erweisen. 7 l 1980er Jahre: Sie markieren den Gipfel der dramaturgischen Analyse nach 74 Patrice Pavis Brecht und der “ autonomen ” Inszenierung (die keinem Text oder jeglicher vorangehender Spur untergeordnet ist). Der Zuschauer ist angeregt, alles wahrzunehmen, zu entziffern und dann in einem großen Regiebuch zu notieren, als ob die Inszenierung so ihren Metatext, ja ihren Fragebogen, lieferte. 8 Die deutsche Rezeptionsästhetik (Jauß, Iser) schließt an die Semiologie an: Sie erfasst den Austausch “ Sendung-Rezeption ” mit den neuen Begriffen “ Produktion-Rezeption ” , während die Theorie des interkulturellen Austauschs die Zirkulation zwischen Quellkultur und Zielkultur untersucht. Für die Rezeptionsästhetik tritt der Leser oder Zuschauer in einen Dialog mit dem Werk: einen Dialog zwischen einem gegenwärtigen Subjekt und einem vergangenen Diskurs bzw. der Frage, die ein zeitgenössisches Subjekt an ein vergangenes Werk stellt, um die Gegenwart besser zu verstehen. Diese “ dramaturgischen ” Jahre sind auch die empirischer Studien zum Publikum und dessen Reaktionen - vor, während und nach der eigentlichen Rezeption. 9 Die Massenmedien nutzen die objektiven, empirischen Angaben, die messbaren reception results. Diese Ergebnisse und quantitativen Werte tangieren allerdings nicht die qualitative Untersuchung der Rezeption durch Subjekte. Die Theaterpublika differenzieren sich mehr und mehr, sie spezialisieren und formen sich zu Gruppen, die untereinander nur wenig kommunizieren: Fans, gebildete Amateure und Professionelle des Theaters ersetzen das ehemals generalistische Publikum. Das damalige Publikum sammelte den Honig, die Zuschauer von heute begnügen sich mit Flatterhaftigkeit. Der Ideologie des kulturellen Relativismus, des “ tout culturel ” (Jack Lang) oder des Multikulturalismus gelingt es, den Zweifel im Geist des Publikums zu säen. Die neu eingeführten cultural studies haben es schwer, die Persönlichkeit und die symbolische Aktivität dieser Gruppen und dieser heterogenen Publika zu erfassen. In den von der Performance oder dem postmodernen Theater, die später den lieblichen Namen “ postdramatisches Theater ” erhalten sollten, induzierten Erfahrungen fühlt der Zuschauer sich ein wenig orientierungslos. Seine Rolle verändert und verkompliziert sich. Die Aufführungsanalyse wird problematisch, die Theorie rutscht in die Rezession. l 1990er Jahre: Der kulturelle Wendepunkt von 1989/ 90 (das Ende des europäischen Kommunismus) akzentuiert die Entpolitisierung des theatralen Lebens und, im Gegenzug, des Zuschauers. Die existierenden “ anti-theoretischen ” Theorien - postmodern, postdramatisch, “ Against Interpretation ” (Susan Sontag 10 ) - insistieren auf der persönlichen Erfahrung, der Sensation, dem Genuss des Moments, der Interaktivität des Zuschauers, der mehr ein (geheimer) Passagier oder ein abendlicher Besucher als ein Analytiker ist. Der Eindruck, selbst in seinen Vorlieben desorientiert zu sein, das Gefühl, das Schauspiel nicht mehr fassen zu können, vermitteln dem Zuschauer ein Gefühl der Desillusion und zugleich der unbegrenzten Freiheit. Er rechnet mit keinerlei Hilfe der Geisteswissenschaften mehr bei der Entzifferung der als irreduzibel, d. h. unlesbar konzipierten Aufführungen, aber er greift gerne auf die Lektionen von Philosophie und Ethik zurück, um das Werk in einen größeren ästhetischen Rahmen einzuordnen. l 2000er Jahre: Der Zuschauer wird mehr und mehr zum “ Philosophen ” , im populären Sinne eines Menschen, der sich abfindet und auf jeden Protest verzichtet. Er ist mehr und mehr Konsument und isoliert, obwohl er ständig von Künstlern 75 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung und Kommentatoren aller Art umgeben ist, die aus dem Werk einen Spielplatz multimedialer Experimente machen. Aber sein Aktivismus, seine Interaktivität und seine Kreativität begnügen sich mit einer oberflächlichen und formalen Beteuerung. Die Soziologen werden kaum mehr gehört, geschweige denn konsultiert. Die Philosophen stellen ihnen Konzepte entgegen, die mehr Losungen oder fromme Wünsche sind: theatrale Versammlung oder Gemeinschaft, “ Die Aufteilung des Sinnlichen ” (Rancière), die Suche nach dem “ Gemeinsamen ” (und nicht mehr nach der “ Öffentlichkeit ” ). Lauter Begriffe, die schlecht in der Geschichte verankert und in eine politische Debatte eingeschrieben sind. Mervant- Roux sieht hier ein Abdriften ins Neo- Ritualistische und sie kontert, indem sie den Zuschauer weniger als denjenigen definiert, der eine gemeinschaftliche Erfahrung macht - so stark diese sein mag - denn als denjenigen, der diese Erfahrung in eine Erinnerung transformiert, eingegliedert in viele andere Erinnerungen, die ihr erst rückblickend ihre Bedeutung verleihen: “ Der Zuschauer ist weniger derjenige, der eine Aufführung sieht als derjenige der, viel später, an ihr teilgenommen haben wird, er ist eine Figur aus Schichten der Erinnerung. ” 11 Dieser Rückgriff auf das Gedächtnis, den Philosophen wie Myriam Revault d ’ Allonnes oder Marie-Josée Mondzain im Übrigen mit Marie-Madeleine Mervant-Roux teilen, relativiert die Kritik der letzteren an der Philosophie. 12 Für sie ist die Versammlung weder unbedingt vereinigend (wie es am einfachsten eine Gemeinschaft wäre) noch atomisiert, “ da sie ausgehend von einer momentanen Zusammenkunft einzelner Individuen betrachtet wird. ” 13 Der Zuschauer ist also dieses unsichere Wesen, zerrissen zwischen erdrückender Gemeinschaft und zehrender Einsamkeit, zurückgeworfen auf eine “ einsame Menge ” (Daniel Riesman). Diese Skizzierung der wechselnden Positionen des Zuschauers verdiente eine ausführliche Geschichte des Zuschauers und des Publikums. Diese Aufgabe sprengt den Rahmen der Aufführungsanalyse, sie zwänge uns, die Möglichkeiten und das Interesse einer Theorie der Aufführung in Bezug zur Produktion und zu den Erwartungen einer Epoche zu ermessen. 14 Es ist nützlich, zuerst auf die Hermeneutik des Zuschauers zurückzukommen und sie mit der des Lesers zu vergleichen. 3. Die Lektüre eines Textes, die Rezeption einer Aufführung Seit die “ Lust am Text ” von Roland Barthes 15 so meisterlich gefeiert wurde, ist die Theorie der Lektüre beinahe zu einer eigenständigen Disziplin avanciert und wir wissen sehr viel mehr über die Gewohnheiten und Strategien des Lesers. Natalie Piégay-Gros 16 hat grundlegende Texte zum Leser versammelt und selbst eine bemerkenswerte einleitende Untersuchung zum Leser verfasst. Ihre Studie wird uns als Basis dienen für den Vergleich von Lektüre und . . .? Es fehlt an einem Wort, das die Rezeption eines Schauspiels bezeichnet: “ spectaclecture ” wäre ein wenig eleganter Neologismus, wenn auch sehr treffend, um die Differenz zwischen Lesen und Sehen, zwischen “ é-lire ” und “ in-specter ” 17 zu bezeichnen. 1. Genauso wie es zahlreiche Typen von Lesern gibt, sind die Typen des Zuschauers unzählig: es gibt keinen idealen, universellen oder Modell-Leser! Die Lektüre des Dramaturgen (der Berater des Regisseurs und nicht der Autor) ist die umfassendste, da sie vom Text ausgeht, aber auf die Inszenierung gerichtet ist. 18 76 Patrice Pavis Sie ist allerdings keinesfalls die einzig mögliche: Man muss sich ständig fragen: Welcher Leser wird dieses Stück oder diesen Text lesen? Wie wird der Zuschauer reagieren? Was sind seine Rezeptionsgewohnheiten: kulturell, politisch, psychologisch, etc.? Ist man als Zuschauer ebenso aufmerksam wie als Leser? Der Leser kann Pausen machen, allerdings mit dem Risiko, die Lektüre zu “ zerhacken ” , den Faden zu verlieren. Im Theater hat man kein Anrecht auf Pausen, außer den von der Inszenierung herbeigeführten oder den kurzen Atempausen zwischen den Akten, den Bildern und den Szenen. 2. Die Inszenierungen - nicht mehr als die Texte - können ihre Interpretation weder voraussehen noch programmieren. Wir sehen und lesen immer etwas anderes als das, was die Texte und die Inszenierungen für uns vorausgesehen hatten. Kein Schlüssel zur Interpretation wird mit dem Werk mitgeliefert. Nichts ist voraussehbar oder “ vorauslesbar ” . Man liest, man sieht immer “ daneben ” . 3. Der Zuschauer, genau wie der Leser, ist mit einem mehr oder weniger offenen und unbestimmten Werk konfrontiert, mit Unbestimmtheiten, “ Leerstellen ” , Lücken, Löchern, Textstellen, wo die Interpretation ins Zögern gerät. Diese Stellen sind nicht für jeden genau gleich. 19 Die Bühne und ihre Komponenten multiplizieren die Möglichkeit dieser Leerstellen, aber sie sind auch in der Lage, die Lücken zu füllen, durch ein Detail des Bühnenbilds, des Kostüms, der Beleuchtung. Der Zuschauer braucht also ein breites Wissen über Codes unterschiedlicher Art. Der Leser schwieriger Texte, verschlüsselt oder esoterisch, benötigt ebenfalls ein breit gefächertes Wissen und Fähigkeiten, deren Beherrschung eine intellektuellere ist als die der verschiedenen künstlerischen Sprachen des Schauspiels. 4. Piégay-Gros spricht von “ Leserkunst ” , Brecht von “ Zuschauerkunst ” . Diese Metapher betont den Anteil der Fantasie und der Kreativität, die ein Kunstwerk (besonders das offene Kunstwerk) für seine Rezeption ebenso wie für seine Kreation verlangt. Der künstlerische Anspruch impliziert eine Interpretation, stets riskant, und nicht eine simple Technik, die ohne viel Imagination anwendbar wäre. Die potentiell unendliche Multiplikation der Materialien und Bühnensysteme vergrößert die Interpretationshypothesen und die Kombinationsmöglichkeiten der Zeichensysteme. 5. Wie der Leser angesichts des Textes versucht der Zuschauer zu verstehen, wie die Aufführung konzipiert und dann realisiert wurde, nach welcher “ Werkintention ” (und nicht nach der Autorintention, um die Unterscheidung von Eco aufzugreifen). Er rekonstruiert das System der Inszenierung, ob dieses System nun klar erkennbar und lesbar oder unauffindbar, versteckt, ja widersprüchlich oder zufällig ist. Er ist ebenfalls bestrebt, über die beobachtbaren Ergebnisse hinaus den Arbeitsprozess zu imaginieren, die Methode der Vorbereitung und die Einrichtungsstrategie. Wir können uns leicht die Komplexität dieser Operationen und ihrer Interpretation durch den Zuschauer vorstellen. 