Fachtagung für Prüfstandsbau und Prüfstandsbetrieb (TestRig)
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expert Verlag Tübingen
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2024
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Entwicklung einer Temperaturwechselkammer für einen 100 kN Shaker
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2024
Olaf Nusche
Udo Hartwig
TechnoLab ist ein akkreditiertes Testlabor, das Produktqualifizierungen für alle Industriebereiche anbietet: nach dem Motto -vom Handy bis zum Raketentriebwerk-. Das Unternehmen hat seinen Ursprung in der Materialprüfanstalt (MPS) der Firma DeTeWe in Berlin-Kreuzberg und ist seit 28 Jahren als unabhängiges Technologielabor für Qualifizierungen und Schadensanalytik tätig. TechnoLab betreibt zwei Standorte mit insgesamt 2100 qm Räumlichkeiten. Es sind 31 Mitarbeiter beschäftigt, darunter zwei Auszubildende in den Bereichen Mechatronik und Automatisierungstechnik.
Um den ständig wachsenden Bedarf der Kunden nach außergewöhnlichen Prüfungen zu decken, hat sich das Unternehmen bereits seit 2001 nicht nur mit der Entwicklung von Testständen, sondern auch mit der kompletten Entwicklung von Prüfequipment beschäftigt, das bis 2015 auch verkauft wurde. Angesichts immer aufwändigerer Tests wurde die Produktion von Equipment 2016 eingestellt. Seitdem erfolgen Entwicklungen „nur“ noch für den Eigenbedarf, um bessere, einfachere und komplexere Prozesse zu ermöglichen, die mit gekauften Anlagen entweder zu teuer oder zu eingeschränkt wären.
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2. Fachtagung TestRig - September 2024 53 Entwicklung einer Temperaturwechselkammer für einen 100-kN Shaker Sonderlösung zur flexiblen Verwendung einer Kammereigenkonstruktion an ein Temperiergerät Olaf Nusche TechnoLab GmbH Udo Hartwig TechnoLab GmbH Zusammenfassung TechnoLab ist ein akkreditiertes Testlabor, das Produktqualifizierungen für alle Industriebereiche anbietet: nach dem Motto -vom Handy bis zum Raketentriebwerk-. Das Unternehmen hat seinen Ursprung in der Materialprüfanstalt (MPS) der Firma DeTeWe in Berlin-Kreuzberg und ist seit 28 Jahren als unabhängiges Technologielabor für Qualifizierungen und Schadensanalytik tätig. TechnoLab betreibt zwei Standorte mit insgesamt 2100 qm Räumlichkeiten. Es sind 31 Mitarbeiter beschäftigt, darunter zwei Auszubildende in den Bereichen Mechatronik und Automatisierungstechnik. Um den ständig wachsenden Bedarf der Kunden nach außergewöhnlichen Prüfungen zu decken, hat sich das Unternehmen bereits seit 2001 nicht nur mit der Entwicklung von Testständen, sondern auch mit der kompletten Entwicklung von Prüfequipment beschäftigt, das bis 2015 auch verkauft wurde. Angesichts immer aufwändigerer Tests wurde die Produktion von Equipment 2016 eingestellt. Seitdem erfolgen Entwicklungen „nur“ noch für den Eigenbedarf, um bessere, einfachere und komplexere Prozesse zu ermöglichen, die mit gekauften Anlagen entweder zu teuer oder zu eingeschränkt wären. 