Fachtagung für Prüfstandsbau und Prüfstandsbetrieb (TestRig)
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expert Verlag Tübingen
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Prüftechnik richtig angewandt
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Alexander Hobt
Prüftechnik für Komponentenversuche muss gewissen Anforderungen in deren Anwendung gerecht werden. Neben den grundlegenden Faktoren wie Genauigkeit und Dauerhaftigkeit, sind auch Faktoren wie Flexibilität und Erweiterbarkeit zu betrachten.
Das Ziel jedoch sind genaue, reproduzierbare Versuchsergebnisse, die Rückschlüsse auf das reale Betriebsverhalten erlauben. Dies bedeutet, dass mit der geeigneten Prüftechnik die Bauteil- und Materialantwort ermittelt werden muss. Sind mehrachsige Spannungs- und Verformungszustände im Bauteil vorhanden, ist davon das Materialverhalten beeinflusst. Bislang bestehende Festigkeitshypothesen sind im statischen Fall hinreichend verifiziert und präzise in der Vorhersage des Versagensprozesses. Bei teilweise komplexer Ermüdungsbeanspruchung können bestehende Konzepte nur in bestimmten Fällen eine zuverlässige Aussage machen. Meist sind in diesen Fällen die Materialmodelle anhand zahlreicher Versuche an betriebsnahen oder realen Versuchskörpern angepasst und validiert. Auch die Übertragbarkeit auf andere Lastfälle und Konstruktionen basiert auf Erfahrungswerten oder passenden Versuchsdaten.
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1. Fachtagung TestRig - Juni 2022 83 Prüftechnik richtig angewandt Alexander Hobt Form+Test Seidner & Co. GmbH, Riedlingen, Deutschland Zusammenfassung Prüftechnik für Komponentenversuche muss gewissen Anforderungen in deren Anwendung gerecht werden. Neben den grundlegenden Faktoren wie Genauigkeit und Dauerhaftigkeit, sind auch Faktoren wie Flexibilität und Erweiterbarkeit zu betrachten. Das Ziel jedoch sind genaue, reproduzierbare Versuchsergebnisse, die Rückschlüsse auf das reale Betriebsverhalten erlauben. Dies bedeutet, dass mit der geeigneten Prüftechnik die Bauteil- und Materialantwort ermittelt werden muss. Sind mehrachsige Spannungs- und Verformungszustände im Bauteil vorhanden, ist davon das Materialverhalten beeinflusst. Bislang bestehende Festigkeitshypothesen sind im statischen Fall hinreichend verifiziert und präzise in der Vorhersage des Versagensprozesses. Bei teilweise komplexer Ermüdungsbeanspruchung können bestehende Konzepte nur in bestimmten Fällen eine zuverlässige Aussage machen. Meist sind in diesen Fällen die Materialmodelle anhand zahlreicher Versuche an betriebsnahen oder realen Versuchskörpern angepasst und validiert. Auch die Übertragbarkeit auf andere Lastfälle und Konstruktionen basiert auf Erfahrungswerten oder passenden Versuchsdaten. 1. Einleitung Für einen sicheren Betrieb muss das Bauteilverhalten bekannt sein, um bei den auftretenden Lasten einen Integritätsnachweis zu führen. Daneben kann zusätzlich das Verformungsverhalten der Bauteile von entscheidender Beudeutung sein um vorgegebene Funktionalitäten zu gewährleisten. Allen notwendigen Unterschuchungen gemein ist die Notwendigkeit, die Ergebnisse vor dem Einsatz präzise vorauszusagen. Hierfür sind geeignete Konzepte und Beschreibungs-modelle zu entwickeln. Ein wichtiger Aspekt stellt in diesem Zusammenhang die korrekte Validierung der Modelle und vor allem die Definition der Anwendungsgrenzen dar. Im vorliegenden Beitrag soll dabei ein kurzer Überblick über die Herausforderungen der Integritätsbewertung gegeben, sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Prüftechnik diskutiert werden. 