6. In den 1960er und 1970er Jahren proklamierten die Vertreter von Strukturalismus und Poststrukturalismus den “ Tod des Autors ” (Barthes) und die Aufwertung des Lesers (der alles neu entdecken muss, zumindest fast). Für die Theaterleute geht der Tod des Autors ans Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als sich der Regisseur profilierte, um der neue szenische Autor zu werden, sich ihm anschließend und ihn schließlich ersetzend, um seine eigene textliche und szenische Interpretation zu liefern. Der Zuschauer kann seinerseits 77 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung die vom Regisseur eingenommene Autorenposition herausfordern und seinen eigenen Weg durch das szenische Werk wählen. Der Regisseur weiß das nur zu gut, ihm ist bewusst, dass seine einzige Chance zu überleben darin besteht, seine Einbruchsspuren im Werk zu verwischen und es für verschiedene Lesarten zu öffnen, also die Inszenierung bewusst unlesbar zu machen, sondern nur individuell entzifferbzw. konsumierbar. 7. Der geschriebene Text, kommentiert Piégay-Gros, sagt nicht alles: Der Leser muss sich die Zusammenhänge zwischen den Teilen des Textes (oder der Aufführung) vorstellen, etablieren, behaupten. Dies gilt für die Fabel, die Erzählung ebenso wie für die Organisation von Teilen des Textes oder der Aufführung. “ Die Rolle des Lesers besteht also darin, diese oder jene Verbindung herzustellen, dieses oder jenes Textsegment zu kombinieren - und andere im Schatten zu lassen ” . 20 Das gleiche gilt für den Zuschauer, der mental diese dramaturgische Arbeit des Vergleichens ausführt, und so die Entscheidungen des Regisseurs rekonstruiert, dabei aber auch seinen eigenen dramaturgischen Weg durch das Schauspiel riskiert. Die Freiheit des Lesers oder Zuschauers ist durch die Zwänge der Zeichen eingeschränkt, die eine bestimmte Lesart erfordern. Dieser Handlungsspielraum ist weder vorhersehbar noch im Vorhinein genau bestimmbar. Lesen heißt verbinden. Sehen heißt, im Blick haben. 8. Einen Text lesen oder eine Aufführung sehen, bedeutet nicht einfach, die Handlung zu rekonstruieren, sich den Freuden des storytelling hinzugeben, es bedeutet auch, sich dafür zu interessieren, was der Text oder die Aufführung uns zu sagen und mit unserer Welt zu tun haben, welche Textualität und welche Textur sie gewählt haben, um dies zu erreichen.h 9. Nach Piégay-Gros ist der Leser zwischen der Kongruenz mit sich selbst und der Erfahrung der Alterität hin- und hergerissen. Der Zuschauer findet ebenfalls Situationen vor, vertraute Gesten, die bezeugen, was er vermutete. Manchmal entdeckt er auch unbekannte Dinge bzw. solche, die er nicht in sich ahnte. 10. Der Leser bedarf der Isolation, um zu lesen, der Zuschauer bedarf ebenfalls der Konzentration, muss aber zugleich um sich herum die Präsenz eines Publikums fühlen, das nicht immer eine reale Gemeinschaft ist, zumindest aber eine imaginäre und beruhigende. Der Leser, so sagt uns Piégay-Gros, kann aufhören zu lesen, den Kopf heben. Der Zuschauer ist im Gegensatz dazu in eine Temporalität hineingezogen, eine Folge von Handlungen, deren Verlauf er nicht bestimmen kann. Die Theateraufführung ist immerhin niemals so verfestigt wie die Aufnahme eines Films, und der Zuschauer wird jeden kleinsten herbeigeführten Freiraum nutzen, um durchzuatmen und zu denken. 11. Was bedeutet “ richtig lesen ” ? Ist es “ eine Sache sowohl der Weisheit wie des Wissens, der Arbeit an sich selbst und der Arbeit an der Literatur ” ? 21 Was heißt richtig schauen/ hören/ fühlen etc.? Es bedeutet, zusätzlich zu dieser doppelten Arbeit ununterbrochen präsent zu sein, seinen Körper und seine Affekte den Figuren und den Situationen zu leihen, sich zugleich innerhalb und außerhalb zu positionieren. 12. Leseschwierigkeiten sind noch häufiger als Schlafstörungen. Seit der Kindheit daran gewöhnt, im Netz zu surfen, hat der Cybernaut weder die Zeit, noch die Lust, noch die Fähigkeit, zu verlangsamen, um sich auf ein “ deep reading ” (eine fundierte Lektüre) eines literarischen oder philosophischen Werks einzulassen. Was den Zuschauer betrifft, so 78 Patrice Pavis ist er nur in der Lage ein “ deep watching ” (eine fundierte Beobachtung) auszuüben, wenn der Rhythmus des Schauspiels nicht zu schnell ist und die außertextuellen Elemente der Aufführung sich einfach einordnen lassen. Er muss das wahrnehmen können, was Jan Lauwers ein “ begrenztes Bild ” nennt: “ ein Bild, das die Zeit bekommt, das Gehirn des Beobachters dadurch zu imprägnieren, dass die normale Zeit der Wahrnehmung verlängert wird. ” 22 Dieser Vergleich von Leser und Zuschauer, so schematisch er sein mag, hilft uns, die Problematik des Zuschauers in den Schoß der Hermeneutik zurückzuführen, die Wissenschaft, oder besser die Kunst der Interpretation. Was uns dazu befähigt, einige generelle Schlussfolgerungen zu ziehen. Jeder Zuschauer ist ein Hermeneutiker. Seine Aufgabe hängt zum großen Teil von der Art des Schauspiels ab, dem er beiwohnt. Diese Aufgabe ist so variabel, dass es müßig wäre, generelle Regeln aufzustellen. Nicht nur kann er nicht alle Leerstellen ausmachen, nicht einmal die der anderen Zuschauer, sondern er wird unwillkürlich neue hinzufügen. Die Lesbarkeit hängt nicht nur von seinem Scharfsinn ab, sondern von der Inszenierung, ihrer Handschrift, der Schreibweise, wie man bei einem Text sagen würde. Wie der Leser folgt der Zuschauer einem Interpretationsparcours, den er zum Teil nach der Strategie rekonstruiert, welche die Inszenierung ihm zu verfolgen scheint. Dieser Parcours ist im Gegensatz zum Springreiten für Pferde nicht mit Pfeilen markiert; es ist am Zuschauer, die Hürden ausfindig zu machen, und weitere hinzuzufügen, um seiner Interpretation eine persönliche Wende zu geben. Ohne die Ermittlung des möglichen Wegparcours durch den Zuschauer existiert das Theater nicht, da es sein Publikum absolut erreichen muss, den Zuschauer auf die eine oder andere Weise berühren. 4. Die Multiplikation der Objekte und der Blick des Zuschauers Ebenso wie die Lektüre zum großen Teil vom gelesenen Objekt abhängt und daher keiner universellen Methode gehorcht, hängt auch das Sehen eines Schauspiels vom analysierten Objekt ab, und nicht nur von den Kapricen des Zuschauers. Nun nimmt dieses Objekt die verschiedensten Formen an, sich auf alle erdenklichen cultural performances erstreckend. Einige typische Beispiele: 1. Der Tanz: Jenseits der Zeichen existiert der Tanz in der Erfahrung der Bewegung, die der Zuschauer macht. Durch eine Identifikation mit der Bewegung (kinesthetic empathy) absorbiert und “ erfährt ” der Zuschauer den Tanz. Diese Identifikation mit der Bewegung ist selbstverständlich nicht auf die Choreographie beschränkt, sie gilt für alle Körperkunst. 2. Der Parcours: Das Publikum sitzt nicht bzw. nicht die ganze Zeit, es bewegt sich nach der von der Inszenierung vorgegebenen Reihenfolge von einem Ort zum anderen oder auch von einer Bühne zur anderen. Diese Mobilität wird oftmals mit der Interaktivität und dem Engagement des Zuschauers verwechselt, was implizit und irrtümlicherweise unterstellt, dass der sitzende Zuschauer passiv sei. Die Beweglichkeit des Publikums bedeutet nicht stärker das Ende des “ Sitztheaters ” , gleichgesetzt ipso facto mit einem Gemeinschaftserlebnis, wie gewisse Kritiker zu denken scheinen. 3. Straßentheater (Gonon, 2011). Siehe die Zusammenfassung weiter unten. 4. Das Event im Sinne Merce Cunninghams: “ Ohne Pausen präsentiert, besteht ein event aus einer Assemblage von Auszügen aus dem Repertoire, alt oder neu, oft kombiniert mit Sequenzen, die speziell entwickelt werden, um einen Ort und eine Aufführung zu kreieren, die es nur ein einziges Mal geben wird. Es geht 79 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung mehr darum, eine Tanzerfahrung als einen Tanzabend zu kreieren. ” 23 Der Zuschauer muss sich an diese Forderung anpassen, keine endgültigen Resultate erwarten, sein Augenmerk auf den Arbeitsprozess richten. Im Idealfall kann er diese Hypothesen selbst überprüfen, indem er in einem bestimmten Moment des Events selbst in den Tanz eintritt. Der Begriff des theatralen Ereignisses ist neuerdings zum Instrument einer neuen Reflexion zur Integration von Produktion und Rezeption eines Schauspiels geworden. 5. Die Performance: Die Performance (oder Live Art, wie sie in Großbritannien genannt wird) bietet ihren Zuschauern starke Emotionen, eine einzigartige Erfahrung, angenehm oder traumatisierend, an der teilzunehmen sie eingeladen sind. Die Live Art zeichnet sich nach Reason durch die Präsentation des Lebendigen und Direkten ( ‘ live ’ ) aus: “ With the live packaged as that which is desirable, its signification becomes its facility in selling experiences to audiences - or is that to consumers? - in what has been termed an ‘ experience economy ’ . ” 24 Zeilenabstand? 6. Medien: Sie beeinflussen die kognitive und emotionale Aktivität des Zuschauers, seine Fähigkeit zur Aufnahme und Widerstandsfähigkeit wird konstant auf die Probe gestellt. Die Dramaturgie von Fernsehsendungen, Videospielen und Fernsehfilmen verändern und zerstreuen die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Die Medien, ihre konstante Veränderung, zwingen den Zuschauer dazu, sich zu fragen, wo er sich in dieser immerwährenden Transformation, dieser “ remediation ” positioniert. 