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Italienisch
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2020
4284 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott
Italienisch ISSN 0171-4996 Herbst 2020 84 Zeitschrift für italienische Sprache und Literatur FRANKFURTER STIFTUNG FÜR DEUTSCH ITALIENISCHE S T U D I E N Aus dem Inhalt «La Sicilia sono tante». Immacolata Amodeo im Gespräch mit Andreas Rossmann Peter Ihring Decameron - Dekameron. Boccaccios Weltbuch im Spiegel deutscher Übersetzung Biblioteca poetica Torquato Tasso, Rime, Nr. 31: Affektpoetik zwischen ‘amor aspro’ und «aure amorose» (Angela Oster) Zur Praxis des Italienischunterrichts Marco Mezzadri Didattica della lingua italiana e tecnologie: un dialogo a misura di cervello Sprachecke Italienisch L’italiano ai tempi del coronavirus: una prima ricognizione discorsivo-lessicale (Daniela Pietrini) Inhalt Editorial: Dante und wir (Christine Ott) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 «La Sicilia sono tante». Immacolata Amodeo im Gespräch mit Andreas Rossmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Beiträge zu Literatur, Linguistik und Landeskunde Peter Ihring, Decameron - Dekameron Boccaccios Weltbuch im Spiegel deutscher Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Nicola Di Nino, Attesa e Rivelazione Simone Weil e Cristina Campo . . . . . . . . . . 43 Alice Favaro, Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni . . . 62 Biblioteca poetica Torquato Tasso, Rime, Nr 31: Affektpoetik zwischen ‘amor aspro’ und «aure amorose» (Angela Oster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Zur Biblioteca poetica von Marc Föcking, Eugenio Montale: Il ramarro, se scocca, in Italienisch Nr 82/ Herbst 2019 (Hermann H Wetzel) . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Zur Praxis des Italienischunterrichts Marco Mezzadri, Didattica della lingua italiana e tecnologie: un dialogo a misura di cervello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Roland Ißler, Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Umberto Ecos Gnomi di Gnù als conte philosophique des 20 Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Sprachecke Italienisch L’italiano ai tempi del coronavirus: una prima ricognizione discorsivo-lessicale (Daniela Pietrini) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Buchbesprechungen Helmut Meter: Erzählen und implizite Anthropologie (Peter Ihring) . . . . . . . . . . . . 139 Maria Lieber/ Daniela Gianaroli (Hrsg .): Carteggi con Lazzari … Luzán (Christoph Oliver Mayer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Rezensionen Gianluca Cinelli: Il paese dimenticato. Nuto Revelli e la crisi dell’Italia contadina (Patrizia Piredda) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Paolo di Paolo: Fast nur eine Liebesgeschichte (Caroline Lüderssen) . . . . . . . . . . . . 151 Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 84_00I-001_Vorsatz.indd 1 13.11.20 16: 15 Vorschau Italienisch Nr. 85 / Frühjahr 2020 Schwerpunkt: «Intrecci di fiori e di allori» Dialoghi italo-tedeschi su letteratura e linguistica / «Lorbeer-Blumen» Deutsch-italienische Dialoge zu Literatur- und Sprachwissenschaft» Hrsg von Christian Rivoletti und Ludwig Fesenmeier Die Qualität der Aufsätze in der Zeitschrift «Italienisch» wird durch ein double-blind-peer-review-Verfahren gewährleistet Italienisch_84.indb 2 13.11.20 09: 38 1 Dante und wir 700 Jahre wird es im kommenden Jahr 2021 her sein, dass ein Autor namens Dante Alighieri in Ravenna starb - und überall auf der Welt laufen die Vorbereitungen zum Gedenken dieses Tages auf Hochtouren Bereits 2016, also ein Jahr, nachdem man den 750 Geburtstag Dantes gefeiert hatte, wurde an der Universität Pisa eine Initiative mit dem Titel Dante e noi (Dant&noi) gestartet, die bis 2021 Veranstaltungen zu Dante koordiniert und dafür einen eigenen Kalender eingerichtet hat Die Präsenz Dantes nicht nur in der akademischen Welt, sondern in den Medien und der Popkultur ist, Jahrestag hin oder her, bemerkenswert Alighieris Werk mag viel weniger oft verfilmt worden sein als das Shakespeares, aber dafür gibt es meines Wissens kein Videospiel, in dem ein ‘Shakespeare’ als Protagonist aufträte Gewiss hat Dante’s Inferno bis auf die Figur Beatrices und das Höllenszenario nur sehr wenig mit der Göttlichen Komödie gemein . Aber gerade das ist das Erstaunliche und Einzigartige an der Dante-Rezeption: dass sich für Dante nicht nur Menschen begeistern, die durch Schule und Universität an sein Werk herangeführt wurden, dass sich auf ‘Dante’ und seine Titel auch Rockbands, Romanciers und Modeschöpferinnen berufen Warum ausgerechnet auf Dante? Es ist sicherlich der polyvalente Begriff des Inferno, der, gepaart mit der klischeehaften Vorstellung eines finsteren Mittelalters, weiterhin für den Erfolg Dantes in der Popkultur sorgt Man mag beklagen, dass das Prädikat ‘Dante’ dann oft nur der Herstellung einer prestigebehafteten, aber vagen Referenz dient - so wie es oft als leeres Gütesiegel benutzt wird, wenn es darum geht, den literarischen Wert neuer Publikationen anzupreisen . Aber wissen wir, die Hüter*innen der akademischen Dante-Portale, es denn viel besser? Viel mehr, als dass es in Florenz um 1300 einen Dante Alighieri gab, der mit einer Gemma Donati verheiratet war, lässt sich anhand historischer Dokumente nämlich nicht belegen Der Romanist Frank-Rutger Hausmann hat das auf die prägnante Formel gebracht: «Alles, was wir von Dante wissen, wissen wir von Dante» - nämlich aus seinem fiktionalen Werk Was also macht Dante heute noch so populär? Dantes Jenseitsepos will eine ganze, in sich kohärente Ordnung beschreiben - eine Ordnung, in der alles vorherbestimmt ist und jeder seinen Platz hat . Wir haben uns dagegen daran gewöhnt, die Welt als etwas wahrzunehmen, das nicht nur von unterschiedlichen religiösen, kulturellen, wissenschaftlichen, historischen Gemeinschaften konstruiert wird, sondern auch von Individuen verschieden wahrgenommen wird . Ist es dann nicht eher die Faszination des ganz Anderen, die von Dantes Werk ausgeht, als etwas ‘Aktuelles’? Andererseits: blickt man kritisch auf Dantes Weltgebäude, dann zeigen sich in ihm Risse . Warum wurde der Heide Vergil dem Limbus zugewiesen, während der Heide Trajan ins Paradies durfte? Will Dante mit der Darstellung einer Jenseitsordnung, deren scheinbar so klares Regelsystem immer wieder auch Ausnahmen zulässt, Zweifel an der göttlichen Gerechtigkeit aufkommen lassen? Oder sind diese Ausnahmen einfach das Zeichen dafür, dass in Dantes Jenseits letztlich die Willkür des Autors entscheidet? Zwar inszeniert sich Dante durchaus als göttlich inspirierter Autor, doch der Erzähler der Commedia lässt uns gleichzeitig wissen, dass seine Erzählung nur eine annähernde, in menschliche Sprache übersetzte Wiedergabe des im Jenseits Geschauten ist Wenn es so wäre, dann wäre die Commedia als notwendig unvollkommener Versuch der sinnhaften Rekonstruktion eines Geschauten, das das menschliche Fassungsvermögen übersteigt, unserem heutigen Weltbild doch nicht so fern Auch Dantes Selbstinszenierung als Autor und als Protagonist seiner Werke, für seine Epoche unerhört neu, erscheint überaus aktuell und bis heute faszinierend In der Commedia inszeniert er sich teils als mittelmäßigen Helden, teils als genialen Dichter . Er stellt sich als einen Menschen dar, der in eine tiefe Sinnkrise geraten ist, aus der er sich nicht durch eigene Kraft befreien kann Väterliche und mütterliche Figuren begleiten ihn auf einem Selbstfindungstrip, durch den er erfährt, was der Mensch im Schlechten und im Guten aus sich machen kann Vielleicht ist es auch dieser Hang zur Selbstinszenierung und in gewisser Weise zur Selbstvermarktung, der ihn uns heute in diesem Sinn als aktuell erscheinen lässt Schließlich ist die Commedia weniger als episches denn als lyrisches Werk zeitlos, weil zeitlos aktualisierbar Verse wie Nel mezzo del cammin di nostra vita, Dolce color d’orïental zaffiro oder Ahi serva Italia, di dolore ostello prägen sich dem Gedächtnis ein und lassen sich auf unterschiedliche Situationen übertragen Ebenso wie die Einzelschicksale der Jenseitsbewohner aus der anonymen Jenseitsordnung heraustreten und lebendig werden, wenn wir in ihren Geschichten etwas von uns selbst wiedererkennen, entfalten einzelne Verse, wie Prousts japanische Papierblumen, ihre Wirkung, sobald wir ihnen Wasser geben, in dem sie schwimmen können Dante e noi - Was wäre Dante nur ohne uns? Christine Ott DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 020 Italienisch_84.indb 1 13.11.20 09: 38 2 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 021 «La Sicilia sono tante» Immacolata Amodeo im Gespräch mit Andreas Rossmann Zwei große sizilianische Schriftsteller wurden vor 100 Jahren geboren: Gesualdo Bufalino am 15 November 1920 in Comiso (Ragusa), Leonardo Sciascia am 8. Januar 1921 in Racalmuto (Agrigent). Anlass für ein Gespräch, das Immacolata Amodeo mit Andreas Rossmann führte In seinem Buch Mit dem Rücken zum Meer. Ein sizilianisches Tagebuch, das mit Fotografien von Barbara Klemm im Verlag der Buchhandlung Walther König (Köln 2017) erschienen ist, erkundet er die Insel Eine Lektüre für Sizilienliebhaber und Sizilienentdecker Andreas Rossmann, geboren 1952 in Karlsruhe, studierte Anglistik, Germanistik und Philosophie in Heidelberg, London und Norwich, war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin und von 1986 bis 2017 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, für die er als Kulturkorrespondent aus Nordrhein-Westfalen berichtete Nunmehr schreibt er vor allem über Italien I.A. Immacolata Amodeo Herr Rossmann, Sie haben mehr als 30 Jahre als Kulturkorrespondent für die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Nordrhein-Westfalen berichtet Woher rührt Ihr Interesse an Sizilien? Andreas Rossmann Am Anfang stand, ganz unspektakulär, im Juli 2007 die Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Photographie, dass sie den Dr .-Erich-Salomon- Preis an Letizia Battaglia vergeben würde, die vor allem durch ihre Mafia- Fotos bekannt geworden ist Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Köln, ich bekam die Nachricht auf den Schirm, machte eine Meldung von 30 Zeilen und schickte sie an die Redaktion nach Frankfurt Die diensthabende Kollegin meinte, dass wir dazu etwas Größeres haben sollten, woraufhin ich ihr - halb im Scherz - sagte, ich hätte nichts dagegen, nach Sizilien zu fliegen und ein Porträt zu schreiben, das dann zur Preisverleihung (Ende September im Rahmen einer Ausstellung im Ernst-Bloch-Zentrum der Stadt Ludwigshafen am Rhein) erscheinen könnte Der Vorschlag wurde angenommen, und ich war vier Tage in Palermo Die Stadt hat mich vom ersten Moment an fasziniert Italienisch_84.indb 2 13.11.20 09: 38 3 «La Sicilia sono tante» Amodeo Sizilien kannten Sie noch nicht? Rossmann Ich kannte Italien, aber nur bis Rom, einmal war ich auch in Apulien gewesen Zwischen der Mitteilung, dass Letizia Battaglia den Preis bekommt, und der Veranstaltung in Ludwigshafen, lag das Massaker der ’Ndrangheta am 15 August 2007 im Restaurant Da Bruno in Duisburg Und plötzlich war das Thema Mafia in Deutschland sehr präsent Ich bin 2008 wieder nach Sizilien gereist 2009 noch einmal Und von 2013 an jedes Jahr Jedes Mal hatte ich, wenn ich nach drei Wochen wieder im Flughafen Palermo Falcone e Borsellino stand, das Gefühl, ich hätte noch nicht alles gesehen und müsste noch einmal hin Amodeo Das hat eine Neugierde bei Ihnen produziert und eine Serie von Reisen, um Sizilien zu erforschen… Rossmann …erforschen ist vielleicht zu viel gesagt, aber zu erkunden, auch abseits der ausgetrampelten Pfade und bekannten Sehenswürdigkeiten, Um- und Nebenwege zu nehmen Die Absicht, ein Buch zu schreiben, hatte ich zunächst gar nicht Amodeo Ist das Buch so entstanden, dass Sie sich während der Reisen Notizen gemacht haben? Rossmann Erst 2013 habe ich angefangen, abends aufzuschreiben, was ich erlebt hatte und aufheben wollte: Alltagsgeschichten, Zufallsbegegnungen, Schlag- und Streiflichter Zu Hause habe ich die Notizen überarbeitet, ergänzt, gekürzt, ausgefeilt Ein paar Episoden sind im Feuilleton und im Reiseblatt der F.A.Z. erschienen Aber ich hatte immer den Eindruck, zwischen den Genres zu hängen: Für die Zeitung ist es zu lang, für ein Buch zu wenig Als ich dann Italienisch_84.indb 3 13.11.20 09: 38 4 «La Sicilia sono tante» von Barbara Klemm, mit der ich 2012 ein Buch über das Ruhrgebiet gemacht hatte, hörte, dass sie zweimal, 1996 und 2004, in Sizilien gewesen war und Fotos, die meisten noch unveröffentlicht, hatte, war das eine Vorlage Amodeo Ihr Buch heißt Mit dem Rücken zum Meer Das lädt zu Assoziationen ein Interessieren sich die Sizilianer nicht so sehr für das Meer, oder wie verstehen Sie diesen Titel? Rossmann Der Titel bezieht sich auf Leonardo Sciascia, der in seinem Rapporto sulle coste siciliane (1970) schreibt, dass die Insel in ihrem Leben ganz nach innen gewandt zu sein scheint, darauf bedacht, sich dem Meer zu entziehen Das Meer sei «Siziliens immerwährende Unsicherheit, sein launisches Schicksal», und viele Sprichwörter belegten es: «Lu mari è amaru» (Das Meer ist bitter) oder «Cui pò jiri pri terra, nun vaja pri mari» (Wer über Land gehen kann, der fahre nicht übers Meer) Sciascia erwähnt auch den Roman I Malavoglia von Giovanni Verga, der «von der bedrohlichen Wut des Meeres gegen die eitlen Hoffnungen der Menschen» erzählt «Bitteres und böses Meer, Leben und Tod für den Seemann» sagt dort Patron ’Ntoni Aus dem Zusammenhang gelöst, lässt sich der Titel als Metapher für einen Blick auf Sizilien nehmen, der sich nicht nur auf die bekannte, dem Meer zugewandte Seite richtet, sondern auch auf das, was dahinter, im Schatten, liegt Amodeo Im Titel steckt auch die Frage nach Veränderung, ob man Einflüsse von außen aufnimmt, diesen offen gegenübersteht oder sich eher verschließt Es gibt dieses Diktum in dem Roman Il Gattopardo von Giuseppe Tomasi di Lampedusa: «Se vogliamo che tutto rimanga come è, bisogna che tutto cambi .» Das klingt vielleicht etwas pathetisch… Rossmann …auch enigmatisch, widersprüchlich Man bezieht es erst einmal auf die historische Umbruchsituation, die Tomasi di Lampedusa beschreibt, und die Frage, ob Don Fabrizio, indem sein Neffe die Tochter eines neureichen Emporkömmlings heiratet, seine aristokratische Lebensweise fortführen kann; aber man reflektiert es auch als Sprichwort, in seiner Übertragbarkeit Italienisch_84.indb 4 13.11.20 09: 38 5 «La Sicilia sono tante» Amodeo Sehen Sie in Sizilien heute eher Stillstand oder, dass Veränderungen stattfinden? Rossmann Die Frage hat viele Autoren beschäftigt, Pirandello, Sciascia, Bufalino Dieser nennt Sizilien «la terra degli eccessi» und zitiert Giuseppe Antonio Borgese, den Mann von Elisabeth Mann Borgese, der 1933 schrieb: «Eine Insel, die nicht Insel genug ist: In diesem Widerspruch ist das historische Thema Siziliens enthalten, sein Lebenssaft…» Und er erinnert an Pirandello, der elf Jahre zuvor anlässlich des Todes von Verga ein Übermaß an Inselbewusstsein bei den Sizilianern konstatierte, weil das Meer sie isoliere, abschneide und einsam mache - In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan, mit der Wahl von Leoluca Orlando zum Bürgermeister begann 1985 die ‘Primavera di Palermo’, vorausgegangen waren städtebauliche Sünden, Abrissorgien und Immobilienspekulationen sowie der ‘zweite Mafiakrieg’, in dem sich die Corleonesi an die Spitze der Cosa Nostra gekämpft hatten Bis zu den Attentaten auf Falcone und Borsellino 1992 blieb Palermo eine Stadt der Gewalt, seitdem wächst der Widerstand gegen das organisierte Verbrechen; 2004 trat die Initiative Addio Pizzo auf den Plan, die überall in der Stadt Aufkleber mit der Aufschrift «Un intero popolo che paga il pizzo è un popolo senza dignità» plakatierte, eine zivilbürgerliche Initiative, die auf andere Städte und Regionen übergesprungen ist Die Mafia ist ja schon lange kein Phänomen allein des Südens mehr, Rom wurde ‘Mafia Capitale’, und im Norden wird nicht mehr nur die Bauindustrie von der Mafia kontrolliert, die sich seit dem Fall der Berliner Mauer in ganz Europa breitmacht Gerade Deutschland ist für die Mafia ein lukratives Rückzugsgebiet, in dem auch die - politisch umstrittenen - Möglichkeiten von Telefonüberwachung und Konteneinsicht restriktiver sind und sie insgesamt unterschätzt wird Ein wichtiger Unterschied liegt darin, dass in Sizilien, in Süditalien insgesamt - das verkennt man von Deutschland aus - die Polizei und die Staatsanwaltschaft viel entschiedener ermitteln und deshalb genauer und besser über die illegalen Geschäfte und Verbrechen Bescheid wissen als ihre Kollegen hier Das führt zu dem Widerspruch, dass man viel über die Aktivitäten der Mafia in Italien erfährt und das in eins setzt mit der Vorstellung, dass dort die Mafia alles beherrsche, während man hier bequem und sorglos die Augen verschließt Italienisch_84.indb 5 13.11.20 09: 38 6 «La Sicilia sono tante» Amodeo Was Sie berichten und wofür Sie Beispiele im Buch bringen, ist nicht sehr bekannt: Die gründliche Arbeit der Polizei und der Staatsanwälte in Süditalien Rossmann Addio Pizzo verteilt in Palermo Stadtpläne mit einer Liste der Geschäfte, Restaurants, Bars, Autovermietungen, Apotheken, Handwerker, auch Freiberufler wie Ärzte und Architekten, die kein Schutzgeld zahlen und sich dazu bekennen Diese Initiative wird auch von der Deutschen Botschaft in Rom gefördert Der ‘kritische’, halbwegs bewusste Tourist muss sich, wenn er nach Sizilien fährt, fragen, was er mit der Mafia zu tun hat Einerseits kann er sicher sein, dass er nicht direkt von ihr behelligt wird, denn die Mafia hat ein Interesse daran, dass die Wirtschaft floriert Andererseits kann er sich ausrechnen, dass er, wenn er einen Kaffee trinkt oder ein Paar Schuhe kauft, den pizzo mitbezahlt, also die Mafia indirekt unterstützt Das Problem ist nicht, dass Sizilien auch mit der Mafia, sondern dass es allein und als erstes mit der Mafia identifiziert wird Natürlich gibt es die Mafia Aber das ist nicht alles Amodeo Gesualdo Bufalino hat geschrieben: «la Sicilia sono tante»; er hat den Ausdruck «l’isola plurale» geprägt Rossmann Eines seiner Bücher, das er mit Nunzio Zago veröffentlicht hat, heißt Cento Sicilie: Testimonianze per un ritratto (1993) Sizilien hat viele Gesichter, viele Farben: «Vi è la Sicilia verde del carrube, quella bianca delle saline, quella gialla dello zolfo, quella bionda del miele, quella purpurea della lava…» Und viele Kulturen: der barocke Südosten, wo nach dem Erdbeben 1693 Städte neu aufgebaut wurden, der arabisch geprägte Westen und die große griechische Präsenz, viele Schichtungen und Einflüsse, auch der Phönizier, Römer, Normannen, Spanier Diese kulturelle Vielfalt bildet sich auch im Essen ab, etwa im Couscous oder in der Cassata, die den Arabern zu verdanken sind Italienisch_84.indb 6 13.11.20 09: 38 7 «La Sicilia sono tante» Amodeo Sciascia spricht von «la Sicilia come metafora» Man könnte sagen, dass Sizilien eine Art Labor ist, ein Ort, wo sich viel von dem, was uns gerade in der Globalisierung beschäftigt - etwa die Frage des Umgangs mit unterschiedlichen Einflüssen, mit Einwanderung - schon seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden abspielt Rossmann Von Deutschland aus wird Sizilien immer als Auswanderungsregion gesehen Aber es ist, und das hat mich überrascht, auch eine starke Einwanderungsregion Ich meine damit nicht die Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen und von denen die meisten ja nicht in Sizilien bleiben, oder die deutschen Rentner, die es auch gibt, sondern Menschen aus den Maghreb-Staaten, aus Polen, Rumänien, Bulgarien Amodeo Was machen die in Sizilien? Rossmann Sie arbeiten auf dem Bau und in Autowerkstätten, als Altenpfleger und Erntehelfer Es gibt auch viele Einwanderer aus Sri Lanka, aus Indien, aus China Ich habe einen alten Inder getroffen, der nur rudimentär Italienisch sprach Er stand bis spätabends an einer Tankstelle in Bagheria, ohne dort beschäftigt zu sein Er hat angeboten, den Tank zu füllen, die Scheiben zu wischen oder Geld für den Automaten zu wechseln Er hat dafür nichts verlangt, das durfte er nicht, aber ist davon ausgegangen, dass er etwas zugesteckt bekommt Davon hat er gelebt Seine Kinder sind in Sizilien aufgewachsen und studieren Amodeo Kreativ Rossmann Soziale Phantasie, wie sie auch der selbsternannte Parkwächter, ein Einwanderer aus dem Maghreb, entwickelt, der auf dem leeren Feld vor einem Italienisch_84.indb 7 13.11.20 09: 38 8 «La Sicilia sono tante» Restaurant am Ortsrand die anrollenden Autos einweist, obwohl alles frei ist und es gar nichts einzuweisen gibt Und die Hand aufmacht Amodeo Zugleich ist Sizilien weiter eine Auswanderungsregion Rossmann Sizilien ist beides Was sich geändert hat, ist, dass es nicht mehr der Mittelpunkt der Welt, das Zentrum des Mittelmeers, ist, und deshalb nicht mehr umworben und umkämpft wird Heute liegt es am Rand Europas Das hat die Wahrnehmung verschoben, von außen, aber auch von innen Auch darüber schreibt Bufalino in La terra degli eccessi: Dass er als Junge gerne ein Experiment mit der Europakarte machte, indem er sie umdrehte und jedes Land mit den Augen eines skandinavischen oder isländischen Schülers betrachtete und so seinen Verdacht erhärten konnte, «dass jeder Norden der Süden eines anderen Landes ist, dass es genügt, einen Atlas auf den Kopf zu stellen, um aus jedem Süden einen Norden zu machen» Die Umkehrung der Perspektive hat schon Goethe gereizt: «Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele, hier ist erst der Schlüssel zu allem .» Amodeo Das ist rätselhaft Rossmann Es könnte heißen: Wer nicht in Sizilien war, kann Italien nicht verstehen Die Vorstellung, wie wir Italien wahrnehmen würden, wenn wir nicht in Como oder über den Brenner, sondern in Marsala oder Catania einreisen würden, kann unser Italien-Bild ganz schön durcheinanderbringen Amodeo Eine anregende Vorstellung… Rossmann …und alles andere als abwegig: In Marsala begann die Befreiung Italiens, hier landete Garibaldi 1860; Ende des 18 Jahrhunderts ließ sich John Italienisch_84.indb 8 13.11.20 09: 38 9 «La Sicilia sono tante» Woodhouse aus Liverpool hier nieder, nachdem er den Marsala-Wein entdeckt hatte; um 1820 folgte die Familie Whitaker aus Yorkshire, deren Sohn Joseph, Archäologe und Ornithologe, im Jahr 1900 zu den Gründungsmitgliedern der US Palermo gehörte; in der Nähe von Lilybaeum, dem sie den Namen ‘Marsa allah’, Hafen Gottes, gaben, sind die Araber 827 an Land gegangen, um von hier aus die Insel zu erobern Mit der Landung der Amerikaner nicht in Marsala, sondern an der Südküste begann im Juli 1943 die ‘Operation Husky’, die das Ende des Zweiten Weltkriegs einläutete Amodeo Ich habe immer gedacht, dass Goethe in der Italienischen Reise eine ambivalente Haltung hat Er ist einerseits fasziniert von Sizilien, aber auch kritisch Er beschreibt auch den Schmutz… Rossmann …und den Müll auf den Straßen, als wäre es heute Amodeo Das Chaos und dann die Monster in der Villa Palagonia in Bagheria, die er als «Spitzruten des Wahnsinns» bezeichnet, die ihm ein bisschen Angst machen und so gar nicht seinem ästhetischen Ideal entsprechen Diese Ambivalenz kennzeichnet die Italienwahrnehmung der Deutschen: zwischen Idealisierung und Abwertung Bufalino wirft Goethe vor, dass er Sizilien nicht wirklich verstanden hat Rossmann Auch Goethe war ein Kind seiner Zeit, für den Dom von Monreale etwa hatte er nichts übrig, dessen Großartigkeit wurde erst im Laufe des 19 Jahrhunderts ‘wiederentdeckt’; er begeisterte sich für die antiken Denkmäler und schwärmte von Flora und Fauna Aber nochmal zu den Monstern in Bagheria: Die hätten Goethe auch woanders mit Abscheu erfüllt Dennoch ist es ein Muster der deutschen Italienwahrnehmung, und das gilt auch, ja besonders für Sizilien, dass das große kulturelle Erbe hohe Wertschätzung erfährt und häufig idealisiert wird, während die Gegenwart als klein und schmutzig abgetan wird und wenig Beachtung findet Italienisch_84.indb 9 13.11.20 09: 38 10 «La Sicilia sono tante» Amodeo Sie tragen mit Ihrem Buch dazu bei, dieses Missverhältnis aufzubrechen Etwa mit der Episode über Ihren Aufenthalt im Krankenhaus von Trapani, wo die besten Geräte vorhanden sind und alles super funktioniert Es gibt schon Dinge, die funktionieren, oder? Rossmann Wenn ein Deutscher diese Frage stellt, bestätigt sie das Vorurteil; wenn ein Italiener diese Frage stellt, muss sie rhetorisch gemeint sein! Vielleicht hört sich die Geschichte über den Krankenhausaufenthalt deshalb so unglaublich an, weil meine Vorurteile so groß waren Amodeo Das hat Sie überrascht? Rossmann Ja, doch! An Vorurteilen ist ja meistens auch etwas dran Das Problem ist, wenn sie sich verfestigen Das gilt auch für die Klischees über Neapel oder Kalabrien Unser Vor-Urteil ist so stark, dass es sich über die Wirklichkeit legt und sie verdeckt Amodeo Auf den ersten Seiten erwähnen Sie die Geschichte der Auswanderung Der Mitreisende kehrt zurück von einem Besuch bei seinen Kindern in Deutschland, und ein paar Seiten weiter kommen die Migranten vor, die in Sizilien gelandet sind, die Boat People, die chinesischen Händler Sie skizzieren mit den unterschiedlichen widersprüchlichen, widerstreitenden Elementen ein Tableau Rossmann Es gibt auch junge Leute, Mitte bis Ende 30, Kinder von ‘Gastarbeitern’, die nach Sizilien zurückkehren Italienisch_84.indb 10 13.11.20 09: 38 11 «La Sicilia sono tante» Amodeo Und was machen sie dann in Sizilien? Rossmann Ich habe dazu keine amtliche Statistik, aber ich bin häufig Menschen begegnet, die in Deutschland aufgewachsen sind, hier gearbeitet haben, nach Sizilien zurückgekehrt sind, sich selbstständig gemacht, oft ein Restaurant, ein B & B oder ein Hotel eröffnet haben Amodeo Andererseits gibt es viele studierte Süditaliener, die auswandern, die ‘fuga di cervelli’, Akademiker, die versuchen, irgendwo Fuß zu fassen Das ist ein Riesenproblem Ich finde es wichtig, dass diese gut ausgebildete, junge Generation nicht komplett von dort verschwindet, sie wird gebraucht, um etwas Neues aufzubauen Es gab schon immer die Tendenz, dass süditalienische Familien in die Bildung ihrer Kinder investieren, diese aber nicht zurückkehren Das hat sich noch verstärkt Rossmann Der Überschuss an gut ausgebildeten jungen Leuten ist hoch Die Universitäten in Palermo und Catania haben einen guten Ruf, Sizilien kann aber nicht alle Absolventen auffangen und abnehmen Also gehen sie nach Norditalien oder ins Ausland Das ist eine Einbahnstraße Wer es schafft, zurückzukehren, kommt damit in die Zeitung wie etwa eine Juristin, die vorher in Trient oder Treviso gearbeitet hat und regelrecht gefeiert wird, weil sie einen Job in Catania gefunden hat Eine relativ junge Initiative ist das ‘Movimento delle valigie di cartone’, die Bewegung der Pappkoffer, die mehr von den Eltern der Studenten als von diesen selbst ausgeht und gegen die Auswanderung ihrer Kinder protestiert «Si resti, arrinesci! » steht auf ihren Transparenten, die im Anklang an das sizilianische Sprichwort «Cu nesci, arresci» - wörtlich: «Wer weggeht, kommt voran» - dessen Botschaft umkehren: «Wenn Du bleibst, kommst Du voran » Das ist leider Wunschdenken Amodeo Sie erwähnen in Ihrem Buch viele Schriftsteller, überwiegend aus dem 20 Jahrhundert Neben denen, die wir schon genannt haben, Elio Vittorini, Italienisch_84.indb 11 13.11.20 09: 38 12 «La Sicilia sono tante» Vincenzo Consolo, Andrea Camilleri, Simonetta Agnello-Hornby, Roberto Alajmo sowie den Maler Renato Guttuso Mein Eindruck ist, dass die meisten in Deutschland nicht sehr bekannt sind, obwohl mit Quasimodo und Pirandello zwei Nobelpreisträger darunter sind Und Guttuso, den ich sehr schätze, kennt, obwohl im Kölner Museum Ludwig, wie Sie schreiben, mit Caffè Greco eines seiner Hauptwerke hängt, in Deutschland kaum jemand Rossmann Wobei Guttuso schon einmal stärker beachtet wurde, übrigens auch in der DDR - er gehörte in den 50er Jahren dem Zentralkomitee des PCI an Klaus Gysi, der Vater von Gregor Gysi, war von 1973 bis 1978 Botschafter der DDR in Italien und beim Heiligen Stuhl, davor unter anderem Kulturminister, danach Sekretär für Kirchenfragen Er war mit Guttuso befreundet Wie übrigens auch Werner Hofmann, der Direktor der Hamburger Kunsthalle Die Stadt Bagheria, wo Guttuso geboren wurde und begraben liegt, hat ihm in der Villa Cattolica ein umfangreiches Museum eingerichtet, das ist sehr eindrucksvoll Solche Stätten gibt es auch für Sciascia, für Bufalino, für Tomasi di Lampedusa Amodeo Sizilien hat eine reiche Literatur Rossmann Viele Autoren werden und wurden übersetzt, einige sind noch zu entdecken Sciascia ist auf dem deutschen Buchmarkt leider nicht mehr so präsent, in den Universitäten dagegen sehr In Italien und erst recht in Sizilien genießt er einen Kultstatus, der an Pasolini heranreicht Immerhin wird zu seinem 100 Geburtstag der Band Ein Sizilianer von festen Prinzipien mit zwei Essays herauskommen, die bisher nicht auf Deutsch vorliegen Aber nicht etwa bei Wagenbach, sondern in der Edition Converso, gegründet von Monika Lustig, die sein Ägyptisches Konzil neu übersetzt hat Amodeo Der norditalienische Blick auf Sizilien ist, so mein Eindruck, nicht viel anders als der deutsche, nämlich ambivalent und eher negativ Anderseits haben wir erstmals einen Sizilianer als Staatspräsidenten Was sagen Sie dazu? Italienisch_84.indb 12 13.11.20 09: 38 13 «La Sicilia sono tante» Rossmann Sergio Mattarella ist eine Autorität, obwohl oder vielleicht gerade weil er sehr zurückhaltend auftritt Seine Biographie ist eindrucksvoll: Als sein Bruder Piersanti Mattarella, der zwei Jahre zuvor Präsident der Region Sizilien geworden war, 1980 von der Cosa Nostra vor seinem Haus in Palermo hingerichtet wurde, entschied er sich, seine Universitätskarriere als Jurist aufzugeben und in die Politik zu gehen, um dessen Aufgabe zu übernehmen Das sagt sehr viel über ihn Wird er in Italien als Sizilianer wahrgenommen? Amodeo Er spricht natürlich ein hochelaboriertes Italienisch, aber man hört - wie bei vielen Italienern - die Herkunft heraus Und er hat einen gewissen Stil, ich würde sagen, eine gewisse Vornehmheit Rossmann Sizilianer ist übrigens auch Pietro Grasso, der von 2013 bis 2018 Senatspräsident war und nach dem Rücktritt von Napolitano 2015 kurz mit den Aufgaben des Staatsoberhaupts betraut wurde Amodeo Zurück zum Buch: Haben Sie die Fotos von Barbara Klemm mit ihr ausgewählt? Rossmann Wir haben fast alle genommen, die sie von Sizilien hatte Die Fotos sind auf ihren Reisen entstanden, sie bebildern nicht, sondern erzählen eine eigene Geschichte, es sind auch Orte dabei, die im Text nicht vorkommen Dass sie älter sind, kann man an den Autos oder der Mode erkennen, auch an der Telefonzelle auf dem Domplatz in Syrakus, die steht dort schon lange nicht mehr Amodeo Die Fotos passen gut zu den Texten, sie haben auch etwas Impressionistisches Italienisch_84.indb 13 13.11.20 09: 38 14 «La Sicilia sono tante» Rossmann Manchmal auch etwas Archaisierendes? Amodeo Ja, aber so ist Sizilien eben Rossmann Das ist nichts Äußerliches Sizilien ist auch einer der letzten Widerstände in Europa gegen die Globalisierung und die Vereinheitlichung der Lebensstile, mit Residuen der Vormoderne, die gefährdet sind und kleiner werden Auch darin liegt eine große Faszination für uns Bufalino registriert das in La terra degli eccessi bemerkenswert unsentimental: Die jungen Leute der neuen Generationen seien, so schreibt er, ihren Gleichaltrigen in Tokio oder Miami ähnlicher als ihren leiblichen Vätern und Müttern Der Homogenisierungsprozess sei unaufhaltsam, und das Sizilien seiner Kindheit, das der kleinen Läden und Werkstätten, gebe es nur noch im, so wörtlich, «nekrophilen Gejammer der Überlebenden» Einer der größten Unterschiede besteht nach meiner Wahrnehmung in dem anderen Verhältnis zur Zeit und der Bedeutung des Essens Dass man zwei Stunden zu Mittag isst, ist in Deutschland nicht oder nicht mehr üblich, in Italien dagegen schon, sonntags auf jeden Fall Und dass man auf dem Postamt eine halbe Stunde ansteht, ist in Italien nicht eben selten Ein normaler Supermarkt in einem kleinen Ort hat eine Frischetheke, deren Angebot jeden Delikatessenladen in Deutschland in den Schatten stellt Wenn die Kundin an die Reihe kommt, beginnt ein Dialog mit dem Metzger, es ist eher ein Mann als eine Frau: Er erklärt ihr genau, warum er ihr das oder jenes empfiehlt, wo es herkommt und was dazu passt Er fragt, ob sie nicht diesen Käse probieren will und was ihre Kinder machen: Wie, der geht schon auf die Uni? Und die kleine Schwester bereitet sich aufs Abitur vor? Die anderen warten, hören zu, geben womöglich ihren Senf dazu und einen Serviertipp, aber keiner würde, auch wenn es sich über zehn oder fünfzehn Minuten hinzieht, auf die Idee kommen, zu sagen: Jetzt mal voran, Junge, wann bin ich endlich dran? Da gelten andere Werte Es ist ein anderes Leben Italienisch_84.indb 14 13.11.20 09: 38 15 «La Sicilia sono tante» Amodeo Es ist schön, dass Sie das noch gesagt haben Das Gespräch wurde am 22 August 2020 in der Deutsch-Italienischen Vereinigung e .V in Frankfurt am Main geführt . Jetzt bestellen onde Das italienische Kulturmagazin Italien ohne Klischees vertrieb@onde.de Onde e.V. - Italien erleben onde_ev www.onde.de Italienisch_84.indb 15 13.11.20 09: 38 16 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 022 P E T E R I H R I N G Decameron - Dekameron Boccaccios Weltbuch im Spiegel deutscher Übersetzung Der Begriff ‘Weltbuch’ erscheint seit der Frühen Neuzeit als Buchtitel, mithin als eine Art Gattungsbezeichnung für geographisch-naturkundliche Kompendien, welche die unterschiedlichsten Realien der Welt zum Gegenstand haben . 