eJournals Forum Modernes Theater 29/1-2

Forum Modernes Theater
fmth
0930-5874
2196-3517
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/1201
2018
291-2 Balme

Milena Cairo, Moritz Hannemann, Ulrike Haß, Judith Schäfer (Hrsg.): Episteme des Theaters. Aktuelle Kontexte von Wissenschaft, Kunst und Öffentlichkeit. Bielefeld: transcript Verlag 2016, 660 Seiten.

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2018
Lutz Ellrich
fmth291-20117
Rezensionen Milena Cairo, Moritz Hannemann, Ulrike Haß, Judith Schäfer (Hrsg.): Episteme des Theaters. Aktuelle Kontexte von Wissenschaft, Kunst und Öffentlichkeit. Bielefeld: transcript Verlag 2016, 660 Seiten. Der vorliegende Band versammelt die Beiträge zum 12. Kongress der Gesellschaft für Theaterwissenschaft, der vom 25.-28. September 2014 in Bochum stattfand, und dokumentiert den starken Willen des Fachs, sich nicht auf seinen Lorbeeren, die es zwischen 1993 und 2010 (S. 1) angehäuft hat, auszuruhen. 1 In dieser äußerst produktiven Phase, deren Ende man in den letzten (eher durch Stagnation geprägten) Jahren häufig beklagte, wurde eine Reihe forschungsleitender und bemerkenswert projekt-affiner Begriffe wie etwa Theatralität, Inszenierung, Performativität und Liveness teils erfunden, teils mit neuen Bedeutungen versehen. Diese konzeptionellen Innovationen sorgten aber nicht allein für einen innerfachlichen Aufschwung, sondern entpuppten sich als regelrechte akademische Exportschlager. Soziologen, Politologen, Rechtstheoretiker u. a. nutzten das theaterwissenschaftliche Instrumentarium, um Rituale und Darstellungsformen, die in ihren jeweiligen Gebieten eine oft unterschätzte Rolle spielen, zu untersuchen und die gewonnenen Erkenntnisse sogleich an das impulsgebende Fach weiterzugeben. Die Theaterwissenschaft erwies sich als Drehscheibe eines ertragreichen interdisziplinären Zirkulationsprozesses und die ‚ Kulturwissenschaft ’ , die zuvor nur ein provisorisches Dach für äußerst heterogene Theorien und empirische Studien war, erhielt durch prägnante Schlüsselbegriffe ein unerwartet scharfes Profil. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Die einst so aufschlussreichen Konzepte verloren ihre heuristische Kraft, Krisenstimmung breitete sich aus und die Suche nach neuen Fragenstellungen, Methoden und Modellen, die das Fach und sein Umfeld auf- und vermischen können, begann. Der Bochumer Kongress war ein Versuch, das Fach wachzurütteln und zugleich Lust auf substantielle interdisziplinäre Forschung zu machen. Anders als die ambitionierte GTW-Tagung über Subjektivität von 2010, die vorführte, dass die Theaterwissenschaft kaum eigene Gesichtspunkte zur Erkundung des Gegenstandes ins Zentrum der Debatten rücken konnte, sondern (abgesehen von der Verknüpfung des ‚ dramatischen ’ Theaters mit Prozessen der Subjektkonstitution und des ‚ postdramatischen ’ Theaters mit der Dekonstruktion des Subjekts) nur als Parasit von Philosophie und Soziologie zur Geltung kam, wagte sich die Bochumer Veranstaltung ans ‚ Eingemachte ’ heran. Rücksichtslose Selbstreflexion des Fachs und vergleichende (also auf Differenzen bedachte) Analyse der Welterschließungsfähigkeit seines speziellen Forschungsobjekts - des Theaters - standen auf der Agenda. Es ging folglich 1. um den Status des theaterwissenschaftlich generierten Wissens und 2. um das eigensinnige Wissen, das der Vollzug szenischer Aktionen in sich birgt und nicht per se schon unmittelbar bei der Aufführung (sondern oft erst unter dem sanften Druck der nachträglichen theaterwissenschaftlichen