5. Der Zuschauer und die Vision des Schauspiels 5.1 Die deplazierte Figur des Zuschauers Der heutige Zuschauer ist “ eine deplazierte Figur ” : “ Zum Zuschauer als deplazierter Figur des Lesers kommt der Zuschauer als deplazierte Figur des Fernsehzuschauers, des Kinogängers, der Websurfers, des hypertexuellen Lesers oder auch des Videospielers. ” 25 Es ist also weniger der Zuschauer, der deplaziert ist, als sein Blick, der durch das Ensemble der Medien manipuliert wird. 5.2 Die Inszenierung der Vision Diese Deplazierung bzw. Verschiebung ist weder technischer noch physiologischer Art, sondern symbolischer: Sie ist abhängig von der Art und Weise, wie man “ den Blick erblickt ” , ihn inszeniert. Die Studien zum Zuschauer müssen durch die visual studies ergänzt werden. Maaike Bleecker definiert beispielsweise das Theater und seine Repräsentation als “ a practice of staging vision ” 26 . Es geht für das Theater (für alle Mitwirkenden des Schauspiels) darum, den Akt des Schauens, die Art, wie der Zuschauer das Schauspiel entdeckt, zu inszenieren. Sein Sehen, seine visuality sind von der Inszenierung organisiert. Die Rolle des Zuschauers ist also direkt verbunden mit der Inszenierung als ästhetisches und strategisches System, als das der Zuschauer sie erkennt. Es ist an ihm zu verstehen - mehr oder weniger bewusst - , wie der Regisseur den Blick des Zuschauers manipuliert und inszeniert hat. Wir sind von der Inszenierung als individueller Vision eines Regisseurs zum Prozess der Inszenierung als Art und Weise des Sehens gelangt. Viele postmoderne bzw. postdramatische Werke oder Schauspiele thematisieren den Vorgang des Sehens, das 80 Patrice Pavis ‘ spectating ’ . Sie rechnen mit der Bewusstwerdung des Blicks beim Zuschauer, um die Fabrikation und die Rezeption der Inszenierung zu erhellen. Der Zuschauer tut also mehr als an der Sinnkonstruktion teilzunehmen, er konstituiert das Werk selbst, indem er sein Funktionieren und seinen Sinn thematisiert: “ Spectators and audiences are not passive recipients of an experience, neither in terms of being unthinkingly manipulated by a performance nor in submissively receiving a prescribed meaning or affect. Instead of being dupes to either the medium or its message, spectators (both individually and collectively) actively interpret and place value upon what they see and experience. In doing so they actively construct what the performance (and what being part of an audience) means to them culturally and socially. ” 27 Diese Zuspitzung von Matthew Reason weist darauf hin, dass die kognitive Aktivität, aber auch die kulturelle und soziale, ein Mittel für jedes Individuum ist, sich zu konstruieren und zu rekonstruieren. Der Zuschauer als Hermeneutiker konstruiert zugleich den Sinn, das Werk und sich selbst als wahrnehmendes Subjekt. Es handelt sich aber nicht darum, das Sehen mit den anderen Zuschauern zu teilen, da “ gemeinsam sehen ” nicht bedeutet, die gleiche Sache zu sehen: “ Gemeinsam sehen heißt nicht, eine Vision teilen, denn niemals wird jemand das sehen, was der andere sieht. ” 28 Diese Formulierung von Mondzain, die sie der von Jean Desanti entnimmt ( “ Wir sieht nichts ” ), negiert nicht die Möglichkeit des Sehens, macht aber den Anspruch zunichte, den Text oder das Bild so zu interpretieren, dass alle einverstanden sind. (Zu dieser Formulierung siehe weiter unten die Besprechung des Buches L ’ Assemblée théâtrale, 2002). Das Wesentliche liegt im Dialog der Blicke, insbesondere der Blicke der Künstler und der Zuschauer, in der Dialektik von Schauspiel und Zuschauer. Diese implizite Dialektik ist auch diejenige zwischen dem Willen, das Publikum zu verführen und dem Willen, ihm etwas zu geben, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten: “ Das Werk konstruiert sich in der Dialektik mit dem Publikum, und es ist die Synthese, die aufschlussreich ist. Das Stück nimmt Form an in der Spannung zwischen Werk und Publikum. Wenn das Werk sich nicht um das Publikum schert, wird es hermetisch, und wenn das Werk sich dem Publikum total zuwendet, produziert sich etwas, das der Demagogie zuzurechnen ist. ” 29 Wir, die Zuschauer, haben nicht mit uns selbst abgeschlossen: Wir laufen noch immer hinter unserem Schatten her. Aber wäre es nicht besser, wenn unser Schatten uns hinterherliefe? Können wir uns noch identifizieren? 6. Die neuen Identitäten des Zuschauers 6.1 Die aktuelle Aufwertung des Zuschauers Wir können immer weniger vom Zuschauer im Allgemeinen sprechen, selbst innerhalb eines spezifischen kulturellen Bereichs. Aber gleichzeitig entdecken viele Aufführungen und Studien den Zuschauer als Wundermittel, als letzte Instanz, die es möglich macht, an zeitgenössische Inszenierungen heranzutreten. Der Zuschauer ist tatsächlich nicht mehr der Empfänger einer neuen, radikalen Nachricht, auf die er, nach der ersten Überraschung, reagieren könnte. Daher seine Beförderung auf den Rang des Schöpfers, zum Beispiel in der Performance (Performance Art oder Live Art): “ Die Live Art hat die Möglichkeit, den Zuschauer in ein Ereignis und eine Situation einzubeziehen, statt ihn einen fiktiven Kosmos bewundern zu lassen. ” 30 Die so in das Ereignis eingeschlossenen postdramatischen Zuschauer zögern und alternieren zwischen Realität und Fiktion, sie positionieren sich in immer 81 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung wechselnden Rahmen. Der postmoderne oder postdramatische Zuschauer wird als ein Konsument auf hohem Niveau gesehen, auf der ständigen Suche nach Sensationen und intellektuellen Bagatellmedikamenten. Vergängliches, aber intensives Vergnügen; schneller, aber oberflächlicher Konsum; garantierter Genuss, aber wahrscheinlicher Gewöhnungseffekt. 6.2 Die Erfahrung, aber nicht das Experiment Der französische Begriff der “ expérience ” (experience im Englischen, im Deutschen die Erfahrung) wird zum Schlüsselbegriff des zeitgenössischen Zuschauers: Weder die professionelle Erfahrung, die Frucht jahrelanger Arbeit, noch das Experiment im Labor, wo man neue Formeln erfindet, sondern die Erfahrung, der individuelle Genuss. Dieser Begriff der Erfahrung übersetzt und verrät den Transfer der Bedeutungsproduktion von der Inszenierung zur einsamen Rezeption, der individuellen Subjektivität. Diese Vokabel sieht nicht an sich die Art und Weise vorher - je nach Standpunkt positiv oder negativ - , wie man “ eine Erfahrung macht ” . Für einen avantgardistischen Autor wie Joël Pommerat ist die Erfahrung das, was der Zuschauer im Theater erleben soll: “ Wir können bestimmte Extreme der Existenz durchdringen, leben, fühlen, verspüren. Das ist eine Erfahrung, aber es ist auch ein Spiel. ” 31 Laut einem zeitgenössischen Kritiker wie Yves Michaud ersetzt die Erfahrung die Produktion des Werks, sie tauscht die solide Realität durch eine Erfahrung aus, die mit einer Kunst im gasförmigen Zustand vergleichbar ist. Die zeitgenössische Kunst - und man könnte hinzufügen: das postmoderne oder postdramatische Theater - privilegiert nicht mehr das konkrete Werk, sondern seine erlebnishafte, diffuse Seite der Erfahrung, die keiner stabilen Form mehr bedarf, da sie den sehr viel weniger zugänglichen, gasförmigen Zustand bevorzugt. Auf das Theater angewendet würde das heißen, dass die Inszenierung von nun an eine emotionale, ja sinnliche, Erfahrung “ verkauft ” , so wie man eine Kreuzfahrt auf der Maas oder einen Besuch im Disneyland verkaufen würde. Der Zuschauer ist kein Brecht ’ scher Richter oder ein Artaud ’ sches Opfer der Grausamkeit des Theaters mehr, sondern ein Genießer, ein Amateur großer Sensationen, nie dagewesener Erfahrungen. Daher die These Michauds, die leicht aufs Theater anwendbar ist: Die ästhetische Erfahrung tendiert dazu, das Kunstwerk selbst zu ersetzen. Bis zu den 1950/ 60er Jahren waren Kunst und Kultur Objekte einer kulturellen Aneignung durch den Zuschauer oder den Museumsbesucher, eine Akkumulation symbolischen Kapitals (Bourdieu). Seit den 1980er Jahren ist alles eins, alles ist kulturell, aber eher im normativen Sinne; seit den 1990er Jahren zählt nur noch die ästhetische Erfahrung. Der Zuschauer ist dazu aufgefordert, alles als eine persönliche Erfahrung zu schätzen, und nichts auf ästhetischer oder theoretischer Ebene zu beurteilen: “ Es ist nicht erforderlich, dass das Dispositiv ohne weiteres als ‘ Kunst ’ identifizierbar ist; was Kunst ist, ist die Wirkung. ” 32 Sicherlich kann man den Begriff der Erfahrung anders und sehr viel nuancierter aufschlüsseln. Lehmann unterscheidet zum Beispiel die “ ästhetische Erfahrung ” und die “ ethisch-politische Erfahrung ” 33 . Allerdings ist der Begriff der ästhetischen Erfahrung heute oft ein Mittel auszudrücken, dass man das postmoderne oder postdramatische Werk nicht mehr objektiv analysieren könne, nicht einmal kommentieren, und dass es also ausreiche, sich am Ort des Eintretens der individuell erlebten, d. h. schwer analysierbaren Sensationen des einzelnen Zuschauers zu positionieren. 82 Patrice Pavis 6.3 Der Zuschauer, neuer Herrscher oder neuer Schiedsrichter? Es wird viel über den Zuschauer gesprochen, zu viel findet Marie-Madeleine Mervant- Roux, die ihm jedoch selbst viele und brillante Jahre ihrer Recherche gewidmet hat! Wir neigen dazu, alles auf den Schultern des Zuschauers abzulegen, alles auf seine Eindrücke, seine Haltungen, seine Kategorien zu reduzieren (auf die Gefahr hin, “ das Unfassbare zu etikettieren ” 34 ), alles zu erklären durch die Atmosphäre, den Eindruck, das ‘ Feeling ’ . In der zeitgenössischen Kunst sind es die Attitüden, die “ Form werden ” , “ die als Kunst wirken und bald nur noch als Ästhetik, es sind die Attitüden, die die sinnliche Erfahrung bewirken. ” 35 Wir sind zu einem kritischen Impressionismus zurückgekehrt, dessen Glanzstück die postdramatische Theorie ist, zu einer Erklärung durch Atmosphäre: “ Kommunizieren, erziehen, erarbeiten, ausgleichen, verständlich machen, verstören: diese klassischen Komponenten der ästhetischen Erfahrung haben hier nicht mehr viel Bedeutung. ” 36 Was für die zeitgenössische Kunst gilt, gilt ebenso für die Inszenierung. Durch eine Art “ Präsentismus ” (eine Fixierung einzig auf die Gegenwart unter Ausblendung von Vergangenheit und Zukunft) macht der Zuschauer die Erfahrung eines sofortigen Vergessens seiner Empfindungen und Eindrücke: unmöglich, sich an das Schauspiel zu erinnern, außer als etwas im ersten Moment Angenehmes oder Starkes. Nathalie Heinisch konstatiert die Differenz vom “ Theater der Empfindung und des Spiels von Raum und Zeit gegenüber dem Sprechtheater und dem Spiel mit der Bedeutung: physisch versus metaphysisch. ” 37 Es ist amüsant, festzustellen, dass es oft die einstigen Semiologen 38 der 1970er Jahre sind, die heute die maximale Öffnung beim Zuschauer rühmen, als wären sie plötzlich von der “ Lust am Text ” 39 (Barthes) berührt, der postmodernen und postdramatischen Anmut, der Feinsinnigkeit der Dekonstruktion und der Wirkkraft der Performativität. Brauchen wir eine Typologie des “ Unfassbaren ” (Michaud), des Zuschauers als aufgesplitterten Subjekts, diesem Partner und Double des Schauspielers 40 ? “ Das Publikum verkörpert nicht mehr diese Art von außenstehendem Zeugen, sondern einen am Theater beteiligten Partner, der über den Erfolg der Kommunikation entscheidet. ” 41 6.4 Der Zuschauer und sein Double Ist der Zuschauer, der nun aktiv an der theatralen Kreation beteiligt ist - also von Rechts wegen Schöpfer des Schauspiels - noch ein Zuschauer? Müsste er nicht