2. Bauteilbewertung Ein wichtiges Ergebnis der Integritätsanalyse von Bauteilen ist der Sicherheitsfaktor. Dabei stellt der Sicherheitsfaktor die Differenz zwischen ertragbarer Last und aufgebrachter Last dar, siehe Abbildung 1. Die real vorhandene Sicherheit kann durch vorhandene Unsicherheiten bspw. in der Lastannahme oder auch im Werkstoffzustand vermindert sein. Die Berechnung des Sicherheitsfaktors kann spannungsbasiert erfolgen, über eine Vergleichs-spannung sV und einem Werkstoffkennwert K, siehe Gl. 1. Abbildung 1 Defintion des Sicherheitsbeiwertes, [1]. Die Vergleichsspannung ist durch verschiedene Konzepte definiert. Diese unerscheiden sich in den notwendigen Eingaben als auch in den Randbedingungen. Grundsätzlich muss zwischen globalen Nenn-spannungskonzepten und lokalen Konzepten differenziert werden. Diese Aufteilung gilt für statische als auch für zyklisch beanspruchte Bauteile. Eine schematische Klassifizierung ist beispielhaft in Abbildung 2 gegeben. Der rechn. Bewertung gegenübergestellt ist der Festigkeitsnachweis mittels Experiment am realen Bauteil. Das Experiment stellt, wenn es geeignet definiert ist, immer eine Möglichkeit der Validierung der Bewertungskonzepte dar. Im Folgenden soll vor allem das örtliche Konzept sowie die 84 1. Fachtagung TestRig - Juni 2022 Prüftechnik richtig angewandt notwendigen Voraussetzungen für dessen Anwendwendbarkeit dargestellt werden. Abbildung 2 Schema Bewertungskonzepte, [2]. 2.1 Festigkeitshypothesen Wie oben beschrieben wird für die Charakterisierung der vorherrschenden Beanspruchung eine Vergleichsgröße benötigt. Die Berechnung dieser Größe kann mit geeigneten Formelwerken, den Festigkeitshypothesen, bewerkstelligt werden. Beispielsweise nach Tresca, [2], für duktile Werkstoffe unter statischer Beanspruchung nach Gl. 2. Die Wahl der entsprechenden Hypothese ergibt sich durch die Betrachtung des Versagensmechanismus und damit letztendlich des Werkstoffverhaltens. Diese Ansätze sind bekannt und gelten als validiert. Die Anwendung liefert den Sicherheitsfaktor bzw. den Festigkeitsnachweis für den jeweiligen Lastfall. Wie in Gl. 2 dargestellt, können die Extrema der Spannungswerte, die sogenannten Hauptspannungen des Spannungszustandes herangezogen werden. Der Vorteil in der Beschreibung in Hauptspannungen liegt in deren Invarianz an einem gegebenen Beobachtungspunkt. Deren Lage und Richtung kann durch den sogenannten Hauptachsenwinkel ψ bestimmt werden, siehe beispielhaft in Gl. 3. Dieser Zusammenhang beschreibt eine geometrische Funktion, abgeleitet aus dem Mohr’schen Spannungs-kreis, [1], [3]. Der Mohr’sche Spannungskreis beschreibt alle möglichen Spannungswerte für Normal- und Schubspannung eines Spannungstensors in einer festgelegten Schnittebene in allen möglichen Schnittrichtungen, siehe Abbildung 3. Die Kenntnis der Extremwerte von Normal- und Schubspannungen im Bauteil sowie deren Richtung ermöglicht, unter Berücksichtigung des Material-verhaltens, den Integritätsnachweis sowie eine Optimierung des Bauteildesigns, bspw. durch Vermeidung von konstruktiv bedingten Schwachstellen in hochbeanspruchten Schnittrichtungen. Abbildung 3 Definition Hauptachsenwinkel anhand des Mohr‘schen Spannungskreises, [1]. 