1 In einem literarkritisch terminologischen Sinn dagegen wird der Terminus wohl von Thomas Mann eingeführt, der im Frühjahr 1934 zu einer Schiffsreise in die USA aufbricht und sich für seine erste direkte Berührung mit der Neuen Welt gewissermaßen kulturell wappnen will: Er plant, sich während der Überfahrt in Ruhe und mit seiner ganzen rezeptiven Sensibilität als Wortkünstler in einen durch und durch europäischen literarischen Klassiker zu versenken Unter dem Datum des 19 Mai 1934 notiert er: «Der ‘Don Quijote’ ist ein Weltbuch - für eine Weltreise ist das gerade das Rechte Es war ein kühnes Abenteuer, ihn zu schreiben, und das rezeptive Abenteuer, das es bedeutet, ihn zu lesen, ist den Umständen ebenbürtig Befremdlicherweise habe ich die Lesung noch nie systematisch zu Ende geführt Ich will es tun an Bord und mit diesem Meer von Erzählung zu Rande kommen, wie wir zu Rande kommen werden binnen zehn Tagen mit dem Atlantischen Ozean» . 2 Der Don Quijote, so wie Thomas Mann ihn versteht, ist also ein dezidiert europäisches Weltbuch Cervantes, dem die im 16 Jahrhundert und auch später noch gängige Selbststilisierung der Entdecker und Eroberer neuer Welten als moderne Nachfahren der Fahrenden Ritter des Mittelalters nicht fremd war, hatte dafür nur spöttische Ironie übrig . 3 1 Wolf 2002 2 Mann 1974, S 432 3 Cervantes weiß, dass es der Traum vieler seiner spanischen Zeitgenossen ist, durch eine hohe, einträgliche Position in Übersee reich zu werden Der Don Quijote enthält zahlreiche Indizien dafür So kann der Titelheld zu Beginn den Bauern Sancho Pansa nur dadurch dazu überreden, ihn auf seiner Ritterfahrt zu begleiten, dass er ihm verspricht, ihn nach ihrer Heimkehr zum «gobernador», wie die einschlägige Amtsbezeichnung lautet, zu ernennen . Italienisch_84.indb 16 13.11.20 09: 38 17 Peter Ihring Decameron - Dekameron Ein «Meer von Erzählung» ist auch das Decameron, 4 und es gibt gute Gründe dafür, dieses Werk ebenfalls mit dem literarkritischen Adelstitel ‘Weltbuch’ auszuzeichnen Dabei dürfte Boccaccios Sammlung gleichermaßen als spezifisch europäisches Weltbuch gelten können, wobei übrigens der europäische Horizont in beiden Erzähltexten überschritten wird, und zwar nicht mit einem Impuls auf die Neue Welt zu, sondern im Gegenteil Richtung Osten Während im Roman des Cervantes die orientalische Dimension vor allem durch die vom Autor eingesetzte fiktive Erzählerfigur des Cide Hamete Benengeli gegenwärtig ist, eröffnen die Novellen aus dem Decameron neben griechischen, türkischen und arabischen Szenarien auch Nordafrika als Handlungsschauplatz . 5 Geographischer Raum der 100 Erzählungen ist also zunächst die Welt der Antike, als deren «Herz» Georg Wilhelm Friedrich Hegel das Mittelmeer identifiziert hat Für Hegel ist diese Welt beschränkt auf «die um das Mittelländische Meer herumliegenden Länder» . Entscheidend im Hinblick auf den mittelalterlichen Charakter des Decameron ist es nun, dass die Novellen der Sammlung mit ihrem Handlungsradius auch das «nördliche Europa» umgreifen, das Hegel noch aus dem welthistorischen Raum des Altertums ausgeschlossen hatte . 6 Dabei werden bei Boccaccio die nördlichen Szenarien, die, zugegebenermaßen, nur sporadisch auftauchen, auch mit interessanten Attributen versehen . Paris erscheint zunächst als Hauptstadt des «reame di Francia» (III, 9, 4), 7 aber auch als Handelsstadt (II, 9; IV, 8; VII, 7) und als Stadt der Gelehrsamkeit (III, 4; VIII, 7) . Hinzu kommt eine Stadt wie Brügge (II, 3), die als wichtige Station auf den Verkehrswegen der Zeit erwähnt wird . London (bzw . England allgemein) präsentiert sich als Ort politischer Intrigen, aber auch als Heimat ritterlicher Gesinnung und natürlich als Handelszentrum (II, 3; II, 8) . Einen Schauplatz im deutschen Sprachgebiet hat die Sammlung nicht aufzuweisen . 8 4 Die beiden Meisterwerke haben sehr viel miteinander gemeinsam Siehe hierzu zuletzt: Neuschäfer 2007 5 Eine schöne Darstellung der Art, wie die Helden und auch die Heldinnen des Decameron das Mittelmeer kreuz und quer durchfahren, findet sich bei Kopp-Kavermann 2005 6 Hegel 1973, S 115 7 Die Zitate aus dem Decameron werden im Folgenden in Klammern direkt nach dem Zitat nachgewiesen Zugrunde gelegt wird dabei die Zählung der Absätze, die Vittore Branca in seiner Edition der Sammlung vorgeschlagen hat: Die römische Ziffer am Beginn meint den Erzähltag, die erste arabische Ziffer die Position der gemeinten Erzählung in der Abfolge der Novellen an den einzelnen Erzähltagen und die zweite arabische Ziffer den gemeinten Absatz daraus 8 Immerhin figuriert in einer Novelle (VIII, 1), die in Mailand angesiedelt ist, als Protagonist ein «tedesco al soldo» (VIII, 1, 5) namens Gulfardo, von dem eine geldgierige Frau glaubt, dass sie imstande sei, ihn übers Ohr zu hauen Gulfardo reagiert jedoch mit einer sehr effektiven Gegenlist, so dass die Frau am Ende selbst den Schaden hat Italienisch_84.indb 17 13.11.20 09: 38 18 Decameron - Dekameron Peter Ihring Der skizzierten inhaltlichen Vielfalt des Decameron wird der Autor mit einer hochkomplexen Erzählsprache gerecht, die er selbst mit der Formel «fiorentin volgare» (IV, 1, 3) kennzeichnet . In Boccaccios fiorentin volgare konvergieren die verschiedensten mittelalterlichen Stiltraditionen . Aus dieser hochkomplexen Verflechtung ergibt sich ein Sprachkunstwerk, dessen weltliterarischer Rang bis heute unumstritten ist . An Boccaccios edler Prosa arbeitet sich die literaturwissenschaftliche Forschung seit langem unermüdlich ab . Zu dieser Arbeit möchte ich im Folgenden einen Beitrag leisten, und zwar mit einer Betrachtung derjenigen Passagen des Werks, von denen ich glaube, dass an ihnen jeglicher Übersetzungsversuch scheitern muss bzw . nur sehr unbefriedigend gelingen kann . * Jede Übertragung eines Textes aus dem von Boccaccio so genannten fiorentin volgare ins Deutsche hat dem sprachgeschichtlichen status quo des Italienischen im Trecento Rechnung zu tragen Dieser status quo ist dadurch gekennzeichnet, dass nach und nach in verschiedenen Territorien des Landes zum Lateinischen, dem aus der Römerzeit überkommenen Erbe, eine neue Schriftsprache hinzugetreten ist, die ihren Weg erst finden muss Jeder Autor, der sich für sein Werk der entstehenden Volkssprache bedient, ist zwangsläufig darauf verwiesen, das Verhältnis seiner Sprache zum Lateinischen neu auszutarieren, und zwar in allen Phasen der Arbeit am literarischen Text Dieses unausweichliche Nebeneinander von Latein einerseits und entstehender italienischer Volkssprache andererseits führt zu einer Situation, die sich in gewissem Sinn als Überlagerung zweier sprachlicher Parallelwelten charakterisieren lässt Daraus folgt, dass einzelne stilistische Effekte des fiorentin volgare im Deutschen nicht reproduziert werden können, denn dem Deutschen fehlt ja die allen romanischen Sprachen gemeinsame Parallelwelt des Lateinischen Im Folgenden soll die entsprechende Problematik näher erläutert werden, gerade auch im Verhältnis zur Frage danach, wo der literarischen Übersetzung Grenzen gesetzt sind Am Beginn seiner Karriere orientiert sich der spätere Schöpfer des Decameron in stilistischer Hinsicht vor allem am Lateinischen, zumal die Tradition volkssprachlicher Kunstprosa, die er in Italien vorfindet, kein großes literarisches Potential hat Sein wichtigstes Vorbild in dieser Zeit ist wohl jener Roman des Apuleius, für den sich im Deutschen der Titel Der Goldene Esel eingebürgert hat, der aber im Original «Metamorphoses» heißt . 9 Über Boccaccios frühe volkssprachliche Dichtung Ameto sagt Alfredo 9 Diesbezüglich hat übrigens Thomas Mann vermutet, dass Cervantes das Motivinventar aus dem Goldenen Esel und dem hellenistischen Abenteuerroman, das er im Don Quijote verarbeitet hat, durch Boccaccios Vermittlung gekannt habe Mann 1974, S 457 Italienisch_84.indb 18 13.11.20 09: 38 19 Peter Ihring Decameron - Dekameron Schiaffini abwertend, sie sei ganz und gar geprägt von einem «anelito di latinizzarsi», 10 wobei er ausdrücklich auf das Werk des Apuleius hinweist Erst später gewinne der Autor eine dichterische Souveränität, die ihn in die Lage versetzt, sich vom lateinischen Modell zu emanzipieren Im Decameron geht es ihm dann nicht mehr darum, diesem Modell gerecht zu werden, sondern er kann im Gegenteil nach eigenem Gutdünken virtuos damit spielen Dieses Spiel mit der lateinischen Sprache ist aus meiner Sicht ein zentraler Faktor im poetischen Haushalt der berühmten Novellensammlung Dafür, dass das entsprechende literarische Kalkül aufgeht, ist es natürlich wesentlich, dass das Lesepublikum imstande ist, den lateinischen Subtext unter der Oberfläche des fiorentin volgare jeweils zu identifizieren, denn nur dann können die entsprechenden Passagen angemessen verstanden und gegebenenfalls goutiert werden Unabhängig davon, ob heutige Leserinnen und Leser diese Bedingungen erfüllen, dürfte es aber für eine Übersetzungsanalyse geboten sein, auf diesen Subtext zumindest in exemplarischer Auswahl hinzuweisen, denn der genannte poetische Effekt, der sich wohl in der Regel als ironisierender Faktor auswirken sollte, ist ja ein wichtiges Element der poetischen Ökonomie des Textes, das in die Zielsprache nicht oder jedenfalls nicht immer angemessen überführt werden kann Die enorme Bedeutung des Lateinischen für den zeitgenössischen Rezeptionshorizont des Decameron lässt sich vielleicht durch den Blick auf eine Besonderheit in Boccaccios Wortgebrauch veranschaulichen: Immer dann, wenn im Rahmen der erzählten Handlung einer Novelle Protagonisten aus dem italienischen Sprachraum auf Figuren stoßen, die im Orient beheimatet sind und mit denen sie kommunizieren müssen, stellt sich natürlich die Frage, in welcher Sprache sie mit ihnen reden Und diesbezüglich sprechen die Erzählerfiguren aus der «brigata» stets von «latino» So wird etwa in X, 9 berichtet, dass der Sultan Saladino inkognito eine Reise nach Europa unternimmt, um sich dort «in forma di mercatante» (X, 9, rubrica) umsehen und die Sitten der Europäer studieren 11 zu können «Messer Torello» aus Pavia begegnet dem Reisenden in der Nähe seiner Heimatstadt und ist sofort vom vornehmen Gebaren des fremden Besuchers fasziniert Verständigungsprobleme zwischen den beiden gibt es nicht, denn «Saladino e’ compagni e famigliari tutti sapevan latino» (X, 9, 16) Ein zweites Beispiel: In V, 2 wird erzählt, dass der junge und tüchtige Martelluccio seine Heimatinsel Lipari verlässt, weil der Vater der von ihm geliebten Gostanza seine Zustim- 10 Schiaffini 1943, S 180 11 Knapp 400 Jahre vor Montesquieus aufklärerischem Briefroman Les Lettres persanes erzählt also bereits hier ein Europäer davon, dass ein Orientale sich aufmacht, um im Okzident Land und Leute kennenzulernen Italienisch_84.indb 19 13.11.20 09: 38 20 Decameron - Dekameron Peter Ihring mung zur Heirat der beiden nicht geben will: Martelluccio sei ja nur ein armer Schlucker Der abgewiesene Jüngling verlässt die Insel mit dem Plan, zurückzukehren, sobald er durch erfolgreiche Piraterie reich geworden ist und bei Gostanzas Vater ein zweites Mal um ihre Hand anhalten kann Er hat auch zunächst Erfolg, wird aber schließlich gefangengenommen und in Tunis eingekerkert Gostanza erfährt gerüchteweise, dass Martelluccio gestorben sei In ihrer Verzweiflung beschließt sie, sich selbst zu töten: In einem kleinen Boot setzt sie sich allein den Launen des Meeres aus und denkt, dass sie dabei früher oder später den Tod finden werde Aber so kommt es nicht, vielmehr verschlägt es die schlafende Gostanza an die tunesische Küste bei Susa, wo sie von einer dort ansässigen Frau aufgefunden wird Diese stammt aus Trapani und lebt seit einiger Zeit in Susa «e quivi serviva certi pescatori cristiani» (V, 2, 21) «… la quale essalei [sc .: Gostanza] che forte dormiva chiamò molte volte e, alla fine fattala risentire e all’abito conosciutala che cristiana era, parlando latino la dimandò come fosse che ella quivi in quella barca così soletta fosse arrivata» (V, 2, 16) . Wenn Emilia und Panfilo, die beiden «novellatori» von V, 2 und X, 9, diejenige Sprache, welche als Kommunikationsmedium für Begegnungen in oder mit der außereuropäischen Welt dient, mit der Vokabel «latino» bezeichnen, dann tun sie das natürlich faute de mieux. Aber es ist doch ein Indiz für das außerordentliche Gewicht, das zur Entstehungszeit der Novellen dem Lateinischen in allen schriftsprachlichen Kontexten zuzuordnen ist . 12 In der Rezeptionsgeschichte des Decameron hatten frühere Generationen, so muss man wohl annehmen, bei der Lektüre dieses Weltbuches die lateinische Sprache stets mit im Kopf, und aus den Assoziationen, die unter solchen Umständen nahe lagen, wollte der Autor zweifellos literarisches Kapital schlagen Vor diesem Hintergrund ist es zu sehen, wenn jetzt in diesem frühesten italienischen Prosatext, der dem literarischen Höhenkamm angehört, ein lateinisches Substrat ans Licht gezogen werden soll Vittore Branca hat mit seiner Edition des Werks gründliche Vorarbeit dafür geleistet, denn er weist in den Anmerkungen konsequent auf latinisierende Sprachformen hin und stellt überdies auch eine eigene Konkordanz «voci latine» 13 zur Verfügung 12 Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang natürlich an Petrarcas berühmte Übersetzung der Griseldis-Novelle ins Lateinische und auch an die Decameron-Übersetzung des Laurent de Premierfait, der nach einhelliger Forschungsmeinung nicht Boccaccios volkssprachliches Original zugrunde lag, sondern eine verlorengegangene lateinische Fassung Siehe hierzu: Cucchi 1972 Zu dem thematischen Gesamtkomplex Bertelsmeier-Kierst 2014 13 Boccaccio 1992, S 1322 Italienisch_84.indb 20 13.11.20 09: 38 21 Peter Ihring Decameron - Dekameron Die einfachste Variante des literarischen Spiels mit dem Lateinischen ist die Relatinisierung bekannter italienischer Städtenamen Dieses Verfahren, das Boccaccio wohl als Instrument zur Erheiterung einsetzt, begegnet jedoch nach meiner Lektüre im Decameron nur ein einziges Mal: In VII, 5, 7 ist von der Stadt «Arimino» die Rede Gemeint ist das heutige Rimini, das bei den Römern «Ariminum» hieß Dass die hier gewählte Version dieses Namens nach dem Willen des Autors betont antiquiert klingen soll, lässt sich daran erkennen, dass Boccaccio die Stadt in anderen Kontexten bereits als «Rimino» bezeichnet, was dem heutigen Sprachgebrauch schon etwas näher liegt . 14 Auf dem Gebiet der Syntax lassen sich zwei verschiedene Erscheinungsformen des latinisierenden Stils unterscheiden Die eine betrifft die Verwendung des gerundio Hierfür seien zwei Beispiele zitiert: «io nel mio [sc .: novellare] intendo di dimostrarvi quanto questa medesima benignità, sostenendo pazientemente i difetti di coloro i quali d’essa ne deono dare e con l’opere e con le parole vera testimonianza, il contrario operando, di sè argomento d’infallibile verità ne dimostri» (I, 2, 3) Und: «I giovani, li quali più forza che liberalità costrignea, piagnendo Efigenia a Cimon concedettero» (V, 1, 33) . In beiden Fällen steht die gerundio-Konstruktion für einen Nebensatz: im ersten für einen modalen und im zweiten für einen temporalen Der Herausgeber muss dies in den Anmerkungen erläutern, denn hier geht der Autor über die volkssprachlichen Standards hinaus und orientiert sich bei seinem Umgang mit der Form des gerundio am Lateinischen An anderer Stelle setzt Boccaccio als Substitut für einen Nebensatz eine Infinitiv-Konstruktion ein, die wie eine augenzwinkernde Reminiszenz an das anmutet, was in der lateinischen Grammatik üblicherweise mit der Formel ‘Accusativus cum infinitivo’ gekennzeichnet wird Auch hierfür zwei Beispiele: «E, trovando per assai manifesti indizi lui veramente esser Giuffredi figliuolo d’Arrighetto Capece, gli disse» (II, 6, 48) Und: «Sí era questo suo amor celato, che della sua malinconia niuno credeva ciò esser la cagione»(III, 7, 5) . Hier könnte der Einwand erhoben werden, dass es doch nicht möglich sei, in einem italienischen Text die syntaktische Konstruktion des ‘Accusativus cum infinitivo’ nachzubilden, da das Italienische keine Kasusflexion kennt Diesbezüglich wäre aber als Gegenargument Folgendes hervorzuheben: Sowohl «lui» als auch «ciò», also die beiden Vokabeln, die an der Position stehen, die im Lateinischen von einem Nomen im Akkusativ eingenommen würde, wodurch dieses dann zum Subjekt des abhängigen Nebensatzes mit dem Infinitiv als Prädikat avanciert, sind ihrerseits starke (Demonstrativ-) Pronomina, die im Italienischen als direktes Objekt dienen 14 Boccaccio 1992, S 822 Italienisch_84.indb 21 13.11.20 09: 38 22 Decameron - Dekameron Peter Ihring und mithin durchaus dieselbe syntaktische Funktion ausfüllen können wie im Lateinischen ein Nomen im Akkusativ In jedem Fall ist davon auszugehen, dass ein lateinkundiger Leser bei der Lektüre der beiden zitierten Sätze die genannte Assoziation mit der spezifisch lateinischen syntaktischen Form des ‘Accusativus cum infinitivo’ haben kann und dass der Autor dies bei seiner Formulierung zumindest mitbedacht hat Die hier zuletzt zitierten Passagen aus dem Decameron haben eines gemeinsam: Ihr poetischer Mehrwert ergibt sich aus einem leichtfüßigen Spiel des fiorentin volgare mit dem Lateinischen Bei einer Übersetzung dieser Zitate ins Deutsche muss der entsprechende Ironie-Effekt zwangsläufig verlorengehen, denn die Ausgangssprache hat ja in sprachsystematischer Hinsicht ein ganz anderes, ein sehr viel innigeres Verhältnis zum Lateinischen als die Zielsprache Viele Texte aus der Frühzeit des Italienischen weisen zahlreiche Anklänge an den lateinischen Sprachduktus auf; das kann unter den gegebenen Umständen auch gar nicht anders sein Es ist zwar möglich, diese Anklänge bei einer Übertragung ins Deutsche aufzunehmen und in den sprachlichen Kontext des Deutschen zu integrieren Entsprechende Versuche sind in der Vergangenheit immer wieder gemacht worden Aber im Rahmen einer literarischen Kommunikation in deutscher Sprache werden stilistische Latinismen nie denselben Effekt haben wie in einem italienischen Text, denn das Lateinische ist ja vom Deutschen sehr viel weiter entfernt als von den Sprachen, die aus dem Erbe des Imperium Romanum hervorgegangen sind * Die Latinismen repräsentieren also für die Übersetzung aus dem fiorentin volgare in nichtromanische Sprachen eine Schwierigkeit, die kaum zu überwinden ist Im Unterschied dazu sind die meisten anderen Übersetzungsprobleme, die der hier behandelte Quellentext aufwirft, prinzipiell lösbar, und sie sind auch immer wieder mehr oder weniger erfolgreich gelöst worden Die früheste vollständige Übertragung des Decameron ins Deutsche stammt von 1476 und wurde lange Zeit dem Ulmer Humanisten Heinrich Steinhöwel zugeschrieben, bevor als eigentlicher Übersetzer Arigo plausibel gemacht wurde . 15 Sie darf bei den folgenden übersetzungskritischen Überlegungen weitgehend außer Betracht bleiben, weil sie einen deutschen Sprachstand repräsentiert, der uns Heutigen völlig fremd vorkommt Ihre späteren Nachfolger hingegen liefern einen nach meiner Ansicht zeitgemäßen deutschen Text und zeugen von einer gründlichen und einfühlsamen Übersetzungs- 15 Dieser Name ist freilich ein Pseudonym Es konnte bisher nicht zweifelsfrei festgestellt werden, welche historische Figur sich dahinter verbirgt Siehe hierzu Bertelsmeier- Kierst 1998, S 422 Italienisch_84.indb 22 13.11.20 09: 38 23 Peter Ihring Decameron - Dekameron arbeit Die Lösungen, die sie für die stilistischen und phraseologischen Eigenheiten von Boccaccios fiorentin volgare anbieten, sollten daher mit der gebotenen Sorgfalt beurteilt werden Die Liste der im Folgenden ausgewerteten Übertragungen des Decameron ins Deutsche umfasst sechs Titel Diese werden hier in der chronologischen Reihenfolge ihrer Entstehungszeit genannt: Boccaccio: Das Decameron, Übers August Gottlieb Meißner (1784-86) Das Decameron des Boccaccio, Übers D .W Soltau (1803) Das Dekameron des Boccaccio, Übers Karl Witte (1843) Das Dekameron, Übers Albert Wesselski (1912) Das Dekameron, Übers Ruth Macchi (1958) Das Decameron, Übers Peter Brockmeier (2012) Seit langem schon gilt Boccaccio als Klassiker der italienischen Literatur Ein solcher Status ist für ihn erstmals ‘offiziell’ reklamiert worden von Pietro Bembo (1470-1547) Dieser präsentiert den Autor des Decameron als eine der tre corone fiorentine und stellt ihn damit gleichrangig neben Dante und Petrarca Im entsprechenden Zusammenhang seiner Prose della volgar lingua zitiert Bembo eine Passage aus der Novelle IV, 1 als Beispiel für vollkommene Prosa Hier zunächst der Handlungshintergrund der Erzählung: Die Heldin Ghismunda lebt, nach kurzer, kinderloser Ehe verwitwet, erneut bei ihrem Vater Tancredi, der sie nicht hergeben will und daher alle weiteren Heiratspläne torpediert Sie nimmt sich einen Bediensteten als Liebhaber, hat jedoch das Pech, dass Tancredi davon erfährt Er lässt den Liebhaber töten und sorgt dafür, dass dessen Herz, geborgen in einem Goldpokal, in die Hand seiner Tochter gerät Diese versteht auf Anhieb, was die Gabe bedeutet, und fasst den Entschluss, sich zu vergiften Bevor sie zur Tat schreitet, hält sie dem Herz des Geliebten die folgende Rede: «O molto amato cuore, ogni mio ufficio verso te è fornito; né più altro mi resta a fare, se non di venire con la mia anima a fare alla tua compagnia» (IV, 1, 57) Die von Bembo als klassisch gepriesene Passage 16 soll hier als aussagekräftiges Beispiel herangezogen werden, um zu illustrieren, dass von den sechs konsultierten Übertragungen keine einzige so unzulänglich ist, dass sie aus dem hier vorgenommenen Übersetzungsvergleich von vornherein ausgeschlossen werden dürfte Hier die einzelnen Versionen: 16 Mit Bezug auf die Art, wie die «accenti» in dieser Passage gesetzt sind, schreibt Bembo: «… essi [gli accenti] danno il concento a tutte le voci, e l’armonia, il che a dire è tanto, quanto sarebbe dare a’corpi lo spirito e l’anima» Bembo 1966, S 164 Italienisch_84.indb 23 13.11.20 09: 38 24 Decameron - Dekameron Peter Ihring «Ach vielgeliebtes Herz, nun hab’ ich meine Schuldigkeit gegen dich erfüllt Es ist nichts übrig, als meiner Seele die Gesellschaft der deinigen zu verschaffen .» 17 «O du geliebtes Herz! Jetzt habe ich dir meinen letzten Dienst erwiesen, und es bleibt meinem Geiste nichts mehr übrig, als in die Gesellschaft des deinigen zu eilen .» 18 «O mein vielgeliebtes Herz, nun sind alle meine Pflichten gegen dich vollendet, und mir bleibt nichts zu tun übrig, als daß ich mit meiner Seele komme, um der deinigen Gesellschaft zu leisten .» 19 «Nun, o heißgeliebtes Herz, habe ich alle meine Pflichten gegen dich erfüllt; und mir bleibt nichts mehr zu tun übrig, als mit meiner Seele zu kommen und deiner das Geleite zu geben .» 20 «O heißgeliebtes Herz, so habe ich dir auch den letzten Dienst erwiesen Es bleibt mir nun nichts zu tun übrig, als mit meiner Seele zu der deinen zu eilen, um bei ihr zu bleiben .» 21 «O heißgeliebtes Herz, dir gegenüber habe ich meinen Dienst erfüllt; und es bleibt mir nun nichts anderes mehr zu tun übrig, als mit meiner Seele die Gesellschaft deiner Seele zu suchen .» 22 Der atmosphärische Grundton der zitierten Passage ist bestimmt durch das erhabene Pathos, welches die Heldin in ihre Worte legt, zum einen angesichts ihres unmittelbar bevorstehenden Freitods, zum anderen aber auch angesichts der Würde ihrer Liebe Dieses Pathos wird in die Zielsprache überführt: - durch die Anfangsstellung des «Nun» mit folgendem Einschub «o heißgeliebtes Herz» (Wesselski); 17 Meißner 1924, II, S 26 18 Soltau 1874, II, S 12 19 Witte 1991, S 320 20 Wesselski 1999, S 360 21 Macchi 2015, I, S 446 22 Brockmeier 2017, S 338 Italienisch_84.indb 24 13.11.20 09: 38 25 Peter Ihring Decameron - Dekameron - durch das einer hohen Stilebene angehörenden und überdies dreisilbige und damit gewichtigere «vollendet» statt des bloßen «erfüllt» (Witte); - durch die Wendung «so habe ich dir auch den letzten Dienst erwiesen» (Macchi) Das Wort «Dienst» für «ufficio», das Brockmeier, Soltau und Macchi bieten, scheint mir hier besser zu passen als «Schuldigkeit» oder «Pflicht», denn es berücksichtigt den höfischen Hintergrund des Ganzen (vgl die italienische Wendung «cavalier servente») . Für «anima» bietet sich natürlich das Wort «Seele» an, einzig Soltau entscheidet sich für das hier unangebrachte «Geist» Zuletzt das Problem «fare compagnia»: Witte, der sonst zumeist sehr einfühlsam ist, beschränkt sich hier auf ein läppisches «Gesellschaft leisten» . Die nach meiner Ansicht beste Lösung bietet Wesselski: «und deiner [sc .: Seele] das Geleite zu geben» Es versteht sich von selbst, dass es in der folgenden Analyse aus Platzgründen nicht darum gehen kann, jede einzelne Formulierungsvariante aufzurufen, die sich in dem weiten Spektrum aller sechs Quellentexte finden lässt Vielmehr werden zu den im Einzelnen behandelten ausgangssprachlichen Zitaten aus dem Decameron von den angebotenen Übersetzungslösungen nur jeweils diejenigen erwähnt und kommentiert, die dem Original des fiorentin volgare aus meiner Sicht besonders nahe kommen Das tragische Pathos, das im Decameron begegnet und das dann häufig ein mehr oder weniger gravierendes Problem für die Übersetzung darstellt, kann auch andere Formen annehmen als in der Abschiedsrede der Ghismunda Dem subjektiven Pathos, das diese Rede kennzeichnet, steht dann ein objektives Pathos gegenüber, von dem vielerorts die narrativen Passagen im engeren Sinn getragen sind, so z .B in der folgenden traurigen Mitteilung der Erzählerin Fiammetta aus der Falkennovelle: «Il quale [der Sohn der ‘monna Giovanna’], o per malinconia che il falcone aver non potea o per la ’nfermità che pure a ciò il dovesse aver condotto, non trapassar molti giorni che egli con grandissimo dolor della madre di questa vita passò» (V, 9, 38) Das dominierende syntaktische Stilmerkmal dieses Satzes ist eine rhetorische Sperrung . 23 Das Subjekt «Il quale» steht am Beginn der sich über viele Syntagmen hinziehenden Periode, das zugehörige finite Verb «di questa vita passò» als Prädikat an deren Ende Nach diesem Muster sind viele im engeren Sinn narrative Sätze aus dem Decameron gebaut Boccaccio orientiert sich dabei an den Maßstäben der zeitgenössischen Prosarhetorik, wie er 23 Der Terminus «Sperrung» ist hier eher am Platz als der sehr viel weniger genau bestimmte, gebräuchlichere Begriff «Hyperbaton» Italienisch_84.indb 25 13.11.20 09: 38 26 Decameron - Dekameron Peter Ihring sie in einschlägigen mittellateinischen Traktaten vorgefunden hat . 24 Unter den ausgewerteten Übersetzungen gibt es nur zwei, welche diese markante Satzstellung des Originals zu erhalten suchen Hier zunächst Wesselskis Lösung: «Und es dauerte nicht viele Tage, als dieser, ob aus Schwermut darüber, daß er den Falken nicht haben konnte, oder weil die Krankheit auch sonst dieses Ende hätte nehmen müssen, zum größten Schmerz seiner Mutter aus dem Leben schied .» 25 Und dann Macchi, die es mit einer sehr sinnreichen Idee ermöglicht, die Anfangsstellung des Subjekts im Deutschen zu erhalten: Sie schließt den Satz einfach als relativen Nebensatz an den vorangehenden an, was im Übrigen schon durch die Wortwahl «Il quale» der Originalfassung nahegelegt ist; durch eine Form also, die ihrerseits auch als Subjekt eines Relativsatzes fungieren könnte Dadurch erhält die Mitteilung den Charakter des Beiläufigen, was paradoxerweise besonders erschütternd wirkt: «… um zu ihrem Sohn zurückzukehren, der wenige Tage später - sei es aus Trauer, weil er den Falken nicht bekommen konnte, oder sei es, weil seine Krankheit ohnehin zu diesem Ende geführt hätte - zum größten Schmerz seiner Mutter aus dem Leben schied .» 26 Das herrliche «per malinconia» aus der Originalfassung war wohl wirklich nicht ins Deutsche hinüberzuretten, denn der Rekurs auf ein simples «aus Melancholie» dürfte kaum in Frage kommen Die beiden zuletzt besprochenen Varianten pathetischer Rede im Decameron haben einen todernsten Hintergrund Es gibt aber noch eine dritte Variante, die Freiheit lässt für ein (wort-)spielerisches Moment und die sich als eine Art ‘Pathos weiblicher Souveränität’ charakterisieren lässt . 