seinen Namen und seine Identität ändern? Die Liste der möglichen Bezeichnungen und Identitäten ist bereits lang: Jeder Künstler, jeder Theoretiker erweitert sie mit seiner Benennung und seiner Metapher, welche die Aktivität des homo spectator 42 bezeichnen soll. Die Anthropologen, bezaubert von unseren Schauspielen, reden vom Beobachter, vom Teilnehmer, vom teilnehmenden Beobachter, die subjektive Position des Ethnologen anerkennend. Die ironischerweise “ wissenschaftlichen ” Regisseure (wie Jean-François Peyret) schlagen diesen Begriff für die echten Wissenschaftler vor, die gekommen sind, um in deren Schauspielen Zeugnis abzulegen. Die “ Forscher ” und “ Experten ” legen in bestimmten Produktionen von Stefan Kaegi und seiner Gruppe Rimini Protokoll Zeugnis ab. Wohingegen die Zuschauer von einem Dramaturgen wie François Regnault mit Besuchern gleichgesetzt werden. Würde sich der Begriff des Flaneurs, in den 1930er Jahren von Walter Benjamin eingeführt, nicht auch für die Erleuchteten eignen, die das Theater frequentieren? “ Der Leser, der Denkende, der Wartende, der Flaneur sind ebensowohl Typen des Erleuchteten wie 83 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung der Opiumesser, der Träumer, der Berauschte. ” 43 Wir sind nicht weit entfernt vom Hohepriester, Schamanen, den Künstlern zugeschriebene Eigenschaften, und, im weiteren Sinne, den Zuschauern, die es wagen, ihnen zu folgen. Die Kette der neuen Metaphern, um den Zuschauer zu beschreiben, ist unendlich: “ Zuschauer ” früher bei Boal; “ initiated or precipitated by the play ” bei Herbert Blau 44 ; “ Liebhaber der feinen Kunst des Rendezvous ” bei Ethis 45 , “ Spectracteur ” bei Sibony 46 ; “ Reisender auf der Durchfahrt ” für Wajdi Mouawad und das Festival d ’ Avignon; emanzipierte Zuschauerin, “ zur Entdeckung neuer künstlerischer Gegenden aufbrechend ” nach Florence March 47 . Lauter Benennungen, die eine Deklination der unausrottbaren Metapher der “ theatralen Beziehung ” sind, von der es schwierig, aber vielleicht nötig ist, sich zu entfernen. 6.5 Der Zeuge Aber kein Terminus ist zur Zeit so populär wie der des Zeugen. Es ist nicht mehr der Zeuge eines Autounfalls, der in der berühmten Parabel von Brecht die Ursachen und Umstände des Unfalls erklärt wie es ein kritischer Soziologe tun müsste, darum bemüht, die Welt zu verändern. Dieser Zeuge ist eher der Ethnograph, beauftragt, das Funktionieren einer “ primitiven ” , “ rückständigen ” Gesellschaft zu beschreiben, wie Sartre sagt: “ Der Zuschauer muss in der Situation des Ethnographen sein, der sich unter den Bauern einer rückständigen Gesellschaft niederlässt [. . .]. Er selbst ist es, was er studiert. ” 48 In den ersten zehn Jahren des Jahrtausends ist der Zeuge, im wörtlichen Sinne des witness der Anglophonen, in der Regel in das Ereignis involviert, quasi gezwungen einzugreifen, wenn der Performer sein Leben in Gefahr bringt (wie Gomez-Pena) oder eine andere Person bedroht. Es geht darum, seine Passivität herauszufordern. Zuschauer, ein obszönes Wort, sagte einmal Boal. Viele Künstler appellieren an die Zuschauer wie an Zeugen. Es ist sogar ein neues Genre geworden, nach dem Vorbild der englischen Gruppe Forced Entertainment: “ Das Kunstwerk, das uns zu Zeugen macht, lässt uns vor allem unfähig aufzuhören zu denken und zu berichten, was wir gesehen haben. ” 49 Die Zeugenschaft und die Aufgabe der Erinnerung sind während der letzten Jahre zu Reflexionsgegenständen der Historiker geworden, wie man es zuletzt anlässlich der Polemik um den Roman Jan Karski 50 von Yannick Haenel erfahren konnte. Haenel bekräftigte, dass der Zeuge derjenige sei, der das Wort ergreift: “ Ist es das Leiden, das den Zeugen ausmacht? Doch eher das Wort, der Gebrauch des Wortes. ” 51 Die Debatte um die Begriffe “ Publikum ” oder “ Zuschauer ” spiegelt sich in der Unterscheidung von Gedächtnis und Erinnerung: “ Das Gedächtnis ist kollektiv. Die Erinnerungen sind individuell. ” 52 Viele andere Begriffe zur Charakterisierung des zeitgenössischen Zuschauers sind im Gebrauch. Das Wichtige dabei ist allerdings nicht das gebrauchte Wort, sondern das, was sein Gebrauch impliziert. So erlaubt der Terminus watcher (Beobachter, aber auch Späher) von Rachel Fensham 53 ihr, die Funktion des Zuschauers zu hinterfragen, die klassische Analyse des Schauspiels mittels der Beobachtung, der Aufmerksamkeit, der Differenz des Blicks, namentlich zwischen den Geschlechtern, zu erweitern, da in ihren Augen “ eine an die sexuelle Identität geknüpfte Dimension der Beobachtung ” 54 existiert, selbst wenn sie es versäumt, die Merkmale der Art und Weise, “ das Theater als Frau zu beobachten ” 55 , zu präzisieren. 84 Patrice Pavis 6.6 Der Platz des Zuschauers im öffentlichen Raum Lange Zeit hat man die Situation des Zuschauers auf seinen physischen Platz im Raum begrenzt: im Allgemeinen gegenüber der Bühne sitzend und mit etwas Abstand zu ihr. Diese Position diente oft als Definition der theatralen Beziehung, die auf der physischen Kopräsenz von Zuschauern und Akteuren beruht, die in einer Rückkopplungsschleife Energien austauschen. 56 Christopher Balme wundert sich mit Recht, dass “ die aktuelle Forschung zum postdramatischen Theater, selbst unter ihren Gründern und Befürworten, noch immer von der Vorstellung ausgeht, dass Zuschauer und Publikum den Schauspielern oder Performern von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. ” 57 Man wird diese Veränderungen der Grenzen des Publikums und der Rolle des Zuschauers nicht verstehen können, ohne auf den Begriff der Öffentlichkeit von Jürgen Habermas zurückzugreifen. Die Öffentlichkeit ist ein gemeinsamer politischer Raum. Sie ist auch ein öffentlicher Ort, “ ein Ort, wo man vor den Augen aller die Geheimnisse der Mächtigen enthüllt und aufdeckt. Es ist also ein Ort der Aufklärung, wo Menschen, die sich im Inneren befinden, gewissermaßen die Ihrigen verraten und Informationen beibringen (. . .). Nun treten wir heute in eine Phase ein, in der die Öffentlichkeit quasi verschwindet, nicht, weil autoritäre Formen der Abschirmung oder Versiegelung sie abschafften, sondern weil die Grenze zwischen dem Innen und dem Außen der Institutionen zum Verschwinden neigt, so dass der Vorgang der Enthüllung selbst seine Schärfe verliert bzw. unmöglich wird. ” 58 Diese These von Boltanski ließe sich anhand des theatralen Publikums und des Zuschauers verifizieren. Der Zuschauer neigt dazu, nicht mehr an der Bühne zu “ hängen ” , mit einem frontalem, perspektivischen Blick, er neigt dazu, sich vom realen Ort des Verbrechens zu entfernen, um auf der abstrakten Bühne der Welt Zuflucht zu suchen. Die Medien distribuieren 59 den Raum und die Zeit unterschiedlich: Sie erlauben dem Zuschauer, das Ereignis aus der Distanz wahrzunehmen, live, aber von sehr weit weg. Was auch die Ungewissheit bezüglich seines realen Ortes mit sich bringt: befindet er sich innerhalb der räumlichen, zeitlichen oder ideologischen Verankerung, oder in Distanz zu ihr, ohne tatsächliche Anteilnahme, isoliert, unsicher, was seinen Platz betrifft (ängstlich, ihn zu verlieren, ausgelagert und austauschbar)? Eine Unsicherheit, die auch seine Zukunft und seine zeitliche Situation im Jetzt betrifft: ist er live oder zeitlich versetzt, im Einklang mit der Gegenwart oder neutralisiert in einem no man ’ s land , das zugleich eine no man ’ s time ist? So macht der postmoderne Zuschauer die Erfahrung der Delokalisierung, zugleich räumlich und zeitlich, was ebenso bedeutet kulturell und existentiell. Weder drin noch draußen, weder davor nach danach, ist der Platz des Zuschauers in jedem Fall ungemütlich geworden. Desorientierter und ortloser als je zuvor, in beständiger Phasenverschiebung zur Welt und zur Kunst - wetten wir, dass der Zuschauer jedoch sein letztes Wort noch nicht gesagt hat. Literaturhinweise 2002. Gildas Milin (et al.). L ’ assemblée théâtrale. Les Editions de l ’ Amandier. Dieses kollektive Werk eignet sich gut zur ersten Sensibilisierung für die Problematik des Zuschauers. Der Leser ist eingeladen, Philosophen und Regisseuren zuzuhören, die während vier Sitzungen dies und das über den Begriff der “ theatralen Versammlung ” zusammentragen. Der Dramatiker Enzo Corman sieht als eine der Besonderheiten der “ theatralen Versammlung ” , dass sie “ si- 85 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung multan aus Zuschauern und Schauspielern besteht ” . 60 Für den Regisseur Alain Françon sind Proben ein weiteres Beispiel einer Versammlung, da jeder versucht, dort “ einen Bedeutungshorizont aufrecht zu erhalten, eine Möglichkeit der Bedeutung und die Möglichkeit ihrer Zirkulation ” . 61 Diese Möglichkeit ist verbunden mit dem Begriff der “ guten Gemeinschaft ” und des “ Zusammenlebens ” , also mit “ der Demokratie ” . 62 Eine Philosophin wie Myriam Revault d ’ Allonnes fragt sich im Gegenzug, ob “ es überhaupt noch etwas wie ein “ gemeinsames Gutes ” gebe ” , 63 und meint, dass dieses “ die Matrix wäre, von der ausgehend man den öffentlichen Raum verteidigen müsse ” . 64 Für eine andere Philosophin, Marie-Josée Mondzain, spielt sich auf der Theaterbühne, in Analogie zur christlichen Inkarnation, die Frage “ der Präsenz und Absenz von Körper und Bild, das heißt eine ungefilterte Verwaltung, durch den Körper des Schauspielers, eines mit dem Publikum geteilten Raums, also einer Republik, einer öffentliche Sache ” ab. 65 Auch Milin - nicht eine Publik. v. Mondzain, oder? Ein solcher Vergleich ist inakzeptabel für Theoretiker wie Guy Walter, der “ diese Idee der theatralen Gemeinschaft, der theatralen Kommunion, und diese Form der Verkörperung, die man vom Zuschauer verlangt ” , ablehnt. 66 Walter fordert also, dass “ die künstlerische Politik sich in politischen Begriffen ausdrückt ” . 67 Mondzain antwortet ihm nicht direkt, aber sie verteidigt “ den Affekt in der Vermittlung der Bedeutung ab dem Moment, wo man sich auf der Bühne der Triebe, des Begehrens und der politischen Teilung befindet ” . 68 Welchen Blick richtet der Zuschauer auf das Schauspiel? Der gemeinsame Ausgangspunkt der Diskussionsteilnehmer ist die Formulierung von Jean Toussaint Desanti: “‘ Wir sieht nichts ’ . Aber, was sehen wir denn genau? Nichts, was jeder sieht und auf das sich alle einigen könnten. Man wird nur einig über das, was sich im Off abspielt, außerhalb dessen, was jeder sieht ” . 