2.2 Ermüdungsbeanspruchung Treten an einem Bauteil zyklische Lasten auf, so müssen diese mit geeigneten Methoden ebenfalls bewertet werden um einen dauerhaften Betrieb zu gewährleisten. Grundlage für die Bewertung sind zyklische Werkstoffkennwerte wie Zeitfestigkeit und Dauerfestgikeit, die aus dem Wöhlerdiagramm, siehe Abbildung 4, entnommen werden können. Abbildung 4 Wöhlerdiagramm, schematisch [1]. Die Werkstoffkennwerte aus dem Wöhlerdiagramm wurden jeweils mit konstanten Belastungswerten bis zum Versuchsende unter Laborbedingungen und einachsigem Spannungszustand ermittelt, meist als reiner Sinus um die Nulllage. Interessiert die Abhängigkeit der Dauerfestigkeit von der Mittelspannung, kann dies im Haigh-Diagramm aufgetragen werden, schematisch dargestellt in Abbildung 5. 1. Fachtagung TestRig - Juni 2022 85 Prüftechnik richtig angewandt Abbildung 5 Haigh Diagram, schematisch, [1]. 2.2.1 Gekerbte Bauteile und lokale Beanspruchungen Die Übertragung von Werkstoffdaten aus einachsigen Laborversuchen auf das Bauteilverhalten kann ggf. nicht ohne weitere Untersuchungen erfolgen. In Abbildung 6 sind vergleichend Versuchsergebnisse an zyklisch belasteten, gekerbten Rundproben dargestellt, [1]. Trotz der enormen Steigerung der statischen Festigkeitskennwerte, ergibt sich keine Steigerung der Dauerfestigkeit. Diese Zusammenhänge können durch fortschrittliche Berechnungskonzepte dargestellt werden, zuverlässig jedoch nur durch experimentelle Untersuchungen an Bauteilen und bauteilähnlichen Proben. Abbildung 6 Ermüdungsversuche an gekerbten Proben unterschiedlicher Festigkeit, [1] 2.2.2 Komplexe, mehrachsige Beanspruchungen Die Defintion einer geeigneten Vergleichsspannung stellt sich jedoch deutlich schwieriger dar. Neben den einzelnen Spannungskomponenten sind Parameter des zeitlichen Verlaufs (bspw. Mittelspannung, Phasenlage) sowie des Bauteils (bspw. Geometrie, Beschaffenheit) zu berücksichtigen. Eine grundsätzliche Einteilung nach Kriterien der Lastspannungsverläufe ist in Abbildung 7 gegeben. Abbildung 7 Mehrachsige Belastungsfälle, aus [4] Aus der Definition des Hauptachsenwinkels nach Gl. 3, kann überprüft werden ob eine Abhängigkeit von der Zeit vorliegt, Gl. 4. Trifft dies zu, so liegt ein nicht-körperfestes Hauptachsensystem (HAS) vor. Dies bedeuted, dass die Lage der Ebene und damit die Richtung, der maximalen Beanspruchung sich über einen Belastungszyklus ändert. Gerade für solch komplexe Beanspruchungszustände müssen geeignete Bewertungskonzepte und auch Festigkeitshypothesen definiert werden, um eine sichere Bauteilbewertung zu ermöglichen. In lokalen Konzepten wurden unterschiedliche Hypothesen aufgestellt, auf die hier nur punktuell eingegangen werden soll. Eine kurze Vorstellung beispielhafter Normen und Richtlinien erfolgt getrennt. Allen Hypothesen gemein ist, dass sie jeweils an wenigen Werkstoffen und begrenzten mehrachsigen Spannungszuständen auf Universalprüfmaschinen validiert wurden. Ein technisch wichtiger Fall ist die Überlagerung von Biegespannung und Torsionsspannung, bspw. in der Antriebsachse eines Fahrzeugs. Bereits der einfache Fall konstanten Drehmoments und damit konstanter Torsionsspannung sowie rein wechselnder Normal-spannung bei umlaufender Welle sorgt für ein nicht-körperfestes HAS. In [5] wurden unterschiedliche Lastfälle mit verschiedenen Kombinationen zeitlicher Verläufe von Torsions- und Normalspannung betrachtet. Nachrechnungen des Autors für diese Lastfälle und simpler Anwendung statischer Festigkeits-hypthesen zeigten Abweichungen von bis zu 70% sowohl auf die sichere, als auch zur unsicheren Seite hin. Bei den konservativen Ergebnissen wäre zwar ein sicherer Betrieb