Italienisch
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
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2018
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttItalienisch 80 2018 Italienisch ISSN 0171-4996 Herbst 2018 80 Zeitschrift für italienische Sprache und Literatur 11,2mm Aus dem Inhalt A colloquio con Rosella Postorino Christine Ott Michelangelos Handschuh Zur Überlagerung heterogener Subjektentwürfe und literarischer Codes in D’altrui pietoso Marc Föcking Il principe e le stelle Tomasi di Lampedusas Il Gattopardo und die Astronomie Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro di Giorgio Bassani a Puttaneggiar coi regi di Gianfranco Rossi. Storie di esclusi nella Ferrara del Ventennio Ursula Winter Die Hölle up to date Aktualisierungen von Dantes Inferno im Comic Sprachecke Italienisch Un italiano «a stelle… e cuori»: spunti di riflessione su alcune neoformazioni dell’italiano contemporaneo (Daniela Pietrini) FRANKFURTER STIFTUNG FÜR DEUTSCH ITALIENISCHE S T U D I E N D-69051 Heidelberg · Postfach 10 61 40 · Tel. (49) 62 21/ 77 02 60 · Fax (49) 62 21/ 77 02 69 Mehr Information unter www.winter-verlag.de · E-mail: info@winter-verlag.de Universitätsverlag w i n t e r Heidelberg Die Bilder des Canzoniere Palatino, der als einzige der drei großen Liedersammlungen der frühen italienischen Lyrik mit Miniaturen versehen ist, sind bisher überwiegend als Illustrationen der jeweiligen Texte gedeutet worden. Eine sorgfältige ikonographisch-ikonologische Analyse ergibt jedoch, dass fast drei Viertel der dargestellten Szenen keinen prägnanten Textbezug haben, vielmehr durch ihre Figuren, deren Positionierung und Gebärden performativ auf die höfische Vortragssituation verweisen: auf Auftritt oder Abgang, auf mögliche theatralische Gestaltung, auf die allgemeine Befähigung zu conversatio bzw. piacevolezza. Mehrheitlich geht es um mustergültiges Verhalten beim Vortrag. Das lässt an einen Einfluss des auf Verhaltenslehren spezialisierten Francesco da Barberino auf das Bildprogramm denken, der auch in den beiden großen Bildern eines Amorhofs und einer lyrischen Huldigungsszene durchscheint. Der Canzoniere Palatino wäre somit eine Art bildliches „speculum curialitatis“. schulze, joachim Die Bilder zum italienischen Minnesang im Canzoniere Palatino Herausgegeben von elisabeth schulze-witzenrath 2018. 90 Seiten, 41 farbige Abbildungen. (Schriften und Vorträge des Petrarca-Instituts, Dritte Folge, Band 1) Geb. € 28,- isbn 978-3-8253-6855-5 Romanistik Kunstgeschichte Mediävistik 80__Umschlag.indd 1 01.03.19 09: 52 Italienisch Zeitschrift für italienische Sprache und Literatur 40. Jahrgang - 2018/ 2 Verbandsorgan des Deutschen Italianistenverbandes e.V. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V., Frankfurt am Main Gefördert von der Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien Begründet von Arno Euler † und Salvatore A. Sanna † Herausgeber Ludwig Fesenmeier, Marc Föcking, Thomas Krefeld, Christine Ott (Anschrift s. Redaktion) Wissenschaftlicher Beirat Martin Becker (Köln), Domenica Elisa Cicala (Eichstätt), Sarah Dessì Schmid (Tübingen), Frank-Rutger Hausmann (Freiburg), Gudrun Held (Salzburg), Hinrich Hudde (Erlangen-Nürnberg), Peter Ihring (Frankfurt am Main), Antje Lobin (Mainz), Florian Mehltretter (München), Sabine E. Paffenholz (Koblenz/ Boppard), Edgar Radtke (Heidelberg), Michael Schwarze (Konstanz), Isabella von Treskow (Regensburg), Winfried Wehle (Eichstätt), Hermann H. Wetzel (Passau) Redaktion Caroline Lüderssen (v.i.S.d.P.), Marina Rotondo Verlag für deutsch-italienische Studien, Arndtstraße 12, 60325 Frankfurt am Main Tel.: 069/ 746752, Fax: 069/ 7411453, eMail: italienisch@div-web.de www.div-web.de und www.italianistenverband.de Verlag Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Anzeigenmarketing Rebekka Kochner, Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, kochner@narr.de, Tel.: 07071/ 9797-26 Satz: fotosatz griesheim GmbH, Oberndorfer Straße 70, D-64347 Griesheim Printed in Germany Erscheinungstermine: Frühjahr und Herbst Bezugspreise € 24,00 jährlich, für Privatpersonen € 17,00 jährlich. Einzelheft € 14,00. Alle Preise inkl. MWST und zzgl. Versandkosten. Die Mindestabodauer beträgt ein Jahr. Eine Kündigung ist schriftlich bis 4 Wochen nach Erscheinen des letzten Heftes innerhalb des aktuellen Berechnungszeitraums möglich. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung (auch in elektronischer Form) bedarf der Genehmigung des Verlags, Anschrift s. oben. Manuskripteinsendungen und Besprechungsexemplare bitten wir an die Redaktion Italienisch zu richten, Anschrift s. oben. ISSN 0171-4996 Stauffenburg Verlag GmbH Postfach 25 25 D-72015 Tübingen www.stauffenburg.de ZIBALDONE Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart Herausgegeben von Thomas Bremer und Daniel Winkler ZIBALDONE ist ein Forum für kritische Debatten mit Streifzügen ins Kulinarische, Historische und Künstlerische. Eine Zeitschrift, die Heft für Heft überraschende Perspektiven wagt. Geschrieben von Schriftstellern, Journalisten, Wissenschaftlern, fotografiert, gezeichnet und illustriert für alle, die nie genug haben können von ITALIEN. ZIBALDONE erscheint zweimal jährlich à ca. 160 Seiten. Heft 66 / Herbst 2018 Matera und die Basilikata ISBN 978-3-95809-709-4 Aus dem Inhalt: Marina Rotolo: Zwischen lokaler Aneignung und internationaler Vision. Matera 2019 Kulturhauptstadt Europas Jennifer Bleek: Architektur ohne Architekten. Überlegungen zum Wesen vernakulärer Architektur am Beispiel der Sassi di Matera Mariaelena Bonomo: Die Basilikata im frühen 20. Jahrhundert. Die lukanische Gesellschaft zwischen materieller Armut und Befreiungsstreben Anne Bruch: Matera als filmisches Negativ für den Neuanfang der Republik Italien in den staatlichen Informationsfilmen nach 1948 Janek Scholz: Vom filmischen Reiz lukanischer Mikrogeschichten. Interview mit dem Regisseur und Produzenten Giovanni Rosa Xenia Riemann-Tyroller: Design und Süditalien. Der Mezzogiorno als Gegenort des Industrial Designs Giuseppe Andrea Liberti: Beim Durchqueren von Metaponte. Zur Lyrik von Albino Pierro Angela Alliegro: Die Magie der Stille in der lukanischen Gegenwartsliteratur Pamela Goryczka: Basilikata oder Lukanien? Namensgebung und Identität einer süditalienischen Region Agnes Henning / Thomas Martin: Die Basilikata in der Antike. Ein deutsches Forschungsprojekt in der Provinz Matera Entdecken Sie Matera - Kulturhauptstadt Europas 2019! 80__Umschlag.indd 2 01.03.19 09: 52 Inhalt Editorial: Salvatore A. Sanna (1934-2018). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A colloquio con Rosella Postorino. A cura di Laura Melara-Dürbeck . . . . . . . . . . . . 2 Beiträge zu Literatur, Linguistik und Landeskunde Christine Ott, Michelangelos Handschuh. Zur Überlagerung heterogener Subjektentwürfe und literarischer Codes in D’altrui pietoso . . . . . . . . . . . . . 10 Marc Föcking, Il principe e le stelle. Tomasi di Lampedusas Il Gattopardo und die Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Philip Stockbrugger, Da Gli occhiali d’oro di Giorgio Bassani a Puttaneggiar coi regi di Gianfranco Rossi. Storie di esclusi nella Ferrara del Ventennio . . . . . 56 Ursula Winter, Die Hölle up to date. Aktualisierungen von Dantes Inferno im Comic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Biblioteca poetica «dolce Maria»: Ein Gebetssonett Giovanni Boccaccios (Hinrich Hudde) . . . . . . . . 100 Zur Praxis des Italienischunterrichts Nicola Brocca, Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano come lingua d’origine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Sprachecke Italienisch Un italiano «a stelle… e cuori»: spunti di riflessione su alcune neoformazioni dell’italiano contemporaneo (Daniela Pietrini). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Buchbesprechung Giuseppe Patota: La Quarta Corona. Pietro Bembo e la codificazione dell’italiano scritto (Rafael Arnold). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Kurzrezensionen Marco Faini: L’alloro e la porpora. Vita di Pietro Bembo (Rafael Arnold). . . . . . . 135 Riccardo Gasperina Geroni: Il custode della soglia. Il sacro e le forme nell’opera di Carlo Levi (Christoph Söding) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Mario Isnenghi / Thomas Stauder / Lisa Bregantin: Identitätskonflikte und Gedächtniskonstruktionen. Die «Märtyrer des Trentino» vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg: Cesare Battisti, Fabio Filzi und Damiano Chiesa (Frank-Rutger Hausmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Italienisch_80.indb 1 01.03.19 12: 08 Vorschau Italienisch Nr. 81 / Frühjahr 2019 «Come l’Italia pensa l’Europa» Italienisch_80.indb 2 01.03.19 12: 08 1 Salvatore A. Sanna (1934 - 2018) «Gentiluomo, […] ein Feingeist von hoher Bildung und hohem Ethos»: diese Charakterisierung Salvatore Aldo Sannas ist nicht nur das Leitmotiv in den zahlreichen Würdigungen dieser Tage, sondern war auch schon das der ihm 2004 überreichten Festschrift, Das Gesetz der Osmose. In deren Vorwort wird Salvatore A. Sannas Leben und Schaffen als dem deutsch-italienischen Austausch im wissenschaftlichen, kulturellen und menschlichen Bereich gewidmet beschrieben, die Beiträge selbst legen beredtes Zeugnis ab von seinen nahezu unerschöpflichen Kräften, von seiner Energie, vor allem aber von seiner Kreativität, mit der er es verstand, diesen Austausch nicht nur zu fördern, sondern oft auch erst möglich zu machen. 2016, fünfzig Jahre nach Gründung der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V., sagte er in einem Interview, in der ihm eigenen unprätentiösen Weise: «Wir wollten von Anfang an nicht nur Sprachkurse und Vorträge anbieten, sondern auch die moderne italienische Malerei bekannt machen». (Im doppelten Sinn) Bilder Italiens zu vermitteln, abseits der gängigen Klischees, gerade in einer Zeit, als viele Italiener nach Deutschland kamen und dort nicht immer wohlgelitten waren, diese ‹Aufbauarbeit› ebenso wie die sich anschließende Verstetigung und Verfestigung dieser Vermittlung, das hatte sich Salvatore A. Sanna zu seiner Lebensaufgabe gemacht, als Literaturdozent und Wissenschaftler, als Galerist und Schriftsteller. Äußere Zeichen und Früchte dieser Arbeit sind, unter vielen anderen, seine tragende Rolle bei der Gründung des Fachverbands Italienisch in Wissenschaft und Unterricht 1976 und, drei Jahre später, seine Initiative, zusammen mit Arno Euler, zur Gründung der Zeitschrift Italienisch, der ersten wissenschaftlichen Zeitschrift in Deutschland, die ausschließlich die italienische Sprache und Literatur zu ihrem Gegenstand haben sollte. Damals ein mutiges Projekt, ist sie längst als internationales Forum der Italianistik in Wissenschaft und Forschung, in Schule und Praxis etabliert. 1999 hat sich der Fachverband Italienisch mit dem Deutschen Italianistenverband zusammengeschlossen, Organ dieses neu entstandenen Verbandes ist die Zeitschrift Italienisch. Sie ist auf diese Weise zum Symbol für Kontinuität und Wandel geworden, Salvatore A. Sanna hat sie als Herausgeber unermüdlich begleitet. Der Deutsche Italianistenverband - Fachverband Italienisch in Wissenschaft und Unterricht e.V. nimmt in Ehrfurcht und Dankbarkeit Abschied von Salvatore A. Sanna. Wir trauern um den Wissenschaftler und den Kulturvermittler, vor allem aber um den Menschen. Die Erinnerung an ihn wird uns immer Vorbild und Ansporn sein, den Austausch zwischen Deutschland und Italien lebendig zu halten. Ludwig Fesenmeier Die Zitate sind den folgenden Quellen entnommen: E. Metz, Salvatore A. Sanna †. Zum Tod des bedeutenden Frankfurter Lyrikers, Galeristen und Literaturwissenschaftlers, 7.12.2018, http: / / www.feuilletonfrankfurt.de/ 2018/ 12/ 07/ salvatore-a-sanna; G. Gottwals, Italienische Momente am Main, 26.4.2016, https: / / www.fnp.de/ frankfurt/ italienischemomente-main-10596640.html. Die Festschrift Das Gesetz der Osmose. Salvatore A. Sanna zum 70. Geburtstag wurde herausgegeben von C. Lüderssen und C. Ricca, sie ist 2004 beim Verlag Gunter Narr in Tübingen erschienen. Italienisch_80.indb 1 01.03.19 12: 08 2 A colloquio con Rosella Postorino A cura di Laura Melara-Dürbeck Rosella Postorino è nata a Reggio Calabria nel 1978 e vive a Roma dove lavora come editor per Einaudi Stile Libero. Ha esordito con il racconto- In una capsula, incluso nell’antologia- Ragazze che dovresti conoscere- (Einaudi Stile Libero, 2004). Ha pubblicato i romanzi-La stanza di sopra- (Neri Pozza, 2007; Feltrinelli, 2018; Premio Rapallo Carige Opera Prima),- L’estate che perdemmo Dio- (Einaudi Stile Libero, 2009; Premio Benedetto Croce e Premio speciale della giuria Cesare De Lollis) e-Il corpo docile-(Einaudi Stile Libero, 2013; Premio Penne). Con il suo romanzo- Le assaggiatrici- (Feltrinelli, 2018) ha vinto la 56 a edizione del Premio Campiello, poi il Premio Rapallo, il Premio Pozzale Luigi Russo e il Premio Vigevano Luigi Mastronardi. Al momento dell’intervista (ottobre 2018) sono stati venduti i diritti di traduzione per 19 lingue e sono stati opzionati i diritti per il cinema. La storia del romanzo è ambientata durante la Seconda Guerra Mondiale, nell’autunno 1943, a Gross-Partsch, un villaggio molto vicino alla Tana del Lupo (Wolfsschanze), il nascondiglio di Hitler. La protagonista Rosa Sauer ha ventisei anni ed è appena arrivata da Berlino. La prima volta che entra nella stanza in cui dovrà consumare i suoi prossimi pasti Rosa Sauer è affamata. Terminato il pasto, le assaggiatrici devono restare per un’ora sotto osservazione per accertarsi che il cibo da servire a Hitler non sia avvelenato. Rosella Postorino, ispirandosi alla storia vera di Margot Wölk (assaggiatrice di Hitler nella caserma di Krausendorf), racconta la vicenda di una donna in trappola, fragile di fronte alla Storia e forte nei desideri della giovinezza. Proprio come lei, i lettori si trovano in bilico sul crinale della collusione con il Male, della colpa accidentale, protratta per l’istinto antieroico di sopravvivere. Il colloquio ha avuto luogo l’11 ottobre 2018, in occasione della Fiera del Libro a Francoforte. Il testo riporta una versione redatta e abbreviata della conversazione. Domanda. Il tuo ultimo romanzo Le assaggiatrici è stato il caso editoriale dell’anno. Con una schiacciante vittoria ti sei aggiudicata a settembre il Premio Campiello 2018. Cos’è cambiato per te? Rosella Postorino È stata per me una gioia. Il Campiello è una grande operazione culturale che per due mesi porta cinque libri, spesso anche letterariamente molto sofisticati, alla gente, nelle piazze d’Italia, nelle città di provincia, dal Nord al Sud, dal mare alla montagna. Vincere il Campiello ha dato al mio romanzo ulteriore visibilità. A settembre del 2018, la data della premiazione, il libro aveva già venduto quasi cinquantamila copie, subito dopo è ritornato in classifica, schizzando ai primi posti di quella assoluta (cioè nella top ten). Molte persone che non lo avevano ancora letto, quindi, l’hanno acquistato in seguito Italienisch_80.indb 2 01.03.19 12: 08 3 A colloquio con Rosella Postorino alla vittoria. Al di là delle vendite, il premio ha reso maggiormente visibile anche me e il mio nome di scrittrice: più di prima mi invitano a intervenire sui media riguardo temi diversi. D. Come è nata l’idea di scrivere questo romanzo, che potremmo definire storico? Postorino Se mi avessero chiesto, cinque anni fa, se avrei mai scritto un romanzo storico, avrei risposto di no. Poi però nel 2014 mi sono imbattuta in un trafiletto di giornale che raccontava di Margot Wölk, una signora berlinese di 96 anni che confessava per la prima volta di essere stata da giovane un’assaggiatrice di Hitler, cioè una di coloro che mangiavano il cibo a lui destinato per accertarsi sulla propria pelle che non fosse avvelenato. La cosa interessante è che Margot Wölk non era nazista, o almeno così diceva, addirittura nel virgolettato definiva Hitler come un «porco» che le aveva rovinato la vita. In quell’articolo descriveva la mensa forzata come un incubo, ne raccontava l’angoscia, le lacrime durante il pasto e nell’ora successiva, passata sotto osservazione, affinché dai loro sintomi le SS verificassero che il cibo ingerito fosse sano e non tossico. Nello stesso tempo, però, parlava del gusto di quel cibo eccezionale, fresco, addirittura esotico. Questa contraddizione simboleggiava per me la contraddizione stessa del suo ruolo. Lei era una cavia, e dunque una vittima, la cui vita poteva essere sacrificata per salvaguardare quella di Hitler, però era anche una privilegiata, perché mangiava bene, ed era pagata per farlo, mentre il resto della popolazione moriva di fame. Lavorando per Hitler diventava un ingranaggio di un sistema più grande e disumano, il Terzo Reich. Era una complice, scivolata nella colpa in modo accidentale, senza averlo scelto. È stata questa contraddizione a folgorarmi, sono partita da lì, da questa condizione umana. In questo senso dico che il mio interesse era sovrastorico. Credo che questa condizione non sia relegata a un’epoca e basta, ma potenzialmente a tutte le epoche, e che abbia a che fare con l’istinto di sopravvivenza. D. Il tuo romanzo ha una grande forza narrativa che rimanda talora al Primo Levi de I sommersi e i salvati (1986). Postorino A tal proposito, ne I sommersi e i salvati, Primo Levi dice che la colpa dei regimi oppressivi non è solo quella di opprimere, togliendo libertà e dignità, ma anche di rendere colpevoli gli oppressi, che in una situazione estrema possono cercare di ottenere privilegi per sopravvivere. Così, però, diventano Italienisch_80.indb 3 01.03.19 12: 08 4 A colloquio con Rosella Postorino complici del sistema stesso, che ha quindi anche la colpa di sottrarre loro l’innocenza. Mi sembra che a Margot Wölk sia successo proprio questo. D. La tua capacità di ricreare la realtà di quel periodo è sorprendente. Pensiamo solo ai dettagli storici che sono resi pienamente e compiutamente narrativi (dall’attentato a Hitler ad opera di Claus Schenk von Stauffenberg alla campagna di Russia): una sfida, per una scrittrice che non è tedesca, non ha vissuto la guerra e non sa cosa significhi vivere sotto una dittatura. Quali sono state le difficoltà che hai riscontrato durante la stesura e come le hai superate? Postorino Per ambientare il romanzo in quel periodo storico e ricostruirlo in modo credibile ho studiato molto, a maggior ragione dato che non ho potuto avere notizie di prima mano da Margot Wölk. L’avevo cercata, perché volevo incontrarla e parlarle, ma purtroppo, proprio quando sono riuscita a trovare il suo indirizzo di casa e a inviarle una lettera in cui le chiedevo un incontro, lei è morta. Disperata, ho pensato che non avrei più potuto scrivere la sua storia, e mi chiedevo addirittura se ne avessi il diritto: non ero tedesca, non ero cresciuta sotto una dittatura, non avevo vissuto la guerra. La sua storia però era diventata per me un’ossessione, probabilmente perché mi interrogava: che cosa avrei fatto io se fossi stata al suo posto? L’unico modo che avevo per cercare - non necessariamente trovare - una risposta era l’invenzione romanzesca. Per costruire il romanzo ho letto non solo saggi, come la Storia del Terzo Reich di William Shirer 1 , o La mente di Adolf Hitler di Walter Langer 2 , che traccia un profilo psicologico del ‘Führer’, ma anche diari, memoires, lettere, intercettazioni della Wehrmacht ecc. Ho riletto anche tanti romanzi ambientati in quell’epoca e sono andata in Polonia a visitare quello che resta della Wolfsschanze e il villaggio in cui viveva Margot Wölk. Il lavoro è durato più di tre anni. Leggendo, non solo appuntavo dettagli concreti che sarebbero entrati nella narrazione conferendole realismo, ma soprattutto provavo a capire i sentimenti dell’epoca. Quel che con più forza mi è arrivato è l’istinto di sopravvivenza, il tentativo di restare attaccati alla vita con le unghie e con i denti. Per rendere la protagonista il più possibile familiare a me stessa - perché non avrei potuto raccontare la storia di Margot Wölk, non avendola 1 In originale: William L. Shirer, The Rise and Fall of the Third Reich, New York 1960. 2 In originale: Walter Langer, The mind of Adolf Hitler, New York 1972. Italienisch_80.indb 4 01.03.19 12: 08 5 A colloquio con Rosella Postorino incontrata - le ho dato il mio nome, Rosa, e le ho attribuito delle caratteristiche mie. D. Ne Le assaggiatrici si è testimoni della lacerazione interiore della protagonista, Rosa, vittima ma anche colpevole, cosciente di questa contraddizione esistenziale in un contesto storico che non si è cercata, ma nel quale si è trovata a nascere e in cui deve sopravvivere. Attraverso Rosa dai voce a un grandissimo gruppo di persone, la grande massa collusa, consenziente e, alla fine, responsabile. Non è stata un’operazione letteraria al limite di quello che oggi può essere considerato politicamente corretto, permesso e concesso? Postorino Sempre nei miei romanzi racconto come la società interviene nelle vite private e le fa deragliare. Ne Le assaggiatrici è la Storia a tradire gli esseri umani. Rosa non è una nazista, ma rischia la morte per salvare la vita di Hitler. Quanti in Italia hanno preso la tessera fascista semplicemente perché con quella era più facile sopravvivere? È una materia delicata, me ne rendo conto, ma è proprio quello che volevo esplorare. Mentre ci lavoravo, mi è capitato di accennare al romanzo con una signora ebrea, che per reazione si è alzata e se n’è andata. Invece la mia agente letteraria, un’ebrea americana, ha creduto nel libro fin da quando era solo un’idea e mi ha molto sostenuta. Insomma, ci sono modi diversi di confrontarsi con il trauma. Mi sono mossa su un crinale pericoloso, ma d’altra parte credo che se sei fedele al tuo personaggio, se aderisci al tuo personaggio, se ti fidi della narrazione, stai facendo ciò che deve fare uno scrittore. La letteratura indaga le contraddizioni umane, non prende posizione in termini ideologici. Io sono una scrittrice, e narro una storia in cui emergono l’ambivalenza e la complessità degli individui sottoposti a uno stato di coercizione. La letteratura consente di rappresentare la contraddizione senza dover necessariamente arrivare alla sintesi, ti consente di rappresentare l’antitesi, perché l’antitesi è importante. D. Molti romanzi pubblicati in quest’ultimo anno sono romanzi storici. È ancora così importante parlare di storia? Postorino Non lo è soltanto in quest’ultimo periodo, è fondamentale sempre. I romanzi storici mostrano la Storia dal punto di vista di un personaggio o di più personaggi, spesso di persone comuni, con un percorso, dei bisogni, dei desideri, la rivelano dal punto di vista di persone come te: dunque ti catapultano Italienisch_80.indb 5 01.03.19 12: 08 6 A colloquio con Rosella Postorino in quell’epoca attraverso singole vite, per quanto immaginarie, e in modo coinvolgente. Perché siamo legati al Diario di Anne Frank? Perché in questo diario la Storia attraversa il corpo di una ragazzina che cresce, diventa adolescente, litiga con la madre, s’innamora… Dietro la sua singola esistenza, il lettore vede l’orrore della Storia. D. Nel romanzo tu utilizzi tante parole tedesche senza tradurle. Talora si capisce, altre volte un po’ meno, perché hai optato per questa soluzione? Postorino Quasi sempre il lettore ha la possibilità di arrivare al significato della parola tedesca. Per esempio, rispetto alla filastrocca Fuchs, du hast die Gans gestohlen, c’è un momento in cui la protagonista racconta in italiano quel che succede alla volpe che ha rubato l’oca. Ho usato alcune parole in tedesco perché volevo che si sentisse il suono di questa lingua che amo e ho studiato, e che purtroppo non parlo più. Un romanzo ambientato nel Terzo Reich doveva riprodurre anche il suono di questa lingua, ma non nello stereotipo del gergo nazista (gli Achtung! o i Raus! ai quali ci hanno abituato i film), bensì nella sua quotidianità, anche nella sua dolcezza. Una lettrice che ha vissuto in Germania mi ha detto che il romanzo ha un ritmo sintattico simile a quello della lingua tedesca. Non so se sia vero, ma mi ha comunque resa felice. D. Il romanzo nasce e si sviluppa intorno al cibo. Ci sono più di ventuno ricette, quasi tutte vegetariane perché si presume che Adolf Hitler non mangiasse carne. Il cibo però è presentato nella sua valenza negativa, in quanto non dà vita, bensì la nega, con il rischio quotidianamente di uccidere. Postorino La storia dell’uomo inizia con il cibo, perché inizia quando Adamo ed Eva raccolgono il frutto dell’albero proibito, cioè quando desiderano conoscere il mondo. L’essere umano ha bisogno di nutrirsi, altrimenti muore. La condizione della mortalità degli esseri umani e nello stesso tempo la loro condanna alla sopravvivenza possono implicare il compromesso con il male. Nel romanzo il cibo diventa metafora di tutto questo, della nostra fragilità di esseri umani, del fatto che, per stare al mondo, dobbiamo assaggiare il mondo stesso. Questo ciclo d’ingerimento ed espulsione ci consente di stare in vita. Per conoscere il mondo, devi esporti al rischio di morire. Ma il cibo non è solo elemento negativo. A un certo punto, Rosa si trova in un vagone con altre persone in fuga dai russi, e assieme condividono Italienisch_80.indb 6 01.03.19 12: 08 7 A colloquio con Rosella Postorino le poche cose che hanno da mangiare: «È sempre possibile allestire una mensa fra esseri umani», dice, esprimendo il senso della comunità che perdura, della vita che va avanti. D. Nel romanzo Adolf Hitler è un personaggio invisibile ma onnipresente. Non ci presenti un dittatore bensì un uomo coi problemi che la caducità del suo corpo comporta. Non è stata anche questa un’operazione rischiosa? Postorino Sapevo che anche questa scelta narrativa fosse rischiosa, ma d’altronde il libro in sé era rischioso. Qualcuno mi ha chiesto: si è resa conto di aver raccontato Hitler come un essere umano? Io ho risposto che Hitler non è nato mica folletto o alieno, che è nato essere umano. E credo che dimenticarsene sia pericoloso, è quasi un modo di esonerarsi dalla responsabilità di ciò che la specie umana può compiere. Da un lato volevo raccontare Hitler come una presenza invisibile che incombe su tutti, che dispone della vita e della morte di tutti, come una divinità, esattamente come lo proponeva la propaganda nazista: una figura messianica. Dall’altro, volevo che fosse un corpo, un corpo che si inceppa. Hitler aveva problemi fisici, paranoie e fissazioni. Raccontare che prendeva sedici pillole antiflatulenza al giorno mi ha consentito persino di ridicolizzarlo. Infine, il rapporto fra Rosa e Hitler, che non s’incontrano mai, è un rapporto intimo, proprio perché riguarda il corpo. Il cibo che lei assaggia è lo stesso che attraverserà il corpo di Hitler. D. Spesso i nomi dei personaggi sono didascalici. Uno più degli altri. Rosa Sauer. L’aggettivo sauer in tedesco, oltre ad indicare il cibo ‘andato a male’, avariato e quindi anche il cibo che Rosa assaggia ogni giorno perché potrebbe essere avvelenato, indica in senso figurato anche una persona che è arrabbiata, inferocita, proprio come la tua protagonista. Perché Rosa Sauer è così indignata? Postorino Non ho usato il vocabolo sauer per dire che Rosa è inferocita, non credo affatto che lo sia. Rosa è indignata con Dio, come me. Come me ha una formazione cattolica, ma non è più praticante, e arriva persino a parlare del «peccato di Dio», o a pronunciare una frase che suona come una bestemmia: «Davanti al creato, Dio contempla lo sterminio». La natura prevede la nostra mortalità, e questo disegno è incomprensibile. Rosa perde tutto e tutti (la madre, il padre, il marito...), e tuttavia vuole disperatamente vivere, ma riesce solo a sopravvivere, facendo scelte antieroiche. «La capacità di adattamento è la migliore risorsa degli esseri umani, più Italienisch_80.indb 7 01.03.19 12: 08 8 A colloquio con Rosella Postorino mi adattavo e meno mi sentivo umana», dice. È una superstite perché si è adattata a un sistema disumano, e questo le pone interrogativi sulla sua stessa umanità. D. Fede, fiducia, fedeltà si esprimono attraverso il cibo avvelenato distribuito da Hitler: chi mangia del mio cibo, chi crede in me, chi ha fiducia in me e mi sarà fedele avrà la salvezza sulla terra. Per salvarsi realmente allora bisogna non credere? Bisogna essere atei? Il cibo delle democrazie è forse meno avvelenato? Postorino Non credo che ci si possa salvare dal male. La cultura interviene là dove la natura è «matrigna», come diceva Leopardi. La cultura vieta la sopraffazione dell’uomo sull’uomo. Parlo della cultura come stato, struttura governativa, che tutela i diritti soggettivi di ogni singola persona. Uno stato democratico che preserva i diritti umani ma accetta che migliaia di persone possano morire nel Mediterraneo sta riducendo quei diritti umani a diritti nazionali, di cui gode solo chi appartiene alla comunità nazionale. Sta dichiarando che esistono vite di serie A e vite di serie B. Rispetto alla religione, credo che non si salvino nemmeno gli atei. Chi ha fede in Dio ha per lo meno una forma di conforto e trova nell’esistenza un senso, soprattutto ha una griglia che lo aiuta a discernere il bene dal male. Chi non crede deve decidere di volta in volta che cosa sia bene e che cosa sia male. Le scelte etiche e morali sono più complesse per chi non è aiutato dal rigore delle norme religiose. D. Margot Wölk, Rosella Postorino, Rosa Sauer: se Margot ti potesse parlare, credi che le piacerebbe il modo con cui hai saputo darle voce? Postorino Io non ho dato voce a lei, ho dato voce a Rosa Sauer, e per me è importante sottolinearlo, perché non avrei mai potuto permettermi di dar voce a qualcuno che non ho conosciuto e a cui non ho chiesto il permesso di farlo. Se però mi domandi se lei sarebbe stata contenta di sapere che l’innesco narrativo del mio romanzo d’invenzione è stata la sua testimonianza, chissà: da un lato penso che lei abbia mantenuto il segreto sulla sua esperienza di assaggiatrice di Hitler per tutta la vita, quindi forse non lo apprezzerebbe; dall’altro lato, però, alla fine lo ha rivelato, quindi forse voleva che la sua testimonianza avesse voce. E il mio libro dà voce a quelle donne che per quasi due anni hanno svolto un assurdo mestiere potenzialmente mortale, e a tutte le persone ordinarie, ai margini della Storia, che dalla Storia sono Italienisch_80.indb 8 01.03.19 12: 08 9 A colloquio con Rosella Postorino però state tradite, e che la Storia l’hanno fatta, sulla propria pelle. Dà voce a una condizione esistenziale: quella di vittima che diventa colpevole proprio in quanto vittima. Dà voce alle persone schiacciate da un regime totalitario. Rosa, la mia protagonista, porta il peso di aver lavorato per Hitler come una vergogna individuale, prima ancora che come una colpa della sua generazione. Per questo non si può redimere. «Tutto quel che ho imparato dalla vita», dice, «è sopravvivere». Italienisch_80.indb 9 01.03.19 12: 08 10 C H R I ST I N E OTT Michelangelos Handschuh Zur Überlagerung heterogener Subjektentwürfe und literarischer Codes in D’altrui pietoso A sentence is but a cheveril glove to a good wit: how quickly the wrong side may be turned outward! (Shakespeare, Twelfth Night) 1. Der Handschuh Abb. 1: Jacopo Palma Il Vecchio, Porträt eines Mannes, 1512-1515, The State Hermitage Museum, St. Petersburg (Foto: - Leonard Kheifets) Italienisch_80.indb 10 01.03.19 12: 08 11 Christine Ott Michelangelos Handschuh Palma il Vecchios um 1515 entstandenes Männerporträt, das sich heute in der Eremitage in Sankt Petersburg befindet, zeigt einen jungen Mann, der soeben den Handschuh der linken Hand abgestreift hat, um mit der nackten Hand seinen Pelzumhang entweder über die Schulter nach hinten zu streifen oder aber enger an die Brust zu ziehen. Diese ambivalente Geste des Enthüllens oder Verhüllens wirkt, so Marianne Koos, «zuallererst erotisierend», zugleich deute sie an, was dieses Porträt - gemeinsam mit einer Reihe weiterer, von Koos als «lyrische Männerporträts» qualifizierter Männerbildnisse des 16. Jahrhunderts - dem Betrachter verspricht: einen Blick in das Innere, das emotionale Wesen des Dargestellten: «Indem die eine Hand enthüllt ist, die andere aber bekleidet bleibt, wird der Blick des Betrachters auf die ‘wahre’ Haut des Dargestellten gelenkt und so für diese empfindsame Grenze zum Inneren sensibilisiert, - oder aber sogar unter die Grenze geleitet: Durch den roten Innenraum des Handschuhs verstärkt, scheint das Entkleiden der Hand wie eine Häutung. Begreift man den Handschuh als Haut (wenn auch als eine falsche Haut), verhilft diese Gestik subtil, den Blick des Betrachters bis ‘unter die Haut’, das [sic] innere, verletzliche Selbst des Porträtierten zu lenken». 1 Marianne Koos begreift dieses Bild als eine perfekte Illustration des von ihr so benannten Genres des lyrischen Porträts, weil hier ein alter Topos der Liebesdichtung ganz augenfällig ins Bild gesetzt werde. Das Martyrium der Liebe, die Wunden, die Amor dem Liebenden zufügt, sieht sie in dem rot gerahmten linken Handschuh symbolisiert. 2 Dabei ist der von Koos derart gedeutete Handschuh keineswegs ein singulärer Fall. Wie Peter Stallybrass und Ann Rosalind Jones gezeigt haben, fungiert der Handschuh in der europäischen Literatur und Malerei der Renaissance als ein Symbol, das sowohl einen (hohen) sozialen Status, als auch Liebesbündnisse oder Machtbeziehungen indizieren kann. Handschuhe dienen gleichsam als «abnehmbare» Teile des Körpers der Geliebten - oder 1 Marianne Koos, «Identität und Begehren. Bildnisse effeminierter Männlichkeit in der venezianischen Malerei des frühen 16. Jahrhunderts», in: Mechthild Fend/ Marianne Koos (Hrsg.), Männlichkeit im Blick. Visuelle Inszenierungen in der Kunst seit der Frühen Neuzeit, Köln/ Weimar/ Wien: Böhlau 2004, S. 53-78, S. 70. Für eine Definition des lyrischen Männerporträts vgl. Marianne Koos, Bildnisse des Begehrens. Das lyrische Männerporträt in der venezianischen Malerei des frühen 16. Jahrhunderts - Giorgione, Tizian und ihr Umkreis, Emsdetten/ Berlin: Imorde 2006. 2 Ob der Handschuh darüber hinaus «nicht zufällig wie Christi Seitenwunde geformt ist» (Koos, «Identität und Begehren», S. 70), sei dahingestellt. Italienisch_80.indb 11 01.03.19 12: 08 12 Michelangelos Handschuh Christine Ott der Herrscherin -, die dem Untergebenen als Zeichen der Gunst überlassen werden können. Dadurch werden sie zu beseelten Dingen, zu Fetischen. Indem Koos die Gattung des lyrischen Männerporträts als eine neue Art der Repräsentation von Männlichkeit begreift, die petrarkistische Topoi in das Medium der Malerei übersetzt, führt sie einen von Elizabeth Cropper eingeschlagenen Forschungsansatz fort. Cropper sieht in der petrarkistischen Dichtung einen Interpretationsschlüssel für rinascimentale Bildnisse schöner Frauen; sie vertritt aber auch die These, dass die petrarkistische Kommunikationssituation im Cinquecento das Modell für eine neue Kunstkonzeption darstellte. Als Beispiel für eine neuartige, ‘petrarkistische»’ Begehrensstruktur zwischen dem Künstler, seinem Werk und dessen Betrachter nennt sie Michelangelos «presentation drawings», also jene Zeichnungen, die Michelangelo nicht als Auftragsarbeiten, sondern als private Geschenke für seine Freunde schuf - Liebesgaben, die mindestens in einem Fall auch als Geständnis eines homoerotischen Begehrens gedeutet werden können. Cropper wertet ‘Petrarkismus’ aber nicht notwendig als Ausdruck eines persönlichen, authentischen Begehrens. Es geht ihr vielmehr darum, eine Kommunikationssituation zu verdeutlichen, die von der Emergenz eines neuen Typus des emotional affizierten Kunstbetrachters charakterisiert sei («the affective beholder») und deren Quelle sie in einer «Petrarchan culture of desire» sieht. 3 Auf eine Reihe enigmatischer, schwer ‘identifizierbarer’ Frauenporträts der Renaissance angewandt, verdeutlicht Croppers These, dass diese nicht notwendig als Repräsentationen realer Persönlichkeiten oder eines realen sozialen Frauentypus gedeutet werden müssen. Ähnlich beharrt Koos auf der Notwendigkeit, sich in der Deutung der ‘lyrischen’ Männerporträts nicht nur auf eine mögliche Lesart zu fokussieren. Ihr Versuch, Porträts wie das von Palma il Vecchio als Gegenrepräsentationen zu einem dominanten Männlichkeitsentwurf zu lesen, der jedoch nicht unbedingt einem konkreten sozialen Typus entsprechen muss, stellt ein wichtiges Vorbild für meine Lektüre von Michelangelos homoerotischen Gedichten dar. Wegweisend sind zudem die Überlegungen, die Michael Bernsen im Anschluss an Stephen Greenblatts Theorie des «Renaissance Self-Fashioning» angestellt hat. Demnach entwickelt sich der Petrarkismus zu einer lingua franca, in der «Persönlichkeitsstrukturen des europäischen Subjekts» diskutiert sowie «anthropologische Vorstellungen entworfen» werden. 4 Michelangelo, der sich in seiner 3 Elizabeth Cropper, «The Place of Beauty in the High Renaissance and its Displacement in the History of Art», in: Alvin Vos (Hrsg.), Place and Displacement in the Renaissance, Binghamton 1995, S. 159-205, S. 175; zu Michelangelos «presentation drawings» als «new mode of the expression of private beauty» vgl. ebd., S. 195. 4 Michael Bernsen, «Der Petrarkismus, eine lingua franca der europäischen Zivilisation», in: Michael Bernsen/ Bernhard Huß (Hrsg.), Der Petrarkismus - ein europäischer Italienisch_80.indb 12 01.03.19 12: 08 13 Christine Ott Michelangelos Handschuh Lyrik immer wieder als ein unfertiges, defizitäres, schwaches Subjekt inszeniert, 5 dürfte gerade in Petrarcas zerrissenem Ich ein zentrales Modell für den eigenen Ich-Entwurf gesehen haben. Mit dem Petrarkismus konkurrieren allerdings der Neuplatonismus in der Prägung Ficinos und Landinos und die Orientierung an Dantes Commedia. Das Sonett D’altrui pietoso e sol di sé spietato soll im Folgenden als ein Knotenpunkt divergenter lyrischer oder literarischer Codes und entsprechender Subjektentwürfe gelesen werden, die sich im Phantasma eines seidenen Handschuhs verdichten. 6 2. Homoerotische Lyrik? Michelangelos Rime im Kreuzfeuer der Debatte über Homosexualität in der Vormoderne Michelangelos rund dreihundert, erst postum veröffentlichte Gedichte geben der Forschung aufgrund ihrer schwierigen Editionsgeschichte immer noch Rätsel auf. Vieles davon ist fragmentarisch und auf etlichen Manuskripten finden sich Varianten, von denen allerdings unklar ist, welche die vom Autor intendierte definitive Version darstellen soll. 7 Durch ihre komplexe Syntax und verrätselte Bildsprache versperren sich die Rime dem Verständnis; sie Gründungsmythos, Göttingen: V&R unipress 2011 (Gründungsmythen Europas in Literatur, Musik und Kunst, 5), S. 15-30, hier S. 18. 5 Susanne Gramatzki, Zur lyrischen Subjektivität in den Rime Michelangelo Buonarrotis, Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2004. Vgl. außerdem die Darstellung Hugo Friedrichs in: ders., Epochen der italienischen Lyrik, Frankfurt/ M.: Klostermann 1964, S. 329-142, sowie Glauco Cambon, Michelangelo’s Poetry. Fury of Form, Princeton: University Press 1985. 6 Der Begriff des lyrischen Codes wird hier bewusst dem des Systems vorgezogen, weil sich eine Systemreferenz Klaus Hempfer und Gerhard Regn zufolge erst im Rahmen einer wenigstens im Ansatz narrativen, zyklisch gefügten Gedichtsammlung manifestieren kann (Klaus W. Hempfer, «Intertextualität. Systemreferenz und Strukturwandel: die Pluralisierung des erotischen Diskurses in der italienischen und französischen Renaissance-Lyrik [Ariost, Bembo, Du Bellay, Ronsard]», in: Michael Titzmann [Hrsg.], Modelle des literarischen Strukturwandels, Tübingen: De Gruyter 1991, S. 7-43; Gerhard Regn, Torquato Tassos zyklische Liebeslyrik und die petrarkistische Tradition. Studien zur Parte prima der Rime [1591/ 1592], Tübingen: Narr 1987, S. 32). Ich gehe davon aus, dass Michelangelo den petrarkistischen, neuplatonischen, burlesken Code bewusst anzitiert, ohne diese Codes notwendig gegeneinander ausspielen zu wollen. Mit jedem Code ist unweigerlich ein bestimmtes Konzept von literarischer Subjektivität verbunden (das Ich als unglücklich Liebender, als spirituell Suchender, usw.). 7 Die erste kritische Edition der Rime stammt von Carl Frey, Die Dichtungen des Michelagniolo Buonarroti [1897], Berlin: Walter de Gruyter 1964. Die 1960 von Enzo Noé Girardi veröffentlichte kritische Edition schlägt eine Konjektural-Chronologie der Gedichte vor. Ich zitiere nach der neuen Ausgabe von Corsaro und Masi, die stattdessen eine Einteilung nach lyrischen Untergattungen vornimmt (M. Buonarroti, Rime e lettere, a cura di Antonio Corsaro e Giorgio Masi, Milano: Bompiani/ Rizzoli 2016, im Folgenden zitiert als Corsaro/ Masi 2016). Italienisch_80.indb 13 01.03.19 12: 08 14 Michelangelos Handschuh Christine Ott lassen sich weder auf eine autobiographische Konfession noch auf eine Kunsttheorie in Versen reduzieren. Wie Ida Campeggiani (2012) anhand von beispielhaften Analysen der Varianten vorgeführt hat, lässt ich das kompositorische Prinzip Michelangelos keinesfalls als ein Wegnehmen des Überflüssigen begreifen, sondern ganz im Gegenteil als ein unermüdliches Hinzufügen. 8 Nicht auf eine Reduktion von Komplexität zielen demnach die nachträglich hinzugefügten Varianten, sondern auf eine gesteigerte Verschachtelung des Sinns, in der oft gegensätzliche Bedeutungsvarianten intentional nebeneinander gestellt werden. Neben philologischen Studien, zu denen Campeggiani und ihr Lehrer Giorgio Masi wichtige Arbeiten vorgelegt haben, dominieren in der gegenwärtigen Beschäftigung mit Michelangelos Lyrik zwei Tendenzen, von denen die eine danach strebt, Michelangelos Liebes- und Kunstkonzept auf die Philosophie des Neuplatonismus zurückzuführen, während die andere in der Homosexualität Michelangelos den eigentlichen Schlüssel zum Verständnis seiner Rime sieht. Beide Ansätze beziehen sich vorzugsweise auf eine Gruppe von vorwiegend in den 1530er Jahren verfassten Gedichten, in denen ein männliches lyrisches Ich ein männliches Du anspricht. Gewidmet sind viele dieser Gedichte dem jungen Adligen Tommaso Cavalieri, den der 57-jährige Michelangelo 1532 kennenlernte und dem er neben den Gedichten auch Briefe und Zeichnungen schickte. Bei der Lektüre dieser Texte kann man sich tatsächlich nicht des Eindrucks einer heißen Leidenschaft erwehren, die jedoch von beiden Männern bevorzugt im Vokabular der neuplatonischen Männerfreundschaft artikuliert wird. Interessant ist dabei, dass sich bereits Michelangelos Zeitgenossen bestrebt zeigten, den großen Meister vom Verdacht der ‘Sodomie’ zu befreien. Bezeichnend ist etwa die von Michelangelos Großneffen 1623 zum Druck gegebene ‘bereinigte’ Gedichtsammlung, in der das männliche Du etlicher Gedichte in ein weibliches umgewandelt wurde. 9 Allerdings lässt sich ein solches gender-shifting teilweise auch schon in Michelangelos Manuskripten feststellen. Es ist also durchaus plausibel anzunehmen, dass Michelangelo den Topos der neuplatonischen Männerfreun- 8 Ida Campeggiani (Le varianti della poesia di Michelangelo. Scrivere «per via di porre», Lucca: Maria Pacini Fazzi 2012) beschäftigt sich in ihrer Monographie mit den Varianten und nimmt auch kritisch zu einigen editorischen Entscheidungen Girardis Stellung. 9 So wurde etwa der «desïato mie dolce signore» aus Rime 72 in eine «donna» umgewandelt - möglicherweise eine Vorsichtsmaßnahme gegenüber der Zensur. Die Verdienste des Michelangelo Buonarroti il Giovane dürfen allerdings nicht unterschätzt werden: Er hat viele Manuskripte und Zeichnungen seines Großonkels wieder aufgekauft und die handschriftlichen Versionen der Gedichte mit korrekter Wiedergabe aller Varianten transkribiert. Italienisch_80.indb 14 01.03.19 12: 08 15 Christine Ott Michelangelos Handschuh dschaft als Legitimations- und Deckdiskurs für sein homoerotisches Begehren verwendet hat. 10 Nun gibt es eine Reihe von Studien, die Michelangelos Lyrik einem orthodoxen Neuplatonismus zuzuschlagen suchen bzw. davon ausgehen, der Dichter habe sein homoerotisches Verlangen im Sinne der platonischen Männerfreundschaft sublimiert. 11 Das Verdienst dieser Arbeiten ist es, zentrale neuplatonische Denkmuster in Michelangelos Lyrik sichtbar gemacht zu haben. Übersehen wird dabei in der Regel aber die stellenweise subversive Abwandlung und Kontamination, die diese Motive bei Michelangelo erfahren. 12 Auf der anderen Seite hat insbesondere James M. Saslow versucht, in Michelangelos Lyrik Spuren eines prämodernen homosexuellen Bewusstseins auszumachen. In seinem Aufsatz von 1988 thematisiert er dabei zwar durchaus das Bewusstsein, sich mit dem Postulat eines «emerging sense of distinc- 10 Die neuplatonische Männerfreundschaft als Legitimations- und Deckdiskurs für homoerotische Lyrik zu verwenden ist durchaus zeittypisch, vgl. dazu etwa Michael Gassenmeier, «TWO LOVES I have, of comfort and despair: homo- und heterosexuelle Passion in Shakespeares Sonetten», in: Theo Stemmler (Hrsg.), Homoerotische Lyrik, Tübingen: Narr 1992, S. 129-174, bes. S. 145. Vgl. zur Praxis der Homosexualität im Florenz der Renaissance Michael Rocke, Forbidden Friendships. Homosexuality and Male Culture in Renaissance Florence, New York/ Oxford: Oxford UP 1996; zum visuellen Code homoerotischen Begehrens in der Renaissance Ulrich Pfisterer, «Freundschaftsbilder - Liebesbilder. Zum visuellen Code männlicher Passionen in der Renaissance», in: Sibylle Appuhn-Radtke/ Esther P. Wipfler (Hrsg.), Freundschaft. Motive und Bedeutungen, München: Zentralinstitut für Kunstgeschichte 2006, S. 239-259. 11 Vgl. für das bildkünstlerische Werk den klassischen Aufsatz Erwin Panofskys, «Die neuplatonische Bewegung und Michelangelo», in: ders., Studien zur Ikonologie. Humanistische Themen in der Kunst der Renaissance, Köln: DuMont 1980, S. 251-326. Als «orthodoxer» Neuplatoniker wird Michelangelo von Berthold Hub («Material Gazes and Flying Images in Marsilio Ficino and Michelangelo», in: Christine Göttler/ Wolfgang Neuber [Hrsg.], Spirits Unseen. The Representation of Subtle Bodies in Early Modern European Culture, Leiden/ Boston: Brill 2008, S. 93-120 sowie ders.: «La beltà, che muove e porta al cielo ogni intelletto sano: Liebe dichten und Kunst denken», in: Grazia Folliero-Metz/ Susanne Gramatzki [Hrsg.], Michelangelo Buonarroti: Leben, Werk und Wirkung. Michelangelo Buonarroti: Vita, Opere, Ricezione. Positionen und Perspektiven der Forschung. Approdi e prospettive della ricerca contemporanea, Frankfurt/ M.: Peter Lang 2013, S. 357-379), Armando Maggi («L’immagine del concetto d’amore: una lettura del frammento michelangiolesco ‹Ben fu, temprando il ciel tuo vivo raggio›», in: Revue des études italiennes 46, 3-4 [Juli-Dezember 2000], S. 259-268) und Joseph Francese («On homoerotic tension in Michelangelo’s poetry», in: Modern Language Notes 117, 1 [2002], S. 17-47) eingeordnet. 12 Vgl. dazu Christine Ott, «Liebe geht durch die Augen: Neuplatonismus, Homoerotik und Liebeskunst in Michelangelos Lyrik», in: Michael Bernsen/ Milan Herold (Hrsg.), Der lyrische Augenblick. Eine Denkfigur der Romania, Berlin: De Gruyter 2015, S. 99-125. Italienisch_80.indb 15 01.03.19 12: 09 16 Michelangelos Handschuh Christine Ott tive homosexual identity» 13 in der Lyrik Michelangelos der Gefahr des Anachronismus auszusetzen. Wenn er jedoch auf den Gegensatz zwischen dem Foucault’schen konstruktivistischen Ansatz und der «so-called essentialist school of gay historians» verweist, die von einer überzeitlichen homosexuellen Identität und entsprechenden Verhaltensmustern ausgehen, verortet er sich ganz klar auf der Seite der letzteren. 14 Saslow zufolge nutzt Michelangelo den petrarkistischen Code und die Polysemie der lyrischen Sprache, um ein homosexuelles Empfinden auszudrücken, für das es zu seiner Zeit noch keine Terminologie gab. Zugleich dekonstruiere er herkömmliche Gender-Gegensätze, indem er in seinen Gedichten und Briefen an Vittoria Colonna diese als «amico» und als «uomo in una donna» bezeichne. In einem späteren Aufsatz von 2013 schwächt Saslow diese These ein wenig ab, sieht in Michelangelos Lyrik jedoch weiterhin das Dokument eines erwachenden homosexuellen Bewusstseins. 15 In diesem Sinne argumentiert auch William J. Kennedy, der zeigen will, wie Michelangelo in D’altrui pietoso die heterosexuelle Norm der petrarkistischen Tradition mit seiner persönlichen «homosexual experience» in Einklang zu bringen suche und über textuelle Verschiebungs-Strategien (Kennedy bezieht sich explizit auf Freud) traditionelle Gender-Rollen zu subvertieren trachte. 16 Bei aller Zustimmung zu einzelnen Beobachtungen Kennedys halte ich es für problematisch, das Sonett als Protokoll eines Bewusstwerdungs-Prozesses zu lesen, in dem das (im Freud’schen Sinn) verdrängte homosexuelle Begehren zutage tritt. Dazu aber später mehr. Die Irritation, die von Michelangelos ‘homoerotischer’ Lyrik ausgeht, erklärt sich nun nicht nur aus seinem ambivalenten Umgang mit petrarkistischen und neuplatonischen Motiven, sondern auch aus dem soziokulturellen Kontext der Gedichte. Das Florenz der Medici, in dem Michelangelo aufwuchs, war nicht nur berühmt für seinen neuplatonisch-humanistischen Antike-Kult, sondern auch berüchtigt für die ‘Lasterhaftigkeit’ seiner Bewohner, die sich auch durch eine 1432 eigens dafür kreierte Überwa- 13 James M. Saslow, «A Veil of Ice between my Heart and the Fire: Michelangelo’s Sexual Identity and Early Modern Constructs of Homosexuality», in: Genders 2 (1988), S. 77-90, hier S. 81. 14 Ebd., S. 80. 15 James M. Saslow, «Sexual Variance, textual Variants: Love and Gender in Michelangelo’s Poetry», in: Grazia Folliero-Metz/ Susanne Gramatzki (Hrsg.), Michelangelo Buonarroti: Leben, Werk und Wirkung. Michelangelo Buonarroti: Vita, Opere, Ricezione. Positionen und Perspektiven der Forschung. Approdi e prospettive della ricerca contemporanea, Frankfurt/ M.: Peter Lang 2013, S. 99-118, hier S. 116. 16 William J. Kennedy: «Petrarchan Authority and Gender revisions in Michelangelo’s Rime», in: Antonio Toscano (Hrsg.), Interpreting the Italian Renaissance. Literary Perspectives, New York: Forum Italicum 1991, S. 55-66, S. 56. Italienisch_80.indb 16 01.03.19 12: 09 17 Christine Ott Michelangelos Handschuh chungseinrichtung nicht von ihren sodomitischen Praktiken abbringen ließen. Sexuelle Beziehungen nach dem Muster der antiken Päderastie waren in Florenz eine inoffizielle, aber in der Lokalkultur fest verankerte Institution. Doch gerade, weil es sich keineswegs um ein Minderheiten-Phänomen handelte, wendet sich Michael Rocke in seiner auf der umfassenden Erhebung historischer Daten basierenden Darstellung homoerotischer Beziehungen im Florenz der Renaissance dezidiert gegen Saslows These einer im Entstehen begriffenen homosexuellen Subkultur. Sodomitische Beziehungen zwischen Männern und Knaben betrafen vielmehr die Mehrheit der Florentinischen Männer, waren geprägt durch eine hierarchische Struktur, die der sexuellen Hierarchie einer Mann-Frau-Beziehung entsprach, und wurden trotz offizieller Verurteilung inoffiziell weitgehend toleriert. 