27 Ein Beispiel hierfür ist ebenfalls der Falkennovelle V, 9 zu entnehmen: Nach dem Tod ihres Sohnes wird «monna Giovanna» von ihren Brüdern zu einer erneuten Heirat gedrängt Sie hat eigentlich keine besondere Lust dazu, indes, so sagt sie, wenn es wirklich unbedingt sein müsse, dann wolle sie aber keinesfalls einen anderen zum Manne nehmen als den Falkenritter Federigo degli Alberighi Auf den Einwand der Brüder, dieser sei doch ein Habenichts, antwortet sie: «Fratelli miei, io so bene che così è come voi dite, ma io voglio avanti uomo che abbia bisogno di ricchezza che ricchezza che abbia bisogno d’uomo» (V, 9, 41) Während Soltau, Brockmeier, Macchi und Wesselski sich auf eine verkürzende Lösung mit dem Wort «ohne» nach dem Muster «lieber Mann ohne Reichtum als Reichtum ohne Mann» beschränken, versuchen Meißner 24 Branca 1981, S 13 ff 25 Wesselski 1999, S 512 26 Macchi 2017, I, S 636 27 Ein solches Pathos ist dem Autor des Decameron auf jeden Fall zuzutrauen Italienisch_84.indb 26 13.11.20 09: 38 27 Peter Ihring Decameron - Dekameron und Witte der opulenten Rhetorik der Originalfassung gerecht zu werden: Dabei bleibt Meißner noch etwas halbherzig und findet überdies für das eine Nomen «ricchezza» zwei verschiedene deutsche Entsprechungen, was der strengen Chiasmus-Struktur des ausgangssprachlichen Textes nicht gerecht wird: «Ich ziehe einen Mann ohne Vermögen Reichtümern vor, die eines Mannes bedürfen» . 28 Am besten zieht sich hier aus meiner Sicht Witte aus der Affäre: «Ich aber ziehe den Mann, der des Reichtums entbehrt, dem Reichtume vor, der des Mannes entbehrt» . 29 * Wie die dargebotenen Zitate zeigen, werfen die verschiedenen Formen pathetischer Rede im Decameron Übersetzungsprobleme auf, die in den allermeisten Fällen lösbar sind Das gleiche gilt für die zahlreichen kurzen Sprichwörter, die dem großen Fundus mittelalterlichen Volkswissens entstammen und von dort aus Eingang in Boccaccios Dichtung gefunden haben Auch hierfür sollen einige Beispiele herangezogen werden In I, 4 beobachtet der Abt eines Klosters in der Lunigiana aus Zufall, wie sich einer seiner Mönche und ein Mädchen aus dem nahegelegenen Dorf in einer heimlichen Kammer des Klosters zu einem Schäferstündchen treffen Er meint, dass er doch die Gunst des Augenblicks nutzen könnte, um sich seinerseits mit der jungen Frau zu vergnügen, solange sichergestellt sei, dass keiner seiner Mitbrüder davon erfährt Denn, so sagt er sich: «peccato celato è mezzo perdonato» (I, 4, 16) Die literarische Intensität des Sprichworts beruht darauf, dass seine drei sinntragenden Wörter einen Binnenreim bilden: «peccato», «celato», und «pérdonáto» Dieser klangliche Effekt geht in den Übersetzungen Brockmeiers, Meißners und auch Wesselskis gänzlich verloren Bei Witte heißt es immerhin: «heimliche Sünde büßt man geschwinde» . 30 Sehr einfach und gerade dadurch überzeugend ist die Fassung von Ruth Macchi: «heimliche Sünde ist halbe Sünde» . 31 Den Reimcharakter erhält sie durch den zweimaligen Gebrauch des Wortes «Sünde», und außerdem gelingt es ihr, den klanglichen Effekt mit Hilfe der Alliteration von «heimlich» und «halb» zu verstärken Das zweite Beispiel findet sich in der sog ‘Birnbaum-Novelle’ VII, 9: Lidia, die Frau des reichen Nicostrato, hat ein Auge auf Pirro geworfen, den wichtigsten Gehilfen ihres Ehemanns Sie lässt ihn durch ihre Zofe Lusca zu einem heimlichen Rendezvous einladen Der entrüstete Pirro weist das Ange- 28 Meißner 1924, II, S 162 29 Witte 1991, S 461 30 Witte 1991, S 57 31 Macchi 2017, I, S 75 Italienisch_84.indb 27 13.11.20 09: 38 28 Decameron - Dekameron Peter Ihring bot empört zurück: Niemals werde er seinen Brotherren hintergehen Lidia aber denkt gar nicht daran, von ihrer ehebrecherischen Intrige abzulassen, denn, so sagt sie zu Lusca: «per lo primo colpo non cade la quercia» (VII, 9, 17); und deshalb komme es auf einen zweiten Versuch an, der dann auch tatsächlich zum Erfolg führen wird Hier beruht die Klangwirkung des Textes in der Ausgangssprache auf einem Alliterationseffekt, zunächst von «per» und «primo», dann aber vor allem von «colpo», «cade» und «quercia» Karl Witte ist der erste Übersetzer, der es an dieser Stelle unternommen hat, in der Zielsprache einen gleichwertigen ästhetischen Effekt zu schaffen Er wählt zu diesem Zweck einen Reim, indem er zu «Eiche» als Reimwort die altertümliche Vokabel «Streich» einsetzt: «daß auf den ersten Streich die Eiche nicht fällt» . 32 Noch intensiver bringt Ruth Macchi den Reimeffekt zur Geltung: «Keine Eiche fällt auf den ersten Streich» 33 In allen anderen deutschen Fassungen geht das poetische Potential, das dem originalen Wortlaut aufgrund der Alliterationen zu eigen ist, durch den Übersetzungsvorgang verloren Als weiteres Sprichwort sei im Hinblick auf die Übersetzungsproblematik schließlich noch ein Beispiel aus III, 4 zitiert: «Chi la sera non cena, tutta la notte si dimena» Boccaccio fügt das Sprichwort an dieser Stelle in den Kontext eines weiter ausgreifenden Wortspiels mit dem Verb «dimenare» und seinen Derivaten ein Hier zunächst ein kurzer Einblick in die Handlung von III, 4: Dom Felice erklärt dem einfältigen «frate Puccio», wie er durch allnächtliche Bußübungen etwas für sein Seelenheil tun könne Der frate befolgt diese Ratschläge getreulich und macht es dadurch möglich, dass sich seine Ehefrau währenddessen nach Herzenslust dem lebensfrohen Dom Felice hingeben kann Vor diesem Hintergrund entfaltet der Erzähler Panfilo das folgende Wortspiel mit dem Verb «dimenare», das sich über mehrere Absätze hinzieht: «Era il luogo, il quale frate Puccio aveva alla sua penitenzia eletto, allato alla camera nella quale giaceva la donna, né da altro era da quella diviso che da un sottilissimo muro Per che, ruzzando messer lo monaco troppo con la donna alla scapestrata e ella con lui, parve a frate Puccio sentire alcuno dimenamento di palco della casa; di che, avendo già detti cento de’ suoi paternostri, fatto punto quivi, chiamò la donna senza muoversi e domandolla ciò che ella faceva La donna, che motteggevole era molto, forse cavalcando allora 32 Witte 1991, S 573 33 Macchi 2017, II, S 147 Italienisch_84.indb 28 13.11.20 09: 38 29 Peter Ihring Decameron - Dekameron la bestia di san Benedetto o vero di san Giovanni Gualberto, rispose: ‘Gnaffé, marito mio, io mi dimeno quanto io posso’ Disse allora frate Puccio: ‘Come ti dimeni? Che vuol dire questo dimenare? ’ La donna ridendo (e di buon aria e valente donna era e forse avendo cagion di ridere) rispose: ‘Come non sapete voi quello che questo vuol dire? Ora io ve l’ho udito dire mille volte: “Chi la sera non cena, tutta notte si dimena”’ Credettesi frate Puccio che il digiunare le fosse cagione di non poter dormire e per ciò per lo letto si dimenasse; per che egli di buona fede disse: ‘Donna, io t’ho ben detto: “Non digiunare”; ma, poiché pur l’hai voluto fare, non pensare a ciò, pensa di riposarti; tu dai tali volte per lo letto, che tu fai dimenar ciò che ci è’» (III, 4, 24-28) Entscheidend für das weit ausgreifende Wortspiel, das den witzigen Kern der über mehrere Absätze hinweg entwickelten Szene bildet, ist die Tatsache, dass Boccaccio hier das semantische Spektrum von «dimenare» bis an seine äußersten Grenzen ausdehnt . Denn als Subjekt dieses Verbs, das zumeist in seiner reflexiven Form erscheint, fungiert normalerweise ein Lebewesen bzw ein Körperteil . In der hier zitierten Passage wird jedoch auch von einem «dimenamento di palco» gesprochen, das auf die Einwirkung von zwei sich heftig bewegenden Körpern zurückzuführen ist, bzw . am Schluss in der an die Frau gerichteten Äußerung des «frate Puccio» davon, «che tu fai dimenar ciò che ci è» Diese maximale semantische Aufspreizung der sinntragenden Vokabel «dimenare» lässt sich nicht ins Deutsche transponieren, deshalb können die Übersetzungen das Wortspiel der ausgangssprachlichen Fassung nicht über die gesamte Passage hinweg intakt lassen . Für die durch intensiven Sex verursachte Erschütterung des häuslichen Materials, das «dimenamento di palco», finden die Übersetzer passende Vokabeln: «zittern» 34 , «Wackeln der Dielen» 35 , «als hörte er die Dielen kräftig krachen» 36 Aber keine dieser Vokabeln eignet sich zur Übersetzung der anderen Okkurenzen von «dimenare», weil es darin um einen Vorgang geht, bei dem eine menschliche Person oder zumindest ein Körperteil als Subjekt fungiert: Hier die einzelnen 34 Brockmeier 2017, S 255 35 Macchi 2015, I, S 331 36 Witte 1991, S 236 Italienisch_84.indb 29 13.11.20 09: 38 30 Decameron - Dekameron Peter Ihring Übersetzungsangebote: «sich wälzen» 37 , «sich hin- und herbewegen» 38 , «sich herumwerfen» 39 , «sich rühren, sich herumwälzen» 40 Boccaccios wortspielerisches Kalkül ist hier nicht in die Zielsprache hinüberzuretten, weil sich im deutschen Lexikon keine Vokabel findet, die seinem souveränen Umgang mit dem weiten Bedeutungsspektrum von «dimenare» gerecht werden könnte Wortspiele stellen zumeist ein größeres Übersetzungsproblem dar als Sprichwörter Nun dürfte es in der Weltliteratur nur wenige Texte geben, die mehr Wortspiele aufweisen als das Decameron Die entsprechende Problematik kann hier also nur angerissen werden Ein erstes Beispiel: In IV, 2 überlistet «Frate Alberto» die einfältige Lisetta, indem er ihr weismacht, in seiner Gestalt rede der Erzengel Gabriel zu ihr, um ihr den Hof zu machen Diese platzt vor Stolz und kann es kaum erwarten, ihrer Freundin davon zu erzählen Als sie dann mit der Freundin allein ist, sagt sie, der Erzengel Gabriel persönlich habe ihr ausrichten lassen, sie sei «la più bella donna … che sia nel mondo o in Maremma» (IV, 2, 41) Die wortspielerische Formel «mondo Maremma» taucht im Decameron noch ein weiteres Mal auf, wiederum in Verbindung mit einem Superlativ Die «rubrica» zu VI, 6 lautet: «Pruova Michele Scalza a certi giovani come i Baronci sono i più gentili uomini del mondo o di Maremma» In der Novelle selbst, einer der kürzesten des Decameron, die nichts anderes wiedergibt als ein heiteres Gespräch in fröhlicher Runde, heißt es dann nochmals, die Baronci seien «i più gentili uomini … non che di Firenze ma di tutto il mondo o di Maremma» (VI, 6, 6) Und am Ende sind sich alle Anwesenden einig, «che per certo i Baronci erano i più gentili uomini e i più antichi che fossero, non che in Firenze ma nel mondo o in Maremma» (VI, 6, 16) Der wortspielerische Reiz der Redensart beruht natürlich auf der Alliteration «mondo Maremma», die an die Lautgestalt der Ausgangssprache gebunden ist Im Deutschen muss dieser poetische Effekt durch ein anderes klangliches Instrument erzeugt werden Seltsamerweise wird in den hier konsultierten Übersetzungen nur selten der Versuch gemacht, dieses Problem kreativ zu lösen Dabei stellt sich die Situation in den beiden Novellen unterschiedlich dar: Im Fall der einfältigen Lisetta aus IV, 2 ist Ruth Macchi durchaus beizupflichten, wenn sie sich dazu entschließt, das Wortspiel zu unterschlagen Sie übersetzt einfach: «ich sei die schönste Frau auf der ganzen Welt» . 41 Wesselski schlägt vor: «weil ich, wie 37 Brockmeier 2017, S 255 38 Macchi 2015, I, S 331 39 Meißner 1924, I, S 246 40 Witte 1991, S 236 41 Macchi 2015, I, S 458 Italienisch_84.indb 30 13.11.20 09: 38 31 Peter Ihring Decameron - Dekameron er gesagt hat, die schönste Frau bin, die es auf der Welt oder zu Wasser gibt» . 42 Indem er «Welt» und «Wasser» alliterieren lässt, liefert Wesselski einen Ersatz für die Alliteration «mondo Maremma», wobei er natürlich auf das durch die Bezeichnung «Maremma» eingebrachte toskanische Kolorit verzichten muss Vielleicht ist hier tatsächlich Ruth Macchis Lösung der Vorzug zu geben, denn in der venezianischen Novelle IV, 2 hat dieses Kolorit eigentlich gar keinen erzähllogischen Sinn, und außerdem ist das Wortspiel in dieser Novelle nur ein einziges Mal enthalten Anders liegen die Dinge in VI, 6: Hier begegnet die alliterierende Formel «mondo Maremma» drei Mal und fungiert insofern als derjenige komische Faktor, der letztlich den Witz des Ganzen auch sprachlich trägt Deshalb ist an dieser Stelle eigentlich ein sorgfältiger übersetzerischer Umgang mit dem Wortspiel dringend geboten Dennoch ist unter den hier zu Rate gezogenen Übersetzern Wesselski der einzige, der es unternimmt, für den wortspielerischen Effekt, der den Text in der Ausgangssprache dominiert, eine Entsprechung in der Zielsprache zu finden: Das Geschlecht der Baronci, so schreibt er, sei «das adeligste und älteste … nicht nur in Florenz, sondern auf der ganzen Welt und zu Wasser» . 43 Literarische Wortspiele müssen sich nicht in jedem Fall einer schöpferischen Entscheidung verdanken, mit der eine individuelle Dichterpersönlichkeit ihr kreatives Ingenium demonstriert Gerade das Mittelalter ist ja eine Zeit, die noch ganz im Zeichen traditioneller Dichtungslehren steht, und auch Boccaccio lässt sich davon leiten Das bezeugt sein Einsatz von Stilmitteln, die in diesen Dichtungslehren empfohlen werden, und dazu gehört auch das rhetorische Instrument des Wortspiels Boccaccios enge Bindung an die mittellateinischen artes dictaminis ist von Vittore Branca herausgearbeitet worden, und sie dominiert nicht nur den Hohen Stil der tragischen Novellen des Decameron, sondern kann auch burleske Erzählungen prägen wie VI, 10: 44 Der Wanderprediger «frate Cipolla» ist wieder einmal in Certaldo Er hat eine Reliquie im Gepäck, die er den Gläubigen des Ortes präsentieren will, um damit wohltätige Spenden aus ihnen herauszukitzeln, die dann natürlich nur ihm selbst zugutekommen Bei der Reliquie handelt es sich um eine Feder, die, wie er den zum Gottesdienst versammelten Pfarrkindern mitteilt, dem Flügel des Erzengels Gabriel entstammt Noch am selben Abend werde er die Reliquie vor der Gemeinde zur Schau stellen Unglücklicherweise wohnen der Messe auch zwei alte Freunde des frate bei, die spontan den Plan fassen, ihm einen Streich zu spielen Es gelingt ihnen, sich ungestörten 42 Wesselski 1999, S 370 43 Wesselski 1999, S 547 44 Branca 1981, S 57 Italienisch_84.indb 31 13.11.20 09: 38 32 Decameron - Dekameron Peter Ihring Zugang zu Cipollas Gepäck zu verschaffen Die bunte Feder, auf die sie in einer «bisaccia» des Wanderpredigers stoßen, nehmen sie an sich und ersetzen sie durch einige «carboni», die sie zufällig in einer Zimmerecke finden Soweit zunächst der narrative Plot Boccaccios Erzählkunst betrifft hier aber weniger die Handlungsführung als vielmehr die Charakterisierung des Dieners Guccio Balena, dem der frate den Auftrag erteilt hatte, die Reliquie zu bewachen Pikanterweise legt der Dichter diese Charakterisierung des Guccio Balena dem Wanderprediger selbst in den Mund: «Aveva frate Cipolla un suo fante, il quale alcuni chiamavano Guccio Balena e altri Guccio Imbratta, e chi gli diceva Guccio Porco; il quale era tanto cattivo, che egli non è vero che mai Lippo Toppo ne facesse alcun cotanto . Di cui spesse volte frate Cipolla era usato di motteggiare con la sua brigata e di dire: ‘Il fante mio ha in sé nove cose tali che, se qualunque è l’una di quelle fosse in Salamone o in Aristotile o in Seneca, avrebbe forza di guastare ogni lor vertú, ogni lor senno, ogni lor santità Pensate adunque che uom dee essere egli, nel quale né vertú né senno né santità alcuna è, avendone nove! ’ e essendo alcuna volta domandato quali fossero queste nove cose e egli, avendole in rima messe, rispondeva: ‘Dirolvi: egli è tardo, sugliardo e bugiardo; negligente, disubidiente [sic! ] e maldicente; trascurato, smemorato, scostumato …’» (VI, 10, 15 ‒ 17) Im ersten Teil der Charakterisierung des Guccio Balena begnügt sich Boccaccio noch damit, einfach dem Prinzip der Dreigliedrigkeit zu frönen: «Guccio Balena … Guccio Imbratta … Guccio Porco», «Salamone … Aristotile … Seneca» bzw «vertù … senno … santità» Hier können die Übersetzungen noch mehr oder weniger problemlos folgen Schwieriger wird es dann beim Verzeichnis seiner neun Laster, weil darin zur triadischen Struktur noch eine Folge von Reimen, «avendole in rima messe», hinzutritt: «tardo, sugliardo bugiardo etc .» Den Übersetzern wird hier tatsächlich große Kreativität abverlangt Meißner entscheidet kurzerhand, sich auf ein solches Spiel gar nicht erst einzulassen: «… langsam, träumerisch, lügenhaft, nachlässig, ungehorsam, verleumderisch, unachtsam, vergeßlich und ungezogen» . 45 Ruth Macchi versucht, der Reimform des Originals mit folgenden Versen zu entsprechen: 45 Meißner 1924, II, 204 f Italienisch_84.indb 32 13.11.20 09: 38 3 3 Peter Ihring Decameron - Dekameron «Ungehorsam, schmutzig, verlogen, Hat er voll Tücke stets jeden betrogen Ein Grobian, der nichts als Verleumdung spricht, Stets auf Bosheit und Faulheit erpicht» 46 Ebenso verfährt Witte: «Ein Lügenmaul Ist er und faul, Verstockt in Trutz Und Reich an Schmutz Stets voll Verdacht Und unbedacht; Ein Feind der Pflicht, Ein grober Wicht, Und was er soll, Das tut er nicht» 47 Wesselski bringt die Reime in einer Prosafassung unter: «Er ist nachlässig und faul und ein Lügenmaul, ungehorsam und nichtsnutzig und lästerisch und schmutzig, dumm wie die Nacht und ungeschlacht .» 48 Brockmeier begnügt sich ebenfalls mit Prosa, wobei er im Eifer des Gefechts dem nichtsnutzigen Diener Guccio sogar zehn Laster zuschreibt, was bedeutet, dass in seiner Fassung auch die Dreierstruktur ganz und gar verlorengeht: «…langsam, schmutzig, lügnerisch, frech, zerfahren, verleumderisch, nachlässig und achtlos, zerstreut und sittenlos .» 49 Auf zehn Eigenschaften bringt es auch Soltau, der sich dabei aber als Verseschmied versucht: «Er ist faul, schmutzig und verlogen, ein Lästermaul und ungezogen, nachlässig, ungehorsam, trotzig, und obendrein so dumm als protzig» 50 Welchem Übersetzungsvorschlag ist denn nun der Vorzug zu geben? Die Frage soll offenbleiben, weil es hier ja nicht darum gehen kann, einzelne Leistungen zu prämieren Im Hinblick auf meine leitende Fragestellung möge an dieser Stelle der folgende resümierende Befund genügen: In dem Maße, wie das sprachspielerische Moment im Ausgangstext zum eigentlichen gestal- 46 Macchi 2015, II, S 53 47 Witte 1991, S 505 48 Wesselski 1999, S 562 49 Brockmeier 2017, S 512 50 Soltau 1874, II, S 159 Italienisch_84.indb 33 13.11.20 09: 38 3 4 Decameron - Dekameron Peter Ihring terischen Prinzip wird, setzt jede Übersetzung eine vorherige Abwägung der Prioritäten im Hinblick auf den intendierten Wortwitz voraus Da es nicht möglich ist, alle ästhetischen Merkmale der Quelle gleichermaßen in die Zielsprache zu transponieren, muss sich die Übersetzung auf die priorisierten Merkmale des Ausgangstextes konzentrieren und dadurch gleichzeitig in Kauf nehmen, dass andere Merkmale daneben im Akt der Übertragung verlorengehen Eine weitere Schwierigkeit der Übersetzung hochkomplexer vormoderner Literatur besteht darin, dass die fremdsprachigen Quellentexte mitunter schon an und für sich sehr vertrackte philologische Probleme aufwerfen Das soll im Folgenden am Beispiel des Handlungsausgangs der eben erwähnten Novelle VI, 10 illustriert werden: Als Cipolla am Abend des Tages in Certaldo vor den versammelten Schaulustigen steht, die gespannt darauf sind, von ihm die Feder des Erzengels Gabriel als Reliquie präsentiert und erklärt zu bekommen, muss er völlig überrascht feststellen, dass die Feder verschwunden ist und durch einige Stück Kohle ersetzt wurde Er besinnt sich nicht lang und erzählt dem Auditorium sehr ausführlich von einer Reise, die ihn vor einiger Zeit ins Heilige Land geführt habe, wo sich ihm dann, wie er sagt, die Gelegenheit bot, die Feder an sich zu nehmen: «Arrivai in quelle sante terre dove l’anno di state vi vale il pan freddo quatro denari e il caldo v’è per niente E quivi trovai il venerabile padre messer Nonmiblasmete Sevoipiace, degnissimo patriarca di Ierusalem Il quale, per reverenzia dell’abito che io ho sempre portato del baron messer santo Antonio, volle che io vedessi tutte le sante reliquie le quali egli appresso di sé aveva; e furon tante che, se io ve le volessi tutte contare, io non ne verrei a capo in parecchie miglia, ma pure, per non lasciarvi sconsolate, ve ne dirò alquante Egli primieramente mi mostrò il dito dello Spirito Santo cosí intero e saldo come fu mai, e il ciuffetto del serafino che apparve a San Francesco, e una delle unghie de’ gherubini, e una delle coste del Verbum-caro-fatti-alle-finestre e de’ vestimenti della santa Fé catolica, e alquanti de’raggi della stella che apparve a’ tre Magi in Oriente, e una ampolla del sudore di san Michele quando combatté col diavole, e la mascella della Morte di san Lazzero e altre E per ciò che io liberamente gli feci copia delle piagge di Monte Morello in volgare e d’alquanti capitoli del Caprezio, li quali egli lungamente era andati [sic! ] cercando, mi fece egli partefice delle sue sante reliquie .» (VI, 10, 43-46) Italienisch_84.indb 34 13.11.20 09: 38 35 Peter Ihring Decameron - Dekameron Das lange Zitat umfasst nicht mehr als ein knappes Drittel der ausufernden Rede des frate, mit der dieser seine Zuhörer darauf vorbereiten will, dass er ihnen nicht die versprochene Engelsfeder zeigen wird, sondern einige von den Kohlen, mit denen seinerzeit der Märtyrer Laurentius auf einem Eisenrost gegrillt wurde . 51 Erwartungsgemäß lassen sich die Anwesenden von der Rhetorik des Wanderpredigers manipulieren und sind am Ende dankbar dafür, dass er ihnen das segensreiche Wirken der wundertätigen Kohlen ankündigt Nach Mario Baratto nutzt Cipolla hier die von ihm spontan improvisierte Rede als Instrument von «menzogna e sopraffazione» . 52 Es leuchtet ein, dass sich ein solcher Erzählbaustein in idealer Weise dafür anbietet, dass sich die wortspielerische Kreativität des «novellatore» Dioneo bzw des Autors Boccaccio nach Herzenslust austoben kann Und wenn man bedenkt, dass, wie oben bereits angemerkt, kaum etwas schwieriger zu übersetzen ist als das Spiel mit Sprache, dann kann es schon fast seltsam anmuten, dass es bei einem Vergleich der sechs hier konsultierten deutschen Quellentexte so aussieht, als seien in dem hier zitierten Auszug aus Cipollas Rede nur die beiden markierten Passagen wahrhaft schwer zu übersetzen Es hat lange gedauert, bis die erste Passage wirklich überzeugend ins Deutsche übertragen wurde, und das lag nicht daran, dass sie philologisch besonders aufwendig hätte erschlossen werden müssen Vielmehr kann man Boccaccios Sprachspiel hier nicht anders nennen als ‘einfach genial’, und zwar deshalb, weil es so genial einfach ist Für die beiden markierten kurzen Hauptsätze «vale il pan freddo quatro denari e il caldo v’è per niente» fanden sich in der Vergangenheit die folgenden halbwegs befriedigenden Übersetzungsalternativen: «wo kaltes Brot im Sommer vier Taler kostet, das heiße dagegen für gar nichts zu haben ist» 53 ; «wo das kalte Brot im Sommer vier Heller gilt und das warme gar nichts» 54 ; «wo das alte Brot in einem Sommerjahr vier Heller gilt, das frische aber umsonst gegeben wird» 55 Bis dahin kann Wittes Übersetzung als diejenige erscheinen, die den Ausgangstext am genauesten wiedergibt Aber aus meiner Sicht hat erst Vittore Branca das durch Boccaccios Formulierung aufgeworfene Verständnisproblem wirklich gelöst Er kommentiert nämlich in seiner Edition das Wort «caldo» folgendermaßen: «anfibologia: non, come sembra, il pan caldo, ma il caldo de l’estate» 56 Mit diesem Wissen im Kopf kann dann Peter Brockmeier in seiner Ausgabe aus 51 Die als Reliquie präsentierten Kohlen haben diesen Vorgang ganz offensichtlich unversehrt überstanden 52 Baratto 1984, S .74 53 Macchi 2015, II, S 58 54 Wesselski 1999, S 567 55 Witte 1991, S 510 56 Boccaccio 1992, S 770 Italienisch_84.indb 35 13.11.20 09: 38 36 Decameron - Dekameron Peter Ihring dem Jahr 2012 korrekt übersetzen: «[sc .: im Heiligen Land,] wo im Sommer kaltes Brot vier Pfennige wert und die Wärme umsonst ist» 57 Jetzt zur zweiten Passage «gli feci copia …»: An dieser Stelle sind wirklich philologische Voruntersuchungen erforderlich Das Ganze ist natürlich ein Wortspiel mit Bezug auf obszöne Sachverhalte Ohne dass auf einzelne Details weiter eingegangen werden müsste, möge im gegenwärtigen Zusammenhang die Anregung genügen, dass der Leser/ die Leserin im Hinblick auf diese Passage Brancas Kommentar konsultieren sollte, um sich dann unter dieser philologischen Anleitung nach Herzenslust seinen/ ihren obszönen Phantasien hingeben zu können Die vorliegenden deutschen Übersetzungen dieser Passage sind eine einzige Bankrotterklärung, und auch Brockmeier hat hier seine Branca-Ausgabe nicht so gründlich studiert, wie es erforderlich gewesen wäre Vielleicht lag es auch daran, dass man in Deutschland dem edel geistvollen Boccaccio solche wirklich derben Obszönitäten einfach nicht zutrauen wollte Das Missverständnis, dem alle Übersetzer ohne Ausnahme aufgesessen sind, lässt sich ganz einfach veranschaulichen durch einen Hinweis auf ihre Deutung des Wortes ‘volgare’ in der Passage «gli feci copia delle piagge di Monte Morello in volgare» Als Literaten sind sie wohl davon ausgegangen, dass dieses Wort bei dem Meister des fiorentin volgare niemals anders zu übersetzen sein könne als durch den korrespondierenden Begriff ‘Volkssprache’ bzw durch ‘Italienisch’ Das Wort lässt sich aber auch ganz einfach im Sinne des deutschen Adjektivs ‘vulgär’ verstehen, und dieses Verständnis hätte hier das Richtige getroffen Indes sind die sexuellen Konnotationen von «piagge di Monte Morello», «capitoli del Caprezio», «sue sante reliquie» natürlich nicht der italienischen Standardsprache zuzuordnen, sondern sie gehören in den Kontext der verschiedenen Varianten des italienischen gergo Die ausufernde Ansprache, mit der Cipolla sein frommes Publikum manipuliert, um die Menschen darauf vorzubereiten, dass er ihnen die versprochene Reliquie nicht präsentieren kann, ist einem Typus monologischer Rede zuzuordnen, den man gut unter dem Begriff ‘Betäubungs-’ oder besser noch ‘Betörungsrede’ fassen kann In solchen Reden geht es darum, einen Zuhörer oder eine Zuhörergruppe durch Sprachmagie zu blenden, d .h durch einen funkensprühenden Wortschwall, der den Verstand des oder der jeweils Angesprochenen möglichst außer Kraft setzen soll Das funktioniert natürlich bei solchen Zuhörern besonders gut, wo von vornherein nicht viel Verstand ist, der außer Kraft zu setzen wäre Betörungsreden finden sich im Decameron noch häufiger, die umfangreichsten sind in VIII, 3 und VIII, 9 enthalten In VIII, 3, 8 ‒ 24 will der beffatore Maso del Saggio, den übrigens 57 Brockmeier 2017, S 516 Italienisch_84.indb 36 13.11.20 09: 38 37 Peter Ihring Decameron - Dekameron auch Cipolla in seiner Rede (VI, 10, 42) erwähnt, die Neugier des stadtbekannten Dummkopfs Calandrino wecken, um diesen dazu zu bringen, dass er sich ins Tal des Mugnone außerhalb von Florenz begibt, um dort nach einem wundertätigen Stein, dem «eliotropia», zu suchen . 58 Und in VIII, 9, 15 ‒ 30 sucht der Maler Bruno den einfältigen Arzt Maestro Simone aus Bologna auf, um ihm von den regelmäßigen Zusammenkünften eines hochexklusiven Kreises von weitgereisten Weltmännern zu erzählen und ihn so dazu zu motivieren, sich grotesken Aufnahmeritualen zu unterziehen Die obige Analyse der Betörungsrede des frate hat gezeigt, dass solche monologischen Redestücke den Übersetzer vor große Probleme stellen Das hat damit zu tun, dass sich in solchen Reden die Sprache insofern verabsolutiert, als sie sich darin fast frei von allen Bedeutungszwängen entfalten kann Hier tut sich also ein fruchtbares Feld auf, das noch mit vielen weiteren Übersetzungsanalysen beackert werden könnte Den drei angesprochenen Betörungsreden ist gemeinsam, dass sie alle in Florenz oder in der näheren Umgebung der Stadt gehalten werden und dass sie außerhalb dieses Schauplatzes auch gar nicht denkbar sind Denn die darin enthaltenen Wortspiele verarbeiten oft genug Ortsbezeichnungen, die der Topographie der Stadt entstammen, wodurch zum Beispiel in VIII, 9 der Arzt Simone aus Bologna an der Nase herumgeführt werden kann, weil ihm diese Ortsbezeichnungen überhaupt nichts sagen Die Schauplätze der drei ‘Betörungsnovellen’ sind also, ebenso wie der situative Hintergrund der Zusammenkünfte der ‘brigata’ insgesamt, in «der innerweltlichen Nah-Ferne des contado» 59 von Florenz angesiedelt, der das szenische Zentrum des Decameron bildet Diese lokale bzw regionale Verankerung des Ganzen legt die Frage nah, inwieweit sich denn die Verwendung lokaler bzw regionaler Varietäten der Volkssprache auf die Übersetzbarkeit des Werkes auswirkt Es versteht sich von selbst, dass die normgebende Varietät, das fiorentin volgare, in der Übersetzung durch die deutsche Standardsprache wiederzugeben ist Aber wie ist mit anderen Varietäten des Italienischen zu verfahren, mit einzelnen Dialekten, die im Decameron ebenfalls erklingen, zumindest in der einen oder anderen Novelle? Die Analyse der entsprechenden Passagen soll den Abschluss der hier vorgenommenen Übersetzungsanalyse bilden * Giovanni Boccaccio ist als Jüngling mit seinem Vater nach Neapel gegangen und hat sich dort umsehen können, bis die Familie im Jahr 1340 infolge des finanziellen Zusammenbruchs des Bankhauses Bardi in ihre toskanische 58 Calandrino freilich ist so dumm, dass er Maso immer wieder durch Fragen unterbricht und ihn so zu immer neuen Wortspielen anstachelt 59 Ellerbrock 2019, S 40 Italienisch_84.indb 37 13.11.20 09: 38 3 8 Decameron - Dekameron Peter Ihring Heimat zurückkehren musste Die südlichen Varietäten der italienischen Volkssprache waren ihm also wohlvertraut, und in einigen Novellen des Decameron finden sich auch sprachliche Zeugnisse dafür So sind in VIII, 10 die Äußerungen der Madonna Iancofiore, einer Kurtisane aus Palermo, nach Auskunft von Vittore Branca, durch «forme meridionali» 60 gewürzt, welche die Erzählung um einen ausgeprägt lokalen bzw regionalen Ton bereichern Das geht aber nie so weit, dass die entsprechenden Passagen ein solches Gewicht hätten, dass sich daraus witzige Pointen ergeben würden Vielmehr bilden die sicilianismi der Novelle ein Hintergrundrauschen, eine Art klangliches Lokalkolorit, mehr nicht Sie können daher in den deutschen Übersetzungen ohne großen ästhetischen Verlust unter den Tisch fallen Ähnlich verhält es sich mit dem Incipit einer neapolitanischen canzone, die das Finale der Basilikum-Novelle IV, 5 bildet: «Qual esso fu lo malo cristiano,/ che mi furò la grasta etc .» . 61 Übersetzungen dieser Passage schlagen «Blumenstock» bzw «Blumentopf» für die Dialektvokabel «grasta» vor Als einziger von den ausgewerteten Übersetzern fühlt sich Meißner veranlasst, den süditalienischen Ton des Zitats ins Deutsche zu übernehmen, und zwar dadurch, dass er dem Wort «grasta» in der Weise gerecht zu werden versucht, dass er von einem «salernitanischen Basilikum» 62 spricht Ein ungleich größeres Gewicht haben dialektale Sprachformen dann, wenn sie als Instrument im Rahmen einer poetischen Strategie zur Erzeugung komischer Effekte fungieren Das kann auch dann der Fall sein, wenn der entsprechende erzählerische Kontext insgesamt gar kein durchgängig komisches Profil hat Das gilt etwa für II, 9, eine Erzählung, die ihrem ganzen Gepräge nach dem narrativen Modell des hellenistischen Abenteuerromans folgt Thema ist die Rehabilitierung der Ehefrau des Bernabò Lomellin aus Genua Ihr Name ist Ginevra, sie selbst aber spricht diesen Namen, ebenso wie auch alle anderen Figuren der Novelle, in genuesisch dialektaler Lautung als «Zinevra» aus . 