gewährleistet, es würde aber zu unnötigen Kosten- und Gewichtssteigerungen führen was ggf. nicht toleriert werden kann. Der wichtige Fall von mehrachsig beanspruchten Wellen (kombinierte Längs- und Schubspannungs-beanspruchung) mit nicht-körperfestem HAS wurde bspw. durch Carl von Bach beschrieben und in seiner erweiterten Festigkeitshypothese durch das Anstrengungsverhältnis ermittelt, [1], [6]. Es trug zu einer deutlichen Verbesserung der Festigkeits-berechnung bei, beispielhaft für eine über- 86 1. Fachtagung TestRig - Juni 2022 Prüftechnik richtig angewandt lagerte Beanspruchung aus Axialkraft (statisch) und Torsions-moment (wechselnd) in Abbildung 8 dargestellt. Abbildung 8 Bewertung nach Bach, [1]. Die Arbeiten von Bach beruhten auf reinen experimentellen Untersuchungen. Das Konzept ist somit nur für bestimmte Fälle abgesichert, [1], [6]. Für weitere, komplexe Beanspruchungen mit nichtkörperfestem HAS müssen andere Ansätze gefunden werden. Wie im Haigh-Diagramm dargestellt kann eine ertragbare Spannungsamplitude in Abhängigkeit der Mittelspannung bestimmt werden. Die Schwierigkeit bei komplexen Beanspruchungen mit phasen-verschobenen Belastungskomponenten liegt in der Findung von Vergleichsmittelspannung und Vergleichs-amplitude. Eine Möglichkeit besteht in der Berechnung der Bahnkurven von Schubspannung und Normalspannung in Abhängigkeit der Raumwinkel, siehe Abbildung 9. Hierdurch können die Extrema und somit die höchstbeanspruchte Ebene gefunden werden. Diese Methode wird auch Methode der kritischen Schnittebene (MKS) genannt, [1], [5]. Abbildung 9 Mehtode der kritischen Schnittebene, [1], [5]. Eine integrale Formulierung wurde mit Schubspannungsintensitätshypothese (SIH) geleistet, [4] [7], siehe Gl. 5. Natürlich gibt es für die Beschreibung des Ermüdungsverhaltens auch dehnungsbasierte, oder energiebasierte Konzepte, die für sich gesehen ebenfalls eine entsprechende Berechtigung haben. Auf diese kann im Rahmen dieses Beitrags nicht weiter eingegangen werden. Die hier diskutierten Vorbetrachtungen gelten aber auch grundsätzlich für diese. Auch wurden unterschiedliche Regelwerke erstellt, die einen Nachweis vermeintlich vereinfachen und standardisieren sollten. Auf einzele Regelwerks-beispiele soll im Rahmen dieses Beitrages noch getrennt eingegangen werden. 2.3 Einflussfaktoren Neben den diskutierten spannungsmechanischen Vorraussetzungen auf die Ermüdungsfestigkeit ergeben sich auch mechanisch-technologische Einflussfaktoren. Als wichtigste Größen seien hier allseits bekannte Einflüsse von Oberflächengüte, Eigenspannungen aber auch der oft vernachlässigte Einfluss der Bauteilgröße genannt. Neben diesen gibt es sicherlich noch weitere Faktoren, die im Einzelfall zu betrachten sind, besonders wenn zu erwarten ist, dass sie die Ermüdungsfestigkeit merklich reduzieren. Allen Faktoren gemein ist, dass es unmöglich ist, deren Einfluss ohne experimentelle Untersuchungen genau zu quantifizieren. 2.4 Behandlung in Regelwerken Für die Auslegung sicherheitsrelevanter Komponenten werden oft technische Regelwerke angewandt. Teilweise ist dies durch den Gesetzgeber explizit vor-geschrieben. Die dort beschriebenen Konzepte scheinen abgesichert, für Grundwerkstoffe als auch Schweissnähte, und bieten oft eine einfache Beschreibungsmöglichkeit. Die Schwierigkeit liegt meist in den wenig bekannten Grundlagen, die zur Defintion dieser Konzepte geführt haben, und in der Bewertung des Anwenders in seinem konkreten Lastfall. Die Regelwerke bieten