Zugriffe) preisgibt. Beide Unternehmen sollten auf dem Kongress so durchgeführt werden, dass drei klassische Begriffe der Theaterwissenschaft, nämlich Theorie, Geschichte und (Aufführungs-)Analyse, auf den Prüfstand kommen und bei Bedarf auch energischen Revisionen unterzogen werden. Die Gliederung des fertigen Bandes hält sich weitgehend an diesen Plan und ordnet die Beiträge fünf Themenblöcken zu: zunächst vier Texte, welche die zentralen Probleme aufwerfen und erste konzeptuelle Lösungsvorschläge machen, darunter auch das thesenstarke Vorwort, dann das wohl gehaltvollste Kapitel Theatertheorie, Modelle, Konstellationen, gefolgt von den Abschnitten Historiographie, Gedächtnis, Zeit des Theaters und Kritik, Kunst, Forschung sowie dem abschließenden Teil Theaterarbeit, Kontexte, Recherchen, der in mancher Hinsicht wie ein Sammelsurium von Texten anmutet, die nicht so recht ins thematische Raster passen wollten, der aber keineswegs das Niveau des Ganzen absinken lässt, sondern mit dem Beitrag von Husel (S. 597 ff.) sogar eine der klarsten und ergiebigsten Studien des Buches zu bieten hat. Die Orientierung am Leitbegriff Wissen (in seiner doppelten Fokussierung auf die akademische Disziplin und ihren Gegenstand) stimuliert das Fach, das mit sich selbst hadert (vgl. S. 68, S. 139), nun erneut - wie in den alten Zeiten vor dem Theatralitätsboom - auf Begriffsimporte und nicht -exporte zu setzen, also unterschiedlichste Konzepte und Methoden aus anderen Disziplinen aufzugreifen und mit Gewinn für die eigenen Fragestellungen zu nutzen. Die Forschungen von Conquergood, Wirth, Mieg, Fauconnier/ Turner, Reckwitz (um nur einige wenige Beispiele aus dem letzten, so erfrischend heterogenen und materialreichen Kapitel anzuführen) werden in die Theaterwissenschaft eingemeindet, ohne dass je der Eindruck der Beliebigkeit entsteht. Zweck solch einer risikofreudigen Begriffs- und Methoden-Piraterie ist es, das spezifisch Gedankliche oder Erkenntnisförmige der szenischen Vorgänge und Praktiken herauszuarbeiten. Als Ausgangspunkt dient durchweg die Einsicht, dass die Eigenart des theatralen Wissens nur „ in Abgrenzung von logischen, sprach- und schriftbasierten Erkenntnisformen ” (Primavesi, S. 425) erfasst werden kann. Theatrales Wissen unterscheidet sich - so lauten die Befunde - merklich von anderen Wissensformen, die unser Leben bestimmen. Dies gilt nicht allein für das wissenschaftliche Wissen, das auf der Basis methodisch kontrollierter Forschungen kausale Erklärungen liefert, sondern auch für das (sei es implizite, sei es explizite) praktische Wissen, das den Vollzug sozialer Handlungen ermöglicht, der einerseits auf Routinen oder Gewohnheiten, andererseits auf handlungsorientierenden (moralischen oder rechtlichen) Normen beruht. Theatrales Wissen artikuliert sich nicht in Argumenten und theoretischen Sätzen; es nimmt vielmehr „ ein erweitertes Verständnis von Denken ” (Otto, S. 381) in Anspruch. Jede „ auf der Bühne ausgesprochene Wahrheit [ist] mit der Möglichkeit aufgeladen [. . .], sich im nächsten Augenblick zu dementieren ” (Lehmann, S. 38). Zahlreiche minutiöse Aufführungsanalysen, die der Band enthält, zeigen anhand konkreter Theaterereignisse, wie diese Operation des Hervorbringens und Dementierens abläuft, und testen zugleich diverse sprachliche Mittel, mit deren Hilfe sich „ die Problematik der In-Szene-Setzung von Wissen ” (Zimmermann, S. 55) verdeutlichen lässt. So virtuos etliche solcher mikroskopisch angelegten Studien - u. a. zum „ verkörperten Wissen ” (S. 