63 Das sorgt am Ende des Handlungsbogens, nach Auflösung aller hochkomplizierten Verwicklungen, für einen komischen Effekt: Die tragenden Akteure des Geschehens sind in Alessandria am Hofe des Sultans versammelt, dessen Vertrauen sich Zinevra in Männerkleidern aufgrund ihrer Tüchtigkeit als Minister über viele Jahre hinweg erworben hat Nun steht sie vor ihrem Dienstherren zusammen mit ihrem Ehemann, der, noch in Genua, befohlen hatte, sie zu töten, weil er aufgrund unge- 60 Boccaccio 1992, S 1012 61 Diese canzone ist auch unabhängig vom Decameron in anderen mittelalterlichen Manuskripten überliefert 62 Meißner 1924, II, S 55 63 Branca spricht diesbezüglich von «pronunzia genovese» Boccaccio 1992, S 292 Italienisch_84.indb 38 13.11.20 09: 38 39 Peter Ihring Decameron - Dekameron rechtfertigter Anschuldigungen davon überzeugt war, dass sie ihn betrogen habe Der Ehemann lebt in dem Glauben, sein Befehl sei seinerzeit ausgeführt worden, und der böse Verleumder von damals ist ebenfalls anwesend Die ganze üble Geschichte war dem Sultan von den Beteiligten selbst gerade zu Ende erzählt worden, da gibt sich Zinevra als Frau zu erkennen, und darüber hinaus als die zu Unrecht beschuldigte Gemahlin des völlig entgeisterten Bernabò In diesem Zusammenhang äußert sie in Gegenwart aller, aber insbesondere an den Sultan gerichtet, den dialektal gefärbten Satz: «Signor mio, io sono la misera sventurata Zinevra» (II, 9, 68) Aufgrund der Verwendung der dialektalen Form «Zinevra» ergibt sich hier ein Alliterationseffekt, der im Falle des standardsprachlichen «Ginevra» deutlich schwächer profiliert wäre: «Signor mio, io sono la misera sventurata Zinevra» Es versteht sich von selbst, dass die Übersetzungen an dieser Stelle die Komik der Originalfassung nicht reproduzieren können Eine andere Erzählung, in der durch den witzigen Gebrauch dialektaler Sprachformen eine komische Wirkung erzielt wird, ist in Florenz angesiedelt Es handelt sich um die Novelle VI, 4: Im Hause des wohlhabenden Patriziers Currado Gianfigliazzi arbeitet der Venezianer Chichibío als Koch Für ein festliches Essen, das am Abend stattfinden soll, bereitet er im Backofen eine «gru» vor, einen Kranich Vom Bratenduft angelockt, kommt die hübsche Brunetta herbei, auf die Chichibío schon seit langer Zeit ein Auge geworfen hat Kokett bittet sie ihn, ihr doch eine «coscia» zum Probieren zu geben Um die naschhafte Jungfer etwas schmoren zu lassen, weist Chichibío sie neckisch ab und gerät dabei in solchen Übermut, dass er in den heimatlichen Dialekt verfällt: «Chichibío le rispose cantando e disse: ‘Voi non l’avrí da mi, donna Brunetta, voi non l’avrí da mi’» Keiner der zu Rate gezogenen Übersetzer hat versucht, das dialektale Gepräge von Chichibíos Äußerung im Deutschen zu reproduzieren Insofern haben alle ihre Aufgabe gleich gut oder gleich schlecht erfüllt Es gibt hier aber dennoch Anhaltspunkte für eine qualitativ abgestufte Beurteilung der einzelnen Übersetzungsvorschläge, und zwar bezüglich des Wortes «cantando», welchem Branca in seiner Anmerkung ein besonderes Gewicht zuteilwerden lässt Dabei zitiert er zur Unterstützung aus einem älteren Boccaccio-Kommentar: «‘Parlando nel suo dialetto, che per l’abbondanza delle parole tronche e per la varietà delle intonazioni può parere, ai non Veneziani, un canto’ (Massera) Qui il B [sc : Boccaccio] si riferisce probabilmente a quelle tronche rimate e a quelle riprese di parole che danno all’intervento di Chichibío un tono proverbioso, da cantilena, da celia familiare .» 64 64 Boccaccio 1992, S 732 Italienisch_84.indb 39 13.11.20 09: 38 4 0 Decameron - Dekameron Peter Ihring Während die anderen Übersetzer sich auf ein bloßes «singend» beschränken, sind Brockmeier und Macchi an dieser Stelle etwas anspruchsvoller: Macchi schlägt vor: «Chichibío aber sang ihr in die Ohren: ‘Von mir kriegt ihr sie nicht! Von mir kriegt ihr sie nicht, Donna Brunetta’» 65 Mehr noch überzeugt mich hier Brockmeiers Lösung: «Trällernd antwortete er ihr: ‘Von mir nicht, Madonna, niemals von mir’» 66 Die zweite Novelle aus dem Decameron, in welcher der venezianische Dialekt als inhaltliches Element zur Erzeugung von Komik fungiert, ist auch mit ihrer Handlung in Venedig situiert In IV, 2 gelingt es dem frate Alberto, mit einer oben bereits kurz skizzierten List, die Venezianerin Lisetta zu verführen, deren Ehemann abwesend ist, weil er sich bei Geschäftspartnern in Genua aufhält Lisetta beendet ihren langen, von eitler Selbstgefälligkeit getragenen Monolog, mit dem sie ihrer Freundin davon erzählt, dass der Erzengel Gabriel ihren Reizen verfallen sei, mit der dialektalen Wendung «mo vedi vu? » . 67 Während dieser Satz in der Originalfassung einen der vielen Höhepunkte dieser herrlichen Novelle bildet, müssen die Formeln, mit denen er in den deutschen Übersetzungen wiedergegeben wird, blass und nichtssagend wirken, und zwar hauptsächlich deshalb, weil die durch den dialektalen Ton eingebrachte Komik im Deutschen nicht zu reproduzieren ist Das Spektrum reicht von Ruth Macchis «Versteht Ihr? » 68 über Wesselskis «Na, was sagt ihr jetzt? » 69 bis hin zu Brockmeiers lapidarem «so ist das» . 70 All diesen Formeln ist gemeinsam, dass man sie ohne großen ästhetischen Verlust auch weglassen könnte . * Die hier vorgenommenen übersetzungskritischen Stichproben haben ergeben, dass sich die poetische Komplexität des Decameron in einer deutschen Übersetzung nicht in all ihren Facetten erhalten lässt Verantwortlich dafür ist zum einen die besondere Nähe des fiorentin volgare zu seinen lateinischen Wurzeln, zum anderen Boccaccios geniales Spiel mit den Möglichkeiten jener Prosa, die er schon in der Frühzeit der italienischen Literatur zur künstlerischen Vollendung gebracht hat Das Decameron ist ein europäisches Weltbuch im selben Sinne wie der Don Quijote Es verbindet das (spät-)antike Erbe 65 Macchi 2015, II, S 25 66 Brockmeier 2017, S 494 67 Boccaccio 1992, S 499 In einer Anmerkung schreibt Branca dazu: «ora vedete voi, in veneziano (un po’ approssimativo invece di vedé) cioè avete capito? : modo usato a concludere un discorso» 68 Macchi 2015, I, S 458 69 Wesselski 1999, S 370 70 Brockmeier 2017, S 347 Italienisch_84.indb 40 13.11.20 09: 38 41 Peter Ihring Decameron - Dekameron mit einem hochliterarischen Lobpreis der humanen Idealität des mittelalterlichen Rittertums, der bei Boccaccio noch sehr viel weniger ironisch gebrochen ist als bei Cervantes Aber auch die krude Wirklichkeit des materiellen Lebens ist im Decameron zu finden, jedoch ist sie ästhetisch aufgehoben in einer sprachlichen Virtuosität, in deren freiem Spiel jener Glanz des fiorentin volgare aufblitzt, dem keine Übersetzung durchgängig gewachsen ist Abstract Il Decameron di Giovanni Boccaccio è un testo classico della letteratura europea Molte volte è stato tradotto dalla lingua originale, il fiorentin volgare, in tedesco In questo studio vengono analizzate sei traduzioni, pubblicate fra il 1786 e il 2012 L’attenzione si concentra in prima linea in quei brani che offrono problemi particolari al traduttore L’esame mostra che soprattutto i numerosi giochi di parole e le espressioni dialettali spesso sono difficilmente traducibili In alcuni casi la traduzione non può essere veramente considerata come una riproduzione adeguata dell’originale trecentesco Summary As a literary classic, Giovanni Boccaccio’s Decameron has regularly been translated into German language This study looks at six translations that were published between 1786 and 2012, focusing on the question which parts of the work have usually resulted in being especially challenging for translators In fact, Boccaccio uses his own language, the fiorentin volgare, as well as an array of dialects and linguistic forms of the Trecento as an aesthetic tool on several occasions The study identifies these original lines as the most difficult to render into German language Bibliographie Quellen Boccaccio, Giovanni: Decameron, a cura di Vittore Branca 2 volumi Torino: Einaudi 1992 Boccaccio: Das Decameron Übers von A .G Meißner 3 Bde München: Allgemeine Verlagsanstalt 1924 Das Dekameron des Boccaccio Übers Dietrich Wilhelm Soltau Berlin: Hofmann 1874 Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron Übers Karl Witte München: Artemis & Winkler 1991 Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron Deutsch von Albert Wesselski Frankfurt und Leipzig: Insel 1999 Italienisch_84.indb 41 13.11.20 09: 38 42 Decameron - Dekameron Peter Ihring Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron Übers Ruth Macchi 2 Bde Darmstadt: Lambert Schneider 2015 Boccaccio, Giovanni: Das Decameron Übers Peter Brockmeier Stuttgart: Reclam 2017 Sekundärliteratur Baratto, Mario: Realtà e stile nel Decameron Roma: Editori Riuniti 1984 Bembo, Pietro: Prose della volgar lingua - Gli Asolani - Rime, a cura di Carlo Dionisotti Torino: UTET 1966 Branca, Vittore: Boccaccio medievale e nuovi studi sul ‘Decameron’ Firenze: Sansoni 1981 Bertelsmeier-Kierst, Christa: «Wer rezipiert Boccaccio? Zur Adaption von Boccaccios Werken in der deutschen Literatur des 14 Jahrhunderts», in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 127 (1998), S 410 ‒ 426 Bertelsmeier-Kierst, Christa: «Zur Rezeption des lateinischen und volkssprachlichen Boccaccio», in: Giovanni Boccaccio in Europa Studien zu seiner Rezeption in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg von Achim Aurnhammer und Rainer Stillers, Wiesbaden: Harrassowitz 2014, S 131 ‒ 153 Cucchi, Paolo Martino: The first French Decameron. A Study of Laurent de Premierfait’s translation Ann Arbor Univ Microfilms 1975 Ellerbrock, Karl Philipp: «Florenz Das Gemeinwesen und das Wort der Dichter», in: Italienisch. Zeitschrift für italienische Sprache und Literatur 82 (2019), S 35 ‒ 54 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte Frankfurt: Suhrkamp 1973 Klesczewski, Reinhard: «Frühe italienische Novellistik in deutschen Übersetzungen», in: Italienische Literatur in deutscher Sprache Bilanz und Perspektiven, hrsg von Reinhard Klesczewski und Bernhard König, Tübingen: Narr 1990, S 123 ‒ 130 Kopp-Kavermann, Maria: «ORIENTierungen Begegnungen zwischen Abendland und Morgenland im Decamerone», in: Raumerfahrung - Raumerfindung Erzählte Welten des Mittelalters zwischen Orient und Okzident, hrsg von Laetitia Rimpau und Peter Ihring, Berlin: Akademie-Verlag 2005, S 195 ‒ 211 Mann Thomas: «Meerfahrt mit Don Quijote», in: ders ., Reden und Aufsätze 1 Frankfurt: Fischer 1974, S 427 ‒ 477 Neuschäfer, Hans-Jörg: «Boccaccio, Cervantes und der utopische Possibilismus», in: Europäische Dimensionen des ‘Don Quijote’ in Literatur, Kunst, Film und Musik, hrsg von Tilman Altenberg und Klaus Meyer-Minnemann, Hamburg: Hamburg University Press 2007, S 47 ‒ 62 Rubini Messerli, Luisa: Boccaccio deutsch Die Dekameron-Rezeption in der deutschen Literatur 2 Bde Amsterdam/ New York: Rodopi 2005 Schiaffini, Alfredo: Tradizione e poesia nella prosa d’arte dalla latinità medievale a G. Boccaccio Roma: Storia e Letteratura 1943 Wolf, Gerhard: Von der Chronik zum Weltbuch Sinn und Anspruch südwestdeutscher Hauschroniken am Ausgang des Mittelalters Berlin: De Gruyter 2002 Italienisch_84.indb 42 13.11.20 09: 38 4 3 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 023 N I C O L A D I N I N O Attesa e Rivelazione Simone Weil e Cristina Campo Negli ultimi anni sono stati pubblicati diversi contributi sull’influenza esercitata da Simone Weil su alcuni nostri scrittori . 1 Se l’argomento era noto da tempo, un rinnovato interesse comparatistico e interdisciplinare ha fatto sì che la materia fosse finalmente studiata con delle indagini di prima mano che proviamo ad arricchire con un contributo sull’incidenza del pensiero della francese su quello di Cristina Campo (al secolo Vittoria Guerrini 1923-1977) . 2 «Due mondi - e io vengo dall’altro» 3 è il verso che apre quello che la critica ha da tempo definito il testamento poetico-spirituale della Campo: ci riferiamo al Diario bizantino che uscì postumo nel gennaio del 1977 . 4 Un verso che riassume il dialogo tra l’umano e il sovraumano presente nell’intera opera della scrittrice Partiamo dalla fine, prima di risalire il piccolo manipolo dell’opera campiana (una trentina di poesie e poco più di una dozzina di saggi 5 ), per dimostrare come il dialogo con il pensiero della scrittrice francese lasciò un segno profondo nella produzione della nostra autrice 1 Pieracci Harwell 2002; Pieracci Harwell 2003; Splendorini 2008; Lupo 2012; Borghesi 2014 e Bart 2019 2 Una prima ricostruzione del legame della Campo con la Weil fu fatto da Margherita Pieracci Harwell che, com’è noto, ebbe un lungo rapporto d’amicizia con Cristina (raccontato in Campo 1999) Si vedano i capitoli Maestri come amici: Hofmannsthal/ Weil, in: Pieracci Harwell 2005, pp 31-102 Una biografia, in larga parte romanzata, di Cristina Campo si legge in De Stefano 2002 3 Diario bizantino, in: Campo 1991, p 45 4 Uscì su Conoscenza religiosa nel numero di gennaio-marzo del 1977 La Campo collaborò assiduamente al successo della rivista fondata dal compagno Elémire Zolla nel 1969 5 Le poesie sono state raccolte nel volume Campo 1991 e i saggi sono nel volume Campo 1987 Italienisch_84.indb 43 13.11.20 09: 38 4 4 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino La scoperta nel Cinquanta La Campo scoprì la Weil nei primi anni Cinquanta quando Mario Luzi le fece leggere La pesanteur et la grâce (1947), 6 il primo volume edito di scritti della filosofa Giova forse ricordare che questa non elaborò mai il suo pensiero in una serie coerente di opere ma, al contrario, esso si legge sparso in diversi scritti organizzati e pubblicati tutti postumi (la donna morì poco più che trentenne nel 1943 e in vita pubblicò qualche articolo di tema sociopolitico 7 ) tra il 1947 e il 1966 grazie al coinvolgimento della famiglia e di Joseph-Marie Perrin, padre spirituale della Weil negli ultimi suoi anni di vita L’interesse dei nostri intellettuali per l’autrice d’oltralpe fu immediato: Anna Maria Chiavacci Leonardi scrisse il primo saggio italiano sulla Weil nel 1952 seguito, qualche anno dopo, da un volume di Gianfranco Draghi Inoltre le Edizioni di Comunità pubblicarono con ritmo incalzante le traduzioni fatte da Franco Fortini 8 e Ignazio Silone riservò notevole spazio alla Weil fin dai primi numeri della rivista Tempo Presente che aveva fondato con Nicola Chiaromonte nel 1956 . 9 In questo fervore di letture e discussioni la Campo si applicò con dedizione allo studio della Weil e già nel 1952 il volume La pesanteur et la grâce era stato completamente assimilato come si deduce non solo dalla ripresa letterale del titolo nel saggio La gravità e la grazia nel Riccardo II ma anche 6 Il volume fu edito da Plon nel 1947 e tradotto da Fortini in L’ombra e la grazia per le Edizioni di Comunità nel 1951 Questa la ricostruzione di Luzi: «Ricordo una visita che feci a Maria Chiappelli […] Eravamo in giardino: io avevo in tasca, appena arrivato, l’ultimo libro di Simone Weil, e ero incerto a chi delle due amiche, donne di valore ambedue, darlo A un certo punto venne Cristina e decisi per lei» Luzi 1998, p 238 7 Invece di includere una lunghissima bibliografia critica sulla Weil, preferiamo rinviare a chi ha diligentemente adempiuto a questo compito: Di Domenico 2008 Il rapporto della Weil con il marxismo andrebbe rivisto in considerazione delle critiche che la francese espresse verso il movimento (cfr Pétrement 1973, vol I, pp 201-202) Un’ambiguità che era stata colta dalla Campo che, seppur disinteressata ai movimenti politici ma attenta alle implicazioni sociali, aveva criticato uno scritto della Weil sull’Elettra e destinato agli operai Secondo l’italiana «la destinazione infirma il testo Simone leggeva l’Elettra come un testo simbolico […] Ma poiché questo all’operaio non si può spiegare, questa Elettra ‘raccontata’ non ha più nessun senso, è una storia di dolore, sì, ma non troppo bella (dato il finale) e, volate via le ali sublimi dei versi, che ne rimane? », in: Campo 1999 (lettera dopo il 29 Aprile 1963), pp 179-180 8 Chiavacci 1959; Draghi 1958; di Fortini sono: L’ombra e la grazia, 1951 (La pesanteur et la grâce, intr di G Thibon, Paris: Plon 1947), La condizione operaia, 1952 (La condition ouvrière, intr di A Thévenon, Paris: Gallimard 1951), La prima radice Preludio a una dichiarazione dei doveri verso la creatura umana, 1954 (L’enracinement Prélude à une déclaration des devoirs envers l’être humain, Paris: Gallimard 1949), tutti usciti per le Edizioni di Comunità 9 Il primo articolo uscì nel numero 4 del luglio 1956: S Pétrement, La critica del marxismo in Simone Weil, pp 320-329 Italienisch_84.indb 44 13.11.20 09: 38 4 5 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione nell’esplicita confessione fatta a Remo Fasani nell’inviargli lo scritto ancora incompiuto: «È pieno di riferimenti a S .W . - e idealmente orientato verso di lei - perché ho pensato, leggendo il Riccardo, che se non fosse morta così presto, S .W ne avrebbe un giorno parlato Accolga questo babillage, in luogo della stupenda parola di S .W ., come pegno del nostro comune amore per lei .» 10 Poi nel 1953 la Campo contribuì al dibattito critico con la sua prima versione italiana di uno scritto della Weil sull’arte . 11 Da allora l’interesse fu crescente e passò da una semplice affinità di pensiero ad una vera e propria adesione a molti concetti centrali del pensiero weiliano Al 1956 risale il progetto editoriale per una rivista che avrebbe dovuto intitolarsi Attenzione, anticipato su Stagione col titolo Appunti per una rivista di giovani In questa bozza Cristina spiegava come il nuovo giornale avesse dovuto sostituire «il concetto d’attualità» con quello di «presenza» che significava «attenzione, unica via per realizzare e realizzarsi» I contributi avrebbero dovuto offrire un’«attenta lettura della realtà e dell’arte», una «lettura totale, a piani multipli: poetica, umana, spirituale, religiosa e simbolica Che leghi tempo a tempo, spirito a spirito, crei rapporti, sveli analogie […] Un discorso che sia del tempo e fuori del tempo» . 12 Una rivista, infine, che avrebbe dovuto dedicare «estrema attenzione ai libri poco letti, magari non letterari» Ma se il progetto non fu mai realizzato, è importante sottolineare come il concetto di attenzione, vocabolo reiterato molte volte nello scritto, la Campo lo apprese leggendo La pesanteur et la grâce in cui l’attenzione era descritta come àskesis, un esercizio ascetico che prevedeva un coinvolgimento fisico e mentale di tutto l’essere In questi termini, essa non solo acquisiva valore religioso, «L’attenzione estrema costituisce nell’uomo la facoltà creatrice; e la sola attenzione estrema è religione La quantità di genio creatore di un’epoca è rigorosamente proporzionale alla quantità di attenzione estrema, e quindi di autentica religione, esistente in quell’epoca», ma diventava anche forma alternativa alla preghiera: «L’atten- 10 Il saggio rimase inedito fino alla sua inclusione in Campo 1998, pp 23-30 Era stato inviato a Fasani in una lettera del 20 gennaio 1952 11 Le traduzioni della Campo sono: S Weil, Dell’arte, La posta letteraria del «Corriere dell’Adda», Lodi, 12 dicembre 1953; «Lottiamo noi per la giustizia? », Tempo Presente, Roma, I, 8, 1956; «Pensieri e lettere», Letteratura, Roma, 39-40, 1959; Venezia salva, Brescia: Morcelliana 1963 (ora in: Weil 1987 da cui citiamo); La Grecia e le intuizioni precristiane, a cura di M Pieracci Harwell e C Campo, Milano: Rusconi 1974 12 L’articolo uscì su Stagione, III, 9, 1956 e ora si legge in Campo 1998, pp 195-197 Italienisch_84.indb 45 13.11.20 09: 38 4 6 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino zione assolutamente pura è preghiera» . 13 Secondo la Weil l’attenzione era una qualità rara che permetteva il superamento della propria persona, simbolo dell’errore, e l’ingresso nell’impersonale, il regno della perfezione dei mistici che aspiravano a raggiungere uno stato «in cui non rimanga più nella loro anima nessuna parte che dica ‘io’ .» 14 La Campo trovò in Jaffier, il protagonista dell’incompiuta tragedia Venice sauvée 15 , un esempio di individuo dotato di massima attenzione L’opera della Weil, basata sul tentativo di congiura contro Venezia da parte degli spagnoli nel 1616, fu analizzata in un copione destinato al programma radiofonico L’approdo cui la Campo collaborava . 16 In questo scritto del 1956 Cristina sosteneva che il proposito della Weil fosse quello di presentare nella tragedia il rapporto «tra la legge di necessità e l’amore soprannaturale» definito anche «facoltà di attenzione pura» E Jaffier era il «personaggio capace di fare da contrappeso, fragile e pur potente, alla legge di necessità» in quanto «essere capace di attenzione pura» . 17 Nello svolgersi della vicenda il protagonista appariva come l’unico in grado di «vedere quella città», di «percepire la sua reale esistenza» e di arrestare «il destino orrendo» di Venezia rivelando la congiura Se alla fine, continuava la Campo, la sua denuncia lo rese un «traditore» agli occhi dei compagni per la città essa significò invece salvezza e per Violetta, la donna amata, «giovinezza, speranza e gioia» . 18 Jaffier diventò un esempio di eroe tragico perfetto e giusto: con la sua costante attenzione seppe mediare tra i due mondi, il reale e l’immaginario, cogliere l’errore e far vincere la giustizia . Divergenze e riavvicinamenti: il Sessanta L’assimilazione dei concetti weiliani continuava nel lungo scritto Parco dei Cervi. 19 Questo, una specie di prosa d’arte articolata per accumulo di pensieri spesso non collegati tra loro e diviso in tre parti di cui le prime due del 1953 e poi ampliate nel 1960, ben rappresenta il modus operandi della Campo che era solita ritornare sui propri scritti anche a distanza di diversi anni apportando modifiche talvolta radicali nello stile e nelle idee 13 Weil 1985, p 125 14 Weil 1959, p 60 15 Weil 1957 16 C Campo, Una tragedia di Simone Weil: «Venezia salvata», dattiloscritto datato 1956 e edito in Campo 1998, pp 51-57 L’approdo fu fondato da Adriano Seroni e Leone Piccioni nel 1944 e andò in onda dagli studi di Firenze fino alla metà degli anni ’50 Ebbe anche un equivalente programma televisivo trasmesso dal 1963 al 1972 17 Campo, Una tragedia di Simone Weil.. ., in: Campo 1998, p 52 18 Ivi, p 56 19 C Campo, Parco dei cervi, in: Campo 1987, pp 143-163 Italienisch_84.indb 46 13.11.20 09: 38 47 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione In questa prosa Cristina proseguiva il dialogo con la Weil e, seguendo il modello offerto da Jaffier, presentava per la prima volta il poeta come un «nemico della legge di necessità», in quanto abile a «mutare le notti in giorni, le tenebre in luce» . 20 Ma nel saggio si trovano anche abbozzati alcuni concetti che la scrittrice articolerà meglio in seguito e la distanzieranno dal modello weiliano Ad esempio, la Campo cominciò a sviluppare l’idea che l’assoluto manifesti la sua presenza nel reale Nella scrittura poetica, spiegava, «un’immagine della prima infanzia, il nome strano di un albero, l’insistenza di un gesto» restano «per anni» indecifrabili fino a quando «la rivelazione» 21 li riempie di significato In altre parole, il poeta, facendosi interprete di queste epifanie, comprende e comunica il mistero E nella terza parte di Parco dei cervi, scritta nel 1962 e successivamente resa indipendente col titolo Della fiaba e inserita nel Flauto e il tappeto del 1971, questo concetto fu ulteriormente ampliato Cristina, scrivendo che «la caparbia, ininterrotta lezione delle fiabe è la vittoria sulla legge di necessità e assolutamente niente altro, perché niente altro c’è da imparare su questa terra» 22 , affidava anche allo scrittore di fiabe, al pari del poeta, l’abilità di cogliere e interpretare i segni del soprannaturale nel mondo terreno Seppur appena accennata, quest’idea era in aperto contrasto con il pensiero della Weil la quale, in Attesa di Dio, aveva categoricamente affermato come «i beni più preziosi non devono essere cercati ma attesi L’uomo, infatti, non può trovarli con le sue sole forze, e se si mette a cercarli troverà al suo posto dei falsi beni di cui non saprà neppure riconoscere la falsità .» 23 Questa divergenza di pensiero fu ulteriormente articolata nell’importante saggio Attenzione e poesia, edito nel 1961 nell’Approdo letterario e poi confluito in Fiaba e Mistero del 1962, 24 in cui la Campo realizzò il sincretismo tra il concetto weiliano di attenzione e la sua idea che la poesia sia capace di ‘vedere’ i simboli dell’assoluto Lo scritto si apriva riprendendo la nozione di ‘uomo giusto’, l’esempio più immediato era ancora Jaffier, il protagonista della Venezia salva, che la Campo definì un «mediatore fra l’uomo e il dio, fra l’uomo e l’altro uomo, fra l’uomo e le regole segrete della natura Al giusto, e solo al giusto, si concedeva l’ufficio di mediatore perché nessun vincolo immaginario, passionale, poteva costringere o deformare in lui la facoltà di lettura» Poco oltre, dopo aver collocato sullo stesso piano poesia, giustizia e critica definendole 20 Ivi, pp 143-144 21 Ivi, p 150 22 Ivi, p 157 23 Weil 1984, p 81 24 Ora in: Campo 1987, pp 165-170 Italienisch_84.indb 47 13.11.20 09: 38 4 8 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino «tre forme di mediazione», la Campo riteneva quest’ultima «una facoltà del tutto libera di attenzione» . 25 In altre parole la poesia era considerata pari all’attenzione poiché capace di opporsi all’«immaginazione, all’illusione» e di offrire una «lettura su molteplici piani della realtà intorno a noi, che è verità in figure», 26 una frase che riprendeva alla lettera un passo del Vangelo di Filippo posto ad esergo del saggio: «La verità non può venire al mondo nuda anzi è venuta nei simboli e nelle figure» Di conseguenza, il poeta era considerato un giusto e un mediatore «tra l’uomo e il dio, tra l’uomo e l’altro uomo, tra l’uomo e le regole segrete della natura» frase usata in anafora . 27 Dopo una critica all’arte contemporanea definita immaginativa in quanto «contaminazione caotica di elementi e piani», 28 la Campo esponeva l’idea centrale dell’intero saggio: «L’attenzione è il solo cammino verso l’inesprimibile, la sola strada al mistero Infatti è solidamente ancorata nel reale, e soltanto per allusioni celate nel reale si manifesta il mistero I simboli delle sacre scritture, dei miti, delle fiabe, che per millenni hanno nutrito e consacrato la vita, si vestono delle forme più concrete di questa terra: dal Cespuglio Ardente al Grillo Parlante, dal Pomo della Conoscenza alle zucche di Cenerentola Davanti alla realtà l’immaginazione indietreggia L’attenzione la penetra invece, direttamente e come simbolo .» 29 Secondo la scrittrice l’assoluto si manifestava nel reale attraverso simboli e la fiaba e la poesia, al pari delle Sacre Scritture, erano capaci di individuare e rappresentare questi segni È evidente che questo sviluppo di pensiero metta ad una certa distanza il modello della Weil Per questa il mondo, dominato dalla legge di necessità, era il regno della menzogna, dell’immaginazione e delle false illusioni Ne La pesanteur et la grâce aveva distinto tra necessità «dura», propria della vita umana, e «universale», quella che dovrebbe liberare l’uomo dalla prima e ristabilire la giustizia sociale Quest’idea, forse modellata sul mito platonico sulla percezione alterata del reale, si sviluppò ulteriormente durante il suo impegno politico e sociale a sostegno degli ultimi La Campo concordava con la Weil che il mondo fosse 25 Ivi, p 165 26 Ivi, p 166 27 Ibidem 28 Ivi, p 167 29 Ibidem Italienisch_84.indb 48 13.11.20 09: 38 4 9 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione oppresso dalla legge di necessità ma non condivideva l’opposizione tra la menzogna dell’apparenza e l’immaterialità del reale: una dicotomia ritenuta troppo radicale e senza via d’uscita La scrittrice, al contrario, avvicinò i due poli in quanto pensava che il vincolo materiale potesse essere spezzato dalla sapienza del poeta e dello scrittore di fiabe i quali, al pari dei santi, erano capaci di trovare le epifanie dell’altrove nel terreno e quindi liberare l’uomo dal mondano e indirizzare il suo sguardo verso l’alto Le cause di questo primo allontanamento dal pensiero weiliano sono diverse Anzitutto è opportuno ricordare come per tutto il Cinquanta la Campo s’immerse completamente nell’opera della francese e il riferimento ad essa era costante non solo nella prosa saggistica ma anche nella lirica Ad esempio, il concetto di attesa era stato presentato in Ora non resta che vegliare sola e quello di attenzione, reso con l’immagine dello sguardo fisso al cielo, in Ora rivoglio bianche le mie lettere: entrambe poesie di Passo d’addio, l’unica raccolta pubblicata in vita dall’autrice . 30 Il tema dell’assenza era invece nel Maestro d’arco, versi di un Quadernetto donato all’amica Margherita Pieracci Harwell nel ’54 e cartone preparatorio del Passo, 31 e in Emmaus scritta nello stesso periodo per una raccolta mai pubblicata Di questa avrebbero dovuto far parte anche Oltre il tempo, oltre un angolo, 32 costruita intorno allo sforzo fisico e mentale provocato dall’attenzione, e l’Elegia di Portland Road, l’«ultima residenza di Simone Weil a Londra» come annotava la stessa poetessa, i cui versi ruotavano di nuovo intorno al motivo dell’assenza che si sperava di colmare con la visione del roveto ardente (immagine biblica dall’Esodo 3, 2-6 e dagli Atti 7, 30-32) . 33 Ma tra la fine del Cinquanta e l’inizio del nuovo decennio, diversi avvenimenti mutarono la vita personale e intellettuale della Campo La famiglia si trasferì a Roma per seguire il padre musicista, nominato direttore del Conservatorio e la relazione con Elémire Zolla, conosciuto ancora a Firenze, offrì a Cristina nuove letture e conoscenze Il cambiamento fu tale che la donna chiese ai suoi amici di distruggere tutte le lettere intercorse durante il periodo fiorentino come a cancellare d’un sol colpo un’intera stagione di vita raccontata nel citato Passo d’addio, un minuscolo canzoniere ispirato dal fallimento del legame affettivo con Leone Traverso, il noto germanista che aveva indirizzato i primi interessi letterari della Campo Un taglio netto, caratteristica distintiva dell’indole della donna poco incline ai compromessi 30 Uscì a tiratura limitata per le edizioni Scheiwiller nel 1956 Ora si legge in: Campo 1991, pp 19-29 31 Ivi, pp 30-35 32 Fu pubblicata su Paragone, IX, 106, ottobre 1958 33 L’Elegia fu edita su Palatina, II, 8, 1958 Le liriche si leggono in: Campo 1991, pp 36-40 e uno studio di esse in Di Nino 2009 Italienisch_84.indb 49 13.11.20 09: 38 50 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino Il Sessanta offrì dunque alla Campo nuove amicizie, assidue furono le frequentazioni di Alessandro Spina, 34 Roberto Bazlen, Margherita Dalmati, un ampliamento delle letture (William Carlos Williams, John Donne, Djuna Barnes, Christine Koeschel, Hector Murena, Jorge Luis Borges, Juan de la Cruz) e un’ulteriore spinta verso la mistica, un interesse che condivideva con Zolla . 35 Ma il nuovo decennio riservò anche il dolore della perdita ravvicinata di entrambi i genitori: avvenimento che segnò profondamente l’ancor giovane donna che decise di ritirarsi sull’Aventino dove trovò consolazione con la pratica della liturgia latina ancora celebrata a Sant’Anselmo . 