69 Vom Regisseur Michel Didym in Begriffe der Partizipation am Entstehungsprozess des Schauspiels übersetzt, bedeutet das, dass der Regisseur, die Schauspieler, die Mitarbeiter, aber auch die Zuschauer eine notwendige Vielzahl von “ Ichs ” bilden, und nicht “ eine Art übergreifendes, unumstrittenes ‘ Wir ’” . 70 Die Frage des Zuschauers geht auf in der Frage nach der Inszenierung, mehr oder weniger “ autorisiert ” durch einen Künstler, also einen “ Autor ” des Schauspiels, den Regisseur, denjenigen, der eine bestimmte Auffassung vom Schauspiel hat, eine Sicht, “ die an eine bestimmte Vorstellung der Kreation und der Souveränität gebunden ist, der Souveränität des Künstlers ” . 71 Mondzain verlängert und ergänzt die Aussage von Desanti: “ Das Wir sieht nichts, es ist das Zwischen-Uns, das sieht ” . 72 . Aber was ist zwischen uns? Die Gesprächspartner beziehen sich, ohne ihn zu nennen, auf Derrida und auf seinen Begriff der Dissemination. Der zeitgenössische, postmoderne oder postdramatische Zuschauer gilt als sehr zerstreut in seinen Wahrnehmungen. Aber, warnt Revault d ’ Allonnes, “ diese Gedanken der Dissemination sind ruinöse Gedanken für die Frage nach der Bedeutung der Gemeinschaft gewesen; wir sind von einer übergreifenden, einigenden Position zu ihrem Gegenteil, einem Gedanken der Zerstreuung, der Zersplitterung gelangt, der uns ebenso verbietet, die Probleme zu begreifen und einzuordnen. Und aus eben diesem Grund fällt es uns heute so schwer, an die Frage der Gemeinschaft zu denken. Wir sind in einer verheerenden Alternative gefangen: Die des ‘ symbiotischen Wir ’ oder der Dispersion und der Dissemination ” . 73 . Zwischen Copeau und Derrida, könnte man sagen. Die Diskussion um den Zuschauer verengt sich weiter, vor allem während des letzten Treffens, als der Austausch über die Modernität zur Frage nach der Legitimation des Theaters in der Unmittelbarkeit seiner 86 Patrice Pavis Rezeption führt. Guy Walter bezeichnet es als “ den aktiven Raum der Rezeption: die Tatsache, dass das Publikum das Ereignis der Aufführung konstruiert ” . 74 Wie lässt sich von da aus die Versammlung denken, auf die sich jedermann, hier und anderswo, beruft? Großzügig behauptet der Autor Corman, “ dass die Frage wohl eher sei, eine Versammlung zu konstituieren (um ein Objekt) als ein Objekt zu produzieren (imstande, die Versammlung zu provozieren) ” . 75 Der Regisseur Fisbach scheint sich nicht damit abfinden zu wollen, dass “ das Wir ” - seine Mitarbeiter und Zuschauer - “ nicht sieht ” . Er bevorzugt, eine “ Sache der Nebeneinanderstellung, d. h. des gleichzeitigen ‘ Wir sieht nicht ’ , ‘ Das Zwischen-Uns sieht ’ und ‘ Das Wir sieht schließlich doch ’” . 76 Diese aneinandergereihte zeitliche Folge lädt uns ein, die zeitliche Dimension wieder einzuführen, “ die theatrale Versammlung als einen historischen oder zeitlichen Seinsmodus, nicht nur als eine Versammlung im Raum zu betrachten ” , stellt Revault d ’ Allonnes fest. 77 Was Claude Régy, den Doyen und Fürsten unserer Regisseure, dazu veranlasst, die Grenzen des Schauspiels und damit der Intervention des Zuschauers zu überdenken, “ die Idee hinter sich zu lassen, dass das Schauspiel etwas ist, was man während einer bestimmten Zeit sieht ” . 78 Bleibt die Frage, ob diese Ausdehnung des Zuschauerraums und des öffentlichen Raums sich bis zum Raum der Gemeinschaft erstreckt, da, wo sich die Inszenierung einfügt, ja sogar, wie Fisbach vorschlägt, bis zum gesamten Menschengeschlecht. 79 Diese Diskussion über die Dimension und das Wesen der Gemeinschaft muss weiter verfolgt werden, umso mehr, als, wie Mondzain einräumt, das Theater nicht aufhört, sich zu fragen, “ wie Gemeinschaft produziert werden kann, wobei diese Gemeinschaft immer eine Fiktion bleibt ” . 80 Dieser lebendige und brillante intellektuelle Austausch liefert keine einfache Lösung, hilft aber dem Leser, sich über den flüchtigen Charakter des Zuschauers und die Herausforderungen für die zukünftige Entwicklung des Theaters bewusst zu werden. 2002. Florence Naugrette. Le plaisir du spectateur de théâtre. Rosny-sous-Bois, Editions Bréal. Dieses Buch ist eine allgemeine Einführung ins Theater, die trotz der Komplexität des Sujets stets lesbar bleibt. Sie enthält eine Reihe nützlicher und kluger Bemerkungen zur Rolle des Zuschauers, was zeigt, dass die Frage des Zuschauers auf allen Etappen der theatralen Kreation und der Produktion einer Inszenierung präsent ist. Im dritten Kapitel, “ Theorien zur theatralen Lust ” werden die Konzepte Katharsis, Identifikation oder Verfremdung erklärt und im Rahmen der Theatergeschichte verortet. Eine erste und hilfreiche Einführung in die Problematik im gesamten Kontext der Theaterforschung. 2006. Marie-Madeleine Mervant-Roux. Figurations du spectateur. Une réflexion par l ’ image sur le théâtre et sur sa théorie. Paris, L ’ Harmattan. Dieses Buch ist eine Fortsetzung und streckenweise eine Korrektur von L ’ assise du théâtre. Pour une étude du spectateur (CNRS Editions, 1998). Diese beiden Werke sind eine sehr gute kritische Einführung in die Problematik des Zuschauers. Mervant- Roux liefert eine historische Einordnung der Frage seit den 1950er Jahren. Sie stellt die angebliche Passivität des sitzenden Zuschauers ebenso in Frage wie die mutmaßliche Aktivität des Publikums, das zum Flanieren im Raum der Aufführung eingeladen ist. Ebenso hinterfragt sie das Dogma nach welchem “ die Natur der Verbindung zwischen Publikum und Theater eine fundamental relationale und im Wesentlichen in der Unmittelbarkeit der Begegnung realisierte sei ” . 81 Sie erklärt diesen Wandel in der Konzeption des Zuschauers durch das Ende des theatrologischen Modells des Dialogs, 87 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung welches in seiner semiologischen Version schnell verworfen wurde, 82 aber in “ der Privilegierung von Ereignis, Unmittelbarkeit, des expressiven Körper. . . ” 83 wieder auflebt. Merkwürdigerweise schreibt sie dieses Aufleben der “ Herrschaft der Regie ” zu, obwohl es sich ganz offensichtlich durch das Aufkommen von Performance, Happening oder dem postdramatischen Theater in den 1960er und 1970er Jahren erklärt, während das Regietheater seit mindestens 70 oder 80 Jahren existiert. Ihrer Meinung nach entspringt “ das theoretische Monster des ‘ Zuschauers ’” 84 “ dem von bestimmten Leuten im Kreis des Volkstheaters im Rahmen einer generellen Gleichsetzung des Theaters mit einem klassischen politischen Raum erarbeiteten Traum ” 85 . Sie denunziert die große ritualistische Versuchung, die aus den Zuschauern Akteure macht, versammelte Zelebranten innerhalb einer Gemeinschaft und die kritische und politische Konzepte durch zu vage philosophische Begriffe ersetzt. All diese Positionen werden in ihren neuesten Artikeln und ihrem Beitrag zu About Performance (2010) nochmals bekräftigt, differenziert und entwickelt. 2009. Jacques Rancière. Der emanzipierte Zuschauer. Aus dem Französischen von Richard Steurer. Wien, Passagen Verlag. Von diesem philosophischen Essay sind keine Präzisierungen über den Theaterzuschauer in der konkreten Rezeptionssituation zu erwarten, sondern eine philosophische Reflexion auf hohem Niveau über die Position und die “ Aktivität ” des Zuschauers, eine hilfreiche Klarstellung einiger zeitgenössischer Mythen über die Aktivität und Gemeinschaft der Zuschauer, der naiven und irrtümlichen Diagnose, nach der “ Zuschauer sein bedeutet, zugleich von der Fähigkeit zur Erkenntnis und von der zur Handlung getrennt zu sein ” 86 . Das Theater, sei es auch nur seit Rousseau, würde seine Zuschauer manchmal gerne eliminieren, oder zumindest die Position des Zuschauers, um aus ihm einen Teilnehmer an einer Zeremonie oder ein Mitglied einer Gemeinschaft zu machen, die Schauspieler und Zuschauer zusammenfasst. Diese Kritik richtet sich ebenso gegen Brecht, der das Theater konzipiert als “ eine Versammlung, wo die Leute des Volkes sich ihrer Situation bewusst werden und ihre Interessen diskutieren ” wie gegen Artaud, der es definiert als “ das reinigende Ritual, wo eine Gemeinschaft ihre eigenen Energien in Besitz nimmt ” 87 . Das ganze Problem entspringt dem momentanen Willen, die Trennung von Zuschauer und Schauspieler aufzuheben, die Aktivität des Zuschauers auf seine physische Mobilität zu reduzieren. Hinzu kommt ein überholtes Konzept, das vorsieht, dass die Zuschauer exakt die vom Autor und dann vom Regisseur vorgegebenen Erklärungen verstehen. Wir befinden uns hier laut Rancière in der “ Logik der verdummenden Pädagogik, die Logik der direkten und identischen Übertragung ” 88 . Dem entgegen setzt er den “ Sinn des Paradoxes vom unwissenden Lehrmeister: Der Schüler lernt vom Lehrmeister etwas, was der Lehrmeister selbst nicht weiß ” 89 . Auf die Beziehung Regisseur/ Zuschauer übertragen bedeutet das, dass der Regisseur die meiste Zeit nicht weiß, was er tut, nicht einmal, was er versucht, begreiflich zu machen: “ [D]er Künstler [will] nicht den Zuschauer belehren [. . .]. Er verbietet es sich, die Bühne zu benutzen, um eine Lehre zu verpassen oder eine Botschaft rüberzubringen. Er möchte nur eine Bewusstseinsform erzeugen, eine Gefühlsintensität, eine Energie zum Handeln ” 90 . Rancière scheint hier die postmodernen Künstler und Zuschauer zu beschreiben, die nicht mehr darauf abzielen, eine Bedeutung zu konstruieren oder zu rekonstruieren. Im folgenden Satz überrascht allerdings, dass der Autor, aus Unkenntnis der aktuellen Theaterproduktion, dem Künstler die Freiheit entzieht, dem 88 Patrice Pavis Zuschauer nicht die Bedeutung aufzuzwingen, die “ er in seine Dramaturgie oder seine Performance hineingelegt hat. ” 91 Das ist umso bedauernswerter, als der Autor, selbst ohne ins Detail der Inszenierungen zeitgenössischer Performances zu gehen, eine treffende Typologie der interdisziplinären Praktiken der zeitgenössischen Kunst skizziert, darauf bedacht, alle Künste in seinen Korpus zu integrieren, insbesondere die bildenden, wobei er “ drei Arten, diese Vermischung der Genres zu verstehen und zu praktizieren ” 92 differenziert. Rancière unterscheidet: 1) jene, “ die die Form des totalen Kunstwerks wieder aufgreift ” , 2) “ sodann die Vorstellung von einer Hybridisierung der Kunstmittel, die der postmodernen Wirklichkeit des unaufhörlichen Austausches der Rollen und Identitäten, des Reellen und Virtuellen, der Organischen und der mechanischen und digitalen Prothesen eigen ist ” und 3) eine dritte Art, die am geeignetsten erscheint, die Rückkehr zum neo-ritualistisch Gemeinschaftlichen und dem aktiven, mit den Schöpfern des Schauspiels gleichgesetzten Zuschauer einzudämmen. Diese “ dritte Art, die nicht mehr auf die Steigerung der Wirklichkeit abzielt, sondern auf die Infragestellung des Verhältnisses Ursache-Wirkung selbst und des Spiels der Vorannahmen, das die Logik der Verdummung unterstützt ” 93 , versteht die Theaterbühne “ als eine Bühne der Gleichheit [. . .], wo unterschiedliche Performances sich ineinander übersetzen ” und die “ der Erzählung einer Geschichte, dem Lesen eines Buches oder dem Blick auf ein Bild ” 94 gleichgestellt ist. Dieses schwer zugängliche Buch zeichnet sich durch den Verdienst aus, die Problematik des Zuschauers und der Interpretation in den Kontext einer philosophischen Reflexion darüber zu verlagern, was der Zuschauer wissen kann oder im Gegenteil besser ignorieren sollte. Es wird leichter verständlich nach der Lektüre anderer Werke. 