17 Diese ‘verbotenen’ Freundschaften, die sich über die sexuelle Beziehung hinaus durchaus in ‘platonischen’ Männerfreundschaften und sozialen Bündnissen fortsetzen konnten, scheinen in der Tat (in Rom, das jedoch eine ähnliche Tradition vorweisen konnte) das Modell für Michelangelos Beziehung zu Tommaso Cavalieri vorgegeben zu haben. Wie Maria Ruvoldt gezeigt hat, hatte der Künstler seine Liebe zu Cavalieri selbst als ein ‘offenes Geheimnis’ inszeniert. Indem er enge Freunde mit der Aufgabe betraute, Tommaso Briefe, Gedichte und Zeichnungen zu überbringen und dadurch eine limitierte Zirkulation seiner Werke erlaubte, schuf er eine Art der künstlerischen Kommunikation, die ‘privat’ und ‘öffentlich’ zugleich war. 18 In diesem Sinn erscheint die Liebe zu Cavalieri auch als Teil einer bewussten Selbststilisierung, die ganz gezielt mit konventionellen (und zugleich sehr gegensätzlichen) Codes operiert. Beharrt die eine Forschungsrichtung folglich auf einem orthodoxen Neuplatonismus Michelangelos, so sieht die andere in der petrarkistischen Schmerzliebe sein zentrales lyrisches Modell, weil dieses ihm erlaubt habe, die Geschichte eines unerfüllten oder doch zumindest verbotenen Begehrens zu artikulieren. Doch die exklusive Fokussierung auf einen lyrischen Code (bzw. auf einen Subjektentwurf) wird der explosiven Mischung, wie sie sich in Michelangelos Rime zeigt, nicht gerecht. 17 Wie Rocke zeigt, wurden diese Beziehungen meist toleriert, weil sie dem jüngeren, passiven Partner (und seiner Familie) materielle Vorteile oder politische Protektion einbrachten oder weil sie den sozialen Zusammenhalt verstärkten (die älteren Liebhaber eines Jugendlichen waren oft miteinander befreundet). 18 Maria Ruvoldt, «Michelangelo’s Open Secrets», in: Timothy McCall/ Sean Roberts (Hrsg.), Visual Cultures of Secrecy in Modern Europe, Truman State University 2013, S. 105-125. Italienisch_80.indb 17 01.03.19 12: 09 18 Michelangelos Handschuh Christine Ott 3. D’altrui pietoso als Knotenpunkt heterogener lyrischer Modelle 3.1. Der petrarkeske Subtext D’altrui pietoso e sol di sé spietato, Zu anderen barmherzig und nur sich selbst unbarmherzig nasce un vil bruto, che con pena e doglia wird ein verächtlicher Wurm geboren, der mit Mühe und Schmerz l’altrui man veste e la suo scorza spoglia die Hand eines andern bekleidet und seine eigene Hülle aufgibt e sol per morte si può dir ben nato. und sich nur durch seinen Tod wohlgeboren nennen kann. -Così volesse al mie signor mie fato Wollte es doch mein Schicksal, dass auch ich meines Herren vestir suo viva di mie morta spoglia, lebendigen Körper so mit meiner toten Haut bedecken könnte, che, come serpe al sasso si discoglia, dann könnte ich so, wie sich die Schlange am Stein häutet, per morte pur potria cangiar mie stato. gleichfalls durch den Tod meine Existenzform ändern. -O fussi sol, la mie, l’irsuta pelle Oder wäre nur meine die struppige Haut che, del suo pel contesta, fa tal gonna die, aus seinem Haar gewebt, jenes Gewand macht che con ventura stringe sì bel seno, das glücklich eine so schöne Brust umfasst, -ch’i’ l’are’ pure il giorno, o le pianelle so besäße ich sie [die Brust] auch tagsüber; oder wären nur mein che fanno a quel di lor basa e colonna, [wäre ich nur] die Schuhe, die ihm Sockel und Säule sind, ch’i’ pur ne porterei du’oncie almeno. denn auch ich würde gern wenigstens zwei Unzen davon tragen. Michelangelo schrieb das Gedicht auf die Rückseite eines Briefs, den er um 1535 von Pierantonio Cecchini erhalten hatte - es war dieser gewesen, der ihn 1532 mit Cavalieri bekannt gemacht hatte und seitdem als einer der ‘Boten’ zwischen den beiden fungierte. 19 Das Gedicht wird hier (ebenso wie weiter unten einige Varianten) in einer modernisierenden Schreibweise wiedergegeben, die von Michelangelo zusammengeschriebene Wörter trennt und Apostrophe einfügt; statt «aquel» heisst es also «a quel», statt «acte» «a te», statt «lare» «l’are‘» im Sinne von «l’avrei» usw.). Abb. 2: Handschrift des Gedichts, Casa Buonarroti, Florenz 19 Zit. nach Corsaro/ Masi 2016, S. 186. Übers. Christine Ott. Das Gedicht «si legge dietro una lettera di Pierantonio, familiare del cardinale Ridolfi in Roma a M. in Roma, non datata, ma probabilmente della primavera del 1535» (Michelangelo Buonarroti, Rime, a cura di Enzo Noé Girardi, Bari: Laterza 1960, S. 278). In dem Brief berichtet Pierantonio unter anderem, es gehe Tommaso Cavalieri (der offenbar krank gewesen war) besser. Italienisch_80.indb 18 01.03.19 12: 09 19 Christine Ott Michelangelos Handschuh Bereits seine Transkription gibt Rätsel auf. Aufgrund der schwer leserlichen Schrift wurden nämlich die beiden vorletzten Worte des Gedichts unterschiedlich transkribiert und ausgelegt: Michelangelos Großneffe las sie als ein zusammengeschriebenes «duoncie» («due oncie»). Allerdings kann man auf der Handschrift einen deutlichen Abstand zwischen dem gut lesbaren «duo» und dem folgenden, kaum zu entziffernden Wort erkennen. Frey und Girardi lesen daher «duo neie»; was Girardi im Sinne von «due nevi», also zwei Winter (zweimal Schnee) deutet. 20 Michelangelo il Giovane hatte dagegen in seiner Transkription die Stelle im Sinne von «due oncie», also zwei Unzen aufgefasst (ein geringes Gewicht), diese Lesart wurde von Contini, Gorni sowie jüngst von Zaja, Campeggiani und Corsaro/ Masi übernommen. Protagonist der ersten Strophe ist ein ‘niedriges Tier’; «bruto» wird in der frühen Neuzeit als Bezeichnung für unvernünftige Tiere oder - auch schon bei Dante - Menschen gebraucht. Der Kontext legt nahe, dass es sich um eine Seidenraupe handelt. 21 Sich selbst gegenüber unbarmherzig, mit Mühe und Schmerz, bekleidet sie die Hand anderer, indem sie sich ihrer Hülle entkleidet («suo scorza spoglia»). Tatsächlich wurden die Schmetterlingslarven, um die kostbare Seide zu gewinnen, mit kochendem Wasser getötet, was Michelangelo sehr gut wusste - Florenz war seit dem Mittelalter eines der wichtigsten Zentren des Seidenhandels. 22 Jedoch wird diese Seidenraupe durch das tödliche Ablegen ihrer Hülle («per morte») erst richtig geboren («ben nato») - daher hat Michelangelo erwogen, den Hinweis auf «pena e doglia» des Tiers durch ein neben den Text geschriebenes «con dolce doglia» zu ersetzen. Das tote Tier liefert den Stoff für einen seidenen Handschuh. Dass Michelangelos Handschuh, analog zu dem von Palma il Vecchio gemalten, wie ein Fetisch fungiert, der den Blick auf ein geheimes Begehren freigibt, wird deutlich, wenn man das Motiv, zusammen mit weiteren, als eine intertextuelle Anspielung liest. In den Gedichten 199 bis 201 der Rerum vulga- 20 Die Lesart ist wenig plausibel: «nevi» wäre ein Hapax und es leuchtet nicht ein, weshalb das Ich das Du ausgerechnet «zwei Winter lang» tragen wollte. 21 Dabei verweist «bruto» höchstwahrscheinlich auch auf eine psychische und physische «bruttezza» des lyrischen Ich, wie sie für Michelangelos Selbstdarstellungen als Melancholiker typisch ist. Antonio Corsaro verweist auf einen entsprechenden Passus aus Ficinos De vita, III.2: «Saturnus […] significat […] hominem ab aliis segregatum, divinum aut brutum, beatum aut extrema miseria pressum» («Michelangelo, il comico e la malinconia», in: Studi e problemi di critica testuale (ottobre 1994), S. 97-119, S. 112). 22 Erst seit dem Quattrocento gab es aber in der Toskana eine Seidenraupenzucht (vgl. Christina Ubaldini, «Le trasformazioni del verme setaiuolo. Creazione poetica e parodia divina nei sonetti di Giacomo Lubrano», in: Romanische Forschungen 124 (2012), S. 199-221, S. 201). Italienisch_80.indb 19 01.03.19 12: 09 20 Michelangelos Handschuh Christine Ott rium fragmenta geht es um einen Handschuh, den der Liebende der Geliebten entwendet hat und schließlich widerwillig zurückgeben muss. Auf Petrarcas Kanzone 126 (Chiare, fresche et dolci acque) verweisen aber die Reimwörter «colonna», «gonna» und «seno». Wandte sich das Ich dort an die Zweige und das Wasser, die Lauras Körper bei einem früheren Verweilen berührt hatte, so wünscht sich Michelangelos lyrisches Ich, seinem geliebten «signore» nah zu sein, indem es entweder Gegenstände besitzt oder sich gar selbst in Gegenstände verwandelt, die dessen Haut berühren: erst der Handschuh, dann das Gewand («gonna» - nicht im heutigen Sinn, als Rock, zu verstehen, sondern als Gewand), schließlich sogar die Schuhe. Dabei entsprechen die «pianelle» den heutigen Pantoletten; sie konnten aus Leder oder Stoff sein und waren ein beliebtes Schuhwerk der Reichen und Vornehmen. 23 Verweisen die Kommentatoren des Sonetts einhellig auf diese petrarkesken Reminiszenzen, so ist ein weiterer petrarkistischer Prätext des Gedichts bisher völlig unbeachtet geblieben. In einem Sonett aus Francesco Ceis Canzoniere (1503), den Michelangelo gekannt haben muss, spricht ein verliebtes lyrisches Ich eine Seidenraupe an, die starb, um die Hände der Geliebten zu bekleiden. Es wünscht sich, die Raupe bzw. der Handschuh zu sein. Die Terzette wenden sich an den Handschuh selbst, der zuletzt zu «Süße», Demut und Diskretion aufgefordert wird. Er solle sich leicht an- und ausziehen lassen, denn «poca cosa offende un fior di neve». 24 Eine erste Lektüre des Gedichts zeigt also, dass das verliebte Ich sich - ähnlich seinen Vorgängern bei Petrarca und Cei - wünscht, den Platz verschiedener Kleidungsstücke einzunehmen, um so dem geliebten Du näher zu sein. 3.2. Danteske Reminiszenzen und Neuplatonismus Neben den petrarkesken springen danteske Reminiszenzen ins Auge, die sich wenigstens teilweise mit dem Vorstellungsbereich des Renaissanceplatonismus vermischen. So ruft die Tätigkeit der Seidenraupe, die sich opfert und stirbt, um erst so zu wahrem Leben zu gelangen, eine Passage aus dem Purgatorio und ihren Kommentar durch Landino auf. 25 23 Im Florenz des Cinquecento waren «pianelle» bei der gesellschaftlichen Elite äußerst beliebt, vgl. Michelle O’Malley, «A Pair of little Gilded Shoes: Commission, Cost, and Meaning in Renaissance Footwear», in: Renaissance Quarterly 63, 1 (2010), S. 45-83. 24 Francesco Cei, Il canzoniere, a cura di Marta Ceci, Roma: Zauli Arti grafiche 2014, S. 30. 25 Bereits Sarah Rolfe Prodan (Michelangelo’s Christian Mysticism. Spirituality, Poetry, and Art in Sixteenth-Century Italy, Cambridge University Press 2014, S. 60-64) weist auf diese Analogie hin. Italienisch_80.indb 20 01.03.19 12: 09 21 Christine Ott Michelangelos Handschuh In Purgatorio X bewegt der Anblick der büßenden Hochmütigen den Erzähler Dante zu einem Ausbruch gegen die blinde superbia der Menschen: O superbi cristiani, miseri lassi […] Non v’accorgete voi che noi siam vermi, nati a formar l’angelica farfalle che vola alla giustizia sanza schermi? Di che l’animo vostro in alto galla, poi siete quasi entomata in difetto, sì come vermo in cui formazion falla? (Purg. X, 121-129) O ihr hochmütigen Christenmenschen, arme Elende! Krank am geistigen Auge, wie ihr seid […] macht ihr euch nicht klar, dass wir doch Raupen sind, dazu geboren, Engelsfalter zu werden, die unbehindert nach oben schweben sollen zum Gerechten! Wie könnt ihr euch einbilden über allem zu stehen, wo ihr doch eher missratene Zufallswesen seid, wie ein Gewürm, bei dem der Bauplan fehlschlug? (Ü. Hartmut Köhler) Die irdische Dimension der Menschen wird jener von Raupen («vermi») gleichgesetzt, die gleichwohl dazu bestimmt sind, Schmetterlinge zu werden. Die Hochmütigen vergleicht Dante aber mit defizitären Wesen («entomata»), weil ihre Überheblichkeit sie für den Aufstieg zu Gott ungeeignet macht. Landino kommentiert den Passus wie folgt: «Sono molti vermi e maxime e bigatti, che fanno la seta, e quali benché sieno animali imperfetti, nientedimeno concepono in sé una farfalla, la quale crepando, el vermine escie, et vola via. Chosì l’uomo è quasi un vil vermine. […] Ma chosì vermi siamo apti a formare la farfalla chome el bigatto. Questa è in noi l’anima immortale […].» 26 «Es gibt viele Würmer, und besonders jene Raupen, die Seide spinnen, die, obwohl sie unvollkommene Tiere sind, doch in sich einen Schmetterling ausbilden - wenn dieser zerbricht, kommt der Wurm heraus und fliegt weg. Ähnlich ist der Mensch wie ein verächtlicher Wurm. […] Doch so, 26 Cristoforo Landino, Comento sopra la Comedia, a cura di Paolo Procaccioli, tomo III: Purgatorio, Roma: Salerno 2001, S. 1212 f., Hervorh. und Übers. Christine Ott. Italienisch_80.indb 21 01.03.19 12: 09 22 Michelangelos Handschuh Christine Ott als Würmer, sind auch wir imstande, einen Schmetterling auszubilden, so wie die Seidenraupe. Dieser ist unsere unsterbliche Seele […].» Wenn Michelangelo die Seidenraupe als «vil bruto» bezeichnet, nimmt er Landinos Formulierung, nach der der Mensch ein «vil vermine» ist, beinahe wörtlich auf. Die erste Strophe erscheint damit zunächst als eine Reflexion über die menschliche Bestimmung: So wie die Raupe dazu bestimmt ist, ihre Hülle abzuwerfen um sich in einen Schmetterling zu verwandeln, wird der Mensch erst durch seinen Tod (also durch das Abwerfen der sterblichen Hülle) zum eigentlichen Leben geboren - nämlich zum ewigen Leben. Allerdings wird diese christlich-danteske Bedeutung von einer weiteren, neuplatonischen Sinnschicht überlagert. Präzisiert wird nämlich, dass der «vil bruto» mit sich selbst unbarmherzig, einem anderen jedoch milde gesinnt ist. Mir scheint, dass Michelangelo damit auf das Ficinianische Motiv der «morte degli amanti» aus Buch II, VIII des Libro dell’amore verweist. Das Gemüt («animo») des Liebenden ist nicht bei ihm selbst, erklärt Ficino; es verlässt den Körper des Liebenden, um im Körper des Geliebten weiterzuleben. Handelt es sich um wechselseitige Liebe, so erfährt der Liebende eine zweifache geistige «Auferstehung»: «Una solamente è la morte nell’amore reciproco, le resurretioni sono due; perché chi ama muore una volta in sé quando si lascia, risuscita subito nello amato quando l’amato lo riceve con ardente pensiero, risuscita ancora quando lui nello amato finalmente si riconosce e non dubita sé essere amato. O felice morte alla quale seguono due vite! » 27 Wird der Liebende allerdings nicht wiedergeliebt, so wird er gleichsam zum Untoten, der weder in sich selbst noch in dem Geliebten leben kann. Die geistige Auferstehung im Körper des anderen bleibt ihm verwehrt - es sei denn, er würde sich «entlieben» («indegnatione»): «Adunque in nessun luogo vive chi ama altrui e non è da altrui amato, e però interamente è morto el non amato amante, e mai non risuscita, se già la indegnatione no’l fa risuscitare.» 28 Auch die zweite Strophe beginnt mit einer dantesken Reminiszenz. Das Bild der sich häutenden Schlange und der Neologismus «si discoglia» wurde 27 Marsilio Ficino, El libro dell’amore, a cura di Sandra Niccoli, Firenze: Olschki 2013, S. 41 f. 28 Ebd., S. 40 f. Italienisch_80.indb 22 01.03.19 12: 09 23 Christine Ott Michelangelos Handschuh von den Kommentatoren nämlich auf den Aufruf Catos in Purgatorio II zurückgeführt, der die säumigen Seelen ermahnt, sich büßend ihrer sündhaften «Hülle» zu entledigen. 29 Zugleich lässt sich der hier geäußerte befremdliche Wunsch des Ich, seinen Herrn mit der eigenen toten Hülle zu bekleiden, mit einem Bibelvers in Verbindung bringen, den die Predigtliteratur zur Auslegung des Bartholomäus-Martyriums verwendete. Es handelt sich um eine Episode aus dem ersten Buch Samuel. Jonathan, der David in inniger Freundschaft verbunden ist - er liebt ihn wie seine eigene Seele - legt sein Gewand ab, um David damit zu bekleiden («Er zog den Mantel, den er anhatte, aus und gab ihn David» - «Exspoliavit se Ionathas»; 1. Samuel 18, 4). 30 Aus Liebe zum ewigen Leben seiner Seele möchte Michelangelos lyrisches Ich folglich seinen Körper ablegen (so wie Bartholomäus sich der Häutung unterzog). Das Motiv des Bartholomäus verweist wiederum auf die vieldiskutierte Szene in Michelangelos Jüngstem Gericht, wo uns aus den leeren Augen der abgezogenen Märtyrerhaut Michelangelos Selbstporträt entgegenblickt. 31 Über den Umweg des Motivs der abgezogenen Haut kann Michelangelos Gedicht aber eine innige Männerfreundschaft - die zwischen David und Jonathan - aufrufen. Das bedeutet, dass die spirituelle und die homoerotische Ebene hier keineswegs nebeneinander (oder gegeneinander) stehen, sondern eng miteinander verwoben sind. Der erwünschte Liebestod, die Verwandlung in eine tote Haut, würde es dem Ich erlauben, seinen ‘Zustand’ zu verändern - in Michelangelos Lyrik bezeichnet das «cangiar stato» ein ersehntes - und oft unerreichbar scheinendes - Eintreten in einen Gnadenzustand (denn nur wer im Zustand der Gnade stirbt, kann erlöst werden, wie mehrere Gedichte betonen). 29 «Correte al monte a spogliarvi lo scoglio» (Purg. II, 122). Für einen ausführlicheren Kommentar des Passus im Zusammenhang mit dem Motiv der «Haut» vgl. Christine Ott, «La vesta, ch’al gran dì sarà sì chiara: Dante, Michelangelo und das Jüngste Gericht», in: Deutsches Dante-Jahrbuch 2018, S. 3-24. Auch in der fragmentarischen Sestine Sie pur, fuori di mie proprie (Corsaro/ Masi [2016], S. 390) verwendet Michelangelo das Bild der sich häutenden Schlange als ein Bild für spirituelle Umkehr und Läuterung. 30 Vgl. Nicole Bériou, «Pellem pro pelle (Job 2, 4). Les sermons pour la fête de saint Barthélémy au XIIIe siècle», in: Micrologus: La pelle umana/ The human skin XIII (2005), S. 267-284, S. 271. 31 Zu den hilfreichsten der äußerst kontroversen Deutungen gehören m.E. Victor Stoichita («Michelangelos Haut», in: Hans-Georg von Arburg u.a. [Hrsg.], Mehr als Schein. Ästhetik der Oberfläche in Film, Kunst, Literatur und Theater, Zürich/ Berlin: diaphanes 2008, S. 35-51) und Leo Steinbergs provokante, aber dem Irritationspotenzial des Freskos Rechnung tragende Lektüre («A corner of the Last Judgement», in: Daedalus 109, 2 [1980], S. 207-217, 221-273). Italienisch_80.indb 23 01.03.19 12: 09 24 Michelangelos Handschuh Christine Ott Lässt sich in Strophe 2 folglich eine Überlagerung von religiöser und erotischer Ebene feststellen - tatsächlich kann «signor» ebenso gut Gott bezeichnen wie den Geliebten - so erregen die Terzette den Verdacht eines sexuellen Subtextes. 3.3. Der erotisch-burleske Subtext Die Terzette bilden gemeinsam einen einzigen langen Satz, mit dem das Ich abschließend sein erotisches Begehren ausdrückt. Dieser Wunsch ist aber in einer Weise formuliert, die in der Schwebe lässt, ob das Ich sich (dem Verwandlungsmotiv der Quartette folgend) tatsächlich in die Kleidungsstücke («gonna», «pianelle») des Geliebten verwandeln möchte, oder ob es - den Kleiderfetischismus Petrarcas nachahmend - lediglich die Kleidungsstücke des Du besitzen möchte, gleichsam als Ersatz für den Geliebten. 32 Das Ich wünscht sich, die «struppige Haut» zu besitzen - oder zu sein -, die aus «seinem Haar» - also vermutlich aus dem Faden des «vil bruto» gewebt ist, und so den Stoff für das Gewand («tal gonna») liefert, das glücklich die Brust des Geliebten bedeckt. Einige Kommentatoren sehen in der «irsuta pelle» einen Hinweis darauf, dass es sich wohl eher um ein Felltier handle als eine Seidenraupe. Doch der Verweis auf das Weben des Stoffes («contesta») zeigt, dass Michelangelo zweifellos an eine solche denkt. Wenn die «irsuta pelle» zusätzlich an Tierhaut denken lässt, so ist damit einerseits das Motiv der ‘Sündenhaut’ aufgerufen - ein zentraler Topos der Genesis-Exegese, derzufolge die menschliche Sündhaftigkeit durch jene Tierhäute symbolisiert wird, mit denen Gott Adam und Eva nach dem Sündenfall bekleidete. Eine «irsuta pelle» ist aber auch das gängige Attribut der Satyrn - der Satyr Marsyas indes verkörpert durch sein Schicksal eine weitere Variante des Häutungsmotivs. 33 Ebenso, wie das Ich das Gewand des Du sein (oder besitzen) möchte, möchte es dessen Schuhe sein (oder besitzen). Michelangelo hat unter die letzte Strophe noch einige, teilweise kaum zu entziffernde Varianten hinzugefügt: 32 Das würde dann bedeuten, das nicht das Ich der «vil bruto» ist, sondern der Geliebte, was wiederum das Wortspiel mit «cavaliere» erklären würde; in jedem Fall wird durch diese Ambivalenz und durch den in den Varianten vollzogenen «Rollentausch» eine Austauschbarkeit der Rollen Liebender-Geliebter; Kleid-Körper suggeriert. 33 Zum Fell der Satyrn vgl. Francoise Lavocat, La syrinx au bûcher. Pan et les satyres à la Renaissance et à l’age baroque, Genève: Droz 2005, S. 86. Italienisch_80.indb 24 01.03.19 12: 09 25 Christine Ott Michelangelos Handschuh Abb. 3: Handschrift des Gedichts, Ausschnitt: die Varianten zur letzten Strophe, Casa Buonarroti Unter der Schlussstrophe ch’i’ l’are’ pure il giorno; o le pianelle che fanno a quel di lor basa e colonna, ch’i’ pur ne porterei du’oncie almeno. steht somit: fuss’io che basa a quel fanno o Colonna ch’al piover t’are‘ pure addosso almeno darunter einige unleserliche Wörter, von denen das vorletzte «felice» lauten könnte, dann: fuss’io che fanno a te basa e Colonna che’l dì pur m’aresti o che’l giorno pur m’aresti, o le pianelle Aus dem in dritter Person besprochenen Geliebten ist in den Varianten ein ‘tu’ geworden, das vom Ich unmittelbar angesprochen wird. Dieses Du nimmt zugleich, im Gegensatz zur ersten Version, den ‘aktiven’ Part in der herbeigesehnten liebevollen Umarmung ein. In der ersten Version will das Ich, in Form eines Kleidungsstücks, das Du besitzen; in der zweiten Version wird es vom Du ‘besessen’ - was im Fall der «gonna» keine größeren Verständnisschwierigkeiten aufwirft. Schwieriger zu deuten ist die Variante zum Schlussvers, die Campeggiani liest als: «c’al piover t’are’ pure addosso almeno». Wenn ich deine Schuhe wäre, besagt das Ich, dann würdest du dich wenigstens bei Regen an mich schmiegen - es wäre also der Fuß des Du, der Italienisch_80.indb 25 01.03.19 12: 09 26 Michelangelos Handschuh Christine Ott sich beim Regen an die nassen Schuhe schmiegt (und nicht umgekehrt, wie es eigentlich plausibler wäre). Deutlich wird jedenfalls, wie Campeggiani zu Recht bemerkt, die Imagination eines engen Hautkontakts. 34 Wenn das Du in den Varianten eine ‘aktivere’ Rolle einnimmt, so rückt es (noch) ein wenig mehr von der unnahbaren petrarkistischen Geliebten ab; eine reziproke Liebe wird angedeutet. Auf die Problematik der Entzifferung des Schlussverses wurde bereits hingewiesen. Angenommen, die von Frey und Girardi vorgeschlagene Lesart («duo nevi») sei plausibel, bleibt immer noch die Frage, was das Ich (als Schuh des Geliebten) nun genau ‘tragen’ möchte («ne porterei»). Eine etwas abenteuerliche Lesart meint, es handle sich bei diesen «duo nevi» um die schneeweißen Hinterbacken des Angebeteten. 35 Dagegen liest Ida Campeggiani das «portare» im Sinne von ‘beitragen’. So wie das Ich in der ersten Strophe den Stoff für die Handschuhe des Du liefern möchte, möchte es nun wenigstens zwei Unzen zu dem Stoff beitragen, aus dem die Pantoffeln des Du gewebt sind. Bedenkt man aber, dass den Schuhen eine stützende Funktion zugeschrieben wird (sie sind «basa» und «colonna» für «quel», also für den Geliebten), 36 so scheint es plausibler, den letzten Vers so zu verstehen, dass das Ich - zum Schuh geworden - wenigstens zwei Unzen der Last des Geliebten tragen möchte. Die Evokation der Schuhe verleiht den Schlussversen eine Note des Alltäglichen, wenn nicht gar des Komisch-Burlesken. Doch die burleske Lesart schließt, ebenso wie die erotische, die spirituelle mitnichten aus. Ein neuer Blick auf das Gedicht zeigt zudem, dass diese beiden Ebenen kei- 34 Für die folgenden Verweise auf Campeggiani vgl. Ida Campeggiani, Le varianti della poesia di Michelangelo. Scrivere per via di porre, Lucca: Pacini Fazzi 2012, S. 23-29. 35 Frey vermutet in «duo neie» (für «duo nevi») eine Anspielung auf die weiße Haut des Liebesobjekts; davon ausgehend vermutet er dann, dass «neie» für «Oberschenkel, Backen (? )» gebraucht sein muss, «dann würden wenigstens le pianelle als basa e colonna besser am Platz sein» (Frey (1897), S. 346). Dies veranlasst dann wiederum den Michelangelo-Übersetzer Michael Engelhard dazu, «neie» kurzerhand mit Po- Backen gleichzusetzen. Sein Kommentar: «Die letzte Zeile hält sich an den Wortlaut «neie», was (Po-)Backen heißt. Übersetzer und Herausgeber machen daraus durchweg «nevi», einem ungebräuchlichen Plural von «neve» = Schnee, was dann auch noch als Metapher für «Jahre» herhalten muß und einen überaus schwachen und schwer verständlichen Gedichtschluß ergibt. […] Man sollte aufhören, einen Mann vom Range Michelangelos unter die Glasglocke der Moral besorgter Professorenväter zu stellen» (Michelangelo, Sämtliche Gedichte. Italienisch und deutsch, übersetzt und herausgegeben von Michael Engelhard, Frankfurt/ M.: Insel 1992, S. 408). Schade, dass der Insel- Verlag für eine solche Übersetzung keinen des Italienischen Kundigeren herangezogen hat. 36 Strenggenommen muss sich «quel» auf «seno» beziehen; doch lässt sich bereits das «l’arei» sowohl auf das Besitzen der Brust wie auch des Geliebten beziehen. Italienisch_80.indb 26 01.03.19 12: 09 27 Christine Ott Michelangelos Handschuh neswegs erst ab der zweiten oder dritten Strophe hinzutreten; sie sind von Anfang an im Text angelegt. 4. Die Ambivalenz der Seidenraupe Mit dem Bild der Seidenraupe werden gleich mehrere Diskurselemente sehr unterschiedlicher Provenienz in den Text eingelassen. Das Bild der ihren Faden auswerfenden Seidenraupe wird in einigen Komödien des Cinquecento als obszöne Anspielung auf den sexuellen Akt eingesetzt: Die Raupe heißt dann nicht ‘baco da seta’ oder ‘verme da seta’, sondern dialektal ‘cavaliere’. 37 Daher lesen einige Kommentatoren in dem «vil bruto» eine onomastische Anspielung auf den Namen Cavalieri. 38 Diese Deutungsmöglichkeit lässt dann doch einen deutlichen Bruch mit petrarkistischen Sprachkonventionen aufscheinen - und sie rückt es vielmehr in die Nähe jener burlesken Lyrik, in der sich Michelangelo, das Vorbild Lorenzo de’ Medicis nachahmend, bereits versucht hatte. 39 Zum Kreis der burlesken Dichter (und oft zugleich zur Accademia fiorentina) gehörten u.a. der Maler und Dichter Agnolo Bronzino, Pietro Aretino und Benedetto Varchi. Ihre Dichtungen gaben in der Regel vor, einfache Alltagsgegenstände zu rühmen, die jedoch, einem extrem codierten Sprachgebrauch folgend, auf Sexuelles verwiesen. 40 Im vorliegenden Gedicht könnten insbesondere die «pianelle» (neben dem «cavaliere») eine mögliche sexuelle Anspielung enthalten. 41 37 Campeggiani (2012), S. 28. 38 Eine ähnliche erotisch-onomastische Anspielung darf man in dem Sonettfragment Chi di notte cavalca vermuten. 39 Wie Ida Campeggiani gezeigt hat (Campeggiani [2012], S. 143-147), ist Bernis Lob auf Michelangelo recht ambivalent; auch seine Darstellung Michelangelos als Platoniker (womit ohnehin wohl mehr auf seine Männerliebe angespielt wird) und Antipetrarkist ist nicht vollends ernst zu nehmen. Jedenfalls bezeugt das Gedicht, ebenso wie Michelangelos Antwort darauf, dass dieser dem Kreis der burlesken Dichter nahestand (beide Gedichte in Corsaro/ Masi [2016], S. 276-281). 40 Zu den verschiedenen Codierungsmöglichkeiten vgl. die monumentale Arbeit von Jean Toscan, Le carnaval du langage. Le lexique érotique des poètes de l’equivoque de Burchiello a Marino (XVe-XVIIe siècles), Presses universitaires de Lille 1981, 4 Bde. Zu Bronzino vgl. Deborah Parker, Bronzino. Renaissance painter as a poet, Cambridge University Press 2000, S. 20. Als Beispiele nennt Parker u.a. Bronzinos Gedichte Del pennello, La padella, Della cipolla. 41 Toscan zufolge ist «pianelle» in der burlesken Lyrik ein Codewort für den Anus, während «andare in pianelle» den sexuellen Verkehr «contre nature» bezeichne (Toscan, Bd. III, S. 1321, 1344 f.). Auch wenn Toscans Arbeit Gefahr läuft, überall sexuelle Codewörter zu entdecken, sind die durch sein Werk eröffneten Interpretationsmöglichkeiten doch bedenkenswert. Italienisch_80.indb 27 01.03.19 12: 09 28 Michelangelos Handschuh Christine Ott Die «Häutung» der Seidenraupe wäre demnach eine verschlüsselte Evokation der Ejakulation - dafür könnte auch die Variante «dolce doglia» (statt «pena e doglia») sprechen, die Michelangelo neben den Text gesetzt hat. Die Möglichkeit, «vil bruto» als Anspielung auf Cavalieri zu lesen, ist zunächst einmal verwirrend, weil man die Seidenraupe dann nicht nur als eine Identifikationsfigur des lyrischen Ich, sondern auch als alter ego des realen Adressaten des Gedichts lesen müsste. Dies würde freilich den üblichen rhetorischen Unterwerfungsgesten, die Michelangelo sowohl in seinen Briefen als auch in seinen Gedichten an Cavalieri verwendet, widersprechen. Frappierend ist insbesondere die übertriebene Demut, mit der er diesem seine Zeichnungen offeriert (Zeichnungen, um die ihn andere vergebens baten): Wenn es darunter etwas gebe, das Tommaso gefalle, sei dies weniger der Qualität von Michelangelos Arbeiten als vielmehr ihrem Glück geschuldet, schreibt Michelangelo. 42 Falls die als «vil bruto» - als niedriges, nicht vernunftbegabtes Tier - benannte Seidenraupe also tatsächlich zugleich den Liebenden wie auch den Geliebten des Gedichts bezeichnet, käme die rhetorische Strategie des Gedichts einem ambivalenten Gestus der Selbsterniedrigung und Selbstüberhebung gleich. Doch die schon angezeigte Austauschbarkeit der Rollen von Ich und Du, die es möglich machte, das Ich simultan als das Du bekleidendes und von diesem bekleidetes zu sehen, macht genau diese Lesart plausibel. Wie Ida Campeggiani gezeigt hat, liegt die Besonderheit von Michelangelos Textproduktion gerade darin, dass sie vielfältige, bisweilen auch konträre Lesarten gleichberechtigt nebeneinander stehen lässt. Angesichts der erotischen Konnotationen ließe sich nun die von William Kennedy sehr treffend herausgearbeitete Austauschbarkeit der ‘aktiven’ und ‘passiven’ Rolle von Ich und Du - ganz im Sinne Saslows - als ein Wunsch nach Subversion der im Florenz des Cinquecento geltenden (homo-) sexuellen Rollenmuster verstehen. 43 Ein wenig zu weit geht Kennedy allerdings, wenn er in der Konfusion der Identitäten von Ich und Du sowie der entsprechenden Konfusion von aktivem und passivem Liebespartner das 42 «E se […] avien che alcuna ne facci, come desidero, che a•llei piaccia, la chiamerò molto più avventurata che buona.» («Michelangelo in Roma a Tommaso de’ Cavalieri in Roma, 1.1.1533», in: Filippo Tuena (Hrsg.), La passione dell’error mio. Il carteggio di Michelangelo. Lettere scelte 1534-1564, Roma: Fazi 2002, S. 10). 43 Wie Rocke herausgearbeitet hat, folgen die homosexuellen Praktiken im Florenz des Cinquecento streng dem Muster der platonischen Knabenliebe, in dem dem Älteren stets nur der aktive, dem Jüngeren der passive Part zukommt. Ein Verstoß gegen diese Konvention wurde entsprechend streng geahndet und als besonders ‘unnatürlich’ angesehen. Italienisch_80.indb 28 01.03.19 12: 09 29 Christine Ott Michelangelos Handschuh Resultat einer Freud’schen Verdrängung sieht. 44 Darüber hinaus darf man auch nicht vergessen, dass Michelangelo in seinen an weibliche lyrische Dus gerichteten Gedichten das lyrische Ich oftmals eine ähnlich ‘passiv’-unterwürfige Rolle einnehmen lässt, wie es hier (teilweise) der Fall zu sein scheint. Der burleske Code verstärkt die auch in den Petrarca-Reprisen angedeuteten erotischen Anspielungen. Zugleich hebt er das, was der petrarkistische Code behauptet, zumindest ein Stück weit auf: Die Liebe des lyrischen Ich ist keine Verzicht- und Schmerzliebe, sondern eine erwiderte Leidenschaft. Entwirft sich das lyrische Subjekt im petrarkistischen Code als ein verzichtendes, so affirmiert es im burlesken Code den Genuss einer erwiderten Liebe. Der burleske Code entwertet jedoch den spirituellen Subtext des Gedichts nicht; er wird diesem nur hinzugefügt. 5. Faden und Stoff: die metapoetische Ebene Um weitere Sinnebenen des Textes zu erschließen, lohnt sich ein Blick auf die literarische Geschichte der Seidenraupe, für die eine Studie von Cristina Ubaldini erste Bausteine liefert. 45 Die Seidenraupe nimmt im allegorischen Bestiarium der frühen Neuzeit einen weniger prominenten Platz ein als der Schmetterling, die Zikade oder die Biene. Dabei bieten sich doch die zahlreichen Metamorphosen, die sie im Laufe ihrer Existenz durchmacht - sie häutet sich viermal, bevor sie sich in ihren Kokon einspinnt und zum Schmetterling wird - hervorragend für eine theologische Lektüre an (etwa als Figur des auferstandenen Christus oder der Befreiung der Seele aus dem Gefängnis des Körpers). Wie schon erwähnt, bleibt den realen Zuchtraupen eine solche Auferstehung aus menschlicher Profitgier verwehrt: Um den kostbaren Spinnfaden zu gewinnen, werden die eingepuppten Tiere in kochendem Wasser getötet. Einen ersten literarischen Auftritt hat die Seidenraupe in Dantes Commedia - die für Michelangelo entscheidende Stelle und ihr Kommentar durch Landino wurden bereits besprochen. In Petrarcas Familiares (I, 8) wird sie als metapoetisches Motiv eingesetzt. Ihre Art der Produktion - sie spinnt die 44 Diese Verdrängung wird Kennedy zufolge deutlich in der «gonna», der die Rolle zukomme, die Genitalien und somit die «phallic identity» des Geliebten zu verbergen (Kennedy [1991], S. 63 f.). Kennedy liest das Gedicht wie das Psychogramm eines Bewusstwerdungsprozesses: Über die Reminiszenz an Petrarcas Handschuh-Fetisch, der schon bei diesem ein zuerst «verdrängtes» körperliches Begehren anzeige, sei sich Michelangelo seines Begehrens gegenüber Cavalieri erst voll bewusst geworden. 45 Vgl. zum Folgenden Cristina Ubaldini, «Le trasformazioni del verme setaiuolo. Creazione poetica e parodia divina nei sonetti di Giacomo Lubrano», in: Romanische Forschungen 124 (2012), S. 199-221. Italienisch_80.indb 29 01.03.19 12: 09 30 Michelangelos Handschuh Christine Ott Seide ganz aus sich selbst heraus («ex visceribus sericum produit») - wird von Petrarca jener der Bienen, die ihren Honig überall sammeln («passim sparsa colligere») entgegensetzt. 46 Nun hat Michelangelo, des Lateinischen kaum mächtig, die Familiares wohl eher nicht gelesen; dennoch ist es gut möglich, dass er diesen im Cinquecento weitverbreiteten Text oder Auszüge davon kannte. 47 Falls Michelangelo den Passus kannte, könnte er mit dem Bild des «vil bruto» auch eine metapoetische Aussage in sein Gedicht eingewebt haben. Zumindest hat er das Bildfeld des Stoffes später, in einem Brief an seinen Freund Luigi del Riccio, in metatextuellem Sinn verwendet. Darin verteidigt er die eigene Art zu Dichten gegenüber der seines Freundes Donato Giannotti, indem er sie mit einem einfachen, aber neuwertigen Tuch vergleicht. Dieses ziehe er jenen Kleidern vor, die aus Seide und Gold gemacht, aber gebraucht seien. Der einfache Stoff wird so implizit zum Zeichen der eigenen dichterischen Originalität. «Il sonetto di messer Donato mi par bello quante cosa fatta a’ tempi nostri; ma perch’io ò cattivo gusto, non posso far manco stima d’un panno fatto di nuovo, benché romagnuolo, che delle veste usate di seta e d’oro che faren parer bello un uom da sarti.» 48 «Messer Donatos Sonett scheint mir so schön, wie es die Dinge sind, die man heutzutage schreibt; weil mein Geschmack aber ein schlechter ist, kann ich einen groben, aber neuen Stoff nicht weniger wertschätzen als gebrauchte Kleider aus Seide und Gold, die einer Schneiderpuppe gut stünden.» Das Bild der Seidenraupe erweist sich derart als überaus vielschichtig. Wie schon angedeutet, bietet Michelangelo durch die Insistenz auf dem Tod der 46 «Rühmlicher wäre es nämlich, nicht nach Art der Bienen weit und breit Zerstreutes zu sammeln, sondern nach dem Beispiel eines Wurmes, der kaum größer ist und in seinem Gedärm einen Saft erzeugt, ein eigenes Wissen und eine eigene Sprechweise aus sich selber zu schöpfen.» (Petrarca, Familiaria. Bücher der Vertraulichkeiten, Bd. I, Buch 1-12, hrsg. von Berthe Widmer, Berlin/ New York 2005, S. 42). Stackelberg verweist auf diese Gegenüberstellung nur en passant (Jürgen v. Stackelberg, «Das Bienengleichnis: ein Beitrag zur Geschichte der literarischen ‹Imitatio›», in: Romanische Forschungen 68, 3/ 4 (1956), S. 271-293, hier S. 283); freilich deutet Petrarca diese «alternative» Produktionsweise auch nur kurz an, um dann zu den Bienen zurückzukehren. 47 Etwa durch die Lektüre mit Freunden. Für den Hinweis danke ich Luca D’Onghia. 48 Brief an Luigi del Riccio, Februar (? ) 1544, in: Corsaro/ Masi (2016), S. 685. Übers. Christine Ott. Italienisch_80.indb 30 01.03.19 12: 09 31 Christine Ott Michelangelos Handschuh Seidenraupe, der erst zu wahrem Leben führe, zuallererst eine christliche oder neuplatonische Lesart der Metapher an. Gleichzeitig aber stirbt dieser Seidenwurm, um die Hand eines reichen Patriziers zu bekleiden: Die religiöse Semantik wird von der Semantik merkantiler Ausbeutung überlagert. Schließlich ist auch ein erotischer Subtext nicht auszuschließen. Überdies lässt sich der Seidenraupen-Kokon - denkt man an die metapoetische Bedeutung, die Petrarca ihm gab - auch als Produkt eines Künstlers auffassen. In dem bereits zitierten Brief an Cavalieri schreibt Michelangelo, er hätte sich «nicht geboren» («non nato») oder «totgeboren» gefühlt, hätte ihm dieser nicht zu verstehen gegeben, dass er seine Zeichnungen gerne annehme. 49 Die Geburtsmetaphorik des Briefs lässt sich auf den neuplatonischen Topos zurückführen, demzufolge der Liebende nur im Herzen des Geliebten wirklich leben kann. Aber auch die in dem etwa zwei Jahre später verfassten Gedicht auftretende Formulierung «e sol per morte si può dir ben nato» hat Teil an diesem Vorstellungskreis - sie kann den Tod des Körpers als Voraussetzung der Geburt der Seele (im Jenseits) bedeuten, aber auch das neue Leben des Liebenden im Herzen des Geliebten. Als Mittler einer solchen Geburt, die den ‘non nato’ zum ‘ben nato’ macht, fungieren aber, wie Michelangelos Brief zu verstehen gibt, die Zeichnungen, die Geschenke des Künstlers an seinen Geliebten. Entsprechend möchte ich die These vertreten, dass die Hülle des Seidenwurms hier auch ein Bild für jene Produkte ist, die der Künstler, «con pena e doglia», ganz aus sich selbst heraus schafft. Der erotische Wunsch, dem geliebten Du nahe zu sein, wird also in ein vieldeutiges Bild übersetzt, wird zugleich als christlich-neuplatonischer Wunsch nach dem wahren Leben in der Transzendenz, als ‘demütiger’ Wunsch, zum Gebrauchsgegenstand für den geliebten ‘signore’ zu werden und schließlich als künstlerischer Wunsch, dem Geliebten die eigenen Kunstwerke gleichsam als organische Fortsätze des eigenen Selbst zu schenken, präsentiert. Schluss: Das Gedicht als Gabe Michelangelos Text ist von einer Vielfalt poetischer Reminiszenzen durchwoben, die sich in ihrer Heterogenität zu einem struppigen Knäuel von potenziellen Bedeutungen verknoten. Zwar lässt sich das gesamte Gedicht mühelos als eine re-écriture von Petrarcas Handschuh-Fetischismus lesen. Zugleich evozieren die ersten beiden Strophen jedoch christlich-danteske und neuplatonische Vorstellungen liebender Selbstentäußerung - deren Deutung 49 «Michelangelo in Roma a Tommaso de’ Cavalieri in Roma, 1.1.1533», in: Filippo Tuena (Hrsg.), La passione dell’error mio. Il carteggio di Michelangelo. Lettere scelte 1534-1564, Roma: Fazi 2002, S. 10. Italienisch_80.indb 31 01.03.19 12: 09 32 Michelangelos Handschuh Christine Ott allerdings dadurch an Komplexität gewinnt, dass diese Selbstentäußerung zugleich als eine künstlerisch-produktive Geste lesbar wird. Dass diese in den demütigen Wunsch mündet, zu einem Gebrauchsgegenstand (Handschuh, Schuhe) für das Du zu werden, muss nicht verwundern. Denn Michelangelos liebendes Ich identifiziert sich oft mit einfachen Gegenständen und Materialien. So setzt es sich in dem vermutlich Vittoria Colonna gewidmeten Madrigal Non pur d’argento o d’oro mit einer leeren Tonform gleich, die als Modell für aus Metall gegossene Statuen fungiert. Künstlerische Prozesse dienen dabei meist gleichzeitig dazu, die Liebe zu einem lyrischen Du und ein Streben nach spiritueller Läuterung auszudrücken. Die Liebe des Ich zum Du, die zugleich eine künstlerische Tätigkeit impliziert, wird in D’altrui pietoso als ein Akt der Metamorphose und Häutung, der extremen Selbstentäußerung, der schenkenden Selbstaufgabe dargestellt. Die neue Kunstkonzeption, die sich in dem Bild der Seidenraupe darstellt, lässt sich, mit Bezug auf eine Studie von Alexander Nagel, als ein im Geist des Evangelismo geborenes Konzept fassen. Der Evangelismo war eine mit reformatorischem Gedankengut sympathisierende Bewegung italienischer Kirchenmänner und Intellektueller. Nagel hat nun gezeigt, wie Michelangelo und Colonna in ihrer aus Briefen, Gedichten und Zeichnungen bestehenden ‘Korrespondenz’ ein auf der paulinischen Gnadenlehre basierendes Kunstkonzept entwickeln, das das künstlerische Schaffen implizit als eine elitäre, dem mäzenatischen Mechanismus des Tausches enthobene Tätigkeit konzipiert. Michelangelo tut dies, indem er seine Gedichte und Zeichnungen als Geschenke definiert, die keine Gegengabe erwarten. 50 Wird die Seidenraupe bei Michelangelo zu einer Passionsfigur, so rückt auch der Künstler in die Nähe des sich selbst schenkenden und entäußernden Christus. Ziel des vorliegenden Beitrags war es einerseits zu zeigen, dass die Brisanz von Michelangelos Lyrik nicht in der Versprachlichung eines ‘prämodernen homosexuellen Bewusstseins’ oder entsprechender Freud’scher Theoreme liegt. Es ist vielmehr die kühne Mischung gegensätzlicher lyrischer Register, die das eigentliche Interesse nicht nur dieses Gedichtes aus den 50 Alexander Nagel, «Gifts for Michelangelo and Vittoria Colonna», in: The Art Bulletin 79, 4 (Dec. 1997), S. 647-668, außerdem Una Roman D’Elia, «Drawing Christ’s Blood: Michelangelo, Vittoria Colonna, and the Aesthetics of Reform», in: Renaissance Quarterly 59, 1 (Spring 2006), S. 90-129. Die Idee der Kunst als eines Geschenks findet sich in Per esser manco, alta signora, indegno; die im Vergleich zur technischen Kunstfertigkeit höhere Bedeutung der göttlichen Gnade im (liebes-)künstlerischen Prozess deutet sich an in Se ben concetto ha la divina parte. Der Gedanke der «grazia», die die Frau dem Du zuteil werden lässt, rekurriert z.B. in Non posso non mancar d’ingegno o d’arte; Non men gran grazia, donna, che gran doglia; Tanto sopra me stesso; S’alcun legato è pur dal piacer molto. Italienisch_80.indb 32 01.03.19 12: 09 3 3 Christine Ott Michelangelos Handschuh Rime ausmacht. Andererseits ging es darum, in der Interpretation des Sonetts der Vielfalt der Motive und Codes gerecht zu werden, die sich hier kreuzen. Petrarkistischer Fetischismus, neuplatonische Seelenfreundschaft und Seelenwanderung, christlich-danteske Läuterungsmotivik, erotisch-burlesker Code und die scheinbar abwertende Selbstdarstellung des Künstlers als Seidenraupe: Alle diese Motive fließen zusammen im Motiv des seidenen Handschuhs. Die Verknotung heterogener Codes bringt den literarischen Entwurf eines ‘verknoteten’ Subjekts hervor: keine autobiographisch-dokumentarische Darstellung zwar, aber doch eine Selbstreflexion des Autors, die kein rein textuelles Artefakt ist. Wie in Palma il Vecchios Männerporträt eröffnen Handschuh und Hand die Perspektive auf eine Innerlichkeit, die man nicht auf eine sexuelle Orientierung des Autors reduzieren sollte, um statt dessen eine komplexe Überlagerung vielfältiger - erotischer, religiöser, künstlerischer - Anliegen und Motive zu erkennen. Abstract. Il presente contributo esamina il sonetto D’altrui pietoso come caso esemplare di una commistione di registri e sistemi lirici eterogenei piuttosto caratteristica della poesia di Michelangelo. Fetiscismo petrarchista, amore neoplatonico, immaginario dantesco della purgazione e dell’ascesa dell’anima e linguaggio burlesco: tutti questi elementi confluiscono nell’immagine di un guanto di seta, che diventa leggibile contemporaneamente come simbolo di un desiderio erotico, di un’ansia spirituale e di un ‘prodotto’ artistico. Summary. The author of this article analyses Michelangelos’s sonnet D’altrui pietoso as an exemplary case of a mixture of registers and heterogeneous poetical systems, typical of his poetry. Petrarchan fetishism, neoplatonic love, dantesque imagery of Purgatory and of the ascension of the soul, and a burlesque language: all these elements come together in the image of a silk glove, which is interpreted as a symbol of erotic desire, of spiritual concern and as a ‘product’ of art at the same time. Bibliographie M. Buonarroti: Rime e lettere, a cura di Antonio Corsaro e Giorgio Masi, Milano: Bompiani/ Rizzoli 2016. D. Alighieri: La Commedia/ Die göttliche Komödie II, Purgatorio/ Läuterungsberg, übers. und komm. von Hartmut Köhler, Stuttgart: Reclam 2011. Bériou, Nicole: «Pellem pro pelle (Job 2,4). Les sermons pour la fête de saint Barthélémy au XIIIe siècle», in: Micrologus: La pelle umana/ The human skin XIII (2005), S. 267-284, S. 271. 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Abbildungsnachweise Abb. 1 Palma, Jacopo, il vecchio (Jacopo Nigreti). - Portrait of a Man. Italy, between 1512 and 1515. Oil on canvas, The State Hermitage Museum, St. Petersburg; Photograph © The State Hermitage Museum. Photo by - Leonard Kheifets. Abb. 2: Handschrift des Gedichts, Casa Buonarroti, Florenz (eigenes Foto). Abb. 3: Handschrift des Gedichts, Ausschnitt: die Varianten zur letzten Strophe, Casa Buonarroti, Florenz (eigenes Foto). Dem State Hermitage Museum in St. Petersburg und der Fondazione Buonarroti in Florenz danke ich für die freundliche Abdruckgenehmigung. Italienisch_80.indb 36 01.03.19 12: 09 37 M A R C F Ö C K I N G Il principe e le stelle Tomasi di Lampedusas Il Gattopardo und die Astronomie Astronoetik I Vielleicht ist das Jahr 2018 nicht die günstigste Zeit, an die Wissenschaft der Astronoetik zu erinnern. Mit dem 6. Juni 2018, als der deutsche Astronaut Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation ISS geschossen worden ist, um in der Mission «Horizons» ein halbes Jahr lang mit einer internationalen Mannschaft in 400 Kilometern Höhe um die Erde zu kreisen und das Kommando der ISS zu übernehmen, ist die Raumfahrt, die ‘Astronautik’ wieder in das Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Als ‘Astronoetik’ hingegen profilierte Hans Blumenberg in seinem letzten, posthum 1997 veröffentlichten Buch Die Vollzähligkeit der Sterne halb scherzhaft jene Wissenschaft, die sich den Gestirnen rein gedanklich, von der Erde aus nähert. Weniger systematisch als vielmehr in 145 Essays, Glossen, Gedankensplittern umkreist Blumenberg die Frage, die seinerzeit - wie der Essay «Was ist Astronoetik? » skizziert - der Hirnanatom Wolfgang Bargmann an der «damals so kleinen […] Universität […] Christiana Albertina in Kiel», 1 spielerisch aufgeworfen hatte. ‘Seinerzeit’ - das war im Oktober des Jahres 1957, als die Sowjetunion den Satelliten Sputnik in die Erdumlaufbahn geschossen hatte und erstmals ein künstlicher Kleinstmond die Erde umkreiste. Das löste im Westen den ‘Sputnik-Schock’ aus, die Bestürzung über die Zurückgebliebenheit des Westens angesichts der ganz neuen sowjetischen Hoheit über das All. Und im kleinen Kiel die ironische Frage: «Und was haben wir Vergleichbares? » Unser Denken, mit dem man nicht nur versuchen könne, die dunkle Seite des Mondes rational und in Gedankenexperimenten zu erhellen, erlaube es auch, die Frage zu stellen, ob sich das Hinfliegen überhaupt lohne. Diese ‘Astronoetik’ konfrontiert die Astronautik mit der Anfrage, ob sich diese nicht vielmehr dem menschlichen Stolz auf das technisch Machbare verdanke und ob das technisch Mögliche allein und unhinterfragt schon als hinreichende Begründung für derartige Missionen akzeptabel sei. 2 Dieses astronoetische 1 Hans Blumenberg, «Was ist Astronoetik? », in: ders., Die Vollzähligkeit der Sterne, Frankfurt/ M. 2000, S. 547-549, hier S. 547. 2 Ebenda, S. 548. Italienisch_80.indb 37 01.03.19 12: 09 3 8 Il principe e le stelle Marc Föcking Bedenken, «ob und gegebenenfalls welchen Sinn es hätte hinzufahren», 3 hat übrigens auch Patrick Illinger in der Süddeutschen Zeitung an die Horizon- Mission Alexander Gersts gerichtet. 4 Die Blumenberg’sche Astronoetik betrachtet Gestirne, Planeten, Monde von der Erde aus, bewertet skeptischheiter die Euphorie des technisch Machbaren und selbstironisch-antianthropozentrisch die Grenzen des menschlichen Wissens und Könnens, deren «Zuwachs […] unser Denken nur unverhältnismäßig wenig beeinflußt hat». 5 Die Astronoetik betrachtet die Astronomie seit ihren Anfängen als von ihren kulturellen Bedingungen nicht abstrahierbare, also stets durch menschliche Geschichte, Erfahrung, durch Kunst und Literatur imprägnierte und bedingte Praxis. Auch wenn «Astronoetik», wie Blumenberg schreibt, niemals ein «Lehrbuch oder einen Hörsaal» 6 füllen wird, könnte sich ihre im historischen Umfeld des Sputnik-Schocks beginnende Spur auch dort finden, wo ihr Name und Begriff noch fehlte: Im einzigen Roman des sizilianischen Adligen Giuseppe Tomasi di Lampedusa, über dessen frischem Grab der sowjetische Sputnik am 4.10.1957 piepend seine Kreise zu ziehen begann. Die Astronomie des Principe zwischen Wissenschaftsgeschichte und Mythos Fabrizio Corbera, Principe di Salina gehört zu den wenigen Protagonisten der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts mit starken astronomischen Interessen. Vielleicht ist er sogar der einzige neben Antoine de Saint-Exupérys Petit Prince (1943). Dennoch ist die Astronomie Don Fabrizios kaum auf das Interesse professioneller Gattopardo-Leser gestoßen und wird, wenn überhaupt, eher en passant als Beleg für den Intellektualismus des Fürsten von Salina - so von Macchia oder Orlando 7 - oder als Ausweis seiner Suche nach einem Leben in maximaler Distanz zum schäbigen Gewimmel der 3 Hans Blumenberg, «Nachdenklichkeit als Bedenklichkeit», in: ders., Die Vollzähligkeit der Sterne, S. 320-324, hier S. 320. 4 «Die Kosten für bemannte Missionen sind irrwitzig. Astronauten fliegen ins All, weil es begeistert, weil es stolz macht. Das Geld wäre besser anzulegen», SZ Online 6.6.2018, http: / / www.sueddeutsche.de/ wissen/ raumfahrt-ueberirdisches-unterfangen-1.4002699 (9.6.2018) 5 Blumenberg, «Was ist Astronoetik? », in: ders., Die Vollzähligkeit der Sterne, S. 548, vgl. auch ders., «Astronoetische Glosse», in: ebenda, S. 498-500. 6 Blumenberg, «Was ist Astronoetik? », in: ders., Die Vollzähligkeit der Sterne, S. 548. 7 Siehe Giovanni Macchia, «Le stelle fredde del ‘Gattopardo’», in: ders., Saggi Italiani, Milano 1983, S. 351-353; Francesco Orlando, L’intimità e la storia. Lettura del Gattopardo, Torino 1998, S. 28, und Anm. 2. Italienisch_80.indb 38 01.03.19 12: 09 39 Marc Föcking Il principe e le stelle materiellen Gegenwart und folglich in großer Nähe zum Tod gelesen. 8 Der Principe di Salina scheint das selbst zu bestätigen: «All’altezza di quest’osservatorio le fanfaronate di uno, la sanguinarietà dell’altro si fondono in una tranquilla armonia. Il problema vero, l’unico, è di poter continuare a vivere questa vita dello spirito nei suoi momenti più astratti, più simili alla morte.» (51) 9 Letztlich steht die Astronomie des Principe so in der Gefahr, zu einer bloßen Metapher für die erdenferne Todessehnsucht des Intellektuellen 10 oder zum realistischen Ingrediens eines Romans über den sizilianischen Adel des Ottocento und präziser über den Urgroßvater Giuseppe Tomasi di Lampedusas, den Hobby-Astronomen Giulio Fabrizio Tomasi di Lampedusa, zu werden. Dessen in den Gattopardo integrierte astronomische Leidenschaften gehörten folglich zum Gepäck eines 1957, in der Spätphase des Neorealismus, nicht eben zeitgemäß erscheinenden historischen Romans, desavouiert zusätzlich durch einen verdächtig familien-autobiographischen und wenig in die politische Landschaft Nachkriegsitaliens passenden Subtext scheinbaren, den nationalen Mythos der Unità Italiens 1860/ 61 kritisch durchkreuzenden Bedauerns über den Untergang des alten Adels. Elio Vittorini, der die Publikation des Romans für die Reihe «Gettoni» bei Einaudi abgelehnt hat, oder Leonardo Sciascia haben den Roman in eben diesem Sinne (miss-)verstanden. 