427) des Tanzes - ausfallen, so gespreizt wirken manche konzeptuellen Anläufe zur Ermittlung des geeigneten analytischen Rahmens für die Selbstreflexion des theaterwissenschaftlichen Wissens. Auch hier stehen zunächst Theorie-Importe auf dem Programm. Die Initiatoren des Kongresses schlagen vor, die Sonder- Episteme des Fachs anhand der Arbeiten von Kubler und Rheinberger zu (re-)konstruieren (S. 15), um auf diese Weise der Theaterwissenschaft ein neues intra- und interdisziplinäres Profil zu geben. Rheinberger erhält sogar die Chance, im Starttext des Bandes (S. 17 - 27) sein Konzept der „ epistemischen Dinge ” vorzustellen und die Theaterwissenschaft zwanglos dazu aufzufordern ihr Forschungsobjekt ebenfalls als ein derartiges Gebilde zu verstehen. Allerdings haben die Kongressteilnehmer_innen den Vorschlag nicht aufgegriffen. Rheinbergers Name taucht - ganz beiläufig - nur noch zweimal im Band auf (S. 193, 354). Die Präsentation seiner Ideen verwandelt sich damit in ein Ereignis, das - einer Theateraufführung nicht unähnlich - aufscheint und wieder verschwindet, kaum sichtbare Spuren hinterlässt und ansonsten in der Latenz seine verborgenen Wirkungen entfaltet. Die „ Kongressfrage nach möglichen zukünftigen, die gesellschaftliche Relevanz des Fachs [. . .] gewährleistenden Epistemen ” (S. 539) wird mit dem Rekurs auf Begriffe beantwortet, die Foucault vor vierzig Jahren in die Debatte geworfen hat. Eine entscheidende Rolle spielt der Terminus „ Dispositiv ” , der in mehreren Beiträgen (unter Abgrenzung vom Ausdruck „ Episteme ” ) definiert, operationalisiert und im Hinblick auf seine Leistungen für die Theaterwissenschaft geprüft wird (S. 151 ff., S. 163 ff., S. 193 ff., S. 551 ff.). Obschon die meisten Autoren_innen offenbar vom heuristischen Wert des Begriffs überzeugt sind, ist der Ertrag seines Einsatzes gering. Ist er wirklich nötig, um den „ volatile[n] Charakter ” derjenigen „ Elemente ” , die im Theater Verwendung finden, „ nicht mehr als Nachteil ” 118 Rezensionen (S. 166) wahrzunehmen? Lassen sich die Fragen, ob ein Theater ohne menschliche Akteure auf der Bühne zeitgemäß und erhellend ist (S. 193 ff.), oder ob „ Aufführungen auch ohne Kopräsenz von Akteuren und Zuschauern stattfinden können ” (S. 159) ‘ dispositiv-theoretisch ’ plausibler beantworten als zum Beispiel mit den phänomenologischen Methoden, die Badiou in seiner pfiffigen Rhapsodie für das Theater verwendet? Und könnte Siegmund beim instruktiven Versuch, das westdeutsche Theater der 1960er Jahre Revue passieren zu lassen (S. 171 ff.), nicht einfach von „ Auffassung ” sprechen, ohne auch nur eine einzige seiner Aussagen revidieren zu müssen? Etzold zum Beispiel kommt in seinem brillanten Text über Hölderlin völlig ohne den Dispositiv-Begriff aus, obschon es ihm um „ Zeiten epistemologischer Krise[n] ” geht, die zugleich „ Blütezeiten des Theaters waren ” (S. 219). Bei ihm liefert Kants Transzendentalphilosophie, welche die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis zu klären suchte, die Analysefolie und nicht eine vage Vorstellung von jenem „ heterogenen Ensemble ” , das Foucault als „ Dispositiv ” bezeichnet. Es ist zu bedauern, dass der Band keinen Text enthält, der die Ansätze von Foucault, Rheinberger und Kubler unter dem Gesichtspunkt ihrer Tauglichkeit für die Theaterwissenschaft genauer untersucht. Man kann sich über dieses Defizit aber leicht hinwegtrösten. Der Band enthält eine Reihe anregender, wenn nicht gar provokativer Beiträge, deren Lektüre sich auch für diejenigen lohnt, die