2008. Bénédicte Louvat-Molozay et Franck Salaün (Hrsg.). Le Spectateur de théâtre à l ’ âge classique. XVII° et XVIII° siècles. Montpellier, L ’ Entretemps. Die Herausgeber dieses wertvollen Buchs zeigen eindrucksvoll in ihren Einleitungen, wie “ die Erfindung der ‘ Situation des Zuschauers ’ bzw. ihre effektive Umsetzung zusammenfällt mit dem Durchbruch der klassischen Dramaturgie und den theoretischen Anstrengungen, die sie begleiten ” 95 . Ihrer Meinung nach drängen sich in dieser “ Archäologie des Zuschauers im Zeitalter des Klassik ” zwei Tatsachsen auf: einerseits die wachsende Wichtigkeit, die seit 1630 der Rezeption des theatralen Spektakels in der dramatischen Theorie zukommt; andererseits die Instabilität der Lexik, um die Instanz der Rezeption zu benennen: “ Zuschauer ” erscheint nur als eine der möglichen Bezeichnungen neben “ Volk ” und vor allem “ Zuhörer ” . 96 Die Autoren zeigen, dass “ der Zuschauer also ein Konzept aus dieser Zeit ist, das sich ins französische theoretische Feld seit den 1630er Jahren einschreibt. ” Dieser Terminus koexistiert mit dem häufiger gebrauchten des “ Zuhörers ” , ein Konzept, das auf die Rhetorik Bezug nimmt, die Redekunst und die Deklamation, die im 17. Jahrhundert noch das Spiel des Akteurs dominiert. “ Man kann festhalten, dass der Sieg des ‘ Zuschauers ’ sich durch die Autonomisierung der dramatischen Praxis und Lexik in Bezug auf das Feld der Rhetorik erklärt, an die sie vorher angelehnt waren, ebenso wie durch den Stellenwert, die das Bildliche und mit ihm die Bedeutung des Blicks in der klassischen theoretischen Reflexion erlangt ” . 97 Der Terminus und das Konzept des Zuschauers setzen sich im 18. Jahrhundert durch: “ Er erlaubt, mindestens drei Arten der Beziehung zu berücksichtigen, je nachdem, ob man die konkreten Zuschauer, den impliziten Zuschauer oder den vom Schauspiel transformierten Schauspieler betrachtet ” . 98 Diese dritte Funktion, 89 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung die “ eine Theorie des nachhaltigen Effekts des Theaters auf den Zuschauer erforderlich macht ” 99 , ist diejenige, die uns besonders interessiert, wenn wir den auf den Zuschauer ausgeübten Effekt untersuchen und uns auf der Suche nach einer Theorie der Affekte befinden, inspiriert von der der Passionen, aber vor allem verbunden mit der der kinesthetic empathy (Identifikation durch Bewegung) - die Art und Weise, in der wir eine Bewegung, die wir als Zuschauer wahrnehmen, identifizieren und innerlich mitvollziehen,. Etwa zwanzig gelungene Fallstudien verfeinern und präzisieren diese Hypothesen und liefern eine exzellenten Gesamtüberblick. Es ist notwendig, die zeitgenössische Reflexion auf solche konzentrierten historischen Studien zu basieren. Unser Wissen über die Theatersäle, die Dramaturgie, die Gattungen und Stile des Schauspiels geht daraus gestärkt und besser ausgerüstet hervor, um die aktuellen Veränderungen der Funktion des Zuschauers zu erklären. 2008. Th. Hunkeler, C.Fournier Kiss und A.Lüthi (Hrsg.). Place au public. Les spectateurs du théâtre contemporain. Genf, Métis Presses. Dieses Buch kommt dem rein frankophonen Publikum sehr entgegen, da es Beiträge renommierter Autoren versammelt, die wenig ins Französische übersetzt oder vor allem auf Englisch zugänglich sind, wie Erika Fischer-Lichte, Malgozata Sugiera, Hans- Thies Lehmann oder Andreas Kotte. Leider schwankt die Qualität der Artikel sehr. Man findet eine exzellente Ausarbeitung von Marie-Madeleine Mervant-Roux, die auf ihren gesamten Parcours als mit der Publikumsanalyse konfrontierte Forscherin Rekurs nimmt. Lehmann liefert hier erhellende Präzisierungen über den prä- und postdramatischen Zuschauer und eine sorgfältige Analyse des Konzeptes der Anagnorisis, das ein besseres Verständnis der aktuellen Metamorphosen des Zuschauers erlaubt. Fischer- Lichte hingegen, willens die Aktivität des Zuschauers zu beweisen - als ob sie damit eine Entdeckung machte - beschränkt sich darauf, einige Regisseure der europäischen Avantgarde vom Beginn des 20. Jahrhundert zu zitieren, Partisanen der Aktivierung des Zuschauers, und, ohne zu argumentieren, zu wiederholen, wie sehr der Zuschauer ein “ Schöpfer einer neuen Bedeutung ” 100 sei, jemand für den “ ein Schauspiel betrachten immer bedeutet zu agieren, und im besten Fall, kreativ zu agieren ” 101 . Man findet eine herausragende Reflexion von Marco Baschera, “ Der Zuschauer im Angesicht der Geburt der Zeichen ” . Auf wenigen Seiten situiert der Autor die Problematik des Zuschauers, der auf der Bühne “ zugleich reale und irreale ” 102 Dinge wahrnimmt. Der Zuschauer definiert sich “ als dezentriertes Zentrum des Theaters: seine Aufmerksamkeit richtet sich weit von sich selbst auf die Akteure und ihr szenisches Spiel. Aus Sicht der Bühne, bedeutet das, dass sie ‘ sich exponiert ’ . So öffnet sie sich für den Blick des anderen, des Zuschauers. Ganz allein könnte sie nicht stehen. Der Schauspieler ‘ errichtet sie ’ vor den Augen des Zuschauers. Auf diese Weise kreiert die gesprochene oder gestische Handlung eine Leere, die der Zuschauer durch seine stumme Präsenz und seine Erwartungshaltung ausfüllen soll. Es geht um das Problem der Adresse dieser Aktion, die auf das Publikum abzielt, aber ohne dass es direkte Kommunikation oder Austausch gäbe ” 103 . Für die Analyse des Anfangs von Novarinas La Scène stützt sich Baschera auf die Arbeiten von Mondzain. Für diese “ heißt gemeinsam sehen nicht, eine Vision teilen, denn niemals wird jemand das sehen, was der andere sieht. Man teil nur das, was man nicht sieht. Das ist das Unsichtbare. Gemeinsam sehen heißt, die Unsichtbarkeit einer Bedeutung zu teilen ” (Voir ensemble, 2003, S. 140). Baschera formuliert die Hypothese, dass eine schwer zu erfassende Beziehung existiert, welche das 90 Patrice Pavis Unsichtbare auf der Bühne mit der stummen Präsenz des Zuschauers verbindet: “ der Zuschauer sieht durch das Ohr und umgekehrt ” 104 . In wenigen Sätzen tun diese beiden Autoren mehr für unser Verständnis des Zuschauers als viele Bücher, die ihm explizit gewidmet sind. 2009. Dennis Kennedy. The Spectator and the Spectacle. Audiences in Modernity and Postmodernity. Cambridge University Press. Eine sehr gelungene Studie, welche die Frage des Zuschauers aus historischer Sicht seit den Anfängen der Inszenierungspraxis in Angriff nimmt, mit Beispielen aus Shakespeare-Inszenierungen, namentlich in einer interkulturellen Perspektive, die die Untersuchung bis zur Partizipation von Gläubigen und Ungläubigen an Ritualen einer fremden Kultur verfolgt. Der Körper, die Subjektivität, die Erinnerung und der Glauben des Zuschauers werden sorgfältig und in kohärenter Weise erörtert, auch wenn das Buch auf bereits publizierte Artikel zurückgreift. Eine der besten Einführungen in die Analyse des postmodernen Zuschauers. 2009. Rachel Fensham. To Watch Theatre. Essays on genre and corporeality. Brüssel, Peter Lang. Dieses Werk, momentan das anspruchsvollste zur Frage des Zuschauers, hat sich zum Ziel gemacht, das Theater als “ an embodied activity ” 105 zu betrachten. Der Zuschauer ist fast immer als ein körperloser Dekodierer gesehen worden, nichts als sein Gehirn und seine Denkfähigkeit nutzend; vergessend, dass Körper sich nicht nur auf der Bühne befinden, sondern auch im Saal. Das Konzept der Inkarnation (Verkörperung, im Sinne von embodiment) wurde auf Schauspieler, Tänzer und Performer angewendet, aber selten auf die Zuschauer. Dem widmet sich die Autorin, indem sie eine “ Semiotik des Körpers ” vorschlägt. Ihre Untersuchung zeigt die Interaktion dreier Schlüsselkonzepte: “ genre, the formal term that establishes the structuring of theatricality that includes the textual grammar of a dramatic work, its performance style, theatrical frame, and mode of rhetorical address; corporeality, an assemblage of the troubling physical work of the actors, the figurative forms in the text, and the ambivalent bodies of the spectator; and performance, the presenting of theatre in a mobile, stratified terrain of symbolic and expressive action in the social world ” 106 . Nach dem Ursprung und den Verwendungskontexten des Begriffs “ to watch ” suchend, konstatiert Fensham, dass traditionell die Männer “ on the watch ” sind, während die Frauen ihr krankes oder schlafendes Kind behüten und bewachen. 107 “ Watching theatre ” bedeutet “ sensing, recognising, and responding to what happens between bodies ” 108 , was uns Körper in Bewegung und die Beziehung unseres Körpers mit dem des anderen bewusst macht. Die Autorin möchte erfassen, inwieweit die Erfahrung, etwas gemeinsam mit anderen zu sehen, eine Erfahrung ist, die auf Affekte zielt, auf die Kognition und die theatrale Gemeinschaft. Sie stellt fest, dass viele Forscher der postdramatischen Bewegung auf die Werkzeuge und Konzepte der Visual Studies zurückgreifen: Sie verzichten auf die Beschreibung der Aufführung in psychologischen Begriffen und verwenden stattdessen Stichworte wie “ Selbstreferenz, Gegenstandslosigkeit, abstrakte oder konkrete Kunst, Autonomisierung der Signifikanten, Serialität, Aleatorik ” . 