teilweise die Beschreibung über Nenn- und Strukturspannungskonzepte wie in [9], ohne die Berücksichtigung von Mehrachsigkeitseffekten. Andere Regelwerke wie [10]1 oder [11] geben auch Konzepte für örtliche Spannungswerte an. In [10] wird jedoch explizit auf die Schwierigkeit von nicht-körperfesten HAS verwiesen und für diesen Fall eine sehr grobe Näherung für die Vergleichsspannung herangezogen. Es werden hier maximale Schwingbreiten (unabhängig von Zeitpunkt und teilweise auch Richtung) gebildet. Diese sollte eine sehr konservative Bewertung erlauben und damit ggf. Bauteilgewichte unnötig erhöhen. In [11] werden Vergleichsspannungen als Schwingbreiten mit Bezug zu einem selbstgewählten Referenzzeitpunkt, siehe beispielhaft Abbildung 10, gebildet und mit einer im Regelwerk genannten Lebensdauerkurve bewertet. 1 Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Berichterstellung lag die neue, überarbeitete Version der FKM dem Autor nicht vor. 1. Fachtagung TestRig - Juni 2022 87 Prüftechnik richtig angewandt Abbildung 10 Vergleichsspannung nach [11] aus [1] Zieht man die vorangegange kurze Zusammenfassung von unterschiedlichen Bewertungskonzepten für mehrachsige Beanspruchung in Betracht, so muss daraus geschlossen werden, dass viele Lastfälle durch die Regelwerke eine experimentelle Validierung bedürfen. 3. Anforderungen an Prüftechnik Eine generelle Anforderung an die Prüftechnik besteht in der Validierung des Bewertungskonzeptes und damit schlussendlich einer Verringerung des notwendigen Sicherheitsfaktors aber eine Erhöhung der Betriebssicherheit. Für den richtigen Aufbau mehraxialer Prüftechnik, schematisch in Abbildung 11 gezeigt, müssen alle notwendigen Randbedingungen klar definiert werden. Abbildung 11 Prüfportal, bi-axiale Belasung, schematisch Dies trifft besonders zu, wenn die realen Last-bedingungen durch Bauteilgröße und Kosten sowie der Lasterzeugung nicht 1: 1 aufgebaut werden können. Der Prüfstand muss gerade dann in der Lage sein, die Bauteilbeanspruchung so nachzubilden, dass eine Validierung des Bauteilverhaltens möglich ist. 3.1 Anforderungen an die Genauigkeiten Bei Prüfmaschinen und Prüfständen mit großen Lasten besteht der Wunsch, diese möglichst flexibel auch bei Prüfungen mit kleineren Lasten einzusetzen. Dabei müssen jedoch die Anforderungen an die Mess-genauigkeit und Regelgüte betrachtet werden. Da Kraftaufnehmer in einer bestimmten Genauigkeitsklasse nur bis zu einer festgelegten minimalen Prüfkraft kalibriert sind, muss ggf. ein weiterer Kraftaufnehmer mit kleinerem Messbereich eingesetzt werden. Um eine Überlastung dieses Aufnehmers zu vermeiden, muss jedoch der Prüfstandsregler den eingesetzten Kraft-aufnehmer erkennen und einen entsprechenden Grenzwert einstellen. Eine Möglichkeit besteht über sogenannte Transducer Electronic Data Sheet (TEDS)-Sensorstecker. Hier werden die benötigten Sensordaten auf dem Stecker gespeichert und über ein einheitliches Protokoll an den Regler übertragen. Wichtig ist, dass kleine Messgrößenänderungen nicht nur bei kleinen Absosultwerten (bspw. kleine Amplitude bei großer Mittellast) auftreten. Da die Messwertverarbeitung meist digital erfolgt muss die Regelelektronik ausreichende Datentiefe besitzen, um die zu berechnenden Spannungen und Dehnungen ausreichend genau aufzulösen. Nicht zuletzt muss der Regler in der Lage sein, die Regelstrecke präzise zu steuern. Gerade bei hydraulischen Prüfständen für hohe Dynamik wird ein hoher Ölfluss benötigt. Da das Steuersignal des Servoventils begrenzt ist, sollten für eine feine Ausregelung des Sollwerts mehrere Servoventile ggf. mit unterschiedlicher Größe eingesetzt werden. 