11 Das sind zwei, wenn auch ungleiche, Gründe, die konkrete Ausgestaltung der Astronomie-Thematik im Gattopardo nicht für ein sonderlich wichtiges Element dieses epochalen Romans zu halten - Gründe, die die folgenden Ausführungen nicht teilen werden. Die Astronomie-Thematik in Il 8 So etwa Giuseppe Paolo Samonà, Il Gattopardo. I racconti, Firenze 1974, S. 66, 69, oder Pietro Boitani, Il grande racconto delle stelle, Milano 2012, S. 424 f. 9 Il Gattopardo wird zitiert nach Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Il Gattopardo. Edizione conforme al manoscritto del 1957, Milano 62 1998. Seitenzahlen im Fließtext beziehen sich auf diese Ausgabe. 10 Siehe etwa Arnaldo Di Benedetto, «Betrachtungen über den ersten Teil des Gattopardo», in: Birgit Tappert (Hrsg.), Vom Bestseller zum Klassiker der Moderne. Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman Il Gattopardo, Tübingen 2001, S. 65-75, hier S. 72 f.; Rosalba Galvagno, «Il desiderio stellare del Principe di Salina», in: Between III/ 5 (2013), http: / / ojs.unica.it/ index.php/ between/ article/ viewFile/ 932/ 656 (11.6.2018). 11 Siehe Leonardo Sciascia, «Il Gattopardo», in: ders., Pirandello e la Sicilia. Opere 1984-1984, a cura di Claude Ambroise, Milano 2004, S. 1161-1169. Dazu siehe Fabien Kunz-Vitali, «Lampedusa, la Sicilia e il (melo-)dramma del Risorgimento», in: Una gente di lingua, di memorie e di cor. Italienische Literatur und schwierige nationale Einheit von Machiavelli bis Wu Ming, hrsg. von Marc Föcking und Michael Schwarze, Heidelberg 2015, S. 139-158, hier bes. S. 143 f. Italienisch_80.indb 39 01.03.19 12: 09 4 0 Il principe e le stelle Marc Föcking Gattopardo zielt weder auf eine historisch-antiquarische Rekonstruktion eines sizilianischen Hobby-Astronomen des Ottocento noch auf deren unidirektionale mortalistische Metaphorisierung, die die intellektualistische Weltflucht des Principe dupliziert. In die Astronomie des Principe hat Tomasi di Lampedusa vielmehr eine Vielzahl von historischen und nicht unbedingt kompatiblen Diskursen eingespeist, und dieses vielgesichtige Konglomerat konstituiert die ebenso widersprüchliche Persönlichkeit des Principe di Salina wie die untergründige Verbindung des Romans zur Astronoetik. Die erste Schicht, die der Wissenschaftsgeschichte der Astronomie in Sizilien Mitte des 19. Jahrhunderts, liefert - wie Tomasi di Lampedusa selbst schreibt 12 - die Biographie des Urgroßvaters Giulio Fabrizio Tomasi di Lampedusa (1813-1885). 13 Dieser hatte nicht nur - wie der Romanprotagonist - eine deutsche Mutter, er war auch begeisterter und in Italien geschätzter Hobby-Astronom mit einer wohlausgerüsteten, als «Osservatorio ai Colli del Principe di Lampedusa» bekannten Privat-Sternwarte in seiner Villa nördlich von Palermo, in der er sich an der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgebrochenen Jagd nach Asteroiden beteiligte. Pietro Tacchini, der Direktor des «Osservatorio del Collegio Romano», beschrieb es 1883 als «solo osservatorio privato degno di essere menzionato». 14 Bestückt unter anderem mit einem Refraktor-Teleskop von Georg Merz (1793-1867), war sein Observatorium besser ausgerüstet als die Sternwarte von Palermo und konnte ab 1853 substantielle Beiträge zur Kometen- und Planetenbeobachtung auf Sizilien leisten. Die erste war die des Kometen 1853III, dessen Positions- und Umlaufberechnung Giulio Fabrizio dem Giornale Officiale di Sicilia mitteilte. 1857 erregte seine vermeintliche Entdeckung des dritten Kometen des Jahres (nach dem ersten durch D’Arrest und dem zweiten durch Bruhns) große Aufmerksamkeit, denn diese Entdeckung hätte den Namen Tomasi und Siziliens in die Annalen der Astronomie und an den Sternenhimmel geschrieben: «E questa terza cometa telescopica del 1857 aggiunge una novella scoverta a quelle, con cui la sicula astronomia ha contributo a arrichire di nuovi corpi il sistema planetario, ed il nome di Giulio Tomasi, Principe di Lampedusa, sarà 12 So im Brief an Enrico Merlo di Tagliavia vom 30. Mai 1957, zitiert nach Gioacchino Lanza Tomasi, I luoghi del Gattopardo, Palermo 2007, S. 62-64, hier S. 63. 13 Zu Biographie und astronomischen Interessen Giulio Fabrizios siehe Andrea Vitello, Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Palermo 2008, S. 374-378. 14 Zitiert nach Illeana Chinnici, «Nineteenth-Century Comets: Studies and Observations in Sicily», in: Journal for the History of Astronomy 46/ 2 (2015), S. 130-158, hier S. 138. Italienisch_80.indb 40 01.03.19 12: 09 41 Marc Föcking Il principe e le stelle ricordato nella storia della scienza. […] La quale scoverta […] rivela ai dotti astronomi di oltremonte la esistenza di un privato osservatorio, dal quale un uomo, rispettabile per sociali virtù, benefico, modesto ha consociato il suo nome alla vita di un astro.» 15 Da sich herausstellte, das Tomasi lediglich den Kometen D’Arrest, der am selben Tag wie der Planet Bruhns sichtbar war, beobachtet hatte, konnte zur Enttäuschung der sizilianischen Astronomen von einem ‘cometa Tomasi’ nicht die Rede sein. 16 Dennoch folgten viele weitere Berechnungen und Beobachtungen Tomasis von Kometen, Planetenkonjunktionen und der Sonnenfinsternis am 22.12.1870. Im Bericht von Gaetano Cacciatore, Direktor des Osservatorio di Palermo, ist zu lesen, dass Giulio Fabrizios Mitarbeiter, der «sacerdote Pirrone», nicht weniger begeisterter Astronom war als Tomasi selbst: «Il Principe di Lampedusa, distinto patrizio siciliano, delle cose astronomiche illuminato cultore, e che a sollievo del suo spirito in amena villa nei dintorni di Palermo, ha eretto un piccolo osservatorio fornito di non ispregevoli istromenti, per vaghezza di osservare l’Eclissi recavasi in Girgenti insieme al sacerdote Pirrone suo assiduo compagno negli studi del Cielo. In elevato terrazzo entro la città essi collocarono un cannocchiale di 11 centimetri di apertura.» 17 Giuseppe Tomasi di Lampedusa hat sich in der Ausstattung des Principe offensichtlich deutlich an die astronomische Vita seines Urgroßvaters angelehnt: Von der Namensidentität des Vornamens Fabrizio und den groben Lebensdaten 18 abgesehen teilen sie die «inclinazione alla matematica» und 15 Giornale Officiale di Sicilia, 24.4.1857, zit. nach Chinnici, «Nineteenth-Century Comets», S. 154. 16 Chinnici, «Nineteenth-Century Comets», S. 139. 17 Zitiert nach «Strumenti del Principe di Lampedusa nella collezione storica dell’Osservatorio Astronomico di Palermo G. S. Vaiana», http: / / cerere.astropa.unipa.it/ fotografie/ immagini%20eventi/ strumenti.html (3.12.2018). Zu Padre Pirrone, «anche lui autentico anche nel nome», siehe Giuseppe Tomasi di Lampedusa im Brief an Enrico Merlo vom 30.5.1957, zit. nach. Lanza Tomasi, Il luoghi del Gattopardo, S. 63. Zu Padre Pirrone als Hauslehrer bei den Tomasis siehe auch Vitello, Giuseppe Tomasi di Lampedusa, S. 42. 18 Im Roman lesen wir widersprüchliche Angaben: In der Stunde seines Todes im Juli 1883 gibt sich der Principe «settantatre anni» (224), wäre also 1810 geboren; zu Beginn der parte seconda mit Datum Agosto 1860 heißt es über ihn: «un uomo di quarantacinque anni può credersi ancora giovane fino al momento in cui si accorge di avere dei figli in età di amare» (73), er wäre also 1815 geboren. Das ist möglicherweise Italienisch_80.indb 41 01.03.19 12: 09 42 Il principe e le stelle Marc Föcking «astronomia» (25), das Observatorium in der Villa bei Palermo und dessen Ausstattung mit «due telescopi e tre cannocchiali» (48) und die Suche nach «comete» und «pianetini» (25), also ‘Kleinplaneten’ - übrigens ein von Alexander von Humboldt 1851 eingeführter Begriff zur Unterscheidung der ab Mitte des Jahrhunderts massenhaft entdeckten Asteroiden von den acht großen Planeten. Sie teilen den Ehrgeiz der Erstentdeckung und Erstbenennung, die dem Principe im Gattopardo allerdings mit «Svelto» und «Salina» (25) gelingt, und die öffentliche Anerkennung der astronomischen Entdeckungen («sufficienti riconoscimenti pubblici», 25). Und beide umgeben sich mit dem «sacerdote Pirrone» als Mitarbeiter ihrer astronomischen Leidenschaft. Im direkten Vergleich aber wird die Überhöhung des fiktiven Principe di Salina deutlich, denn dieser ist erfolgreicher als sein reales historisches Pendant, dessen ‘Cometa Tomasi’ sich ja in Luft auflöst, während der Principe di Salina seine erstentdeckten «pianetini» mit dem Namen seines Adelsgeschlechts und seines Lieblingshundes benennt. Der Ruhm des Principe ist folglich weit über Sizilien hinausgedrungen, nicht nur zollt ihm der sizilianische König Ferdinand Anerkennung, man verleiht ihm sogar eine Silbermedaille auf einem Astronomenkongress an der Sorbonne (38) und bietet ihm wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen die Senatorenwürde des neuen Regno d’Italia an. Noch in der Stunde des Todes erinnert sich der Principe, dass ihn der berühmte (reale) Physiker und Direktor der Pariser Sternwarte François Arago (1786-1853) «per l’esattezza dei difficili calcoli relativi al cometa di Huxley» (224) beglückwünscht habe. Anscheinend ist dem Autor daran gelegen, Giulio Fabrizio in die historische wissenschaftsgeschichtliche Diskursumwelt der Astronomie und ihrer Goldgräberzeit Mitte des 19. Jahrhunderts einzupassen und dank der Lizenzen des historischen Romans den sizilianischen Lokal-Astronomen zu einer italienischen, fast schon europäischen Berühmtheit auszubauen. Doch beginnt man die aufgebotenen Realien nachzuprüfen, bekommt das fiktive Bild des doch so deutlich an den historischen Urgroßvater angelehnten und auf den ersten Blick historisch wahrscheinlichen Principe di Salina Risse: Bereits die Benennung der entdeckten Asteroiden mit dem Namen des eigenen Adelssitzes und besonders mit dem des eigenen Hundes wirken vor dem Hintergrund der Benennungsusancen von Asteroiden Mitte des 19. Jahrhunderts geradezu präpotent und frivol, tragen die Asteroiden etwa des Jahres 1857 doch ausschließlich Namen aus der Mythologie wie Hestia, Aglae, Melete oder Doris, allenfalls Eugénie nach der Gattin aus der leicht selbstbetrügerischen Schönfärberei der Innenperspektive Don Fabrizios gesehen, der den schweren Schlag der eigenen Alterung angesichts des Erwachsenwerdens seiner Tochter einzustecken hat. Italienisch_80.indb 42 01.03.19 12: 09 4 3 Marc Föcking Il principe e le stelle Napoléons III. 19 Einen Huxley’schen Planeten, zu dessen Berechnung der reale Arago gratuliert haben könnte, gibt es nicht, wohl aber den bekannten Halley’schen Kometen. Dass der sterbende Principe diesen wegen beginnender Umnachtung fälschlich als «Huxley’scher» Komet benennt, ist unwahrscheinlich, denn der Principe hat den nur alle 75 bis 79 Jahre von der Erde aus zu sehenden Kometen nie zu Gesicht bekommen können, im 19. Jahrhundert war er nur am 16.11.1835 beobachtbar, und dann erst wieder 1910. Seine Bahn war schon im 18. Jahrhundert präzise berechnet worden. 20 Einen Astronomie-Kongress an der Sorbonne gegen Mitte des 19. Jahrhunderts habe ich nicht ermitteln können, denn tatsächlich begannen internationale astronomische Fachkongresse erst in den späten 1880er Jahren. Schließlich sind die von Don Fabrizio gelesenen wissenschaftlichen Zeitschriften entweder keine mit astronomischen Artikeln oder schlicht inexistent: Im «più recente numero del Journal des savants», den der Principe im Mai 1860 liest, findet sich nicht nur nicht das Zitat «Les derniers observations de l’observatoire de Greenwich présentent un intérêt tout particulier» (43), sondern überhaupt keine astronomischen Auslassungen. Das Journal des Savants bietet vor allem philologische oder archäologische Artikel und Rezensionen mit einigen wenigen Ausflügen in die Biologie oder Medizin. Im Mai 1860 hätte Don Fabrizio lesen können «De quelques fragments inédits de l’histoire des insects de Réaumur» von Marie-Jean-Pierre Flourens, die Rezension eines Buches zum Roman en vers de très-excellent, puissant et noble homme Girart de Roussillon von Émile Littré oder einen ersten Artikel über «Les ports de Cartage». Nicht einmal die Sektion «Nouvelles Littéraires» mit Berichten aus den einzelnen Akademien ist ergiebig, denn aus der für den Principe relevanten Académie des sciences findet sich nur ein einziger Satz: «Dans sa séance du 23 avril, l’Académie des sciences a élu M. Ehrenberg à la place d’associé étranger, vacante par le décès de M. le baron A. de Humboldt.» 21 Bis auf den Tod Alexander von Humboldts hätte ihn das wohl alles kaum interessiert. Gänzlich inexistent ist hingegen die deutschsprachige Zeitschrift Blätter der Himmelsforschung, zu deren Leser der des Deutschen mächtige Principe zählt, die sich aber in keinem Katalog der großen deutschen Bibliotheken nachweisen lässt. Der Titel dieser fiktiven astronomi- 19 Siehe zu den ersten Entdeckungen von ‘Kleinplaneten’ - der erste war der von G. Piazzi in der Neujahrsnacht 1800/ 1801 in der Sternwarte von Palermo entdeckte Asteroid «Ceres» - Joachim Herrmann, DTV-Atlas zur Astronomie, München 1977, S. 95 f. Cfr. die Liste der ersten 500 im 19. Jahrhundert entdeckten und benannten Asteroiden auf https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Liste_der_Asteroiden,_Nummer_1_bis_500 (11.6.2018). 20 Siehe Herrmann, DTV-Atlas zur Astronomie, S. 119. 21 Journal des Savants, Mai 1860, S. 320. Italienisch_80.indb 43 01.03.19 12: 09 4 4 Il principe e le stelle Marc Föcking schen Zeitschrift fügt sich jedoch gut dem ironischen Spiel, das Tomasi di Lampedusa hier mit dem Himmel treibt, schlägt doch der Principe mit einem zusammengerollten estratto dieser Zeitschrift ein - gewohnheitsmäßiges - Kreuz, bevor er sich zur Unterredung mit Don Calogero, dem Vater der zukünftigen Braut Tancredis, begibt. Und wie er sich aus dem Reich der Sterne und der wissenschaftlichen «astrazione», repräsentiert durch die Blätter der Himmelskunde, gewohnheitsmäßig zurückfindet in die unreflektierte sizilianische «devozione […] non religios[a]» des christlichen Himmels (118), fällt wenig später auch das illudierte Selbstbild des «Gattopardo imponente dal pelo liscio» angesichts der sizilianischen Schläue des «sciacaletto» (118) Calogero Sedara in sich zusammen. Offensichtlich sollen diese eklatanten, aber intentionalen ‘Fehler’ signalisieren, dass es im Gattopardo nicht um die Rekonstruktion eines zeitadäquaten astronomischen Diskurses im Modus des historischen Romans geht, vielmehr unterwirft Tomasi di Lampedusa die Ausstattung der Astronomie des Romans der Modellierung der komplexen Persönlichkeit des Principe und zieht dementsprechend unter und neben den pseudo-historischen Astronomie-Diskurs um 1860 andere historische Zustände, Ausprägungen und sozialen Habitus von Astronomie zusammen: Den des Zusammenhangs zwischen Astronomie und Melancholie, zwischen Astronomie und Herrschaft, zwischen Astronomie und Mythologie und zwischen Astronomie, Eros und Tod. Am offensichtlichsten ist, dass die Haltung des Principe zu den Sternen sich nicht auf ihre mathematisch-astronomische Beobachtung und Berechnung, also die wissenschaftliche Seite beschränkt. Zwar rückt der Erzähler die exakte und an eine der wichtigsten Sternwarten Italiens, die von Arcetri bei Florenz, übermittelte Berechnung der Umlaufbahn des Kometen in strikte Opposition zum katastrophischen Aberglauben seiner Ehefrau Maria Stella (50), dennoch ist die Sternenbetrachtung des Principe alles andere als allein kühler «trionfo della ragione umana che si proiettava e prendeva parte alla sublime normalità dei cieli» (50). Das Stichwort «sublime» lenkt nämlich begriffsgeschichtlich unweigerlich auf die menschliche Begrenztheit angesichts der unendlichen Weiten des Himmels, wie sie Mitte des 18. Jahrhunderts etwa Edmund Burke in A Philosophical Enquiry into the Origin of Our Ideas of the Sublime and Beautiful (1757) entworfen hat. 22 Für den Principe aber spendet dieses «sublime» nicht den ästhetischen 22 Siehe Edmund Burke, A Philosophical Enquiry into the Origin of Our Ideas of the Sublime and Beautiful, J.T. Boulton (ed.), Notre Dame/ Indiana 1968, S. 78: «A starry heaven, though it occurs so frequently to our view, never fails to excite an idea of grandeur. […] Besides, the stars lye in such apparent confusion, as makes it impossible on ordinary occasions to reckon them. This gives them the advantage of a sort of infinity.» Italienisch_80.indb 44 01.03.19 12: 09 4 5 Marc Föcking Il principe e le stelle Reiz eines settecentesken ‘angenehmen Horrors’ ,23 sondern die Fokussierung auf das Ungenügen des Irdischen, das schmerzliche Bewusstsein irdischer «impurità» und ameisenhafter Bedeutungslosigkeit und Selbstüberschätzung menschlichen Mühens (cfr. 102 f., 103), hervorgetrieben durch die Gestirne als «le sole pure» (85). Diese Nachtgedanken, die den Principe vielfach, besonders explizit etwa angesichts der Betrachtung des Sternenhimmels Donnafugatas im Abschnitt «Don Fabrizio e le stelle» erfassen, sind die eines Melancholikers, die sich bis zur Ballszene in die Wörtlichkeit der «malinconia» und des «umor nero autentico» (199) steigern. Mit der Melancholie kommt hier neben der ‘wissenschaftlichen’ Astronomie Mitte des 19. Jahrhunderts eine zweite, historisch sehr viel frühere Ausprägung der Betrachtung der Gestirne ins Spiel. Schon in der Antike galt die Astronomie (wie auch die Geometrie) als unter dem Einfluss Saturns stehende Ars liberalis, wie umgekehrt Saturn zum «theoreticon», zu Betrachtung der höchsten Naturdinge - der Sterne - und der Abstraktion - der Mathematik - konditionierte. 24 In Weiterentwicklung der pseudo-aristotelischen Problemata (XXX, 1) schreibt etwa Ficino zur «bile nera»: «Parimente essa solleva il pensiero alla comprensione delle cose più elevate, poiché corrisponde al più alto dei pianeti.» 25 Entsprechend stattet die europäische Kunst die Melancholiker wie die allegorische Darstellungen der Melancholie mit astronomischen Instrumenten aus, so etwa Marten van Heemskerk auf einer Temperamenten-Blattfolge 26 oder Albrecht Dürer, dessen erzbekannte Melancholia I nicht nur den Zirkel als zentrales Emblem der Astronomie in Händen hält, sondern auch vor einer Kometenerscheinung im Hintergrund platziert ist. 27 Diese Bindung von Sternenbetrachtung und Melancholie zieht sich als historisches Kontinuum bis in die Literatur des 20. Jahrhunderts, etwa Montagu Slaters Libretto zu Benjamin Brittens Oper Peter Grimes (1945), in dem der eigenbrötlerische Fischer Peter Grimes die Sterne nicht als nautische Fixpunkte betrachtet, sondern «the great Bear and Pleiades» mit der Undurchschaubarkeit menschlicher Existenz und mit «human grief» zusammendenkt. 28 23 Zur Begriffsgeschichte von «sublime» im italienischen 18. Jahrhundert siehe Marc Föcking, «Sublime. Funktionen des Erhabenen im Diskurssystem des italienischen Settecento», in: Helmut C. Jacobs/ Gisela Schlüter (Hrsg.), Beiträge zur Begriffsgeschichte der italienischen Aufklärung im europäischen Kontext, Frankfurt/ M. 2000, S. 167-185. 24 Siehe Raymond Klibansky/ Erwin Panofsky/ Fritz Saxl, Saturno e melancolia, Torino 1983, etwa S. 316-318. 25 Marsilio Ficino, De vita triplica, I, 5, zitiert nach Klibansky/ Panofsky/ Saxl, Saturno e melancolia, S. 244. 26 Abbildung in ebenda, Nr. 149. 27 Cfr. Hartmut Böhme, Albrecht Dürer. Melancholia I, Frankfurt/ M. 1989, S. 36-42. 28 Benjamin Britten, Peter Grimes. Bernhard Haitink, Royal Opera House Covent Gar- Italienisch_80.indb 45 01.03.19 12: 09 4 6 Il principe e le stelle Marc Föcking Von dort ist es ein kurzer Schritt zur astronomischen Melancholie des Principe di Salina. Als Astronom und Melancholiker ist Don Fabrizio per se eine elitäre Figur, denn Melancholiker sind in der Problemata-Tradition der «generosa melancholia» ausschließlich Menschen, «che hanno raggiunto l’ecellenza nella filosofia e nella politica o nella poesia o nelle arti» (Problemata XXX, 1). 29 Aber auch ohne diesen Rekurs auf die «ecellenza […] nella politica» des Melancholikers liegt für den Principe als Angehöriger des Hochadels die Pflege der Astronomie nahe, bilden doch Astronomie und Herrschaftslegitimation in der historischen Ikonographie adeliger Repräsentation seit der frühen Neuzeit ein enges Bündnis. Die Kenntnis des Himmelsgeschehens obliegt frühneuzeitlichen Fürsten nicht nur, weil die Korrespondenz himmlischer und weltlicher Ordnung die eigene Herrschaft legitimiert, was sich in den vielen astronomischen Deckengemälden frühneuzeitlicher Herrscherpaläste widerspiegelt: Das Deckengemälde im römischen Farnesina-Palast von Baldassarre Peruzzi etwa versetzt Perseus und Medusa, Venus und Leda in einen bestirnten Himmel - in einer Konstellation, in der die Forschung die Himmels- und Aspektenkarte Roms am 1. Dezember 1466 erkannt hat. Das ist der Tag der Geburt Agostino Chigis, des Erbauers des Palastes, der so den Machtanspruch seines Geschlechts in den Himmel einschreiben ließ. 30 Eben weil so eine besondere Korrespondenz von Herrschaft mit dem ewigen Lauf der Planeten inszeniert wird, kann auch von den Fürsten eine besondere Nähe zu Wissenschaft von den Gestirnen und zur Prevision des Zukünftigen für die richtige Lenkung des Staatsgeschehens erwartet werden, und damit die Pflege der sich erst langsam von der Astrologie trennenden Astronomie: Das 18. Jahrhundert kennt bedeutende fürstliche Repräsentationsbauten, in die astronomische Observatorien integriert sind, etwa das Museum Fridericianum in Kassel oder die kaiserliche Kunstkammer Peters des Großen. 31 Das Observatorium des Principe ist ein fiktiver Reflex dieser astronomischen Herrschaftsarchitektur en miniature, und ebenso ist in Fabrizios astronomischer Tätigkeit selbst der aristokratische Herrschaftsanspruch enthalten, ironisch kommentiert vom Erzähler des Gattopardo: den, EMI (1993), Booklet, S. 52. 29 Zit nach Klibansky/ Panofsky/ Saxl, Saturno e melancolia, S. 22. 30 Siehe Jean Seznec, The Survival of the Pagan Gods. The Mythological Tradition and its Place in Renaissance Humanism and Art, New York 1961, S. 79-83. 31 Siehe Johann-Christian Klant, «Kunstkamera: Museum und Sternwarte», in: Palast des Wissens. Die Kunst und Wunderkammer Zar Peters des Großen, München 2003, Bd. 2, S. 139-153. Italienisch_80.indb 46 01.03.19 12: 09 47 Marc Föcking Il principe e le stelle «Basti dire che in lui orgoglio e analisi matematica si erano a tal punto associati da dargli l’illusione che gli astri obbedissero ai suoi calcoli (come di fatto sembravano fare) e che i due pianetini che aveva scoperto (Salina e Svelto) li aveva chiamati, come il suo feudo e un suo bracco indimenticato) propagassero la fama della sua casa nelle sterili plaghe fra Marte e Giove.» (25 f.) Da das Zitat mit dem Halbsatz «e che quindi gli affreschi della villa fossero stati più una profezia che un’adulazione» (26) endet, schließt Tomasi di Lampedusa den Kreis von Astronomie und Herrschaft zur Mythologie und schlägt einen weiteren historischen Diskursbereich von Astronomie und einen den ganzen Roman durchziehenden Themen- und Metaphernbereich an. Seit der Antike, ihrer Benennung der Planeten mit den Namen der antiken Götter und ihren ätiologischen Mythen des Katasterismos (‘Verstirnung’) Sterblicher als göttlicher Liebesbeweis etwa Dionysos’ zu Ariadne oder als Vergöttlichung von Herrschern 32 muss nach einer Versöhnung von Astronomie und Mythologie 33 nicht lange gesucht werden: Nicht in der europäischen Kunst und Literatur seit der Frühen Neuzeit, 34 nicht einmal in der astronomischen Forschung des 19. Jahrhunderts, die neuentdeckte Asteroiden konsequent nach mythologischen Figuren benannte, und auch nicht im Gattopardo. 35 Bereits der «olimpo palermitano» des Deckengemäldes der ersten Seiten fügt sich sowohl der traditionellen Herrschaftsarchitektur wie der Indienstnahme des mythologisierten Sternenhimmels für die Perpetuierung eines Familienruhms, dessen Krise der Roman ausbuchstabiert. Aber auch jenseits astronomischer Herrscherenkomiastik löst die Nennung mythologischer Figuren im Denken des Principe sogleich die Gedankenverbindung zur Astronomie aus: Sein im Selbstgespräch mit Bendicò entwickelter Vergleich Napoleons III. mit Jupiter als Thronräuber Saturns «dovesse richiamare le stelle alla sua memoria» (47), was reflexartig den Gang ins eigene Observatorium nach sich zieht (47). Wie weit lassen sich die Verbindungen von Mythologie und Astronomie in der Vorstellungswelt des Principe nach diesem Erzählerkommentar treiben? Vielleicht weiter, als erwartet: Der Brunnen im Park von Donnafugata 32 Siehe etwa Christian Bechtold, Gott und Gestirn als Präsenzformen des toten Kaisers - Apotheose und Katasterismos in der politischen Kommunikation der römischen Kaiserzeit und ihre Anknüpfungspunkte im Hellenismus, Trier 2011. 33 Siehe dazu etwas Seznec, The Survival of the Pagan Gods, S. 37-83. 34 Siehe dazu einen Überblick in Boitani, Il grande racconto delle stelle, S. 283-346. 35 Und keinesfalls erst beim Auftritt der Venus in der Todesstunde des Principe, wie Salvatore Silvano Nigro, Il principe fulvo, Palermo 2012, S. 78, schreibt. Italienisch_80.indb 47 01.03.19 12: 09 4 8 Il principe e le stelle Marc Föcking etwa, mit der von Neptun umklammerten Nymphe Amphitrite inmitten von Tritonen und Najaden, könnte sich für ihn ebenso astronomisch aufladen wie das mythologische Deckengemälde seiner Villa in Palermo: «si udiva la dolce pioggia degli zampilli che ricadeva nella fontana di Anfitrite […]. Nettuno abbrancava un’Anfitrite vogliosa: l’ombelico di lei inumidito dagli spruzzi, brillava al sole, nido, fra poco, di baci nascosti nell’ombra subacquea. Don Fabrizio si fermò, guardò, ricordò, rimpianse. Rimase a lungo.» (76) «Amphitrite» hat der deutsche Astronom Albert Marth einen am 1.3.1854 an der Sternwarte von Greenwich London entdeckten Asteroiden genannt. 36 Erinnert sei daran, dass Tomasi di Lampedusa den Principe im Journal de Savants einen Artikel über die «dernières observations de l’Observatoire de Greenwich» lesen lässt (43). In der Vorstellungswelt des Principe könnten sich so das mythologische Brunnenpaar mit dem von Asteroid «Anfitrite» und Planet «Neptun» überblenden. Wenn das auf den ersten Blick auch weit hergeholt scheint, legt der Roman doch die Verbindung von Brunnen und Astronomie auf zweifache Weise nahe: Als sich der Principe während der späteren Ballszene in sein Studierzimmer wünscht, verbindet sich dieser Wunsch «ad ascoltare il chioccolío della fontana» (wenn auch nicht die des Amphitrite-Brunnens, sondern der des Stadtpalasts) mit dem nach «cercar di acchiappare le comete per la coda» (199). Die eigenartig physische Formulierung «acchiappare le comete per coda» erinnert in der Semantik des gewaltsamen Ergreifens stark an die des «abbrancava un’Anfitrite vogliosa», wodurch die Parallele von Nymphe und Komet textintern evident wird. Aber auch die Nähe des Brunnengotts Neptun zum Principe wird im Roman herausgearbeitet, wenn auch über einen Umweg. Wenige Seiten, wenige Stunden vor der Begegnung des Principe mit Tancredi am Amphitrite-Brunnen steigt Don Fabrizio «interamente nudo, come l’Ercole Farnese» aus der Badewanne, «mentre giù dal collo, dalle braccia, dallo stomaco, dalle coscie l’acqua gli scorreva a rivoli, come il Rodano, il Reno e il Danubio traversano e bagnano i gioghi alpini.» (72) Hier gestaltet Tomasi di Lampedusa in unmittelbarer Nähe zur Szene am Amphitrite-Brunnen den Principe als metaphorischen Brunnengott in Parallele zum «Nettuno spiccio» (76). Wenn Don Fabrizio wehmütig den 36 Zu Marth siehe Wolfgang Steinicke, Observing and Cataloguing Nebulae and Star Clusters: From Herschel to Dreyer›s New General Catalogue, Cambridge 2008, S. 137. Italienisch_80.indb 48 01.03.19 12: 09 4 9 Marc Föcking Il principe e le stelle glänzenden Bauchnabel der Nymphe und ihr Liebesspiel mit Neptun kontempliert, wird das von Tancredi und Teilen der Forschung als unausgesprochene erotische, nicht auf seine Frau Maria Stella - deren Nabel er trotz sieben gemeinsamer Kinder nie gesehen hat (39) - bezogene Phantasie des Principe gelesen (76). 37 Nimmt man den astronomischen Subtext der Brunnenepisode ernst, lässt sich Fabrizios erotisches Begehren auf seine Jagd nach den Sternen ausweiten und abschließend nach dem Zusammenhang von Astronomie und Eros im Roman fragen. Auf einer syntagmatischen Ebene der Histoire-Gestaltung scheint hier im ersten Teil zunächst nicht mehr als ein Kontiguitäts-Verhältnis vorzuliegen. Die Gedanken an den Besuch bei der Prostituierten Marianna, die ihn lustvoll «Principone» nennt und die ihn «umile e servizievole» bedient, wecken im Principe die Erinnerungen an eine andere Prostituierte, Sarah, «la sgualdrinella parigina che aveva frequentato tre anni fa quando per il Congresso d’Astronomia gli avevano consegnato in Sorbona una medaglia d’argento» (38). Sex und Astronomie stehen hier immerhin in einem Verhältnis inhaltlicher Nähe, das allerdings auf lexikalische Weise unterstrichen wird: Mariannas Liebe ist ebenso «umile e servizievole» (38), wie die sich seinen Berechnungen unterwerfenden Sterne «docili» (210) sind. Dass Don Fabrizios sich ihm gleichfalls unterwerfende Ehefrau «Stella» heißt, bestätigt auf witzige Weise das Bild der Frauen wie Sternen gegenüber zupackenden («acchiappare le comete», 199) Haltung des Principe. Doch ist mit dieser Haltung der Dominanz nicht alles gesagt, ja die körperliche Liebe zu Maria Stella (auch der Sex mit Marianna oder Sarah, cfr. 39) ist ebenso wenig wie die mathematische Dominanz über die «stelle» angetan, die Sehnsucht des Principe nach der Vereinigung mit den Sternen zu stillen. Vielleicht gilt die Trauer Don Fabrizios vor dem Amphitrite-Brunnen nicht so sehr der Tatsache, nicht Neptun, sondern nicht Amphitrite sein zu können. Mit anderen Worten: Nicht von einem Gott oder Göttin geliebt und in den Himmel versetzt werden zu können. Metaphorisch betreibt Tomasi di Lampedusa die Vergöttlichung des Principe ja schon seit der Erwähnung seines «cipiglio zeusiano» (26) oder des Vergleichs mit dem Ercole Farnese. Auch der Katasterismos des Hauses Salina ist mehrfach in ironischer Brechung im ersten Teil präsent, im in den mythologischen Himmel des Deckengemäldes der Palermitaner Villa erhobenen Stemma der Salina (24) oder - implizit komisiert - im «pianetino Salina» (25). Metaphorisch setzt sie sich in der einer «costellazione» angenäherten Hängung der Miniaturen Don 37 Zum politischen und erotischen Subtext des Amphitrite-Brunnens siehe Birgit Tappert, «Die Kunstwerke im Gattopardo», in: dies. (Hrsg.), Vom Bestseller zum Klassiker der Moderne, S. 153-170, hier 165-166. Italienisch_80.indb 49 01.03.19 12: 09 50 Il principe e le stelle Marc Föcking Fabrizios und seiner Familie in Donnafugata fort. Wenn Fabrizios Bildnis dort als «stella polare» (158) fungiert, hat Tomasi di Lampedusa hier den hellsten Stern im Sternbild des Kleinen Bären (oder des Kleinen Wagen) im Blick gehabt. Und weil dieser in der Nähe des Nordpols stehende Stern einer der wichtigsten Orientierungspunkte am nördlichen Himmel ist, gewinnt Don Fabrizio durch Bilderhängung wie astronomischen Vergleich die Position des unwidersprochenen Familien-Fixpunktes. Was sich hier andeutet und was der Roman aber besonders im sechsten und siebten Teil betreibt, rekurriert auf eine letzte historische Variante von Astronomie, nämlich die Aktualisierung der mythologischen Aitiologie: der Versetzung von Götterlieblingen in den Sternenhimmel. Der von der Antike ererbte Sternenhimmel wimmelt von Sternbildern, die die Namen Sterblicher tragen, von den Göttern zum Dank für ihre Taten oder aus Liebe als Sternbilder an den Himmel versetzt: Cassiopeia, Andromeda, Castor, Ariadne (in der Corona Borealis), Orion, Berenike (Coma Berenices), Arcas, Perseus. Figuren wie diese bevölkern die Gemälde der Frühen Neuzeit, bisweilen sogar mit deutlichen Verknüpfungen von Mythologie und zeitgenössischer Astrologie wie in Guercinos Bildnis des Endymion. 38 Aber auch auf den fiktiven Fresken im Palazzo Salina (Andromeda, Perseus 39 ) ebenso wie auf den realen mythologisch-astronomischen Decken- und Wandgemälde barocker und klassizistischer Villen und Adelspaläste, so etwa im Herkules-Zyklus Giuseppe Valescos mit der «Apoteosi di Ercole» im Sala d’Ercole des Palazzo dei Normanni in Palermo. 40 In den ersten Teilen des Romans nimmt der Principe diese astronomische Auto-Enkomiastik dankbar und als Kompensation für den tatsächlichen Macht- und Bedeutungsverlust in den Dienst des eigenen Hauses, ohne diesen aristokratischen Zugriff im Widerspruch zur eigenen wissenschaftlich-mathematischen Astronomie zu sehen. In den letzten Teilen jedoch treten sowohl dynastische als auch die wissenschaftlichen Aspekte der Astronomie deutlich zurück hinter das quasi platonische Modell der mythologisierten Gestirne als zwischen Sterblichen und Göttern vermittelnder Eros. 41 Dieser neo-pagane Eros deklassiert die christlichen Jenseitsvorstellungen in der Sterbeszene des Principe zum nur 38 Zum Konnex von Endymion und astronomischer Forschung siehe Marc Föcking, «Endymion», in: Der Neue Pauly Supplemente Bd. 5. Mythenrezeption, Maria Moog- Grünewald (Hrsg.), Stuttgart/ Weimar 2008, S. 253-257. 39 Zur politischen Deutung des Perseus-Mythos im fiktiven Fresko siehe Birgit Tappert, «Die Kunstwerke im Gattopardo», in: dies. (Hrsg.), Vom Bestseller zum Klassiker der Moderne, S. 153-171, hier S. 162 f. 40 Zur historischen Rolle der bourbonischen Ikonographie des Herkules in Valescos Fresko siehe Nigro, Il principe fulvo, S. 81-95, hier S. 90 f. 41 Zu denken wäre hier an die Funktion des Eros in der Rede der Diotima in Platons Symposion, aber auch an ähnliche Vorstellungen im Phaidros. Italienisch_80.indb 50 01.03.19 12: 09 51 Marc Föcking Il principe e le stelle noch formalhaft und eher sozial denn religiös verstandenen Ritus (222). Im sechsten Teil des Romans nimmt der Tod einen immer größeren Raum ein, besonders die Ballszene wird durch die Präsenz des Todes gerahmt und unterbrochen: Auf dem Weg zum Ball trifft der Principe auf einen Priester mit dem Viaticum (193), auf dem Rückweg auf eine Karre mit Schlachttieren (211), und inmitten des Balls lässt Tomasi seinen Protagonisten sich zur Meditatio mortis angesichts von Greuzes La Morte del Giusto (202) zurückziehen. Je stärker diese Anwesenheit des Todes wird, desto drängender und sehnsuchtsvoller wird Don Fabrizios Wunsch: «voleva attingere un po’ di conforto guardando le stelle» (210) und vor allem «Venere […] avvolto nel suo turbante di vapori autunnali […] al disopra del mare» (211). Die Sehnsucht nach diesem hier ganz mit den Formulierungen eines Liebesverhältnisses zu einer spröden, sich entziehenden Geliebten apostrophierten Planeten («quando si sarebbe decisa a dargli un appuntamento», 211) zielt bereits auf den Tod des Fürsten im siebten Teil und 21 unerzählte - und folglich ereignislose - Jahre später. Das Ende des sechsten Teils ist sehr eng mit dem des siebten Teils abgestimmt: Wie Don Fabrizio am Ende des sechsten Teils sehnsuchtsvoll den Planeten Venus über dem Meer erblickt, sieht er im Moment seines Todes eine «creatura bramata da sempre […] più bella di come mai l’avesse intravista negli spazi stellari» (225) und in Reisekleidung. Alles spricht dafür, dass der Principe in dieser «creatura bramata da sempre» die Planetengöttin Venus sieht. Sie ist «pronta ad essere posseduta» (225) und folglich ebenso erotisch verfügbar, wie die Sterne seiner früheren Beobachtungen «docili» (210) waren. Doch gleichzeitig wird sie im Gegensatz zur Passivität seiner früheren Forschungsobjekte aktiv im «prenderlo» (225), im Einlösen des seit Jahrzehnten aufgeschobenen «appuntamento meno effimero» (211). Das alles zielt auf die Verschiebung der Rolle des Principe vom im Selbstbetrug der eigenen vermeintlichen Macht agierenden 'Herrscher' über die Gestirne (dynastisch wie wissenschaftlich) zum dem Göttlichen unterlegenen, aber zum Göttlichen im Moment des Todes erhobenen Sterblichen - ganz wie in den Mythenerzählungen von Ariadne und Dionysos, Adonis und Venus, Endymion und Diana. Der Principe-astronomo wird in seiner Todesphantasie zwar nicht - wie Ovid in den Metamorphosen (XV 779-851) erzählt 42 - wie Caesar durch Venus zum Kometen erhoben, aber doch wie dieser durch die Planetengöttin auf die große Reise in die als 42 Ovid, Metamorphosen, hrsg. und übers. von Niklas Holzberg, München 12 1990, S. 594-596. Zur (Herrscher-) Verstirnung in der Antike siehe siehe F. Graf, «Kaiserkult», in: Der Neue Pauly, Stuttgart/ Weimar 1996 ff., Bd. VI, Sp. 143-145; J. Loehr, «Verstirnungssage», in: ebenda, Bd. XII, 2, Sp. 95. Italienisch_80.indb 51 01.03.19 12: 09 52 Il principe e le stelle Marc Föcking Astronom ersehnte «regione di perenne certezza» (211) geleitet: Wie Ovids Venus im Moment des Todes Caesars im Senatssaal für jeden unsichtbar («alma Venus nulli cernendi», XV, 844) erscheint, um die Seele ihres Lieblings vom Körper zu trennen und zu den Sternen zu bringen («passa recentem animam caelestibus intulit astris», XV, 846), so erscheint auch im Sterbemoment die nur dem Fürsten sichtbare «creatura bramata da sempre che veniva a prenderlo» (225), in Reisekleidung und einem «cappellino di paglia ornato da un velo», bereit für die letzte Fahrt ihres Geliebten. Auch die Parallele zu Ovids Katasterismos Caesars durch Venus deutet hier auf Venus, die der Principe nach der Ballnacht ebenfalls, wenn auch metaphorisch, in menschlicher Kopfbedeckung eines «turbante di vapori autunnali» (211) sehnsuchtsvoll «al disopra del mare» erblickt hatte und die in der Todesstunde nun den «fragore del mare» (225) zum Schweigen bringt und die astronomisch-erotisch-metaphysische Sehnsucht des Principe stillt. Die astronomische Aktualität eines astronomisch inaktuellen Romans - Astronoetik II Zu der Zeit, als Giuseppe Tomasi di Lampedusa Ende 1954 begann, seinen einzigen Roman abzufassen, bereitete sich die Welt auf das für die Jahre 1957-58 ausgerufene International Geophysical Year vor. Dieses Internationale Geophysikalische Jahr sollte die Erforschung der Erde und vor allem ihrer Umgebung vorantreiben, was der bis dato nur utopisch gedachten Astronautik einen ganz neuen Schwung vermittelte. Seit 1950 fanden jährlich Kongresse der International Astronautical Society statt, Paris machte den Anfang. US-Präsident Dwight D. Eisenhower ließ am 29. Juli 1955 verkünden, dass er als nationalen Beitrag der USA die Entwicklung eines Erdsatelliten in Auftrag geben werde. Trotz des zivilen Charakters der Weltraumforschung bedeutete das in Zeiten des Kalten Krieges eine Herausforderung an die Sowjetunion, die vier Tage später ein ähnliches Projekt bekannt gab. Beide Ankündigungen wurden auf dem sechsten International Astronautical Congress in Kopenhagen Anfang August 1955 diskutiert, ein Kongress, der es mit einem ausführlichen Bericht der ersten Vorträge auf die Titelseite der palermitanischen Tageszeitung La Sicilia schaffte. Am 4.8.1955 konnte Giuseppe Tomasi di Lampedusa unter der Überschrift «Il congresso astronautico di Copenhagen» lesen: «Uomini sulla luna prima della fine del secolo - Si pensa già al volo interplanetario, Venere e Marte dovrebbero rappresentare le prime tappe nella conquista dello spazio celeste». 43 Vor diesem Hintergrund technisch machbarer Zukunftsphantasien der Reisen zum Mond, zur 43 La Sicilia, 4.8.1955, S. 1. Italienisch_80.indb 52 01.03.19 12: 09 53 Marc Föcking Il principe e le stelle Venus und zum Mars Mitte der 1950er Jahre wirken die astronomischen Beschäftigungen Don Fabrizios wie ein negativ mit ihnen korrespondierendes, hoffnungslos zurückgebliebenes Gegenbild und sein finaler Katasterismus als antiquierte Version einer bald möglichen Reise zur Venus. Tomasi di Lampedusas eben zu dieser Zeit entstandener Roman lässt sich so als astronoetisches Gegenbild zu den Gegenwarts- und Zukunftsoptimismen bemannter Raumfahrt, technischer Machbarkeit und moderner astronomischer Forschung lesen. Denn er behauptet ganz ähnlich wie die Blumenberg'sche Astronoetik den Platz des Menschen, der Geschichte und epistemologischen Bedingtheit seines Denkens und seiner Sehnsucht nach Metaphysik in der Wissenschaft von den Sternen gegen die «blanke Zurüstung des präzisen Wissens» der astronomischen und astronautischen Moderne. 44 Abstract. È importante che Fabrizio Corbera, Principe di Salina, sia un astronomo amatoriale e non un matematico o un fisico? Mentre gran parte delle ricerche su Il Gattopardo di Giuseppe Tomasi di Lampedusa considera l'astronomia del Principe solo un elemento di un romanzo storico ritardato o una metonimia dell'intellettualismo e del desiderio di morte del Principe, questo contributo va in una direzione diversa: l'evocazione dell'astronomia come hobby di Don Fabrizio non si riferisce solo al suo stato storico intorno al 1860, ma anche al piano di discorso astronomico più antico, come il collegamento tra astronomia e malinconia, legittimità aristocratica e mitologia e infine tra astronomia, eros e morte, che raggruppano e allo stesso tempo rimpolpano le contraddizioni e le aspirazioni del protagonista. Così come Tomasi di Lampedusa lega ripetutamente la vita del Principe alla propria presenza alla fine degli anni '50, così l'interesse di Don Fabrizio per le stelle e i pianeti, in particolare Venere, si riferisce in modo criptico e scettico anche alla corsa per la conquista dello spazio, che raggiunse il suo primo culmine con la riuscita missione del satellite russo Sputnik nel 1957 - anno della morte di Tomasi di Lampedusa. Summary. This article departs from the curious question whether it is important that Fabrizio Corbera, Prince of Salina, was an amateur astronomer, and not a mathematician or a physicist. While most analyses of the Gattopardo by Giuseppe Tomasi di Lampedusa have interpreted the Prince’s interest in astronomy simply as an element of a belated historical novel or a simile of his intellectualism and his desire for death, the present analysis tries to build the case for a different view: Don Fabrizio’s passion for astronomy does not only refer to its historical status around 1860, but also to 44 Blumenberg, «Was ist Astronoetik? », in: ders., Die Vollständigkeit der Sterne, S. 548. Italienisch_80.indb 53 01.03.19 12: 09 5 4 Il principe e le stelle Marc Föcking the classical discourse of astronomy, as for example the relation between astronomy and melancholy, the aristocratic legitimation, mythology, and, finally, between astronomy and eros and death, enhancing the contradictions and the aspirations of the protagonist’s character. Just as Tomasi di Lampedusa often connects the life of the Prince to his own time of the late 1950s, the interest of Don Fabrizio in the stars and the planets, particularly in Venus, quotes the mid-twentieth century struggle to conquer space, which reached a first climax with the successful mission of the satellite Sputnik in 1957 - the year in which Tomasi di Lampedusa died. Bibliographie Bechtold, Christian: Gott und Gestirn als Präsenzformen des toten Kaisers - Apotheose und Katasterismos in der politischen Kommunikation der römischen Kaiserzeit und ihre Anknüpfungspunkte im Hellenismus, Trier 2011. Britten, Benjamin: Peter Grimes. Bernhard Haitink, Royal Opera House Covent Garden, EMI (1993), Booklet. Blumenberg, Hans: «Was ist Astronoetik? », in: ders., Die Vollzähligkeit der Sterne, Frankfurt/ M. 2000, S. 547-549. Ders., «Nachdenklichkeit als Bedenklichkeit», in: ders., Die Vollzähligkeit der Sterne, Frankfurt/ M. 2000, S. 320-324. 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Pubblica alcune « storiacce » , come lo stesso autore ama definirle, racconti in cui l’elemento erotico è prevalente. 1 Il successivo riavvicinamento alla religione ebraica significa per Rossi un processo di sublimazione che lo porta dalla prosa alla poesia. 2 L’ultima sua fase letteraria è tuttavia un ritorno alle «storiacce». 3 In mezzo vi è la parentesi della «trilogia ferrarese», costituita dai romanzi Gli spettatori dimenticati, Puttaneggiar coi regi e Conversazioni con il silenzio della prima metà degli anni Novanta. 4 Questa cosiddetta «trilogia» è a dire il vero un raggruppamento alquanto debole, o almeno lo è se si considerano i dati macrostrutturali. Ne Gli spettatori dimenticati vi è un continuo andirivieni, per scene, tra il presente dell’io narrante e il passato; il secondo si concentra su un personaggio isolato, punto focale e insieme di visione del mondo romanzesco; il terzo, infine, è un romanzo a più voci, in cui i destini di diversi personaggi più che intrecciarsi si costeggiano, collegati il più delle volte soltanto dal reciproco vedersi. Fanno superficialmente parte di una ‘trilogia’ per l’ambientazione spaziale e temporale che condividono, la Ferrara degli anni del fascismo, ma più profondamente perché, come in una complessa architettura sinfonica, personaggi, scene e perfino locuzioni isolate riemergono di continuo nelle tre opere, legandole insieme, ma in sottotraccia. 1 Ricordiamo tra gli altri Il trionfo dello sciamano, Catania: Pellicanolibri 1983 e I sogni ricorrenti di Biagio Balestrieri, Catania: Pellicanolibri 1986. 2 Le principali sillogi poetiche sono Virtù dal cuore fragile, Ferrara: Corbo Editore 1997 e Mie care ombre, Codigoro: Tipografie Giari 1999. 3 Cfr. La Maldicenza e altri racconti, Correggio: Edizioni Diabasis 2001. 4 Gli spettatori dimenticati, Milano: La Cisterna 1991, Puttaneggiar coi regi, Ferrara: Liberty House 1993, Conversazioni con il silenzio, Ferrara: Liberty House 1995. Italienisch_80.indb 56 01.03.19 12: 09 57 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi È difficile risalire alle motivazioni di un salto nel passato e nella Storia per un autore che prima de Gli spettatori diligentemente fuggiva ogni possibile collocazione temporale - se non quella di una vaga contemporaneità - e spaziale delle vicende da lui narrate. In quest’ottica forse non è un caso che la trilogia, come la chiameremo per convenienza, esordisca proprio con un romanzo di ispirazione autobiografica: è come se Rossi avesse voluto tentare una ricollocazione dell’universo romanzesco a partire da quei dati biografici che potessero dargli una base d’appoggio solida. Il salto continuo tra passato e presente de Gli spettatori è quindi come un tentennamento memoriale, un avvicinarsi a una fase cruciale quanto dolorosa dell’esistenza sia dell’autore, sia dell’io narrante. Se vista in quest’ottica, la trilogia prosegue con un distacco netto dal presente nel romanzo seguente, Puttaneggiar coi regi, che sarà il punto focale della mia analisi. Qui non vi è più alcun appiglio (auto-) biografico, ma ad esso se ne sostituisce un altro, quello letterario, costituito da un modello fin troppo palese, Gli occhiali d’oro. In Conversazioni con il silenzio, infine, i riferimenti si moltiplicheranno, perdendo tuttavia di importanza come falserighe, di modo che questo romanzo rappresenti di fatto un’opera autonoma, l’allontanamento più arduo di Rossi dal presente, e insieme l’opera più convenzionalmente rossiana: qui l’autore ha ricollocato il suo mondo romanzesco in un panorama storico definito da un lato dalla Storia, e dall’altro dalla memoria personale. Per un versante, il meccanismo di riscrittura rossiana si pasce di varie opere, che siano letterarie o cinematografiche, come vedremo; dall’altro, la stessa autobiografia può essere vista come materiale di riscrittura. Non è un caso che l’opera a più denso contenuto memoriale, Gli spettatori dimenticati, ruoti intorno alle esperienze di un bambino ebreo nella Ferrara delle leggi razziali, un bambino in cui senza fatica possiamo riconoscere il Rossi giovane. Benché a Puttaneggiar coi regi sia fin troppo facile attribuire l’etichetta di «bassaniano», è Gli spettatori ad essere più intrinsecamente tale: se si confronta con Dietro la porta, ad esempio, emergono notevoli tratti comuni, tra cui l’insistere sui ritorni della memoria, la visione scorciata del mondo attraverso gli occhi della gioventù, e l’introspezione in un’adolescenza tormentata. Puttaneggiar coi regi è un’opera autonoma, che vuole essere tale proprio perché messa a confronto con il ben più celebre romanzo bassaniano, e nondimeno è una riscrittura di questo romanzo: ciò è innegabile. ‘Riscrivere’ Gli occhiali d’oro vuol dire misurarsi con un antecedente celebre, riformulare una biografia - quella del medico omossessuale Arturo Mattozzi - che era stata alla base dell’opera di Bassani, e al contempo dichiarare la propria autonomia autoriale. Tale autonomia viene rivendicata da Rossi ricollocando il materiale bassaniano in un contesto popolareggiante, lontano Italienisch_80.indb 57 01.03.19 12: 09 5 8 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger dai salotti borghesi frequentati dal più famoso cugino, un ricollocamento che assume le forme di un volere di appropriazione più forte, per mezzo di un sistematico abbassamento di registro e situazioni. Entrambi gli autori riflettono sui paralleli che si possono tracciare tra l’emarginazione degli ebrei e quella degli omosessuali, ma Rossi persegue il suo realismo popolareggiante per avvicinare la parabola dello sfortunato medico omosessuale al suo orizzonte memoriale, popolare appunto, e fa del suo personaggio una figura ambigua, estranea apparentemente a tutto, eppure smaniosa di entrare in contatto con il mondo ‘basso’, che promette una comunione sensuale con il prossimo, l’antidoto all’emarginazione borghese. Proprio il continuo dialogo tra le due opere costituisce il punto centrale di questo saggio, che si propone di indagare ciò che le due opere hanno di più visceralmente in comune, vale a dire la figurazione del personaggio atipico, isolato ed escluso, in un contesto di oppressione borghese e fascista. È evidente, in entrambi, come la connivenza col fascismo della città di provincia emiliana costituisca uno shock, il tradimento di un ambiente considerato amico, perfino familiare, che si rivolta contro l’io e lo costringe ai margini, perfino alla fuga. Entrambi gli autori dovettero, nella loro giovinezza, abbandonare la Ferrara delle leggi razziali, e in entrambi i romanzi si può ancora rivedere il trauma incancellabile del rifiuto, della condanna all’alterità intrinseca alla loro stessa umanità. È come se il romanzo di Rossi, poi, cerchi di colmare il vuoto lasciato da Bassani, quella dimensione interiore che ne Gli Occhiali d’oro è soltanto intuita dalla prospettiva esterna che il romanzo adotta - senza dubbio per acuire ancor di più la dimensione di vittima del protagonista. Nello studio delle opere di Giorgio Bassani è divenuto del resto di primaria importanza proprio l’aspetto della prospettiva, dello sguardo, al limite anche in rapporto con le arti visive e il cinema, due ambiti fondamentali anche per la comprensione della produzione di Gianfranco Rossi, del resto. 