36 Ma quando il Concilio Vaticano II scelse di introdurre il rito della messa in volgare, la reazione della Campo fu veemente Insieme ad alcuni intellettuali, tra cui Gaspare Barbiellini Amidei, Vittore Branca, Filippo Caffarelli, Margherita Guidacci, Eugenio Montale, Aldo Palazzeschi e Ettore Paratore, fondò il capitolo italiano di Una voce, l’associazione internazionale che si batteva a difesa del rito preconciliare, e con l’aiuto di alcuni cardinali cercò di intercedere con la Santa Sede affinché la liturgia latina fosse ristabilita . 37 Nonostante gli sforzi, l’iniziativa si rivelò vana e la delusione provata spinse la Campo verso il rito bizantino che cominciò a praticare con assiduità nel Collegium Russicum Questo intenso susseguirsi di episodi privati e pubblici causò una nuova cesura con il passato, simile a quella della fine del ’50, durante la quale la Campo rimise tutto in discussione compreso il rapporto con la Weil L’ultimo, esplicito, omaggio all’opera della francese fu nel 1963 quando Cristina preparò la versione italiana della Venezia salva; salvata avrebbe preferito la traduttrice cercando di convincere l’editore Stefano Minelli a scegliere un titolo che meglio avrebbe sottolineato il ruolo di Jaffier La premessa al volume fu un’attenta riscrittura del citato copione radiofonico del 1953 e costituì un lungo e conclusivo elogio dell’opera e del pensiero della Weil . 38 34 Si conobbero per la traduzione della Storia della città di rame (Milano: Scheiwiller 1963) e da allora si legarono in un’amicizia di cui restano le Lettere a un amico lontano (Campo 1998) ampliato con le lettere di Spina in Carteggio (Campo/ Spina 2007) Spina ha anche scritto la Conversazione in piazza Sant’Anselmo Per un ritratto di Cristina Campo (Spina 2002) 35 Zolla 1963 diventato Zolla 1997 36 Due sole liriche scritte in questi anni riassumono entrambi gli eventi: la morte dei genitori in La Tigre assenza e la difesa del rito latino in Missa romana, in: Campo 1991, pp 41-44 37 La Campo scrisse la presentazione Una voce per Il Giornale d’Italia, 4 maggio 1966, p 3, ora in: Campo 1998, pp 119-123 Il primo numero del bollettino italiano di Una voce uscì nel gennaio 1967 38 Weil 1963 Ora in: Campo 1987 Italienisch_84.indb 50 13.11.20 09: 38 51 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione La filosofa fu di nuovo apprezzata per la sua capacità di attenzione, che capovolgeva «le premesse canoniche» e riportava «l’ago della tragedia al suo classico Nord: la realtà spirituale», esaltata per l’abilità nell’uso degli alessandrini, endecasillabi e novenari e per la bravura nell’evitare «le stilizzazioni a cui l’autore moderno, anche il più libero e grande, non sa non afferrarsi: cori, storici, inserti lirici e, radicalmente, l’ironia, l’ammicco momentaneo ai coevi» L’affinità con il tema centrale della tragedia, che non era il tentativo di congiura ma la costante attenzione dimostrata dal giusto Jaffier, e la lode per lo stile usato spinsero la Campo a definire la Weil una «poetessa di eccezionale sapienza» . 39 Un encomio così diretto, assente nella prima versione, non è presente in nessun altro scritto della nostra autrice ed assume un valore ancor più eccezionale se consideriamo che l’introduzione terminava con un’inattesa quanto esplicita presa di distanza dal modello weiliano Nell’ultimo paragrafo la Campo, illustrando il suo lavoro, scriveva che la traduzione si poteva «affidare soltanto all’orecchio interno, scartando in modo categorico tutte le soluzioni ingegnose, così come le risorse eleganti della prosodia italiana» E proseguiva spiegando che il suo desiderio fosse «quello di conservare a ogni verso la possibilità di una perfetta pronuncia, di un ‘massimo sapore’ anche su bocca italiana Soprattutto nel prodigioso gregoriano della derelizione di Jaffier» . 40 È evidente che questo commento sulla traduzione contenga un messaggio ben preciso: la Campo non solo aveva iniziato a riscrivere il pensiero weiliano con il proprio linguaggio ma aveva anche cominciato ad integrarlo con i personali studi mistico-religiosi Un sincretismo manifesto nell’interpretazione del monologo di Jaffier come ‘gregoriano’, lettura che conferma l’interesse della Campo per la liturgia latino-romana del tutto assente nella Weil la quale, al contrario, considerava «l’architettura, i canti, il linguaggio» del rito come una «convenzione» 41 per nulla vicini alla purezza assoluta A questo punto, ci sembra chiaro che la Venezia salva segni la fine di quel processo di formazione che aveva finora avuto la francese come guida e, come spesso accade nei rapporti tra maestri e allievi, le divergenze e le prese di distanza iniziarono ad emergere sempre più numerose 39 Ivi, p 17 40 Ibidem 41 Weil 1984, p 144 Italienisch_84.indb 51 13.11.20 09: 38 52 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino Il ripudio negli anni Settanta Il decennio del Sessanta si concluse con l’uscita del volume di traduzioni La Grecia e le intuizioni precristiane, un’antologia di scritti della Weil privo di premessa e di note esplicative, cui la Campo contribuì con la sola versione del saggio L’«Iliade» poema della forza mentre la seconda e più ampia parte raccolse i lavori della Pieracci . 42 Giungiamo ai primi anni Settanta nei quali si consumò prima il distacco, avvertito anche nella rarità dei riferimenti alla Weil negli epistolari del periodo, e poi il ripudio del pensiero della francese In questi anni la Campo praticò con maggiore regolarità il rito orientale, si distaccò dal mondo letterario che mai l’aveva pienamente accolta - pochissimi, com’è noto, furono quelli che dimostrarono interesse per le sue opere - e si dedicò a nuove letture abbandonando quelle che per anni furono considerate modelli da seguire: «L’altra sera ho preso in mano i Taccuini del Dr. Cˇ echov un libro che fino a 2 anni fa era la mia delizia, e dopo 10 minuti l’ho riposato Una volgarità impalpabile, sottile, la volgarità del laico, dell’incredulo, evaporava da certe piccole osservazioni di quell’uomo senza bassezze, di quell’uomo per tanti versi adorabile Così, per rallegrarmi senza la minima ombra di noia (la volgarità è veramente di una noia desertica), ripresi una grande biografia del Curato d’Ars .» 43 L’interesse era solo per gli scritti dei mistici, le agiografie e i testi liturgici ed ecclesiastici: «Io faccio colazione la mattina studiando i canoni del Concilio di Trento (sublimi, di queste cose Simone non capiva nulla), a mezzogiorno sto ancora leggendo il Sacramentario Leoniano e la sera pranzo con il Concilio di Nicea, per addormentarmi sulla ‘Pascendi’ o sulla vita di Sant’Atanasio Mescolati a questi libri, sul mio letto ci sono, sì, Proust e Pasternak e James - ma per loro non ho che brevi sguardi, come attraverso la griglia di un monastero .» 44 Il rapporto con la Weil, sprezzantemente apostrofata nella precedente citazione, iniziò a guastarsi Nella menzionata riscrittura della terza parte del saggio Parco dei cervi, resa indipendente e intitolata Della fiaba, la Campo oltre ad esplicitare ulteriormente il parallelismo tra fiaba e Vangelo, ricono- 42 Weil 1967 43 Campo 1999 (lettera del 3 aprile 1966), pp 210-211 44 Ivi, lettera del 27 novembre 1967 Il corsivo nel testo è della Campo Italienisch_84.indb 52 13.11.20 09: 38 53 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione sceva allo scrittore l’abilità di capovolgere la legge di necessità e di trovare nel reale i simboli nascosti del mistero: «Vince nella fiaba il folle che ragiona a rovescio, capovolge le maschere, discerne nella trama il filo segreto, nella melodia l’inspiegabile gioco d’echi; che si muove con estatica precisione nel labirinto di formule, numeri, antifone, rituali comune ai vangeli, alla fiaba, alla poesia Crede costui, come il santo, al cammino sulle acque, alle mura traversate da uno spirito ardente Crede, come il poeta, alla parola: crea dunque con essa, ne trae concreti prodigi Et in Deo meo transgrediar murum .» 45 Secondo la Campo, Dio è sempre presente nel reale attraverso epifanie che gli individui dotati di massima attenzione sanno individuare e interpretare: «Tutta intera la natura non è se non metafora della sopranatura», scriveva in Sensi soprannaturali del 1971 . 46 Fondamentale per la Campo è mantenere viva la fede, confidare che la manifestazione prima o poi avverrà soddisfacendo l’attesa Un’idea in aperto contrasto con la Weil la quale riteneva la quête inutile perché inconcludente Per la francese Dio aveva lasciato il mondo per riempirlo della sua assenza e considerava una bestemmia qualsiasi tentativo «di trovare [nell’universo] una traccia dell’azione divina» . 47 Di conseguenza anche il concetto di attenzione subiva un’importante modifica Per la Weil essa era una qualità caratteristica di pochi uomini capaci di vedere e quindi di comprendere i diversi piani del reale in modo da allontanare l’immaginazione Per la Campo questa abilità non si arrestava nel mondo terreno ma diventava la chiave per accedere all’«altro lato» . 48 Nel Flauto e il tappeto, prendendo a modello Juan de la Cruz, la Campo scriveva che l’assenza sarebbe stata colmata dalla parola di Dio e l’unico compito assegnato all’uomo era quello di attendere, con attenzione, fede e pazienza, l’epifania: «La parola che dovrà prender forma in quella cavità non è nostra A noi non resta che attendere nel paziente deserto, nutrendoci di miele e locuste, la lentissima e istantanea precipitazione» . 49 45 Della fiaba, in: Campo 1987, p 41 La citazione finale in corsivo è dal Salmo XVII: «Nel mio Dio non v’è muraglia che io non penetri» 46 Campo 1971 Ora in: Campo 1987, p 242 47 Weil 1982, p 239 I Cahiers erano stati pubblicati da Plon nel 1956 e furono letti in francese dalla Campo 48 Il flauto e il tappeto, in: Campo 1987, p 115 49 Ivi, p 119 Italienisch_84.indb 53 13.11.20 09: 38 5 4 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino Dopo queste evidenti divergenze di pensiero, fu la pubblicazione della nuova traduzione di Attesa di Dio nel 1972 (una prima era uscita nel ’54 50 ) a segnare il definitivo allontanamento dal pensiero weiliano L’introduzione fu affidata alla Campo la quale, celandosi dietro lo pseudonimo Benedetto P D’Angelo, non pose freno a quella che divenne una vera e propria invettiva personale contro la Weil I giudizi espressi furono durissimi e colpirono non solo il contenuto di uno dei testi più rappresentativi della francese, che fu d’ispirazione per generazioni di studiosi, ma tutto il pensiero filosofico weiliano Dopo aver riconosciuto che il testo «portò molti di quelli che erano giovani nell’ultimo dopoguerra alle soglie del cattolicesimo», la Campo passò subito all’attacco accusando la Weil di aver compiuto un errore grave, quello di essere rimasta «sulla porta», una scelta definita «tra tutte rischiosa per i suoi lettori» . 51 Il problema, secondo la Campo, nasceva dal fatto che l’intero sistema weiliano si reggeva su una «grande didattica spirituale via negationis» 52 e l’autrice, non avendo mai varcato la soglia, non riuscì mai a riempire il vuoto creato con una nuova forma e sostanza Se all’autrice francese furono riconosciuti «miracoli inauditi di lucidità» nell’elaborare con tanta precocità un articolato sistema di idee, è altresì vero che alla donna mancò un «maestro spirituale» . 53 Un’assenza che, secondo la Campo, mantenne la Weil «prigioniera» nelle sue idee e causò l’«enorme e classico errore [ . . .] della costernante disinformazione» nella quale rimase . 54 La mancanza di una guida, e qui ci sembra di trovare un personale riferimento a Traverso e Zolla che furono fondamentali per il percorso formativo di Cristina, ha causato il mancato confronto con tutta una costellazione di scritti fondamentali per comprendere la tradizione cristiana: «Mancò in una parola a Simone Weil l’incontro con la tradizione più antica e insieme più classica del cattolicesimo» . 55 Colpa trasferita anche a padre Perrin che seguì la Weil negli ultimi anni di vita e fu il primo editore dell’Attesa di Dio. 56 Queste letture avrebbero potuto dimostrare alla Weil l’assoluta presenza della bellezza nella tradizione cristiana, aspetto che la filosofa consi- 50 Weil 1954; Weil 1972 L’introduzione si legge anche in Campo 1998, pp 168-180 51 Ivi, p 168 52 Ivi, p 169 53 Ivi, p 171 54 Ivi, pp 171-172 55 Ivi, p 172 56 La raccolta di lettere e saggi della Weil fu pubblicata, a cura del prelato, dall’editore parigino La Colombe nel 1949 Italienisch_84.indb 54 13.11.20 09: 38 55 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione derava invece del tutto assente E qui la Campo presenta le letture a lei più care, quasi a rivendicare una certa superiorità di conoscenza sulla francese, a cominciare dai «mille splendori del Rituale e del Pontificale, dove tutta intera quella bellezza e necessità, dal metallo della campana al chicco di grano, dalla goccia di miele alla guancia del neonato, dalle essenze distillate dai fiori alle cortine del letto nuziale, fino all’addio e alla stessa morte, è sollevata al suo massimo, al suo divino significato .» 57 Nell’ultima parte dell’introduzione, la distanza diventa incolmabile Alla Weil era rimproverata la «quasi totale inconsapevolezza della potenza comunicante della preghiera» 58 che invece nel pensiero della Campo assumeva un ruolo fondamentale in quanto «ogni gesto, ogni parola o pensiero dell’uomo ‘traversa l’intera terra, penetra i cieli e si propaga nei mondi’» . È chiara l’idea che separa le due donne, la Campo credeva nell’«edificio della salute», ossia nella Provvidenza, mentre la Weil non afferrò mai «questo ‘corpo spirituale’» 59 e rimase sulla soglia Secondo la nostra autrice, se la francese fosse stata «meglio orientata» e fatta entrare nella Chiesa ne «avrebbe scorto le divine geometrie» . 60 Durissima, secca e lacerante è la conclusione: se fino ad allora la Weil era stata considerata maestra di letture e i suoi scritti erano serviti da modello, ora la Campo rovesciava questa prospettiva esplicitando che lo scopo della sua «nota» era «quello di proporre al lettore di Simone Weil un contesto di altre letture» che, non solo sarebbero utili al lettore moderno per meglio comprendere il pensiero della Weil, ma sarebbero state di beneficio soprattutto alla stessa filosofa «nel tempo della sua attesa» . 61 Una conclusione polemica che sceglieva, in perfetta simmetria, lo stesso termine che era stato usato per aprire lo scritto: l’‘attesa’ era individuata come il vero limite del pensiero della francese L’introduzione fu attentamente curata anche nella forma Come consuetudine nella scrittura critica della Campo, il saggio è breve e suddiviso in paragrafi e, tralasciando il primo introduttivo, in ognuno degli altri sette è confutata un’idea del sistema weiliano con il sostegno di riferimenti espliciti all’opera della francese 57 Campo 1998, p 176 58 Ivi, p 177 59 Ivi, p 178 60 Ivi, p 179 61 Ivi, pp 179-180 Italienisch_84.indb 55 13.11.20 09: 38 56 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino Ma la consueta efficacia linguistica e il senso della misura questa volta vennero meno di fronte all’uso sistematico di una ripetizione che è così assordante come fastidiosa alla lettura La Campo non si riferì mai alla Weil citando il solo cognome o nome di battesimo o forme perifrastiche, ma scelse di usare sempre per esteso l’intero nome dell’autrice e per ben sessantaquattro volte, con il caso estremo di tre occorrenze nello spazio di una breve frase Un eccesso ovviamente voluto dalla Campo che, pur di violare la solita armonia dei suoi scritti, ricorse allo stile dell’invettiva per apostrofare direttamente quella che fino a qualche anno prima era stata definita una «poetessa di eccezionale sapienza» e di cui ora non restava che un nome privo di ogni altra connotazione . 62 E ci sembra altresì significativo che lo scritto sia stato firmato con uno pseudonimo altisonante, Benedetto P d’Angelo, che nel suo significato palesemente religioso e istituzionale voleva impartire una vera e propria lectio divina alla Weil Con questo scritto siamo giunti ad una irreparabile lacerazione e incolmabile distanza La scelta della Weil di rimanere in attesa sulla soglia non fu condivisa dalla Campo la quale, al contrario, aveva sempre cercato le epifanie dell’Assoluto nel mondo, nelle letture e nell’assidua partecipazione al rito, cattolico-latino prima e greco-ortodosso dopo, che rinviava sempre «a un suo doppio celeste» . 63 La ‘porta’ come limine In due poesie-manifesto delle autrici crediamo si possa trovare riassunta tutta la loro distanza di pensiero Nelle quartine di La porta la Weil descrisse l’erranza che aveva condotto gli «stranieri» sul limine di una porta che, una volta aperta, avrebbe dovuto mostrare «verzieri» e «fiori» La prolungata attesa, scandita negativamente «sfiniti», «invano», «intransitabile», «tormento», «piangiamo», culminava con l’apertura della porta che se da un alto «liberò tanto silenzio», dall’altro non causò l’apparizione di «nessun fiore [ . . .], né i verzieri» e «lo spazio immenso nel vuoto e nella luce» appagarono e colmarono solo in minima parte «il cuore» 64 degli stranieri il cui destino era quello di restare sulla soglia Al contrario nei versi del Diario bizantino, scritti negli ultimi anni di vita e pubblicati postumi da Zolla su Conoscenza religiosa, la Campo celebrava le epifanie colte durante la partecipazione al rito ortodosso Fonda- 62 Weil 1963, p 17 63 Sensi soprannaturali, in: Campo 1987, p 245 64 Weil 1998 È opportuno ricordare che la Campo non conosceva le poesie della Weil pubblicate in Francia solo nel 1988 e poi nel ’93 sempre per Gallimard Italienisch_84.indb 56 13.11.20 09: 38 57 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione mentale in esso era proprio l’apertura delle porte che segnava la manifestazione dell’Assoluto in un’‘imperiale fragranza’ che investiva gli astanti e ne travolgeva i sensi: «O imperiale fragranza, olio di rosa bulgara che misteriosamente dischiudi tra ciglia umettate l’occhio della fronte, l’occhio del cuore, l’occhio del Nome - myron effuso è il Tuo Nome! » 65 Conclusioni Se per ogni autore è possibile individuare modelli e fonti d’ispirazione per la propria scrittura, nel caso della Campo sorprende il brusco passaggio da un’adesione totale ad uno sdegnoso ripudio del pensiero della Weil Come accennato, il lettore della Campo sa che l’indole della donna propendeva per decisioni assai drastiche nel privato quanto nelle preferenze letterarie, ma è anche vero che l’allontanamento dalla Weil negli anni Settanta va inserito nel più ampio contesto di una scrittrice che stava ancora faticando a dare autenticità e autonomia al proprio linguaggio letterario Delle poche poesie scritte tra il Quaranta e il Sessanta quasi tutte, con l’eccezione di La Tigre assenza e Missa romana che nacquero dalla riflessione su due episodi che l’avevano profondamente colpita (la morte dei genitori e la fine della liturgia latina), 66 risentono fin troppo dell’influenza di diversi modelli: nel Quadernetto poi diventato Passo d’addio si ravvisano temi crepuscolari e topoi riconducibili al d’Annunzio elegiaco e del Poema paradisiaco, alla Spaziani e agli ermetici (in particolare al primo Luzi), mentre le immagini usate nelle altre liriche sono echi palesi degli autori tradotti, in particolare quelli d’area anglosassone: Donne, T .S Eliot, Williams, Dickinson Soltanto le sei liriche che costituiscono il Diario bizantino sembrano raggiungere una certa indipendenza dai modelli precedenti grazie alla scelta di un tema originale e coerente e all’uso di immagini e di uno stile finalmente autonomi Anche la parallela scrittura saggistica è stata rapsodicamente influenzata, al pari della poesia, dalle traduzioni: non a caso la maggioranza degli 65 Diario bizantino, in: Conoscenza religiosa, 1, gennaio-marzo 1977 Il periodico annunciò la scomparsa dell’autrice: «Cristina Campo, che onorò questa rivista con le sue poesie e versioni e i suoi saggi dal 1969 a quest’anno, morì il 10 gennaio 1977 Diede ciò che qui si pubblica pochi giorni prima della sua morte»; ora in Campo 1991, p 45, vv 67-81 66 Di prossima pubblicazione è Di Nino 2020 Italienisch_84.indb 57 13.11.20 09: 38 5 8 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino scritti è dedicata agli autori tradotti Un’altra caratteristica comune con la scrittura poetica, è la riscrittura perfino a distanza di molti anni di interi saggi o parti di essi con l’intento di inserirvi le immagini desunte dai nuovi autori che la Campo man mano conosceva e voracemente leggeva È altresì vero che le raccolte Fiaba e mistero e Il Flauto e il tappeto, nonostante la forte presenza del modello weiliano e del dialogo con esso, contengono letture interessanti su Proust, Manzoni, Cˇ echov, Borges, d’Annunzio, sul concetto di sprezzatura 67 e su autori poco considerati (Furio Monicelli) o ancora non del tutto noti al nostro ambiente letterario (Marianne Moore, Gottfried Benn, Djuna Barnes, William Carlos Williams, Eduard Mörike) La struttura priva di digressioni, gli scritti sono in genere brevi, lo stile misurato e l’elegante linguaggio, rendono questi saggi abbastanza originali nel variegato panorama novecentesco in quanto oltre al contenuto, toccato ‘con lievi mani’ come Hugo von Hofmannsthal le aveva insegnato, 68 il lettore trae beneficio anche dall’analisi di uno stile preciso e calibrato (non a caso la Campo apprezzava molto la scrittura critica di Gianfranco Contini) Caratteristiche simili si trovano infine negli epistolari e non pensiamo di esagerare nello scrivere che alcuni carteggi possano essere considerati dei vertici del genere nel secondo Novecento . 69 Al pari della Campo la fortuna editoriale della Weil fu postuma e filologicamente più complessa La francese pubblicò poco in vita e i suoi pensieri erano raccolti in quaderni sparsi che furono riorganizzati, scelti ed editi solo postumi I volumi, che lasciano aperto qualche dubbio filologico (non sappiamo, ad esempio, se l’autrice avesse intenzione di pubblicare i suoi scritti, se volesse sistemarli in modo diverso o addirittura riscriverli), offrono un quadro abbastanza esauriente del pensiero della francese anche se restano diversi aspetti da studiare La Weil era di famiglia ebraica ma il suo rapporto con il giudaismo non è chiaro Padre Perrin riferisce che la donna aveva ricevuto un’educazione agnostica 70 e in Attesa di Dio la Weil definì la religione d’Israele come «un’intermediaria davvero molto imperfetta, se si è potuto crocifiggere Cristo» Se ovviamente la gerarchia tra le fedi può ridursi ad una discussione sterile, di quella romana disse che «non meritava a nessun 67 Con lievi mani, in: Campo 1987, pp 97-111 68 L’esteta viennese, conosciuto per mediazione di Traverso, fu il primo grande modello letterario della Campo Cfr Pieracci Harwell, Maestri come amici: Hofmannsthal/ Weil, in: Pieracci Harwell 2005 e Wandruszka 1998 69 Su tutti le Lettere a Mita e il Carteggio con Spina, l’unico che contiene oltre alle lettere della Campo quelle del destinatario 70 Lo scrive nell’introduzione a Weil 1984, p 8 Come detto, il volume fu curato da Perrin che scelse anche il titolo Italienisch_84.indb 58 13.11.20 09: 38 59 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione titolo il nome di religione», 71 sappiamo ancora troppo poco su quale fosse la reale conoscenza della Weil dell’ebraismo e in che modo questo abbia influenzato il suo rapporto con quella cattolica In conclusione non bisogna dimenticare che la Campo si avvicinò al pensiero della Weil anche per una certa affinità biografica: entrambe erano d’origine borghese (spesso avvertita come un peso), furono autodidatte e, nonostante la precaria salute, si dedicarono alla difesa dei più deboli Elementi che spinsero la Campo ad immergersi completamente nella lettura dei testi della francese E come accadde con Hofmannsthal, modello letterario per buona parte degli anni Quaranta e Cinquanta, la Campo si distanziò dalla Weil quando comprese che fosse arrivato il momento di rivendicare l’autonomia del proprio percorso letterario Nella sua ricerca spirituale la scrittrice era giunta sulla soglia dei ‘due mondi’, grazie alla pratica di una fervida attenzione che aveva appreso dalla Weil, ed era pronta a compiere l’ultimo movimento, quello che l’avrebbe portata verso la rivelazione Ma fu durante l’attesa in questa zona liminare che si accorse della distanza con la Weil: la francese non considerava possibile varcare la soglia essendo l’uomo condannato ad una perenne attesa Di conseguenza, la Campo abbandò la sua fedele accompagnatrice per affidarsi a coloro che potevano portarla oltre il limine (abbiamo ricordato come alla fine degli anni Sessanta la scrittrice si dedicò solo allo studio di testi canonici e mistici), ma non venne meno la consapevolezza che senza la guida di Hofmannsthal prima e della Weil dopo, non sarebbe mai giunta a scrivere il Diario bizantino, la testimonianza ultima del compimento del suo percorso spirituale Abstract. Der Artikel untersucht den Einfluss des Denkens von Simone Weil auf das Werk von Cristina Campo Wenn man das poetische und essayistische Werk der italienischen Autorin durchsieht, spürt man, besonders in den 1950er Jahren, eine starke Orientierung an Weils Ideen (diese wurden ein Vorbild für viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller der Zeit, als man nach ihrem Tod damit begann, ihre Schriften zu veröffentlichen) Doch in den darauffolgenden Jahrzehnten erlitt diese enge Bindung zu einem scheinbar unverrückbaren intellektuellen Vorbild Brüche und schließlich wurde sie abrupt beendet Die endgültige Trennung zeigt Cristina Campos literarische Unabhängigkeit, die sich im Diario bizantino, ihrem geistigen und literarischen Vermächtnis, manifestiert 71 Ivi, p 141 Italienisch_84.indb 59 13.11.20 09: 38 6 0 Attesa e Rivelazione Nicola Di Nino Summary. The article examines the influence of Simone Weil’s thought on the works of Cristina Campo Examining the Italian author’s poetic and nonfictional writing, one feels, especially in the 1950s, a complete adherence to Weil’s ideas (a model for many writers of the time as soon as her writings were being published after her death) But in the following decades the relationship with what seemed to be a solid intellectual guide first wore out and then abruptly ended A detachment, without second thoughts, that signals the literary independence of Cristina Campo expressed in the Diario bizantino, her spiritual and literary legacy Bibliografia Borghesi, Angela: «Tra epos e epicedio Paragrafi sulla ‘Storia’ di Elsa Morante e Simone Weil», in: Italianistica, 3, 2014, pp 91-113 Bart, Elisabeth: Les incandescentes: Simone Weil, Cristina Campo et Maria Zambrano, Paris: Éditions Pierre Guillaume de Roux 2019 Campo, Cristina: «Sensi soprannaturali», in: Conoscenza religiosa, III, 1971, pp 214-226 Campo, Cristina: Gli Imperdonabili, Milano: Adelphi 1987 Campo, Cristina: La Tigre assenza, Milano: Adelphi 1991 Campo, Cristina: Sotto falso nome, a cura di M Farnetti, Milano: Adelphi 1998 Campo, Cristina: Lettere a un amico lontano, Milano: Scheiwiller 1998 Campo, Cristina: Lettere a Mita, Milano: Adelphi 1999 Campo, Cristina/ Spina, Alessandro: Carteggio, Brescia: Morcelliana 2007 Chiavacci, Anna Maria: «Simone Weil e la Grecia», in: Letteratura, VII, 39-40, 1959, pp 44-46 De Stefano, Cristina: Belinda e il mostro Vita segreta di Cristina Campo, Milano: Adelphi 2002 Di Domenico, E (a cura di): «Bibliografia italiana su Simone Weil e breve biografia», in: Prospettiva persona, 65-66, 2008, pp 108-125 Di Nino, Nicola: «‘Le temps revient’, risvolti scritturali di una raccolta mancata di Cristina Campo», in: La Bibbia nella letteratura italiana. L’età contemporanea, a cura di P Gibellini e N Di Nino, Brescia: Morcelliana 2009, pp 433-452 Di Nino, Nicola: «Gli anni della perdita: La Tigre assenza e Missa romana», in: Cristina Campo: Translation / Commentary, «Glossator» , 12, 2020 (in stampa) Draghi, Gianfranco: Ragioni di una forza in Simone Weil, Caltanissetta: Sciascia 1958 Lupo, Giuseppe: «‘Avere un’angoscia alla Weil’ La ‘condizione operaia’ di ‘lingua gotica’», in: Levia gravia, 14, 2012, pp 183-200 Luzi, Mario: «A guisa di congedo Una religione dell’armonia del mondo», in: Per Cristina Campo, a cura di M Farnetti e G Fozzer, Milano: Scheiwiller 1998 Pétrement, Simone: La vie de Simone Weil, Paris: Fayard 1973 Pétrement, Simone: «La critica del marxismo in Simone Weil», in: Tempo presente, 4, luglio 1956 Pieracci Harwell, Margherita: «Silone e Simone Weil», in: Quaderni Satyagraha, 1, 2002, pp 102-124 Italienisch_84.indb 60 13.11.20 09: 38 61 Nicola Di Nino Attesa e Rivelazione Pieracci Harwell, Margherita: «Simone Weil in Italia e la sua influenza sulla scrittura femminile degli anni Cinquanta/ Sessanta», in: Le Eccentriche. Scrittrici del Novecento, a cura di A Botta, M Farnetti e G Rimondi, Mantova: Tre lune edizioni 2003, pp 161-177 Pieracci Harwell, Margherita: Cristina Campo e i suoi amici, Roma: Studium 2005, pp 31-102 Spina, Alessandro: Conversazione in piazza Sant’Anselmo. 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0 024 A L I C E FAVA R O Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Il fumetto e la poesia, considerabili come due linguaggi apparentemente distanti, possiedono tuttavia alcuni elementi comuni nell’utilizzo del ritmo, della suddivisione in versi o vignette, della sequenzialità e delle figure retoriche La potenzialità che racchiude il fumetto nella trasmissione di messaggi sociali, politici e culturali, espliciti o impliciti, e le strategie di «riorganizzazione dell’immaginario collettivo» 1 di cui dispone, consentono alla poesia di uscire dall’elitarismo e dalla marginalizzazione che da sempre la contraddistingue La possibilità di superare le apparenti frontiere della poesia e di transcodificarla in un altro linguaggio conferisce un valore aggiunto all’ipotesto in quanto apporta nuovi significati, crea un dialogo intertestuale e innesca un nuovo meccanismo di fruizione e ricezione del testo Inoltre, includendo l’opera trasposta una nuova e differente tipologia di lettore, è necessario riconsiderare l’ipotesto come un nuovo prodotto culturale da contestualizzare in un tempo e uno spazio specifici Nel processo di adattamento e trasposizione l’autore non solo deve manipolare il testo originario ma reinterpretarlo Nel passaggio transmediale avviene una ricreazione, come afferma Hutcheon: «Valutato nella prospettiva del proprio processo di ricezione, gli adattamenti sono una forma di intertestualità: abbiamo esperienza (in quanto adattamento) di un adattamento come di un palinsesto che lascia trasparire nella nostra memoria opere precedenti, rievocate per mezzo di iterati processi di ripetizione con variazione .» 2 La ricchezza e la potenzialità del testo trasposto si possono individuare proprio nell’intertestualità che si crea nel processo di adattamento e che genera nuove possibilità interpretative del testo Ogni testo, come afferma Lotman ne Il girotondo delle muse, è da considerarsi come un generatore di senso che per attivarsi necessita di una relazione dialogica con altri testi i cui linguaggi si compenetrano e interagiscono Considerando che quando due testi entrano in relazione tra loro avviene una sorta di detonazione che non coinvolge solo il piano dell’espressione ma anche quello semantico, il testo rise- 1 Scarsella 2011, p 7 2 Hutcheon 2011, p 28 Italienisch_84.indb 62 13.11.20 09: 38 6 3 Alice Favaro Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni mantizzato oltre a presentarsi come autonomo pronto a essere interpretato e ritrasformato, è anche il sostegno attraverso cui il testo-fonte riattiva e riproduce, in un nuovo spazio estetico-culturale, i suoi effetti di senso . 