nicht zwischen Rheinberger und Foucault wählen möchten. Zu nennen ist hier Dreyers Artikel über „ Liveness ” (S. 77 ff.), der ohne Scheu ältere Debatten revitalisiert, sodann Tataris Dekonstruktion der weithin akzeptierten Unterscheidung zwischen prä-dramatischem und dramatischem Theater (S. 110 f.), ferner Müller- Schölls Bemerkungen über die „ Entdeckung des Singulären ” als Ursache einer tief greifenden Krise, die in der Philosophie, ja sogar in der „ Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft ” registriert wurde, in der Theaterwissenschaft jedoch bislang nicht die gebührende Beachtung fand (S. 139 ff.). Entscheidend ist die Behauptung, dass das Singuläre eben nicht etwas ist, „ was mit den Begriffen des Spiels, der Performance, der Inszenierung oder des Handelns zu begreifen wäre ” (S. 143). Die vielleicht wichtigste und folgenreichste Überlegung des ganzen Bandes findet sich allerdings bereits im Vorwort des Herausgeber- Teams. Hier wird die künstlerische Kreativität von dem heute in fast allen gesellschaftlichen Bereichen eingeforderten Innovationspotential abgesetzt. Während dieser Typus der Kreativität sich im Modus des Herstellens (bis zum burnout) erschöpft, fängt die Kunst, die am Puls der Jetzt- Zeit ist, „ Kräfte ” ein und entbindet „ Affekte ” , die nach ästhetischer Gestaltung verlangen. Damit verknüpft ist eine Neujustierung der Vorstellung von theatraler Kritik: „ Künstler_innen stehen [zur Gesellschaft] nicht im Verhältnis einer Aufgabe, Funktion, eines Zwecks oder Nutzens ” . Folglich kann ihnen auch „ nicht die Aufgabe der Kritik, der Kapitalismus- oder Wahrnehmungskritik angetragen werden ” (S. 14). Das sehen mehrere Autor_innen des Bandes anders. Sie wollen von den gesellschaftskritischen Intentionen des Theaters nicht ablassen und beziehen sich dabei zum Beispiel auf Ariane Mnouchkine, die dem Theater „ eine soziale Funktion ” zuweist (S. 535). Die Kontroverse wurde vor Ort leider nicht ausgetragen. Was theatrale Kritik unter den Bedingungen der Gegenwart heißen kann, hat auch der Tagungsband nicht geklärt, aber er hat die Frage immerhin aufgeworfen und hinreichend ‚ dramatisiert ’ . Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass der folgende GTW-Kongress (Frankfurt 2016) das Verhältnis von Theater und Kritik zum Thema hatte und dass der Philosoph und Theatertheoretiker Christoph Menke mit einer Keynote betraut wurde. Menke hielt in seiner Rede unbeirrt am Spielbegriff fest, weil im Spiel eine Kraft wirkt, die zugleich etwas hervorbringt, auflöst und verwandelt - die Akteure mithin dem „ Selbstwiderspruch ” ihres Tuns ausliefert. Aus dieser Bestimmung leitete er dann die folgende These ab: „ Die Kritik, die das Theater leistet, erfolgt - nicht im Namen der Gleichheit oder Freiheit oder Solidarität, [. . .] sondern - allein im Namen des Theaters: im Namen der Paradoxie des Handelns, die es entfaltet ” . Im Rückblick darf man feststellen, dass der Band Episteme des Theaters eine Wende des Fachs 119 Rezensionen wenn nicht vollzogen, so doch eingeleitet hat, und man kann davon ausgehen, dass die baldige Publikation des Folgebandes Theater als Kritik die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges bestätigen wird. Köln L UTZ E LLRICH Clemens Risi: Oper in performance - Analysen zur Aufführungsdimension von Operninszenierungen (Reihe Recherchen 133). Berlin: Theater der Zeit 2017, 230 Seiten. Trotz ihrer 400-jährigen Geschichte und der prägenden Bedeutung für das europäische Kulturleben, nimmt die Aufführungsdimension der