5 Le due opere sono perciò in certa misura complementari, e nella presente disamina questo aspetto risulterà di primaria importanza. Propongo una breve sinossi di Puttaneggiar coi regi, per facilitare un confronto col ben più celebre modello bassaniano. L’incipit coincide con l’arrivo a Ferrara del giovane Abdon Abbadessa, poco dopo la fine della 5 Si vedano, a titolo d’esempio, Anna Dolfi, «‘Ut pictura’. Bassani e l’immagine dipinta», in: Ritorno al «Giardino»: Una giornata di studi per Giorgio Bassani, a cura di Ead. e Gianni Venturi, Roma: Bulzoni 2006, pp. 143-155; Gianni Venturi, «Le tecniche del vedere nell’opera di Giorgio Bassani», in: Poscritto a Giorgio Bassani. Saggi in memoria del decimo anniversario della morte, a cura di Roberta Antognini e Rodica Diaconescu-Blumenfeld, Milano: LED 2012, pp. 477-498; Id., «Giorgio Bassani e l’ermeneutica del vedere. Nuove ipotesi», in: Letteratura & Arte, VIII, 2010, pp. 25-283. Italienisch_80.indb 58 01.03.19 12: 09 59 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi prima guerra mondiale. Il dottore si installa dapprima in un modesto locale nei pressi del Ghetto ebraico, in via Scienze, ma poi, con il ritorno postbellico alla normalità, incrementa a tal punto il proprio giro di affari da poter trasferirsi in locali più ampi e lussuosi, in un palazzo liberty di via Gorgadello (l’attuale via Adelardi). La società ferrarese ha intanto iniziato a domandarsi quale sia la provenienza del capace e presto popolare medico, e iniziano a circolare voci, in particolare intorno a un seminarista, conosciuto da Abbadessa a Ferrara, in gioventù, e diventato da allora l’oggetto del suo desiderio, e il motivo del suo trasferimento nella città emiliana. Diversi anni dopo l’arrivo del dottore, questi conosce casualmente un ballerino di tango che si esibisce al teatro Verdi, e intrattiene con lui un unico rapporto fisico, che rimarrà tuttavia sempre presente nelle fantasticherie del dottore. L’«ansia giovanile di fare del sesso trasgressivo ed appagante» viene risvegliata da questo incontro. Un moto nostalgico spinge il dottore a fare un’escursione a Viserba, luogo di villeggiatura giovanile, e qui assiste al bagno di tre giovani, uno dei quali, accortosi di essere spiato, si esibisce in una sensuale dimostrazione della sua nudità, che spinge Abbadessa a un atto di autoerotismo. Tornato a Ferrara con l’intento di soddisfare finalmente le sue voglie sessuali represse per tanti anni, il dottore si abbandona a una frenetica ricerca dell’appagamento fisico, tanto da attirare i rimproveri del suo vicino di casa, il potente gerarca fascista Bocchimpani, che gli consiglia maggior discrezione. Tra gli altri occasionali amanti di Abbadessa, un certo spazio viene concesso all’affaire con un «barbiere pittore», senza dubbio maschera dell’artista Giorgio De Vincenzi. Le leggi razziali hanno intanto avuto i primi effetti nefasti sulla città, e la guerra incipiente l’ha svuotata di buona parte della popolazione. All’ennesima «trasgressione» di Abbadessa, Bocchimpani decide di ricattarlo, offrendo la sua protezione presso le autorità fasciste, in cambio di poter usare la sua abitazione come magazzino per gli oggetti di valore requisiti a famiglie ebraiche e a dissidenti. Abbadessa, impaurito, accetta. Dopo un ennesimo salto temporale siamo all’estate del ’45, a guerra finita. Il dottore decide di ritornare a Macerata, per tentare di fuggire da una Ferrara di cui non si sente più protagonista, nel bene e nel male. Questa decisione richiama alla mente un ricordo, le vicende legate alla presenza nella città della troupe che sta girando Ossessione di Visconti. Deluso dalla visita maceratese e dai sentimenti causati dal rivedere il suo luogo natìo, ritorna alla città d’adozione. Abbadessa ha ancora gli averi confiscati in casa, ma Bocchimpani, anche lui ora intimorito da possibili rappresaglie, si finge ignaro di tutto. Un giorno un gruppo non identificato di uomini penetra in casa di Abbadessa e lo preleva. Ormai rassegnato a morire, i ricordi del dottore lo portano al 16 novembre del 1943, il giorno dopo l’eccidio fascista compiuto davanti al Castello quella notte; durante la visita a un Italienisch_80.indb 59 01.03.19 12: 09 6 0 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger facoltoso paziente, scorgendo una signora ebrea in evidente pericolo per i rastrellamenti dei repubblichini, la riporta alla stazione, dove un treno la condurrà in salvo. L’ultimo capitolo - e siamo ormai nella contemporaneità degli anni Novanta - tratta degli avvistamenti del «fantasma» del dottor Abbadessa durante un violento temporale. Sia per Bassani sia per Rossi il punto di partenza, lo spunto nella vita reale, non può che essere quel dottor Arturo Mattozzi, otorinolaringoiatra, che aveva l’ambulatorio in via Gorgadello, proprio di fianco alla Cattedrale ferrarese; non originario di Ferrara, si era trasferito in città e aveva lentamente scalato le gerarchie sociali. Anche le voci sulla sua omosessualità trovano riscontro nella Ferrara degli anni ’30-’40, voci che si divisero sulle sorti del dottore quando risultò evidente la sua sparizione, verso la fine della guerra. 6 A differenza di Bassani, Rossi si accosta in maniera più diretta alla parabola dell’esistenza reale del dottor Mattozzi, almeno per quanto riguarda i due punti fermi della sua biografia, come percepita dagli abitanti di Ferrara: il suo arrivo nella città, e la sua scomparsa. Fadigati, il protagonista di Bassani, aveva origini veneziane, mentre Abbadessa proviene, come Mattozzi, da Macerata, e giunge a Ferrara nello stesso anno, mentre Bassani faceva comparire Fadigati alcuni anni dopo. La rimodulazione del nome di battesimo «Athos», segno di laicità e grecità al contempo, in un «Abdon», che risponde non soltanto alla costante nominazione bizzarra di Rossi ma anche, e più profondamente, a un richiamo all’ebraismo e, al contempo, alla storia popolare della Ferrara degli anni ’30 e ’40, 7 risulta essere a questo punto il primo significativo scarto dal modello letterario bassaniano. Strategie di Abbassamento in Puttaneggiar coi regi In Occhiali d’oro il corpo del dottore, probabilmente suicida, viene ritrovato nel Po - ma la stringatezza dell’informazione offre anche la possibilità di una morte violenta -, mentre Abbadessa subisce la fine che si può presumere sia 6 Nella prefazione a Puttaneggiar coi regi, op. cit., Lucio Scardino dà conto dell’«indagine» svolta dallo stesso Scardino e Rossi per ricostruire l’esistenza del dottor Mattozzi. 7 A fianco del veterotestamentario giudice Abdon, non può non affascinare l’ipotesi di un riferimento all’omonimo martire paleocristiano. Tuttavia, più di un punto fa sembrare plausibile l’ipotesi di un riferimento al calciatore Abdon Sgarbi. Nativo di Bondeno, vicino a Ferrara, militò a lungo nella società calcistica estense SPAL, negli anni Venti, per giunta: l’accurato lavoro di documentazione che Rossi intraprese per la stesura di questo romanzo molto probabilmente gli fece incontrare questo nome. L’ultimo particolare, per nulla secondario, è che Sgarbi morì proprio a Viserba, località scelta come sfondo della ‘conversione alla sensualità’ di Abbadessa. Italienisch_80.indb 60 01.03.19 12: 09 61 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi capitata allo stesso Mattozzi, vale a dire una rappresaglia di un gruppetto di uomini non meglio identificati, forse partigiani, forse banditi. Tra questi due cardini dell’esistenza ferrarese del dottore Rossi si discosta ancora una volta sensibilmente dal suo modello. Come sappiamo, Bassani fa congiungere il dottore con l’io narrante, prima, più alla lontana, nel periodo dei viaggi a Bologna col treno, e poi, più strettamente, a partire dalla villeggiatura scandalosa di Fadigati, quando si instaura una sorta di amicizia basata sulla solidarietà reciproca tra i due. La sorte degli ebrei ferraresi si lega così a quella degli omosessuali, categorie emarginate per eccellenza, specialmente nella fase «repubblichina» della città. Il rapporto tra l’«io» e Fadigati si rinsalda, sebbene brevemente, proprio in virtù della reciproca solidarietà nei confronti degli esclusi. Rossi scioglie questo binomio ebraismo-omosessualità, spoglia Abbadessa di quell’aspetto civile e solidale che aveva caratterizzato Fadigati. Il dottore rossiano osserva sì con qualche moto di malinconia la chiusura del negozio di pellami del «nonno», personaggio di spicco ne Gli spettatori dimenticati, ma rimane tuttavia estraneo ai successivi rastrellamenti di ebrei ferraresi. Spicca allora tanto di più la reminiscenza, in punto di morte, dell’episodio della signora ebrea, riportata al treno da Abbadessa per sfuggire la recrudescenza della violenza fascista dopo l’eccidio di via Roma. L’episodio ci appare come momentaneo eroismo, come scatto civile e isolato di una persona prima estranea e poi inorridita dalla ferocia insensata dei fascisti. Evocato poco prima dell’esecuzione, questo episodio risulta tuttavia più efficace per ribadire, così a stretto contatto con la morte violenta del protagonista, l’orrore per ogni sorta di atto crudele esercitato senza motivo, se non quello dell’odio. L’azione di gruppo dei repubblichini trova il suo controcanto nell’azione, altrettanto insensata, del manipolo di esecutori di Abbadessa. La solidarietà che Abbadessa manifesta nei confronti della madre ebrea salvata dalla rappresaglia fascista non ha quell’unità di rappresentazione così evidente in Occhiali d’oro. Qui l’amicizia tra il protagonista e l’io narrante si mostra come emblema di solidarietà universale, scevra di quell’ipocrisia che caratterizza invece Nino Bottecchiari. In Puttaneggiar l’eroismo di Abbadessa ha tinte ridicole, il travestimento della signora mostra tutta la sua inanità, causato com’è dall’irrazionalità del dottore, eppure proprio in questa scena Rossi riesce in una rappresentazione quantomai verosimile di cosa sia l’eroismo per chi lo vive come un sorgere inaspettato e inspiegabile di una necessità. Per chi l’eroismo è come un improvviso acuto in una vita dedicata all’ipocrisia - voluta o meno - prevale l’affanno nelle imperative e tempestive decisioni da prendere, e ne consegue dunque una certa goffaggine. In Bassani l’eroismo, imbrigliato com’è il personaggio nella percezione sociale di sé, non potrà che assumere appunto tinte sociali, dunque di sfida Italienisch_80.indb 61 01.03.19 12: 09 62 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger alla borghesia ferrarese, con la palese e scandalosa relazione di Fadigati con Deliliers. La rappresentazione solo per sguardo esteriore del protagonista offrirebbe in questo senso un’impasse per chi, come Rossi, intende presentare anche solo un episodio, in una vita di vigliaccheria (auto-)imposta, di eroismo. La prima sezione del romanzo, che si conclude con l’incontro di Abbadessa con il ballerino di tango, con cui intratterrà la sua prima relazione clandestina a Ferrara, può essere considerata un lungo commiato dalla tecnica narrativa bassaniana adottata ne Gli occhiali d’oro. In questa sezione in effetti il personaggio del dottore si staglia davanti al lettore grazie alla figurazione esteriore che la società provinciale ferrarese compie tramite il pettegolezzo, ancora alquanto bonario. Soltanto à rebours, nei capitoli conclusivi, noteremo che Rossi ha frammischiato osservazioni esteriori con ricordi che appartengono soltanto al dottore stesso, senza peraltro sciogliere del tutto questa ambiguità tra maldicenza ed esperienza memoriale privata. Tre esponenti dello strato sociale popolare di Ferrara sono i primi testimoni dell’arrivo del dottore, tra cui un «rottamaio» avrà un ruolo decisivo nel gioco figurale rossiano, come vedremo. Con un ‘movimento di macchina’ davvero cinematografico - e il rapporto col cinema sarà oggetto di analisi in seguito - da questo gruppo si passa all’inquadratura del dottore, che così entra di fatto a far parte dei personaggi di cui Ferrara ama parlare e su cui costruisce la propria personale mitologia. Il personaggio di Fadigati è legato allo strato della società ferrarese che potremmo considerare medio-alto borghese, e in queste sfere si muove costantemente. Abbadessa, d’altro canto, non ha pressoché alcun contatto con questo mondo, e il personaggio risulta di fatto ‘svilito’ da questa ricollocazione sociale. Anche nella geografia ferrarese, i due personaggi si distinguono radicalmente. Fadigati è a dire il vero poco collocabile, avendo come unico punto fermo lo studio di via Gorgadello; Abbadessa ha il medesimo punto fermo, ma predilige la zona del Ghetto e le strade circonvicine, oltre alle zone dell’Acquedotto e del Montagnone. Tali zone si possono a buon diritto considerare popolari, e in ogni caso non frequentate dallo strato sociale che in Occhiali d’oro è così ben rappresentato. Qui si manifesta la complementarità delle due opere: concentrato com’è sulla descrizione dei meccanismi di creazione di un personaggio urbano, Bassani non può che limitarsi a quanto la Ferrara alto-borghese «vede», e cioè i luoghi rappresentativi del suo strato sociale che Fadigati, come membro di un certo prestigio, frequenta; Rossi, che ha la libertà di seguire Abbadessa nelle sue «passeggiate» che fanno mormorare i ferraresi, si addentra nelle zone nascoste dove il protagonista è alla ricerca di incontri amorosi casuali. Tali luoghi devono essere dunque celati alla borghesia, per evitare possibili scandali. La zona del Italienisch_80.indb 62 01.03.19 12: 09 6 3 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Ghetto, tuttavia, rappresenta per Rossi il luogo della sua gioventù, prima, durante e dopo le leggi razziali, e quello dell’amaro ritorno, dopo la parentesi in Svizzera, negli anni della guerra, e infine quello della vecchiaia. È la zona in cui gli altri due romanzi della cosiddetta «trilogia ferrarese» sono prevalentemente ambientati, per l’autore davvero un paesaggio affettivo e memoriale insieme. L’abbassamento geografico, come conseguenza di quello sociale, causa l’‘equilibrismo’ di Abbadessa, «…sempre su e giù lungo la via Mazzini, senza inoltrarsi nelle strade strette e come segretamente complici di un mistero indecifrabile, senza affrontare la piazza, il listone, la passeggiata elegante.» 8 Via Mazzini sembra essere la strada ‘di confine’, aperta alla nobiltà come al sordido, e fulcro del Ghetto, con la sinagoga. Come abbiamo visto, l’evoluzione del personaggio gli fa abbandonare questa strada di confine, per immergersi nella sensualità dei luoghi popolari. L’abbassamento, non più soltanto geografico, ma inteso come strategia che innerva tutta l’operazione di riscrittura rossiana, investe innanzitutto il personaggio stesso di Abbadessa, rispetto a quello di Fadigati. Quest’ultimo appare quasi come arbiter elegantiae in una Ferrara compiacente e compiaciuta di avere una simile figura tra i propri concittadini. Abbadessa d’altro canto è goffo nei modi e nell’aspetto - esemplare è il particolare dei knickerbockers indossati dal dottore, eminentemente adolescenziali -, il suo infantilismo comportamentale è un’evidente evoluzione rispetto al personaggio bassaniano: «Costui [il commesso della cartoleria-profumeria], mentre lo serviva di materiale che, sebbene più adatto ad un alunno delle elementari che a un medico, lui acquistava con regolare, diligente frequenza…» 9 Anche il suo risveglio della sensualità più bassa può essere inteso in questo senso: «…compiaciuto alla maniera di un bambino che viene calato, per caso e imprevedibilmente, nel mondo degli adulti rotti alla corruzione, alla spudoratezza, alla scurrilità usata con irrisoria ostentazione…» 10 8 p. 26. 9 p. 30. 10 p. 36. Italienisch_80.indb 63 01.03.19 12: 09 6 4 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger La volontà di ritornare a Viserba è causata dal desiderio di rivivere sensazioni adolescenziali di sensualità appena abbozzata. È come se la villeggiatura dell’io narrante di Occhiali, vissuta come spettatore della storia d’amore infelice di Fadigati, andasse reinterpretata, colmata delle esperienze giovanili di Abbadessa, in fondo mai sopite. In entrambi i romanzi la parentesi «marina» rappresenta il punto di svolta nella percezione del dottore agli occhi della città. In Bassani, la scandalosa villeggiatura con Deliliers dà il via a un brusco cambiamento di rotta della maldicenza cittadina: prima, sebbene nel pettegolezzo le tendenze sessuali di Fadigati avessero già avuto un giudizio inappellabile, la discrezione riguardo all’esternazione delle proprie preferenze aveva favorito uno sguardo bonario della società ferrarese: è la manifestazione della «devianza» a stravolgere questo sguardo in un impietoso giudizio morale, rappresentato dalla signora Lavezzoli. In Rossi, la contemplazione dei tre giovani nudi di Viserba scatena nel protagonista la «voglia di vivere», che si materializza nel sempre più audace comportamento di Abbadessa, che inizia, dopo il ritorno a Ferrara, a frequentare luoghi viepiù ambigui, attirando l’attenzione, non per ultimo, di Bocchimpani, che decide dunque di rimproverarlo per la «sfacciataggine». Così immerso nell’interiorità del personaggio, Rossi indaga un’altra ambiguità, quella del ruolo del protagonista come «personaggio» ferrarese: «…chiacchiere o non chiacchiere, Ferrara si abituava facilmente ai suoi personaggi, pur di poterne parlare un po’ dovunque, pur di calamitarli per farne, un giorno o l’altro, pagine di storia.» 11 La figura di Bocchimpani risulta molto più leggibile proprio alla luce dell’infantilizzazione e dell’abbassamento più generale che il personaggio di Abbadessa subisce, e del ruolo che il gerarca assume come portavoce dei sentimenti di Ferrara nei confronti del protagonista. Rappresentante di spicco del fascismo locale, ma soprattutto della borghesia ferrarese in toto, e tuttavia amico di Abbadessa, rappresenta l’unico legame personale del protagonista con la società ferrarese. È dunque emblematico che la stessa doppia forza di repulsione-attrazione che esercita Ferrara sul dottore si ripresenti, seppur declinata diversamente, nel rapporto di questi con il gerarca. Chiariamo: Abbadessa, dopo che Bocchimpani - dichiarandosi ben cosciente del suo essere omosessuale - lo ammonisce di tenere più nascoste le sue inclinazioni, per non dar adito alla maldicenza dei concittadini, prova disgusto per i modi melliflui e al contempo minacciosi del vicino. La repulsione-attrazione si 11 p. 25. Italienisch_80.indb 64 01.03.19 12: 09 6 5 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi esterna dunque nello stesso personaggio di Bocchimpani, che incarna l’ottusa celebrazione del fascismo «virile», ma è tuttavia legato al dottore da una sincera amicizia, sebbene venata di paternalismo nei confronti del «deviato» vicino di casa. È rappresentante di quel «machismo» fascista che trova in un personaggio di Bassani un antecedente importante, «Sciagura» in Una notte del ’43. Questi, anche lui gerarca influente nella Ferrara in guerra, ha nei confronti di un personaggio debole, il farmacista Barillari, un rapporto di superiorità, in cui la supposta e comunque sonoramente dichiarata maggiore virilità del primo intimidisce il secondo, come nella scena, raccontata dallo stesso Sciagura, della loro visita al bordello bolognese. Bocchimpani, con la sua percezione piegata dal più ortodosso e classistico fascismo, offre un’interpretazione del ruolo di Abbadessa nella società ferrarese, specificamente in quanto vittima della maldicenza popolare: «‘Vede dottore… la città brulica di impiegati e operai, artigiani e piccoli negozianti, per non dire di peggio. Lo chiamano il proletariato, lei lo sa, sono i nemici della patria, il pericolo per le sorti della nazione. In realtà è una plebaglia famelica, avida di scandali, di maldicenze, ma soprattutto di sputtanare […] chi non la pensa in un certo modo, chi non vive nella fede e nell’obbedienza […].’ Bocchimpani proseguì con la citazione che gli premeva: ‘Puttaneggiar coi regi’, scandì e poi: ‘questa gente, […] questa plebe non ha difficoltà a… […] per loro il dottor Abbadessa, ripeto il dottor Abbadessa’, accompagnò le parole con un gesto della mano che significava accondiscendenza, conoscenza, competenza: ‘è una preda appetibile, un rege da usare, da detronizzare magari, da…’» 12 La reticenza rossiana - espressa con i frequenti punti di sospensione - investe anche il gerarca, non abituato di certo alla diplomazia nelle sue dichiarazioni, eppure ‘costretto’ ad avvertire l’influente amico dei pericoli derivati da un comportamento troppo palesemente peccaminoso. La citazione dantesca è del resto un maldestro tentativo di pareggiare il livello culturale ‘borghese’ dello spaventato interlocutore. L’Alighieri, nel canto XIX, alludeva con questo verso alla Roma papale collusa con i potentati mondani, 13 ma è come se qui assistessimo a un’interpretazione e contrario della vicenda del dottore, che muore proprio perché connivente col fascismo borghese e prepotente, e trova d’altro canto nelle classi popolari la tanto desiderata familiarità ed accoglienza, per quanto fugaci. Il «puttaneggiare» è sempre consi- 12 pp. 68-69. 13 Inf., XIX, 108. Italienisch_80.indb 65 01.03.19 12: 09 66 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger derato da Abbadessa come un’azione che compie, non che subisce, e in ciò si vede tutta l’erroneità dell’interpetazione di Bocchimpani. Come abbiamo visto, questo romanzo non può essere letto se non rivolgendo lo sguardo al modello bassaniano, e forse in quest’ottica la posizione del dottore che «puttaneggia» assume una duplice valenza. Da una certa prospettiva, la posizione di equilibrio tra borghesia e classi popolari del dottore può essere vista come una reazione, uno scarto da Gli occhiali d’oro, e in quest’ottica i «regi» con cui puttaneggiare sarebbero i rappresentanti degli strati sociali più alti, a cui Abbadessa sempre aspira, geloso della sua eccentricità, della sua alterità, che lo rendono appetibile proprio ai personaggi come Bocchimpani. Una seconda ipotesi sembra tuttavia affiorare, che ha meno a che fare con la vicenda del dottore, e più con quella del Rossi scrittore e riscrittore. Se l’abbassamento sopraccitato fa davvero parte di una strategia narrativa compiuta, si potrebbe considerare lo stesso Rossi come colui che, abbassando in tutti i sensi il suo protagonista e la sua opera, aspira artificialmente a «puttaneggiare» col suo più nobile, più celebre e forse anche considerato qualitativamente superiore modello, Gli occhiali d’oro, appunto. La riscrittura, più che essere esclusivamente una reazione a un modello, sarebbe allora anche una professione di umiltà, ma non deferente, bensì orgogliosa e non distinguibile da quella di ‘realismo’ che si concretizza solo nell’ambiguità di Abbadessa rispetto a un Fadigati troppo vittima per essere partecipe della colpa storica che il dottore rossiano invece assume pienamente. Vedere ed essere visti: Abbadessa voyeur e personaggio ferrarese La geografia bassaniana ne Gli Occhiali d’oro è definibile in tre punti: dapprima Ferrara, centro di attrazione dell’intero romanzo; poi Bologna, luogo dove si ha il primo contatto tra l’io narrante e il protagonista; infine Riccione dove, dopo la fine della relazione scandalosa con Deliliers, Fadigati stringe un rapporto di amicizia con il narratore. È vero, la città estense si estende, attraverso i suoi cittadini, in queste propaggini, che non sembrano quindi mai poter dare fiato ai giudizi della società ferrarese, eppure siamo ben lontani dall’impianto rossiano. Le due fughe di Abbadessa, prima a Viserba, poi a Macerata, rappresentano uno stacco dalla città amata-odiata, e l’introspezione indaga proprio queste, seppur temporanee, rotture, alla luce dell’ambiguità che pervade tutta l’opera: «…Abbadessa ritrovava la quiete, gettandosi nei suoni, nei colori, nell’esistenza di Ferrara, la città dalla quale, sempre, s’era sentito protetto e assediato, minacciato e salvato.» 14 14 p. 44. Italienisch_80.indb 66 01.03.19 12: 09 67 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Il personaggio dello Spagnolo, in Conversazioni con il silenzio, subisce la stessa forza di attrazione-repulsione, che rendono il temporaneo distacco da Ferrara liberatorio e doloroso insieme, e allargando ancora lo sguardo, la fuga da una vita, simbolicamente rappresentata da una città, è l’obiettivo di molti personaggi rossiani nelle ultime opere, dove i protagonisti sono autori, chi più chi meno, di «fughe» da una realtà considerata opprimente, in cui i desideri più nascosti, sensuali, al limite perfino dell’incesto, sono costantemente frustrati. Piani di fuga costellano del resto l’intera parabola di Abbadessa, e perfino l’arrivo a Ferrara può essere visto come un tentativo estremo di ritrovare un luogo sicuro, una nuova dimora materna dopo il fallimento della prima, a Macerata. Nei primi tre capitoli, che potremmo definire introduttivi, il punto di vista è ancora rifratto, per la maggior parte a vantaggio della società ferrarese, mentre a partire dal quarto il narratore raccoglie finalmente per intero l’ottica che sarà poi dominante, quella di Abbadessa. È come se Rossi volesse, con i primi capitoli, accomiatarsi dal modello bassaniano, sinfonico, per abbracciare la monodia dei capitoli successivi. Si veda a questo proposito il già citato incipit: «Il rottamaio di Piazza Travaglio, il grasso mediatore che masticava distrattamente il sigaro prima di accenderlo, il noto strozzino sempre pensieroso, perduto in una sua illusione di ricchezze da accumulare, simultaneamente si volsero, come catturati da un identico raptus di curiosità, verso la porta d’ingresso della trattoria [...] D’improvviso però, e come ipnotizzati. Sul vano della porta, incorniciato dal vetro che il calore interno appannava, era apparso un signore dall’aria distinta che contrastava con l’ambiente e la sguaiata fretta.» 15 Questo già citato «movimento di macchina» è soltanto il primo esempio di questa rifrazione dello sguardo, la cui somma tuttavia non arriva a misurare accuratamente la dimensione interiore del dottore, e anzi fraintende molto della sua natura, in attesa di quanto verrà in seguito. Non è nemmeno un caso, dopo i vaghi accenni a passati invaghimenti omoerotici, che nel quarto capitolo avvenga l’incontro con il ballerino di tango che influenzerà la vita successiva del dottore. Ricordiamoci che nell’opera bassaniana l’unica relazione sviluppata dall’autore è quella di Fadigati e Deliliers, di cui però, inevitabilmente, l’autore non può far altro che omettere le prime fasi di approccio, relegate nel segreto irraggiungibile dallo sguardo collettivo che ancora domina ne Gli Occhiali d’oro. 15 p. 17. Italienisch_80.indb 67 01.03.19 12: 09 6 8 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger Questo sguardo collettivo in Bassani aveva già tutti i tratti del voyeurismo più molesto, incarnato dall’avvocatessa, che spia Fadigati e Deliliers e tiene al corrente la sua compagnia di amici e conoscenti. Ciò che Rossi aggiunge a questo impianto di prospettiva esteriore è la risposta del protagonista, a sua volta intento a «spiare» la società ferrarese, e a captarne il favore o lo sfavore nei suoi confronti. Come in molti personaggi rossiani, come ad esempio il protagonista de I sogni ricorrenti di Biagio Balestrieri, la loro passività conduce a quello status di osservatori della «vita degli altri», 16 e Abbadessa, nelle sue passeggiate per la città, ricopre proprio questo ruolo. 17 Nell’episodio ‘joyciano’ della masturbazione voyeuristica di Viserba poi il dottore è voyeur nel senso più sensualmente connotato del termine, utilizza il suo sguardo indiscreto per l’appagamento sessuale. Del resto il voyeurismo indiscreto in qualche misura colpisce anche lo stesso autore, che indaga un’esistenza in fin dei conti reale, quella di Mattozzi, ma irrimediabilmente perduta, riempiendo un contenitore scarno, fatto di eventi di cronaca e pettegolezzi ormai morenti, con una vita tormentata e innervata di languori e desideri morbosi. Il punto di vista interiore di Abbadessa, quello che lo allontana notevolmente dal modello bassaniano, permette all’autore di concentrarsi sull’aspetto della vista. Un romanzo come quello di Bassani, così insistente nel descrivere lo sguardo degli altri rivolto alla vittima Fadigati, e il suo corrispondente ideale, gli ebrei, trova in Puttaneggiar coi regi il suo sistematico controcanto. Rossi intende istituire un incrocio di sguardi, ossessivo e indiscreto, dalla società ad Abbadessa, furtivo ma almeno altrettanto ossessivo nella direzione opposta. Gli stessi occhiali d’oro, che in Bassani ricoprivano la funzione di distinguere il dottore dal resto del mondo, assumono per Rossi un ruolo figurale altrettanto importante. Sono al contempo, e come in Bassani, un segnale di riconoscimento, elegante e fatuo insieme, manifesto dell’alterità di Fadigati- Abbadessa, e d’altro canto il filtro attraverso cui il dottore rossiano vede, sebbene la sua vista ne risulti turbata e distorta. La comparsa spettrale di una ragazza vestita poveramente, ma con in testa un cappello di una contrastante coquetterie 18 è l’unico riferimento al passato maceratese del dottore. Abbadessa ha ormai la casa stipata di oggetti confiscati, quando un ulteriore pezzo si aggiunge al magazzino, una lorgnette d’oro, dono appunto della misteriosa ragazza. Il dottore balbetta «Perché… a casa, a Macerata, adesso…», e sarà 16 I sogni ricorrenti di Biagio Balestrieri, p. 41. 17 Cfr. p. 36 per lo «spiare» di Abbadessa e «Era riposante starsene in casa a spiare quello che facevano […] gli altri.», ne I sogni ricorrenti di Biagio Balestrieri, p. 14. 18 Il contrasto tra abbigliamento povero e copricapo sgargiante sarà anche il tratto distintivo della ragazza ebrea protagonista di uno dei filoni che si intersecano nel romanzo successivo di Rossi, Conversazioni con il silenzio. Italienisch_80.indb 68 01.03.19 12: 09 6 9 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi l’unico scambio di parole di tutto l’episodio. Al lettore non è dato sapere quale collegamento esista tra questo prezioso oggetto e il passato nebuloso di Abbadessa, e le ipotesi di conseguenza si moltiplicano. Un tale accessorio femminile e antiquato potrebbe essere un riferimento alla madre del protagonista, forse deceduta; ma l’esercizio è ozioso. Ciò che importa è la figurazione di una gioventù lontana, il parallelismo con gli occhiali del dottore adulto. L’ipotesi è che la distorsione della vista, la barriera visiva e distintiva al contempo, sia fondamentalmente onnipresente per Abbadessa, che del resto usa gli occhiali, in questo episodio, per celare qualche lacrima di commozione. Pochi istanti prima di morire, ormai abbandonato alla passività della vittima, l’ultimo pensiero è rivolto proprio alla lorgnette: «…e provò a pensare al dolore, alla sua avventura, alla delusione per la conclusione di una storia incompiuta, alla lorgnette che… Già. La lorgnette, nell’astuccio di pelle, in un cassetto. La lorgnette, montata in oro, come gli occhiali, E gli venne da sorridere e da piangere, in una sola volta.» 19 Non sarà un caso che la lorgnette, come accessorio da teatro, sia uno strumento da voyeur, rappresenti la proiezione dello sguardo verso l’esterno, e neppure è casuale che si tratti del secondo e ultimo dono spontaneo che il dottore riceve, insieme alla statua in gesso, come vedremo. L’ambiguità che Abbadessa non può scuotersi di dosso, insieme spia e vittima di innumerevoli occhi che spiano, ricopre anche l’ultima azione, dove il riso e il pianto si frammischiano. Non va poi dimenticato il ruolo preminente che ha la vista per il voyeur Abbadessa come unica àncora di salvezza, l’unico punto di contatto con l’oggetto del desiderio vagheggiato. Essere privati anche di quella sarebbe la condanna più atroce per il protagonista. Le rare parole di Fadigati pronunciate nel corso della narrazione si rispecchiano nel quasi perenne mutismo di Abbadessa, ed entrambi parlano spesso solo per rispondere a chi - la moglie dell’avvocato Lavezzoli da un lato, Bocchimpani dall’altro - li confronta con la realtà innegabile, l’omosessualità appunto, che entrambi così ostinatamente vogliono tacere, sebbene coscienti della fama che ormai li circonda. La negazione della possibilità di parlare fa rivestire alla vista un’importanza comunicativa ancora maggiore. Eppure, in punto di morte, la cecità è quanto Abbadessa si rimprovera di più, lui che 19 p. 115. Italienisch_80.indb 69 01.03.19 12: 09 70 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger «aveva vissuto la tragedia del mondo tenendo gli occhi chiusi […], pur di vivere la propria vita, guardandola dietro lo schermo delle lenti, difeso dagli inseparabili occhiali.» 20 Al momento dell’«arresto» di Abbadessa da parte del gruppo di criminali, il protagonista presagisce la sciagura, e volontariamente si vela gli occhi, per non dover assistere al dramma personale, e lungamente preconizzato, che sta per compiersi: «Tolse gli occhiali per non vedere, li appoggiò su un tavolo, una mensola. Si coperse gli occhi, in cerca di una totale cecità, aperse la porta.» 21 La cecità di Abbadessa, almeno in una particolare chiave di lettura, avrà una connotazione ben specifica: «A Ferrara, come dovunque del resto, il passato è storia da raccontare per sottolinearne la vergogna. Abbadessa non lo afferra; per lui il passato, deformato dal filtro di lenti che favoriscono, metaforicamente, l’opacità, è questa città che ama e che gli è stata complice, dove ha potuto divertirsi e innamorarsi, illanguidirsi e puttaneggiare…» 22 Si tratta della cecità nei confronti della Storia, quella vergognosa e passiva, che ha accettato la crudeltà e l’oppressione più disumane con complicità, al solo scopo di continuare a soddisfare i più bassi istinti. In questo senso la colpa di Abbadessa è la colpa della città tutta, e questa non farà altro che trovare il capro espiatorio proprio nella figura del dottore. Il clima postbellico, ilare più per necessità storica che per effettivo sollievo, si dimostra ostile nei confronti del protagonista, colpevole forse soltanto di aver rappresentato una Ferrara ipocrita, ciecamente rivolta verso la soddisfazione dei propri istinti per poter ignorare la tragedia che si dipanava lenta e sicura davanti agli occhi di tutti. A riguardo ancora una volta è Bocchimpani a riassumere questi tratti, un Bocchimpani invaghito della «libertà» ritrovata, spogliato di ogni riferimento al suo passato e al suo intransigente fascismo, eppure omertoso ancora una volta, senonché ora la sua omertà colpisce Abbadessa invece di favorirlo. Possiamo misurare lo scarto dalla vicenda bassaniana, dove il protagonista si suicida all’apice del controllo fascista, rifiutato da una società plasmata dal regime, e dunque ne diviene una vittima, un martire agli occhi del lettore. Tutta l’ambiguità di Abbadessa d’altro canto sta proprio nella malinconia per il periodo fascista, dove ancora poteva considerarsi un punto focale dell’attenzione dell’opinione pubblica ferrarese, nel bene e nel male. Abbadessa non è vittima dei fascisti, non direttamente, è piuttosto 20 p. 114. 21 p. 107. 22 p. 105. Italienisch_80.indb 70 01.03.19 12: 09 71 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi vittima della sua cieca connivenza col fascismo, e muore quando la città è già sazia di morte. Il controcanto ironico è ovviamente il riaccendersi del pettegolezzo, tanto amato dal dottore, proprio quando questi scompare. Una Ferrara contemporanea, lontana dalla guerra e dal fascismo, quella dell’ultima sezione, subisce la ‘vendetta’ del dottore, e causa un ultimo risorgere di quei pettegolezzi. L’arte e il cinema «abbassati»: altre strategie di riscrittura Il lavoro di ricostruzione biografica della vicenda Mattozzi che Rossi intraprese insieme a Lucio Scardino, allo scopo di donare ancor più una tinta di cronachismo storico alla vicenda ferrarese, 23 non si limitò affatto ai soli dati legati alle contingenze storico-anagrafiche, ma si addentrò anche nei particolari di natura caratteriale, fino ad indagare i gusti artistici del noto medico. La sua vasta collezione d’arte di cui abbiamo, grazie al lavoro di Scardino, un inventario completo, era a questo riguardo di forte interesse, perché ci trasmetteva, seppur indirettamente, uno scorcio sulle preferenze estetiche del facoltoso e colto medico. La vasta cultura quasi mai sfoggiata, per paura di essere indelicato, è del resto uno dei tratti che caratterizzano anche Athos Fadigati, che si dimostra essere ben al corrente dei fatti artistici ferraresi: «[Il cliente] trovava infine un medico bonario e conversevole che [...] pareva soprattutto ansioso, da quel vero signore che era, di sapere […] se avesse visto bene, appeso a quella data parete di quel dato salotto, quel tale De Chirico o quel tale ‘Casoratino’, e se gli fosse piaciuto quel talaltro De Pisis; e faceva poi le più alte meraviglie se il cliente […] confessava non soltanto di non conoscere De Pisis, ma di non aver mai saputo prima d’allora che Filippo De Pisis fosse un giovane, molto promettente pittore ferrarese.» 24 Bassani adombrerà nel seguito dell’opera, e per poche notazioni, la profondità della cultura di Fadigati, concentrandosi però sulla musica (Wagner spicca fra tutti) e sulla letteratura: nessun ulteriore accenno all’arte. Il lavoro di riscrittura rossiano raggiunge a questo proposito un virtuosismo in quella che definirei contaminatio delle fonti. Anche in Puttaneggiar, 23 Si veda Lucio Scardino, La collezione d’arte di Antonio Santini (Ferrara 1824-1898), Ferrara: Liberty house 2004, pp. 105-133. 24 G. Bassani, Gli occhiali d’oro, p. 218, in «Meridiano» Bassani, Milano: Mondadori 1998. Italienisch_80.indb 71 01.03.19 12: 09 72 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger difatti, i gusti artistici del medico giocano un certo ruolo, ma forse ben più fondamentale di quanto si possa leggere in Bassani. Anche in Rossi la descrizione dello studio medico avviene attraverso la prospettiva di un altro, che percorre i salotti e le stanze e ha modo di osservare le particolarità: «E sempre s’incantava [la donna delle pulizie] a guardare in una nicchia incavata nella parete della stanza di soggiorno, lo stesso oggetto che le accendeva l’immaginazione in un soprassalto di stupita curiosità: la riproduzione in gesso del ‘Lamento di un cieco’. Di quella statua marmorea, scolpita dall’artista ferrarese Enzo Nenci, il rottamaio di piazza Travaglio aveva offerto in regalo al dottore la riproduzione in gesso, come segno di amicizia, o forse per liberarsene sapendo che non valeva nulla, ignorando che gli oggetti di gesso erano di malaugurio se…» 25 Notiamo subito una fondamentale divergenza: lo status sociale del riguardante. In Bassani era uno dei presumibilmente facoltosi clienti di Fadigati a compiere una pigra passeggiata nelle molte stanze dello studio; qui è la donna delle pulizie, muta e devota servitrice del dottore la quale, durante il suo lavoro, non può non fermarsi ad ammirare l’opera. La scelta di quest’ultima è la prova della suddetta contaminatio. Apprendiamo che in possesso di Mattozzi vi era in effetti proprio il Lamento del cieco di Nenci, 26 scolpito nel 1927 e acquistato un anno dopo dal medico, ma non certo una copia in gesso, forse addirittura scadente, e perdipiù dono di un «rottamaio»! Innanzitutto possiamo vedere il ricorrere di un meccanismo a noi ormai noto, vale a dire il sistematico abbassamento di ogni dato bassaniano riplasmato da Rossi, che arriva anche, come in questo caso, ad uno «abbassamento sociale»: il ricco borghese diventa l’umile donna delle pulizie. Ma questo abbassamento va anche oltre, diventa materico quando dal marmo pario dell’originale si passa al gesso. Ritengo che il Lamento sia ben più di una notazione en passant, anzi, può essere visto come una concretizzazione figurale di quanto Rossi cerca di attuare con lo stesso romanzo Puttaneggiar, vale a dire un calco di minor pregio rispetto all’originale, e più fragile. Senza voler raggiungere l’eleganza «marmorea» della fonte bassaniana, Rossi si accontenta di una filiazione minore, in cui però resti intatto il soggetto. La donna delle pulizie non sa, ci pare di intendere, che la statua non è altro che una copia, e dunque di questa ammira solo il soggetto, non si cura della materia. Se ciò che se ne deduce è vero, non si potrà trovare una più pro- 25 p. 32. 26 Cfr. Lucio Scardino, La collezione d’arte di Antonio Santini, op. cit. Italienisch_80.indb 72 01.03.19 12: 09 73 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi fonda dichiarazione di stima nei confronti dell’opera del ben più noto cugino di questa, dove Rossi pare elevare soprattutto la figura stessa di Fadigati- Abbadessa, e proprio secondo la sua personale chiave di interpretazione del personaggio, un «cieco» investito dal dolore più intenso ed inesprimibile. Ci resta peraltro aperta un’interpretazione sensibilmente diversa, anche se non per il risultato: Rossi potrebbe anche criticare proprio la «materia» bassaniana, identificabile forse con la scelta dei fatti da narrare compiuta dal cugino, salvando però proprio Mattozzi-Fadigati stesso. A prescindere da questa ambiguità, Rossi è riuscito a rielaborare il dato bassaniano, a farlo filtrare attraverso il prisma della realtà documentaria, e ciononostante a ridefinirlo per allacciarsi idealmente proprio a Gli occhiali d’oro. 27 È un omaggio - o protesta di originalità, a seconda dei punti di vista - che si può notare solo con l’edizione (postuma a Rossi stesso! ) dell’inventario delle opere possedute da Mattozzi: dunque un’intima e sottaciuta rivendicazione dell’autore di una parentela letteraria con il più anziano e celebre cugino. Il brano de Gli occhiali d’oro succitato doveva servire, nell’economia del romanzo bassaniano, a definire il personaggio Fadigati attraverso la raffigurazione del suo altrettanto raffinato studio, insieme al suo proprietario. Ne emerge, come abbiamo visto, un personaggio colto e ben attento ai fermenti artistici ferraresi e non solo, ma la citazione non certo casuale degli esponenti di spicco della comunità artistica cittadina ci rimanda un’immagine che, per lo stesso volere dell’autore, doveva essere all’avanguardia, ma non troppo, raffinata e insieme elegantemente conformista e convenzionale, l’ideale raccordo culturale con la borghesia cittadina, eterno sfondo della parabola di Fadigati. Rossi d’altro canto ancora una volta si serve delle precise informazioni intorno alla collezione d’arte di Mattozzi, soffermandosi con maliziosa insistenza sul pittore Giorgio De Vincenzi, rappresentato con numerose opere. Nenci ha un ruolo fondamentale per il gioco figurale suddetto, ma De Vincenzi ha una presenza più organicamente importante per tutto il romanzo rossiano. Nelle rarissime e spesso balbettate conversazioni con pochi comprimari, si ritaglia un certo spazio la vicenda della «scoperta» del pittore da parte di Abbadessa: Rossi appare incline ad accettare l’interpretazione più maliziosa di questo desiderio di Mattozzi-Abbadessa di promuovere l’artista coetaneo e a dire il vero di scarso successo, attribuendo ai due una breve storia d’amore, iniziata proprio con il primo incontro - presente solo nel romanzo, beninteso -, avvenuto nella barberia di De Vincenzi. In Bassani era De Pisis il pupillo della società ferrarese 27 Il gesto di pulire la targhetta del nome di Abbadessa, compiuto con tanta amorevolezza dalla donna delle pulizie, prima di ritornare nella sua stanza, può essere altresì interpretato per la sua natura encomiastica. Italienisch_80.indb 73 01.03.19 12: 09 74 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger ammirata anche da Fadigati, una scelta che rispecchiava la cultura contemporanea, ma allo stesso tempo la superficialità di una moda presso la borghesia urbana; per Rossi, sistematicamente inteso a svilire e popolarizzare, il preferito di Abbadessa era un artista non certo della caratura di De Pisis, e perdipiù specializzato in vedute di Ferrara, rese con masse di colore a volte spiazzanti, ma tutto sommato «reazionario» per gusto, ispirazione e soggetti dipinti. A ciò si aggiunga la natura stessa della storia d’amore tra Abbadessa e il «pittore-barbiere», a tratti anche volgarmente fisica, destinata ad esaurirsi in breve insieme alla sua carica clandestinamente erotica, principale motore della relazione. Da esteriore marca sociale di buon gusto più portata ad emblema di appartenenza sociale delle preferenze artistiche di Fadigati si passa dunque a predilezioni dettate da «bassi» istinti erotici, che poi rivivranno nell’affetto memoriale rappresentato dai numerosi quadri presenti nello studio di Abbadessa. La narrazione di alcune riprese di Ossessione nel centro di Ferrara, e dell’incontro mancato del protagonista con gli attori coinvolti nelle riprese occupano una cospicua parte del romanzo. Abbadessa, come al solito frustrato nei suoi intenti di comunicare quando non è alla ricerca di una furtiva avventura erotica, prima non riesce a vedere Massimo Girotti, il «bellissimo» attore protagonista, 28 e poi, per una subitanea vergogna, fugge dal tavolino da bar dove aveva notato le altre star della pellicola. La caratteristica dell’amore appassionato del dottore per il cinema non soltanto è forse quello che maggiormente si distanzia dal ritratto abbozzato di Fadigati, che poi confluisce in quello di Abbadessa, ma è anche il tratto che avvicina di più il dottore ad altri numerosi personaggi rossiani ugualmente cinefili. La cinefilia di questi personaggi raramente si discosta anche da un’altra caratteristica fondamentale, costantemente presente nell’opera rossiana, vale a dire la loro incapacità, o mancanza di volontà, di assumere mai un altro ruolo che non sia quello di instancabili osservatori delle esistenze degli altri; come Abbadessa, del resto, e sarebbe fin troppo facile istituire un parallelismo con la cinefilia di Rossi stesso. Senza seguire le tracce di possibili influenze autobiografiche, aleatorie per antonomasia, resta però il dato che il cinema nell’estetica rossiana si sovrappone quasi alla scrittura, condividendo tecniche e approcci al materiale narrativo. L’amore per il cinema di Abbadessa arriva al punto da fargli considerare la sua parabola biografica come una pellicola in atto: 28 Il tentativo - fallito - di Abbadessa di incontrare e poter parlare con Massimo Girotti rispecchia forse un episodio della vita dell’autore, quando questi incontrò e parlò con Rupert Everett, interprete di Davide Lattes nel film Occhiali d’oro di Montaldo, girato a Ferrara. Italienisch_80.indb 74 01.03.19 12: 09 75 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi «La trattoria Ada e il ballerino di tango, il pittore-barbiere e le castagne del Montagnone, il Castello e la chiesa di San Giuliano, persino Bocchimpani e le sue schifose vigliaccate, tutto faceva parte di un film in cui era lui, lui solo, Abdon Abbadessa, il protagonista. E questo film doveva continuare ancora, finché il corso degli eventi lo voleva.» 29 L’intento di Rossi, per tutto il romanzo, è di mettere in comunicazione una vicenda biografica personale con la Storia, obiettivo che lo lega quantomai a Bassani. Per l’autore, tuttavia, la vicenda storica è anche estetica: la morte di Abbadessa, la morte del fascismo si sovrappongono alla nascita di un nuovo cinema, emblematicamente e in certa misura fattualmente introdotto proprio da Ossessione, «film-chiave della vicenda ferrarese del cinema, […] straordinario esempio di romanzo d’appendice, dove amore e morte, intreccio di Eros e Thanatos dai continui riferimenti alla realtà o meglio ancora alla verità di un quotidiano nelle mani del destino, trovano il loro teatro nella memoria di Ferrara.» 30 Ossessione e Puttaneggiar coi regi hanno dunque in comune il «teatro» memoriale della città, così come lo hanno la vicenda di Mattozzi-Abbadessa e le riprese del film di Visconti nella realtà storica. Il processo riscritturale compirà poi un ulteriore passo in Conversazioni con il silenzio, dove l’autore riprende il personaggio dello Spagnolo dal film, per fargli vivere una delle vicende di questo romanzo corale; mentre nel secondo romanzo il vero Massimo Girotti si aggira per Ferrara, nel terzo il suo amico nella finzione della pellicola attende che il personaggio interpretato dall’attore ritorni in città per ricongiungersi finalmente con lui. Nel film l’ambiguità del rapporto fra i due uomini è innegabile quanto forzatamente irrisolta; nel romanzo d’altro canto lo Spagnolo è omosessuale, e così dicasi del protagonista della pellicola, e i due sono di fatto amanti. Il romanziere ha dunque deciso di sviluppare quanto solo lontanamente adombrato da Visconti, ponendo quindi Abbadessa e lo Spagnolo sullo stesso piano di frustrazione della propria sessualità. Nel racconto Serena, parte della raccolta I colori di Ferrara, pubblicato poco dopo Puttaneggiar, ma prima di Conversazioni, Rossi aveva introdotto questo esperimento di sviluppo di materiale cinematografico, 29 pp. 99-100. 30 Dimenticare Ferrara. Scritti per la cinematografia ferrarese, A c. di L. Scardino, Ferrara: Liberty House 2005, p. 64. Questa raccolta di scritti sul cinema sono soltanto una piccola parte della vasta produzione critica rossiana sul cinema. Italienisch_80.indb 75 01.03.19 12: 09 76 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger offrendo una prosecuzione di La suora giovane di Giovanni Arpino, ambientata proprio nella città estense. Antecedenti letterari e cinematografici non soltanto hanno parità di statuto, ma vengono entrambi coinvolti nella riscrittura, mescolando temi e suggestioni. Per quanto il film tratto da Gli occhiali d’oro non lasci a mio parere segni organici nella riscrittura rossiana, e non mi azzarderei a definirlo un ‘filtro’ necessariamente determinante, non è forse un caso che l’ultimo romanzo della ‘trilogia’ inizi proprio dove il dramma del Fadigati cinematografico (ma anche di quello letterario) era terminato, al Po di Pontelagoscuro, dove era annegato, e da dove nella prima scena del film viene ripescato, corpo senza vita. Il fatto è che il cinema per Rossi è molto più di un bagaglio di fonti da poter rimodulare durante la riscrittura: è un esempio di tecnica narrativa e insieme una chiave di lettura attraverso cui Abbadessa interpreta la sua esistenza. Basti osservare l’episodio sopraccitato della donna ebrea messa in salvo dal protagonista: «Lui ha sùbito un copione pronto, essere frequentatore assiduo di cinematografi in questo momento gli giova per improvvisare una sceneggiata delle più imprevedibili.» 31 L’esperienza cinematografica ispira immediatamente al dottore un sotterfugio per salvare la donna, sebbene, come abbiamo visto, la scena non sia priva di un alone grottesco. La «proiezione» di una scena da film ha qui un inaspettato risultato positivo; più generalmente in Rossi, in tutta la sua produzione narrativa, i personaggi «proiettano» alternative alle loro vite dedite all’osservazione, sognano la fuga in una realtà in cui possano in effetti influire sul corso degli eventi. Così, nel racconto Serena, composto, si è detto, a cavallo del secondo e del terzo romanzo della trilogia, il deuteragonista maschile intanto proiettava nel suo meraviglioso cinematografo di una fantasia instancabile, spregiudicata, spregiudicatamente creativa l’avventura che, insieme a me, lo aspettava per il giorno dopo. 32 L’immaginario di Abbadessa subisce anch’esso la disordinata cultura cinematografica di chi va al cinema per avere la possibilità di coltivare avventure erotiche clandestine, come è il caso del dottore. I film che rappresentano storie d’amore avventurose e spesso convenzionali, citati in Puttaneggiar, finiscono per costituire un contraltare invidiato e bramato da Abbadessa, e perciò questi le proietta sulla sua esistenza, specialmente quando il desiderio inappagato spinge il protagonista alle uscite serali segrete: «Usciva furtivamente di casa, ripeteva infallibile lo stesso copione e 31 p. 112. 32 Serena, in I colori di Ferrara, Ferrara: Liberty House 1993, p. 110. Cfr. anche: «‘… ma doveva andare adagio per completare la proiezione nella mente», I sogni ricorrenti di Biagio Balestrieri, op. cit., p. 93. Italienisch_80.indb 76 01.03.19 12: 09 77 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi riproiettava lo stesso film, un po’ dal vero e un po’ nella mente che lo aveva registrato.» 