3.2 Anforderungen an die Kinematik Im Aufbau des Prüfstandes muss gewährleistet werden, dass gerade bei mehraxialer Belastung die einzelnen Lasteinleitungselemente keinen gegenseitigen Zwang aufbringen. Werden kinematische Zwangsbedingungen nicht richtig aufgelöst, wird der Spannungszustand geändert und kann zudem zu erhöhtem Verschleiss der Versuchstechnik führen. Dazu muss vorab der Kraftfluss geprüft werden und ggf. Ausgleichselemente, wie Kugelgelenke oder Gelenklager verwendet werden. Wichtig ist auch zu beachten, wie die Reaktion bei Vorzeichenwechsel der Kräfte ist. Sind die Elemente nicht verspannt, kann es zu Sprüngen kommen, die das Messergebnis und die Reglerperformance beeinflussen können. 3.3 Anforderungen an die Messtechnik Die Messtechnik muss nicht nur den bereits beschriebenen Anforderungen der Genauigkeit genügen. Ein wichtiger Aspekt ist die Nicht-Beeinflussung von Messergebnissen. In den meisten Fällen wird an Proben und Bauteilen die Verformung gemessen, da Spannungen im Bauteil nur über die Dehnung und den dann angenommenen Spannungs-Dehnungszusammenhang ermittelt werden können. Auch ist Dehnungsmessung für dehnungsbasierte Ermüdungsansätze essentiell. 88 1. Fachtagung TestRig - Juni 2022 Prüftechnik richtig angewandt Abbildung 12 Messtastereindruck, Beispiel entnommen aus [11]. In Abbildung 12 ist eine Ermüdungsprobe aus einem weichen Probenmaterial beispielhaft dargestellt. Die Versuchsprobe wurde mit einer überelastischen Dehnung beansprucht. Für die Messung und Regelung der Dehnung wurde ein kontaktierendes Extensometer eingesetzt. Trotz minimalster Anpresskräfte entstand bei fortgeschrittener Lastwechselzahl ein Eindruck der Messtasterspitze und folglich auch ein Anriss. Mit geeigneter berührungsloser Messtechnik, bspw. einem Videoextensometer, kann diese Art der Beeinflussung vermieden und eine korrekte Lebensdauerkurve ermittelt werden. 3.4 Anforderungen an die Datenstruktur Da Prüftechnik und Versuchsdurchführung mit entsprechenden Kosten verbunden ist, wird nach Möglichkeiten der Effizienzsteigerung gesucht. Dies bedeuted nicht nur die Raffung von Versuchszeiten, sondern auch die Reduktion an Versuchspunkten. Dies kann durch intelligente Nutzung der Versuchsdaten und auch der für den Versuch vorliegenden Metadaten im Rahmen von Simulationsmodellen oder statistischen Auswertungen erfolgen. Dies ist gegenwärtig zentraler Aspekt von laufenden Forschungsprogrammen rund um die Digitalisierung von Prüfumgebungen in der Materialprüfung, wie bspw. in [13] kürzlich vorgestellt. 3.5 Anwendungsbeispiele Für einen flexiblen Aufbau des Versuchsstandes bieten sich als Grundplatte T-Nutenplatten an, auf denen Lastrahmenelemente verschraubt werden. Die einzelnen Querträger und Aktuator-Aufnahmen können in diesem Rahmen frei verschoben werden. Es kann damit der Rahmen um jedes Bauteil errichtet werden, um jeden gewünschten Spannungszustand abzubilden und vor allem auf Modifikationen der Bauteile zu regaieren, siehe beispielhaft Abbildung 13. Abbildung 13 Flexibler Lastrahmenaufbau, FORM+ TEST 2016 Abbildung 14 zeigt schematisch einen Prüfstand mit 5 Regelachsen für Kraft und Torsionsmoment. Entwickelt wurde er für die Prüfung von Fahrwerkskomponenten. Durch den modularen Aufbau und die stufenlosen Verstellmöglichkeiten können Prüflinge unter-schiedlicher Baureihen gezielt untersucht