Oper in der wissenschaftlichen Besprechung bis heute eine nachgeordnete Rolle ein. Bis heute laufen musikhistorischer Diskurs und theaterwissenschaftliche Ansätze seltsam parallel. Auf dieses Desiderat reagiert Risi mit seiner Studie, die klar dem Paradigma des Performativen - wie es von Berlin aus für die Theaterwissenschaft der vergangenen Jahrzehnte formuliert wurde - verpflichtet ist. Mit Oper in performance entwickelt Risi Begriffe und Blickwinkel für ein generelles Vorgehen der Opernanalyse, konkretisiert diese anhand umfangreicher Beispiele und unter Kenntlichmachung seiner eigenen Rezeptionserfahrung. Das Buch gliedert sich in die drei Abschnitte Einleitung - theoretische Grundlagen - Aspekte der Analyse. Ein abschließendes Resümee führt die aufgespannten Fäden zusammen. Vornehmlich widmet sich Risi Inszenierungen des Regie- Theaters und legt einen besonderen Fokus auf die Bekanntheit der Werke, und die daran geknüpften Erwartungshaltungen, die in jedem Zuschauer, jeder Zuschauerin stets einen Abgleich mit einem Vorbild hervorruft, indem sich die Abweichung von der Rezeptionserwartung als Genuss oder Missfallen äußert. Anders als die Opernforschung, die häufig aus musikwissenschaftlicher Perspektive nach der Kompositionsgeschichte fragt, schlägt Risi eine neue Balance des Verhältnisses von Text (Libretto und Notentext) und Aufführung vor, wenn er die Partitur als „ Material zur Hervorbringung einer Aufführung “ beschreibt (S. 41). In der Einleitung verortet Risi zunächst die Oper innerhalb der Paradigmen ephemerer theatraler Ereignisse. Er zeigt auf, wie neben den hoch planbaren Parametern, die in der Oper durch die Musik und die Kanonizität der Werke so dominant erscheint, emergente Elemente wirken: Stimm- und Körperlichkeit der Sängerdarstellerinnen und -darsteller sowie das Publikum, das mit seinen je spezifischen Stimmungen und Erwartungen einer Aufführung beiwohnt, sind der Tagesform unterworfen, mehr noch als Sprache, bannt Gesang die Rezipierenden in seinen (Atem-)rhythmus. Stets ist Musiktheater ein Phänomen, in dem die Präsenz der Teilnehmenden die Repräsentation durchdringt. Das zweite Kapitel widmet sich den theoretischen Grundlagen, definiert Begrifflichkeiten von Kunstwerk über Aufführungstradition zu Werktreue und Mythos. Davon ausgehend lotet Risi das Verhältnis von Vorlage und Ausführung aus. Er nimmt in den Blick, welche Rolle die Wiederholung von Werken, Stoffen und Aufführungen einnehmen und leitet aus dem Präsentischen der Oper - das Angewiesensein auf die Gegenwart so vieler Beteiligter - die Notwendigkeit einer Aktualisierung von Oper ab. Risi hat dabei keineswegs die Transformation der Visualität in eine wie auch immer geartete Gegenwart im Sinne, vielmehr fordert er das Kollektive der Opernerfahrung in der Analyse ernst zu nehmen. So entzieht sich im Blick auf semantische Strukturen und im Fokus auf die Differenzen zwischen Erwartung und Gegenwart, gerade die leibliche Ko-Präsenz und der Reiz der sich aus der fragilen Beschaffenheit der menschlichen Stimme schöpft. In einem weiteren Schritt widmet sich Risi der Verschränkung der Sinne in der Opernrezeption und der damit einhergehenden Schulung von Wahrnehmungsmodi. Im dritten Teil - Aspekte der Analyse - schlägt Risi Blickwinkel der Aufführungsanalyse vor. Zunächst entfaltet er Beschreibungsmöglichkeiten für das Zusammenwirken von auditiven und visuellen Parametern, von szenischer Bewegung und musikalischen Strukturen und der Legitimierung und Konkurrenz, die sich Szene und 120 Rezensionen