33 Il cinema è dunque fonte di vicende umane ideali, in forte contrasto con la doppia esistenza di Abbadessa, a cui il protagonista si piega con fin troppa accondiscendenza. Eppure emerge talvolta nel dottore la coscienza di essere il risultato di una stratificazione di vicende, biografiche e letterarie allo stesso tempo, e quindi di essere imbrigliato in un dramma non suo: «Sapeva di avere già ottenuto, per volontà d’altri che nemmeno conosceva, una parte importante in quello spettacolo tutto da scrivere: per questo ne volle favorire il proseguimento, l’inizio anzi, perché fino a quel momento non era stato interpretato nient’altro se non il prologo…» 34 Conclusione: alterità da/ alterità con Bassani Rossi investe Abbadessa di una consapevolezza che stride con il fatto letterario, la consapevolezza di rappresentare un fatto storico già scritto. Quando il gruppo misterioso di uomini penetra in casa sua per portare a termine la sua esistenza, Abbadessa è cosciente di quanto stia per avvenire e anzi, con la sua passività, favorisce l’esecuzione della condanna a morte. Ma già allorquando la visita maceratese lo porta a riflettere sul suo status di persona rifiutata dall’ambiente per cui aveva provato repulsione ed attrazione insieme, si insinua nel protagonista la coscienza di essere ormai più personaggio che uomo: «Gli occhiali d’oro. Se se li fosse tolti, e li avesse gettati nel vuoto senza confini, la sua anima li avrebbe seguiti per sparire insieme a loro.» 35 Come si vede, gli occhiali, questa volta intesi come stimmate della sua alterità e perciò della sua necessità nel panorama cittadino, hanno incorporato a tal punto il personaggio che questi sarebbe annullato senza il necessario marchio: il voyeur Abbadessa è ben cosciente di poter esistere solo in quanto oggetto del voyeurismo altrui. Abbadessa è un personaggio stratificato, raccoglie in sé la biografia per noi oscura del dottor Mattozzi, del Fadigati di Bassani, e di altre figure tipicamente rossiane; a questi ‘filtri’ si aggiungano poi le influenze cinematografiche, con Ossessione naturalmente in primo piano, ma non andranno dimenticati neppure altri film, sempre presenti nell’immaginario del Rossi 33 p. 34. Cfr. anche «il passato non è che leggenda offuscata, opacata, la dissolvenza sopra un’immagine precedente.», p. 118. 34 p. 19. 35 p. 103. Italienisch_80.indb 77 01.03.19 12: 09 78 Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Philip Stockbrugger critico e narratore. Non è dunque una riscrittura soltanto bipolare, e Gli occhiali d’oro sono più struttura sopra la quale costruire un testo come Puttaneggiar coi regi, con una sua autonomia, piuttosto che un referente a cui rispondere punto per punto: ho cercato di dimostrare una certa complementarità tra le due opere, in cui l’operazione rossiana è ben più di una riappropriazione stilistica. Si tratta invero di una contaminatio in cui Rossi opera alcune scelte narrative destinate a rivelare un Mattozzi-Abbadessa imbrigliato da una rete di sguardi di cui anche lui questa volta è responsabile; Bassani non aveva mai concesso spazio alla possibilità che il rapporto Fadigati-Ferrara potesse essere altro da quello vittima-carnefice, mentre Rossi d’altro canto è pronto a rivelare la necessità di Abbadessa di sentirsi vittima, per essere ‘visto’, oggetto di chiacchiere pur sempre preferibili alla totale scomparsa. La strategia di abbassamento, che investe l’apparenza del personaggio, i suoi comportamenti, i suoi gusti artistici, perfino la sua etica mettono Abbadessa in linea con altri personaggi rossiani, e non si può negare che l’attrazione verso un personaggio come Mattozzi-Fadigati debba essere in parte spiegata proprio in virtù dell’esemplarità della sua vita, sia essa reale o fittizia, della sua fin troppo evidente collocabilità nella schiera di voyeurs ideati da Rossi. Eppure l’autore compie un’operazione ben più profonda, rimodula la sua estetica per inglobare la Storia, finora tenuta ai margini, una Storia ferrarese, e dunque anche personale. Mettersi in contatto con l’opera di Bassani significa allora attingere da un autore che non solo aveva già compiuto questo sforzo, ma che ha anche un bagaglio memoriale affine, la comprensione della propria alterità in una Ferrara divenuta ostile. Abstract. Der Roman von Gianfranco Rossi, Puttaneggiar coi regi, ist eine deutliche riscrittura von Gli occhiali d’oro, dem berühmten Werk Giorgio Bassanis. Dieser Aufsatz untersucht die Strategien der dialektischen ré-écriture bei Rossi. Rossi versetzt die Hauptfigur des homosexuellen Arztes in ein soziales Milieu, das diastratisch komplexer aufgebaut ist im Vergleich zu dem, was Bassani in seinem Roman zeigt. Auch dem Fascismo steht der Arzt von Rossi ambivalent gegenüber, im Vergleich zu Bassanis Darstellung: das sozial negativ bewertete Merkmal, sei es das Judentum oder die Homosexualität, wird in Rossis Werk nicht als eine allgemeine Verwerfung durch die Gesellschaft so wie bei Bassani -, sondern eher als ein persönliches Merkmal der Diversität konzipiert. Dennoch teilen die beiden Autoren eine Gesamtstrategie der Darstellung: Beide bemühen sich, durch exemplarische Beispiele des «Sündenbocks», die Tragödie des Fascismo in einer provinziellen Kleinstadt darzustellen. Italienisch_80.indb 78 01.03.19 12: 09 79 Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro a Puttaneggiar coi regi Summary. The novel Puttaneggiar coi regi by Gianfranco Rossi constitutes an evident re-narration of Giorgio Bassani’s masterpiece Gli occhiali d’oro. This article attempts to reconstruct the strategies of this dialectic process of ré-écriture. Rossi places the protagonist in a social sphere which is more complex compared to Bassani’s. Furthermore, the doctor in Rossi’s novel shows a more ambivalent attitude towards fascism: such attributes as Jewishness or homosexuality, seen as bad in the Ferrara Society, are described more as personal signs of diversity and less as in Bassani, as criticized generally by society. However, both authors work in a similar manner towards their shared intent of showing their protagonist as exemplary scapegoat and the tragedy of fascism in a provincial city. Bibliografia Rossi, Gianfranco: Gli spettatori dimenticati. Milano: La Cisterna 1991. Rossi, Gianfranco: Puttaneggiar coi regi. Ferrara: Liberty House 1993. Rossi, Gianfranco: Conversazioni con il silenzio. Ferrara: Liberty House 1995. Dolfi, Anna: «’Ut pictura’. Bassani e l'immagine dipinta», in: Ritorno al «Giardino»: Una giornata di studi per Giorgio Bassani, a cura di Ead. e Gianni Venturi, Roma: Bulzoni 2006, pp. 143-155. Venturi, Gianni: «Le tecniche del vedere nell'opera di Giorgio Bassani», in: Poscritto a Giorgio Bassani. Saggi in memoria del decimo anniversario della morte, a cura di Roberta Antognini e Rodica Diaconescu-Blumenfeld, Milano: LED 2012, pp. 477- 498. Venturi, Gianni: «Giorgio Bassani e l’ermeneutica del vedere. Nuove ipotesi», in: Letteratura & Arte, VIII, 2010, pp. 25-283. Italienisch_80.indb 79 01.03.19 12: 09 8 0 U R S U L A W I N T E R Die Hölle up to date Aktualisierungen von Dantes Inferno im Comic I. Einleitung 1 Die Divina Commedia zählt zu den am häufigsten illustrierten Werken der Weltliteratur. Erste illustrierte Handschriften sind bereits wenige Jahre nach dem Tod Dantes entstanden. 2 Aufgrund der episodischen Struktur, die die Schilderung der Jenseitsreise des Florentiners kennzeichnet, ist der Text für eine Adaption im Comic mit seinen sequenzierten Einzelbildern geradezu prädestiniert. 3 Weitere Gründe für die Vielzahl der bis heute entstandenen Comic-Adaptionen der Göttlichen Komödie sind die visuelle Suggestionskraft sowie die Klassizität des Textes. 4 Der erstgenannte dieser beiden Gründe trifft in besonderem Maße auf das Inferno zu, weshalb die erste der drei Cantiche am häufigsten als Inspirationsquelle für Dante-Comics dient. Aber auch bei denjenigen Autoren, die sich um die text-graphische Adaption der gesamten Commedia bemüht haben, dominiert häufig die Darstellung der Reise durch die Hölle, wie es beispielsweise bei den beiden mir bekannten Manga-Versionen der Fall ist, wo Purgatorio und Paradiso zusammen nur je ein Drittel des Comics einnehmen. 5 Die Rückgriffe auf Dante im Manga, 1 Bei dem vorliegenden Artikel handelt es sich um die deutsche Version des Beitrags der Verfasserin, der unter dem Titel «L’inferno up to date. Attualizzazioni dell’Inferno di Dante nei fumetti» in der Zeitschrift Dante e l’Arte in Bd. 5 (2018), Dante e i fumetti, veröffentlicht wurde. 2 Vgl. Heinz Willi Wittschier, Dantes Divina Commedia. Einführung und Handbuch; erzählte Transzendenz, Frankfurt a. M. (u. a.) 2004. 3 Vgl. Achim Hölter/ Eva Hölter, «Dante im Comic - eine kurze Aktualisierung», in: Komparatistische Perspektiven auf Dantes ‘Divina Commedia’, hrsg. von Stephanie Heimgartner/ Monika Schmitz-Emans, Berlin/ Boston 2017, S.-345-352, hier S.-346; zur Sequenzialität als Charakteristikum von Comics siehe auch Christian Klein, «Comic/ Roman-photo», in: Erzählen. Ein interdisziplinäres Handbuch, hrsg. von Matías Martínez, Stuttgart 2017, S.-24-32 und Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur, Trier 2008, bes. S.- 210- 213. 4 Vgl. Achim Hölter/ Eva Hölter, «Dante im Comic», in: Comic und Literatur: Konstellationen, hrsg. von Monika Schmitz-Emans, Berlin/ Boston 2012, S.- 17-49, hier S.- 18. 5 Vgl. G ō Nagai, La Divina Commedia [1994], 3 Bde., übersetzt von Giovanni Lapis (Bd.- 1 und- 2)/ Roberto Pesci (Bd.- 3), Milano 2014; sowie Dante Alighieri, La Divina Comedia. El manga [2008], übersetzt von Maite Madinabeitia, Barcelona 2011. Italienisch_80.indb 80 01.03.19 12: 09 81 Ursula Winter Die Hölle up to date also in der japanischen Comic-Kunst, machen bereits deutlich, dass die Rezeption der Göttlichen Komödie als Klassiker nicht nur der italienischen, sondern der Weltliteratur mitnichten auf ihr Herkunftsland Italien beschränkt ist und das Werk aus dem Trecento Zeichner von Mangas ebenso wie von Comics und Graphic Novels inspiriert hat. Die Unterschiede zwischen den drei genannten Kunstformen sind relativ gering. Während Manga der «Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der visuellen Narration in Japan» 6 ist, also in erster Linie auf das Herkunftsland der Werke verweist, werden Graphic Novels im Vergleich zu Comics u.a. als «subtilere Erzählungen von größerer Tiefe» 7 beschrieben. Da sich insbesondere Comics und Graphic Novels nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen lassen, wird im Folgenden der Begriff Comic pauschal als Überbegriff für die untersuchten text-graphischen Erzählungen verwendet, weil es sich dabei auch um den im Deutschen geläufigsten Terminus handelt. Das italienische Pendant dazu bildet die Bezeichnung fumetto. Die Liste der Rückgriffe auf die Divina Commedia im Comic ist lang. Das bekannteste Werk Dantes scheint nicht nur außerordentlich viele Illustratoren, sondern auch eine besonders große Zahl an Comiczeichnern inspiriert zu haben. Zu den ältesten Beispielen zählt die von Angelo Bioletto gezeichnete und mit durch alle Panels hindurchlaufenden, von Guido Martina gedichteten Terzinen versehene Mickey-Mouse-Version L’Inferno di Topolino aus dem Jahr 1949. 8 Für die Jahre 1973 bis 1980 sind im Katalog zur Ausstellung Himmel und Hölle. Dantes Göttliche Komödie in der modernen Kunst ein deutscher sowie zwei schwedische Comics zur Divina Commedia bzw. zu Dante verzeichnet. 9 Zahlreiche Hinweise auf Comic- Adaptionen, die zumindest Anspielungen auf Dantes Commedia enthalten, heute aber teilweise nur schwer zugänglich sind, enthält auch die galleria «Poemi a fumetti. La poesia narrativa da Dante a Tasso nelle trasposizioni fumettistiche» der siebten Ausgabe der Online-Zeitschrift Arabeschi. 10 Ein 6 Stephan Köhn, «Manga», in: Comics und Graphic Novels. Eine Einführung, hrsg. von Julia Abel/ Christian Klein, Stuttgart 2016, S.- 248-262, hier S.- 248. 7 Barbara Eder, «Graphic Novels», in: Comics und Graphic Novels (Anmerkung 6), S.- 156-168, hier S.- 157. 8 Vgl. Guido Martina/ Angelo Bioletto, L’Inferno di Topolino [1949], in: L’Inferno di Topolino e altre storie ispirate a Dante Alighieri, hrsg. von Susanna Carboni, Firenze/ Milano 2016, S.- 11-83. 9 Vgl. Thomas Engelhardt (Hrsg.), Himmel und Hölle. Dantes Göttliche Komödie in der modernen Kunst. Ausstellung des Stadtmuseums Erlangen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Romanistik der Universität Erlangen-Nürnberg, 13. März bis 30. Mai 2004, Erlangen 2004, S.- 169. 10 Vgl. Nicola Catelli/ Giovanna Rizzarelli (Hrsg.), Poemi a fumetti. La poesia narrativa da Dante a Tasso nelle trasposizioni fumettistiche, 2016, http: / / www.arabeschi.it/ / uploads/ pdf/ galleria%207.pdf [18.09.2017]. Italienisch_80.indb 81 01.03.19 12: 09 82 Die Hölle up to date Ursula Winter derartiges Beispiel ist Inferno 2000, eine Adaption aus dem Jahr 1984 mit dem gutmütigen Comic-Teufelchen Geppo. 11 Ebenfalls aus den 1980er-Jahren stammt ein weiterer Comic aus dem Hause Disney, L’Inferno di Paperino von Giulio Chierchini und Massimo Marconi. 12 Der bereits erwähnte Manga von G ō Nagai ist im Jahr 1994 erschienen, nachdem sich der Zeichner bereits bei früheren Werken von Dante inspirieren ließ. 13 Ebenfalls in den 1990er-Jahren ist der Comic Jimbo’s Inferno entstanden, dessen Untertitel ihn als A Ridiculous Mis-Recounting Of Dante Alighieri’s Immortal Inferno ausgibt. 14 Hinweise auf die Anleihen bei Dante geben an den jeweiligen Stellen ins Bild klein eingefügte römische Ziffern, die auf den zugrundeliegenden Canto verweisen. Aus demselben Jahrzehnt stammt der Comic Revoir les étoiles des italienischen Autors Milo Manara, der zunächst in französischer Übersetzung in Belgien erschienen ist. 15 Abgesehen von seinem auf die Commedia verweisenden Titel enthält er eine Passage, die in erster Linie die Geschichte von Paolo e Francesca aufgreift. Insbesondere für die letzten zehn Jahre sind darüber hinaus einige weitere Neuadaptionen der Divina Commedia bzw. des Inferno im Comic zu verzeichnen. Im Jahr 2008 ist in Japan eine zweite Manga-Version der berühmten Jenseitsreise erschienen, die seit 2011 auf dem europäischen Markt in spanischer Übersetzung vorliegt. 16 Ebenfalls in spanischer Sprache verfasst ist der zwei Jahre ältere, in Europa leider schwer erhältliche mexikanische Comic La divina comedia von Gerardo Sandoval Pérez und Javier Florido. 17 2010 hat sich der US-amerikanische Illustrator Seymour Chwast der Herausforderung einer graphischen Adaption der gesamten Göttlichen Komödie gestellt. 18 Drei Dante-Comics sind im Jahr 2012 erschienen: Das 11 Vgl. Gian Luigi Gaspa, «La ‹Commedia› di Geppo, il diavolo buono», in: Poemi a fumetti (Anmerkung 10), S.- 203-206. 12 Vgl. Giulio Chierchini/ Massimo Marconi, L’Inferno di Paperino [1987], in: L’Inferno di Topolino e altre storie ispirate a Dante Alighieri (Anmerkung 8), S.- 85-141. 13 Vgl. Adrian La Salvia, «Dante e Doré. L’aura della Divina Commedia nell’arte moderna», in: Dante und die bildenden Künste. Dialoge - Spiegelungen - Transformationen, hrsg. von Maria A. Terzoli/ Sebastian Schütze, Berlin/ Boston 2016, S.- 281-301, hier S.- 294. 14 Vgl. Gary Panter, Jimbo’s Inferno. A Ridiculous Mis-Recounting Of Dante Alighieri’s Immortal Inferno In Which Jimbo, Led By Valise, In Pursuit of The Soulpinx, Enters Focky Bocky, Vast Gloomrock Mallscape [1999], Seattle/ Washington 2006. 15 Vgl. Milo Manara, Les aventures urbaines de Giuseppe Bergman. Revoir les étoiles, übers. von Christine Vernière, Bruxelles 1998. 16 Vgl. Dante Alighieri, La Divina Comedia. El manga (Anmerkung 5). 17 Vgl. Gerardo E. Sandoval Pérez/ Javier Florido, La divina comedia, Mexiko 2006. 18 Vgl. Seymour Chwast, Dantes Göttliche Komödie [2010], aus dem Englischen von Reinhard Pietsch, München: 2011. Italienisch_80.indb 82 01.03.19 12: 09 8 3 Ursula Winter Die Hölle up to date Inferno von Michael Meier, 19 das von August 2010 bis Juli 2011 als täglicher Comicstrip in der Frankfurter Rundschau abgedruckt war, Dante’s Inferno der Engländer Hunt Emerson und Kevin Jackson 20 sowie Dante’s Inferno des US-Amerikaners Joseph Lanzara, 21 der sich der berühmten Illustrationen von Gustave Doré bedient und sie mit Sprechblasen und Blocktexten versehen collageartig zu einem Comic zusammenstellt. Ob die Abweichungen von der literarischen Vorlage bei letztgenannter Adaption -- wenn beispielsweise Paolo und Francesca des Inzests beschuldigt werden und nicht Francescas Ehemann, sondern ihr Vater zum Mörder des Liebespaares wird - allein auf die künstlerische Freiheit oder nicht doch vielmehr auf die nur oberflächliche Kenntnis von Dantes Werk zurückzuführen sind, bleibt fraglich. Zum 750. Jubiläum der Geburt des sommo poeta im Jahr 2015 ist Marcello Toninellis La Divina Commedia a fumetti, das ab 1994 in der Kinderzeitschrift Il giornalino als Comicstrip publiziert wurde, 22 in Buchform neu erschienen. 23 Ein Jahr später sind zwei weitere Comic-Versionen des Inferno auf den Markt gekommen: Francesco Spagnolos La Divina Comics. La vera storia della Divina Commedia 24 ist die Print-Version der zuvor online publizierten Comics, die die Reise Dantes bis zum fünften Höllenkreis nacherzählen. Die Episodenhaftigkeit von Dantes Erzählung begünstigt auch das von Gary Reed und Galen Showman initiierte Projekt Sin Eternal. Return to Dante’s Inferno, 25 bei dem die unterschiedlichen Bereiche der Hölle von verschiedenen Künstlern gezeichnet wurden. Zum Abschluss dieses Überblicks über die große Vielfalt der Comic-Adaptionen von Dantes Inferno seien noch zwei Beispiele genannt, die zwar von der Danteschen Hölle inspiriert sind, jedoch nur punktuelle Bezüge zur literarischen Vorlage herstellen. Die aus acht Bänden bestehende Comicreihe Dantes Inferno von Akron und Voenix 26 vermischt Rückgriffe auf die Commedia mit astrologischem und spirituellem Gedankengut zu einem Psychotrip in die Abgründe 19 Vgl. Michael Meier, Das Inferno [2012]. Frei nach Dante Alighieri, Kassel: 2 2013. 20 Vgl. Hunt Emerson/ Kevin Jackson, Dante’s Inferno, London 2012. 21 Vgl. Joseph Lanzara, Dante’s Inferno, Belleville 2012. 22 Vgl. Bettina Bosold-DasGupta, «Dante ‘travestito’: Von Edoardo Sanguinetis Commedia dell’Inferno zum Comic», in: Dante Alighieri und sein Werk in Literatur, Musik und Kunst bis zur Postmoderne, hrsg. von Klaus Ley, Tübingen 2010, S.- 43-55, hier S.- 53. 23 Vgl. Marcello Toninelli, Dante. La Divina Commedia a fumetti, colori di Jacopo Toninelli, Brescia 2015. 24 Vgl. Francesco Spagnolo, La Divina Comics. La vera storia della Divina Commedia, Wrocław 2016. 25 Gary Reed/ Galen Showman (u. a.), Sin Eternal. Return to Dante’s Inferno, [Detroit] 2016. 26 Vgl. Akron/ Voenix, Dantes Inferno, 8 Bde. St. Gallen 2000-2004. Italienisch_80.indb 83 01.03.19 12: 09 8 4 Die Hölle up to date Ursula Winter des Selbst. Der 2010 erschienene Comic Dante’s Inferno von Christos Gage und Diego Latorre 27 beruht auf dem gleichnamigen Videospiel, bei dem Dante als Kreuzfahrer die Höllenkreise durchschreiten und zahlreiche Kämpfe bestehen muss, um die vom Teufel gefangen genommene Beatrice zu befreien. 28 Seit Ende der 1970er-Jahre lässt sich also eine konstante Produktion von Comic-Versionen des Danteschen Inferno festhalten. Dass seit 2010 - abgesehen von der Neuauflage von Marcellos Commedia-Adaption und der eben genannten, auf das Videospiel bezogenen Fassung - neun auf die Göttliche Komödie bezogene Literaturcomics erschienen sind, macht deutlich, dass das Interesse der Comic-Autoren an Dantes Werk so aktuell wie nie zuvor ist. Was die geographische Verteilung aller hier kurz vorgestellten Beispiele anbelangt, lässt sich ausmachen, dass Italien das Land ist, aus dem die meisten Comic-Versionen der Divina Commedia stammen. Während diese Tatsache wenig überraschend ist, soll die gerade unter den jüngeren Adaptionen ebenfalls nicht geringe Zahl der aus den USA stammenden Werke hier noch einmal zusätzlich hervorgehoben werden. Zusammen mit den Werken aus Mexiko und Japan unterstreichen die US-amerikanischen Beispiele die weltweite Verbreitung der Dante-Rezeption im Medium des Comics. Die Vielzahl der Comic-Beispiele weist darauf hin, dass die spätmittelalterlichen Jenseitsvorstellungen offenbar bis heute große Faszination hervorrufen und sich die Idee einer Vergeltung nach dem Tod, die alle im Diesseits herrschenden Ungerechtigkeiten in Folge des persönlichen Gerichts aufwiegt und Gerechtigkeit herstellt, auch im 21. Jahrhundert noch großer Beliebtheit zu erfreuen scheint. Es stellt sich nun die Frage, durch was sich die Darstellung der im Jenseits vollzogenen Gerechtigkeit in den modernen Comic-Varianten des Inferno auszeichnet und welche Funktionen den Aktualisierungen zukommen, derer sich die auf die Göttliche Komödie bezogenen Literaturcomics bedienen. II. Arten der Aktualisierung Während einerseits die erst Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Form des Comics an sich bereits eine Aktualisierung des rund 700 Jahre alten Werks Dantes darstellt, tragen andererseits Rückgriffe auf in dieser langen Zeit hervorgegangene Kunstwerke, Erfindungen und Geschehnisse dazu bei, die 27 Vgl. Christos N. Gage/ Diego Latorre: Dante’s Inferno, La Jolla 2010. 28 Vgl. Maximilian Gröne, «Die Jenseitsreise als Medientransfer: Dantes Divina Commedia in Comic und Videogame», in: Comics - Übersetzungen und Adaptionen, hrsg. von Nathalie Mälzer. Berlin 2015, S.- 125-140, hier S.- 132-135. Italienisch_80.indb 84 01.03.19 12: 09 85 Ursula Winter Die Hölle up to date Erzählung dem Wissens- und Erfahrungshorizont heutiger Leserinnen und Leser anzunähern. Untergliedern lassen sich diese Rückgriffe in die Bereiche «Kunst und Literatur», «historische und technische Entwicklungen» sowie «Popkultur». a. Form Die Geschichte des Comics nimmt erst Ende des 19. Jahrhunderts, also mehr als 600 Jahre nach der Entstehung der Commedia, im New Yorker Zeitungswesen ihren Anfang. 29 Somit kann allein schon die Wahl dieses im Vergleich zu Dantes Werken sehr jungen Mediums für die Adaption des spätmittelalterlichen Textes als Aktualisierung auf formaler Ebene gewertet werden, die auch veränderte Rezeptionsgewohnheiten widerzuspiegeln scheint. Seit der Erfindung von Fotografie und Film sowie ihrer Popularisierung, die durch die Digitalisierung eine zusätzliche Steigerung erfahren hat, sind die Menschen tagtäglich mit einer nicht enden wollenden Bilderflut konfrontiert. Der Comic mit seinen kurz gehaltenen, mit den Bildern interagierenden Texten, die auch grammatisch und lexikalisch an die heute gebräuchliche Sprachverwendung angepasst sind, dürfte den intermedialen Seh- und Lesegewohnheiten des heutigen Publikums somit besser entsprechen als die Dantesche Verserzählung. Die manifeste Intermedialität, 30 die Comics aufgrund des für diese Kunstform charakteristischen Zusammenspiels von Text und Bild auszeichnet, wird im Fall von Literaturcomics, also Comics, denen ein literarisches Werk zugrunde liegt, durch die Intermedialität der Bezüge zwischen der Adaption und dem Originalwerk ergänzt. Der Medienwechsel als Möglichkeit der formalen Aktualisierung tritt umso mehr in den Vordergrund, je enger die Neufassung der Vorlage folgt, indem beispielsweise keine anderen inhaltlichen Ergänzungen als solche erklärender Natur vorgenommen werden. Das ist bei den genannten Beispielen insbesondere bei der Manga-Version von Nagai der Fall, bei der die - durch verhältnismäßig wenige und kurze Texte ergänzten - Zeichnungen im Hinblick auf die Aktualisierung des Werks zentral sind, da - abgesehen von den eben erwähnten erklärenden Einschüben sowie sich aus dem Medienwechsel ergebenden Raffungen 31 - keine anderen aktualisierenden Eingriffe vorgenommen wurden. 29 Vgl. Andreas C. Knigge, «Geschichte und kulturspezifische Entwicklungen des Comics», in: Comics und Graphic Novels (Anmerkung 6), S.- 3-37, hier S.- 5. 30 Vgl. Werner Wolf, «Intermedialität», in: Metzler-Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: Ansätze, Personen, Grundbegriffe, hrsg. von Ansgar Nünning, Stuttgart (u.a.) 5 2013, S.- 344-346, hier S.- 345. 31 Dass im ersten Höllenkreis sowohl die Schilderung der Erhebung alttestamentarischer Figuren in den Himmel als auch die Hinweise auf berühmte Dichter und Denker der Antike ausgelassen werden, scheint allerdings nicht ausschließlich im Medien- Italienisch_80.indb 85 01.03.19 12: 09 86 Die Hölle up to date Ursula Winter b. Rückgriffe auf Kunst und Literatur Die zeichnerischen Aktualisierungen Nagais sind nicht nur in seinem persönlichen Stil begründet, sondern auch im Rückgriff auf die Kunstgeschichte. Vor allem die berühmten Illustrationen der Göttlichen Komödie von Gustave Doré werden in einzelnen Panels aufgegriffen, von denen einige sich über eine ganze Doppelseite erstrecken (Abb.- 1). Abb. 1. Links die Darstellung Charons in Nagais La Divina Commedia (Bd. 1: S.-64-65); rechts der Holzschnitt von Gustave Doré (aus: Kline: «The Divine Comedy», S.- 26). Die Bezüge zur literarischen Vorlage werden also durch Anlehnungen an andere Adaptionen des Werks - in diesem Fall aus der bildenden Kunst - ergänzt. Nagai ist nicht der einzige Zeichner, der sich dieses Vorgehens bedient. Manara beispielsweise «segue le illustrazioni di Sandro Botticelli e Gustave Doré al canto quinto dell’Inferno» 32 . Auch bei Meier finden sich einzelne an die Holzstiche aus dem 19.- Jahrhundert angelehnte Panels, beispielsweise bei den Schlemmern im dritten Höllenkreis (Abb.- 2). Grundlegend ist dieses Verfahren der Rückgriffe auf ältere Dante-Adaptionen für den Comic von Lanzara, dessen Bilder nicht bloß von Doré inspiriert sind und eigene Zeichnungen des Comic-Autors ergänzen, sondern rein auf den Illustrationen des Franzosen bzw. Ausschnitten daraus beruhen. In die wechsel, sondern auch in der Ausrichtung auf ein japanisches Zielpublikum begründet zu sein, für das kulturell bedingt ausführlichere Erklärungen dieser Zusammenhänge nötig gewesen wären. 32 Adrian La Salvia, «Dante e Doré» (Anm.- 13), S.- 293. Italienisch_80.indb 86 01.03.19 12: 09 87 Ursula Winter Die Hölle up to date Abb. 2. Links die Darstellung von Dante und dem Schakal Vergil inmitten der Schlemmer aus Meiers Inferno (S. 30); rechts der Holzschnitt von Gustave Doré (aus: Kline: «The Divine Comedy», S. 40). Handlung des Comics ist ein Doré-Zitat darüber hinaus am Anfang des Inferno di Topolino eingebettet, wenn Mickey Mouse und Goofy in einer Ausgabe der Divina Commedia lesen, die «erkennbar mit den Illustrationen von Doré versehen» 33 ist (Abb.- 3). Abb. 3. Links ein Panel aus L’Inferno di Topolino von Martina und Bioletto (S. 12); rechts der Holzschnitt von Gustave Doré (aus: Kline: «The Divine Comedy», S. 13). Auch die textuelle Rezeptionsgeschichte der Commedia findet im Comic zuweilen ihren Niederschlag, beispielsweise bei Emerson/ Jackson, wenn Dante ein Zitat aus der englischen Übersetzung von John D. Sinclair in den Mund gelegt wird und Vergil ihn auf den Urheber der Zeilen verweist (vgl. 33 Bettina Bosold-DasGupta, «Dante ‘travestito’» (Anmerkung 22), S.- 51. Italienisch_80.indb 87 01.03.19 12: 09 8 8 Die Hölle up to date Ursula Winter S.- 60). Ebenso wie in der Göttlichen Komödie selbst eine ganze Reihe intertextueller Bezüge - von der griechischen Mythologie über biblische Erzählungen bis hin zu mittelalterlichen Erzählungen- - enthalten ist, greifen die Comic-Adaptionen der Jenseitsreise vereinzelt auf andere literarische Werke zurück. So wird in L’Inferno di Topolino an zwei Stellen, bezogen auf Minnie Mouse (vgl. S.-11) sowie den Drachen Geryon (vgl. S.-62), der berühmte Eingangsvers «Tanto gentile e tanto onesta pare» eines aus Dantes Vita Nova stammenden Sonetts zitiert. 34 Auch bei Nagai findet das erste Werk Dantes im Rahmen der Einführung Beatrices Erwähnung (vgl. Bd.- 1). Bei Marcello endet die Wanderung durch die Hölle mit dem metaleptischen Plan der Figur Dante, ein Buch über seine Erlebnisse zu verfassen, dem er den Titel Viaggio al centro tella terra geben werde (S.-91), den der moderne Leser selbstverständlich mit Jules Verne in Verbindung bringt. Zuvor erfährt schon Phlegyas, der Dante und Vergil über den Fluss Styx bringt, mit einem Holzbein Anlehnung an Captain Ahab aus Herman Melvilles Moby Dick, was durch die Dialoge noch verdeutlicht wird, denn auch hier möchte Dante bereits einen Roman verfassen: «la storia di un marinaio con una gamba sola che passa il suo tempo a inseguire una specie di balena bianca» (S. 36). Bekannte literarische Figuren finden sich darüber hinaus in Meiers Inferno: Unter den Wahrsagern und Zauberern trifft man dort auf Gandalf, Aragorn und Balrog aus J.-R.-R.-Tolkiens Lord of the Rings sowie auf J.-K.-Rowlings Harry Potter (vgl. S.-87-88). Wörtliche Zitate u.a. von Euripides, Montaigne, Christopher Marlowe, Friedrich Nietzsche und Aldous Huxley werden den Häretikern im zweiten Teil von Sin Eternal in den Mund gelegt. 35 c. Berücksichtigung historischer und technischer Entwicklungen Auf ihren Jenseitsreisen in Bild und Wort treffen die beiden Protagonisten Dante und Vergil neben bekannten Sündern aus der Danteschen Hölle auch lange nach der Zeit Dantes geborene historische Persönlichkeiten. In Meiers Inferno (vgl. S.- 54) befindet sich ebenso wie im dritten Teil von Sin Eternal Adolf Hitler unter den Tyrannen und Mördern im kochenden Blutstrom. Während Meier den Diktator zeichnet, wird er in Sin Eternal nicht abgebildet, sondern im Blocktext in einer langen Aufzählung zusammen mit vielen anderen grausamen Herrschern wie Stalin, Vlad Ț epe ș oder Idi Amin genannt. Anspielungen auf die Nachkriegsgeschichte finden sich u.a. bei Emerson/ Jackson, die den drei Furien auf dem Torturm der Stadt Dis die Gestalt von Margaret Thatcher geben oder bei Meier, der die Wächter auf der Stadt- 34 Vgl. ebd., S.- 51 f. 35 Vgl. Gary Reed/ Galen Showman (u. a.), Sin Eternal (Anmerkung 25), Nachwort. Italienisch_80.indb 88 01.03.19 12: 09 8 9 Ursula Winter Die Hölle up to date mauer als DDR-Grenzer darstellt (Abb.- 4). Während diese Karikaturen jeweils eine enge Verbindung zum Herkunftsland der Autoren aufweisen, ist es wohl in der Herkunft Dantes aus (dem heutigen) Italien begründet, wenn sich bei Meier Silvio Berlusconi wie Dante im dunklen Wald der Sünde verirrt hat (vgl. S. 6-11). Abb. 4. Links die Abbildung der Furien in Gestalt von Margaret Thatcher aus Dante’s Inferno von Emerson und Jackson (S. 24); rechts die DDR-Grenzer aus Meiers Inferno (S. 40). Darüber hinaus trägt auch das Vorkommen technischer Erfindungen, die es im 14. Jahrhundert noch nicht gab, zur Aktualisierung der modernen Erzählungen der Reise durch die Hölle bei. Teilweise sind diese einfach kommentarlos in die Panels eingefügt, beispielsweise wenn Vergil Dante in L’Inferno di Topolino auf dem Fahrrad zu Hilfe eilt (Abb.- 5) oder Charon bei Chwast (vgl. S.- 16) bzw. Phlegyas bei Emerson/ Jackson seine Passagiere mit einem Motorboot befördert (Abb.- 5). In Text und Bild wird auf den technischen Fortschritt z. B. bei Marcello referiert, wenn Vergil mit dem Handy in der Hand erklärt, Beatrice habe ihn per SMS beauftragt Dante zu helfen (vgl. S.-13) oder in Jimbo’s Inferno von Panter, wenn statt der Riesen Roboter am Rand des Eissees Cocytus stehen (vgl. S.- 36). Ein Beispiel für einen Verweis auf moderne Technik, der bloß im Text enthalten ist, stellt ein kurzer, von Meier erdachter Dialog dar, in dem Dante auf Vergils Frage «Wo hast du studiert? » antwortet: «Im Internet! » (S.- 12). Italienisch_80.indb 89 01.03.19 12: 09 9 0 Die Hölle up to date Ursula Winter Abb. 5. Links Vergil auf dem Fahrrad im Inferno di Topolino von Martina und Bioletto (S. 14); rechts die Darstellung von Phlegyas im Motorboot aus Dante’s Inferno von Emerson und Jackson (S. 22). Dass mit den technischen Entwicklungen auch neue Formen der Sünde einhergehen können, belegt L’Inferno di Paperino. Dort finden sich neben Umweltverschmutzern und Bürokraten u.a. auch Verkehrssünder, die infolge der Missachtung zu Lebzeiten in der Hölle auf ewig am Stoppschild stehen und ihr Auto, das sie einst zu sehr geliebt haben, tragen müssen sowie teleradiodipendenti, die von lärmenden Stereoanlagen, Plattenspielern, Fernsehern usw. gequält werden (Abb.- 6). Abb. 6. Links die Verkehrssünder und rechts die teleradiodipendenti aus L’Inferno di Paperino von Chierchini und Marconi (S. 123 und 128). Italienisch_80.indb 90 01.03.19 12: 09 91 Ursula Winter Die Hölle up to date d. Rückgriffe auf die Popkultur Musik, Film und Fernsehen spielen in den Comic-Adaptionen des Inferno darüber hinaus als zusätzliche Quelle für intermediale Bezugnahmen eine Rolle. Zu den Rückgriffen auf die Popkultur zählt des Weiteren auch die Welt des Comics selbst. So ist beispielsweise in L’Inferno di Topolino nicht nur das Aussehen der Protagonisten an Mickey Mouse und Goofy angelehnt, sondern sie treffen in der Hölle auch viele weitere beliebte Figuren aus dem Disney-Universum wie Tick, Trick und Track (vgl. S.-25), Dumbo (vgl. S.-32) oder Donald Duck (vgl. S.-40). Auf bekannte Disney-Figuren nimmt auch La Divina Comics Bezug, wenn der Jenseitsreisende sich auf die Ankündigung seines Führers Vergil hin, der Wächter des vierten Höllenkreises sei Pluto, erkundigt, was der Hund von Mickey Mouse gemacht habe, um in der Hölle zu enden (vgl. S. 93). Einen Seitenhieb auf Walt Disney hat Marcello in seinen Comic eingebaut, wenn Homer, unter dessen Namen möglicherweise Werke verschiedener Autoren zusammengefasst wurden, mit dem US-Amerikaner verglichen wird (vgl. S.- 17), dessen Name auf vielen Werken firmiert, deren eigentliche Zeichner oft nicht namentlich genannt werden. 36 Ein weiterer Querverweis innerhalb der Welt des Comics findet sich bei Meier, wenn Dante sich beim Ritt auf dem Zentauren Nessus wie Lucky Luke fühlt (Abb.- 7). Abb. 7. Das rechte Panel zeigt Dante, der sich in Meiers Inferno wie Lucky Luke fühlt (S. 53). Zeitgenössische Musik wird z. B. von Spagnolo in La Divina Comics thematisiert, wenn der Jenseitsreisende, der in dieser Adaption gar nicht der berühmte Dichter ist, für den Vergil ihn gehalten hat, im Angesicht der anti- 36 Vgl. Bettina Bosold-DasGupta, «Dante ‘travestito’» (Anmerkung 22), S.- 51. Italienisch_80.indb 91 01.03.19 12: 09 92 Die Hölle up to date Ursula Winter ken Dichter im Limbus, die eine Kostprobe von der Kunst des vermeintlichen Kollegen hören wollen, zu rappen beginnt (vgl. S.- 64). Außerdem sind in einigen der Dante-Comics Auszüge aus den Texten bekannter Rock- und Popsongs enthalten. Bei Meier wird beispielsweise Run to the Hills der Band Iron Maiden (vgl. S.- 181) zitiert und der als Simonist kopfüber in einem Loch steckende Papst singt Upside Down von Diana Ross (vgl. S.- 86). Darüber hinaus tritt der Sänger Chris de Burgh mit seinem Hit Don’t Pay the Ferryman mehrfach in Erscheinung (vgl. S.- 19; 38). Wenn statt eines Engels ein sprechendes Auto Dante und Vergil den Zugang zur Höllenstadt Dis verschafft und zugleich Looking for Freedom von David Hasselhoff erklingt (vgl. S.-42), sind die Anspielungen auf die Fernsehserie Knight Rider eindeutig, deren Hauptdarsteller der genannte Sänger und Schauspieler ist und deren Protagonist das sprechende Auto K.I.T.T. besitzt. Ebenfalls aus einer Fernsehserie stammt das Zitat «Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert» (S. 124), das bei Meier von Vergil gebraucht wird, als der Riese Antäus die beiden Reisenden auf den Höllengrund hebt, und das im Original ein wiederkehrender Ausspruch des Protagonisten Hannibal von The A-Team ist. 37 Bezüge zum Unterhaltungsfernsehen finden sich in den Comic-Adaptionen, wenn beispielsweise Meier das Prinzip des contrappasso neu interpretiert, indem die Schlemmer in seiner Version des Inferno mit einer Kochshow über Kochshows gequält werden (vgl.- S.- 30), oder wenn bei Marcello die Patriarchen des Alten Testaments nicht begnadigt wurden, als Christus bei seinem Tod in die Hölle herabstieg, sondern weil sie bei Big Brother nominiert worden sind (vgl. S.- 16). Erwähnung finden in letztgenannter Adaption zudem die italienische Sängerin und TV- Bekanntheit Cristina d’Avena (vgl. S.- 78) ebenso wie die bekannte Videospielfigur Lara Croft (vgl. S.- 20). Anspielungen auf den Bereich des Films finden sich z. B. bei Meier, wenn Luzifer die Daseinsberechtigung des Bösen mit dem Satz «Ohne Joker kein Batman, ohne Vader kein Skywalker» (S. 131) begründet oder wenn Dante seine Zweifel zu Beginn der Reise durch die Hölle mit den Worten «Ich bin doch nicht Äneas oder Paulus … oder Robert de Niro» (S. 14) zum Ausdruck bringt und damit neben den auch in der Divina Commedia (Inf.- II, 32) erwähnten Jenseitsreisenden auf den Schauspieler verweist, der die Hauptrolle im Film Die durch die Hölle gehen spielt. Weniger leicht nachvollziehbar ist die Entscheidung Chwasts, in seiner Adaption der Göttlichen Komödie den Protagonisten Dante als Pfeife rauchenden Detektiv mit Trenchcoat und Sonnenbrille im Stil des film noir darzustellen. 37 Ich danke Melanie Sommer für die Hinweise auf die Bezüge zu den beiden aus den USA stammenden Fernsehserien. Italienisch_80.indb 92 01.03.19 12: 09 93 Ursula Winter Die Hölle up to date Insgesamt lässt sich im Hinblick auf die Rückgriffe auf die Popkultur in den Comic-Versionen des Inferno jedoch festhalten, dass insbesondere bei Meier und Marcello eine Aktualisierung der Erzählung dadurch erreicht wird, dass sie - ebenso wie Dante, der bekannte Persönlichkeiten seiner Zeit in sein Werk aufnimmt - die Prominenz der heutigen Zeit in ihren Darstellungen berücksichtigen. Somit fragt Marcellos Dante nicht ganz grundlos auf Vergils Ankündigung «In cima a questo budello potrai riveder le stelle! », die er missversteht: «E ci sarà anche Angelina Jolie? » (S.-91). Zudem tragen die Anspielungen auf die Popkultur ebenso wie beispielsweise auf neuere literarische Texte dazu bei, dass auch Leser, denen Dantes Inferno nicht bekannt ist und denen somit nicht alle Bezüge dazu auffallen, durch die intertextuellen bzw. intermedialen Rückgriffe auf Werke jüngeren Datums eine in ihrer Verweisstruktur komplexe Adaption vorfinden. III. Funktionen der Aktualisierungen Die verschiedenen Arten der Aktualisierung können unterschiedliche Funktionen erfüllen, wobei grundsätzlich jede der bisher dargestellten Kategorien zu jeder der im Folgenden erläuterten Funktionen einen Beitrag leisten kann. Letztere lassen sich in den drei Obergruppen Wissensvermittlung, Kritik und Humor zusammenfassen. a. Wissensvermittlung Die Verknüpfung von dem Leser naheliegenden Elementen mit Übernahmen aus dem Danteschen Original kann dazu beitragen, den Zugang zum Werk des italienischen Dichters zu erleichtern und zugleich grundlegendes Wissen über das Original zu vermitteln. Im Hinblick auf die Form tragen die Unterstützung durch Bilder sowie die modernere und somit leichter zugängliche Sprache der Comics dazu bei, die Hemmschwelle bei der Auseinandersetzung mit der rund 700 Jahre alten Erzählung zu senken. Zudem werden die Protagonisten Dante und Vergil den Rezipienten der Adaptionen durch eine modernisierte Darstellung u.a. ihres Aussehens bzw. durch die Verwendung beliebter Disney-Figuren wie Mickey Mouse oder Donald Duck nähergebracht. Grundlegende Elemente der literarischen Vorlage sind aber auch in den Adaptionen enthalten. So greifen alle Comics das Schema der Geschichte auf, dass Dante, der vom rechten Weg abgekommen ist, von Vergil auf dem nicht ungefährlichen Weg durch die nach Art der Sünden in verschiedene Zonen unterteilte Hölle geführt wird und im Lauf der Reise unterschiedlichsten Figuren begegnet. Zudem vermitteln die modernen Versionen des Inferno in der Regel Hintergrundwissen, das zum Verständnis einzelner Episoden benötigt wird und über das die Zeitgenossen Dantes verfügten, wäh- Italienisch_80.indb 93 01.03.19 12: 09 9 4 Die Hölle up to date Ursula Winter rend es in der heutigen Zeit und ggf. außerhalb Italiens nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Derartige Erklärungen erfolgen entweder durch in die Erzählung eingeschobene Panels oder Sequenzen, wie es z.B. bei Nagai immer wieder der Fall ist, oder sie werden dem Führer Vergil in den Mund gelegt. Außer über den Inhalt können vereinzelt auch Informationen über die dichterische Gestaltung der literarischen Vorlage in den Comics vermittelt werden, beispielsweise durch die Verwendung von Terzinen in den Blockbzw. Insert-Texten, wie es bei den Disney-Adaptionen gemacht wird. Im Fall von L’Inferno di Topolino ziehen sich diese Terzinen sogar mit fortlaufendem Reim durch alle Panels - mit Ausnahme der Rahmenhandlung - hindurch. Abgesehen von dieser rein formalen Übernahme aus Dantes Werk stellen natürlich wörtliche Zitate aus der Commedia in den Comics einen engen Bezug zur originalen Dichtung her. So beginnt beispielsweise die mexikanische Version mit dem ersten Vers aus Dantes Inferno in spanischer Übersetzung: «En medio del camino de nuestra vida» (S.- 15). Fast alle Comics geben darüber hinaus die Inschrift des Höllentors in ihrem Wortlaut wieder, allerdings in unterschiedlicher Ausführlichkeit. Außer bei Lanzara und Panter, die auf ein derartiges Zitat verzichten, sowie in L’Inferno di Paperino, das lediglich eine Anspielung darauf enthält, wird zumindest der berühmte letzte Vers der Inschrift in allen Adaptionen wortwörtlich zitiert - in L’Inferno di Topolino steht er ironischerweise auf einer Tafel mit der Überschrift «Guardaroba» (S.-17). Ohne Kürzungen ist der insgesamt neun Verse umfassende Text in deutscher Übersetzung bei Meier (vgl. S.- 17), in englischer Übersetzung im ersten Teil von Sin Eternal ebenso wie bei Emerson/ Jackson (vgl. S.- 8) und in italienischer Sprache bei Marcello (vgl. S.- 13) enthalten. Das Originalzitat wird von ihm ebenfalls durch einen profanen Hinweis ergänzt: «E mettete le velette» (Abb. 8), damit die Reisenden vor den Insekten geschützt sind, die die Tatenlosen in der Vorhölle quälen. Abb. 8. Vergil und Dante am Höllentor in der Darstellung aus Toninellis La Divina Commedia a fumetti (S. 13). Italienisch_80.indb 94 01.03.19 12: 09 95 Ursula Winter Die Hölle up to date b. Kritik Ebenso wie bei Dante die Beschreibungen in der Commedia eine abschreckende Wirkung auf die Rezipienten seines Berichts haben können, nutzen auch die Autoren der Adaptionen die Darstellung der Hölle immer wieder zur Kritik an aktuellen gesellschaftlichen Zuständen. Besonders deutlich wird das in L’Inferno di Paperino, wenn Donald Duck mit Umweltverschmutzern, Verkehrssündern, Bürokraten und Mediensüchtigen auf Figuren trifft, die sich der unterschiedlichsten Arten moderner Vergehen schuldig gemacht haben. Meier, bei dem sich u. a. Hartz IV-Empfänger - gezwungenermaßen wegen der geringen Tagessätze-- unter den Geizigen befinden (vgl. S.- 35), unterstreicht die gesellschaftskritische Dimension seiner Präsentation des Inferno an anderer Stelle durch den trocken-pointierten Kommentar Vergils: «Eigentlich ist es genau wie oben» (S.- 33). Selbst wenn die Kritik der Comic-Autoren ernstzunehmende Probleme unserer Zeit berührt, erfolgt sie in der Regel doch eher mit einem Augenzwinkern als mit moralisch erhobenem Zeigefinger. Humor stellt nämlich ein weiteres wichtiges Merkmal der Dante-Comics und somit die dritte Funktion der in den Adaptionen vorgenommenen Aktualisierungen dar. c. Humor Von einem ironischen Umgang mit der rund 700 Jahre alten Erzählung zeugen die Rückgriffe auf jüngere technische Entwicklungen und die dadurch zustande kommende Einbeziehung moderner Gegenstände in die Comics. Weitere, bei den Comic-Autoren beliebte Techniken der Humorisierung des Dargestellten sind Metalepsen sowie Wortwitze. So kommen beispielsweise Martina und Bioletto in L’Inferno di Topolino selbst als Figuren vor, die als traditori massimi in den Tiefen der Hölle vom Dichter Dante - nicht vom reisenden Protagonisten Topolino-Dante - gequält werden (vgl. S.- 81), und Vergil ermahnt bei Emerson/ Jackson Dante: «Ah, question not the ways of comic books, Dante my boy! » (S.- 6) bzw. «Ah, question not the ways of cartoon hell! » (S.- 31). Zudem erklärt Vergil, nachdem er sich direkt an den Leser des Comics gewandt hat, auf Dantes Nachfrage, mit wem er spreche: «Well - there’s this person 650 years in the future, reading something called a comic book…» (S.-70). Auf das Medium des Comics, in dem die Erzählung von der Jenseitsreise in den Adaptionen vermittelt wird, und die damit einhergehende Tatsache, dass die darin vorkommenden Figuren tatsächlich nur auf Papier gezeichnet sind, verweist Chwast, wenn er es so aussehen lässt, als ob Ugolino mit seinen Zähnen ein Stück Papier aus dem Kopf seines Erzfeinds Ruggieri reißt (Abb.- 9). Italienisch_80.indb 95 01.03.19 12: 09 9 6 Die Hölle up to date Ursula Winter Abb. 9. Ugolino und Ruggieri in Chwasts Graphic Novel Dantes Göttliche Komödie (S. 57). Humor wird darüber hinaus durch Wortwitze erzielt, derer sich beispielsweise Marcello besonders häufig bedient. Er lässt z.B. Dante einen Geldschein zücken und seine Frage wiederholen, nachdem eine Sünderin, die ihn als Toskaner erkannt hat, auf sein Erstaunen mit der Antwort «Questione d’accento! » reagiert (vgl. S.-57), was Dante als «Questione da cento! » versteht. Beliebt sind außerdem Wortspiele mit den in der Commedia vorkommenden Eigennamen. Vergils Antwort «Caco» auf Dantes erschrockene Nachfrage beim Anblick des Pferdemenschen, wer das sei, interpretiert der Florentiner falsch und pflichtet seinem Führer bei: «Ti capisco, me la sto facendo sotto anch’io! » (S.- 75). Auch Vergils Antwort auf die Frage nach dem Namen der Höllenstadt missversteht Dante und hält dessen Äußerung «Dite, Dante! » (S.- 36) für eine Aufforderung, seine Frage zu wiederholen. Mit dem Namen der Stadt Dis spielen auch Emerson/ Jackson, wenn sie einen Wegweiser vor den Stadttoren mit der Aufschrift «Dis Way» (S.- 23) versehen. IV. Schluss Die im Jenseits vollzogene Gerechtigkeit stellt sich in den modernen Comic- Varianten also als Mischung aus der Wiedergabe der dem Danteschen Original inhärenten Strukturen, teils jedoch mit parodistischen Zügen, und dem Aufgreifen und Weiterspinnen dieser überlieferten Formen im Hinblick auf Italienisch_80.indb 96 01.03.19 12: 09 97 Ursula Winter Die Hölle up to date den zeitgenössischen Kontext der Zeichner und Autoren dar, wobei die Gewichtung der herangezogenen Arten der Aktualisierung und ihrer Funktionen von Werk zu Werk variiert. Während die von Dante überlieferten Jenseitsvorstellungen dazu dienten, die Menschen in der Vorausschau auf die Konsequenzen des eigenen Handelns nach dem Tod zu einem besseren Leben auf Erden zu bewegen, wird heute die Existenz der Hölle nicht nur von vielen Theologen angezweifelt. Wenn es den Comic-Autoren also nicht rein darum geht, die Göttliche Komödie zu parodieren oder sie dem zeitgenössischen Publikum näher zu bringen, indem sie durch die Wahl einer textgraphischen Nacherzählung den Zugang zu Dantes Erzählung ebenso erleichtern wie intensivieren, dient ihnen die Bildersprache der Hölle vielmehr als Rahmen für ihre Kritik an gegenwärtigen Zuständen. Dabei erweist sich die Jenseitsdarstellung Dantes keinesfalls als mittelalterlich und überholt, sondern ganz im Gegenteil als durchaus für diesen Zweck geeignet, auch wenn die in den Comic-Adaptionen Verwendung findenden Elemente religiösen Ursprungs oftmals eher als weitgehend säkularisierte, kulturell-literarische Anleihen interpretiert werden müssen. Insgesamt gehen die Comic- Versionen des Danteschen Inferno über eine bloße Nacherzählung also deutlich hinaus und stellen eigenständige Kunstwerke dar, die ebenso als solche wie in ihrer Beziehung zur literarischen Vorlage zu betrachten sind. Abstract. Nel periodo che va dal 1949 al 2016 possiamo registrare a livello mondiale quasi venti versioni dell’Inferno di Dante adattato per i fumetti. Le analisi qui illustrate si rivolgono alle attualizzazioni presenti in questi fumetti, a parte il fatto che questo mezzo espressivo stesso data da poco più di un secolo. Sono inoltre prese in esame le principali funzioni di queste attualizzazioni: la trasmissione di conoscenze sul testo dantesco, la critica sociale e la comicità. Summary. Between 1949 and 2016 nearly twenty adaptations of Dante’s Inferno as comic strips have been published worldwide. The following analyses examine the ways in which the content was updated in these works, regardless of the fact that the expressive medium itself was born just about a century ago. Furthermore, the author considers the various functions of these modernizations: imparting knowledge about Dante’s text, social critique and humour. Italienisch_80.indb 97 01.03.19 12: 09 9 8 Die Hölle up to date Ursula Winter Bibliographie Primärliteratur Akron/ Voenix: Dantes Inferno, 8 Bde, St. Gallen 2000-2004. Chierchini, Giulio/ Marconi, Massimo: L’Inferno di Paperino [1987], in: L’Inferno di Topolino e altre storie ispirate a Dante Alighieri, hrsg. von Susanna Carboni. Firenze/ Milano 2016, S.-85-141. Chwast, Seymour: Dantes Göttliche Komödie [2010], aus dem Englischen von Reinhard Pietsch, München 2011. Dante Alighieri: La Divina Comedia. El manga [2008], übersetzt von Maite Madinabeitia, Barcelona 2011. Emerson, Hunt/ Jackson, Kevin: Dante’s Inferno, London 2012. Gage, Christos N./ Latorre, Diego: Dante’s Inferno, La Jolla 2010. Kline, Anthony S.: «The Divine Comedy. A Translation into English Prose», 2000, http: / / www.poetryintranslation.com/ Downloadcat/ Pdf/ Dantepdf.zip [04.12.2017]. Lanzara, Joseph: Dante’s Inferno, Belleville 2012. Manara, Milo: Les aventures urbaines de Giuseppe Bergman. 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Es steht kurz vor dem Ende des ersten Teils der Rime (Nr. 119 von 126 Gedichten): 4 O Regina degli angioli, o Maria, ch’adorni il ciel con tuoi lieti sembianti e stella in mar dirizzi e naviganti a port’e segno di diritta via, Maria, Königin der Engel Du, des Himmels Zier, die reine Freude schenkt, Du Meeresstern, der alle Schiffe lenkt, geradewegs dem sichren Hafen zu, 8 per la gloria ove sei, Vergine pia, ti prego guardi a’mia miseri pianti; increscati di me: tomi davanti l’insidie di colui che mi travia. bei all dem Ruhm der Jungfrau, Dir gebührt: Ich bitte, nimm Dich meiner Klagen an, erbarme Dich, entferne aus der Bahn die Fallen dessen, der mich irreführt. 11 Io spero in te e ho sempre sperato: vagliami il lungo amore e reverente, il qual ti porto e ho sempre portato. Ich hoffe jetzt und hoffte stets auf Dich: Belohn die Liebe, die ich lang empfand, ich lieb Dich jetzt und immer liebte ich. 14 Dirizza il mio cammin, fammi possente di divenir ancor dal destro lato del tuo Figliuol, fra la beata gente. So mach nun meine Schritte fest und klar; geleit am Ende mich zur rechten Hand des Sohnes unter die erwählte Schar. Boccaccio beginnt, in gebetstypischer Weise, mit einer Anrufung. Auf das einleitende «O» folgt zunächst ein Ehrentitel der Angerufenen, Königin der Engel. Ein zweites «o» führt zum Namen «Maria», der den ersten Reim vorgibt. Diesem präludiert die i-a-Folge in «Regina», dessen «gi» in «angioli» wiederholt wird. Vers 2 nennt den Himmel, den sie schmücke («adorni») und erfreue (mit «lieti sembianti»). Vers 3 nennt einen zweiten Ehrentitel Marias, «stella maris», Meeresstern, an dem sich die Seeleute ausrichten um den rechten Weg zum Hafen zu finden. Die Seefahrtsmetaphorik verwendet Boccaccio gern. 2 Maria als 1 Von August Wilhelm Schlegel an wurden einzelne Gedichte übersetzt, zumeist in Anthologien, beispielsweise Frühe italienische Dichtungen, übertragen und mit dem Urtext herausgegeben von Hans Feist und Leonello Vincenti, München 1922, S. 174 ff. (vier Gedichte und ein von Schlegel übersetztes). Weitere Übersetzer sind verzeichnet in Helga Eßmann und Fritz Paul (Hrsg.), Übersetzte Literatur in deutschsprachigen Anthologien. Eine Bibliographie, 1. Teilband Dichtungen aus aller Welt, Stuttgart: Anton Hiersemann 1977, S. 91. 