109 Fensham konstatiert die Obsession der Kritik in einer Ära “ post-Peter Brook and Grotowski ” 110 mit dem Begriff der Zeugenschaft, das sie von ihrem eigenen Konzept des Sehens/ Beobachtens abgrenzt. Ihr Buch verfolgt drei Hauptstränge, die den drei oben genannten Schlüsselkonzepten entsprechen: 1) Der Effekt der Aufführung auf den Zu- 91 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung schauer 111 , eine Wirkung, die zukünftige Recherchen noch weiter erhellen müssen, 2) “ the discrete elements in the mise en scène ” 112 und im Unbewussten der Inszenierung. Der “ watcher ” , dieser beobachtende Zuschauer, muss sich in einem Zustand “ somewhere between sleep and wakefulness ” 113 befinden. Es geht also darum, auf diese versteckten Elemente der Inszenierung zu achten und nicht auf die Konzepte von Personen oder des Textes: Wir verfügen über eine “ acute awareness of the material effects of a performance, not with whole units of meaning such as character or speech, but with discrete elements in the mise en scène. ” 114 . Diese Beobachtung unterstreicht den Willen, die Rolle des Zuschauers im Zusammenhang mit dem übergreifenden System der Inszenierung zu analysieren, und nicht anhand isolierter Elemente der dramatischen Struktur. 3) Die dritte verfolgte Richtung ist die der Theorie der literarischen und dramatischen Gattungen. Der Rückgriff auf die Gattung, ein Konzept, dass die Semiologie etwas zu schnell als zu normativ abgetan hat, markiert für Fensham eine Rückkehr zur Dramaturgie als leitendes Prinzip der Dramen- oder Aufführungsanalyse. Man versteht also ihre Vorgehensweise in der Analyse des Zuschauers: “ trace a path between the more formal theorising of genre towards the visceral, sensorial, and critical modes of watching required in an embodied relationship ” . 115 Das wird in diesem Buch exemplarisch in der Analyse von vier zeitgenössischen Inszenierungen von Tragödien angewendet, die Reaktionen des zeitgenössischen Zuschauers beobachtend. Die ästhetische Erfahrung des Sehens einer Tragödie erlaubt uns heute, unserer düsteren Epoche zu begegnen, d. h. “ add something to the collective dimension of this most civic, if uncivil, of genres ” 116 . Der große Verdienst dieser Untersuchung ist es, die Rolle des Zuschauers nicht wie üblich in abstrakter oder ahistorischer Weise neu zu bewerten, sondern in engagierter Weise, ebenso die Analyse der Affekte des Theaters betreffend, während sie sich produzieren, wie das Verständnis unserer Epoche, im Begriff, sich zu analysieren. 2010. Laura Ginters, Gay McAuley. About Performance, n°10. Diese Sondernummer der Zeitschrift des Department of Performance Studies der University of Sydney, liefert einen guten Überblick über die grundlegenden aktuellen Fragen zum zeitgenössischen Zuschauer, hauptsächlich aus britischer und australischer Perspektive. Der Zuschauer erscheint hier im Fenster aktueller Recherchen über das Theater von Heute, mit einigen Ausreißern zu Performances wie Cross-Country Mountain Biking Rennen (Kath Bicknell) oder der Art und Weise, wie die Balinesen sich als “ viewing subjects ” mit ihrer Erfahrung und Praxis als Zuschauer auseinandersetzen (Mark Hobart). Mehrere Autoren beziehen sich auf den Zuschauer als Zeugen innerhalb einer Gemeinschaft, wobei diese beiden Begriffe kaum kritisiert werden, außer aus einem kontinentalen, d. h. französischen Blickwinkel, durch Marie-Madeleine Mervant-Roux, die kritischste aller Autoren, denn “ in diesem durch neo-rituelle Werte der Kommunion oder kollektiven Handlung markierten Kontext haben wir der Rückkehr der alten Vorstellung vom Zuschauer beigewohnt - ein wiederkehrendes Thema seit den 1960er Jahren - , die physische Immobilität mit Passivität gleichsetzt ” 117 . Ein anderer “ Outsider ” , Wilmar Sauter, liefert eine differenzierte Bilanz von 30 Jahren Reception Studies und den empirischen, methodologischen und theoretischen Fortschritten. Eine zugleich zufriedene und noch unzufriedene Bilanz: “ Die Vorstellung, dass Publika integrale Bestandteile von theatralen Ereignissen sind, hat im Laufe der letzten Jahrzehnte feste Wurzeln geschlagen, doch die Forscher der 92 Patrice Pavis Theaterwissenschaft müssen diese theoretischen Evidenzen noch in ihre historische und empirische Analyse integrieren ” 118 . Für die Mehrheit der Autoren dieses Bandes ist dies schon seit langem erledigt. Unter ihnen Matthew Reason, der geduldig die Erfahrung des Zuschauers neu definiert und versucht, sie zu verlängern, durch Diskussionen nach der Aufführung oder Ateliers, in denen die Zuschauer eingeladen sind, ihre Erinnerungen an das Schauspiel, das sie gerade gesehen haben, zu zeichnen: “ Der Wunsch zu sprechen basiert auf dem Bedürfnis, die eigene Erinnerung an das Ereignis zu bestätigen, dessen Zeuge man war. ” Es handelt sich also, setzt Reason nach, “ um einen dringlichen Wunsch über die Schauspiele zu sprechen (und daher sich zu erinnern), die (der Zuschauer) erlebt hat ” 119 . “ Die Erfahrung wird zu etwas von uns selbst für die anderen konstruiertem, bzw. von uns selbst für die anderen innerhalb eines soziokulturellen Kontextes, da wir versuchen, die Welt um uns herum zu verstehen und verständlich zu machen ” . 120 Unter den Fallstudien dieses Bandes, allesamt überzeugend, ist die bemerkenswerte Studie von Heather Lilley hervorzuheben, der eine Verbindung zwischen der Rezeptionsästhetik eines Jauß oder Gadamer und der Idee der Gemeinschaft gelingt: der von Benedict Anderson entliehenen imaginierten Gemeinschaft ( “ imagined community ” ) und der von Stanley Fish vorgeschlagenen Interpretationsgemeinschaft ( “ interpretive community ” ). Diese unverhoffte Verbindung hilft den Forschern das fehlende Bindeglied vieler zeitgenössischen Untersuchungen zum Zuschauer zu finden: die Verbindung zur Dramaturgie und zur Poetik des Zuschauspiels, also zur Interpretation des Werks durch den Zuschauer. Lilley unterscheidet drei grundlegende Bereiche der Dramaturgie, welche die Rezeption der Inszenierung durch das Publikum beachtlich beeinflussen: “ (1) Die geteilte Wiedererkennung kultureller Symbole, die den psychischen Prozess der Interpretation formen; (2) die Verbindung ‘ Publikum-Aufführung ’ als Mittel, um eine Form von Zugehörigkeit (fellowship) zu kreieren ebenso wie eine soziale, festliche Erfahrung; und (3) die gemeinsame Erfahrung von Zeit und Raum, in dem Sinne, dass sie die sensorischen, körperlichen und imaginativen Reaktionen auf das Werk beeinflussen und einmal mehr eine geteilte Schätzung des Ereignisses als eine festliche oder kollektive Erfahrung ermöglichen ” . 121 Dank dieser Poetik und Dramaturgie wertet die Autorin den Zuschauer als denjenigen um, der mitgerissen wird “ in die Aktion durch die systematische Transformation des Publikums in eine temporär vereinte Interpretationsgemeinschaft ” 122 . Ihr Zugang, weit davon entfernt die zuschauende Instanz noch mehr zu metaphorisieren, sie auf vage, schlecht definierte Funktionen zu reduzieren, bemüht sich im Gegenteil den Zuschauer wieder in der Bedeutungsproduktion zu positionieren. Man hätte nur daran denken müssen! 2010. Florence March. Relations théâtrales. Montpellier, L ’ Entretemps. Dieser schmale Band von 90 Seiten, der feinsinnige Untersuchungen von in Avignon gesehenen Aufführungen vereint, hat den großen Verdienst, von aktuellen und konkreten Beispielen ausgehend nach der Lektüre der Analysen eine zukünftige theoretische Meditation und Reevaluierung des Zuschauers anzuregen, die sowohl die Arbeit von Philosophen (Mondzain, Didi-Huberman, Baudrillard) wie die provokantesten und engagiertesten Inszenierungen berücksichtigt. Es ist bedauernswert, dass Florence March ihre Neubewertung nicht über Habermas und Reason bis zu Lehmann oder Balme fortgesetzt hat, sondern sich mit dem Wiederaufgreifen des Konzepts der theatralen Beziehung aus den 1950er und 1960er Jahren von Vilar, Dort, Banu, Brook oder 93 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung Grotowski begnügt; ebenfalls beklagenswert ist, dass sie die aktuelle Theaterpraxis nicht systematisch in einen weiteren theoretischen Rahmen fasst: den der Medien und der Intermedialität, der performances studies und der Interkulturalität. Glücklicherweise ist sie sich jedoch der Notwendigkeit bewusst, “ diesen Zuschauer in Aktion, der den konventionellen Rahmen der Aufführung in Scherben zerspringen lässt ” 123 aufzuwerten, da sie sehr treffend die Bemühungen der Groupe Miroir beschreibt, diese Zusammenkunft von Zuschauern, die über die “ spektatoriale Erfahrung ” reflektiert, die “ systematisch die raum-zeitlichen Grenzen verschiebt und sich bemüht zu beweisen, dass das Publikum außerhalb des Schauspiels existiert ” 124 . Ihre Mikroanalysen von CNN (Chartreuse News Network) - still und leise, tongue in cheek - dekonstruieren die alten Theorien ihrer eigenen Referenzen und ihren (schlechten) theoretischen Umgang. Ihre Analysen ebnen den Weg für eine zukünftige, mit Medien konfrontierte Theaterregie sowie für eine theoretische Reflexion, die bereits durch die Arbeiten von McLuhan, Reason, Auslander und Balme entworfen worden ist: “ Diese Suche nach den möglichen Interaktionen von Theater und Medien hinterfragt notwendigerweise die Natur der theatralen Beziehung ebenso wie unser Verhältnis zu neuen Technologien und zur Information ” . 