3 Il passaggio translinguistico da un medium all’altro crea un nuovo testo in cui l’immagine non dev’essere intesa nella sua sola funzione illustrativa e commentativa ma come parte di un tutto, in grado d’interagire con la poesia e di attivarne contenuti e funzioni che senza l’immagine non prenderebbero vita e che permettono quindi una differente fruizione e decodifica della poesia stessa . 4 Il fumetto dunque, considerato come forma espressiva aggiuntiva della poesia, genera non solo una mutata concezione di testo, autore e lettore ma anche una differente ricezione del testo stesso L’impossibilità di individuare la frontiera che separa la poesia dalla prosa e le nuove sfide, che generano la fruizione sonora e visiva di una poesia come prodotto da vivere in un determinato spazio e tempo, permettono al testo poetico di effettuare una scelta dall’interno, pensare a una sorta di «metrica visiva» che sia funzionale al racconto e possieda un senso autonomo . 5 Come afferma Barbieri in «Del dibattito (poetico) del fumetto»: «Il verso è la versione stilizzata del respiro . […] il fumetto assomiglia molto alla poesia . Il battito-vignetta-evento è qualcosa che ricorda il verso, con l’inevitabile cesura che lo separa dal successivo e il suo carattere comunque unitario, pur all’interno della sequenza di cui fa parte . La scelta della complessità visiva della vignetta (che determina la velocità con cui sarà letta) è relativamente indipendente da ciò che essa racconta; così come anche la scelta della dimensione dell’evento è indipendente dalla storia raccontata . […] Il racconto in sé ha i suoi momenti e i suoi eventi propri . In sé, essi non coincidono con i battiti-vignette-eventi del fumetto, proprio come l’articolazione del discorso creata dalla punteggiatura non coincide con quella procurata dalla divisione in versi e dal loro ritmo interno . […] La modulazione di questo rapporto è uno strumento fortissimo che sia il poeta che il fumettista hanno a propria disposizione per costruire il proprio discorso complessivo e l’emozione di chi legge .» 6 3 Cf Lotman 1993 4 Cf Scarsella 2013, p 1 5 Cf Barbieri 2012 6 Barbieri 2010b Italienisch_84.indb 63 13.11.20 09: 38 6 4 Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Alice Favaro Il fumetto è quindi un testo autonomo che non viene percepito in relazione a un determinato momento specifico del testo scritto ma a tutto il testo nel suo insieme, creando un nuovo spazio estetico e culturale e apportando contenuti aggiuntivi Infatti, il testo dotato di figure può rendere la fruizione più immediata e di più facile accesso grazie alla forza evocativa dell’immagine Nella trasposizione intersemiotica, l’interazione che ha luogo quando disegno e scrittura si compenetrano, genera una trasmutazione del testo e quindi un adattamento non solo nella sua estensione ma anche nei ritmi e modi Talvolta accade che questa trasmutazione ponga delle problematiche nella resa a fumetti del ritmo, nella metrica, nell’aspetto sonoro oltre che in quello visivo, nel modo in cui la scansione visiva (regime scopico) definisce l’andamento delle sezioni del testo e nella lettura del testo verbale Nel poetry comic, prodotto letterario ibrido in cui i due mezzi espressivi confluiscono, il fumetto non è la versione illustrata della poesia bensì la possibilità di una nuova e diversa fruizione, una sorta di trasposizione della poesia stessa L’opera letteraria che si crea mediante una differente modalità espressiva, è però un testo autonomo dotato di vita propria e non subordinato al testo di partenza o ipotesto La scelta di utilizzare il fumetto come linguaggio che riesce a fondersi con la poesia, permette a quest’ultima di superare i propri limiti e manifestarsi attraverso molteplici forme, non necessariamente limitate alla voce e alla parola Come scrive Daniele Barbieri nell’introduzione a Il pensiero disegnato: «Allo stesso tempo, ogni battito-vignetta-evento è insieme un istante e una durata . È un istante perché raffigura una realtà immobile, congelata dal taglio temporale - ma è una durata sia perché il taglio temporale è stato scelto appositamente per raccontare un tempo più lungo, sia perché l’occhio del lettore impiega del tempo per comprenderla, sia perché vi possono convivere momenti diversi dell’azione (quali in una reale istantanea mai si potrebbero vedere), sia, infine, perché le parole che vi sono contenute o che l’accompagnano richiedono nella lettura ed evocano nel mondo raccontato delle durate reali e consistenti . Lo scorrere del fumetto è dunque fatto di questi battiti che sono però a loro volta articolati temporalmente al loro interno, e questo ne complica drasticamente la gestione .» 7 7 Barbieri 2010a, p 9 Italienisch_84.indb 64 13.11.20 09: 38 6 5 Alice Favaro Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Per riflettere su questi aspetti si analizzeranno brevemente alcune opere che si considerano emblematiche in quanto rappresentative di tre modalità differenti di intersecare poesia e fumetto: la trasposizione a fumetti della poesia Verrà la morte e avrà i tuoi occhi di Cesare Pavese; Poema a fumetti di Dino Buzzati e Piccola cucina cannibale di Lello Voce, Frank Nemola e Claudio Calia, sorta di ibrido letterario Nonostante nei campioni d’analisi presi in considerazione si mantenga un’aderenza al testo d’origine, il ritmo logicosequenziale viene modificato, si introducono delle pause nel corso della narrazione per permettere di separare le vignette l’una dall’altra, viene operata quindi una scelta sui soggetti da rappresentare e sul modo di raffigurarli La trasposizione a fumetti Verrà la morte e avrà i tuoi occhi, di Paolo Armitano e Davide Furnò, è stata pubblicata nel 2008 nella rivista John Doe per Eura editoriale (numero 57) La poesia a cui fa riferimento appartiene alla raccolta Verrà la morte e avrà i tuoi occhi composta nel 1950 da Pavese e pubblicata nel 1951 dopo la morte dell’autore La trasposizione, che si compone di due tavole e di sette vignette, riporta l’intero testo della poesia Rispetto alle immagini la parte verbale, priva di dialoghi tra i personaggi, funge da didascalia di ogni singola vignetta, come se si trattasse di una sezione narrativa-esplicativa La prima tavola, suddivisa in tre vignette, si apre con un’onomatopea che probabilmente si riferisce a un’esplosione e che costituisce il titolo della narrazione Successivamente un uomo e un cane si stagliano su un paesaggio desolato in cui al centro della scena è presente del fumo causato da un incendio o da un’esplosione Nelle successive due vignette si modifica il punto di vista e vengono ritratti una donna con in mano una pistola, un uomo che giace a terra all’interno di una casa disabitata e di nuovo un paesaggio all’esterno con il personaggio maschile Illustrazione 1: Verrà la morte e avrà i tuoi occhi, tav 1 . 3 Italienisch_84.indb 65 13.11.20 09: 38 66 Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Alice Favaro N ella seconda tavola si susseguono immagini all’aperto con gli stessi personaggi presenti nella prima tavola tra paesaggi desolati e paesaggi industriali e l’ambientazione, difficilmente identificabile, evoca un’atmosfera fantascientifica - Illustrazione 2: Verrà la morte e avrà i tuoi occhi, tav 2 Le immagini della trasposizione in oggetto non fungono da illustrazione e non sono subordinate al testo verbale ma esistono autonomamente e hanno una funzione narrativa contribuendo, assieme alla parola, a costruire il senso complessivo della narrazione . 8 L’apparente mancanza di dialogo tra immagine e parola in questo caso rende di difficile comprensione il testo in cui si invertono i ruoli dei due linguaggi La componente verbale, che cita fedelmente la poesia, ha una funzione didascalica rispetto al disegno Nel riportare la poesia non si rispetta però la suddivisione in versi e strofe cosicché il fumetto crea una nuova cesura nell’ipotesto, suddividendo la narrazione in due tavole: 8 Cf Barbieri 2012 . 4 Italienisch_84.indb 66 13.11.20 09: 38 67 Alice Favaro Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Verrà la morte e avrà i tuoi occhi - questa morte che ci accompagna dal mattino alla sera, insonne, sorda, come un vecchio rimorso o un vizio assurdo I tuoi occhi saranno una vana parola, un grido taciuto, un silenzio Così- li vedi ogni mattina quando su te sola ti pieghi nello specchio O cara speranza, quel giorno sapremo anche noi che sei la vita e sei il nulla - Per tutti la morte ha uno sguardo Verrà la morte e avrà i tuoi occhi Sarà come smettere un vizio, come vedere nello specchio riemergere un viso morto, come ascoltare un labbro chiuso Scenderemo nel gorgo muti . 9 Se nella poesia di Pavese la seconda strofa inizia con «Per tutti la morte ha uno sguardo», nella trasposizione a fumetti inizia con «O cara speranza quel giorno sapremo anche noi che sei la vita e sei il nulla» Per decodificare la trasposizione a fumetti è necessaria quindi una lettura incrociata tra immagine e parola in quanto nella traduzione avviene una mutazione del senso e nell’interstizio tra linguaggi un dialogo, uno spazio di separazione e passaggio, di contatto e conflitto da cui emerge il senso . 10 Uno dei primi esempi di contaminazione, intersezione e ibridazione di generi tra fumetto e poesia è rappresentato invece da Poema a fumetti di Dino Buzzati Pubblicato nel 1969, è da considerarsi come un’opera letteraria autonoma in cui il fumetto è il punto di incontro tra la letteratura e le arti visive L’opera mette in evidenza la passione di Buzzati per il fumetto, il disegno e la pittura, già emersa nella pubblicazione di La famosa invasione degli orsi in Sicilia del 1945, in cui le immagini avevano però la funzione didascalica tipica dell’illustrazione e Le storie dipinte, titolo della prima mostra tenutasi a Milano nel 1958 9 Pavese 1960, p 45 10 Cf Fabbri 2007 Italienisch_84.indb 67 13.11.20 09: 38 6 8 Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Alice Favaro Poema a fumetti si propone come una versione moderna del mito di Orfeo: Orfi, il protagonista, è un cantautore che produce versi in musica Come sottolinea Barbieri, Poema a fumetti è strutturato come una ballata, come una canzone che racconta una storia in cui si procede seguendo il testo come l’ascoltatore di una ballata segue la musica e le parole che l’accompagnano In Poema a fumetti il comic è dunque il mezzo espressivo ideale per sequenzializzare le immagini narrative, «la metafora visiva della musica, capace di accompagnarsi a un testo ora integrandolo, ora mettendone in evidenza degli aspetti, ora persino trasformandone profondamente il senso, come la musica fa in un melodramma» . 11 Il testo costituisce quindi la musica per Buzzati e Poema a fumetti potrebbe considerarsi, secondo l’interpretazione di Barbieri, come un’opera in musica in cui l’autore è «capace di usare al meglio le parole, ma anche di farle risuonare, insieme alle immagini, come le parole da sole non potrebbero mai» . 12 Il testo si integra con le immagini che non hanno solamente una funzione didascalica ma seguono il ritmo della narrazione La ripetizione di frammenti di testo, parole, immagini o vignette contribuisce a conferire un ritmo alla narrazione e a rendere la ciclicità del tempo e il suo scorrere in maniera discontinua Il ritmo del testo è arricchito anche dalle note della chitarra di Orfi, consentendo dunque alla musica di costituire una parte importante dell’opera indissolubile dall’immagine e dal testo I disegni contribuiscono a restituire l’atmosfera onirica, metafisica e surrealista che caratterizza la narrazione ed enfatizzano temi e motivi ricorrenti tra cui la ripetizione di tempo e spazio, la presenza di doppi, streghe e spettri, la contrapposizione tra amore e morte, la provocazione, l’ostentazione del corpo, le allucinazioni, la critica al sistema e alla società, l’esaltazione dell’erotismo In questo caso, sprovvista di immagini o della parte verbale, l’intera narrazione perderebbe efficacia Illustrazione 3: Poema a fumetti, p 15 11 Barbieri 2005b, p 116 12 Barbieri 2005b, p 117 Italienisch_84.indb 68 13.11.20 09: 38 69 Alice Favaro Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Per giustificare la scelta di abbinare il disegno alla narrazione Buzzati scrisse: «mi è venuta la voglia di esprimere il mio mondo fantastico (scusate la presuntuosa espressione) così come facevo da ragazzo, scrivendo e disegnando insieme» . 13 E ancora: «Dipingere e scrivere per me sono in fondo la stessa cosa Che dipinga o che scriva, io perseguo il medesimo scopo, che è quello di raccontare delle storie .» 14 L’autore crea quindi un testo unico servendosi contemporaneamente di più linguaggi, inscindibili tra loro, dove l’immagine costituisce una parte essenziale della narrazione Come sottolinea Barbieri, Buzzati conferisce al fumetto un’interpretazione estremamente personale: «Fa un uso delle immagini che non è così dissimile dal modo in cui un poeta adopera i suoni Le usa, cioè, per creare un tessuto di ricorrenze e legami interni che è parallelo a quello narrativo e vi interagisce per costruire l’effetto complessivo Buzzati, insomma, utilizza la tecnica del fumetto in una maniera che ricorda il modo in cui il poeta usa le parole, individuando, nella consuetudine del raccontare per immagini, degli aspetti tradizionalmente ancora poco sfruttati in quegli anni .» 15 C’è quindi una coincidenza quasi costante tra vignetta e pagina e un’abbondanza del testo verbale La scansione visiva regola l’andamento di diverse sezioni del testo e a sua volta scandisce la lettura del testo che, essendo disposto graficamente, acquisisce esso stesso una suddivisione ritmica che richiama quella della poesia L’immagine quindi mette in moto un sistema di linguaggi culturali radicalmente diverso da quanto possa avvenire in prosa o in poesia Poema a Fumetti, in cui la compenetrazione e fusione tra linguaggi costituisce la ricchezza e unicità del testo, potrebbe considerarsi dunque una sorta di anticipazione di Piccola cucina cannibale, opera che prevede l’utilizzo di una pluralità di mezzi espressivi Pubblicato nel 2011, Piccola cucina cannibale è un testo che nasce come poesia orale; un’opera inusuale all’interno del panorama editoriale che si costituisce di tre parti: un libro di poesie, un fumetto, un cd audio . È quindi possibile fruire del testo in tre modalità differenti: mediante il solo testo, il solo cd, il cd abbinato al testo . Testo poetico ibrido e performativo, l’opera, già nella scelta della disposizione delle poesie nel libro che si presentano in un ordine diverso rispetto a quello del cd, crea stupore e 13 Quarantotto 1969 14 Buzzati 1986, pp 90-91 15 Barbieri 2005b, p 102 Italienisch_84.indb 69 13.11.20 09: 38 70 Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Alice Favaro smarrimento nel fruitore . La multimedialità consente infatti una fruizione complessa e ‘anomala’ dell’opera . La correlazione tra testo, immagine e traccia sonora induce a una fruizione frammentaria e discontinua delle singole componenti dell’opera che può comportare problemi di decodifica laddove il fruitore deve ricostruire caoticamente le singole parti . La scelta di proporre esperienze sensoriali differenti, permette un continuo dialogo tra la musica, il fumetto e la poesia, durante la possibile performance dal vivo tipica del poetry slam Come spiega Voce, il testo creato per l’oralizzazione ha delle caratteristiche letterarie nuove in quanto la sua destinazione finale, e cioè l’oralità, ne mutua profondamente anche le forme scritte . 16 Illustrazione 4: Piccola cucina cannibale, p 28 Proprio come la musica, in grado di creare una situazione rituale collettiva, il poetry comic crea una sorta di metrica visiva ovvero un sistema di rimandi, «una struttura plastica, che mentre è anche funzionale al racconto, possiede un senso autonomo, più relazionale che referenziale» . 17 È proprio laddove i media si avvicinano e sovrappongono che si aprono nuove possibilità interpretative nel veicolare i contenuti La scelta quindi di utilizzare il 16 Cf Voce 2013 17 Barbieri 2012 . 7 Italienisch_84.indb 70 13.11.20 09: 38 71 Alice Favaro Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni fumetto e la poesia come linguaggi che dialogano perfettamente tra loro, essendo entrambi arti sequenziali che prevedono una partecipazione attiva del lettore, permette un’interpretazione nuova della poesia stessa cogliendone o sviluppandone alcuni aspetti e contenuti Il fumetto, che non può essere inteso come un ipertesto ma come un nuovo testo in cui comunque avviene una traduzione intersemiotica, crea dunque una sorta di narrazione parallela, permettendo una fruizione differente e nuova del testo poetico Attraverso l’utilizzo di differenti linguaggi è possibile quindi una fruizione della poesia che pone i presupposti per una nuova concezione di testo, opera d’arte, lettore e processo di ricezione Abstract. Der Comic und die Lyrik haben einiges gemeinsam im Hinblick auf den Rhythmus, die Unterteilung in Verse oder Vignetten, Sequenz- Strukturen und rhetorische Figuren Dies ermöglicht den beiden Genres, miteinander in Dialog zu treten und sich zu überschneiden, wodurch hybride Texte entstehen Das Potenzial des Comics bei der Vermittlung sozialer, politischer und kultureller Botschaften erlaubt es der Lyrik, aus der Marginalisierung, die sie seit jeher auszeichnet, herauszutreten Die Möglichkeit, die scheinbaren Grenzen der Lyrik zu überwinden und sie in eine andere literarische Form zu übertragen, verleiht dem Hypertext einen Mehrwert, da er neue Bedeutungen hervorbringt, einen intertextuellen Dialog schafft und einen neuen Mechanismus der Verwendung und Rezeption des Textes in Gang setzt .- Im Hinblick auf die genannten Aspekte werden in diesem Beitrag einige repräsentative Werke für drei verschiedene Formen der Überschneidung von Lyrik und Comic analysiert: die Umwandlung des Gedichts Verrà la morte e avrà i tuoi occhi von Cesare Pavese in einen Comic, das Poema a fumetti von Dino Buzzati und der literarische Hybridtext Piccola cucina cannibale von Lello Voce, Frank Nemola und Claudio Calia In den analysierten Beispielen liegt eine Anlehnung an den Originaltext vor, aber der logischsequenzielle Rhythmus wird modifiziert, es wird eine Auswahl der dargestellten Themen getroffen und die Art ihrer Präsentation neu bestimmt Summary. Comic strips and poetry have some elements in common with regard to the use of rhythm, the division into verses or vignettes, sequence structures and rhetorical figures that allow a dialogue of the two codes, thus creating hybrid texts The potential of comics in the transmission of social, political and cultural messages helps poetry to emerge from its notorious marginalization The possibility of overcoming the apparent frontiers of Italienisch_84.indb 71 13.11.20 09: 38 72 Quando la poesia incontra il fumetto: trasposizioni e mediazioni Alice Favaro poetry and transferring it into another literary form adds value to the hypertext as it opens up new meanings, creates an intertextual dialogue and triggers a new mechanism of use and reception of the text .- With reference to these ideas this essay briefly analyses three representative works of three different ways of intersecting poetry and comic strips: the transposition of the poem Verrà la morte e avrà i tuoi occhi by Cesare Pavese into a comic strip, the Poema a fumetti by Dino Buzzati and the literary hybrid text Piccola cucina cannibale by Lello Voce, Frank Nemola and Claudio Calia The discourse adheres to the original text but the logicalsequential rhythm is modified and a choice is made about the subjects represented and the way to represent them Bibliografia Armitano, Paolo/ Furnò, Davide: Verrà la morte e avrà i tuoi occhi, in: John Doe, La bellezza del diavolo, a VI, n 57/ 2008 Barbieri, Daniele: I linguaggi del fumetto, Milano: Bompiani 1991 Barbieri, Daniele (a cura di): Nel corso del testo. 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Prevedibilitá e imprevedibilità, Milano: Feltrinelli 1993 Lotman, Jurij M .: Il girotondo delle Muse. Saggi sulla semiotica delle arti e sulla rappresentazione, Bergamo: Moretti e Vitali 1998 McCloud, Scott: Reinventare il fumetto. Immaginazione e tecnologia rivoluzionano una forma artistica, Torino: Pavesio 2001 McCloud, Scott: Capire il fumetto. L’arte invisibile, Torino: Pavesio 2006 McCloud, Scott: Fare il fumetto, Torino: Pavesio 2007 Pavese, Cesare: Verrà la morte e avrà i tuoi occhi, Torino: Einaudi Editore (1951) 1960 Quarantotto, Claudio: «Orfeo a fumetti», in: Roma, 11 dicembre 1969 Scarsella, Alessandro: «Estetiche del fumetto», in: IF. 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Anzi pur chiuse in parte 10 Ove un sol gode ogni tuo ben congiunto Ben folle è chi non parte Omai lunge da te, che tu non puoi Pascer se non di furto i servi tuoi Ecco già dal tuo regno il piè rivolgo, 15 Regno crudo e ’nfelice: ecco io già lasso Qui le ceneri sparte e ’l foco spento Ma tu mi segui e mi raggiungi, ahi lasso! ; Mentre del mal sofferto in van mi dolgo, Ch’ogni corso al tuo volo è pigro e lento 20 Già via più calde in sen le fiamme i’ sento E via più gravi a’ piè lacci e ritegni; E come a servo fuggitivo e ’ngrato, Qui, sotto al manco lato, D’ardenti note il cor m’imprimi e ’l segni 25 Del nome a forza amato; E perch’arroge al duol ch’è in me sí forte Formi al pensier ciò che più noia apporte Ch’io scorgo in riva al Po Letizia e Pace Scherzar con Imeneo, che ’n dolce suono 30 Chiama la turba a’ suoi diletti intesa Liete danze vegg’io, che per me sono Funebri pompe, ed una istessa face Ne l’altrui nozze e nel mio rogo accesa; Italienisch_84.indb 74 13.11.20 09: 38 75 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» E, come Aurora in oriente ascesa, 35 Donna apparir, che vergognosa in atto I rai de’ suoi begli occhi a sé raccoglia, E ch’altri un bacio toglia Pegno gentil del suo bel viso intatto, E i primi fior ne coglia, 40 Que’ che già cinti d’amorose spine Crebber vermigli infra le molli brine Tu ch’a que’ fiori, Amor, d’intorno voli Qual ape industre e ’n lor ti pasci e cibi E ne sei così vago e così parco, 45 Deh, come puoi soffrir ch’altri delibi Umor sí dolce e ’l caro mèl t’involi? Non hai tu da ferir saette ed arco? Ben fosti pronto in saettarmi al varco Allor che per vaghezza incauto venni 50 Là ’ve spirar tra le purpuree rose Sentii l’aure amorose; E ben piaghe da te gravi io sostenni, Ch’aperte e sanguinose Ancor dimostro a chi le stagni e chiuda; 55 Ma trovo chi l’inaspra ognor più cruda Lasso! il pensier ciò che dispiace e duole A l’alma inferma or di ritrar fa prova E più s’interna in tante acerbe pene Ecco la bella donna, in cui sol trova 60 Sostegno il core, or, come vite suole Che per sé stessa caggia, altrui s’attiene: Qual edera negletta or la mia spene Giacer vedrassi, s’egli pur non lice Che s’appoggi a colei ch’un tronco abbraccia 65 Ma tu, ne le cui braccia Cresce vite sí bella, arbor felice, Poggia pur, né ti spiaccia Ch’augel canoro intorno a’ vostri rami, L’ombra sol goda e più non speri o brami 70 Né la mia donna, perché scaldi il petto Di nuovo amore, il nodo antico sprezzi, Che di vedermi al cor già non rincrebbe: Od essa che l’avvinse essa lo spezzi; Però ch’omai disciorlo, in guisa è stretto, 75 Italienisch_84.indb 75 13.11.20 09: 38 76 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster Né la man stessa che l’ordío potrebbe E se pur, come volle, occulto crebbe Il suo bel nome entro i miei versi accolto Quasi in fertil terreno arbor gentile, Or seguirò mio stile, 80 Se non disdegna esser cantato e cólto Da la mia penna umíle; E d’Apollo ogni dono in me fia sparso S’Amor de le sue grazie a me fu scarso Canzon, sí l’alma è ne’ tormenti avvezza, 85 Che, se ciò si concede, ella confida Paga restar ne le miserie estreme Ma se di questa speme Avvien che ’l debil filo alcun recida, Deh, tronchi un colpo insieme, 90 Ch’io ’l bramo e ’l chiedo, al viver mio lo stame E l’amoroso mio duro legame . 1 Klage um die verlorne Geliebte Amor, du siehst es ohne Zorn und Reue, Daß anderm Joch den Nacken sie gebogen! Ja, Fug und Recht ist all’ von dir gegangen; Ein Andrer hat wie räub’risch mir entzogen Den theuern Hort! Was soll die feste Treue 5 Von wohlverdientem Lohne nun empfangen? Und welche Gnade noch könnt’ ich erlangen Von deiner schnöden Hand, da alle Gabe Im Nu du so verschwendet und vergossen, Und all’ in Eins verschlossen, 10 Daß all’ dein Glück nun eines Einz’gen Habe? Thor ist, wer unentschlossen Nicht schnell dich flieht, weil du, die dir gehören, Einzig mit fremdem Raube weißt zu nähren Schon wend’ ich, sieh! aus deinem Reich die Füße, 15 Dem traurig-unglücksel’gen Reiche! siehe, Die Glut erlischt, die Asche will verwehen! Du aber bleibst mir nahe, wie ich fliehe, 1 Tasso 1898, S 43-48 Italienisch_84.indb 76 13.11.20 09: 38 77 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Während ich Thränen, ach! umsonst vergieße; Vor deinem Flug ist langsam alles Gehen 20 Schon fühl’ ich heiß’re Flammen drin erstehen Und härt’re Fesseln meinem Fuß sich fügen, Und, untreu-flücht’gem Knechte zu vergleichen, Drückst du mir glühe Zeichen In’s Herz nebst jenes theuern Namens Zügen, 25 Dem ich nicht kann entweichen, Und, daß mein Leid sich mehr und mehr verschlimm’re, Schaffst innen, was mich schmerzlicher bekümm’re Den Po entlang seh’ Fried’ und Lust ich scherzen Mit Hymenäus, der mit süßen Klängen 30 Die Scharen ruft zu seinen Freudenmahlen; Seh Tänze froh sich durch einander mengen, Mir Leichenzüge, seh dieselben Kerzen Zur Hochzeit jenem, mir zum Rogus strahlen; Seh’ schimmernd, gleich Auroren ob den Thalen, 35 Die Herrin leuchten, die, in Scham befangen, In sich hinein mit schönen Augen blicket; Seh, wie ein Andrer drücket, Als Pfand, den Kuß auf unberührte Wangen Und erste Blumen pflücket, 40 Die einst, von Liebesdornen rings umwoben, Röthlich aus weichem Schne’e sich erhoben O Amor du, der du, gleich äms’gen Bienen, Um diese Blumen schwärmst, mit gier’ger Lippe Einzig allein aus ihrem Kelch zu zehren, 45 Wie kannst du dulden, daß ein Andrer nippe So theuern Seim, so süßen Saft aus ihnen? Hast du nicht Pfeil und Bogen, abzuwehren? Wol warst bereit du einst, mich zu versehren, Als gierig unklug ich herangeschritten, 50 Wo zwischen Rosen ich ein Liebeswehen Fühlt’ auf und nieder gehen! Und Wunden schwer hab’ ich von dir erlitten, Die ewig offen stehen Und blutend fragen, ob sie jemand heile; 55 Doch find’ ich nur, was herbern Schmerz ertheile So müssen ach! was Schmerz und Unmuth reget, Auf’s Neue vor der kranken Seel’ entfalten Und mehr in Qual versinken die Gedanken! Italienisch_84.indb 77 13.11.20 09: 38 78 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster Die Herrin, sieh! die einzig fest gehalten 60 Mein Herz, sie schlingt nun, wie der Weinstock pfleget, Um einen Andern liebend ihre Ranken! Wie stützenlosen Epheu seh’ ich schwanken Mein Hoffen all’, weil es ihm nicht verstattet, An ihr zu ruhn, die einem Stamm sich schmieget - 65 Doch du, dem angefüget, Glücksel’ger Baum, so schöner Weinstock schattet, O zürne nimmer, wieget Ein Sängervogel sich um deine Krone, Der Schatten nur, sonst nichts, begehrt zum Lohne! 70 Und, ob von neuer Glut ihr Herz durchdrungen, Doch möge sie den alten Knoten ehren, Den sie in mir nicht ungern einst gefunden, Oder, wie sie ihn knüpft‘, ihn nun zerstören, Obwol an ihm - so fest ist er geschlungen - 75 Nichts selbst die Hand vermag, die ihn gewunden Und blüht’ auch eh’, verborgen und gebunden, Wie sie es wollt’, ihr Nam’ in meinem Sange, Gleich edlem, üpp’ger Flur entsproßten Reiße, Folg’ ich jetzt meiner Weise, 80 Wenn sie vergönnt, daß sie mit lautem Klange Mein armer Griffel preise; Und karget Amor mir mit seinen Gaben, Werd’ ich nun Alles von Apollo haben So ist die Seel’, o Lied, des Grams gewohnet, 85 Daß, so ihr einzig dieses nicht gebräche, Bezahlt sie blieb’ im allergrößten Wehe Doch wenn es je geschähe, Daß dieser Hoffnung schwacher Faden bräche, Dann trenn’ Ein Schlag - ich flehe 90 Aus voller Brust - so meines Lebens Faden, Als meiner Liebe festes Band in Gnaden . 2 Als Torquato Tassos Meisterwerk gilt sein Versepos Gerusalemme Liberata Daneben darf seine Lyrik ebenfalls auf eine außerordentliche Qualität pochen Die Editionsgeschichte der Rime ist kompliziert, was nicht zuletzt der Internierung des vermeintlich wahnsinnigen Tasso in St Anna in Ferrara 2 Tasso 1821, S 3-7 Italienisch_84.indb 78 13.11.20 09: 38 79 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» geschuldet ist . 3 1581 erschien eine erste umfangreichere Gedichtsammlung und in der Folge eine Fülle von Tasso selbst nicht autorisierter Fassungen Der Dichter selbst erstellte erst wieder 1591 eine Ausgabe von 180 Gedichten, die Parte Prima der Amori . 4 Was die Themen der Gedichte angeht, finden sich neben den Liebesgedichten (amori) außerdem Gelegenheitsgedichte in Form höfischer Lobgedichte (encomi) sowie sakrale Lyrik (cose sacre) Die Gedichte sind unter anderem in einen petrarkistischen Bezugsrahmen eingelassen, dessen Konsistenz Tasso allerdings mit gezielten Verfahren relativiert Insgesamt hat Tasso zeit seines Lebens rund 1700 Gedichte verfasst und sich dabei sämtlicher in der petrarkistischen Tradition zur Verfügung stehenden Gattungen (Stanze, Sonett, Sestine, Madrigal, Ballata) bedient Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Kanzone, die bei aller Elastizität, welche die Lyrikgattungen im Cinquecento entfalten, an grundlegende, nicht suspendierbare Charakteristika gebunden bleibt Dies gilt im Fall der Kanzone in gesteigertem Maße, da diese spätestens seit Dante als Lyrikgattung mit besonders hohen Ansprüchen sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht galt, 5 was in der Folge unter anderem von Petrarca in seiner moraltheologisch herausfordernden Mariencanzone, die seinen Canzoniere (RVF) beschließt, noch weiter untermauert wurde . 6 Das obligatorische Frauenlob ist in Tassos Kanzone allerdings insofern von vornherein petrarkistisch limitiert, als die angebetete Dame weder eine Erhöhung ʽ in vita ʼ noch ʽ in morte ʼ erfährt Denn sie heiratet einen Anderen und ist lediglich aus diesem Grund im übertragenen Sinne für den enttäuschten Liebhaber ʽ gestorben ʼ Diese umgangssprachliche Wendung ist insofern der Affektanlage der Kanzone affin, als eine in der mittelalterlichen Minnetradition nicht sonderlich hoch bewertete Emotion in das Gedicht eingespeist wird: die Eifersucht Auch die aristotelische Affektenlehre, die zu Tassos Lebzeiten virulent ist, rät zur Eliminierung von Emotionen, die das Gemüt und die Verstandeskräfte tangieren könnten Die klassischen Vorgaben des Epithalamiums, des Hochzeitsgedichtes, können angesichts der evidenten ʽ gelosia ʼ des verschmähten Liebhabers nur bedingt in Szene gesetzt werden Der lyrische Sprecher nimmt an der Hochzeit der verlorenen Dame teil, wobei allerdings nicht zur Gänze deutlich wird, ob er den entsprechenden Szenen real beiwohnt oder ob seine Schilderungen einer ʽ vis imaginativa ʼ entspringen Was nun die Eifersucht angeht, so ist diese, anders als in der 3 Vgl zu Tassos komplexer Krankengeschichte Oster 2021 (im Erscheinen) 4 Eine komprimierte Übersicht zu Tassos Lyrik findet sich in Regn 1991 5 Die gesteigerte Kunstfähigkeit, die zum Dichten von Kanzonen in seinen Augen notwendig war, hat Dante in De Vulgari Eloquentia, Buch II, behandelt (vgl dazu die noch folgenden Literaturangaben) 6 Vgl Küpper 2003 Italienisch_84.indb 79 13.11.20 09: 38 8 0 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster christlich fundierten Minnelyrik, 7 in der antiken Lyrik durchaus ein gängiger Affekt, wofür Sapphos «Fragment 31» eines der berühmtesten Beispiele darstellt . 