2 Ebenda S. 336 (zu «L’AVE MARIA» s. unten): «solita la metafora della navigazione». Italienisch_80.indb 100 01.03.19 12: 09 101 Hinrich Hudde «dolce Maria»: Ein Gebetssonett Giovanni Boccaccios Wegführerin ist ein gängiger Ikonentyp, Hodogetria genannt. Das Motiv der «diritta via» (V. 4) wird in Vers 12 wieder aufgegriffen: «Dirizza il mio cammin»; «dirizzi» in Vers 3 und «Dirizza» im drittletzten Vers bilden eine erste Spiegelsymmetrie. In Vers 12 folgt auf das Doppel-m in «cammin» sogleich ein weiteres in «fammi». Den Vers umschließen die Konsonantendoppelungen in «Dirizza» und «possente». Der Wegführung durch Maria stellt Vers 8 die teuflische Gefahr gegenüber, das Abbringen vom Weg durch «colui che mi travia.» In Vers 5 verstärkt «gloria» den Reim als Binnenreim. Maria wird als «Vergine pia» apostrophiert, womit die das Gedicht einleitende Anrufungsphase endet; «pia» ist ein traditionelles Marienattribut: «O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria» heißt es im liturgischen Hymnus Salve Regina (V. 11). 3 Mit Vers 6 geht das lyrische Ich (bzw. der Beter) von der Anrufung zu Bitten über, Kern auch dieses Gebets: «Ti prego». Er bittet um Erbarmen mit seinen «pianti», die nicht ausgeführt werden, 4 und um Schutz vor Teufelsfallen (V. 7 f.). Im ersten Terzett versichert der Sprecher seine lange bewährte Hoffnung und Liebe. 5 Die reimgebundenen Verse 9 und 11 sind parallel gebaut; «porto» und «portato» klingen an «port», Hafen, in V. 4 an; da Vers 11 der viertletzte ist, liegt hier wiederum Spiegelsymmetrie vor. Im zweiten Terzett folgt auf die bereits angesprochene Bitte um Wegführung die entscheidende Bitte: um Aufnahme in die Schar der Seligen, «la beata gente» (V. 14), platziert zur Rechten des «Figliuol», also des als jung vorgestellten Sohnes der Angesprochenen, der aber zugleich schon als Weltenrichter fungiert. Ein Enjambement verknüpft die beiden letzten Verse, auch schon mit Vers 12. Auch die beiden Schlussverse des Oktetts weisen Enjambement auf. Da das vorausgehende mittlere der drei Mariensonette eine parallelenreiche Vorstufe des behandelten Gedichts darstellt, sei es auszugsweise zitiert und übersetzt: 1 O luce eterna, o stella matutina, (…) O Licht auf ewig, o du Morgenstern (…) … 10 12 volgi gli occhi pietosi allo mio stato, Donna del cielo, e non m’aver a sdegno, per ch’io sia di peccati grave e brutto. Io spero in te e ’n te sempr’ho sperato: prega per me e esser mi fa degno di veder teco il tuo beato frutto. blick voll Erbarmen auf mich Armen nieder, du Himmelsherrin, lass mich nicht allein, mich drückt der hässlich-schweren Sünden Wucht. Ich hoffte stets auf Dich und hoffe wieder: So bitt für mich und lass mich würdig sein zu sehn mit Dir des Leibes selige Frucht. 3 Schlussvers der Hymne aus dem 11. Jahrhundert, s. Gotteslob, katholisches Gebet- und Gesangbuch, Stuttgart 2013, S. 860 (Nr. 6 66-4). 4 Die weltlichen Gedichte der Rime durchziehen auf Liebeserfüllung gerichtete Klagen. 5 Die dritte Kardinaltugend Glaube kommt nicht ausdrücklich vor, dürfte aber in «pia» (V. 5) mitschwingen. Italienisch_80.indb 101 01.03.19 12: 09 102 «dolce Maria»: Ein Gebetssonett Giovanni Boccaccios Hinrich Hudde Die hier weggelassenen Verse 2 bis 8 schrecken den Übersetzer ab durch den gehobenen, komplizierten b-Reim. 6 Der gelungene Eingangsvers 7 weist auch schon zwei o-Apostrophe auf und ist zweigliedrig wie im folgenden Gebetssonett. Schon hier erscheint im dritten Vers die Schifffahrtsmetaphorik: «della nave di Pier timone» (Steuer des Petrusschiffs). Das Jungfräulichkeitsmotiv steht im sechsten Vers («virginal claustro» - in 119 in V. 5); der Anblickbitte «guardi» (Nr. 119, V. 6) entspricht hier der Einsatz des zitierten Sextetts, eines langen Satzgefüges über die Grenze zwischen Oktett und Sextett hinweg: «volgi gli occhi». 8 «Donna del cielo» in Vers 10 bringt eine Himmelsnennung wie in Vers 2 im dritten Mariengedicht. Die Ähnlichkeiten gipfeln in den fast identischen Versen 12 (9 im Hauptbeispiel), wobei hier «te» wiederholt wird, bei leichter Wortumstellung. Nur im mittleren Mariensonett stehen die klare Aufforderung an Maria «prega per me» (V. 13) und ein Sündenbekenntnis (V. 11). 9 In beiden Sonetten führt ein Enjambement in den Schlussvers, der sich jeweils auf Christus bezieht, hier als «frutto» umschrieben; 10 «beato» bzw. «beata» ist jeweils das vorletzte Wort. Das erste Sonett des Marientriptychons unterscheidet sich deutlich von den besprochenen folgenden. Es beginnt mit siebenfachem «Non», gefolgt von «né». Verneint aufgezählt werden Idealzüge weiblicher Schönheit. 11 Alle diese konnten den «Re del cielo» (V. 6) nicht zu Maria führen - «ma l’umiltà tua» (V. 9). Die Erwählte wird als «dolce Maria» (V.7) 12 eingeführt und «Madre di grazia» (V. 8) sowie «Madre santa» (V. 12) genannt. Vers 13 beschließt «al tuo beato regno», das Attribut schon hier in vorletzter Position; Schlusswort ist «salire». 13 Schon die beiden vorausgehenden Sonette weisen Gebetscharakter auf: 115 apostrophiert «O Sol», das folgende «O glorioso Re, che’l ciel 6 «Austro», «plaustro», «claustro» und «protoplaustro» (V. 2 f. u. 6 f.). 7 Der «luce»-Anlaut verdoppelt sich in «stella», das t aus «eterna» verdreifacht sich in «stella matutina». 8 Eine solche Bitte um Blickzuwendung schon im Salve Regina (wie n. 4): «oculos ad nos converte»; dort auch schon «spes nostra». 9 Die Selbstdarstellung des sündigen Ich als «brutto» steht im Gegensatz zum Schönheitspreis der Gottesmutter im ersten und dritten Mariensonett. 10 «frutto» steht im Ave Maria wie im Salve Regina: «Et Iesum, benedictum fructum ventris tui» (wie n. 4). 11 Rime Nr. 117, S. 92 f.: «treccia d’oro», «d’occhi vaghezza» (V. 1), «costume real» und «leggiadria» (V. 2), «giovanett’ età» und «melodia» (V. 3), «angelico aspetto» und «bellezza» (V. 4). Das Attribut «angelico» stellt eine Verbindung zur Marienminne her. 12 Reimwort in V. 7 und Titel dieses Aufsatzes. 13 Dasselbe Schlusswort bereits in Rime 97, S. 84, im Sonett über Fiammettas Tod; dort V. 10 f.: «a Dio / in breve era Madonna per salire.» Das an Dante gerichtete Sonett Nr. 102 (Rime, S. 86) endet auf «salita»: Hoffnung des um Fiammetta Trauernden auf Vereinigung im Himmel. Italienisch_80.indb 102 01.03.19 12: 09 103 Hinrich Hudde «dolce Maria»: Ein Gebetssonett Giovanni Boccaccios governi». 14 Reue und Weltabkehr bestimmen diese Gebetssonette wie schon Gedichte davor. Der Übergang zu diesen Gebeten führt zu einer Umwertung von Begriffen der vorausgehenden Liebesdichtung. So werden die Frauen bzw. Mädchen vom ersten Sonett an «angiolette» genannt, 15 was leitmotivisch variiert wird, bis Maria als «Regina degli angioli» in Erscheinung tritt (119, V. 1). Am Schluss des Sonetts 59 bezeichnet «la letizia di beati» 16 noch die stets erhoffte Liebeserfüllung. Der zweite Teil der Rime enthält schließlich ein 51 Dantesche Terzinen umfassendes Gedicht über das Ave Maria - die Verfasserschaft Boccaccios ist freilich ungewiss. Das Gedicht bietet einige der in den Gebetssonetten auftretenden Formeln und Motive. 17 Boccaccio, der 1360 seine Aufnahme in den Klerus erreicht hatte, feiert Maria auch in anderen seiner Werke. 18 In seinen - gewiss späten - Gebetsgedichten bemüht er sich um das Übersteigen der Fiammetta-Minne hin zu Marienverehrung. Boccaccios Marientriptychon hat zwei große literarische Vorbilder und Anregungen: Dante beginnt den letzten Gesang der Commedia mit einem Mariengebet des Heiligen Bernhard (Par. 33, V. 1-39). Maria, als «Vergine» angesprochen (V. 1), wird später «regina» genannt (V. 34). Weitere Motive verbinden Dante und Boccaccios Sonett «O Regina degli angioli». 19 Petrarca beschließt den Canzoniere mit der langen Marienkanzone «Vergine bella» (Nr. 366), die zahlreiche Parallelen zu Boccaccios Sonett «O Regina degli angioli» aufweist. Das gilt generell, aber auch für spezieller wirkende Motive wie das bei Boccaccio zentrale der Wegweisung; der letzte Vers der fünften Kanzonenstrophe lautet «et la mia torta via drizzi a buon fine». 20 Man kann sagen, dass sich Boccaccio weitgehend aus dieser Kan- 14 Rime Nr. 115, S. 92. Hier schon zwei mit «O» einsetzende Sonette hintereinander. 15 Rime Nr. 1, S. 33, V. 4; «angioletta» auch noch im Sonett auf Fiammettas Tod (s. Anm. 15). 16 Ebenda S. 60. 17 Rime Nr. 41, S. 131 ff., Komm. S. 336 ff. - Auch hier Schifffahrtsbilder (V. 9: «guidi la barca mia» und V. 135: «mortal barchetta») und das Wegweisungsmotiv: «la via che drizza» (V. 47) und «che drizzan corso» (V. 77); ferner: «pio» (V. 32) und «speranza» (V. 80). Jesus erscheint als «dolce frutto» (V. 55) und «benedetto frutto» (V. 73); die Seligen singen im «beato ballo» (V. 24). 18 So im Corbaccio und in der 14. Ekloge - s. Brancas Kommentar und seinen Aufsatz (n. 2). 19 So ist die Rede von «amore» (V. 7) und «speranza» (V. 12) sowie «pietate» (V. 19 - vgl. «Vergine pia» im Sonett) und «prieghi» (V. 32 und 39 - vgl. «Ti prego» im Sonett). 20 20 Francesco Petrarca, Canzoniere, hrsg. von Gianfranco Contini, Torino: Einaudi 1966, S. 457, V. 65. Einige Begriffsparallelen seien genannt: Petrarca V. 13 «del ciel regina», «coronata di stelle» (V. 2); «ch’allumi questa vita, et l’altra adorni» (V. 29); «di questo tempestoso mare stella» (V. 67); «vergine dolce et pia» (V. 61); «del tuo caro figlio» (V. 24); «le beate vergini» (V. 15). Petrarcas Schlusswort «pace» (V. 135) beendet Boccaccios Sonett 116, das Gebet an Gottvater («O glorioso Re», Rime, S. 92). Italienisch_80.indb 103 01.03.19 12: 09 10 4 «dolce Maria»: Ein Gebetssonett Giovanni Boccaccios Hinrich Hudde zone speist. Dante und Petrarca stellen Mariengebete an den Schluss ihrer Hauptwerke - bei Boccaccio stehen Gebetssonette an Maria im religiös ausgerichteten Schlußteil seiner Rime, eines beachtenswerten- Nebenwerks. Übersetzung und Kommentar: Hinrich Hudde Italienisch_80.indb 104 01.03.19 12: 09 105 N I C O L A B R O C C A Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano come lingua d’origine 1. Quadro teorico di riferimento e obiettivi Il passaggio dall’approccio per contenuti a quello per competenze ha rappresentato una svolta epocale nella moderna didattica. In Italia il concetto di competenza ha dominato il dibattito della scuola negli ultimi quindici anni e, nonostante crescenti attuazioni, continua ad essere un tema molto dibattuto (Castoldi 2013: 15). I detrattori dell’approccio per competenze sostengono che questo introduca nella scuola un sistema di valutazione aziendale e strumentale a scapito della valenza emancipatoria e formativa della scuola (Pellerey 1994, Frey et alii 2012: 2). I sostenitori invece ritengono che proprio grazie a tale approccio sia possibile riflettere e valutare in modo olistico e umanistico includendo competenze sociali, personali e intrapersonali e quindi promuovendo la cittadinanza attiva (Consiglio di Lisbona 2000, Rapporto Delors 1997, Consiglio d’Europa 2012). In questo articolo si mostrano e si valutano tre proposte di lavoro per misurare competenze su compiti autentici durante la lezione d’italiano. Dopo una breve parte teorica (1.) e la definizione del contesto di insegnamento (2.) mostrerò tre esempi di compiti autentici in ognuno dei quali è stata elaborata una strategia valutativa differente: una valutazione da parte dell’alunno - autovalutazione (3.), una valutazione dei pari (4.) e una valutazione da parte dell’insegnante (5.). L’approccio per competenze è stato usato sistematicamente per un semestre con un gruppo molto eterogeneo. La valutazione per competenze è stata poi esaminata dagli alunni (6.). 1.2 La competenza Si chiariscono qui i tre concetti competenza, compito autentico e valutazione autentica. In modo chiaro e sintetico Wiggins (2004: 209) definisce la competenza «non ciò che lo studente sa, ma ciò che sa fare con ciò che sa». Con tale definizione Wiggins oppone il sapere formale, astratto, sistematico, scolastico al sapere reale, concreto, intuitivo e pratico in accordo con l’approccio costruttivista. A questo proposito risulta ancora più completo Pellerey (2004: 12) che sottolinea l’importanza degli aspetti sociali: Italienisch_80.indb 105 01.03.19 12: 09 106 Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano Nicola Brocca «La competenza è la capacità di far fronte ad un compito, o un insieme di compiti, riuscendo a mettere in moto ed a orchestrare le proprie risorse interne, cognitive, affettive e volitive, e a utilizzare quelle esterne disponibili in modo coerente e fecondo». 1.3 Il compito autentico Il nuovo paradigma offerto dall’approccio per competenze trascina un cambiamento nella didattica portando alla ribalta il compito autentico: l’alunno non deve essere posto di fronte a problemi ed esercizi ad usum delfini dove deve dimostrare, sapere ed erudizione, ma venire sottoposto a sfide del mondo reale che necessitano di applicare ciò che si è appreso. 1.4 La valutazione autentica Per valutare tali compiti la docimologia ha elaborato rubriche valutative dove il compito è diviso per dimensioni, livelli, indicatori e criteri (Castoldi 2007: 7). In seguito a una preparazione intensiva da parte del docente le rubriche valutative permettono l’espressione di un giudizio esteso che non valuta solo il risultato finale, ma l’intero processo, le capacità di pensiero critico, la soluzione di problemi, la metacognizione, le dinamiche di gruppo. La sfida che la valutazione autentica si pone è quella di avvicinarsi il più possibile alla valutazione della vita extrascolastica (Benvenuto 2003: 92, Castoldi 2008) non escludendo i riferimenti a un giudizio sociale (Eraut 1994). Pertanto le rubriche valutative (come i tre esempi qui proposti) devono permettere una valutazione «trifocale» (Castoldi 2007): l’autovalutazione, la valutazione da parte dei pari e la valutazione oggettiva (da parte dell’insegnante). In questo modo le rubriche valutative promuovono l’intervento della classe alla valutazione, la cooperazione intersoggettiva e la partecipazione democratica. 2. Il contesto didattico 2.1 Descrizione del gruppo «lingua d’origine» Le rubriche proposte in questo articolo sono state progettate per lezioni di italiano come «lingua d’origine» (ted. herkunftssprachlicher Unterricht) in una scuola tedesca. Il gruppo pluriclasse preso in esame è composto da 21 alunni dai dieci ai quindici anni. Quindici di loro vivono in un bilinguismo asimmetrico: il tedesco è la lingua dominante parlata a scuola con i pari e con almeno uno dei genitori, mentre l’acquisizione dell’italiano, anche se iniziata assieme al tedesco in età precoce, non ha raggiunto una varietà Italienisch_80.indb 106 01.03.19 12: 09 107 Nicola Brocca Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano completamente sicura: si tratta di una varietà di italiano circoscritta a situazioni domestiche talvolta con elementi di italiano regionale e attrito linguistico insufficiente a far fronte ai bisogni dello studio (Favaro 2003). Al contrario gli altri sei alunni hanno vissuto personalmente l’emigrazione, essendo arrivati in Germania durante le scuole elementari, e presentano una competenza nativa dell’italiano e del tedesco. 3. Compito autentico 1: Scrivere una lettera. Autovalutazione 3.1 Competenza prevalente indagata L’alunn* è in grado di scrivere e spedire una lettera informale. 3.2 La fase di scrittura Dopo aver introdotto il lessico specialistico della Pasqua e aver chiesto di scegliere un amico o parente in Italia a cui scrivere, è stato chiesto agli studenti di scrivere una lettera per fare gli auguri. 3.3 Standard di successo Il lavoro è stato giudicato dall’apprendente stesso assieme a un compagno a sua scelta che, accertato il raggiungimento degli standard, poteva consegnare il francobollo. Lo standard è stato dato da una lista (tab. 1) consegnata dall’insegnante. Sì, fatto No, manca Data e luogo Indirizzo (a chi scrivi) Mittente (il tuo nome) Caro/ a XY Scrivi una frase di introduzione Scrivi: al mattino... ho giocato con..., sono andato a... a pranzo.... nel pomeriggio.... alla sera.... Almeno 10 frasi Scrivi una frase di conclusione Scrivi l’indirizzo del destinatario sulla busta in centro Incolla il francobollo in alto a destra Tab 1: Racconta a un tuo amico o parente in Italia come hai passato la Pasqua e spedisci la lettera Italienisch_80.indb 107 01.03.19 12: 09 108 Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano Nicola Brocca 3.4 Riflessione In questo caso la valutazione coincide con la misurazione degli indicatori del lavoro svolto. Si tratta di uno schema che indica, in una logica binaria, cosa l’alunn* ha fatto e cosa deve ancora fare, senza dare un’indicazione qualitativa. Questa tabella risulta uno strumento facile e immediato per l’alunn* per valutare in itinere la sua posizione nel percorso che lo porta a completare il progetto. 4. Compito autentico 2 Saper presentare oralmente un tema di proprio interesse. Valutazione intersoggettiva da parte dei pari. La consegna consiste nel presentare a turno alla classe all’inizio di ogni lezione una breve ricerca di circa tre minuti sull’origine del proprio nome e alcune informazioni su una persona omonima. Gli obiettivi proposti da questo compito non fanno propriamente parte di un compito autentico, ma sviluppano la capacità di ricerca autonoma e competenze comunicative in italiano secondo i livelli B1-B2 del QCER (Quadro Comune Europeo di Riferimento per la conoscenza delle lingue). 4.1 Competenza prevalente indagata L’alunn* è in grado di parlare liberamente per circa tre minuti su un tema che lo riguarda e che ha preparato in precedenza. 4.2 Standard di successo Il compito ha successo se l’apprendente riesce a descrivere i risultati della sua ricerca, collegando semplici espressioni, esperienze ed avvenimenti, e se prende parte alla fase di valutazione. Se l’alunn* ritarda la sua consegna, l’esposizione viene rinviata abbassando però il punteggio. 4.3 Valutazione Durante la presentazione i compagni completano la seguente scheda (tab. 2) di valutazione. Punti J JJ JJJ Pronuncia, volume della voce, grammatica Lessico adeguato Struttura (introduzione, parte centrale, conclusione) Tempo (circa 3 minuti) Conoscenza del tema Italienisch_80.indb 108 01.03.19 12: 09 109 Nicola Brocca Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano Uso di media (foto, poster, oggetti...) Extra: pause adeguate citazione delle fonti imparato a memoria Tab.2 Mini esposizione Nome del relatore/ della relatrice: Alla fine della relazione il relatore sceglie alcuni alunni che riferiranno quali sono gli elementi particolarmente riusciti e quali invece possono essere migliorati in base alla tabella completata in itinere. La valutazione collettiva è trasparente, rapida e permette di sviluppare le competenze di valutazione degli alunni. La proporzione tra commenti positivi e quelli negativi è bilanciata in modo da motivare gli alunni a parlare in pubblico in un ambiente non ostile, permettendo di abbassare il filtro affettivo (Dulay & Burt 1977, Krashen 1985), premessa per l’apprendimento linguistico. 4.4 Riflessione La valutazione dei pari, una volta assimilata dagli alunni, può essere eseguita in maniera autonoma con sempre meno controllo da parte dell’insegnante. In questo modo viene attivata tutta la classe e il feedback formulato in modo positivo ne rafforza i legami: gli alunni imparano che le valutazioni non devono essere formulate per punire o offendere, ma per aiutare a migliorare. L’insegnante, delegando la fase di valutazione, sviluppa negli alunni sia una competenza tecnica (quella di saper esporre) sia la competenza sociale (saper dare un giudizio obiettivo a un compagno, accettare i consigli e la collaborazione dei compagni). 5. Compito autentico 3 Scrivere e vendere una rivista. Valutazione dell’insegnante: livello oggettivo. Sei lezioni sono state dedicate ad un progetto: scrivere una rivista da vendere a genitori, insegnanti e compagni il giorno della festa di fine anno. Nel dare la consegna si è fatta attenzione a rafforzare la motivazione accogliendo e incanalando le idee degli apprendenti. Sono stati poi presentati un piano di lavoro e le scadenze. 5.1 Competenza prevalente indagata L’alunn* è in grado di scrivere un breve articolo su un tema deciso in gruppo cooperando con i compagni. Italienisch_80.indb 109 01.03.19 12: 09 110 Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano Nicola Brocca 5.2 Prerequisiti • Possedere alcune conoscenze relative alla realizzazione di un articolo di giornale. • Conoscere alcuni generi specialistici: l’intervista, il racconto, il reportage, il cruciverba, il commento, la parodia… • Saper usare il computer per programmi di videoscrittura, ricerca in internet. 5.3 Standard di successo Il compito ha successo se l’alunn* scrive, corregge, impagina l’articolo, produce e vende il giornale. Il lavoro sarà giudicato di successo se viene venduto. 5.4 Valutazione Si sono individuate quattro dimensioni importanti per il successo del compito (competenze tecniche, competenze sociali, competenze organizzative e argomentative). Da queste si sono creati sette indicatori. Per ogni indicatore si è formata una scala a cinque livelli (dal principiante al livello dell’esperto). Per valutare il lavoro si è usata la seguente rubrica valutativa (tab. 3) spiegata a piccoli gruppi agli studenti. Livello del principiante Livello principiante avanzato Livello della competenza Livello della competenza avanzata Livello dell’esperto 1. Competenza tecnica: sa scrivere correttamente in base alle caratteristiche del medium Manca di correttezza grammaticale, lessicale, sintattica e testuale. Scrive solo con aiuto esterno. Forme del parlato caratterizzano la struttura testuale. Lessico e ortografia sono in buona parte corretti. Fatica a dominare elementari strutture grammaticali e morfologiche. L’ortografia è corretta. La morfologia del nome è quasi sempre corretta. Domina semplici strutture grammaticali. L’ortografia e la morfologia sono corrette. È in grado di coordinare i periodi e di costruire subordinate. Elabora un titolo e sceglie delle foto. La sua scrittura è formalmente corretta. Domina alcuni strumenti retorici e stilistici (es. il registro linguistico). I testi sono piacevoli e interessanti. 2. Competenza tecnica: Capacità di usare mezzi informatici Utilizza in modo corretto gli strumenti informatici solo se guidato. Non riesce ad avviare un programma di videoscrittura né un browser. Utilizza gli strumenti informatici in modo corretto e basilare. Conosce la ricerca in internet e elementi di scrittura con Word. Utilizza gli strumenti informatici in modo corretto, rapido e sicuro (Internet e Videoscrittura) Ha bisogno di aiuto per gestione di file. Utilizza gli strumenti informatici in modo coerente con le sue esigenze. Sa risolvere autonomamente alcuni semplici problemi. Usa servizi on-line. Utilizza gli strumenti informatici in modo corretto e autonomo. Riesce a gestire archivi, padroneggia il design e lo stile di foto, logo e titoli. Italienisch_80.indb 110 01.03.19 12: 09 111 Nicola Brocca Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano 3. Competenza sociale: Capacità di collaborazione tra pari Non è in grado di concentrarsi nel lavoro provocando disturbi nel gruppo. Non sa scegliere un ruolo o un compito. Cerca di condurre il lavoro in modo autonomo. Collabora in parte con il gruppo. È in grado di aiutare il partner, assumendo responsabilità Sa dare e ricevere consigli, rispetta i turni di conversazione. Il suo ruolo all’interno del gruppo è chiaro. Sa coordinare diverse mansioni nel gruppo. 4. Competenza sociale: Capacità di valutare il lavoro altrui e di recepire le osservazioni sul proprio elaborato Percepisce le osservazioni sul proprio elaborato come una critica personale. Formula osservazioni sul lavoro altrui in maniera offensiva. A volte cerca il parere dell’insegnante e dei pari riguardo il proprio elaborato. A volte esprime un giudizio costruttivo sul lavoro altrui. Cerca il parere dell’insegnante e dei pari riguardo il proprio elaborato. Se opportuno esprime un giudizio costruttivo sul lavoro altrui. A volte accetta e ricerca le strategie di feedback proposte. A volte percepisce il momento del feedback come un rapporto costruttivo per il gruppo. Accetta e ricerca sistematicamente le strategie di feedback proposte. Percepisce il momento del feedback come un rapporto costruttivo per il gruppo. 5. Competenza organizzativa: sa vedere il suo lavoro nell›ambito di un prodotto collettivo Non sa scegliere un ruolo nel progetto (fotoreporter, correttore di bozze, intervistatore, redattori di giochi…) né proporre un tema Ha un’idea imprecisa dei passi necessari per il progetto. Occasionalmente coopera per la sua realizzazione e si offre per un compito Assume volontariamente un compito specifico tra una lista di suggerimenti e lo porta a termine. Assume spontaneamente la responsabilità di un compito e sa risolvere i problemi correlati. Capisce le tappe per la realizzazione del progetto. Assume e porta a termine i compiti personali e coordina il lavoro collettivo. 6. Competenza organizzativa: uso del tempo Non riesce a consegnare gli elaborati nei tempi stabiliti, né sa prevedere il tempo necessario per il compito. Riesce a volte con aiuto a consegnare gli elaborati nel tempo stabilito. Riesce a consegnare gli elaborati del compito nei tempi stabiliti nella maggior parte dei casi. Riesce sempre a consegnare gli elaborati del compito nei tempi stabiliti. Ha un’ottima gestione del tempo. È puntuale nelle consegne. Stabilisce personalmente «pietre miliari» 7. Competenza argomentativa: Capacità di presentare il prodotto in modo convincente Non prende parte alla vendita/ presentazione del giornalino Segue in modo timido strategie suggerite da altri. Si offre personalmente per presentare il giornalino di fronte a compagni e genitori. Si offre personalmente per presentare il giornalino di fronte a compagni e genitori. È capace di illustrare in breve i punti essenziali. Articola strategie di presentazione anticipando le domande del pubblico: legge dei brani, si identifica nel prodotto. Tab. 3 5.5 Riflessione Grazie al compito autentico gli alunni si concentrano nella costruzione di un prodotto che - se sarà di successo - darà dei frutti materiali oltre che la soddisfazione personale e il riconoscimento sociale. La valutazione per competenze influisce anche sulla programmazione didattica perché obbliga a spezzettare il progetto in molteplici fasi di apprendimento. La griglia di valutazione è stata ben accettata dagli alunni. La spiegazione del tipo di valutazione in piccoli gruppi si è trasformata in un Italienisch_80.indb 111 01.03.19 12: 09 112 Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano Nicola Brocca momento di formazione individuale in cui l’insegnante ha potuto concordare gli obiettivi individuali dell’alunno e riflettere sul percorso di apprendimento. 6. Conclusioni sull’approccio per competenze L’uso sistematico dell’approccio per competenze e dei compiti autentici è stato valutato dagli studenti attraverso colloqui individuali e di gruppo. L’approccio per competenze è stato percepito come un radicale cambio di paradigma non da tutti accettabile in modo incontestato. Mentre il rapporto tra competenze e voti è stato accettato positivamente come una convenzione trasparente tra alunni e docente, lo svolgimento dei compiti autentici ha mosso dei dubbi in qualche alunno riguardo alle poche conoscenze apprese. Alcuni alunni hanno dichiarato di preferire la lezione frontale per la spiegazione deduttiva ed esplicita della grammatica. Altri alunni invece hanno considerato l’approccio per competenze molto formativo sia per la forma sociale delle attività, sia perché costringe all’uso della lingua in contesto. Quel che sorprende è che gli alunni rispecchiano in modo semplice e intuitivo il conflitto che coinvolge i docenti, pedagogisti e altri addetti ai lavori. Una fazione difende il sapere scolastico, tradizionale, astratto, sistematico, individuale l’altra il sapere reale, innovativo, concreto, intuitivo e sociale. Gli uni si aspettano una didattica trasmissiva basata su principi comportamentisti, gli altri una didattica costruttivista. Di certo attraverso i compiti autentici non si è dato valore all’apprendimento esplicito della grammatica. Ma questo non è l’obiettivo del compito autentico visto che l’apprendimento del metalinguaggio per descrivere la grammatica è utile (solo) in contesti glottodidattici deduttivi e non rientra tra gli obiettivi principali della lezione di lingua d’origine. È invece interessante che le competenze sociali e organizzative non vengano viste da alcuni alunni come una componente formativa al pari dell’apprendimento di competenze tecniche. Da una parte è deludente vedere che la preferenza dell’apprendimento individuale rispetto a quello collettivo sia tipica degli studenti con profitto più alto. Si potrebbe pensare che gli alunni non vogliano condividere le loro competenze o che non siano nella condizione di trarre un beneficio dal lavoro con compagni di profitto più basso o peggio che siano ambiziosi individualisti. D’altra parte tale preferenza è forse da interpretare come un’esigenza da non sottovalutare. Infatti se il compito autentico deve abituare a compiti della vita reale, bisogna riconoscere che non tutte le professioni portano a condividere lunghe fasi di lavoro in gruppo, né attività di feedback reciproco; quindi un approccio per competenze dovrebbe comprendere anche attività individuali. Italienisch_80.indb 112 01.03.19 12: 09 113 Nicola Brocca Valutare le competenze in compiti autentici nella lezione d’italiano Uno dei pregi della valutazione per competenze è la possibilità di porre sullo stesso piano competenze tecniche e sociali e di riflettere con gli alunni sul loro ruolo all’interno della classe. Pertanto la rubrica valutativa si può usare come strumento di orientamento per sviluppare la consapevolezza dell’apprendimento dell’alunno. Un passo successivo della ricerca potrebbe verificare se alunni sottoposti a compiti autentici e a una relativa valutazione per competenze siano persone più consapevoli delle proprie risorse e siano portati più facilmente a risolvere compiti di cooperazione rispetto a un gruppo di controllo sottoposto a didattica frontale. Bibliografia Benvenuto, G., 2003: Mettere i voti a scuola. Roma: Carocci. Castoldi, M., 2013: Valutare le competenze. Percorsi e strumenti. Carocci: Roma. Castoldi, M., 2008: «Insegnamento muro e ponte», in: L’educatore 2008/ 09, n. 1, pp.13-16. Castoldi, M., 2007: «Le rubriche valutative», in: L’educatore 2006/ 07, n. 5, pp. 6-10. Castoldi, M., 2007: «Lo sguardo trifocale», in: L’educatore 2006/ 07, n. 4, pp. 9-11. Consiglio d’Europa, 2002: Quadro comune europeo di riferimento per le lingue. Apprendimento, insegnamento, valutazione. Firenze: La Nuova Italia. Dulay, H. / Burt, M., 1977: «Remarks on creativity in language acquisition», in: M. Burt/ H. Dulay/ Finnochiaro, m. (ed.), Viewpoints on English as a second language, New York: Regents Press, pp. 95-126. Eraut, M., 1994: Developing Professional Knowledge and Competence. London: The Falmer Press. Favaro, G., 2003: «L’italiano L2 per lo studio: i bisogni degli apprendenti, le risorse e i modelli organizzativi delle scuole», in: R. Grassi/ A. Valentini/ R. Bozzone Costa (ed.), L’italiano per lo studio nella scuola plurilingue: tra semplificazione e facilitazione, Perugia: Guerra, pp. 13-20. Frey, B. B./ Schmitt, V. L./ Allen, J. P., 2012: «Defining Authentic Classroom Assessment», in: Practical assessment, research and evaluation, 17-2. Krashen, S., 1985: The Input Hypothesis: Issues and Implications. New York: Longman. Pellerey, M., 2004: Le competenze individuali e il portfolio. Firenze: La Nuova Italia. Pellerey, M., 1994: «Tendenze nella ricerca in didattica e in psicologia dell’insegnamento della matematica», in: Bollettino dei docenti di Matematica 28, 23-42. Wiggins, G.P., 2004: Assessing Student Performance. Exploring the Purpose and Limits of Testing. San Francisco: Fossey-Bass Publishers. Italienisch_80.indb 113 01.03.19 12: 09 114 Sprachecke Italienisch Die Rubrik «Sprachecke Italienisch» stellt aktuelle Probleme und Tendenzen des Gegenwartsitalienischen vor und befasst sich mit Normierungsschwankungen, grammatischen Unsicherheiten, Neubildungen u.a. Dabei sollen möglichst auch Anfragen und Anregungen aus dem Leserkreis aufgegriffen werden, die die Dynamik des Gegenwartsitalienischen als «lingua […] in forte ebollizione» (F. Sabatini) präsentieren. Verantwortlich für die «Sprachecke Italienisch» ist Prof. Dr. Edgar Radtke (Universität Heidelberg): edgar.radtke@rose.uni-heidelberg.de. Un italiano «a stelle… e cuori»: spunti di riflessione su alcune neoformazioni dell’italiano contemporaneo Ultimi nati nella famiglia degli ismi indicanti particolarità linguistiche, 1 i socialinismi 2 vanno intesi come termini che, pur non essendo dei veri e propri tecnicismi, «connotano aspetti, azioni e comportamenti che tipicamente hanno luogo proprio sui social network» (Gheno 2017: 52-53), come lurker e lurkare per chi legge abitualmente i contenuti altrui sulle reti sociali senza mai intervenire in prima persona, o anche cancelletto/ hashtag (e il derivato verbale corrispondente hashtaggare) per l’indicatore tematico che evidenzia, classifica e indicizza il tema di un tweet 3 ecc. Di termini di questo tipo si è già detto e scritto tanto 4 sottolineandone, spesso con una 1 Ci si riferisce qui ai tanti derivati nominali costruiti con il suffisso -ismo e indicanti particolarità linguistiche: anglismo / anglicismo, dialettalismo, tecnicismo, arcaismo, ipercorrettismo, latinismo ecc. Il suffisso -ismo, tra i più produttivi dell’italiano moderno, concorre a formare derivati appartenenti a categorie semantiche diverse: oltre ai già citati termini linguistici, si ricordino anche le concezioni (politiche, filosofiche, artistiche ecc., es. assolutismo, idealismo, espressionismo…); le designazioni di fenomeni sociali (analfabetismo, brigatismo, nudismo) e i termini medici che designano malattie o stati in qualche modo anomali (come astigmatismo, mongolismo, tabagismo ecc.) (v. Grossmann/ Rainer 2004: 256-260). 2 Il termine socialino è repertoriato dal 2015 tra i neologismi del Vocabolario online di Treccani, cui si rimanda per una prima definizione (cfr. http: / / www.treccani.it/ vocabolario/ socialino_%28Neologismi%29/ ). In contesto linguistico il termine è usato già almeno in Gheno (2017) e Iannizzotto/ Setti (2018). 3 La bibliografia sull’hashtag come etichetta cliccabile nelle reti sociali è molto vasta. Per una prima ricognizione si rimanda almeno a Arcangeli (2016) e Spina (2016) e alle fonti ivi citate. Sulle funzioni dell’hashtag oltre le reti sociali, soprattutto nelle pratiche scritte e persino parlate dell’italiano contemporaneo offline, cfr. Pietrini 2017. 4 Impossibile fornire qui una rassegna esaustiva dei tanti contributi che, per primi o per ultimi, si sono cimentati con la lingua italiana nel web o anche soltanto nei social network. Ci si limita quindi a menzionare il primo volume organico sull’argomento ad Italienisch_80.indb 114 01.03.19 12: 09 115 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch certa perplessità, soprattutto la dipendenza dall’angloamericano (tipica tra l’altro dell’intera CMT 5 ) e il carattere occasionale, effimero, che contraddistingue la maggior parte di queste neoformazioni. Si tratta infatti prevalentemente di prestiti non adattati dall’inglese che, complice la rapidità fulminea dello sviluppo delle nuove tecnologie telematiche, investono quotidianamente il lessico dell’italiano senza trovare neppure il tempo di sedimentarsi. Come osserva suggestivamente Marco Biffi nel volumetto sulle parole nella Rete edito dall’Accademia della Crusca e distribuito con il quotidiano La Repubblica: «Spesso molte di queste parole sono crisalidi appese a un filo, e per quanto attraenti non si trasformeranno in parole adulte e stabili della nostra lingua. E anche se in un breve periodo la società sente il bisogno di usarle, e quindi di vederne spiegato il significato in tutte le sue sfumature, poi le dimentica e le condanna all’oblio.» (Biffi 2016: 15-16). Oggetto di questo contributo sono proprio alcuni di questi socialinismi che comunque, ferma restando l’impossibilità di predirne, almeno al momento attuale, un inserimento stabile e duraturo nel lessico dell’italiano, si contraddistinguono per alcune peculiarità tanto semantiche quanto morfologiche sollecitando diversi spunti di riflessione sulle tendenze dell’italiano legato alle pratiche della comunicazione mediata tecnicamente. In principio erano le stelle I derivati di stella sembrano giocare un ruolo di primo piano nella creazione neologica più o meno effimera dell’italiano contemporaneo, sia dentro che fuori i social network. Ad aprire la strada è stellato, participio passato e opera di Tavosanis (2011), la panoramica di Pistolesi (2014) e il più recente studio di Prada (2015), oltre al volume di Gheno (2017) espressamente dedicato ai social network e alla recentissima miscellanea curata da Patota/ Rossi (2018) in occasione della XVIII Settimana della lingua italiana nel mondo. 5 Al più comune e da tempo attestato CMC (computer mediated communication - Comunicazione Mediata dal Computer) si preferisce qui l’acronimo CMT (Comunicazione Mediata Tecnicamente) seguendo la scia di Prada (2015: 15-16), che osserva come oggi l’accesso ai servizi telematici che permettono un’interazione comunicativa digitale non avvenga più esclusivamente né principalmente attraverso il computer, ma attraverso numerosi dispositivi anche molto diversi tra loro e che, con i propri limiti e le proprie interfacce, condizionano le dinamiche comunicative. Per una rassegna delle etichette più diffuse e delle relative prospettive di analisi cfr. anche Pistolesi (2016). Italienisch_80.indb 115 01.03.19 12: 09 116 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini aggettivo di antica formazione (dal latino stell ă tu(m) = «ornato di stelle») già presente nell’italiano del Duecento, ma che si trova oggi al centro di diversi processi di allargamento semantico. Accanto ai significati comuni «disseminato di stelle» (notte stellata) e «che ha forma di stella» (poligono stellato), e ai significati tecnico-specialistici dell’elettrotecnica (tensione stellata), della numismatica («tremisse longobardo che reca sul rovescio una stella a sei raggi»), della botanica («cellule, tessuti o organi la cui morfologia o disposizione richiama quella di una stella», cellule stellate) e dell’araldica («scudo o pezza seminati di stelle»), 6 risulta ormai acquisita nell’italiano contemporaneo la nuova significazione «segnalato con una o più stelle in una guida gastronomica» (ristorante stellato). Il neologismo semantico, attestato per la prima volta nel 2003, 7 può essere considerato a tutti gli effetti parte del lessico italiano, come dimostrano il suo inserimento nella nomenclatura delle opere lessicografiche più aggiornate (ZING2019 e NDO2018) e la sua funzione di costituente in ulteriori composti neologici quali bistellato, tristellato, pluristellato (tutti repertoriati in Adamo/ Della Valle 2005 e/ o 2008) e monostellato (incluso tra i neologismi su TREC), in cui la combinazione con gli elementi formativi mono, bi, tri e pluri specifica il numero di stelle assegnate. Ma le neoformazioni che hanno alla base il neologismo semantico stellato sono molte di più di quelle finora registrate dai dizionari dell’italiano contemporaneo. Tra queste si segnalino almeno multistellato in alternativa a pluristellato «Lo chef- multistellato- è arrivato alla soglia degli ottanta anni, e il riconoscimento ufficiale proveniente dal capo dello Stato è più che meritato.» («Indiscreti», 8-5-2009, ItaliaOggi) «Che succederà ora che Cucine da incubo, almeno nella versione condotta da Ramsay andrà in pensione? A svelarlo, tra le righe, è lo stesso chef multistellato.» («Cucine da incubo, dopo 10 anni Gordon Ramsay dice addio al format», 24-6-2014, Panorama) e ultrastellato: 6 Per questi significati e per gli esempi riportati si rimanda ai dizionari ZING 2019, TREC, NDM, NDO 2018 e DISC. 7 Per la definizione, le prime attestazioni e gli esempi cfr. Adamo/ Della Valle (2005; 2008) nonché la raccolta di neologismi disponibile online sul sito del Vocabolario Treccani. Italienisch_80.indb 116 01.03.19 12: 09 117 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch «Oscar Farinetti, guru del settore e proprietario di Eataly, dopo avere colonizzato New York, Tokio e aperto altre 5 filiali tra Milano Bologna e Torino, accoglie al volo l’invito della Polverini e annuncia: ‘Il 9 dicembre 2011 apriremo i nostri spazi nell’Air Terminal Ostiense - sottolinea l’esperto -: 14.300 metri quadrati, 14 ristoranti, di cui uno dedicato alla cucina romana e uno ‘ultrastellato’, dieci aree didattiche dedicate all’educazione alimentare e una sala conferenze.’» («Annuncio da New York ‛ Al Terminal Ostiense l’Eataly della Capitale’», 17-11-2010, Corriere della sera) «Poi i condomini hanno le palestre private, il cinema e il ristorante solo per loro, ed è un ristorante- ultrastellato,- di uno degli chef più alla moda pronto a servire anche nell’intimità dell’appartamento.» («A Londra la casa più cara del mondo», 21-1-2011, Corriere della sera) «Oltre alle dimore ristrutturate e destinate a ospitare i turisti, il progetto prevede anche la realizzazione di un ristorante ultra-stellato, gestito da uno chef di altissimo livello, e anche una sala conferenze dotata di giardino interno.» («A Montepagano nasce l’albergo diffuso», 3-3-2015, Il Centro) Non mancano soprattutto sul web gli occasionalismi espressivi come antistellato «L’Antistellato. Avete presente i ristoranti stellati? Io solo per sentito dire ma immagino atmosfere un po’ formali, porzioni minimali, gusti magari non per tutti i palati…» (Recensione della Trattoria Al Signor Mimmo, 15-3-2016, www.tripadvisor. it); semi-stellato «Zermatt non è più cara di Zurigo o Basilea. Certo se vai nel locale figo o nel ristorante semi stellato…» (Risposta al post «Glacier Express, un viaggio tra le meraviglie…», 10-1-2018, Forum www.ferrovie.it), Italienisch_80.indb 117 01.03.19 12: 09 118 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini o anche l’ironico pseudostellato («Disastro pseudostellato» si intitola ad esempio un’altra recensione pubblicata sulla pagina in italiano del portale Tripadvisor) e molti altri ancora. Sembra insomma che l’aggettivo stellato in relazione a un ristorante, uno chef ecc. abbia superato i confini semantici originari di riferimento all’attribuzione reale di una o più stelle Michelin (presente invece nella definizione del termine nell’ultima edizione dello Zingarelli «che ha ricevuto una o più stelle della guida gastronomica Michelin», ZING 2019), per assumere sempre più spesso il significato elativo generico di ristorante/ cuoco/ piatto eccellente, «che merita/ meriterebbe una o più stelle gastronomiche» (come nell’articolo «Vitello tonnato, cinque indirizzi per un piatto stellato», 15-5-2018, Il Messaggero, in cui il vitello tonnato preparato secondo la tradizione è un piatto stellato, senza più alcun legame con ristoranti e cuochi effettivamente insigniti delle ambite stelle). Sottolineiamo infine che l’aggettivo stellato viene oggi attribuito per estensione anche a strutture alberghiere e turistiche di qualità se non di lusso, probabilmente sulla base del riferimento alle stelle che da sempre contraddistinguono le categorie alberghiere: «Milano, nuovi cantieri di lusso. E l’ex-seminario diventa un albergo stellato», 17-12-2018, Corriere della sera; «Di giorno nell’albergo stellato. Anche così si cercano clienti», 12-7-2017, La Stampa; «Da discarica a hotel stellato: la villa di Gabriele D’Annunzio tornerà a splendere grazie a un magnate russo», 12-4-2018, Corriere della sera ecc. Ma l’allargamento semantico dell’aggettivo stellato nell’italiano contemporaneo non si ferma alla gastronomia e al turismo di lusso. Più recentemente stellato e soprattutto pentastellato si sono diffusi in ambito giornalistico-politico con il significato di «proprio del/ aderente al Movimento 5 Stelle». Il neologismo semantico, composto dall’elemento formativo penta (= cinque) e dall’aggettivo stellato nell’accezione comune di «fornito di stelle» (le cinque stelle che compaiono nel logo del movimento politico e che corrispondono alle sue tematiche fondamentali: acqua pubblica, mobilità, sviluppo, connettività, ambiente), è attestato per la prima volta nel 2012 nel blog www.beppegrillo.it, per poi diffondersi rapidamente soprattutto attraverso la stampa (cfr. TREC nella sezione dedicata ai neologismi). Come giustamente osserva Setti (2013) in una scheda per l’Accademia della Crusca, il neologismo semantico si affianca a grillino, rispetto al quale offre il vantaggio della spersonalizzazione designando gli aderenti al movimento senza esplicito riferimento al suo fondatore Beppe Grillo. Si rivela corretta anche la previsione di Setti di un progressivo aumento delle occorrenze di pentastellato/ pentastellati rispetto al deonimico grillino/ grillini, per quanto entrambi i termini siano oggi attestati sia in ZING 2019 che in NDO 2018. Anche nel caso di pentastellato la presenza di derivati conferma la vitalità del neologismo. Si citino in funzione esemplare pentastellismo (pentastellato Italienisch_80.indb 118 01.03.19 12: 09 119 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch + -ismo) per designare in maniera ironico-dispregiativa la concezione politico-ideologica legata al movimento, e pentastellume/ pentastellame, derivati nominali attraverso l’affissione all’aggettivo pentastellato rispettivamente dei suffissi -ume e -ame, suffissi che, se aggiunti a basi con il tratto ‘+ umano’, formano nomi collettivi che designano gruppi di persone valutati negativamente (es. contadiname, dottorame, bastardume, borghesume ecc.) 8 . «Se non altro il Veneto indipendente ora ha trovato la sua altra sponda e potrà felicemente prosperare in terre sicure a sud dell’equatore, caso mai l’acqua alta del pentastellismo sommergesse la madrepatria.»- («Scossa di energia per il referendum», 22-11-2016, Gazzetta di Mantova) «È un panorama non soltanto desolante ma offensivo per un’Italia tornata nelle caverne, dopo una cura fondata sull’invidia, primo e unico sentimento fondante della sinistra che lo condivide con il pentastellume.» («Sinistra sotto mentite spoglie», 4-7-2018, Il Giornale) Ultimo nato tra i neologismi formati su stellato in ambito giornalisticopolitico è legastellato (anche nella variante lega-stellato) con il significato di «basato su un accordo tra Lega e Movimento 5 Stelle». Il neologismo si presta a una duplice interpretazione morfologica. Può essere letto come composto coordinato esocentrico, caratterizzato però da un’anomala combinazione di un sostantivo, il nome proprio Lega, con l’aggettivo stellato (inteso nell’accezione di «aderente al Movimento 5 Stelle»), e non, come tipicamente avviene, dalla composizione di due sostantivi (tipo Emilia- Romagna) o di due aggettivi (tipo centrodestra). Questo meccanismo formativo indica che «le due entità che entrano in composizione non si fondono a formare una unità inscindibile, ma rimangono ben individuabili» (Grossmann/ Rainer 2004: 39). Oltre all’anomalia della composizione coordinata esocentrica tra due diverse parti del discorso (sostantivo + aggettivo), l’interpretazione del neologismo come composto pone anche il problema semantico-morfologico dell’uso di stellato nel significato dell’aggettivo pentastellato ossia come variante accorciata/ aferetica. L’altra possibile interpretazione consiste nel considerare legastellato una parola macedonia nel senso di una parola formata «con una o più parole maciullate […] messe insieme con una parola intatta» (Migliorini 1949: 89). Questo meccanismo forma- 8 Per i nomi collettivi derivati con suffissi collettivi cfr. Grossmann/ Rainer 2004: 245-247. Italienisch_80.indb 119 01.03.19 12: 09 120 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini tivo, comunemente ritenuto marginale all’interno del sistema di formazione delle parole dell’italiano, benché sempre più produttivo nell’italiano contemporaneo, 9 ben si presta a creare termini che sottolineino il carattere ibrido di un referente basato sull’incrocio di componenti molto diverse tra loro, sia esso un animale o un vegetale ibrido (mandarancio), un locale polifunzionale (cartolibreria), un movimento di pensiero basato sulla combinazione di correnti differenti (cattocomunismo) (cfr. Thornton 2004: 570- 571) o appunto, come nel nostro caso, un’alleanza tra movimenti politici profondamente diversi tra loro come la Lega e il Movimento 5 Stelle. Eppure anche l’interpretazione di legastellato come parola macedonia Lega + (penta) stellato, pur risolvendo i problemi dell’accorciamento di pentastellato e dell’inedita composizione tra due parti del discorso diverse, non è immune da anomalie in quanto in italiano a venire accorciato in questo tipo di formazioni è tipicamente il primo costituente (come negli esempi appena citati di mandarancio, cartolibreria, cattocomunismo) e non, come in legastellato, il secondo. «A poche ore dall’insediamento del Governo Legastellato è partito il primo duplice attacco.» (Governo legastellato: a Parma Pizzarotti contro tutti, 4-6-2018, La Repubblica) Dalle stelline ai cuoricini Se tutte queste neoformazioni derivate da stella, pur nascendo in parte su blog, forum, testate giornalistiche e portali online e diffondendosi rapidamente grazie alla rete, non possono essere considerate alla stregua di veri e propri socialinismi, ben diverso è il caso del verbo stellinare, intrinsecamente legato agli usi comunicativi su twitter. Analogamente a timbrare «contrassegnare con un timbro» o siglare «contrassegnare con la propria sigla», stel- 9 Si pensi al deonimico Ferragnez, onnipresente nella recente prosa giornalistica per designare il matrimonio social tra il cantante Fedez + la fashion blogger Ferragni. Questo tipo formativo è molto frequente nella lingua inglese, e quindi anche negli anglismi dell’italiano (come brunch, nato dall’incontro di breakfast + lunch, o smog, smoke + fog, per citare due prestiti di lunga data). Le denominazioni del fenomeno non sono univoche in nessuna lingua europea: oltre all’italiano, che oscilla tra «parola macedonia» e «tamponamento di parole» (Dardano/ Trifone 1985: 345-346), si ricordino anche per l’inglese le denominazioni «blend/ blending», «contamination», «amalgam», «fusion», «hybrid» e il metaforico «telescoped word», mentre il tedesco usa «Kontamination», «Wortverschmelzung» e «Wortkreuzung», e il francese «mot-valise» (a sua volta alla base del calco traduzione tedesco «Kofferwort») oppure «mot portmanteau» (cfr. Schmid 2003: 265). Sulle parole macedonia nell’italiano contemporaneo cfr. anche Pietrini (2012a). Italienisch_80.indb 120 01.03.19 12: 09 121 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch linare può essere parafrasato con «contraddistinguere con una stellina» e si riferisce all’operazione (la stellinatura) di attivazione di un’etichetta a forma di stella da parte dell’utente di twitter per organizzare il flusso di tweet che appare sulla sua pagina base, segnalando così il proprio apprezzamento a singoli tweet e salvandone alcuni come «preferiti» (orig. favorited). A marcare stellinare come termine della CMT contribuisce inequivocabilmente il fatto che la base di derivazione sia costituita da un diminutivo (stellina): i diminutivi sembrano caratterizzare infatti gran parte della terminologia della comunicazione digitale soprattutto a livello dell’interazione privata o semiprivata 10 concorrendo, in caso di possibile ambiguità, a distinguere tra referenti legati a vecchi o nuovi media (si pensi alla differenza tra telefono e telefonino, foto e fotina, squillo e squillino, faccia e faccina ecc.). Il termine stellinare, non incluso in nessuna delle raccolte lessicografiche consultate, è invece menzionato da Prada in quanto «neologismo neomediale, costruito secondo modalità molto trasparenti - un verbo denominale inserito nella prima classe flessiva -, su cui a volte si incentrano le ironie e gli sdegni puristici degli stessi utenti» (Prada 2015: 131). 