1. Einführung Seit den 1970er Jahren werden Schwingungsprüfungen zur Ermittlung von Lebensdauervorhersagen herangezogen. In den 1980er Jahren erkannte die Automobilindustrie, dass die komplexen Zusammenhänge von mechanischer Bewegung und Temperatureinwirkungen (Wärme oder Kälte) realistischen Testszenarien wesentlich näherkommen. Seitdem werden in der Automobilindustrie Vibrationstests hauptsächlich mit überlagerten Temperaturwechseln durchgeführt. Inzwischen gibt es viele Hersteller, die sich auf die Konstruktion solcher Kammern spezialisiert haben. Diese Kammern werden entweder als Standardmodule angeboten oder als sehr individuelle, kostspielige Sonderkonstruktionen, die maßgeschneidert an die Bedürfnisse des Kunden und dessen Shaker angepasst werden. Als Nutzer mit Entwicklungsmöglichkeiten stellt sich immer die Frage: „Make or Buy? “ Bei falscher Entscheidung kann eine Fehlkalkulation kann dazu führen, dass ein Projekt aus dem Ruder läuft und Ressourcen gebunden werden, die anderweitig verwendet werden könnten. Deswegen wurden zunächst Marktrecherchen durchgeführt. Es gibt mindestens fünf Hersteller solcher Kammern. Warum also eine eigene Lösung anstreben? Um diese Überlegungen zu verdeutlichen, sind im Manuskript und im dazugehörigen Vortrag weitere Fragen und Erklärungen präsentiert. 2. Das Konzept Vorab müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden, da sie Einfluss auf die Make-or-Buy-Entscheidung haben: • Gebäude/ Platzbedarf: Fläche, Gebäudehöhe, Traglast • Infrastruktur: Strom, Druckluft, Kühlwasser • Emissionen: Abwärme, Schall, Körperschall • Bedienbarkeit: Equipment wie Kran, Gabelstapler, Portale, verwendete Werkzeuge • Budget: Umsetzungskosten/ Kauf • Beschaffungszeit: Dauer der Beschaffung All diese Punkte müssen sorgfältig abgewogen werden, wenn man überlegt, ein solches Projekt zu starten. Zunächst ist ein Lastenheft zu erstellen. Doch was erfolgt zuerst? Natürlich macht man es sich „einfach“ und fragt bei bestehenden Firmen nach Lösungen. Ernüchternd gesagt, erhält man dann oft „Standardlösungen“, die aufgrund mangelnder Flexibilität schon einmal ausscheiden. Ein Beispiel einer „fertigen“ Lösung hierfür ist ein kleiner Shaker aus unserem Haus, der mit einer Standardkammer ausgestattet ist. Diese Kammer wird mithilfe einer Hebebühne und einem Schienensystem über den Shaker verfahren. 54 2. Fachtagung TestRig - September 2024 Entwicklung einer Temperaturwechselkammer für einen 100-kN Shaker Abb. 1: Shaker mit Standardtemperaturkammer (Quelle: TechnoLab GmbH) Nun ist jedoch der Shaker des beschriebenen Projektes viel größer und die Anforderungen unseres Labors sind vielseitiger. Unter anderem wurde die Möglichkeit in Betracht gezogen, die Kammer über dem Shaker so zu gestalten, dass auch komplette Teile größeren Volumens temperiert werden könnten. Solche Lösungen werden beispielsweise bei der NASA bei Satellitentests realisiert, wo ein „Sack“ über das Objekt auf dem Shaker gestülpt und an ein Temperiergerät angeschlossen wird. Anstatt des flexiblen „Sacks“ kann natürlich auch eine kubische Kammer an ein solches Temperiergerät angeschlossen werden. Es wurden also Informationen eingeholt, wer solche Temperiergeräte liefern kann und möchte. Viele Anbieter boten einen Standardklimaschrank mit zwei angeschlossenen Schläuchen und Gebläse an, um eine individuelle Kammer oder Ähnliches zu klimatisieren. Abb. 2: Klimatisierung einer Kammer über Schläuche (Quelle: https: / / www.kunststoffcampus-bayern.de) Der Nachteil dieser Lösung ist die ungenutzte Klimakammer, die ein erhebliches Volumen einnimmt, sowie die Verluste, die durch die Übertragung über den isolierten Schlauch entstehen (Druckverluste