8 Die Kanzone, so wie sie sich in der Folge seit der Trobadorlyrik herausgebildet hat, behandelt dagegen eine seriöse, feierliche oder gar schwermütige Thematik, was oftmals aus einem lamentierenden Blick in die (verlorene) Vergangenheit resultiert Tasso verwendet, wie bereits erwähnt, in seinen Rime vor allem Sonette und Madrigale, und mit Abstand, aber immerhin bereits an dritter Stelle der Häufigkeit folgt die Kanzone, vor Ballade und Sestine . 9 Formal besteht die vorliegende Kanzone aus sechs Strophen zu je 14 Versen, denen ein achtzeiliger ʽ congedo ʼ folgt, der das Gedicht beschließt Das Reimschema lautet durchgängig ABA BAC CDEEDEFF, außer im ʽ congedo ʼ : ABC CBC DD Gerade aufgrund des kunstvollen, regelgemäßen Aufbaus der Kanzone fällt ein einzelner, (scheinbar) weniger eleganter Reim auf: der identische Reim in den Versen 10 und 12: «Anzi pur chiuse in parte» und «Ben folle è chi non parte» Dieser eher herbe denn gefällige Reim wiederholt formal im Gedicht das, was inhaltlich bereits die erste Verszeile überdeutlich ausgestellt hat Es war Dante, der nicht nur eine seiner Kanzonen mit den Worten «Così nel mio parlar voglio esser aspro» beginnt und auf dessen inszenierte Sprödigkeit sich Tasso bezieht Tassos vorliegendes Gedicht greift vor allem, und zwar mit ʽ identischem ʼ Wortlaut in den ersten drei Worten, Dantes Kanzone (beziehungsweise Doppelsestine) «Amor, tu vedi ben che questa donna» auf Im Falle Dantes handelt es sich um die sogenannten Petrosen: Gedichte, in denen Dante im Anschluss an seine stilnovistische Lyrik mit neuen Stilelementen experimentiert, für die das hermetische, ʽ dunkle ʼ Dichten ( ʽ trobar clus ʼ ) des Trobadors Daniel Arnaut das Vorbild darstellt (Dante hat Arnaut in der Divina Commedia, in Purgatorio XXVI, ein Denkmal gesetzt) Die Bezeichnung ʽ rime pietrose ʼ entstand im 19 Jahrhundert und leitete sich von der in den Petrosen besungenen, ʽ hart ʼ wie Stein ( ʽ pietra ʼ ) erscheinenden Dame ab 7 In der volkssprachlichen Lyrik war das Motiv der Eifersucht zwar vorhanden, aber vorwiegend als Sujet in burlesken Dichtungen, bspw bei Cecco Angiolieri 8 Die numerische Koinzidenz von Sapphos «Fragment 31» und Tassos Gedicht Nr 31 wäre zwar interpretatorisch eine ʽ trouvaille ʼ , muss aber als Zufall oder zumindest nicht autorrelevant verbucht werden, da die Anordnung in der Ausgabe Le Rime di Torquato Tasso vom Herausgeber Solerti, und nicht von Tasso selbst, stammt 9 Reflexionen zur Kanzone, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, finden sich in Tassos Dialog La Cavaletta ovvero della poesia toscana (1585) Dort diskutieren die Figuren Ercole Cavaletto und der Forestiero Napoletano u .a die Vorgaben Dantes zur Kanzone in De Vulgari Eloquentia Italienisch_84.indb 80 13.11.20 09: 38 81 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Mit den Dante-Reminiszenzen markiert Tasso in der Kanzone (über) deutlich eine Abgrenzung von der in den Rime ansonsten immer wieder präsenten petrarkistischen Tradition . 10 Nun ist aber gerade diese Überdeutlichkeit wenig kunstvoll, und die Kanzone lässt denn auch in der Folge in ihrer Gesamtkomposition keinen Zweifel daran, dass Tasso Dantes ʽ aspro ʼ - Stil - mit dem dieser selbst ja ebenfalls lediglich punktuell experimentierte - nur bedingt als vorbildhaft empfindet Und so beschreitet Tasso bereits in der ersten Verszeile eigene Wege, indem er die Vormachtstellung der ʽ donna pietra ʼ relativiert Während Dante direkt nach der Apostrophierung Amors, gewissermaßen im gleichen Atemzug, sofort den Fokus auf die Dame lenkt, und zwar mit einem Nähe - und nicht Distanz ( ʽ quella ʼ ) - evozierenden, adjektivischen Demonstrativpronomen («Amor, tu vedi ben che questa donna»), verweilt der lyrische Sprecher Tassos weiterhin bei dem Adressaten des ersten Wortes: «Amor» Es ist «Amor» (und nicht die herzlose Dame), der weder «Leid» («duolo») noch Empörung («sdegno») zeigt und die maßgebliche Instanz darstellt, an die das Liebesleid des Sprechers sich wendet Was das Liebesobjekt auf der Ebene der ʽ histoire ʼ vollzieht, nämlich in Vers zwei den Nacken vor einem Anderen (dem in der Liebesgunst rivalisierenden und siegreichen Konkurrenten) zu beugen - genau dies praktiziert zuvor bereits der lyrische Sprecher auf der ʽ discours ʼ -Ebene Er beklagt sich bei «Amor», dem er sich beugt, und die personelle Verschiebung der ʽ Anklage ʼ inkludiert eine Distanzierung vom klassischen Gegenstand der traditionellen Minnelyrik Darüber darf auch die Bezeichnung «madonna» in Vers zwei nicht hinwegtäuschen Denn im Zusammenhang des zyklischen Narrativs der Rime folgt das Gedicht Nr 31 direkt im Anschluss an eine Reihe von Traumgedichten, in denen die angebetete Dame bereits sukzessive in den Hintergrund gerückt ist und die auffällig milde ʽ Klage ʼ in der vorliegenden Kanzone grundgelegt wurde Bereits im Gedicht Nr 28 (Vers 4) wurde die Dame zwar «Madonna» genannt, wobei im Folgenden aber vor allem ihre Wankelmütigkeit und Scheinhaftigkeit («Parea che mi dicesse» , v 10) betont wird In den Traumgedichten bereitet sich der lyrische Sprecher auf das vor, was dann im vorliegenden Gedicht Nr 31 tatsächlich eintritt: die einschmeichelnde Rhetorik der Dame - «O mio fedel, t’affliggi e ti consumi? / E perché non fai tregua a’ tuoi sospiri,/ E ’n queste amate luci asciughi il pianto? / Speri forse d’aver più fidi lumi? » (Gedicht 28, vv 11-14) - erweist sich als schmeichlerische Illusion, während der Modus des Traums dem Liebenden ermöglicht hat, eine aristotelistische Vernunft zu mobilisieren, die ihn die 10 Vgl dazu die nach wie vor grundlegende Studie Regn 1987 Italienisch_84.indb 81 13.11.20 09: 38 82 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster anstehenden Erosionen seiner Liebe erkennen lassen . 11 Von der Pathographie der petrarkischen ʽ dolendi voluptas ʼ oder der dantisch-stilnovistischen Poetik der ʽ fedeli d’amore ʼ findet sich im Gedicht Nr 31 folgerichtig kaum mehr eine Spur, und dies erklärt auch, warum der dem Gedicht vorangestellte ʽ argomento ʼ programmatisch der Dame die Liebe und Eloquenz des suspendierten Liebhabers empfiehlt: «Si lamenta con Amore, che la sua Donna abbia preso marito, e la prega, che non si sdegni d’esser amata e celebrata da lui .» 12 Dass den Sprechenden seine individuelle Liebe allerdings kaum mehr zu interessieren scheint, erweist der Blick in die von Tasso selbst besorgte Ausgabe von 1591 Dort lautet der ’argomento’ nämlich folgendermaßen: «Si lamenta con Amore, che la sua Donna abbia preso marito, e la prega, che non si sdegni d’esser amata, e celebrata .» 13 Der Zusatz «da lui», der sich in der Ausgabe von Solerti findet, ist von Tasso (zumindest in der maßgeblichen Ausgabe von 1591) nicht autorisiert, der eindeutig eine anonymisierte Laudatio zu favorisieren scheint Das Schreiben über die Liebe, und nicht mehr der ursprüngliche Anlass (die Dame), sind das eigentliche Thema der Kanzone Nr 31 In den Versen 78 bis 85 wird dies unmissverständlich herausgestellt «Il suo bel nome entro i miei versi accolto», heißt es in Vers 78 Hier wie auch im übrigen Gedicht ist es unwesentlich, wie die Dame tatsächlich heißt Der pragmatische Anlass des Dichtens ist vernachlässigbar, und ob die Dame eventuell Lucrezia Bendidio oder Laura Peperara war (sämtliche Tasso-Biographien gehen auf diese realhistorischen Hintergründe ein), ist letztlich unerheblich Dies indiziert eine weitere Distanzierung vom petrarkischen Modell, für das eine biographische, wenn auch fiktionalisierte Verlaufsstruktur konstitutiv ist Was zählt, das ist die Sprache, in welche die Dame einbzw aufgeht, genauer: die kunstvolle, ästhetische («bel») Handhabung der Sprache durch den Schreibenden Dessen Devotionsformel («mia penna umíle», v 82) kaschiert das tatsächliche Selbstbewusstsein des Dichters nur geringfügig, der sich auf niemand Geringeren als den Gott der Künste - «Apollo» (v 83) - berufen kann, und der stabilisiert durch diese Autorität getrost auf seine eigenen Fertigkeiten vertrauen darf: «Or seguirò mio stile» (v 80) Nach der Zäsur durch den ʽ congedo ʼ ist es zielgerichtet der «Canzon», der «Amor» als Ansprechpartner und Ziel des Schreibens ablöst, während die Dame gleichsam in das dritte Glied der Aufmerksamkeit zurücktritt . 14 11 Vgl dazu Oster 2020 (im Erscheinen) 12 Tasso 1898, S 43 13 Zit nach Tasso 1592, S 46 14 Dies ist mit der im Cinquecento neben dem Aristotelismus weiterhin virulenten Platon-Rezeption vergleichbar, genauer dem Drei-Stufen-Model in der Politeia (597 ff .): An erster Stelle sind die Ideen situiert, denen auf der zweiten Stufe die sinnlich wahr- Italienisch_84.indb 82 13.11.20 09: 38 8 3 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» In der bereits genannten Ausgabe von 1591 hat Tasso seine Gedichte mit Kommentaren versehen («Esposition de l’autore»), die ihn als ʽ poeta doctus ʼ ausweisen Die erste Erläuterung bezieht sich auf Vers 3 - «Anzi ogni tua ragion da te si cede» - und lautet: «Le ragioni d’amore, sono le sue leggi (sic) fra le quali è principalissima (sic) ʽ Amore a nullo amato amar perdona ʼ » . 15 Der grammatische Superlativ in Bezug auf Dante sowie die Stellung als ʽ Erster ʼ in den Anmerkungen wird durch die Semantik des ʽ princeps ʼ weiter forciert, die Dante als angesehensten oder wichtigsten Dichter ausstellt Zwar bezieht sich in der Folge bereits die zweite Erläuterung auf Petrarca, mit Bezug auf Vers 5 («Del mio dolce tesoro»): «De la sua donna, così il Petrarca ʽ Morte m’ha tolto il mio dolce tesoro ʼ » . 16 Doch das Zitat ist nicht korrekt wiedergegeben In RVF 264, Vers 5, heißt es: «Tolto m’ài, Morte, il mio doppio thesauro», und es erscheint wenig glaubwürdig, dass ein Petrarca-Kenner wie Tasso keine Canzoniere-Ausgabe zur Hand hatte, als er jahrelang seine Rime redigierte Vielmehr wird durch den gezielten Eingriff in die petrarkische ʽ scrittura ʼ diesem ein ʽ süßer Stil ʼ untergeschoben, für den der im vorliegenden Gedicht aufgerufene Dante (dessen jugendliche Lyrik bekanntlich dem Dolce Stil Nuovo zugehörig ist) wiederum interessanterweise gerade nicht als Bürge bemüht wird Dante ist in Tassos Kanzone Nr 31 ein ʽ herber ʼ Dichter, der die Tücken - und nicht die (vordergründigen) Freuden - der Liebe erkennt und die aristotelische Affektenlehre beherrscht Darauf verweist ex negativo auch das berühmte Diktum Francescas aus der Divina Commedia, Inferno V, «Amor, ch’a nullo amato amar perdona», das in der bereits zitierten Erläuterung fast wörtlich aufgerufen wird Im Kontext des Petrarkismus des Cinquecento ist es nun eher prekär, Dante den Vorzug vor Petrarca zu geben Dante wird folgerichtig von Tasso auch nicht direkt beim Namen genannt, aber durch den Superlativ («principalissima») und die Erstnennung, vor Petrarca, wird kein Zweifel daran gelassen, dass Dante im Kontext der Liebeslyrik mindestens als primus inter pares eingestuft wird Der lyrische Sprecher in Tassos Kanzone ist ein Liebender, der die Affekte, geschult an Aristoteles, als gefährlich erkannt hat, und mehr noch: der anders als Francesca und Paolo und anders nehmbare Welt folgt, während Artefakte drittrangig sind Tasso unternimmt dem gegenüber eine ʽ Umstufung ʼ : Das Kunstwerk steht an erster Stelle, während die sinnlich wahrnehmbare Dame an letzter Stelle folgt und die Idee (Amor) in der Mitte platziert ist Der Vergleich hat sicherlich Grenzen und soll an dieser Stelle auch nicht überstrapaziert werden 15 Tasso 1898, S 49 16 Dass Petrarkismus und Dantismus im Cinquecento keine einander ausschließenden Diskursformen darstellen, kann hier nur angerissen, aber poetologisch nicht weiter ausgeführt werden Die Kanzone Tassos führt die Koexistenz praktisch vor Augen Italienisch_84.indb 83 13.11.20 09: 38 8 4 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster auch als der petrarkische Liebende Konsequenzen aus dem Schein mundaner Liebe gezogen hat Der lyrische Sprecher in Tassos Gedicht Nr 31 ist sichtlich bewegt und eifersüchtig gekränkt, doch keinesfalls im Kern seiner Existenz erschüttert Auch diesbezüglich ist die Dissimulation des Petrarca-Zitats aussagekräftig und weist ironische Implikationen auf Denn der ʽ Schatz ʼ ist kein petrarkisch ʽ doppelt ʼ schmerzender, sondern nurmehr, in abgeschwächter Form, ein «süßer» - dessen Verlust daher ebenso wenig tragisch ist, wie die Verabschiedung einer stilnovistischen Doktrin, die Tasso bei Petrarca, entgegen dessen offizieller Verlautbarungen, 17 fortgesetzt sieht Makrostrukturell dokumentiert sich Tassos Distanznahme des Weiteren darin, dass sich seine Rime keineswegs auf eine singuläre Dame konzentrieren Mikrostrukturell ist die Kanzone Nr 31 außerdem, neben der bereits genannten Sappho, von weiteren antiken Verweisen durchdrungen, auf die die «Esposition de l’autore» explizit verweisen: Catull, Horaz, Anakreon Es sind mithin heitere Formen der antiken Liebeslyrik, auf die sich Tasso bezieht, und die seiner Poetik der ʽ affetti lieti ʼ affin sind . 18 Vordergründig wird Amor beschuldigt, sich wie die Biene wenig sesshaft von Blüte zu Blüte zu schwingen und den «caro mèl» (v 47) dem neuen Bräutigam der Dame zu überlassen Hinter dem heiteren Bild verbirgt sich allerdings eine weitere Absage an Dichtformen der Imitatio, wobei es in diesem Fall dann doch Petrarca ist, der selbst (und in Bezug auf den Petrarkismus: avant la lettre) eine allzu sklavische Nachahmung mit Skepsis sieht In Familiares I, 8 bezieht sich Petrarca auf das bereits in der Antike florierende Bienengleichnis (insbesondere bei Seneca) Petrarca gibt der Seidenraupe, die aus sich selbst heraus erschafft, den Vorzug vor der Biene, die sich von fremdem Blütenstaub nähren muss, und der allerdings wiederum Achtung gebühre, wenn sie das Gesammelte in etwas Besseres verwandle Auf den Spuren der Bienen beziehungsweise der Liebesvorgaben Amors gerät der Sprecher der Kanzone Nr 31 von daher fast folgerichtig auf Abwege, die verstärkte Verletzungen zur Folge haben: Darauf verweist die ostentative Wiederholung von «saette» und «saettarmi» in den Versen 48 und 59 Aus den Fängen der ʽ affetti dogliosi ʼ und ihrer vielzähligen «piaghe» (v 53) befreien hingegen diejenigen «aure amorose» (v 52), die sich von Apollo (v 83) inspirieren lassen Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter 17 Vgl zu Petrarcas ostentativer Behandlung Dantes als ʽ innominato ʼ das Kapitel «Dante, il maestro negato», in Santagata 1991, S 23-91 18 Vgl zur lyrischen Poetik Tassos das Kapitel «Tassos Kompromisse Pluralisierte Stiltheorie und typologisches Gattungskonzept im Kontext mimetischer Poetik», in Huss/ Mehltretter/ Regn 2012, S 102-129 Italienisch_84.indb 84 13.11.20 09: 38 85 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Weg, der den lyrischen Sprecher durch dornige, blutende Wunden verursachende Rosen (Verse 51-54) führt, wobei die plötzliche Konfrontation mit der Geliebten - «Ecco la bella donna» (v 60) - sogar ins Straucheln führt Entgegen seiner in der ersten Strophe angekündigten Flucht vor Amor und Vermeidung der Begegnung mit der geliebten Dame (v 12-14), setzt sich der Liebende beiden Mächten aus, was bereits in der zweiten Strophe besonders nachhaltige Folgen hat Denn das Herz wird buchstäblich und glühend mit dem Namen «gezeichnet» («D’ardenti note il cor m’imprimi e ’l segni/ Del nome a forza amato», v 25-26) Die Rechtfertigung lautet, dass Liebe und Dame den nunmehr Gezeichneten hartnäckig verfolgt und sich in seinem Inneren («in me», v 27) beziehungsweise in seinem «pensier» (v 28) eingenistet hätten Dass ausgerechnet der «pensier» folgenschwere Imaginationen, und gerade keine realistischen Vorstellungen generieren kann, darauf hatte zuvor bereits das Gedicht Nr 27 mit allem Nachdruck hingewiesen . 19 Strophe drei zeichnet ein Hochzeitsbild der Geliebten, in dem der Gott der Hochzeit, «Imeneo» (v 30), federführend ist Bereits dieser situative Gattungsrahmen, das Epithalamium, entrückt die Kanzone den petrarkischen Vorgaben, innerhalb derer eine Vermählung, die auf einem ʽ amore vicendevole ʼ beruht, kein kohärenzstiftendes Ereignis darstellt Auch ist die höfische Feier, das hochzeitliche Fest, keine Stimmung, die den petrarkischen paradoxalen Affektstrukturen eine ideale Entfaltung bieten würde Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass nicht zur Gänze zu klären ist, ob die dritte Strophe der Kanzone Tassos womöglich auch nur eine (Aus)Geburt der Fantasie des lyrischen Sprechers vorstellt Dass dies der Fall sein könnte, darauf verweist - über Vers 27 hinausgreifend - die Verlängerung der Introspektion Denn nicht nur in Vers 62 wird eine tendenzielle Selbstbezüglichkeit wieder aufgegriffen («se stessa», v 62) Auch die Dame wird geschildert mit «occhi a sé raccoglia» (v 37) - was ganz untypisch für die Geliebte ist, deren Augen in den vorangegangenen Gedichten explizit als besonders extrovertiert geschildert wurden (vgl Gedicht 28, v 9: «Ella, volgendo gli occhi in dolci giri») Eine weitere mögliche Deutung wäre, dass die vormals optisch umtriebige Dame nunmehr den ihr ʽ angestammten ʼ Bräutigam gefunden und deshalb ihre flatterhafte Ungebundenheit preisgegeben hat In der fünften Strophe schlingt sich die Dame mit deutlich sexuellen Konnotationen als rankender Weinstock um den Bräutigam, der als viriler Baumstamm gezeichnet wird, und der bereits in Strophe drei als derjenige beneidet wurde, dem es vergönnt sein wird, den unschuldigen «viso intatto» (v 39), den Keuschheitsgürtel («cinti d’amorose spine», v 41) der Jungfräulichkeit («i primi fior ne coglia», v 40) für sich beanspruchen zu dürfen Dem Sprecher 19 Vgl auch dazu: Oster 2020 (im Erscheinen) Italienisch_84.indb 85 13.11.20 09: 38 86 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster bleibt in diesem lyrischen Herbarium lediglich die Rolle des wenig spektakulären Efeus («edera», v 63), der sich allerdings durch Beständigkeit und Treue auszeichnet Außerdem wird dadurch, dass der ʽ amore lascivo ʼ dem Brautpaar übereignet wird, der lyrische Sprecher von jeglicher Verpflichtung petrarkistischer Reue entbunden Dessen Tugendhaftigkeit kann vielmehr ostentativ in einer nahezu laudativen Weise ausgestellt werden Denn was die abtrünnige Dame bereits in Gedicht 28 ganz richtig erkannt hatte, nämlich die Treue des lyrischen Sprechers («O mio fedel», v 11), dies wird nunmehr in Gedicht 31 ausgiebig in Szene gesetzt Überraschend wendet sich nämlich der ehemalige Liebhaber dem glücklichen Bräutigam zu: «Ma tu, ne le cui braccia», v 66, und katapultiert sich gleichsam aus den trägen Ranken des Efeus heraus in die neue Gestalt des Singvogels («augel canoro», v 69), der mit beschwichtigenden Worten jeglichem Argwohn des neuen Heiratskandidaten zuvorzukommen versucht Nicht auf einen wie auch immer gearteten ʽ amor lascivo ʼ zielt das Ansinnen des Minnesängers Er sei, so versichert der «augel canoro», vollends damit zufrieden, sich im Schatten der Äste des Liebespaars zu tummeln, ohne weitergehende Gunst zu erhoffen (vgl v 70) Die sechste Strophe nimmt den Gestus der Devotion allerdings sogleich wieder zurück Indirekt, eventuell auch ermutigt durch die Ausblendung des Bräutigams, wendet sich der Sprecher nunmehr an die Dame und weist darauf hin, dass niemand - auch die Dame selbst nicht - den Liebesknoten jemals auflösen könne, den ihre Hand einst gestiftet habe Mit Kalamitäten sei gleichfalls nicht zu rechnen, da «nuovo amore» und «nodo antico» (v 72) im Schreiben des Dichters, gleichsam unter der Hand, eine harmonische, ästhetische Fruchtbarkeit entfalten: «E se pur, come volle, occulto crebbe/ Il suo bel nome entro i miei versi accolto/ Quasi in fertil terreno arbor gentile» (v 77-79) Nahezu petrarkisch mutet das Fazit an, in dem das Verlangen nach überirdischer Gloria ungleich größer wird als die vergängliche Liebe zu einer Frau: «E d’Apollo ogni dono in me fia sparso/ S’Amor de le sue grazie a me fu scarso .» (v 83-84) Der ʽ congedo ʼ bekräftigt die Unabhängigkeit des Poeten von irdischen Lieben, die zwar als Anlass zum Dichten hochwillkommen sind, dessen Ursache hingegen in keiner singulären Liebe begründet sein kann Sterben, so versichert der lyrische Sprecher, würde er nur dann wollen - dies betont er mit allem Nachdruck - wenn ihm die Fähigkeit des Dichtens abhandenkommen würde . 20 20 Dies hat Goethe in seinem berühmten Drama als grundlegenden Zug des Dichtens Tassos treffend benannt und dabei auch den Vorzug der Seidenraupe vor der Biene in dem bereits genannten petrarkischen Gleichnis aufgegriffen: «Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll,/ So ist das Leben mir kein Leben mehr ./ Verbiete du dem Seidenwurm zu spinnen,/ Wenn er sich schon dem Tode näher spinnt .» (Torquato Tasso, zit nach Goethe 1948 ff ., Band 5, S 154) Italienisch_84.indb 86 13.11.20 09: 38 87 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Im Vergleich dazu stellt sich der Verlust der Dame als deutlich verkraftbarer dar Auf der Basis der vorliegenden Interpretation, die sich angesichts der Länge des Gedichtes nur ausschnitthaft auf Wesentliches beziehen konnte, dürfte deutlich geworden sein, dass der von Karl Förster für die deutsche Übersetzung gewählte Titel, «Klage um die verlorene Geliebte», Inhalt und Form der Kanzone Nr 31 in Tassos Rime nur zum Teil trifft Tragische Komponenten oder Stileme der ʽ gravitas ʼ sind in dem Gedicht kaum vorhanden, und die Klagepartikel wie «Lasso! » (v 57) sind überschaubar und haben vorrangig rhetorischen Charakter Dass die Klage sich auf nurmehr bedingt brauchbare Schemata der Vergangenheit bezieht, erweist auch der identische Reim von Vers 18 («ahi lasso») mit Vers 16: «lasso», im Sinne von ʽ suspendieren ʼ , ‘verlassen ʼ Und auch die petrarkischen ‘affetti dogliosi ʼ werden in dem Gedicht zwar aufgerufen, und die Unerreichbarkeit der Dame infolge ihrer Vermählung rückt diese prinzipiell auf eine Stufe mit der dauerhaften Entrückung der petrarkischen Laura ʽ in morte ʼ Doch ʽ morte ʼ und ʽ matrimonio ʼ stellen letztlich sehr verschiedene Lebenszäsuren dar, auch wenn die Verse Tassos sie auf der Ebene modulationsreicher Reime in Verbindung setzen: «Funebri pompe, ed una istessa face/ Ne l’altrui nozze e nel mio rogo accesa; / E, come Aurora in oriente ascesa» (v 33-35) Die Unverfügbarkeit der Dame wurde bereits in den dem Gedicht Nr 31 vorangegangenen Gedichten sukzessive vorbereitet, sodass der darauf vorbereitete lyrische Sprecher in der Folge nicht mehr der hier besungenen Geliebten, sondern anderen Damen und vor allem: dem eigenen Schreiben folgen wird: «Or seguirò mio stile» (v 80) Dass das Gedicht Nr 31 «den Verlust sanft und mittels literarischer Ausweichung zu verwinden scheint», wie Hugo Friedrich schreibt, trifft also gerade nicht zu . 21 Im Gegenteil: das Gedicht weicht gerade nicht aus, sondern zielt literarisch ins Zentrum des Schreibens, indem es - um im Bild des Zielens zu bleiben - einen poetologisch versierten ʽ Volltreffer ʼ beabsichtigt Ziel der Lyrik ist letztlich keine Dame, auch wenn es realhistorische Vorbilder für Tasso gegeben haben mag Ziel ist die Komposition einer euphonischen Kanzone, deren Klagegestus zum Anlass für außergewöhnliche Klangeffekte und gewagte Stilmischungen wird Dabei spielt Dante eine größere Rolle, als es die Forschung Tasso in der Regel konzediert Tasso greift ostentativ den «okkulten» (v 77) Gestus der Petrosen Dantes auf, die er allerdings mit einem Überbietungsanspruch konfrontiert In beiden Amor-Kanzonen hebt der ʽ congedo ʼ mit einer Apostrophe der «Canzon(e)» selbst an Was Dante in den beiden letzten Versen seines Gedichtes als neu und einzigartig bezeichnet - «La novità […]/ che non 21 Friedrich 1964, S 474 Italienisch_84.indb 87 13.11.20 09: 38 8 8 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster fu mai pensata in alcun tempo» -, stellt Tasso vor besondere Herausforderungen der Imitatio Die ‘Herbheit’ Dantes, dessen bereits zitiertes «nel mio parlar voglio esser aspro», ist für Tasso lediglich inhaltlich nachahmenswert («Ma trovo chi l’inaspra ognor piú cruda», v 56) Formal schließt sich Tasso Dantes Kritik an, der allzu rauhe Reime und Satzbildungen selbst später kritisiert hat . 22 Tasso favorisiert stattdessen eine kunstvolle Syntax weit ausgreifender Strophen, melische Homogenitäten, zum Teil abenteuerliche Periphrasen und kühne Metaphern intensiver Affekte und damit eine ästhetische Eleganz, die dem in wenig beweglichen Baummetaphern naturwüchsig skizzierten Rivalen und neuen Bräutigam der Geliebten abgeht Das Idyll, das der lyrische Sprecher in der Kanzone gezeichnet hat, ist entsprechend vergleichsweise karg und wenig amön: statt graziler Blumen finden sich vor allem die bereits genannten ʽ ruppigeren ʼ Strauch- und Baummotive, deren Sprödigkeit sich in dem wenig kunstvollen, nahezu identischen und auf den Bräutigam gemünzten Reim von «abbraccia»/ «braccia» (v 65-66) spiegelt In diese ironische Distanzierung ist auch der überfunktionale Stil der Petrosen Dantes einzubeziehen, die zwar extravagant operieren, deren ʽ suoni aspri ʼ in den Ohren Tassos jedoch ähnlich schwerfällig wie die behäbige Härte der ‘donna pietra ʼ klingen Gleichwohl haben wir es nicht mit einer avantgardistischen Lyrik avant la lettre zu tun, denn was Tasso vordergründig als liebeslyrisches «nuovo amore, il nodo antico» präsentiert, gilt metapoetologisch auch für seine Kanzone selbst, die bei aller versierten ʽ novitas ʼ keine ʽ querelle des anciens et des modernes ʼ zu entfachen beabsichtigt Das Gedicht plädiert eindeutig für eine Wertschätzung des Überkommenen, das durch neue Leidenschaften nicht zur Gänze suspendiert werden kann Auch wenn Tasso eine Erosion der traditionellen Schemata konstatiert und deren doktrinäre Normierung abzulehnen scheint, erkennt er Erworbenes in Form des zu respektierenden ʽ Ersten ʼ («principalissima») an Der auffällige Superlativ dürfte nicht zuletzt auf Dantes «superexcellentiam» anspielen, welches dieser in De Vulgari Eloquentia gleich drei Mal hintereinander der Kennzeichnung der hochwertigen Kanzone als edelster Lyrikgattung vorbehalten hat . 23 Die Reminiszenz weist allerdings klare Grenzen auf Tasso erweist sich keineswegs als Dante-Enthusiast, sondern als ein Dichter, der Dantes ʽ aspro ʼ - Stil hinter sich zu lassen gedenkt Dieser ruht seinerseits auf der Dichtkunst 22 Vgl Dante Alighieri: De Vulgari Eloquentia, in: Dante 2011, S 1502-1505 (= Buch II, XI, 7-12) Dante hält, ungeachtet aller Kritikpunkte, an seiner von ihm in De Vulgari Eloquentia als Beispiel aufgeführten Kanzonenkunst und ihrer Exzellenz fest Es gibt dazu auch gegenteilige Forschungsmeinungen, ich schließe mich hingegen diesbzgl den überzeugenden Argumenten von Bernhard König an: König 1983, S 246 23 Dante Alighieri: De Vulgari Eloquentia, in: Dante 2011, S 1478-1480 (= Buch II, VIII, 7-9) Italienisch_84.indb 88 13.11.20 09: 38 8 9 Angela Oster Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» des bereits genannten Daniel Arnaut und dessen «aur’amara» auf . 24 Tasso scheint sich der Meinung von Guido Guinizelli in Dantes Purgatorio XXVI, v 117, anzuschließen, der über Arnaut sagt: «fu miglior fabbro del parlar materno» Es ist letztlich der superlativisch eingeordnete Arnaut - und weder Dante und auch nicht Petrarca - zu dem Tasso mit seiner Kunst aufzuschließen gedenkt Denn seine Zeilen «Ben folle è chi non parte / Omai lunge da te, che tu non puoi» (v 12-13) greifen Arnauts «Fols es qui per parlar en va / quer com sos jois sia dolors» auf: es ist «Wahnsinn», die ʽ affetti lieti ʼ («jois») dauerhaft in Schmerzen oder gar eine ʽ dolendi voluptas ʼ («dolors») münden zu lassen . 25 Zwischen dantisch-‘harten’ Petrosen und petrarkischer ʽ dolcezza ʼ bahnt sich die Kanzone Nr 31 Tassos somit leichtfüßig einen eigenen Weg im Dickicht der poetologischen Querelen des Cinquecento, der im Vergleich Tassos epischen Dichtungen und den diese begleitenden Auseinandersetzungen nicht vergönnt war . 