11 Stellinare costituisce un ottimo esempio del carattere effimero della neologia legata al mondo della rete: il 3 novembre 2015 la stellina con cui gli utenti potevano marcare un tweet «preferito» è stata infatti sostituita da un cuore, anzi da un cuoricino: «Addio- stella. Da oggi i preferiti su Twitter cambiano nome e sembianze: si chiamano Mi- Piace- (déjà vu) e hanno la forma di un cuore. ‘Il cuore, a differenza della stella, è un simbolo universale che ha un significato analogo in tutte le lingue e culture del mondo’, scrive il team di Twitter nel-post di presentazione.- ‘Il cuore è più eloquente, ti permette di trasmettere una serie di emozioni e di connetterti facilmente con gli altri. E i nostri test hanno dimostrato che la nuova icona piace alle persone.’» («Twitter, un cuoricino al posto della stella per i preferiti», 3-11-2015, www.wired.it) 10 Sull’«iper-utilizzo» dell’alterazione diminutiva nelle interazioni mediate tecnicamente e sull’iperaffettività collegata a tale fenomeno cfr. Pietrini (2012b; 2014) e, relativamente alla comunicazione mediante SMS, Pistolesi (2004: 187-250). 11 Allo stesso Prada (2015: 132-134) si rimanda per una scheda sulle funzioni comunicative dell’operazione di stellinatura che, nonostante l’avvenuta sostituzione delle stelline con i cuori, restano sostanzialmente invariate anche con il nuovo simbolo grafico. Italienisch_80.indb 121 01.03.19 12: 09 122 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini Dopo le prime rimostranze degli utenti, che si sono prodotti in tweet nostalgici o ironici lanciando anche hashtag di protesta come #RidateciLeStelline e #RivogliamoLeStelline, e nonostante un certo scetticismo iniziale, al verbo stellinare si è quasi immediatamente sostituita la neoformazione cuoricinare, 12 affiancata e tendenzialmente soppiantata poi da cuorare: Se dal punto di vista morfologico il neologismo neomediale cuoricinare non si differenzia dal predecessore stellinare trattandosi in ambo i casi di derivati verbali denominali di prima coniugazione costruiti su una base alterata (diminutivo stellina > diminutivo cuoricino), dal punto di vista semantico i due verbi sono tutt’altro che equivalenti. Contrassegnare con una stellina appare infatti più neutrale della marcatura con un cuore, che equivale invece per se a una valutazione positiva e non a caso viene parafrasata con un «Mi piace/ a X piace/ a X è piaciuto» dall’interfaccia della stessa piattaforma Twit- 12 Nella bibliografia linguistica consultata il verbo cuoricinare è menzionato solo da Biffi in riferimento a uno stadio ancora iniziale dell’attestazione del socialinismo: «Un tweet può essere stellinato, vale a dire segnalato come preferito: il nome deriva dal fatto che inizialmente questa nota di gradimento, che equivale al ‘mi piace’ di Facebook, era indicata con una stella; dal novembre 2015 è stato sostituito da un cuore tanto che ha preso piede invece la variante cuorare/ cuoricinare, che è peraltro piuttosto avversata dai twitteri integralisti, che tendono a usarlo prevalentemente in senso ironico e dispregiativo» (Biffi 2016: 90. Cuorare/ cuoricinare è menzionato brevemente anche a pag. 104 della stessa opera). Italienisch_80.indb 122 01.03.19 12: 09 123 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch ter. Ad avvalorare quest’interpretazione contribuisce l’iconografia di altri dispositivi digitali: se la stellina è il simbolo comunemente usato nei browser come strumento per salvare i segnalibri (orig. bookmark), operazione eminentemente neutrale dal punto di vista valutativo e che segnala semplicemente interesse per un determinato contenuto, il cuoricino è l’icona predisposta a esprimere apprezzamento sul social network fotografico Instagram, piattaforma basata soprattutto sul rapporto con l’immagine e notoriamente più immediata e «emozionale» degli altri siti di relazioni sociali. 13 Le funzioni della stessa icona su altri social network, combinate con il tradizionale valore metonimico del cuore come rappresentazione del sentimento amoroso più che di un semplice interessamento, confermano la svolta in senso emozional-affettivo sancita dal passaggio da stellinare a cuoricinare, immediatamente percepita anche dai twitteri più attenti: Indipendentemente dalle rapide evoluzioni tecniche della piattaforma Twitter, che nel marzo 2018 ha introdotto la funzione «segnalibro» (orig. Add Tweet to Bookmarks) separandola così dalla cuoricinatura, e il cui amministratore delegato Jack Dorsay ha appena annunciato la probabile eliminazione futura del cuoricino (cfr. «Twitter to remove ‘like’ tool in a bid to improve the quality of debate», 29-10-2018, The Telegraph), neoformazioni come cuoricinare e cuorare offrono lo spunto per riflettere sull’affettività ludico-espressiva come ulteriore caratteristica dei neologismi della rete. A caratterizzare il lessico dei social network infatti non sono soltanto la dominanza dell’anglo-americano e la natura effimera delle creazioni neologiche, ma anche un forte aspetto giocoso collegato alla tendenza verso un 13 Il tweet dell’utente Francesca Bevilacqua del 3-11-2015 tematizza - in maniera abbastanza aggressiva - proprio questa differenza tra le reti sociali: «Ma che cazzo servono sti cuori ma mica siamo su Instagram che ci vogliamo tutti bene ma per favore #Rivogliamolestelline». Italienisch_80.indb 123 01.03.19 12: 09 124 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini linguaggio espressivo connotato emozionalmente. 14 È infatti proprio l’aspetto genericamente ludico-emotivo a contraddistinguere cuoricinare/ cuorare rispetto all’ormai superato stellinare. Le due varianti cuoricinare/ cuorare convivono nell’italiano contemporaneo con lovvare, anglismo (da to love) adattato usato soprattutto nei gerghi giovanili per esprimere un forte apprezzamento, ma non necessariamente legato alle pratiche comunicative digitali. 15 Resta infine da notare la tendenza a prediligere la forma cuorare all’iniziale cuoricinare: se nei primi tempi è cuoricinare a farsi strada, probabilmente per analogia con il predecessore stellinare, col tempo il socialinismo si fa adulto perdendo la connotazione lezioso-infantile del verbo formato sul diminutivo, e la variante cuorare prende il sopravvento su cuoricinare: E così i giovani intervistati dal quotidiano La Repubblica («Fake news e il futuro che è tutto da scrivere: a Robinson le interviste le fanno i ragazzi», 20-4-2017) citano proprio cuorare come esempio di parola nuova emblematica della loro generazione, degna di essere considerata parte integrante del vocabolario. Piacere o piacciare? Se cuorare denomina l’approvazione attraverso l’icona del cuoricino su Twitter e Instagram, un’altra neoformazione si fa strada nella lingua della CMT 14 Cfr. anche le osservazioni di Gheno sui «contenuti socio-emozionali» e sulle «strategie di compensazione» dell’interazione faccia a faccia che dominano la lingua dei social network (Gheno 2017: 39-41). 15 Per Licia Corbolante, che ha ricostruito la storia del termine sul suo blog «Terminologia etc.», tra l’inglese to love e il neogergale lovvare esisterebbe un passaggio intermedio rappresentato dal verbo informale to heart, nato sulla scia del successo del logo «I ♥ NY» per indicare una forte passione senza ricorrere al verbo dello standard to love. Da qui l’ipotesi di un percorso analogo per l’italiano sulla base della necessità di rappresentare verbalmente l’icona del cuoricino senza utilizzare amare (cfr. http: / / blog.terminologiaetc.it/ 2013/ 11/ 05/ neologismi-colloquialismi-gergo-social-media/ ). Quanto alle attestazioni di lovvare nei gerghi giovanili cfr. ad es. l’articolo «Le ragazzine ‘Pervy’? Sognano di ‘lovvare’», pubblicato il 21 ottobre 2013 su Il Giornale. Italienisch_80.indb 124 01.03.19 12: 09 125 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch per indicare in senso generico l’operazione di «mettere un Mi piace» a un contenuto digitale indipendentemente dal tipo di piattaforma. Si tratta di piacciare, socialinismo attestato negli scambi comunicativi in rete come alternativa endogena all’anglismo adattato likare (anche nelle varianti laikare/ laicare). Il neologismo, ancora non registrato in nessuna delle raccolte lessicografiche consultate né citato dalla bibliografia linguistica più recente sull’italiano del web, 16 sembra abbastanza diffuso in tutti i tipi di piattaforma digitale (Twitter, Facebook, diversi forum ecc.) fino a insinuarsi talvolta anche nei media tradizionali (come nel discorso riportato dell’esempio che segue): «Mi è arrivato qualche tempo fa un breve messaggio via chat da parte di Caterina Cavina, la scrittrice emiliana che da anni è la musa dell’orgoglio della ciccia femminile. ‘Le ciccione lo fanno meglio’ è il suo best seller. Caterina mi scriveva: ‘Una breve comunicazione a chi mi segue su Facebook. Per 24 ore non potrò commentare, pubblicare, piacciare, fare nulla tranne che chattare.’» («Solo la ciccia fa scandalo su Facebook», 17-3-2014, La Stampa) La neoformazione (attestata anche nella variante univerbata mipiacciare) offre interessanti spunti di riflessione sulle modalità della creazione neologica relativa alla lingua dei social network. Nei dispositivi delle reti sociali il like non si riferisce alla mera espressione di un gradimento/ consenso astratto (come nella semantica del verbo piacere), ma ha un valore performativo che si traduce nell’atto concreto di cliccare su un’icona (pollice verso l’alto o cuoricino che sia) per «mettere un mi piace». Il verbo italiano piacere inoltre, in quanto verbo bivalente intransitivo, non ammette un oggetto diretto, a differenza dell’inglese to like. La neoformazione piacciare risponde proprio a queste esigenze fungendo da verbo performativo transitivo, come dimostrano gli innumerevoli esempi su Facebook o Twitter, in cui si piacciano commenti, foto, video, post, persone ecc.: 16 In Gheno (2017: 69) si trova in una tabella sulle risemantizzazioni funzionali la brevissima menzione di «mi piace e persino mipiaciare che soppiantano like e likare.» Italienisch_80.indb 125 01.03.19 12: 09 126 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini Il neologismo neomediale piacciare è interessante anche dal punto di vista morfologico. Basato sullo stesso etimo di piacere, piacciare è inserito nella prima classe flessiva in analogia ai tanti altri verbi di formazione più o meno recente relativi al mondo dell’informatica e di internet, costituiti tipicamente aggiungendo a una base inglese il morfema flessivo della prima coniugazione verbale 17 come in googlare 18 , taggare 19 , photoshoppare, 20 whatsappare. 21 shazammare 22 ecc. Quanto al raddoppiamento consonantico, anche questo si spiega per analogia con le neoformazioni verbali ibride in cui la consonante finale dell’inglese viene di solito raddoppiata nell’ambito del processo di adattamento del prestito al sistema linguistico dell’italiano (v. anche il già citato lovvare, gli esempi photoshoppare da photoshop, taggare da tag, shazammare da Shazam, o anche pinnare 23 da pin ecc.). Il gioco della neologia effimera Le parole nuove passate rapidamente in rassegna in questo contributo poco probabilmente saranno assorbite in modo stabile nell’italiano. La loro sedi- 17 Come osserva Serianni (2003: 13), «Delle quattro classi verbali latine (amàre, vidère, lègere, audire) l’unica oggi produttiva - cioè suscettbile di arricchirsi di neologismi - è la prima: basti pensare ai verbi della terminologia informatica e tecnologica, da shiftare a becappare.» 18 Su googlare, ormai acclimatato nell’italiano (la sua prima attestazione risale al 2003) e presente nella nomenclatura delle opere lessicografiche più recenti (ZING2019; NDO2018; Adamo/ Della Valle 2008), cfr. anche la scheda di Biffi (2016: 143-145). 19 Si tratta di un verbo tutt’altro che recente, attestato dal 1998 e repertoriato già in DISC («contrassegnare qualcosa con un tag», s.v.). 20 NDO2018 non riporta il verbo photoshoppare, ma solo l’aggettivo photoshoppato (anche nella variante photoscioppato), mentre ZING2019 accoglie solo il marchionimo Photoshop senza menzionarne eventuali derivati. 21 Al neologismo whatsappare sono state dedicate ben due schede dall’Accademia della Crusca, una breve e senza indicazione del curatore nel 2011 e una più estesa del 2015 (Olmastroni 2015). 22 Il neologismo, derivato verbale dal nome di un’applicazione per il riconoscimento musicale automatico (Shazam), è incluso nell’elenco dei neologismi raccolti da TREC. 23 Il neologismo neomediale pinnare è collegato al social network Pinterest, il cui nome va interpretato come parola macedonia fomata dall’incrocio del verbo to pin («appuntare») con il sostantivo interest («interesse») per indicare una piattaforma di condivisione di immagini appuntate su apposite bacheche virtuali sulla base di interessi comuni. Pur non figurando nei dizionari sincronici più recenti, pinnare è repertoriato tra i neologismi in TREC (prima attestazione 2012). Italienisch_80.indb 126 01.03.19 12: 09 127 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch mentazione nel lessico appare quanto mai precaria, dipendente da fattori transitori e imprevedibili quali il successo politico (pentastellato), il delicato equilibrio tra forze divergenti (legastellato), il tipo di riconoscimento attribuito a una prestazione culinaria (stellato) o a un contenuto digitale (stellinare, cuoricinare, cuorare, piacciare). Eppure il quadro che ne emerge è quello di una lingua quanto mai viva, tutt’altro che asservita alla pressione dell’angloamericano, pronta a inventarsi e reinventarsi in risposta ai rapidi mutamenti della società e delle tecnologie che condizionano ormai le dinamiche degli scambi comunicativi (si pensi alla repentina successione di invenzioni lessicali da stellinare a cuoricinare e cuorare per tener dietro - non senza una certa ironia - alle innovazioni strutturali di Twitter). In conclusione ci sembra quindi di poter condividere le osservazioni di Gheno (2017: 66): «Per quanto una reazione di perplessità di fronte a parole nuove sia naturale, si ricordi che l’invenzione linguistica è indice di una lingua sana e capace di adattarsi ai contesti: per questo, il fenomeno della neologia effimera non deve spaventare o inquietare, ma solo divertire.» Daniela Pietrini Bibliografia Adamo, Giovanni/ Della Valle, Valeria (2005): 2006 parole nuove, Milano: Sperling & Kupfer Editori. 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Sie sind unter den suggestiven Titel «La Quarta Corona» gestellt, der das Ziel des Buches ausdrückt, den Schriftsteller und Grammatiker Pietro Bembo (1470-1547) gleichberechtigt an die Seite von Dante, Boccaccio und Petrarca zu stellen. Patota führt uns im ersten Kapitel in den «Giardino degli Asolani», also an den Handlungsort der Dialoge über die Liebe, Gli Asolani, die vielleicht Bembos bekanntestes Buch sind. Patota stützt sich bei seiner linguistischen Analyse auf Giorgio Dilemmis Vergleich der Asolani-Ausgabe von 1505 mit der von 1530, auf Paolo Trovatos Analyse des Autographs, das in der Bibliothek der Fondazione Querini in Venedig aufbewahrt wird, und schließlich auf die Arbeit von Claudia Berra, in der sie die Ausgabe von 1530 und die postume Ausgabe (1553) untersucht. Die verbreitete Annahme, dass der Text von der handschriftlichen bis zur postumen Fassung eine sprachliche Regulierung erfahren habe, ist zwar richtig, darf aber, laut Patota, nicht überbewertet werden. Er demonstriert dies anhand eines Ausschnittes aus dem Kapitel des ersten Buches der Asolani, in dem der Garten, in dem die Dialoge stattfinden, beschrieben wird. Die minutiöse Analyse der sprachlichen Besonderheiten betrifft zunächst phonologische und morphologische Aspekte, schließt aber auch syntaktische mit ein. Diese stellt Patota exemplarisch, klar und gut nachvollziehbar dar. Er kommt dann zu dem Schluss, dass die sprachliche Form der Asolani von Anfang an dem Florentinischen des Trecento sehr nahe steht, während die Unterschiede seiner Meinung nach nicht ins Gewicht fallen. Im Bereich der Syntax sieht er sogar eine vollkommene Übereinstimmung mit dem «fiorentin volgare» Boccaccios, dessen verwinkelter und verschachtelter Satzbau mit zahlreichen subordinierten Satzteilen und Hyperbata in seinen Augen auf ideale Weise mit dem Weg, den die Dialogpartner durch den Garten zurücklegen, übereinstimmt: «Come i giovani, per raggiungerlo, devono attraversare tutto quanto il giardino, così il lettore […], deve attraversare un groviglio di parole, come se fosse in un labirinto» (S. 21). Italienisch_80.indb 129 01.03.19 12: 09 130 Buchbesprechung In Kapitel 2 geht Patota der Vorgeschichte der Prose della volgar lingua nach, zu der auch der Vorwurf, Bembo habe sich dazu bei den Regole grammaticali della volgar lingua (1536) von Giovan Francesco Fortunio bedient, gehört. Bembo hatte sich gegen diesen Vorwurf gewehrt und darauf bestanden, dass es in Wirklichkeit umgekehrt gewesen sei und Fortunio vielmehr auf sein «libretto» zurückgegriffen habe, in dem er, Bembo, die Grammatik des volgare behandelt hat. Darüber ist in der Forschung schon viel debattiert worden. Patota geht nun den Spuren einer möglichen Vorarbeit Bembos nach und rekonstruiert die Genese der Prose. Bereits in dem Paratext «Aldo a gli lettori» zu der berühmten Petrarca-Ausgabe (Le cose volgari di Messer Francesco Petrarcha, Venedig 1501), die Bembo gemeinsam mit Aldo Manuzio veranstaltete, findet sich eine längere Sprachreflexion, die Bembo zugeschrieben wird und der ein Text zugrunde liegt, der in der Forschung unter dem Namen «Fascicolo B» 1 bekannt ist. Darin wird zum ersten Mal die lateinische Grammatikterminologie durch volkssprachliche Äquivalente oder Paraphrasen wiedergegeben (numero del meno/ del più, genere del maschio/ della femmina). Möglicherweise bezog sich Bembo in einem berühmten Brief an Maria Savorgnan vom 2. September 1500 auf dieses Faszikel, als er von «alcune notazioni della lingua», mit deren Zusammenstellung er begonnen habe, sprach. Fortunio könnte von Bembos Reflexionen also aus Aldo Manuzios Petrarca-Ausgabe Kenntnis gehabt haben. Was, so betont Patota, etwas völlig anderes sei, als diese aus einem privaten «libretto» Bembos gestohlen zu haben. Im dritten Kapitel diskutiert Patota den richtigen Titel von Bembos Grammatikbuch, das üblicherweise Prose della volgar lingua genannt wird, obwohl dieser Titel nirgends, weder in Bembos Autograph (Vat. Lat. 3210) noch in den drei Ausgaben, die auf den Autor zurückzuführen sind (1525, 1538 und 1549), jemals auftaucht. Patota vergleicht die variierenden ausschweifenden Titel der genannten Editionen (z.B. Di Messer Pietro Bembo a Monsignore Giulio cardinale de Medici della volgar lingua primo libro [Autograph] oder Prose di Messer Pietro Bembo nelle quali si ragiona della volgar lingua scritte al cardinale de’ Medici … [Ausgabe 1525]) und berücksichtigt auch die Titel der verschiedenen Ausgaben der Asolani. Diese umständlichen Titel schrien geradezu nach einer Kurzform. Der heute geläufige Titel geht auf Benedetto Varchi (1502-1565) zurück. Doch mit dieser Feststellung begnügt sich Patota nicht, sondern weist auch noch nach, dass dieser Titel grammatikalisch gegen die so genannte ‘Regola di Bembo’ (wie 1 Eine Transkription dieses Textes von Giovanni Orlandi findet sich in Carlo Dionisotti/ Giovanni Orlandi (a cura di), Aldo Manuzio editore. Dediche, prefazioni, note ai testi, 2 voll., Milano: Il Polifilo 1975, vol. 1, pp. 52-55. Italienisch_80.indb 130 01.03.19 12: 09 131 Buchbesprechung sie von Migliorini genannt wurde) verstößt. Diese später auch als ‘legge Migliorini’ oder ‘norma della simmetria’ bezeichnete Regel besagt, dass das indirekte Komplement, wenn das davorstehende, es regierende Substantiv ohne Artikel (oder mit unbestimmtem Artikel) steht, mit einfachem di angeschlossen wird, also Prose di volgar lingua und nicht Prose della volgar lingua (im Gegensatz zu Le immagine della cera oder All’ora del mangiare; S. 50). Allerdings lässt sich gegen diese scharfsinnige philologische Kritik am Titel des Buches einwenden, dass Bembo selbst einmal in einem Brief an seinen Neffen von «Prose della lingua volgare» spricht. 2 Patota schlägt abschließend vor, das Buch analog zu Dantes De vulgari eloquentia einfach Della volgar lingua zu nennen, glaubt aber selbst nicht, dass sich das durchsetzen wird. Der Tatsache, dass Bembos Werk, genau wie die Werke der anderen «Tre Corone» - die wir Divina Commedia und Canzoniere nennen oder Decàmeron aussprechen (während Boccaccio es Decameròn betonte) - einen nicht vom Autor selbst gewählten Titel trägt, kann Patota zuletzt sogar etwas abgewinnen, stellt sie doch eine weitere Gemeinsamkeit mit den «Tre Corone» dar. Im Zentrum des vierten Kapitels steht nun Bembos Grammatik selbst. In den Jahren, in denen er die ersten beiden der drei Bücher seiner Prose della volgar lingua schrieb, verfasste er auch eine lateinische Epistel (De imitatione), die an Giovan Francesco Pico (1469-1533) gerichtet ist und vom 1. Januar 1513 datiert. Darin stellt Bembo seine Ideen zum Konzept von imitatio und aemulatio in Bezug auf die Sprachnormierung dar. Hinsichtlich des volgare spricht er sich für die Nachahmung eines Autors für die Dichtung bzw. für die Prosa aus (Petrarca bzw. Boccaccio). Im Zusammenhang mit der oben erwähnten Ausgabe von Petrarcas Gedichten (1501), wie auch mit der ebenfalls von Bembo besorgten Ausgabe der Divina Commedia (Le Terze Rime di Dante, 1502), bei denen er jeweils kostbare Handschriften kollationiert hatte, hatte er sich intensiv mit diesen beiden Autoren des Trecento, aber auch mit Boccaccio, beschäftigt und dabei Kriterien für seine eigene Textkritik und Sprachauffassung erarbeitet und erprobt. Laut Patota handelt es sich bei den Prose um eine «Grammatik der Literatur», in der Bembo auf Beispiele zurückgreift, die von der Geschichte legitimiert sind und die ihre Autorität von den Autoren des Trecento herleiten. Daher rührt bei ihm das Primat der geschriebenen Sprache gegenüber der gesprochenen, das in dem berühmten Satz mündete: «non si può dire che sia veramente lingua alcuna favella che non ha scrittori» (Lib. I, 14). Patota betont, dass für Bembo das Nachahmen von literarischen Modellen jedoch 2 Pietro Bembo an Giovan Matteo Bembo am 28.1.1533: «Fate che ’l Bianco vi dia 10 Prose della lingua volgare, e tenetele.» Italienisch_80.indb 131 01.03.19 12: 09 132 Buchbesprechung keinen Selbstzweck darstelle, sondern vielmehr «experimentellen Charakter» habe (S. 66) und im Zweifel der «piacevolezza» (Annehmlichkeit oder Anmut), also einer ästhetischen Maßstäben genügenden Lösung, der Vorzug vor dem Sprachgebrauch der Vorbilder zu geben sei. Diese These wird unterstützt durch die große Menge der von Bembo als Kriterien verwendeten Wörter aus dem Bereich der Ästhetik (adorno, agevolmente, dolce, gentile, leggiadro, vaghezza u.v.a.) sowie für Verstöße gegen dieses Ideal (nämlich asprezza, rozzo, grosso u.a.). Dass Bembos Entscheidungen sehr unterschiedlich ausfielen, zeigt Patota anhand des Verbparadigmas von dovere, das an Boccaccio angelehnt ist, oder anhand der Form des Zahlwortes dieci (entgegen der von den «Tre Corone» eindeutig bevorzugten Form diece). Weitere von Patota angeführte Beispiele zeigen das Nebeneinander von strikter Anlehnung an die Trecentisti, Ausgleich zwischen alten und modernen Formen und schließlich Ablehnung der von den Vorbildern bevorzugten Formen. Dies erkläre sich aus dem Variantenreichtum der damaligen Zeit und der Schwierigkeit, hier zu entscheiden. Mit dem Hinweis auf Bembos von Fall zu Fall variierende Entscheidungen verteidigt Patota ihn gegen den Vorwurf der Rigidität zugunsten der Trecentisti. Übergeordnet gelte nämlich, so Patotas Auffassung, immer das neoplatonische «principio dell’armonia» (S. 69). Patotas fünftes Kapitel ist als diachronische Mikrostudie dem Vergleichswort come gewidmet und der Frage, in welcher Form ihm das Pronomen zu folgen habe: als Subjektpronomen (come io) oder als Objektpronomen (come me). Patota beobachtet darin eine Kehrtwende Bembos, der beim Verfassen der Prose zunächst der zweiten Variante (come + me) gemäß dem Sprachgebrauch seiner Zeit den Vorzug gegeben hatte, sich dann aber in den Druckversionen für die erste Variante come + io entschied, die bei den Trecentisti deutlich überwiegt. Damit stellte Bembo, in den Worten Patotas, die Uhrzeiger um zwei Jahrhunderte zurück. Der Sprachgebrauch sollte ihm, wie bekannt, in dieser Norm nicht folgen. In diesem Kapitel gelingt es Patota, eine grammatikalische Detailfrage mit großer Klarheit zu erläutern. Angereichert ist es, wie übrigens alle anderen, mit umfangreichen, auch weiterführenden Literaturangaben. In Kapitel 6 thematisiert Patota die so genannte ‘Stillschweigende Grammatik’ («Grammatica silenziosa») im Gegensatz zu den expliziten Grammatikregeln des dritten Buches der Prose, dem eigentlichen Grammatikteil, dessen eigenartige dialogische Struktur Carlo Dionisotti im Vorwort zu seiner Ausgabe von Bembos Werken (1966) als «una meravigliosa selva dove l’esemplificazione della parola e del suo uso prevale sulla classificazione e sulle regole» beschrieb. Patota zeigt, dass auch in den anderen beiden Büchern grammatische Fragen zur Sprache kommen: So wird im zweiten Italienisch_80.indb 132 01.03.19 12: 09 13 3 Buchbesprechung Buch (Kap. 21) über die Anfügung eines enklitischen Possessivpronomens an Verwandtschaftsbezeichnungen, wie fratèlmo (‘mein Bruder’), patrèmo (‘mein Vater’) - die aufgrund semantischer Beziehungen auch auf signore übertragen wurde (signòrso, ‘sein Herr’) - diskutiert. Von den Dialogpartnern wird dieser Sprachgebrauch eindeutig den unteren Klassen zugeordnet («quantunque ella bassissima voce sia e per poco solamente dal volgo usata») und daher abgelehnt. Diese diaphasische Zuordnung stimmt, wie Patota hervorhebt, mit der Einschätzung moderner Sprachwissenschaftler überein. Von Bembo gar nicht explizit thematisiert, aber in den Prose ausschließlich verwendet ist das Possessivpronomen der dritten Person Plural loro anstelle von sua, suoi, sue. Ein anderes Beispiel ist die Wortstellung bei Entscheidungsfragen, bei der Bembo zur Rechtsstellung der Personalpronomina tendiert, die er in den Asolani fast ausnahmslos anwendet, ohne die Frage ausdrücklich zu erörtern. Ein weiterer Aspekt der «Grammatica silenziosa» besteht nach Patota in der Rückwirkung der Grammatikregeln auf Bembo selbst, was sich an zahllosen Selbstkorrekturen ablesen lässt. Und drittens zählt Patota auch die sowohl von den Prose als auch von den Asolani ausgehende Wirkung auf deren Leser dazu, genauer gesagt die Vorbildfunktion von Bembos Stil für andere Autoren als konkretes Modell. Dies zeigt Patota anhand von Francesco Guicciardini auf, der nach dem Erscheinen der Prose die Possessivpronomina in seiner Sammlung politischer und moralischer Aphorismen, den Ricordi, sämtlich durch loro ersetzte. Patota folgert, dass sich derartige Autoren nicht an dem orientierten, was Bembo im dritten Buch der Prose vorschrieb, sondern vielmehr an seinem persönlichen Sprachgebrauch. Dadurch, dass Bembo anderen Schriftstellern als Orientierungspunkt diente, kommt ihm nach Patotas Argumentation ein gleichberechtigter Platz an der Seite der kanonisierten «Tre Corone» zu. Im siebten Kapitel geht Patota schließlich auf den starken Einfluss Bembos auf die italienische Grammatikographie ein. Neben dem Echo, das Bembos ästhetische Kriterien in den meisten Grammatiken der italienischen Sprache fand, wo sie Lingua armoniosa, Dolce favella, Il bel parlar gentile und ähnlich genannt wird, gehört auch das Primat der geschriebenen (literarischen) Sprache gegenüber dem mündlichen Sprachgebrauch zu Bembos Erbe. Obwohl bei Weitem nicht alle Regeln Bembos übernommen und bis heute beibehalten wurden, kritisiert Patota, dass sich im Laufe der Zeit viele Grammatiker allzu starr an Bembo gehalten und dadurch zu einer Verkrustung des Sprachgebrauchs beigetragen hätten (z.B. die Vorschrift, ausschließlich egli anstelle von lui zu verwenden oder volto anstelle von faccia), während dieser doch seine Entscheidungen sehr flexibel und in Abhängigkeit von ästhetischen Kriterien und vom jeweiligen Kontext getroffen habe. Italienisch_80.indb 133 01.03.19 12: 09 13 4 Buchbesprechung Abgesetzt von den übrigen Kapiteln des Buches folgt zuletzt ein Appendice, in dem es nicht mehr um Grammatik, sondern um Intermedialität geht. Der Erfolg kleinformatiger Bücher, die Aldo Manuzio auf den Markt brachte, zeigt sich auch in zeitgenössischen Porträts von Personen, die ein geschlossenes oder geöffnetes Exemplar davon in Händen halten. Eine solche Taschenbuchausgabe von Petrarcas Canzoniere führte zur Bezeichnung Petrarchino, einem Wort, das bei Bembo erstmals nachgewiesen ist, obwohl Patota nicht ausschließt, dass es im Umfeld von Aldo Manuzios Druckwerkstatt geprägt worden sein könnte. Einem dieser Gemälde, der «Dama col Petrarchino» von Andrea del Sarto, gilt Patotas besonderes Interesse. Zunächst identifiziert er die aufgeschlagene Seite als übereinstimmend mit carta 67v der so genannten Giuntina-Ausgabe des Canzoniere von 1522, sodann folgt er der Feststellung verschiedener Kunsthistoriker, die darauf hingewiesen haben, dass die Schrift, in der die beiden Sonette (153 und Anfang von 154) geschrieben sind, nicht exakt mit der von gedruckten Texten übereinstimme, und kommt dann auf eine besondere Buchgattung zu sprechen, die zwar handschriftlich angefertigt wurde, aber mit der Absicht, Druckerzeugnissen möglichst ähnlich zu sehen. Bei einem Petrarchino muss es sich folglich, wie Patota betont, nicht unbedingt um eine gedruckte Version des Canzoniere handeln, wie die italienische Wörterbuchtradition es will, sondern auch handgeschriebene Bücher im Kleinformat konnten damit gemeint sein. Damit klingt Patotas Plädoyer für die ‘Krönung’ Pietro Bembos aus. Dass es zu einer solchen tatsächlich kommen wird, bezweifelt der Verfasser dieser Rezension (und der Autor selbst wohl auch), aber nach der Lektüre dieses anschaulich geschriebenen und klar argumentierenden Buches regt sich stark der Wunsch, es möge doch gelingen. Rafael Arnold Italienisch_80.indb 134 01.03.19 12: 09 135 Kurzrezensionen Marco Faini: L’alloro e la porpora. Vita di Pietro Bembo. Roma: Edizioni di Storia e Letteratura 2016 [ristampa 2018], 201 Seiten, € 26,00 Dem Leben Pietro Bembos (1470-1547) sind bereits einige Bücher gewidmet worden. 1 Dem Titel der hier anzuzeigenden Biographie des Literaturwissenschaftlers Marco Faini ist bereits zu entnehmen, dass hier der Dichter und der Kardinal im Mittelpunkt stehen; Bembos philologische und grammatikographische Tätigkeit wird zwar ebenfalls erwähnt, spielt aber keine prominente Rolle. Insofern kann diese Biographie komplementär zu Giuseppe Patotas Buch (s.o.) gelesen werden. Am Beginn steht ein unvermittelt im Jahre 1487 einsetzender Prolog: Pietro, Sohn des venezianischen Botschafters Bernardo Bembo, ist ein junger Mann und befindet sich in Venedig mit einem Bündel Papieren unter dem Arm auf dem Weg zum Gericht. Plötzlich wird er vom einem anderen jungen Mann, einem gewissen Giusto, angegriffen, es kommt zu einer Rauferei, Waffen werden gezückt, und am Ende verliert Pietro fast den kompletten Zeigefinger, was für ihn ein lebenslanges Handicap bedeutete. Jahre später, 1502, berichtet Pietro in einem Brief an Giuliano de’ Medici, Sohn Lorenzos des Prächtigen, in gelassenem Ton über diesen Vorfall und Verlust. Giuliano kannte sich aus, hatte er doch selbst als Vierzehnjähriger durch einen Unbekannten nachts in Florenz ein Glied des linken Zeigefingers verloren (wie man auf der Kopie eines Porträts nach Raffael, das im Metropolitan Museum in New York hängt, sehen kann). Und noch eine andere berühmte Person der Zeit, der Schriftsteller und Dichter Pietro Aretino, wurde ebenfalls an der Hand verletzt - diesmal allerdings mit voller Absicht. Die drei in Marco Fainis Prolog zusammengebrachten Personen teilten aber nicht nur das Schicksal der körperlichen Versehrung, sondern vielmehr die Zeitgenossenschaft in der Hochphase der Renaissance. Marco Faini beginnt mit dieser nur scheinbar willkürlichen suggestiven Synopse seine Erzählung von Bembos Leben. Bedauerlich ist, dass der Kind- 1 Siehe die zeitgenössische Biographie von Giovanni della Casa, Vita di Pietro Bembo (a cura di Claudio Piga e Giancarlo Rossi), Torino 2016 und Ludovico Beccadelli, Vita del Cardinale Pietro Bembo alla quale succedono alcune lettere inedite del medesimo, Bologna 1799 sowie Vittorio Cian, Un decennio della vita di M. Pietro Bembo. Appunti biografici e saggio di studi sul Bembo (1521-1531), Torino 1885. Und aus jüngerer Zeit: Carlo Dionisotti, Scritti sul Bembo (a cura di C. Vela, Torino 2002) und - mit Vorsicht zu genießen - C. Kidwell, Pietro Bembo. Lover, Linguist, Cardinal, Montreal et al. 2004. Italienisch_80.indb 135 01.03.19 12: 09 136 Kurzrezensionen heit Bembos auch hier - wie in anderen Biographien - nicht mehr Raum gegeben wird, ist sie doch bislang wenig ausgeleuchtet worden. Er führt uns einen selbstbewussten, freigebigen, geselligen Menschen vor Augen, dessen Umgang von vielen Zeitgenossen, speziell den weiblichen, als besonders angenehm geschildert wurde, einen Mann, der sich in den obersten Gesellschaftskreisen zu bewegen wusste und der sich mit großem Eifer der Literatur widmete. Zudem kommt als weitere Seite seiner Persönlichkeit die eines stillen Sammlers von Büchern und Kunstwerken zum Vorschein, und - nicht zuletzt - auch die des zurückgezogenen Gelehrten («sepolto fra i libri»). Die vielen Lebens- und Reisestationen (Ferrara, Padua, Florenz, Urbino, Messina und immer wieder Rom), die das unstete Leben dieses Humanisten prägten, werden von Faini dabei nicht stur der Chronologie nach aufgesucht, stattdessen verfolgt und bündelt er die Ereignisse nach bestimmten Themen oder Fragestellungen, was dem Buch einen sehr abwechslungsreichen Charakter verleiht. So folgen wir im ersten Kapitel nicht weiter dem Siebzehnjährigen und seinen zwei Leidensgenossen, sondern begegnen dem knapp sechzigjährigen Bembo, der auf einen Besucher wartet. Es handelt sich dabei um den berühmten Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini, der im Auftrag Bembos eine bedauerlicherweise nicht erhaltene Medaille mit Porträt des arrivierten Humanisten herstellen sollte. Während Pietros Vater hohe Ämter in seiner Heimatstadt Venedig bekleidete und schließlich sogar Mitglied des Consiglio de’ Dieci wurde, ist die politische Karriere des Sohnes von zahlreichen Rückschlägen geprägt. Immer wieder wurden seine Kandidaturen zurückgewiesen. Fast schien es ihm, als sei es sein Schicksal, überall Erfolg zu haben - nur nicht in seiner Heimat («dalla mia patria solo ho sempre ricevuto vergogna e desamorevolezza e incommodi» 2 . Ob er darüber aber wirklich so unglücklich war, mag angezweifelt werden, fehlte ihm doch laut Faini der politische Ehrgeiz. 1530 erhielt der bisher in seiner Heimat Geschmähte jedoch den Auftrag, eine Geschichte seiner Vaterstadt («Historia vinitiana») zu schreiben, was er zuerst auf Latein tat, um sie dann selbst ins volgare zu übersetzen. Endlich scheint er Frieden mit seiner Vaterstadt geschlossen zu haben. Inzwischen hatte er sich längst auf einem ganz anderen Gebiet einen Namen gemacht: Sein Werk De Aetna war 1496 bei Aldus Manutius in einer besonderen, von Francesco Griffo eigens geschaffenen Schrifttype erschienen, die bis heute den Namen Bembo trägt. Faini macht nachvollziehbar, von welch tiefgreifender Bedeutung die Zusammenarbeit mit dem venezianischen Drucker für Bembos philologische Tätigkeit war. Es folgten die bahnbrechen- 2 So schrieb Bembo rückblickend in einem in Fainis Werk zitierten Brief, den er nach 1525 an seinen Freund Giovanni Battista Ramusio verfasste. Italienisch_80.indb 136 01.03.19 12: 09 137 Kurzrezensionen den Ausgaben von Petrarcas Gedichten (1501) und der Göttlichen Komödie Dantes (Le Terze Rime di Dante, 1502), für die Bembo kostbare Handschriften kollationiert hatte. Faini kommt immer wieder auf die Zusammenarbeit mit Manutius und das brodelnde kulturelle und intellektuelle Milieu in der Lagunenstadt zurück und berichtet etwa von den Zusammenkünften eines Humanistenzirkels, für den Bembo Statuten (Leggi dell’Amicitia oder Leggi della Compagnia degli Amici) verfasste, die handschriftlich überliefert sind. Von Hause aus mit den Themen und Vorlieben eines humanistisch geprägten Publikums vertraut, wurde Bembo durch Begegnungen mit herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit, darunter Angelo Poliziano, Costantino Lascaris und Baldassare Castiglione, stark geprägt. Sie beförderten seine Studien und seine Auffassungen von Sprache, Literatur und Kultur. Mit einigen teilte er seine Passion für das Lateinische («più degna lingua») und das Griechische, anderen war er durch seine Prose della volgar lingua, aber auch durch die Asolaner Gespräche (Gli Asolani, 1505) zum bewunderten Vorbild in der italienischen Volkssprache geworden. Marco Faini schildert auf spannende Weise das humanistische Projekt, dessen Motor Bembo war, mit allen Facetten und kommt zu dem Schluss, dass Bembos sprachliche und kulturelle Leistung in der Res publica litteraria gewissermaßen dem patriotischen Dienst für die Republik von Venedig, für den er sich auf Wunsch des Vaters so oft vergeblich beworben hatte, gleichkommt. Darüber hinaus sieht Faini in dem Bemühen der Befürworter des volgare um eine sprachliche Einheit, die den Austausch von Ideen und literarischen Erzeugnissen ermöglichen sollte, einen Gegenentwurf zu den turbulenten politischen Ereignissen, die zu einer Zersplitterung Italiens in viele Kleinstaaten und Fremdherrschaft geführt hatten. Aber nicht alles drehte sich bei Bembo um die ‘großen Dinge’. Seine ausgeprägte Leidenschaft für das schöne Geschlecht brachte manche Turbulenz in sein Leben, machte ihn aber zugleich besonders auf dem Gebiet der Dichtung auch äußerst produktiv. Faini konzentriert sich auf drei Frauen, die eine zentrale Rolle in Bembos Leben spielten: Maria Savorgnan, eine verheiratete Adlige und Dichterin aus Venedig, Lucrezia Borgia, Tochter von Papst Alexander VI. und femme fatale, sowie Faustina Morosina della Torre, bekannt unter dem Namen «La Morosina». An der Seite der Asolani, die bekanntermaßen nicht nur von Liebe handeln, sondern vor allem ein literarisches Modell darstellten, wie man über Liebe schreiben und reden konnte, stehen viele lyrische Produktionen Bembos, wie beispielsweise das Gedicht «Ad Lucretiam Borgiam», in der Tradition Petrarcas, aber auch andere, die in frivoler Weise die Körperlichkeit der Liebe besingen (an erster Stelle die wenig gelesenen Motti). Sie alle zusammen können als literarische Früchte seiner Liebe angesehen werden. Italienisch_80.indb 137 01.03.19 12: 09 13 8 Kurzrezensionen So erfolgte Bembos Erhebung zum Kardinal im Jahr 1539 auch gegen gewisse Widerstände angesichts seiner amourösen Beziehungen und der Tatsache, dass er mit «La Morosina» more uxorio zusammenlebte und mit ihr drei Kinder (Lucilio, Elena und Torquato) hatte. Aber nicht nur diese ‘fleischliche’ Seite Pietro Bembos war es, die seiner kirchlichen Karriere zunächst im Weg stand, auch seine Vorliebe für Kunstwerke, speziell für Medaillen - der in der umfassenden Ausstellung «Bembo e l’invenzione del Rinascimento» im Frühjahr 2013 in Padua zu Recht eine hervorgehobene Stellung zugemessen wurde -, «questa sua sensualità» machte ihn, wie ihm bewusst war, in den Augen frommer Kirchenmänner verdächtig. Und doch sollte in den Jahren bis zu seinem Tod 1547 eine ernst gemeinte kirchliche Laufbahn folgen. Es ist das Verdienst von Marco Fainis Biographie, Pietro Bembo hinter dem erstarrten Bild des humanistischen Sprachmeisters und kirchlichen Würdenträger wieder lebendig zu machen. Durch die anschauliche und kenntnisreiche Lebensschilderung dieses leidenschaftlichen, an Widersprüchen nicht armen, hochgebildeten und einflussreichen Gelehrten der Renaissance gelingt es Faini, dem Leser einen Eindruck davon zu vermitteln, dass Kultur auf unablässiger Tätigkeit von Individuen beruht, in deren Leben das Streben nach einem bestimmten kulturellen Ideal manifestiert. Rafael Arnold Italienisch_80.indb 138 01.03.19 12: 09 139 Kurzrezensionen Riccardo Gasperina Geroni: Il custode della soglia. Il sacro e le forme nell’opera di Carlo Levi. Milano: Mimesis Edizioni 2018, 236 Seiten, € 22,00 Carlo Levi (1902-1975) wird in Deutschland zumeist auf seinen bekanntesten Text, Cristo si è fermato a Eboli, reduziert. In der italienischen Kritik sind zwar immer wieder auch sein theoretisches Werk, seine Reiseberichte und seine Tätigkeit als Maler thematisiert worden, eine umfassende Lektüre seines literarischen Werks vor dem Hintergrund von Levis eigenen philosophischen Ausführungen stand jedoch noch aus. Riccardo Gasperina Geroni unternimmt nun in dem hier vorliegenden Band, der 2018 den XXI Premio Carlo Levi gewonnen hat, den Versuch, den großen Bogen von der frühen theoretisch-geschichtsphilosophischen Abhandlung Paura della libertà, die Levi zu großen Teilen vor dem Krieg im französischen Exil abfasste, und die 1946 erschien, über Cristo si è fermato a Eboli (1945) und L’orologio (1950) bis zu Levis letzter Schrift, dem tagebuchartigen Quaderno a cancelli (1979 postum veröffentlicht) zu schlagen. Das erste Kapitel der Studie, das bereits knapp zwei Fünftel des gesamten Texts ausmacht, führt die Leserschaft in Paura della libertà ein. Die philosophischen Überlegungen Levis in diesem Text versteht Gasperina als grundlegend für seine Lektüre der Romane Cristo si è fermato a Eboli und L’orologio. Gasperina legt zu Recht großen Wert auf die Frage der Positionierung Levis gegenüber Benedetto Croce, dessen Freiheitsbegriff Levi ablehnt. Der Gegenstand von Paura della libertà ist die Frage, wie es zum Aufstieg des Faschismus kommen konnte und warum er von der italienischen Linken und den Philosophen, die ihr zugerechnet werden, nicht vorhergesehen oder gar verhindert werden konnte. Levi konstatiert in diesem Zusammenhang, dass die psychologische Komponente nicht genug beachtet worden sei, genauer das Erzeugen von Angst, ein Kernpunkt der erfolgreichen Strategie der Faschisten. Es sind vor allem drei Denker, auf die Levi in seinen Ausführungen rekurriert. Von Giambattista Vico übernimmt er die Idee einer Entwicklung des Menschengeschlechts, die stufenweise geschieht und eine Geschichte der Entfernung des Menschen vom Natürlichen, vom Unförmigen ist. Von Rudolf Otto leiht Levi sich den Begriff des Heiligen, den er eng mit einem ursprünglichen, archaischen Zustand des Menschen in Relation zu seiner Umwelt assoziiert. C.G. Jung lässt er das Prinzip der Individuation beisteuern, das die Selbstfindung des Menschen in Relation zu seiner Umwelt beschreibt. Kombiniert wird das bei Levi zu einer Auffassung der Menschheitsgeschichte, die von einer fortschreitenden Distanzierung vom Unbewussten, Unförmigen und auch Heiligen geprägt ist. Der Mensch steht dabei in einer zweideutigen Beziehung zum Heiligen: Das Heilige wirkt Italienisch_80.indb 139 01.03.19 12: 09 14 0 Kurzrezensionen auf ihn nach Otto zugleich bedrohlich und anziehend. Er versucht sich also davon zu distanzieren um sich dadurch zu individualisieren, gleichzeitig sucht er als einzelner Mensch aber immer auch die Gesellschaft der anderen Menschen und damit wieder den Kontakt zum Allgemeinen, zum Unbestimmten (oder, mit Jung, zum Archetypischen). Der Erfolg des Faschismus wird nun von Levi darauf zurückgeführt, dass es den Faschisten gelungen sei, das Volk (bestehend aus Individuen) zur Masse zu machen, die keine Individualität kennt, und die der Ebene des Unförmigen, des Heiligen zuzurechnen ist. Der Mechanismus, der den Umgang des Menschen mit dem bedrohlich-anziehenden des Heiligen laut Levi am besten beschreibt, ist die Religion. Sie bietet die Möglichkeit, die unheimlichen Aspekte durch Rituale o.ä. zu bändigen und begreifbar zu machen. Levi versteht nun den Faschismus italienischer und deutscher Ausprägung als eine solche Religion. Die unförmige Masse wird mithilfe einer Führerfigur, der gottgleiche Eigenschaften zugeschrieben werden, mithilfe von Ritualen und Gebeten (also politischen Kampfparolen) manipuliert, weil ihr vorgegaukelt werden kann, dass dies der Weg zur Individuation sei. Die Menschen haben Angst vor ihrer eigenen Freiheit - hier kommt der Titel des Traktats ins Spiel - und lassen sich deshalb als Masse behandeln. In der Folge wird Levis Roman Cristo si è fermato a Eboli als Dokument der Erinnerung des Autors an seine Verbannung in Süditalien gelesen und damit gleichzeitig, so Gasperina, als Gegengift zur Barbarei des Zweiten Weltkriegs - entstanden ist der Text in der ersten Hälfte des Jahres 1944, als Levi in Florenz unter Hausarrest stand. Es sind dabei vor allem drei Aspekte, die herausgestellt werden, nämlich die Bevölkerung Lukaniens und ihre spezifische soziale Struktur, die Landschaft der Region, und schließlich die Integration des Autor-Protagonisten selbst in die dortige Gesellschaft. Die Menschen, auf die der Erzähler während seiner Verbannung trifft, repräsentieren eine Gegenwelt zur modernen Zivilisation. Begriffe und Ideen wie Fortschritt, Staat, Christentum oder auch Geschichte als lineares Ablaufen der Zeit sind ihnen, so Levis Einschätzung, unbekannt. Stattdessen leben sie in einer archaischen Welt, deren Zeit zyklisch abläuft, und die von den sich wiederholenden Tagen und Jahren geprägt ist. Ihnen gegenüber stehen die «signori», eine kleine Gruppe von Personen, die für Verwaltung und Politik zuständig sind, und die entweder von Rom eingesetzt sind oder sich selbst entsprechend angepasst haben. Nicht nur den Menschen, sondern auch der Landschaft Lukaniens werden von Levi ursprüngliche, archaische Eigenschaften zugeschrieben. Es handle sich, so Gasperina, um einen Chronotopos der Unbeweglichkeit. Implizit werden hier immer wieder Anspielungen auf Paura della libertà deutlich, und zwar besonders auf die Idee des Heiligen, des Unförmigen, des Italienisch_80.indb 140 01.03.19 12: 09 141 Kurzrezensionen Archaischen, dem innerhalb von Cristo si è fermato a Eboli die Einwohner und die Landschaft Lukaniens zugeordnet werden. Gasperina liest, sicher nicht zu Unrecht, diese Konstellation im Anschluss an Walter Benjamin als Schwellenbereich, in dem der Ich-Erzähler verschiedene Stufen der Initiation durchläuft, und in dem er sich schließlich selbst findet. Diese Selbstfindung, so die Schlussfolgerung, ließe sich von der persönlichen auf die politische Ebene übertragen: So wie das Ich durch die Immersion in die archaische Lebenswelt gewachsen sei, könne auch ganz Italien an einer solchen Erfahrung wachsen. Das Kapitel über Levis zweiten Roman, L’orologio, greift die politische Ebene am Anfang kurz auf und verweist auf die lange Tradition einschlägiger Deutungen, die erst seit den Neunziger Jahren um alternative Ansätze ergänzt worden ist. Indem er eine lange politische Rede behandelt, in der Levi durch eine der Figuren des Romans seine Einteilung der italienischen Gesellschaft in «contadini» und «luigini» ausführt, gelingt es Gasperina, die Verbindungen zu Cristo si è fermato a Eboli aufzuzeigen, wo ja ein analoges Modell verwendet worden war. Er wendet sich jedoch in der Folge der privaten, psychologischen Dimension des Romans zu und untersucht die Rolle, die verschiedene Konzeptionen von Zeit in ihm spielen. Im Zentrum steht dabei die Uhr des Protagonisten, anhand deren Verlusts durch den Protagonisten sowie einen sich daran anschließenden Traum der Roman einige Reflexionen über Zeit an sich anstellt. Gasperina arbeitet dabei an unterschiedlichen Stellen heraus, dass Levi auf politischer wie künstlerischer Ebene gleichermaßen vom Scheitern der rationalistisch-progressistischen Weltanschauung überzeugt ist. Die Studie zeigt immer wieder auf, inwiefern Levi sich von Hegel und Croce abgrenzt und sich zu Walter Benjamins Begriff der «Jetztzeit» hinwendet. Das Bemühen des Protagonisten, eine neue Uhr zu finden, wird dabei analog gesetzt zum Bemühen Levis, eine neue Epoche einzuläuten, in der die alte, paternalistisch-lineare Zeitordnung zugunsten einer «contemporaneità dei tempi» abgelöst wird. Abschließend wirft die Studie noch einen Blick auf Quaderno a cancelli, Levis letzte Schrift, die unter dem Eindruck der einsetzenden Blindheit des Autors in dessen letzten Lebensjahren entstanden ist. Gasperina zeigt, dass Levi trotz teilweise dramatischer Veränderungen der Lebensumstände in bestimmten Überzeugungen und Grundannahmen stets konsistent geblieben ist. So findet sich auch in Quaderno a cancelli die Ablehnung eines aufgeklärten Fortschrittsglaubens - in diesem Fall ausgearbeitet anhand der Lichtmetapher (Illuminismo), die Levi mit der ihn umgebenden Dunkelheit bzw. dem Grauen kontrastiert. Wie bei den anderen besprochenen Texten wird auch hier eine ganze Reihe von philosophischen und künstlerischen Referenzpunkten aufgezeigt, etwa die aus Paura della libertà, Cristo si è fermato Italienisch_80.indb 141 01.03.19 12: 09 142 Kurzrezensionen a Eboli und L’orologio bekannten C.G. Jung und Walter Benjamin, darüber hinaus aber auch Eugenio Montale und Giacomo Leopardi sowie der Psychoanalytiker Sándor Ferenczi. Ergänzt wird diese Ideensammlung um die Kategorie der futilità, einen etwas vagen Begriff, der hier vielleicht mit ‘Belanglosigkeit’ wiedergegeben werden kann. Gasperina bringt sie wiederum eng mit dem konkreten körperlichen Zustand Levis in Verbindung. Sie wird im Spätwerk zum ersten Mal entworfen und drückt den Versuch aus, einen Begriff zu finden, unter den sich die zahlreichen negativen Definitionen subsumieren lassen. Ähnlich dem Sprecher in Montales «Non chiederci la parola…» verwehrt sich auch Levi gegen positivistische, rationalistische Versuche der Welterklärung und verlegt sich daher auf eine Art via negationis, die mit dem Begriff der futilità überschrieben wird. Gasperinas Studie zeigt also mithilfe einer Reihe von abstrakten Analogien und einigen Beispielen für konkrete Rezeption philosophischer Ideen das geschichtsphilosophische Potenzial Carlo Levis auf. Implizit und ganz am Ende auch explizit steht dabei die Frage im Zentrum, ob Levi damit ‘nur’ ein aufmerksamer Zeitdiagnostiker war, der die Mechanismen des Faschismus erkannte und beschrieb, oder ob in seinem Denken auch eine optimistische Zukunftsaussicht angelegt ist. Diese Frage, die Gasperina mit einer Tendenz zum Optimismus beantwortet, verdeutlicht, wie aktuell Carlo Levi als Theoretiker und Schriftsteller heute ist, und macht somit auch die Relevanz dieser Studie in der heutigen Zeit klar. Christoph Söding Italienisch_80.indb 142 01.03.19 12: 09 14 3 Kurzrezensionen Mario Isnenghi / Thomas Stauder / Lisa Bregantin: Identitätskonflikte und Gedächtniskonstruktionen. Die «Märtyrer des Trentino» vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg: Cesare Battisti, Fabio Filzi und Damiano Chiesa. Berlin: LIT Verlag Berlin, 2018 (Studien zur italienischen Literatur und Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts, Band 2), 402 Seiten, € 29,90 Zwei italienische Historiker und ein deutscher Romanist legen ein eindringliches «Triptychon» vor: Präsentiert werden drei habsburgische Untertanen italienischer Abstammung, die im ersten Weltkrieg nach Italien desertierten, in der italienischen Armee gegen Österreich-Ungarn kämpften, in Gefangenschaft gerieten, nach den damaligen Gesetzen wegen Hochverrat zum Tode verurteilt und grausam (Standrecht) hingerichtet (gehängt bzw. erschossen) wurden und, insbesondere in der faschistischen Zeit, als Ikonen patriotischer Opferbereitschaft verherrlicht wurden. Erinnert sei daran, dass sich Italien bei Kriegsausbruch zunächst neutral verhielt und erst am 23. Mai 1915 Österreich-Ungarn den Krieg erklärte, was Kaiser Franz Joseph pathetisch für einen «Treubruch, dessengleichen die Geschichte nicht- kennt», erklärte. Mario Isnenghi, Professor emeritus für zeitgenössische Geschichte der Università Ca’ Foscari in Venedig, porträtiert den bekanntesten Vorkämpfer für den Anschluss des Trentino an Italien, Cesare Battisti (4.2.1875 Trient - 12.7.1916 ebd.); Thomas Stauder, Augsburger Romanist und höchst verdienstvoller Begründer der vielversprechenden Reihe, in welcher der vorliegende Band erscheint, Battistis Weggefährten Fabio Filzi (20.11.1884 Pisino - 12.7.1916 Trient) und seine drei Brüder Fausto, Mario und Ezio, die sich ebenfalls als Irredentisten hervortaten und von denen Fausto den Soldatentod starb; Lisa Bregantin, Forscherin an den Istituti per la Storia della Resistenza (Venedig und Treviso) und der ANCR (Associazione Nazionale Combattenti e Reduci, Padova), zeichnet das Schicksal von Damiano Chiesa (24.5.1894 Rovereto - 19.5.1916 Trient) nach. Battisti, bis heute der bekannteste Irredentist, war promovierter Geograph, Sozialdemokrat, Journalist, Abgeordneter im Wiener Reichsrat wie im Tiroler Landtag, Antimilitarist, Autonomist und Reformer. Als er nach Kriegsausbruch seine Hoffnung auf die Gewährung wenigstens einer Teilautonomie für den italienischen Bevölkerungsteil begraben musste, bekannte er sich zum Anschluss Welschtirols an Italien und wechselte die Seiten, um in der italienischen Armee für diese Ziele zu kämpfen und nicht die Waffen auf seine italienischen Brüder richten zu müssen. Die habsburgische Doppelmonarchie war ein Vielvölkerstaat, in dem die Italiener mit nur 2,8% der Gesamtbevölkerung (1910 800.000 Bürger) in den Kronländern Tirol und Istrien zwar nur eine kleine Minderheit bilde- Italienisch_80.indb 143 01.03.19 12: 09 14 4 Kurzrezensionen ten, die jedoch politisch besonders aktiv war. Der italienische Bevölkerungsteil konzentrierte sich um Trient, wo sich 42,1% der Bewohner zur italienischen Sprachgruppe bekannten. Keineswegs alle, jedoch viele junge und akademisch gebildete Italophone kämpften seit Ende des 19. Jahrhunderts um Anerkennung. Zu erinnern ist an die fatti di Innsbruck im Jahr 1904, als den intellektuell anspruchsvollen und bildungsbeflissenen italienischen Bürgern statt einer eigenen Universität nur eine juristische Fakultät konzediert wurde, die den heftigen Widerstand deutschnationaler Studenten entfachte und schon bald wieder geschlossen wurde. Die Verfasser liefern einlässliche, auf souveräner Stoffbeherrschung beruhende Porträtskizzen «della triade dei Martiri trentini», die durch einmaliges Bildmaterial, das einen besonderen Glanzpunkt ihrer Studie bildet, aufgelockert wird. Ihre Darstellung ist objektiv und lässt allen Parteien und ihren Standpunkten Gerechtigkeit widerfahren. Jedes Kapitel schließt mit einer Bibliographie. Stauder hat die beiden Kapitel seiner italienischen Co- Autoren in ein flüssiges, gut lesbares Deutsch übersetzt. Wenn er am Anfang konstatiert, das Thema der italienischstämmigen Freiheitskämpfer aus Südtirol zur Zeit des Ersten Weltkriegs habe eine grenzüberschreitende Perspektive, und die drei Porträts sollten Teil eines europäischen Erinnerungsdialogs sein, so soll dieser Gedanke zum Schluss der Rezension aufgegriffen werden: Die Verfasser vermeiden eine Aktualisierung der Südtirol-Frage, die schon längst kein «deutsches» Problem mehr ist. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass Hitler, der sich ansonsten großspurig zum Beschützer aller außerhalb der deutschen Grenzen lebenden «Deutschen» aufspielte, die nach 1919 zu Italienern gewordenen Südtiroler aus Opportunitätsgründen seinem frühen Lehrmeister Mussolini «geopfert» hatte. In Österreich ist die Südtirol-Frage hingegen unterschwellig noch präsent. So will die Regierung Kurz angeblich der in Südtirol lebenden deutschsprachigen Minderheit die österreichische Staatsbürgerschaft anbieten, was in Italien für Verwunderung sorgt. In einem vereinigten Europa spielen territoriale Zugehörigkeiten nur noch eine untergeordnete Rolle. Aber gerade im Hinblick darauf wären Hinweise auf den jahrhundertelangen Kampf um die Brennergrenze willkommen gewesen, der durch führende Risorgimento-Ideologen wieder angefacht und 1919 im Frieden von Saint-Germain zugunsten Italiens entschieden wurde. Die hier porträtierten «Märtyrer des Trentino» hatten an dieser Entwicklung einen nicht zu unterschätzenden symbolischen Anteil, und es war im Geiste ihrer Zeit nur folgerichtig, dass Ihnen Grab- und Denkmäler errichtet wurden, die heute noch zu sehen sind. Frank-Rutger Hausmann Italienisch_80.indb 144 01.03.19 12: 09 14 5 Mitteilungen In Memoriam Salvatore A. Sanna (1934-2018) Als einen Menschen mit ‘sardischen Wurzeln und einer deutschen Seele’ hat man Salvatore A. Sanna in einem Zeitungsartikel von 1993 bezeichnet. 1 Geboren 1934 in Oristano im Westen Sardiniens, studierte Sanna Germanistik und Anglistik an der Universität Cagliari und kam 1958 mit einem Stipendium der sardischen Regierung erstmals nach Deutschland. Die Abschlussarbeit schrieb er zum Thema «La satira politica di Heinrich Heine nelle sue opere Atta Troll e Deutschland: ein Wintermärchen», danach zog es ihn wieder nach Deutschland. 1962 trat er als Lektor für italienische Sprache und Literatur in die Goethe-Universität Frankfurt ein, er lehrte dort bis 1998. Überzeugt davon, dass die deutsch-italienischen Beziehungen belebt werden müssen, gründete er 1966 gemeinsam mit Trude Müller die Deutsch-Italienische Vereinigung e.V. in Frankfurt am Main und rief kurz danach die dieser angeschlossene Frankfurter Westend Galerie ins Leben. Beide sind heute sein Vermächtnis. Ein Bild des zeitgenössischen, modernen Italien sollte im Vordergrund stehen. Es kamen Lucio Fontana, die Künstler der Forma I: Carla Accardi, Pietro Consagra, Piero Dorazio, Achille Perilli, Antonio Sanfilippo, Giulio Turcato, sowie Giuseppe Santomaso, Enrico Della Torre, Fausto Melotti. Viele junge Künstler folgten, die in ihm einen Förderer und Freund fanden, an den sie jetzt dankbar und voller Ehrerbietung denken. Ein zweiter Schwerpunkt der Galerie war und ist «Deutsche Künstler und Italien». Eduard Bargheer, Max Peiffer Watenphul, Heinrich Steiner aus der Generation der nach Italien Exilierten, Petra Lemmerz, Norbert Tadeusz, Ulrich Erben, Deva Wolfram aus der jüngeren Generation. 2 Eine Pionierleistung war zum 20-jährigen Bestehen der Deutsch-Italienischen Vereinigung 1986 die Herausgabe der ersten deutschen Gesamtausgabe des «Viaggio per l’Italia» von Johann Caspar Goethe. 3 Eine Kopie des Manuskripts hatte Herr Sanna auf einer abenteuerlichen Reise aus Weimar abgeholt. 1 Angela Natale, «Radici sarde e anima tedesca», L’Unione sarda 13.4.1993, S. 7. 2 Vier Kunstkataloge dokumentieren dieses Tätigkeit: Zur italienischen Kunst nach 1945 / Deutsche Künstler und Italien, Frankfurt am Main 1981, 1986, 1991, 2001. 3 Johann Caspar Goethe, Reise durch Italien im Jahre 1740. Viaggio per l’Italia. Hrsg. von der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V. Übersetzt und kommentiert von Albert Meier. Mit 15 Zeichnungen von Elmar Hillebrand, Frankfurt am Main 1986. Danach bei dtv. Italienisch_80.indb 145 01.03.19 12: 09 14 6 Mitteilungen In den 90er Jahren folgten zahlreiche Studien zur von ihm so getauften «letteratura de-centrata», einer «vom Zentrum aus verlagerten literarischen Produktion im Ausland». 4 Aus verschiedenen Tagungen und Lesungen, u. a. in der Villa Vigoni am Comer See, ging eine Anthologie mit kritischen Texten hervor. 5 Italienische Autoren wurden nach Frankfurt eingeladen, darunter Giorgio Bassani, Leonardo Sciascia, Giuseppe Bufalino, Luigi Malerba, Vincenzo Consolo, Giuliana Morandini. Die Gespräche erschienen in der Reihe «A colloquio con» in der Zeitschrift Italienisch, die er zusammen mit Arno Euler 1979 gegründet hatte. Über 30 Editorials hat Salvatore A. Sanna für Italienisch verfasst, mit vielfältigen Anregungen, die um den deutsch-italienischen Austausch kreisen, besondere Akzente hervorheben, zum Beispiel die «tangenti», die zu Zeiten Vittorio Emanuele II. «zuccherini» hießen, die Beziehungen des Pataphysikers Alfred Jarry zu Italien, die Italienreisen von Ferdinand Gregorovius und Michel de Montaigne, die Gründung von «Europa-Schulen» oder einer zentralen Koordinationsstelle für italianistische Dissertationen. In alle Texte ist ein tiefes europäisches Bewusstsein eingewoben, ein Gefühl für die Fruchtbarkeit der vielfältigen Identität. Das ist auch der Kern der Lyrik von Salvatore A. Sanna, die Emigration positiv, auch im Sinne einer Horizonterweiterung deutet. Sechs zweisprachige Gedichtbände sind erschienen: Fünfzehn Jahre Augenblicke (1978), Wacholderblüten (1984), Löwen-Maul (1988), Feste (1991), Mnemosyne (1999), Mare (2009). Die Titel wählte Sanna stets deutsch, und publizierte immer zweisprachig, da er sich erklärtermaßen auch an ein deutsches Publikum wandte, das des Italienischen mächtig ist. Dazu kommen zwei Gesamtausgaben und eine italienische Ausgabe der Sammlungen Löwen-Maul und Feste. Diese wurde 1996 mit dem Premio Pannunzio ausgezeichnet. In seiner «Prefazione» zu diesem Band nennt Luigi Malerba die Gedichte eine «laizistische Beichte an den schweigend zuhörenden Leser» und konstatiert: «La lettura di una buona poesia […] ci può dare il senso della leggerezza e qualche barlume di felicità, sia pure intrinseca di malincolia. Una lettura di questo elegante e intenso poeta sardo-francofortese ci porta in ogni caso più in alto dei grattacieli delle banche di Francoforte.» 6 4 Salvatore A. Sanna, «Letteratura de-centrata», Italienisch Nr. 13, Mai 1985, S. 1. 5 Letteratura de-centrata. Italienische Autorinnen und Autoren in Deutschland. Hrsg. von Caroline Lüderssen und Salvatore A. Sanna, Frankfurt am Main 1995. 6 Luigi Malerba, [Presentazione], in: Salvatore A. Sanna, La fortezza dell’aria, Milano: Masoero 1995, S. 11. Italienisch_80.indb 146 01.03.19 12: 09 147 Mitteilungen Am 21. November 2018 ist Salvatore A. Sanna nach langer Krankheit im 84. Lebensjahr in Frankfurt am Main gestorben. Wir veröffentlichen im Anschluss den Nachruf, den Christoff Neumeister anlässlich der Trauerfeier am 10. Dezember 2018 in Frankfurt am Main vorgetragen hat, sowie einen Text von Anna Maria Micheli Kiel über den Gedichtband Mare. Caroline Lüderssen Der Dichter Salvatore A. Sanna 1 Die Gedichte Salvatore A. Sannas sind stets aus einer bestimmten Lebenssituation erwachsen, entweder aus einer unmittelbar gegenwärtigen oder aus einer in der Erinnerung vergegenwärtigten, sind der dichterisch gestaltete Ausdruck seiner gedanklichen und emotionalen Reaktion darauf. Die verschiedensten Lebensbereiche kommen zur Sprache: Liebe und Tod; Stimmungen von Tages- und Jahreszeiten; Eindrücke, welche Kunstwerke, Städte und Landschaften bei ihm hinterlassen haben, wobei - nicht verwunderlich bei jemandem, der aus einer Küstenregion stammt - dem Meer eine besondere Rolle zukommt, dem er ja auch seine letzte Gedichtsammlung gewidmet hat. Der Ton ist keineswegs durchgehend ernsthaft und getragen, er kann auch scherzhaft, selbstironisch und spöttisch, gelegentlich sogar kaustisch sein. So ist auch keineswegs immer nur von der großen Liebe die Rede: In einem frühen Gedicht erzählt er z.B. davon, wie er sich im Sprachkurs gemeinsam mit der Mitstudentin, die er im Gedicht anspricht, um die Schwierigkeiten des der die das (also des grammatischen Geschlechts) in der deutschen Sprache und um deren reichlich irreguläre Deklinationsregeln bemüht, wie sie aber beide - er und seine Adressatin - die ganze Zeit auch in einer noch anderen, stummen, ebenfalls an Irregularitäten reichen Sprache miteinander kommunizieren: e parliamo, parliamo (34). Ein Beispiel für die kaustische Tonlage ist jenes Gedicht über den Dackel, der die nächtlich leere Straße erst überquert, als die Fußgänger-Ampel auf Grün wechselt, felice/ di eseguire/ un comando: Er ist als typisch deutscher Dackel dadurch gekennzeichnet, dass in dem sonst italienischen Text allein das Wort grün deutsch eingefügt ist 1 Die Zahlen in Klammern bezeichnen die Seiten in Ausgabe der Gesammelten Gedichte (Zwischen zwei Ufern - Fra le due sponde. Gesammelte Gedichte Italienisch- Deutsch. Hrsg., kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004). Italienisch_80.indb 147 01.03.19 12: 09 14 8 Mitteilungen (200). Aber da gibt es auch wunderbare Schilderungen von Landschaften, Tages- und Jahreszeiten und die durch sie bei ihm ausgelösten Stimmungen: In einem Frühlingsgedicht, das die gerade zart bebend sich öffnenden Primelblüten feiert, lässt sich natürlich leicht der Übergang herstellen zu eigenen bebenden Frühlingsgefühlen (147). Bei den vielen Abend- und Morgengedichten fällt aber auf, dass sie fast durchweg eine leise andere, eher schwermütige Pointe haben: Am Abend verstummt auf der Piazza das lärmende Getriebe des Tages, und so kann der Dichter endlich wieder ungestört Zeuge sein, wie sich in dem Becken des großen Brunnens die Wasserfläche unterm Abendwind leise kräuselt (322). Und am frühen Morgen hat diese lärmende Betriebsamkeit noch nicht wieder eingesetzt, und so kann er noch das Rauschen des nahen Meeres und den beglückenden ersten Hahnenschrei vernehmen (319). Die Störung, ja oft geradezu Zer-Störung der Natur durch das Lärmen der Menschen, durch das Rattern ihrer Maschinen, und durch den Schmutz, den sie hinterlassen, ist ein immer wieder angedeutetes Thema, meist melancholisch, gelegentlich auch sardisch-sardonisch kommentiert: Da hat etwa ein Camper an einer stillen Stelle am Genfer See sein Zelt aufgeschlagen, lässt nun sein Autoradio in voller Lautstärke Jazz-Musik spielen, und verschafft sich so das Gefühl, endlich «Teil des Alls» geworden zu sein: si sente parte/ del tutto (172). Meist drücken sich in den Gedichten also dichterisch gestaltet Reaktionen auf unmittelbar Gegenwärtiges aus, aber es kann auch vergegenwärtigtes Vergangenes sein. In einem Gedicht der Sammlung Mnemosyne finden sich wunderbar anrührende Kindheits- und Jugenderinnerungen: an Weinlesen, bei denen die Kinder mithalfen, an den Duft von Most und Trester, und später dann an die reizende Sprödigkeit (prudore) der Dorfmädchen beim abendlichen Tanz auf der Piazza - Erinnerungen, die sich aber leider längst in ein Trugbild (miraggio) verwandelt haben, und dies nicht nur, weil sich die Zeitverhältnisse auch dort inzwischen verändert haben, sondern auch, weil es eine inzwischen unwiederbringlich vergangene Zeit ist (379). Damit wird ein anderes Grundthema seiner Dichtung angeschlagen: Vergänglichkeit und insbesondere die eigene Vergänglichkeit. Ganz stark empfindet er sie, wenn er, wie in seinen letzten Gedichten, aufs Meer hinausschaut und diesem mächtigen, fast ewigen Element, das er personifizierend anredet, eingestehen muss, dass das universale Gesetz des Werdens und Vergehens zwar für alles in dieser Welt gilt, auch für Dich, Meer! das aber mir, im Vergleich zu Deiner Ewigkeit, nur einen Augenblick (un attimo) zubilligt. 2 Das Ende, das nach diesem Gesetz uns allen bevorsteht, wird von 2 S. 264 in der italienischen Ausgabe von Fra le due sponde (Nuoro: Edizioni Il Maestrale 2014). Italienisch_80.indb 148 01.03.19 12: 09 14 9 Mitteilungen ihm als ein Dunkles, Unbekanntes empfunden - oder, im uralten Bild von der Seefahrt des Lebens: als ein unbekannter Hafen, in den wir alle einmal einlaufen müssen. Und im Hinblick auf ihn erweist sich dann all die Fracht, die wir im Ablauf der Zeit in unser Lebensschiff haben einbringen können - Besitztümer, gesellschaftliche Stellung, Ruhm - als letztlich belanglos: Poco importa il tonnellaggio se la meta che ti attende è un porto sconosciuto Kaum von Bedeutung die Tonnage wenn das Fahrtziel das auf dich wartet ein unbekannter Hafen ist (376-377). Damit ist Sanna unversehens (und wir mit ihm) in den Bereich des philosophisch Sentenziösen geraten. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass einem wie ihm, einem, der nach eigenen Worten noch jener fast schon fossilen Menschenart ̒ Dichter ̕ angehört (275), so etwas nur selten und ausnahmsweise zustößt. So gut wie immer vielmehr wird uns in seinen Gedichten konkret Gegenständliches vor die Augen gestellt, welches ihm aber zum Symbol geworden ist. Er überlässt es uns, die darin enthaltene Aussage oder Aufforderung herauszuhören. Die extreme sprachliche Verknappung, die versteckten, manchmal auf ein einziges Wort zugespitzten Pointen, die Anspielungen auf andere große Dichtung (Dante, John Donne, Heinrich Heine, Cesare Pavese) machen das nicht eben leicht. Aber das hat seinen Sinn und seinen Zweck: Es zwingt uns, falls wir nur die Geduld dafür aufbringen, uns mit diesen winzigen, rätselhaft knappen Sprachgebilden weit intensiver auseinanderzusetzen als mit manchen breit ausformulierten, sofort verständlichen und vielleicht deshalb auch schnell wieder vergessenen Prosatexten, und es sorgt dafür, dass wir die Botschaft dieser Gedichte nicht nur verstandesmäßig aufnehmen, sondern sie, und dies unter Umständen sogar noch bevor wir sie ganz verstanden haben, auch in unser Fühlen und Empfinden mit hereinnehmen und dort auf Dauer aufbewahren. Das ist das Kennzeichen einer Dichtung, die bleiben wird. Christoff Neumeister Italienisch_80.indb 149 01.03.19 12: 09 150 Mitteilungen Il mare poetico di Salvatore A. Sanna Il mare, soprattutto per chi ci nasce vicino, è stato sempre fonte di ispirazione. Salvatore A. Sanna è nato ad Oristano, città sarda lungo la costa occidentale, bagnata da un mare meraviglioso. «Mare» è la sua ultima raccolta poetica pubblicata in occasione del suo 75mo compleanno. Eccolo il poeta, osservatore, seduto sulla terrazza della sua casa, forse vicino ad Oristano; nella sua ultima poesia si legge «…una catena/ di monti in tuta grigia/ dietro les Alpes Maritimes/ inzuccherate di neve/ …» Siamo in Francia. Ma potrebbe essere ovunque, un pezzo di Mediterraneo. È un vero e proprio dialogo col mare. Il mare non sa parlare, non ha voce ma parla, dialoga a modo suo, attraverso la grande varietà di aggettivi che lo descrivono. Come se fosse un parente, un amico, un compagno, una compagna, «la mer», ha in sé le tipiche caratteristiche umane. È riservato, fresco, intraprendente, calmo, amabile, placido, bonario, con l’aspetto pacato, quasi paterno. Un mare che sa essere però anche irato, violento, tonante: «…Oggi, giorno di festa, ti presenti accigliato, le nuvole scure del Nord-Est accentuano il tuo malumore. …/ » Un mare pieno di luce, un mare ricco di colori con tutte le varietà dei chiaroscuri. Un mare che si muove per volere degli Dei. Dei antichi ma sempre presenti, sempre pronti a minacciarci: «Hai eccitato i cavalli del mare/ Eolo i suoi venti forzuti/ finché stanco di tanta rampogna/ ti sei dato in braccio a Morfeo.» Un mare spaventevole, che rimprovera la nostra arroganza, un mare che ha paura per la propria sopravvivenza: «Mi metto nei tuoi panni hai scaricato la tensione accumulata nei mesi precedenti. Oggi ti sei calmato, anche se ti ricopre una patina di grigio scuro. Il risultato della tua sfuriata un litorale pieno di detriti. Si direbbe che ti sei dato una purga. Gli uomini devono capire finalmente che tu non sei la loro pattumiera.» Anna Maria Micheli Kiel Dieser Text ist zuerst erschienen im Corriere d’Italia, Frankfurt am Main, Aprile 2010. Italienisch_80.indb 150 01.03.19 12: 09 151 Mitteilungen Salvatore A. Sanna: Werke Lyrik Fünfzehn Jahre Augenblicke. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt von Ragni Maria Gschwend. Mit einer Zeichnung von Piero Dorazio. Frankfurt am Main (Privatdruck) 1978. Wacholderblüten. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti. Frankfurt am Main (Privatdruck) 1984. Löwen-Maul. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Ermanno Leinardi. Frankfurt am Main-Aarau: Verlag Sauerländer 1988. Feste. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Achille Perilli. Mainz: von Hase & Koehler Verlag 1991. La fortezza dell’aria. Presentazione di Luigi Malerba. Tre disegni di Enrico Della Torre. Torino: Franco Masoero Edizioni 1995. (Premio Pannunzio 1996) Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen. Übertragung und Nachwort Gerhard Goebel. Einführung Christoff Neumeister. Zeichnungen Gianfranco Pardi. Frankfurt am Main/ Aarau: Verlag für deutsch-italienische Studien-Sauerländer 1999. Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Gunter Narr Verlag 2004. Mare. I guess what you mean. Gedichte Italienisch Deutsch. Übers. von Caroline Lüderssen. Tübingen: Gunter Narr Verlag 2009. Fra le due sponde. Poesie. Nuoro: Edizioni Il Maestrale 2014. Essays «Zur Struktur von drei sardischen Volksliedern», in: Romania cantat. Gerhard Rohlfs zum 85. Geburtstag gewidmet. Band II, Interpretationen. Hrsg. von Francisco J. Oroz Arizcuren. Tübingen: Gunter Narr Verlag 1980. Einführung zu Johann Caspar Goethe: Reise durch Italien im Jahr 1740 (Viaggio per l’Italia). Herausgegeben von der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V. Übersetzt und kommentiert von Albert Meier. Mit 15 Zeichnungen von Elmar Hillebrand. Sonderausgabe. Frankfurt am Main: Deutsch-Italienische Vereinigung e.V. 1986. Taschenbuchausgabe: München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1986, 4. Aufl. 1999. Vorbemerkung zu Rudolf Borchardt: L’Italia e la poesia tedesca. Aufsätze und Reden 1904-1933. Herausgegeben von der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V. Übersetzt und erläutert von Gerhard Schuster und Ferruccio Delle Cave. Frankfurt am Main: Deutsch-Italienische Vereinigung e.V. 1988. Im Kommission bei der Verlagsgemeinschaft Ernst Klett Verlag-J.S. Cotta’sche Buchhandlung Nachf. Stuttgart. Widerstehen. Anmerkungen zu Italo Calvinos erzählerischem Werk (zusammen mit Gerhard Goebel-Schilling und Ulrich Schulz-Buschhaus). Frankfurt am Main: Materialis Verlag 1990. Editorials 1979-1994. Zum 60. Geburtstag herausgegeben von Trudi Müller. Frankfurt am Main (Privatdruck) 1994. Italienisch_80.indb 151 01.03.19 12: 09 152 Mitteilungen Herausgeber Zur italienischen Kunst nach 1945 - Deutsche Künstler und Italien. Band I (1981), Band II (1986), Band III (1991), Band IV (2001). Frankfurt am Main: Deutsch-Italienische Vereinigung e.V./ Frankfurter Westend Galerie. Italienische Kunst der Moderne in Frankfurter Privatbesitz. Frankfurt am Main: Deutsch-Italienische Vereinigung e.V./ Frankfurter Westend Galerie 1994. Letteratura de-centrata. Italienische Autorinnen und Autoren in Deutschland (zusammen mit Caroline Lüderssen). Frankfurt am Main: Verlag Moritz Diesterweg 1995. «A colloquio con…» Interviste con autori italiani contemporanei (zusammen mit Caroline Lüderssen). Firenze: Franco Cesati Editore 2004 (Quaderni Italienisch). Verschiedenes Sardinien-Bibliographie. Mit einer Einführung von Gerhard Rohlfs. München 1974. Summer school: «Pier Paolo Pasolini e l’impegno nella cultura italiana del suo tempo» Vom 13.-15. September 2018 hat im Centro Pier Paolo Pasolini in Casarsa della Delizia, der Heimatstadt Pasolinis im Friaul, eine Summer school zum Thema «Pier Paolo Pasolini e l’impegno nella cultura italiana del suo tempo» stattgefunden, zu der 22 ausgewählte Doktorand/ inn/ en und Studierende größtenteils aus Italien, aber auch aus den USA, aus Brasilien, Ungarn, Belgien, England, Spanien, Frankreich und Deutschland angereist waren, um in einen Austausch mit Wissenschaftler/ inn/ en treten zu können, die sich vom Standpunkt ihrer Disziplin aus dem Werk Pasolinis genähert haben. Verantwortlich für die Organisation waren Paolo Desogus von der Sorbonne Université und Lisa Gasparotto von der Università di Milano-Bicocca. Davide Luglio (Sorbonne Université) zeichnete in seinem Einführungsvortrag den Wandel künstlerischer Verfahrensweisen im Gesamtwerk Pasolinis nach, die anfangs im Zeichen des Widerstands gegen (neo)faschistische und kapitalistische Tendenzen standen und zunächst dem Prinzip des «regresso» folgten. Marco Antonio Bazzocchi (Bologna) griff den Terminus auf, der im Verlauf der Tagung zum dominanten Erklärungsmodell für Pasolinis Denken avancierte; sein «regressives Erkenntnisparadigma», das paternalistische Züge trage, spiegele sich auch in seiner Arbeitsweise, der es laut Bazzochi an Dialektik mangele, was an der Veröffentlichungsgeschichte des zwischen 1943-49 entstandenen, aber erst 1958 publizierten L’usignolo della chiesa cattolica und dem Festhalten an Pascoli, auch nach der Lektüre von Marx, Auerbach oder Gramsci, zu sehen sei. Gian Luca Picconi (Genova) widmete sich neben dem «regresso» weiteren wiederkehrenden Italienisch_80.indb 152 01.03.19 12: 09 153 Mitteilungen Schlüsselbegriffen bei Pasolini wie der «sopravvivenza» und der «integrazione figurale» und zeichnete ihren Bedeutungswandel in den theoretischen Schriften nach. Diskutiert wurde in dem Zuge auch über Pasolinis Auffassung des bürgerlichen «umorismo» als Gegensatz zum «comico» des einfachen Volkes. Alessandro Del Puppo (Udine) widmete seinen Vortrag der Beziehung Pasolinis zu Andy Warhol, dem er zwar nie begegnet war, für dessen Ausstellung von Transvestitenfotografien in Ferrara 1975 er aber einen wenig motivierten (kaum vereinbar erscheine Warhols hedonistische, androgyne Glam-Rock-Ästhetik mit Pasolinis nostalgischem Virilitätsideal) Begleittext geschrieben hatte, der mehr der eigenen Selbstdarstellung diente. Luciano De Giusti (Trieste) und Paolo Desogus (Sorbonne Université) wandten sich in ihren Vorträgen dem filmischen Werk Pasolinis zu; während De Giusti die Vorarbeit zu Pasolinis erstem Film Accattone als «Fotoroman» ante litteram ausstellte, indem er Fotos präsentierte, die Pasolini bei Spaziergängen an den späteren Drehorten mit Freunden gemacht hatte und die bereits dieselbe mise-en-scène wie im Film aufwiesen, sprach Desogus über die filmische Inszenierung zweier verschiedener Blicke, dem des Autors durch den «soggettivo libero indiretto», der dem Zuschauer Interpretationsspielraum lasse, sowie dem Figurenblick durch die subjektive Kamera, der wie in Salò zu einem «faschistischen Blick», der den Zuschauer zum Voyeur werden lasse, avancieren könne. Ricciarda Ricorda (Venezia) widmete sich in ihrem Vortrag verschiedenen Texten Pasolinis über das Friaul, Rom und Süditalien, um sie gleichsam als «prophetische» Reiseliteratur, die den Folgen des Wirtschaftswunders nachspürt, auszuzeichnen. Lisa Gasparotto (Milano-Bicocca) präsentierte Erstausgaben und Originalschriften Pasolinis und führte anhand der Gedichte «L’italiano è ladro» und «Dov’è la mia patria» vor, inwiefern die Beziehung des lyrischen Ich zur Realität oberflächlich bleibe, wohingegen die narzisstische Komponente, die Suche nach Liebe und Anerkennung, und damit ein intrapsychischer Monolog dominiere. Beendet wurde die Tagung von zwei Vorträgen, die Pasolini in den geistesgeschichtlichen Kontext des 20. Jahrhunderts einordneten. Während Antonio Tricomi (Macerata) Pasolini als von Marcuse stark beeinflusster biopolitischer Denker verstehen wollte, der seine Gedankenübernahmen nicht ausreichend kennzeichnete, verglich Raul Kirchmayr (Trieste) Pasolinis Verständnis von «impegno» mit jenem Sartres: dessen idealer Intellektueller schaffe Raum für Intersubjektivität, bei Pasolini scheine es hingegen «den Anderen» einerseits gar nicht zu geben, anderseits werde später, angesichts der Bewusstwerdung über das Widerstand absorbierende System, das Engagement an sich, wie insbesondere in dem post mortem veröffentlichen Artikel «Abiura dalla Trilogia della vita» deutlich werde, in Frage gestellt. Italienisch_80.indb 153 01.03.19 12: 09 15 4 Mitteilungen Die Konferenz war an den Abenden des 13. und 14. Septembers auch für ein interessiertes Publikum geöffnet, das zu einer Gesprächsrunde mit Luciano De Fiore (Roma-Sapienza) über sein neues Pasolini-Buch, Risposte pratiche, risposte sante. Pasolini, il tempo e la politica (Roma 2018), sowie zu einer Theater-Inszenierung nach Texten Pasolinis geladen war. Am letzten Tag wurde eine Besichtigung verschiedener Orte, die Pasolinis frühes dichterisches Schaffen inspiriert hatten sowie der Grabstätte unter der Führung des Presidente Centro Studi Pier Paolo Pasolini, Piero Colussi, ermöglicht. Cora Rok «Italien-Polen. Kulturtransfer im europäischen Kontext». 2. romanistisch-slavistisches Kolloquium an der Technischen Universität Dresden, Dresden, 25.-27. Oktober 2018 Le relazioni bilaterali fra Italia e Polonia sono state spesso oggetto di studi specialistici e solo raramente sono state illustrate in un più ampio contesto europeo, o come fenomeno della «histoire croisée». Per approfondire questo secondo aspetto, grazie ai finanziamenti del programma Zukunftskonzept della Technische Universität Dresden (Exzellenzinitiative) e della Società Dante Alighieri, alcuni ricercatori italiani e polacchi si sono ritrovati a Dresda per il secondo convegno romanzo-slavo sul tema Transfer culturale italiano-polacco nel contesto europeo. Il Convegno si è tenuto dal 25 al 27 ottobre 2018 ed è stato organizzato dai professori Gianluca Olcese, Martin Henzelmann e Christoph Mayer. I rapporti fra Italia e Polonia sono stati presentati sotto tre punti di vista: • classici esempi di transfer culturale; • processi di appropriazione culturale e transculturalità in ambito europeo; • trasformazioni culturali legate alla singolarità del dialogo italo-polacco. In particolare, Gianluca Olcese (Breslavia) ha presentato l’‘Arlecchino in Slesia’, un esempio di histoire croisée che, a partire dall’etimologia, attraversa la tradizione germanica e si consacra in area romanza. Marinella Lotti (Faenza) ha sottolineato, invece, lo scambio interculturale tra Boleslawiec, sede di una delle maggiori industrie di ceramica in Europa, e Faenza. Tema ampliato poi da Paolo Aldo Rossi (Genova) che ha analizzato le culture gastronomiche. Italienisch_80.indb 154 01.03.19 12: 09 155 Mitteilungen Piotr Podemski (Varsavia) ha affrontato la ricezione dell’ideologia (neo)fascista in Polonia da Benito Mussolini a Roberto Fiore a partire dalle loro origini. Ewa Tichoniuk-Wawrowicz (Zielona Góra) si è invece interessata alla Polonia nell ̕ opera di Oriana Fallaci, cominciando dall’intervista rilasciata da Lech Wał ę sa alla giornalista italiana. Secondo Ewelina Walendziak-Genco (Varsavia), gli usi e costumi popolari siciliani evidenziano aspetti della tradizione etnografica che, vista con gli occhi dei polacchi, sono accolti con una certa criticità verso questa forma di espressività popolare. L’Italia, come la Polonia, era un paese di ricezione delle strutture narrative e delle tecniche: come rivelano i casi del ciclo bretone nelle decorazioni simili di Frugarolo e Siedl ę cin (Sonia Maura Barillari; Genova) e delle saline di Volterra, Halle, Bochnia e Wieliczka (Carmela Panarello; Firenze), sviluppatesi secondo un modello comune europeo; come mostrano anche i linguisti Małgorzata Karczewska e Marek Dolatowski (Zielona Góra) nel caso dei ‘Falsi amici italo-polacchi’ che derivano spesso da un’etimologia comune. Adam Kruk (Breslavia) ha sostenuto che la presenza di artisti italiani nella cinematografia polacca e viceversa contribuisce a plasmare l’immagine del proprio paese nell’altro. Luca Palmarini (Cracovia) ha presentato Augustyn Lipi ń ski, religioso vissuto tra Italia e Polonia, siccome dedito alla ragione di Stato altresì coinvolto nella visita di Federico Augusto II a Cracovia. L’importanza delle tracce degli artisti viaggiatori è stata avvalorata anche da Dario Prola (Varsavia) con l’intervento «Jarosław Iwaszkiewicz e il mito di Re Ruggero II di Sicilia» e da Anna Tylusi ń ska-Kowalska (Varsavia) sugli «Intellettuali e artisti italiani e tedeschi a Varsavia a fine Settecento». Il ruolo delle fonti scritte è stato approfondito dagli studi di Roman Sosnowski (Cracovia) sui documenti della Biblioteca Jagellonica di Cracovia e di Monika Gurgul (Cracovia) nel suo intervento sul transfer culturale della satira. Jadwiga Miszalska (Cracovia) ha ricordato Dresda come centro del transfer culturale fra Polonia e Italia. Relazioni studiate anche da Monika Surma-Gawłowska (Cracovia) sulla Commedia dell’Arte e da Ewa Manikowska (Varsavia), nel caso dei pittori italiani attivi sia a Dresda sia a Varsavia, mentre Boris Schwencke (Varsavia) ha interpretato l’italianità di queste città, ponendo l’accento sulle diverse ispirazioni del transfer culturale. Un ulteriore aspetto di questo transfer è il dialogo plurilinguistico: Silvia Giugni (Direttrice della certificazione PLIDA) ha illuminato la conoscenza degli strumenti per chi insegna e diffonde l’italiano, e le prospettive di sviluppo attivate. Prestiti italiani, sostiene Martin Henzelmann (Amburgo), sono inoltre ben radicati nella lingua polacca. Strutture che si riscontrano nella loro evoluzione, come ha evidenziato Luca Morlino (Varsavia), negli Avvisi di Polonia conservati in Vaticano. Italienisch_80.indb 155 01.03.19 12: 09 156 Mitteilungen Gli atti del convegno saranno pubblicati nel 2019 e l’iniziativa del dialogo romanzo-slavo continuerà a Dresda, luogo centrale fra la «Romània» e la «Slavia» e, quindi, punto ideale di incontro. Christoph Oliver Mayer / Gianluca Olcese «Italientag 2018» an der Universität Konstanz: «L’italiano oggi» Der diesjährige Italientag der Universität Konstanz am 8. November 2018 vereinte wie bereits die letztjährige Veranstaltung verschiedene Perspektiven aus Linguistik, Literaturwissenschaft und Didaktik unter dem titelgebenden Thema «L’italiano oggi». Michael Schwarze, der Leiter des Italienforums Bodensee, und die Generalsekretärin der Fondazione Bracco, Maria Cristina Cedrini, eröffneten den Studientag und gaben nicht nur einen Einblick in die bisherigen Tätigkeiten und die Ausrichtung des Italienforums, sondern auch in die Schwerpunktarbeit der Mailänder Stiftung, der das Italienforum insbesondere durch seine Kooperation mit Schulen aus dem Bodenseekreis gerecht zu werden sucht. Die diesjährige Bracco Lecture hielt Ludwig Fesenmeier (Universität Erlangen-Nürnberg) zum Thema «Wenn Sprecher schreiben: semicolti-Texte zwischen ‘rührender Unfähigkeit’ und ‘ungewollter Rhetorik’». Ausgehend von Leo Spitzers Untersuchungen zu Italienischen Kriegsgefangenenbriefen (1921), die sich an zahlreichen Stellen durch eine stark normative Sicht, aber auch durch eine starke Sensibilität für die Besonderheiten dieser Texte auszeichnen, setzte er sich mit einem in mancher Hinsicht vergleichbaren Briefkorpus aus neuerer Zeit auseinander: Briefen italienischer Gastarbeiter an Radio Colonia aus den 1960er Jahren. Im Vordergrund standen dabei weniger die Abweichungen von orthographischen, grammatischen oder textstrukturellen Normen (Spitzers «rührende Unfähigkeit»), sondern vielmehr die Frage, mit welchen ‘Strategien’ wenig geübte Schreiber diese kommunikative Herausforderung in all ihren Facetten (von der Überwindung der ‘Schreibblockade’ bis hin zur Textorganisation) zu bewältigen suchen. Im zweiten Vortrag untersuchte Lena Schönwälder (Frankfurt/ Main) die Funktionen eines digitalisierten Subjekts in der modernen Lyrik anhand von vier Gedichten Edoardo Sanguinetis: Duplex, Identikit, Fin de siècle und Sei Risposte. Die in eine Medienwelt eingebetteten lyrischen Sprecher reflektieren darin, so Schönwälder, die eigene Identität angesichts der zunehmenden Digitalisierung und bilden einerseits die sich dadurch neu Italienisch_80.indb 156 01.03.19 12: 09 157 Mitteilungen ergebenden Möglichkeiten der Subjektkonstruktion ab, aber sie zeigen auch die Grenzen des technischen Fortschritts auf. So wird einerseits der dekonstruierende Charakter der digitalen Fiktion deutlich, andererseits evozieren die Gedichte eine vermeintlich kommunikativ reiche Austauschform, die jedoch an der semantischen Ebene scheitert und - auf sich selbst in seiner lyrischen Form zurückgeworfen - die im Titel angedeutete dialogische Sprechsituation negiert. Den Auftakt zur zweiten Veranstaltungshälfte gab die Fachdidakterin Domenica Elisa Cicala (Universität Eichstätt), die zum Thema «Insegnare e imparare la grammatica: motivazioni, metodologie e risultati» sprach. Eingangs stellte Cicala fest, dass in den letzten Jahrzehnten eine Bewegung stattgefunden habe, welche weg von grammatikalisch und übersetzungswissenschaftlich basierten Vermittlungsschwerpunkten hin zur situativen Kommunikation im Unterricht tendiere. Daran anschließend zeigte sie das Erfolgspotential von weiterführenden Unterrichtsmaterialien auf, die auf Wunsch der Lernenden im universitären Rahmen in Kursen der Niveaustufen A2-B1 zugänglich gemacht werden und helfen, im Besonderen grammatikalische Strukturen zu festigen. Diego Marani (Universität Stuttgart) schloss den Italientag mit der Frage nach der Möglicheit eines «Giornalismo a fumetti? » und potentieller Grenzziehungen zwischen Graphic Novel, Journalismus, Dokumentation sowie dem ambigen (Non-)Fiktionalitätspotential dieser Genres ab. Nach einer kurzen Genealogie der produktionsästhetischen Faktoren und den Vorläufern des Genres skizzierte er die zunehmend problematische Abgrenzung zwischen traditionellem Journalismus und der Reportage im Stile der Graphic Novel, die sich vermehrt auch als eine Hybridgattung der Fotoreportage versteht, wie er an Arbeiten von Carlos Spottorno und Guillermo Abril zeigte. Michael Schwarze schloss den Italientag mit einem Dank an alle Referierenden, die zahlreichen Gäste sowie die Vertreterinnen der Fondazione Bracco und gab einen kurzen Ausblick auf den Italientag 2019, der dem Thematischen «L’Italia cantata» gewidmet sein soll. Maria-Elena Cantarella Italienisch_80.indb 157 01.03.19 12: 09 15 8 Mitteilungen Italienischer Studientag a Halle: «La musica leggera. Parole, note, (stereo)tipi» Martedì 20 novembre 2018 si è tenuto alla Martin-Luther-Universität di Halle-Wittenberg il tradizionale Italienischer Studientag, che da circa vent’anni viene organizzato per la promozione della cultura italiana; principali organizzatrici di questa edizione sono state Daniela Pietrini e Anke Auch. Vi hanno partecipato relatori tedeschi, austriaci e italiani; tra il pubblico numerosi studenti delle Università di Halle e Leipzig, insegnanti dei licei del Sachsen-Anhalt, della Sassonia e della Turingia (la giornata è riconosciuta come corso di aggiornamento), professori dell’Università di Halle e di altre città. Il tema è stato «La musica leggera. Parole, note, (stereo)tipi»: attraverso sette relazioni e una conferenza-concerto finale si sono discussi temi, figure ed elementi della canzone italiana sotto diversi profili (studi culturali, storia della lingua e della poesia, didattica dell’italiano). Anke Auch (Università di Halle) ha presentato «I luoghi della musica leggera», vale a dire sia i festival e gli eventi musicali (Sanremo, ma anche Cantogiro e altri), sia gli spazi sociali (discoteche, locali) e i mezzi di diffusione delle canzoni (radio, televisione, jukebox ecc.). Gerhild Fuchs (Università di Innsbruck) ha illustrato un aspetto dell’attività di Renato Carosone, le macchiette interculturali degli anni Cinquanta; la studiosa ha analizzato con finezza «Tu vuò fà l’americano», «Torero», «Caravan petrol», «’O pellirossa», tenendo in considerazione tutti gli elementi di tale forma artistica (testo, musica, scena). Dei testi delle canzoni ha parlato Stefano Telve (Università della Tuscia), ricostruendo in particolare i rapporti con la produzione poetica novecentesca: a partire dagli anni Cinquanta le canzoni si liberano della lingua stereotipata ereditata dalla tradizione ottocentesca e assumono una nuova fisionomia; se è vero che con i cantautori penetrano nei testi elementi dell’italiano parlato, d’altra parte si notano elementi dello stile ricercato e richiami alla produzione poetica propriamente detta (esemplari i testi di Pasquale Panella cantati da Battisti). Stefano Sasso (Università di Halle) ha tracciato la storia di Cramps Records, la casa discografica d’avanguardia fondata dal poliedrico Gianni Sassi e attiva nella Milano degli anni Settanta. La relazione di Giuseppe Antonelli (Università di Cassino) era dedicata ai giochi di parole nella canzone contemporanea, in particolare nel rap; una delle forme più interessanti che si riscontrano in tali testi è la paronomasia in absentia, cioè la variazione giocosa di un elemento di un sintagma, per es. papaveri e papi (per papaveri e papere), la donna cannolo (per la donna cannone). Di didattica della lingua e della cultura italiana attraverso le canzoni ha parlato Andrea Palermo (Università di Osnabrück): attraverso una rassegna critica della copiosa bibliografia teorica e dei mate- Italienisch_80.indb 158 01.03.19 12: 09 159 Mitteilungen riali didattici disponibili, il relatore ha rilevato come i più importanti lavori dei linguisti sulle canzoni non siano stati presi in considerazione dalla glottodidattica. Palermo ha poi illustrato la struttura e lo svolgimento di un Proseminar di Kulturwissenschaft sulle canzoni tenuto all’Università di Osnabrück nel semestre invernale 2017/ 18. Maria Giuliana (Università di Halle) ha descritto come è cambiata la musica e come sono evoluti i gusti musicali dei giovani. La giornata si è chiusa con la conferenza-concerto del duo Radio Garibaldi, composto dai musicisti Till Stellino e Michele Zappone (Heidelberg), che hanno proposto, oltre a classici della canzone italiana, due propri testi. Marco Bianchi Italianistentag 2020 Der nächste «Deutsche Italianistentag» findet Anfang März 2020 an der Ludwig-Maximilians-Universität München statt. (Red.) Eingegangene Bücher Baldini, Anna/ Biagi, Daria/ De Lucia, Stefania/ Fantappié, Irene/ Sisto, Michele: La letteratura tedesca in Italia. Un’introduzione. 1900-1920. Macerata: Quodlibet Studio 2018. Ebraismo e antisemitismo nella società italiana. Una storia discontinua. A cura di Liana Novelli Glaab. Frankfurt am Main: Biblioteca Italiana 2018. Klug und von hehrer Gestalt. Petrarca-Bildnisse aus sieben Jahrhunderten. Herausgegeben von Reiner Speck und Florian Neumann. Köln: Snoeck 2018. Raccontare la guerra. I conflitti bellici e la modernità. A cura di Nicola Turi. Firenze University Press 2017. Saviani, Lucio: Monte Athos. Il cielo in terra. Esperienze della filosofia. Fotografie di Oliviero Olivieri. [Roma]: Luca Sossella Editore 2018. Stammerjohann, Harro: Das Italienische am Italienischen. Die italienische Sprache in Vergleichen. Tübingen: Stauffenburg 2018 (Stauffenburg Handbücher, Band 13). Trebesch, Jochen/ Zeisel, Dorothea: Sizilien. Ein literarischer Begleiter. Berlin: Nora 2018. Italienisch_80.indb 159 01.03.19 12: 09 16 0 Mitteilungen Austauschzeitschriften Babylonia. Rivista per l’insegnamento e l‘apprendimento delle lingue. Comano (CH): Fondazione Lingue e Culture. Nr. 1/ 2018 («L’italiano in Svizzera»); Nr. 2/ 2018. («Sprache und Sachfach integriert lernen: CLIL neu gedacht»). Bibliographische Informationen zur neuesten Geschichte Italiens. Begründet von Jens Petersen. Deutsches Historisches Institut in Roma/ Arbeitsgemeinschaft für die neueste Geschichte Italiens. Nr. 156/ März 2018; Nr. 157/ Juli 2018. Bollettino del C.I.R.V.I. Moncalieri: Centro Interuniversitario di Ricerche sul «Viaggio in Italia». Nr. 73 - gennaio-giugno 2016 - Anno XXXVII, Fascicolo I. Onde. Das italienische Kulturmagazin. Passau: Deutsch-Italienische Studenteninitiative e.V. Nr. 49/ 25. Jahrgang 2018. Studi Comparatistici. Società Italiana di Comparatistica Letteraria. Moncalieri: Edizioni del C.I.R.V.I. Nr. 18 - luglio-dicembre 2016 - Anno IX, Fascicolo II. Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik. Stuttgart: Ibidem Verlag. 12,2 (2018). Italienisch_80.indb 160 01.03.19 12: 09 161 Mitteilungen Autorinnen und Autoren dieser Nummer Rafael Arnold, Prof.Dr., Universität Rostock Marco Bianchi, Dott., Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Nicola Brocca, Heidelberg School of Education Maria-Elena Cantarella, Universität Konstanz Ludwig Fesenmeier, Prof.Dr., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Marc Föcking, Prof.Dr., Universität Hamburg Frank-Rutger-Hausmann, Prof.Dr., Ihringen-Wasenweiler Hinrich Hudde, Prof.Dr., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Caroline Lüderssen, PD Dr., Goethe-Universität Frankfurt am Main Christoph Mayer, PD Dr., Technische Universität Dresden Laura Melara-Dürbeck, Dott.ssa, Frankfurt am Main Anna Maria Micheli-Kiel, Dott.ssa, Frankfurt am Main Christoff Neumeister, Prof.Dr., Goethe-Universität Frankfurt am Main Gianluca Olcese, Dott., Universität Wroclaw Christine Ott, Prof.Dr., Goethe-Universität Frankfurt am Main Rosella Postorino, Roma Daniela Pietrini, Prof.Dr., Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Cora Rok, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Philip Stockbrugger, Dott., Goethe-Universität Frankfurt am Main Christoph Söding, Dr., Humboldt-Universität Berlin Ursula Winter, Dr., Eichstätt Italienisch_80.indb 161 01.03.19 12: 09 Italienisch Zeitschrift für italienische Sprache und Literatur 40. Jahrgang - 2018/ 2 Verbandsorgan des Deutschen Italianistenverbandes e.V. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V., Frankfurt am Main Gefördert von der Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien Begründet von Arno Euler † und Salvatore A. Sanna † Herausgeber Ludwig Fesenmeier, Marc Föcking, Thomas Krefeld, Christine Ott (Anschrift s. Redaktion) Wissenschaftlicher Beirat Martin Becker (Köln), Domenica Elisa Cicala (Eichstätt), Sarah Dessì Schmid (Tübingen), Frank-Rutger Hausmann (Freiburg), Gudrun Held (Salzburg), Hinrich Hudde (Erlangen-Nürnberg), Peter Ihring (Frankfurt am Main), Antje Lobin (Mainz), Florian Mehltretter (München), Sabine E. Paffenholz (Koblenz/ Boppard), Edgar Radtke (Heidelberg), Michael Schwarze (Konstanz), Isabella von Treskow (Regensburg), Winfried Wehle (Eichstätt), Hermann H. Wetzel (Passau) Redaktion Caroline Lüderssen (v.i.S.d.P.), Marina Rotondo Verlag für deutsch-italienische Studien, Arndtstraße 12, 60325 Frankfurt am Main Tel.: 069/ 746752, Fax: 069/ 7411453, eMail: italienisch@div-web.de www.div-web.de und www.italianistenverband.de Verlag Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Anzeigenmarketing Rebekka Kochner, Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, kochner@narr.de, Tel.: 07071/ 9797-26 Satz: fotosatz griesheim GmbH, Oberndorfer Straße 70, D-64347 Griesheim Printed in Germany Erscheinungstermine: Frühjahr und Herbst Bezugspreise € 24,00 jährlich, für Privatpersonen € 17,00 jährlich. Einzelheft € 14,00. Alle Preise inkl. MWST und zzgl. Versandkosten. Die Mindestabodauer beträgt ein Jahr. Eine Kündigung ist schriftlich bis 4 Wochen nach Erscheinen des letzten Heftes innerhalb des aktuellen Berechnungszeitraums möglich. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung (auch in elektronischer Form) bedarf der Genehmigung des Verlags, Anschrift s. oben. Manuskripteinsendungen und Besprechungsexemplare bitten wir an die Redaktion Italienisch zu richten, Anschrift s. oben. ISSN 0171-4996 Stauffenburg Verlag GmbH Postfach 25 25 D-72015 Tübingen www.stauffenburg.de ZIBALDONE Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart Herausgegeben von Thomas Bremer und Daniel Winkler ZIBALDONE ist ein Forum für kritische Debatten mit Streifzügen ins Kulinarische, Historische und Künstlerische. Eine Zeitschrift, die Heft für Heft überraschende Perspektiven wagt. Geschrieben von Schriftstellern, Journalisten, Wissenschaftlern, fotografiert, gezeichnet und illustriert für alle, die nie genug haben können von ITALIEN. ZIBALDONE erscheint zweimal jährlich à ca. 160 Seiten. Heft 66 / Herbst 2018 Matera und die Basilikata ISBN 978-3-95809-709-4 Aus dem Inhalt: Marina Rotolo: Zwischen lokaler Aneignung und internationaler Vision. Matera 2019 Kulturhauptstadt Europas Jennifer Bleek: Architektur ohne Architekten. Überlegungen zum Wesen vernakulärer Architektur am Beispiel der Sassi di Matera Mariaelena Bonomo: Die Basilikata im frühen 20. Jahrhundert. Die lukanische Gesellschaft zwischen materieller Armut und Befreiungsstreben Anne Bruch: Matera als filmisches Negativ für den Neuanfang der Republik Italien in den staatlichen Informationsfilmen nach 1948 Janek Scholz: Vom filmischen Reiz lukanischer Mikrogeschichten. Interview mit dem Regisseur und Produzenten Giovanni Rosa Xenia Riemann-Tyroller: Design und Süditalien. Der Mezzogiorno als Gegenort des Industrial Designs Giuseppe Andrea Liberti: Beim Durchqueren von Metaponte. Zur Lyrik von Albino Pierro Angela Alliegro: Die Magie der Stille in der lukanischen Gegenwartsliteratur Pamela Goryczka: Basilikata oder Lukanien? Namensgebung und Identität einer süditalienischen Region Agnes Henning / Thomas Martin: Die Basilikata in der Antike. Ein deutsches Forschungsprojekt in der Provinz Matera Entdecken Sie Matera - Kulturhauptstadt Europas 2019! 80__Umschlag.indd 2 01.03.19 09: 52 Italienisch 80 2018 Italienisch ISSN 0171-4996 Herbst 2018 80 Zeitschrift für italienische Sprache und Literatur 11,2mm Aus dem Inhalt A colloquio con Rosella Postorino Christine Ott Michelangelos Handschuh Zur Überlagerung heterogener Subjektentwürfe und literarischer Codes in D’altrui pietoso Marc Föcking Il principe e le stelle Tomasi di Lampedusas Il Gattopardo und die Astronomie Philip Stockbrugger Da Gli occhiali d’oro di Giorgio Bassani a Puttaneggiar coi regi di Gianfranco Rossi. Storie di esclusi nella Ferrara del Ventennio Ursula Winter Die Hölle up to date Aktualisierungen von Dantes Inferno im Comic Sprachecke Italienisch Un italiano «a stelle… e cuori»: spunti di riflessione su alcune neoformazioni dell’italiano contemporaneo (Daniela Pietrini) FRANKFURTER STIFTUNG FÜR DEUTSCH ITALIENISCHE S T U D I E N D-69051 Heidelberg · Postfach 10 61 40 · Tel. (49) 62 21/ 77 02 60 · Fax (49) 62 21/ 77 02 69 Mehr Information unter www.winter-verlag.de · E-mail: info@winter-verlag.de Universitätsverlag w i n t e r Heidelberg Die Bilder des Canzoniere Palatino, der als einzige der drei großen Liedersammlungen der frühen italienischen Lyrik mit Miniaturen versehen ist, sind bisher überwiegend als Illustrationen der jeweiligen Texte gedeutet worden. Eine sorgfältige ikonographisch-ikonologische Analyse ergibt jedoch, dass fast drei Viertel der dargestellten Szenen keinen prägnanten Textbezug haben, vielmehr durch ihre Figuren, deren Positionierung und Gebärden performativ auf die höfische Vortragssituation verweisen: auf Auftritt oder Abgang, auf mögliche theatralische Gestaltung, auf die allgemeine Befähigung zu conversatio bzw. piacevolezza. Mehrheitlich geht es um mustergültiges Verhalten beim Vortrag. Das lässt an einen Einfluss des auf Verhaltenslehren spezialisierten Francesco da Barberino auf das Bildprogramm denken, der auch in den beiden großen Bildern eines Amorhofs und einer lyrischen Huldigungsszene durchscheint. Der Canzoniere Palatino wäre somit eine Art bildliches „speculum curialitatis“. schulze, joachim Die Bilder zum italienischen Minnesang im Canzoniere Palatino Herausgegeben von elisabeth schulze-witzenrath 2018. 90 Seiten, 41 farbige Abbildungen. (Schriften und Vorträge des Petrarca-Instituts, Dritte Folge, Band 1) Geb. € 28,- isbn 978-3-8253-6855-5 Romanistik Kunstgeschichte Mediävistik 80__Umschlag.indd 1 01.03.19 09: 52