werden. Die speziellen Bauteilaufnahmen garantieren einen genau definierten Lagerzustand. Abbildung 14 Mehrachsprüfstand, FORM+TEST 2017 Für richtige Bewertung von Querkräften auf einem Biaxialen Prüfstand können entweder Kraftmessglieder in den einzelnen Richtungen verwendet werden. Da diese aber mit der jeweils senkrechten Last beaufschlagt werden, kann bspw. eine Druckmessung in den hydro- 1. Fachtagung TestRig - Juni 2022 89 Prüftechnik richtig angewandt statischen Lagerungen im Aktuator dazu dienen, die Querkräfte nach Höhe und Richtung zu bestimmen. Ein entsprechendes Schema ist in Abbildung 15 gezeigt. Abbildung 15 Schema zur Bestimmung der Querkraft aus den Drücken im Hydrolager, FORM+TEST 2020 4. Zusammenfassung und Schlussfolgerung Experimentelle Prüfung von Proben und Bauteilen ist eine notwendige Validierung der Integritätsbetrachtung. Ziel ist eine möglichst exakte Abbildung des Be-anspruchungszustandes den die Komponente im realen Betrieb erfährt. Nur so kann die Betriebssicherheit garantiert werden. Die Effizienz der Prüftechnik hängt dabei von den Konfigurationsmöglichkeiten des mechanischen Aufbaus aber auch der Software- und Datenstruktur ab, insbesondere dann, wenn die Bauteile nicht direkt im Originalmaßstab geprüft werden können. Die möglichst flexiblen Aufbaumöglichkeiten der Mechanik als auch der Software gewährleisten eine lange Einsatzdauer des Prüfstandes, da viele unterschiedliche Bauteile und Lastzustände abgebildet werden können. Literatur [1] S. Weihe, „Festigkeislehre I,“ Vorlesungsmanuskript, IMWF Universität Stuttgart, 2020. [2] S. Issler, „Entwicklung eines Verfahrens zur Lebensdauervorhersage für Schaufel-Scheibe-Verbindungen bei Gasturbinen, Dissertation,“ Universität Stuttgart, 2001. [3] H. Tresca, „ Mémoire sur l’écoulement des corps solides soumis à de fortes pressions,“ Gauthier-Villars, Paris, 1864. [4] C. O. Mohr, „Über die Darstellung des Spannungszustandes und des Deformationszustandes eines Körperelementes und über die Anwendung derselben in der Festigkeitslehre,“ Der Civilingenieur. Organ des sächsischen Ingenieur- und Architekten- Vereins, Bd. 28, pp. 112-156, 1882. [5] T. Fesich, „Mehrachsigkeit,“ Disserstation - IMWF Universtität Stuttgart, 2012. [6] E. Roos und S. issler, „Bewertungsansätze bei komplexer mehrachsiger Schwingbeanspruchung und Vergleich mit experimentellen Untersuchungen,“ VGB Power Tech 6, pp. S. 78-87, 2002. [7] v. B. Carl, Die Maschinen Elemente. Ihre Berechnung und Konstruktion. Mit Rücksicht auf die neueren Versuche, Bde. %1 von %2Band 1, 11. Auflage, Leipzig: Krönder Verlag, 1913. [8] J. Liu und H. Zenner, „Berechnung der Dauerschwingfestigkeit bei mehrachsiger Beanspruchung,“ Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, pp. Nr. 7: S. 240-249; Nr.8: 296-303; Nr. 9: 339-347, 1993. [9] DIN, „EN 1992-1-19: Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten, Teil 1-9 Ermüdung,“ Normenausschuss Bauwesen, 2010. [10] FKM, Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinebauteile aus Stahl, Eisenguss- und Aluminiumwerkstoffen, Frankfurt/ Main, 2003. [11] ASME, Boiler & Pressure Vessel Code Section III, Rules for Construction of Nuclear Power Plant components, Division I, Sub-section NB & NH, New York: ASME, 2010. [12] W. Guth und A. Hobt, Vorlesung Festigkeitslehre II, HS Esslingen, Sommer-Semester 2020. [13] DVM, „Grundlagen und Beispiele zur Digitalisierung für die Materialforschung und -prüfung,“ in Online Workshop, Berlin, 20. und 21. Oktober 2020.