125 2011. Anne Gonon. In vivo. Les figures du spectateur des arts de la rue. Montpellier, L ’ Entretemps. Ein wertvolles Werk, da es ein ziemlich präzises Bild der verschiedenen Typen von Zuschauern eines sowohl zahlenmäßig als auch symbolisch immer wichtiger werdenden Genre liefert: des Straßentheaters. Dank einer sehr guten praktischen Kenntnis des Milieus, identifiziert Anne Gonon nach feinen Kriterien die verschiedenen Zuschauertypen. Sie schlägt eine Kategorisierung vor, mit dem Risiko, die sehr feinen Kriterien auch ein wenig subjektiv und zu psychologisch zu konzipieren, und so nicht unbedingt den Erwartungen der Zuschauer noch der Besonderheit der Aufführungen zu entsprechen. Nach Gonon existieren drei verschiedene Zustände des Zuschauers auf der Straße: der entschlossene Zuschauer, der potentielle und der zufällige. Die Autorin unterscheidet anschließend verschiedene Parameter nach: 1) dem Kontext der Aufführung, 2) den zeitlichen Umständen, 3) der Theatralisierung des Zuschauers, 4) seiner Dramatisierung. Die spezifischeren Unterkategorien betreffen den Raum, mit dem Risiko manchmal künstlich bzw. wenig überzeugende Unterscheidungen anzuführen. Die Autorin ist sich bewusst, dass der Zuschauers der Straße “ exponiert ” ist, “ körperlich einbezogen ” , “ herumgeschubst ” , aber dass er trotzdem “ im Herzen der Partition ” verbleibt 126 . Schauspieler und Zuschauer sind stets “ Hand in Hand ” 127 , ja sogar “ Auge in Auge ” 128 - weiter geht die Intimität nicht. Die Autorin bedauert die Zeit, wo das Straßenschauspiel sich an den “ Einwohner ” richtete, an echte Passanten der allgemeinen Bevölkerung und nicht an Spezialisten. Sie rechnet mit dem Straßentheater für “ die Befruchtung der Gebiete und die Entwicklung des zeitgenössischen Schaffens ” 129 , ebenso wie für die Wiederherstellung eines lebendigen Teils dieses Schaffens für den “ Zuschauer-Bewohner ” . In vivo veritas. Weitere aktuelle Publikationen, die sich teils mit dem Zuschauer beschäftigen Die Theater- und Performance-Studien der letzten zwanzig Jahre nehmen häufig Bezug auf den Zuschauer. Es ist also ratsam, in ihnen nachzulesen, da die einzelnen Beobachtungen oft sehr erhellend sind. In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind folgende Werke: 94 Patrice Pavis 2001, Marvin Carlson. The Haunted Stage: the Theatre as Memory Machine. Ann Arbor, University of Michigan Press. 2004, Vicky Cremona, Peter Eversmann et al. Theatrical Events: Borders, Dynamics, Frames. Amsterdam, Rodopi. 2004, Erika Fischer-Lichte. Ästhetik des Performativen. Frankfurt, Suhrkamp. 2006, Matthew Reason, “ Audience ” , Performance Research. A Lexikon, Volume 11, n°3, September. 2006, Nicolas Ridout. Stage fright, Animals and Other Theatrical Problems. Cambridge University Press. 2006, Susan Hayward. Artikel “ Audience ” , “ Spectator ” , “ Agency ” , Cinema Studies. The Key Concepts. London, Routledge. 2007, Christoper Balme. Pacific Performances. Palgrave. 2008, Christopher Balme. “ Spectators and Audiences ” , The Cambridge Introduction to Theatre Studies, Cambridge University Press. 2008, Jan Deck, Angelika Sieburg (Hg.) Paradoxien des Zuschauens. Bielefeld, Transkript. 2008, Jens Roselt. Phänomenologie des Theaters. München, Wilhem Fink Verlag. 2008, Maaike Bleeker. Visuality in the Theatre. London, Palgrave. 2008, Peter Rabinowitz, “ Audience ” , Routledge Encyclopedia of Narrative Theory. Herausgegeben von D. Herman, M. Jahn und Marie-Laure Ryan, London. 2009, Helen Freshwater. Theatre and Audience. London, Palgrave. 2010, Erin Hurley. Theatre and Feeling. London, Palgrave. 2010 Matthew Reason. The Young Audience. Stoke on Trent, Trentham Books. Übersetzung: Katharina Knüppel Anmerkungen 1 Freud 1905: Keine Angaben. 2 (Lacan, 1966). 3 Mervant-Roux, Marie-Madeleine. Figurations du spectateur. Une réflexion par l ’ image sur le théâtre et sur sa théorie, Paris, 2006. Siehe Zusammenfassung am Ende. Vgl. außerdem von der gleichen Autorin: L ’ Assise du théâtre. Pour une étude du spectateur, Paris, 1998. 4 Naugrette, Florence. Le Plaisir du spectateur de théâtre, Paris, 2002. Siehe Zusammenfassung am Ende. 5 Mervant-Roux 2006 17. 6 Mervant-Roux 2006, 21. 7 Durand, Régis (Ed.). La Relation théâtrale. Lille, 1980. 8 Pavis, Patrice. Voix et Images de la scène. Lille, 1982. 9 Siehe die Werke von Willmar Sauter sowie aktuell: The Theatrical Event: Dynamics of Performance and Perception.Iowa, 2000. 10 Titel ihres Essays von 1964. 11 Mervant-Roux 2006, 30. 12 Mervant-Roux 2006, 64 - 67. 13 Revault d ’ Allonnes, L ’ Assemblée théâtrale, op.cit., S. 126. 14 Ein exzellenter Überblick findet sich in Balme Christopher B. “ Spectators and Audiences. ” The Cambridge Introduction to Theatre Studies. Christopher B. Balme. Cambridge, 2008. 15 Barthes, Roland. Die Lust am Text. Frankfurt a. M., 1974. 16 Piégay-Gros, Nathalie. Le Lecteur. Paris, 2002. 17 “ E-lire ” im Sinne von: aus einer Lektüre herausziehen, auflesen. “ In-specter ” im Sinne von: mit einem Blick durchdringen. 18 Pavis, Patrice. Le Théâtre contemporain. Paris, (2002), 2011. 19 “ Es handelt sich nicht nur um ‘ semantische Leerstellen ’ , fehlenden Sinn, sondern auch um Möglichkeiten der Assemblage und der Kombination, die immer in der Schwebe sind. Sie werden also aufgehängt (statt ‘ gefüllt ’ ), wenn diese Verbindung hergestellt oder jene Signatur präzisiert wird. ” (Piégay- Gros 2002 229) 20 Piégay-Gros 2002, 16. 21 Piégay-Gros 2002, 46. 22 Lauwers, Jan. “ Editorial. ” Bulletin de la Needcompany. Dezember 2011. 23 Le Monde. 25. Juni 1995. (Autor? ) 24 Reason, Matthew. “ Audience. ” Performance Research. Volume 11, n°3, September 2006, 8. 95 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung 25 Bauchard, Franck. Bulletin du CNES. Villeneuve, 2001, 3. 26 Bleeker, Maaike. Visuality in the Theatre. The Locus of Looking. Hampshire and New York, 2008, 16. 27 Reason 2006, 9. 28 Mondzain, Marie-José. Le commerce des regards. Paris, 2003, 140. 29 Garcia, Emilio. “ Interview. ” Buenos Aires, génération théâtre indépendant, Besançon, 2010, 71 - 72. 30 Lehmann, Hans-Thies. Postdramatic Theatre. London, 2006, 43. 31 Pommerat, Joël; Gayot, Joëlle. Troubles. Un théâtre du doute, Paris, 2009, 65. 32 Michaud, Yves. L ’ art à l ’ état gazeux: essai sur le triomphe de l ’ esthétique. Paris, 2009, 35. 33 Lehmann, Hans-Thies. Postdramatisches Theater. Frankfurt am Main, 1999, 471. 34 Michaud 2009, 167. 35 Michaud 2009, 167. 36 Michaud 2009, 171. 37 Autor? “ Avant-garde. ” Encyclopédie thématique de la culture. Encyclopaedia Universalis Ort? , 2004, 508. 38 Zum Beispiel Fischer-Lichte, Erika. Ästhetik des Performativen. Frankfurt am Main, 2004. 39 Barthes, Roland. Le Plaisir du texte. Paris, 1973. 40 Mervant-Roux 2006, 34. 41 Lehmann 2008, 245. 42 Vgl.: Mondzain, Marie-Josée. Homo spectator. De la fabrication à la manipulation des images. Montrouge, 2007. 43 Benjamin, Walter. Ausgewählte Schriften, Bd. 2. Frankfurt, 1966, 213. 44 Blau, Herbert. The Audience. Baltimore, 1990, 25. 45 Ethis, Emmanuel “ Le cinéma, cet art subtil du rendez-vous. ” Communication et langage. n°154, Dezember 2007. 46 Sibony, Daniel “ Spectateur, Spectracteur. ” La position du spectateur aujourd ’ hui dans la société et dans le théâtre. Du Théâtre. n°5, März 1996, 45 - 52. 47 March, Florence. Relations théâtrales. Montpellier, l 2011. Die oben genannten Bezeichnungen werden von F. March in ihrem Werk auf den Seiten 20 - 25 zitiert. Siehe die Zusammenfassung in der Bibliographie weiter unten. 48 Sartre, Jean-Paul. Vers un théâtre de situations. Paris, 1992, 349. 49 Etchell, Tim, Certain fragments, New York, 1999, 17 - 18. 50 Haenel, Yannik. Jan Karski. Paris, 2009. 51 Haenel 2009, 31. 52 Hoog, Emmanuel. Mémoires années zéro. Paris, 24. Siehe ebenfalls das Buch von Wieworka, Annette. L ’ Ere du témoin. Paris, 1998. 53 Fensham, Rachel. To Watch Theatre. Brüssel, 2009. Siehe die Zusammenfassung weiter unten. 54 Fensham 2009, 19. 55 Fensham 2009. 56 Fischer-Lichte, Erika. Ästhetik des Performativen. Frankfurt am Main 2004, 59. 57 Balme, Christopher. “ Distribuierte Ästhetik. Performance, Medien und Öffentlichkeit. ” Netzkulturen - kollektiv. kreativ. performativ. Eds. Josef Bairlein, Christopher Balme, Jörg von Brincken, Wolf-Dieter Ernst, Meike Wagner. München, 2011, 41 - 54, 53. 58 Boltanski, Luc. Intervention anlässlich der Begegnung am 21. Mai 2001, L ’ Assemblée théâtrale, 13. 59 Zum Begriff der “ Distribuierten Ästhetik ” , siehe den Artikel von Christopher Balme in: Bairlein, Balme, et al. 2011, 41 - 54, so wie seinen Hinweis auf die Arbeiten von Munster, Anna und Lovink, Geert. “ Theses on Distributed Aesthetics: or What a Network is Not. ” Fibreculture, n°7, http: / / journal.fibreculture.org/ issue7_munster_lovink. html. 60 Milin, Gildas (et al.). L ’ assemblée théâtrale. Paris, 2002, 16. 61 Milin 2002, 28. 62 Milin 2002, 28. 63 Milin 2002, 22. 64 Milin 2002, 22. 65 Milin 2002, 39. 66 Milin 2002, 44. 67 Milin 2002, 44. 68 Milin 2002, 67. 69 Milin 2002, 71 - 72. 70 Milin 2002, 75. 71 Revault d ’ Allonnes in Milin 2002, 78. 72 Milin 2002, 85. 96 Patrice Pavis 73 Milin 2002, 87 - 88. 74 Milin 2002, 112. 75 Milin 2002, 118. 76 Milin 2002, 119. 77 Milin 2002, 120. 78 Milin 2002, 121. 79 Milin 2002, 123. 80 Milin 2002, 129. 81 Mervant-Roux, Marie-Madeleine. Figurations du spectateur. Une réflexion par l ’ image sur le théâtre et sur sa théorie. Paris, 2006, 11. 82 Mervant-Roux 2006, 11. 83 Mervant-Roux 2006, 11. 84 Mervant-Roux 2006, 21. 85 Mervant-Roux 2006, 21. 86 Rancière, Jacques. Der emanzipierte Zuschauer. Wien, 2009, 12. 87 Rancière 2009, 16. 88 Rancière 2009, 24. 89 Rancière 2009, 24. 90 Rancière 2009, 24 - 25. 91 Rancière 2009, 25. 92 Rancière 2009, 32. 93 Rancière 2009, 32 - 33. 94 Rancière 2009, 32. 95 Louvat-Molozay, Bénédicte and Salaün, Franck (Eds.). Le Spectateur de théâtre à l ’ âge classique. XVII° et XVIII° siècles. Montpellier, 2008, 23. 96 Louvat-Molozay, Salaün 2008, 23. 97 Louvat-Molozay, Salaün 2008, 27. 98 Louvat-Molozay, Salaün 2008, 29. 99 Louvat-Molozay, Salaün 2008, 30. 100 Hunkeler, Thomas; Fournier Kiss, Corinne and Lüthi, Ariane. Place au public. Les spectateurs du théâtre contemporain. Genf, 2008, 74. 101 Hunkler, Fournier Kiss and Lüthi 2008, 83. 102 Hunkler, Fournier Kiss and Lüthi 2008, 105. 103 Hunkler, Fournier Kiss and Lüthi 2008, 107. 104 Hunkler, Fournier Kiss and Lüthi 2008, 114. 105 Fensham, Rachel. To Watch Theatre. Essays on genre and corporeality. Brüssel, 2009, 11. 106 Fensham 2009, 19 - 20. 107 Fensham 2009, 11. 108 Fensham 2009, 11. 109 Lehmann, Hans-Thies. Postdramatisches Theater. Frankfurt am Main, 2011, 161. 110 Fensham 2009, 14. 111 Fensham 2009, 14. 112 Fensham 2009, 15. 113 Fensham 2009, 14. 114 Fensham 2009, 15. 115 Fensham 2009, 15. 116 Fensham 2009, 167. 117 Ginters, Laura; McAuley, Gay. About Performance 10: Audiencing: the Work of the Spectator in Live. Sydney, 2010, 229. 118 Ginters, McAuley 2010, 261. 119 Ginters, McAuley 2010, 27. 120 Ginters, McAuley 2010, 32. 121 Ginters, McAuley 2010, 45. 122 Ginters, McAuley 2010, 48. 123 March, Florence. Relations théâtrales. Montpellier, 2010, 45. 124 March 2010, 46. 125 March 2010, 66. 126 Gonon, Anne. In vivo. Les figures du spectateur des arts de la rue. Montpellier, 2011, 169. 127 Gonon 2011, 172. 128 Gonon 2011, 173. 129 Gonon 2011, 186. 97 Zum aktuellen Stand der Zuschauerforschung