durch Knicke, Reibungsverluste an den Schlauchinnenwänden und der Einsatz eines zusätzlichen Ventilators, der die konditionierte Luft vom Klimaschrank absaugt und in das Nutzvolumen einbringt und zurückführt (Kreislauf)). Es wurde ein Unternehmen gefunden, das Sonderlösungen anbietet und das passende Temperiergerät bereitstellen konnte. Insofern war die Make-or-Buy-Frage in diesem Punkt geklärt - wir wollten nicht zum Klimaanlagenbauer werden. Nun fehlte noch die passende Kammer, die an dieses Gerät angeschlossen werden sollte. Um auch hier die Makeor-Buy-Frage zu lösen, wurden Hersteller von Klimaanlagen kontaktiert. Allerdings konnte keiner die passende Lösung bieten, da das Lastenheft eine flexible Lösung vorsah. Die Hauptherausforderungen waren: • Die Kammer sollte leicht sein, um sie mit dem Kransystem über dem Shaker (1000 kg max. Traglast) abheben und wegfahren zu können. • Die Kammer sollte in zwei Teile (Ober- und Unterteil) zerlegbar sein, um schwere Prüfteile mit installierter Unterkammer zu montieren und dann den oberen Teil über die untere Kammer zu setzen und anzukoppeln. • Der Boden sollte für den Standardeinsatz des Shakers in Vertikal- und Horizontallage gleichermaßen verwendbar sein. (In vielen Fällen wird der Kammerboden in zwei Varianten ausgelegt). Der verbliebene Hersteller des Systems gab zu bedenken, dass die Kammer sehr robust gebaut werden muss, da durch die pumpende Luftbewegung die Kammer sonst in Schwingungen versetzt werden könnte, was dazu führt, dass sie sich im Vertikalbetrieb immer mit Luft füllt und dann wieder einen Unterdruck erfährt. Aufgrund des hohen Gewichts und des sechsstelligen Preises für eine solche Kammer wurde die Entscheidung zugunsten der Eigenentwicklung getroffen. Abb. 3: vorhandener Shaker, im Hintergrund (Mitte oben) Temperiergerät (Quelle: TechnoLab GmbH) 2. Fachtagung TestRig - September 2024 55 Entwicklung einer Temperaturwechselkammer für einen 100-kN Shaker 3. Umsetzung Was waren nun die Hauptmerkmale, die so eine Kammer haben sollte, bzw., was waren die Umsetzungsherausforderungen? Zunächst ist es einfacher, in einer großen Fabrikhalle mit extrem hoher Bauhöhe und unbegrenztem Platz ein System zu bauen, das den Grundanforderungen einer solchen Kammer entspricht: Nutzraum LxBxH plus Isolation und Gestell ergeben die Außenmaße, und das Gewicht bei großer Kranlast spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Unsere Situation war jedoch eingeschränkter. Zudem diskutierten wir, die Kammer aus unüblichen Materialien zu konstruieren: Warum Stahl oder Aluminium? Dünnes Blech für das Kammerinnen- und Außenleben ist akzeptabel, aber gibt es Alternativen für die statische Konstruktion? Der Einsatz von Carbon wurde in Erwägung gezogen - sehr innovativ und superleicht - jedoch problematisch bei Temperaturen von -60 °C bis +180 °C. Bei -60 °C wird es brüchig, und bei +180 °C erreicht das Epoxidharz seine Erweichungsgrenze. Die Materialwahl fiel auf Paulowniaholz, das auch im Flugzeugbau Verwendung findet. Es ist sehr leicht und bietet eine hohe Stabilität über den gesamten Temperaturbereich. Dank seiner Eigenschaften als Tropenholz zeichnet sich Paulowniaholz durch hohe Festigkeit, Verwindungssteifigkeit und Beständigkeit gegen kurzzeitige Feuchtigkeitseinwirkung aus. Zudem besitzt es ausgezeichnete Isoliereigenschaften und weist eine geringere Längenausdehnung im Vergleich zu Aluminium auf. Abb. 4: Grundgerüst der Kammer (Quelle: TechnoLab GmbH) Das Konzept wurde erweitert mit dem Ziel, möglichst wenig Energie für die Temperierung aufzuwenden. Daher wurde die Innenverkleidung sehr dünn gestaltet und die Isolation direkt auf dem Holz befestigt. Die Innenverkleidung wurde ebenfalls direkt am Holz angebracht. Vorab wurden Tests zur Wärme- und Kältebelastbarkeit, Verwindungsverhalten, Klebverhalten und Feuchtebeständigkeit durchgeführt. Auch bei der Isolierung wurde auf einen innovativen, neuartigen Schaumstoff zurückgegriffen, der auch im Brandschutz verwendet wird. Es sei angemerkt, dass Materialien aus anderen Branchen oft viel günstiger angeboten werden als in Spezialbranchen. Abb. 5: Wandauf bau der Kammer (Quelle: TechnoLab GmbH) Da die Kammer aus Holz besteht, könnte die Belastbarkeit durch das „Atmen“ des Shakers in vertikaler Richtung beeinträchtigt werden. Der Vertikaltisch hat eine Fläche von 0,8-m² und bei einem maximalen Hub von 75-mm ergibt dies ca. 90-Liter Luft bei niedrigen Frequenzen, die in der Kammer dann unterschiedliche Drücke in sehr kurzer Zeit erzeugen. Aus diesem Grund wurden Luftausgleichskissen am oberen Kammerdeckel installiert, um einen Ausgleich zu schaffen. Um Energieverluste zu vermeiden, sind die Kissen doppelwandig mit Isolation versehen. Abb. 6: Oberteil mit Kissen zum Druckausgleich (Quelle: TechnoLab GmbH) Da die Kammer sehr leicht ist (weniger als 300-kg), konnte ein elektrisches Teleskophubsystem verwendet werden, das die Kammer in die obere Position für den Vertikalbetrieb bringt oder absenkt für den Horizontalbetrieb. Die Kammer ist in einem Gestell montiert, das sie fahrbar über den Shaker positioniert. Vorgabe war der Einsatz durch einen einzigen Bediener. Das Temperiergerät wird neben die Kammer platziert und mittels einer Hebebühne in die Vertikal- oder Horizontalposition gefahren. Dieses „Komplettsystem“ ist ebenfalls auf Schienen zur einfachen Positionierung montiert. Die Anbindung an die Kammer erfolgt durch einen Kompensator, der mit einer pneumatischen Verstellung an die 56 2. Fachtagung TestRig - September 2024 Entwicklung einer Temperaturwechselkammer für einen 100-kN Shaker Kammer herangefahren wird, um eine nahezu luftdichte Verbindung beider Komponenten zu gewährleisten. 4. Zusammenfassung Abschließend lässt sich festhalten, dass die Entwicklung und Realisierung der flexiblen Kammereigenkonstruktion für das Temperiergerät eine bedeutende Herausforderung darstellte, die durch innovative Ansätze und Materialwahl erfolgreich gemeistert wurde. Die Entscheidung für Paulowniaholz erwies sich als richtungsweisend, da dieses Material nicht nur leicht und stabil ist, sondern auch exzellente Isoliereigenschaften bietet und sich für die vielfältigen Temperaturanforderungen optimal eignet. Die Integration eines Luftausgleichssystems und die Verwendung eines elektrischen Teleskophubs ermöglichen eine effiziente Nutzung der Kammer sowohl im Vertikalals auch im Horizontalbetrieb, wobei die gesamte Konstruktion auf die Anforderungen eines einzigen Bedieners ausgelegt ist. Diese Lösung unterstreicht die Innovationskraft von TechnoLab bei der Entwicklung maßgeschneiderter Prüfumgebungen, die weit über Standardlösungen hinausgehen und spezifische Kundenbedürfnisse präzise erfüllen.