26 Angela Oster Bibliographische Angaben Primärtexte Arnaut Daniel, L’aur’amara, hrsg. von Mario Eusebi, Roma: Carocci 2019 Dante Alighieri: De Vulgari Eloquentia, in: ders ., Opere I, hrsg von Marco Santagata, Milano: Mondadori 2011, S 1125-1547 Goethes Werke Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Hamburg: Wegner 1948 ff Le Rime di Torquato Tasso Edizione critica sui manoscritti e le antiche stampe, hrsg von Angelo Solerti, Bologna: Romagnoli-Dall’Acqua 1898. Delle rime del Sig. Torquato Tasso, parte prima, Brescia 1592 (BSB P .o .it 1141 - r1/ 2) Torquato Tasso’s auserlesene Gedichte, hrsg und übersetzt von Karl Förster, Zwickau: Schumann 1821 Sekundärtexte Friedrich, Hugo: «Torquato Tasso», in: ders .: Epochen der italienischen Lyrik, Frankfurt/ Main: Klostermann 1964, S 413-532 Huss, Bernhard/ Mehltretter, Florian/ Regn, Gerhard: Lyriktheorie(n) der italienischen Renaissance, Berlin/ Boston: De Gruyter 2012 24 Dante geht auf «Arnaldum Danielem» und die Verse zur «aura amara» ebf in De Vulgari Eloquentia ein, in: Dante 2011, S 1390-1395 25 Daniel 2019, S 70 26 Vgl dazu Kerl 2014 Italienisch_84.indb 89 13.11.20 09: 38 9 0 Affektpoetik zwischen ’amor aspro‘ und «aure amorose» Angela Oster Kerl, Katharina: Die doppelte Pragmatik der Fiktionalität. Studie zur Poetik der ʽ Gerusalemme Liberata’ (Torquato Tasso, 1581), Stuttgart: Steiner 2014 König, Bernhard: « ʽ La novità che per tua forma luce ʼ Formwille und Formkunst in Dantes Kanzonendichtung», in: Italia viva: Studien zur Sprache und Literatur Italiens Festschrift für Hans Ludwig Scheel, hrsg von Willi Hirdt, Tübingen: Narr 1983, S 237-252 Küpper, Joachim: «Palinodie und Polysemie in Petrarcas Mariencanzone Mit einigen Gedanken zu den Bedingungen der Unterschiede von antiker und abendländischer Kunst», in: Petrarca-Lektüren. Gedenkschrift für Alfred Noyer-Weidner, hrsg von Klaus W Hempfer u Gerhard Regn, Stuttgart: Steiner 2003, S 113-146 Oster, Angela: «Somnio ergo sum Anmerkungen zur Traumpoetik in Torquato Tassos Rime», erscheint in: Traumkultur in der Romania der Frühen Neuzeit. Poetik, Hermeneutik, Prognostik, hrsg von Paul Strohmaier und Katharina Münchberg, Frankfurt/ Main: Klostermann 2020 (im Erscheinen) Oster, Angela: Furor Hereos. Kultur und Poetik des Wahnsinns in der Renaissance, erscheint: Paderborn 2021 Regn, Gerhard: Torquato Tassos zyklische Liebeslyrik und die petrarkistische Tradition. Studien zur Parte prima der Rime (1591/ 1592), München: Narr 1987 Santagata, Marco: Per moderne carte. La biblioteca volgare del Petrarca, Bologna: Il Mulino 1991, S 23-91 Italienisch_84.indb 90 13.11.20 09: 38 91 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 026 Zur Biblioteca poetica von Marc Föcking, Eugenio Montale: Il ramarro, se scocca, in Italienisch 82/ Herbst 2019, S. 72-80. Die folgenden Bemerkungen sollen dazu anregen, die in der Biblioteca poetica erschienenen Artikel als Ausgangspunkt für weitere, eigene Überlegungen und als Diskussionsgrundlage zu verstehen Auf diese Weise könnte der nur allzu selten praktizierte wissenschaftliche Dialog gefördert werden Besonders gelungen erscheint mir bei der Interpretation des Montale- Gedichts von Marc Föcking die Integration der intertextuellen Verweise, die es nicht, wie häufig üblich, bei einer bloßen Aufzählung bewenden lässt Zu meinen Steckenpferden gehört es, die Übersetzungen zur Erhellung des Originaltextes mit einzubeziehen Marc Föcking hat an zwei Stellen auf die Übersetzung Hanno Helblings Bezug genommen Stellen, an denen dieser unzulässig (und überflüssig) vereindeutigend (bzw aufgrund von ʽ reim-dichoder-ich-fress-dich ʼ ) den Leser eher in die Irre führt, als ihm das Verständnis zu erleichtern ( ʽ Richteruhr ʼ für cronometro; ʽ Spur ʼ für stampo) Der Reim ʽ Schiff ʼ : ʽ Felsenriff ʼ ist als Ersatz für die Assonanz fiotta : rocca gerechtfertigt Ein Reim in der Zielsprache steht jedoch immer unter der Voraussetzung, dass er kein bloßer Zierat ist, den man an einer beliebigen Stelle zwischen beliebigen Wörtern einfügen kann, sondern seine eigene Bedeutung hat bzw diejenige der Reimwörter durch semantische Äquivalenzen oder Kontraste hervorhebt So reimt stampo eben nicht auf cronometro, sondern auf lampo! (s .u .) Grenzwertig ist bei Helbling das ohne, das sich auf Kanone reimen muss (Helbling hat bei allen Verdiensten insgesamt die Tendenz, seine Übersetzungen ʽ poetisch ʼ herauszuputzen .) Montale verwendet im ganzen Gedicht immerhin drei Reime (scocca : rocca ; cuore : rumore ; lampo : stampo) und eine Assonanz (scocca : fiotta : rocca) Auf den Reim cuore : rumore wird man im Deutschen wohl leider verzichten müssen (zumindest fällt mir dazu nichts ein), obwohl er für den sinnlichen Kontrast zwischen Kanonendonner, lautlosem Vorrücken der Uhr und dem pochenden Herzen wichtig ist Doch der Reim lampo : stampo betrifft den von Föcking benannten Kern des im Text Gesagten Die semantische Diskrepanz zwischen der « anderen Form » (der poetischen) und der metonymisch im Blitz(-licht) erscheinenden nicht künstlerisch gestalteten (etwa fotografischen) Momentaufnahme wird in den letzten drei Zeilen (die leider beim Abdruck in Italienisch 82 auseinander gerissen wurden) gerade durch den lautlichen Parallelismus ganz besonders hervorgehoben Die Fähigkeit zur poetischen Formung wird ausdrücklich dem als Du angesprochenen Autor bzw der Poesie zugewiesen, die als « andere » (eigens rhyth- Italienisch_84.indb 91 13.11.20 09: 38 92 Zur Biblioteca poetica von Marc Föcking Hermann H. Wetzel misch betont durch die auch von Föcking erwähnte Dialöphe 1 und die Anfangsstellung im Satz) eben nicht invano ist, d .h nicht nur kurz lebt, sondern den Reichtum, die Kostbarkeit und die Seltenheit des Augenblicks verweilen lässt Alcunché hat in negativen Sätzen (das betont am Anfang des Verses stehende invano hat eine solche negierende Funktion) die Bedeutung von nichts, so dass die Fügung mit ricco e strano seltsam widersprüchlich klingt und eigentlich erst richtig mit Hilfe der zitierten intertextuellen Verweise erklärlich wird Die im letzten Reim auf das ‘letzte Wort’ lampo : stampo zusammengespannte Quintessenz des Gedichts ließe sich in der Übersetzung retten, wenn man Blitz-Licht (getrennt geschrieben, damit es nicht lexikalisiert eindeutig technisch klingt) auf Gedicht reimte, zumal wenn man die Etymologie von dichten (ordnen, herrichten, schaffen) 2 mit bedenkt Montales vier Momentaufnahmen gleichende Szenen werden als Gedicht-Material durchweg in kurzen Versen und kurzen Strophen aufbereitet, ein formaler Rahmen, auf den auch schon die Bezeichnung als Mottetti (mottetto: «Breve componimento in rima di tono arguto .») 3 verweist, während die längeren drei letzten Verse dem poetologischen Kommentar vorbehalten sind Föckings diesbezügliche Beobachtungen ließen sich noch ergänzen durch Phänomene der lexikalisch/ lautlichen Ebene, die damit die erweiterten Möglichkeiten und Vorteile der Dichtung ausspielen, nämlich nicht nur eine zeitlich auf hundertstel Sekunden begrenzte, erstarrte, visuelle (fotografische) Momentaufnahme, sondern umfassende zusätzliche sinnliche Qualitäten zu bieten Neben dem auf besonders dynamische Bewegungen ausgeweiteten Sehen (die schnelle Bewegung der Eidechse als Kontrast zur Erstarrung unter der Mittagshitze 4 ; vgl Montales Meriggio; das plötzlich aus dem Gesichtsfeld verschwindende Schiff, der auf zwölf Uhr vorrückende Zeiger der Uhr) auch noch das Hören (das Gurgeln 5 des Wassers an der Klippe; die Kanone, das klopfende Herz, das lautlose Vorrücken der Uhr) und nicht zuletzt das Spüren (die Hitze, den Herzschlag) Die vom aufmerksamen Leser dank der poetischen Verwandlung ( mutarvi) in seiner Imagination nachvollziehbare Fülle sinnlicher Eindrücke ist also viel umfangreicher 1 Parallelphänomen zur Dihärese im Wortinnern (vgl W .Th Elwert, Italienische Metrik, 2 Auflage, Wiesbaden: Steiner 1984, § 12) 2 Hermann Paul, Deutsches Wörterbuch, 6 Auflage, Tübingen: Niemeyer 1966 3 Nicola Zingarelli, Vocabulario della lingua italiana, 11 Auflage, Bologna: Zanichelli 1986 4 Fersa bringt diesen Kontrast in der Wortbedeutung selbst zum Ausdruck, die das plötzliche Knallen der Peitsche metaphorisch mit der Wirkung der Sonne in festen Redewendungen verknüpft: la sferza del caldo, del sole 5 Fiotta hängt zwar etymologisch mit lat . fluere zusammen, ist in seiner Bedeutung heute aber auf Lautliches verengt: rumoreggiare, gorgogliare sordamente bzw borbottare, piagnucolare, mugugnare (Zingarelli) Italienisch_84.indb 92 13.11.20 09: 38 93 Hermann H. Wetzel Zur Biblioteca poetica von Marc Föcking und dichter als es eine Fotografie (ja selbst ein gemaltes Bild, von dem banausischen bloß biographischen Erleben einmal ganz abgesehen) je sein könnte Die epiphanieartige, abrupte Plötzlichkeit der in den drei ersten Strophen geschilderten Szenen, die Föcking treffend charakterisiert hat, wird zusätzlich zu den Aposiopesen rhythmisch und lautlich unterstrichen durch die Häufung kurzer, meist zweisilbiger Wörter (ramarro, sotto, dalle stoppie, della rocca, cannone di mezzodì), darunter auffallend viele Verben der Bewegung mit Doppelkonsonant (scocca, fiotta, s’inabissa, scatta) Um deren lautlichen Eindruck auch nur entfernt im Deutschen wiederzugeben, sind in der Übersetzung alle unnötigen Wortverlängerungen zu vermeiden: aufgeschnellt > schnellt; Peitschenschlag > Peitsche (oder noch besser Hitze, da fersa im Italienischen schon als Metapher für Hitze annähernd lexikalisiert ist); Stoppelfeld > Stoppeln oder Feld; Segelschiff > Schiff oder Segel; verschwindet, hinabtaucht > abtaucht; am Windumschwung 6 des Felsens > Felsenriff; Mittagsschuss der Kanone > Kanone am Mittag, angesprungen, anspringt > ruckt Hier nun mein Übersetzungsvorschlag, der der Verbesserung durch geneigte Leser harrt: Die Eidechse, wenn sie schnellt unter der großen Hitze aus dem Feld - das Schiff, wenn es klatscht und abtaucht an der Felsklippe - die Kanone am Mittag matter als dein Herz und der Zeitmesser 7 , wenn er lautlos ruckt - ……………………… und dann? Blitz - Licht vergeblich nur kann verwandeln euch in etwas Reiches und Seltenes Etwas anderes war 8 dein Gedicht Hermann H. Wetzel 6 Salto, das ein Syntagma mit rocca bildet, hat auch die ganz banale, hier durchaus passende Bedeutung Felsvorsprung , Felsabsturz 7 Natürlich könnte man auch mit Uhr übersetzen Doch hat Montale ja wohl nicht ohne Grund den technischen (nautischen) Ausdruck cronometro gewählt 8 Föckings Schlusssatz könnte vielleicht auch das Vergangenheitstempus erklären Italienisch_84.indb 93 13.11.20 09: 38 9 4 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 027 M A R C O M E Z Z A D R I Didattica della lingua italiana e tecnologie: un dialogo a misura di cervello 1 ‘El tiempo pasa…’ ‘El tiempo pasa y nos vamos poniendo viejos’ cantava il cantautore cubano Pablo Milanés A volte è con un certo timore che riprendo scritti di oltre vent’anni fa: un timore dettato dalla terribile deformazione professionale che mi porta sempre a valutare criticamente quanto leggo, anche quando ne sono l’autore Così, riprendendo lavori dei primi anni 2000 (Mezzadri 2000 e 2001) e riscoprendo appunti che risalgono a quel periodo, trovo alcune annotazioni sparse che mi fanno pensare: «Oggi occorre essere consapevoli delle potenzialità per migliorare la didattica che le nuove tecnologie consentono, in particolare per migliorare la comunicazione docentediscente, per ampliare le possibilità di ricerca e di documentazione, per offrire sussidi non solo per il sapere, ma anche per il saper fare, per permettere l’individualizzazione dell’azione didattica, per abituare alla pluralità culturale, per affrontare la complessità, per abituare al lavoro collaborativo e altro ancora» Che cosa scriverei diversamente oggi? Banalmente, non chiamerei più le Tecnologie dell’Informazione e della Comunicazione (TIC) ‘nuove tecnologie’ Partendo da questa solo apparente banalità, proseguo la riflessione A distanza di oltre vent’anni dalle prime esperienze di introduzione delle tecnologie nella didattica delle lingue, il tema non può certo considerarsi inesplorato nel panorama della ricerca glottodidattica A titolo d’esempio, in ambito italiano, si vedano i testi a cui ho fatto riferimento per scrivere il presente lavoro: Mezzadri 2001, 2014a, 2015; Caon/ Serragiotto 2012 Nonostante ciò, ritengo che vi sia spazio per un’ulteriore riflessione che, partendo dall’individuazione degli elementi fondanti della didattica della lingua, porti a delineare brevemente alcuni campi della ricerca utili a esplorare soluzioni nel tentativo di individuare un punto di incontro tra questi due elementi Nel presente contributo cercherò, seppur brevemente, di dare una risposta alle seguenti domande di ricerca: è possibile definire una cornice Italienisch_84.indb 94 13.11.20 09: 38 95 Marco Mezzadri Didattica della lingua italiana e tecnologie neuroscientifica e glottodidattica utile a individuare il punto di incontro tra l’insegnamento dell’italiano a stranieri basato su ambienti e strumenti tradizionali e l’utilizzo a fini glottodidattici delle tecnologie? È possibile immaginare che si arrivi a un superamento della frattura tra TIC come ambiente e come strumento di apprendimento? La riflessione così condotta permetterà di accennare allo sviluppo delle tecnologie attualmente applicabili alla didattica dell’italiano nel tentativo di rispondere al meglio alle scelte metodologiche derivanti dalla teoria della lingua suggerita nella prima parte del testo, avendo con questo definito una scelta pregiudiziale, quella della possibilità di trovare un punto di incontro tra i due mondi, a conferma di quanto vengo affermando da tempo (cfr Mezzadri 2001) Una prospettiva neuroscientifica embodied può aiutare a individuare il minimo comune denominatore tra didattica dell’italiano e tecnologie Mettere al centro il cervello, motore di qualsivoglia attività cognitiva, e affermare che in questo modo si arriva al punto di incontro iniziale può sembrare quasi tautologico; in realtà le teorie della lingua che oggi si confrontano in campo glottodidattico non accolgono la stessa visione circa il modo in cui il linguaggio verbale viene generato nel cervello In questa sede non ci è possibile approfondire le ragioni della seconda scelta pregiudiziale alla base di questo contributo Rimando, dunque, a precedenti lavori in ambito neuroscientifico e glottodidattico: Buccino/ Mezzadri 2015a, Mezzadri 2014b, Buccino/ Mezzadri 2015b, Buccino/ Marino/ Bulgarelli/ Mezzadri 2017 2 Le fondamenta Una delle pietre miliari della moderna glottodidattica è la Teoria della Gestalt: essa incoraggia lo sviluppo di una cornice metodologica determinata dalla percezione e dall’elaborazione dell’input esterno che porta a un approccio didattico da molti considerato essenziale per lo sviluppo dei processi di apprendimento linguistico Tale approccio si fonda sulla sequenza globalità-analisi-sintesi di una possibile molecola matetica, cioè di un’unità minima del processo d’acquisizione linguistica Quest’unità minima si traduce in procedure didattiche che si sono evolute nel tempo, fino all’attuale configurazione dell’unità di acquisizione (cfr Balboni 2012) La ragione principale della longevità del modello gestaltico risiede, almeno in parte, nell’interazione con l’educazione linguistica, in quanto la sequenza gestaltica si sposa con il ruolo centrale attribuito nell’educazione linguistica al testo, visto come generatore e stimolatore di significative esperienze linguistiche e culturali In altre parole, un modello d’insegnamento linguistico basato su Italienisch_84.indb 95 13.11.20 09: 38 9 6 Didattica della lingua italiana e tecnologie Marco Mezzadri questa sequenza può fornire pratiche didattiche coerenti e inclusive in grado di rispettare le differenze individuali e gli stili di apprendimento A partire dagli anni ’60 del secolo scorso la psicologia ha influenzato lo sviluppo della glottodidattica attraverso contributi teorici provenienti da diversi filoni di ricerca L’apprendente e i processi di acquisizione linguistica sono stati messi definitivamente al centro dell’insegnamento; ciò comporta l’emarginazione della prospettiva strutturalistica che vedeva l’apprendimento come sviluppo di abitudini linguistiche automatizzate Tra gli studiosi che maggiormente hanno influenzato la glottodidattica è utile in questa sede ricordare, tra gli altri, Jerome Bruner e Carl Rogers, ma anche Howard Gardner e la sua teoria delle intelligenze multiple (Gardner 1983 e 2006) Nello stesso periodo, si registra anche un forte e finora persistente spostamento del focus didattico dalla forma al significato e dunque a teorie che considerano il linguaggio come un sistema per l’espressione del significato La centralità del significato e dell’interazione comunicativa è sostenuta dall’opera complessiva di psicologi cognitivisti come Ulric Neisser (1967), così come da concetti quale l’idea di apprendimento significativo proposta da David Ausubel (1968) Risalgono ai due decenni che vanno dal 1960 alla fine degli anni ’70 altri contributi di ambito psicologico e psicolinguistico acquisiti dalla glottodidattica Tali studi hanno permesso ai glottodidatti di interpretare i processi della comprensione, in sintonia con lo spostamento del focus didattico dallo studio della forma linguistica alla trasmissione del significato Il fatto che i processi legati alla comprensione abbiano cominciato a giocare un ruolo centrale ha reso possibile reinterpretare l’interazione comunicativa tra gli individui e investigare ciò che si ritiene esserne la guida a livello del funzionamento del cervello L’approccio è ancora psicologico e porta a prestare attenzione alle proposte di studiosi come, ad esempio, Goodman (1967) con la sua idea del processo di lettura come psycholinguistic guessing game, oppure al concetto di expectancy grammar di Oller (1979), o ancora alla Frame System Theory di Minsky (1977) L’adozione di questi concetti ha avuto una notevole influenza su ampi settori della glottodidattica, i quali, ad esempio, enfatizzano con vigore i processi di pre-lettura e di pre-ascolto, cioè le fasi didattiche dell’unità di acquisizione precedenti all’esposizione al testo In questo modo viene attivata la preconoscenza dell’apprendente In altri termini, le esperienze dell’apprendente sono divenute strategiche e cruciali non solo per l’apprendimento ma anche per l’insegnamento Questi processi iniziali vengono considerati il motore per la comprensione del testo Il ruolo dell’esperienza nell’apprendimento linguistico risulta essere il punto d’incontro principale tra la Teoria dell’Embodiment (o del linguaggio incarnato) e la didattica delle lingue Prima di giungere alla trattazione di Italienisch_84.indb 96 13.11.20 09: 38 97 Marco Mezzadri Didattica della lingua italiana e tecnologie questo aspetto è opportuno ricordare, tuttavia, che attraverso il contatto con le teorie chomskiane sul linguaggio (Chomsky 1966) o con altre teorie dei collaboratori e seguaci di Chomsky come la Teoria del Periodo critico (Lennberg 1967), la glottodidattica si è avvicinata, subendone il fascino, a temi più strettamente connessi alle neuroscienze Negli anni ’80 e ’90 due altre teorie hanno pesantemente influenzato tutti gli ambiti coinvolti nei processi di apprendimento e insegnamento linguistico: la dicotomia tra learning e acquisition, uno dei pilastri della Second Language Acquisition Theory di Stephen Krashen (1981) e la Teoria della Bimodalità e della Direzionalità di Marcel Danesi (Danesi, 1988a, 1988b e 1998) Quest’ultima può essere definita come un tentativo di portare all’ambito della didattica delle lingue le teorie basate sulla predominanza cerebrale Accogliere ipotesi suggestive non ha comunque significato fermare lo sviluppo della ricerca che ha anzi permesso di individuarne pregi e difetti, cercando di non cadere nella trappola di assumerli in maniera apodittica (cfr Mezzadri 2014b) La crescente attenzione al significato come fondamento della comunicazione è strettamente connessa all’enfasi, posta con sempre maggior forza, sull’azione in ambito sociale e sui compiti autentici Il riferimento a un approccio di tipo task based, così come la possibile menzione del Quadro comune europeo di riferimento per la conoscenza delle lingue (QCER) e della concezione, in esso contenuto, dello studente come attore sociale ci riportano alla dimensione esperienziale che, come vedremo, costituisce il punto d’incontro principale con la Teoria dell’Embodiment Infatti, credo che non possa esistere il compito senza l’esperienza e che non possa esistere la possibilità di eseguire un compito senza poter contare sull’esperienza Allo stesso tempo, il compito risulta essere volàno per l’acquisizione di nuove esperienze, in quanto favorisce un apprendimento non solamente basato su competenze linguistico-comunicative e finalizzato al solo sviluppo delle stesse Tuttavia, la ricerca sull’apprendimento attraverso l’esperienza ha radici più diffuse e profonde rispetto a quanto il contributo della glottodidattica possa oggi immediatamente testimoniare È sufficiente ricordare nomi come quelli di John Dewey, studioso di grande e perdurante influenza nel campo dell’educazione, convinto che qualsiasi tipo di apprendimento autentico si realizzi attraverso l’esperienza (1938: 12) e che il motore delle idee sia l’esperienza; oppure Maria Montessori con la sua capacità di mettere al centro dei processi educativi il bambino, offrendogli ambienti di apprendimento che stimolano l’autonomia e lo sviluppo di esperienze dirette . In tempi più recenti, l’azione di un educatore come Paulo Freire ha stimolato ulteriori idee circa il rapporto dialettico che si crea tra l’azione e la riflessione . Un altro nome fondamentale Italienisch_84.indb 97 13.11.20 09: 38 9 8 Didattica della lingua italiana e tecnologie Marco Mezzadri è quello di Jean Piaget: la dimensione esperienziale nella sua visione dello sviluppo cognitivo gioca un ruolo determinante, così come lo gioca nel pensiero dello psicologo sociale tedesco Kurt Lewin, dal quale viene spontaneo riprendere l’approccio esperienziale in gruppo e ricordare il suo learning cycle. Nella prospettiva di Lewin l’esperienza concreta è sia l’impulso che lo scopo del processo di apprendimento Ritroviamo il learning cycle di Lewin alla base del modello di David Kolb per il quale la conoscenza risulta dalla combinazione delle azioni di afferrare e trasformare l’esperienza (Kolb 1984: 41) Per la teoria dell’Experiential Learning di David Kolb cfr Kolb/ Kolb 2008 e 2009 e per un’attenta disamina delle influenze che essa ha avuto oltre che per un esempio delle controversie che essa ha alimentato, Heron 1992: 193-197 Il modello di Kolb si struttura in quattro fasi dove il primo momento è costituito dall’esperienza concreta, alla quale fanno seguito l’osservazione riflessiva e la concettualizzazione astratta, per concludersi con la sperimentazione attiva Secondo Kolb/ Kolb (2009: 319), l’individuo deve completamente aprirsi all’esperienza diretta che esiste solamente nell’hic et nunc Secondo i due autori una modalità «troppo cerebrale» può inibire la capacità di provare e sentire il momento La prospettiva di tipo psicologico fornita dal modello di David Kolb permette di costruire una convergenza con quanto proposto dalla Teoria dell’Embodiment Tuttavia, la prospettiva neuroscientifica proposta e la dinamica di accostamento alla glottodidattica prevedono un’attenzione maggiormente focalizzata da un lato sul funzionamento del cervello umano e dall’altro sulle possibili ricadute in ambito didattico L’atteggiamento di apertura a stimoli plurimi che contraddistingue a livello epistemologico la glottodidattica fa sì che proposte come quella dell’Experiential learning siano viste come strumenti utili alla maturazione di risposte didattiche sempre più adeguate e rispettose di quella conoscenza che il contributo neuroscientifico può mettere a disposizione 3 La Teoria dell’Embodiment e l’insegnamento di una lingua straniera Nel panorama attuale delle neuroscienze le proposte che ruotano attorno all’idea del linguaggio incarnato riscuotono un interesse crescente e costituiscono una delle principali possibili strade da percorrere per cercare di spiegare il funzionamento del cervello umano e del linguaggio Questi studi muovono da ambiti di ricerca che si richiamano alle scoperte avvenute in contesto italiano sui neuroni specchio . 1 1 Per un’introduzione a questo tema, di grande richiamo a livello internazionale, si veda il volume Rizzolatti/ Sinigaglia 2006 Italienisch_84.indb 98 13.11.20 09: 38 99 Marco Mezzadri Didattica della lingua italiana e tecnologie Inoltre, muovendo dalla considerazione che la relazione tra glottodidattica e neuroscienze vada costruita su una base eticamente condivisibile e scientificamente valida, il rapporto con la Teoria dell’Embodiment offre l’occasione per tentare di realizzare un modello di interazione coerente, accettando e valorizzando i limiti attuali della ricerca neuroscientifica, non ancora in grado di rispondere a tutte le esigenze di interpretazione e di spiegazione delle complesse reazioni linguistiche e comportamentali in genere che si realizzano in contesto didattico Le recenti scoperte neuroscientifiche, soprattutto relative all’organizzazione del sistema sensori-motorio, hanno radicalmente modificato la nostra visione del cervello e il concetto stesso di funzioni cognitive Una delle funzioni cognitive che più ne hanno risentito è il linguaggio In particolare la Teoria dell’Embodiment (linguaggio incarnato) sostiene, in contrasto con una visione classica amodale, che gli esseri umani utilizzino le stesse strutture neurali con cui esperiscono la realtà anche per comprendere il materiale linguistico che descrive quelle stesse esperienze In anni recenti, il concetto di linguaggio incarnato è stato largamente trattato e suffragato da evidenze sperimentali (Glenberg 1997; Pulvermüller 2002; Gallese/ Lakoff 2005; Zwaan/ Taylor 2006; Jirak et al 2010) . 2 Secondo tale teoria, non esiste facoltà mentale umana che non sia incarnata, cioè radicata nell’esperienza corporea Ciò che appare centrale nell’approccio incarnato al linguaggio è l’esperienza sensori-motoria a cui fanno riferimento specifici elementi linguistici come i nomi, i verbi e gli aggettivi . L’esperienza è centrale sia nella comprensione che nella produzione linguistica Questo concetto ci sembra essere molto rilevante nell’apprendimento e nell’insegnamento di una lingua seconda o straniera: quando si insegna e si apprende un elemento linguistico in una L2 o in una LS, esso deve fare riferimento a qualcosa che sia già stato oggetto di esperienza sensoriale e motoria dell’apprendente 4 Riflessi sulla didattica della lingua Cerchiamo ora di riassumere i punti essenziali che riusciamo a cogliere dalla riflessione precedente Il ruolo dell’esperienza nell’apprendimento linguistico risulta essere il punto d’incontro principale tra embodiment e didattica delle lingue L’esperienza è centrale in approcci glottodidattici di tipo task-based, in grado di raccordare il recupero dell’esperienza, dunque, di quanto l’indivi- 2 Per i rapporti tra glottodidattica e Teoria dell’Embodiment si vedano Buccino/ Mezzadri 2013; Mezzadri 2014b Italienisch_84.indb 99 13.11.20 09: 38 10 0 Didattica della lingua italiana e tecnologie Marco Mezzadri duo che apprende conosce e sa fare, e capaci di promuovere lo sviluppo di nuove esperienze, accumulando nuove conoscenze e sviluppando nuove competenze Ciò porta a enfatizzare, ad esempio, i processi di pre-lettura e di pre-ascolto, precedenti all’esposizione al testo Proviamo, allora, a elaborare una sorta di teoria della lingua che sintetizzi i presupposti della riflessione svolta nei paragrafi precedenti, e il modo di concepire la lingua alla base delle scelte metodologiche dell’approccio che da svariati decenni è considerato tra i più efficaci, se non il più efficace: l’approccio comunicativo Secondo tale approccio la lingua ha la funzione di trasmettere significati che sono e promuovono la cultura dell’individuo oltreché la cultura del popolo o dei popoli che la parlano Ne deriva l’inscindibilità tra lingua e cultura che contrasta con una più tradizionale impostazione fondata sul focus sulla forma della lingua Con l’aiuto dell’embodiment potremmo riaffermare l’inscindibilità tra lingua e cultura, sostenendo che la lingua etichetta significati, i quali risiedono nell’esperienza, la quale è cultura 5 Il ruolo delle tecnologie La nostra visione delle tecnologie porta a una scelta di campo che ci separa da una visione meccanica e automatica delle tecnologie intese come strumenti in grado di creare attività ed esercizi volti maggiormente alla pratica delle forme linguistiche che non alla promozione dello sviluppo della comunicazione Per lunghi anni le limitazioni vere o presunte delle tecnologie applicate alla didattica delle lingue hanno reso predominante quell’impostazione Le tecnologie, attraverso, ad esempio, molti programmi autore o funzioni di piattaforme per l’insegnamento a distanza, si sono prestate, così, a simulare attività automatiche in odore di approcci formalistici o strutturalistici Ora, finalmente, le possibilità offerte dalle tecnologie sono ben altra cosa La didattica con le tecnologie può sposare una prospettiva come quella abbozzata in precedenza mettendo al centro la comprensione, quindi creando esperienze significative che sono il volàno per l’apprendimento della lingua e della cultura insieme All’insegnante di lingua italiana spetta il compito di esplorare tecniche basate sulle glottotecnologie utili a rafforzare il primato dei significati sulla forma, a titolo d’esempio le webquest, la caccia al tesoro, i blog e le pagine social della classe, le modalità wiki per la co-costruzione di testi, ecc A favorire questa nuova prospettiva e a stimolare un cambiamento delle metodologie didattiche contribuiscono gli odierni apprendenti, ‘nativi Italienisch_84.indb 100 13.11.20 09: 38 101 Marco Mezzadri Didattica della lingua italiana e tecnologie digitali’, che si contrappongono agli ‘immigrati digitali’ (Prensky 2001), qualità che si attaglia alla maggior parte dei docenti Nella ridefinizione del contributo delle tecnologie non è sufficiente, tuttavia, fare propri ambienti tecnologici come le piattaforme di e-learning, ma occorre sviluppare competenze estremamente consapevoli di come interconnettere le tecnologie con le opzioni glottodidattiche possibili A quel punto, tanto al docente quanto allo studente di italiano per stranieri si spalanca un mondo fatto di innumerevoli opportunità utili a creare esperienze significative per sviluppare competenze testuali e linguistico-comunicative: siti Internet per ogni gusto, tecniche glottodidattiche basate sul web, libri misti, e-book, opzioni basate su strumenti tecnologici mobili che già hanno dato luogo al nascere di molteplici usi etichettati in diverso modo Dal noto byod, Bring your own device, alle riletture rintracciabili negli acronimi byot, byop, byopc… E ancora da bring a wear: smartwatches, smartglasses… Tuttavia, sarebbe un grave errore, a mio parere, non cogliere anche altre intersezioni rilevanti tra il mondo delle tecnologie applicate ai percorsi di apprendimento, sia in e-learning sia in modalità blended, e le questioni relative alla didattica della lingua in generale L’esperienza tragica e violenta della pandemia Covid-19 del 2020 ha portato a riflettere sulle competenze necessarie al docente per affrontare percorsi didattici a distanza Volutamente ho omesso l’indicazione ‘di lingue’, in quanto la riflessione riguarda un docente generico, non necessariamente di lingue, essendo il tema trasversale alle discipline Presso l’Università di Parma, il Centro SELMA (Servizi E-learning e Multimediali d’Ateneo), sotto il coordinamento scientifico, ha predisposto un percorso di formazione teso ad aiutare i docenti a migliorare il proprio livello di consapevolezza su come avviare e realizzare la transizione dei loro corsi dalla modalità tradizionale in presenza a una nuova dimensione inclusiva, a vari gradi, di opportunità di didattica a distanza La scommessa è quella di adeguare la metodologia ai nuovi scenari educativi non soltanto per il periodo dell’emergenza in corso nel momento in cui scrivo queste riflessioni, ma come investimento per riuscire a rendere più efficace il modo di insegnare in risposta ai bisogni delle nuove generazioni di apprendenti A questo scopo, la scelta è stata quella di fornire conoscenza utile alla comprensione del mondo dell’instructional design e competenze nell’applicazione di strumenti legati al disegno curricolare e via via alle opzioni possibili, anche in termini di tecniche didattiche A titolo d’esempio, sono stati proposti percorsi miranti a una riflessione su come decostruire e ricostruire il proprio modo di programmare un corso, sia esso un corso in presenza, a distanza o blended, attraverso la presentazione di approcci specifici quali i metodi ADDIE (Analysis, Design, Italienisch_84.indb 101 13.11.20 09: 38 102 Didattica della lingua italiana e tecnologie Marco Mezzadri Development, Implementation, Evaluation) e UbD (Understanding by Design), o l’allineamento costruttivo Solo dopo una disamina propedeutica di questa cornice, che non è solo portatrice di un modus operandi ma di una vera e propria forma mentis, è stato possibile affrontare gli aspetti legati agli strumenti contenuti in un Virtual Learning Environment (VLE) e alle possibilità didattiche che essi dischiudono L’obiettivo alla base di questo approccio è quello di fare di un VLE un Personal Learning Environment (PLE), dove l’interazione tra partecipanti all’esperienza d’apprendimento, docenti e discenti insieme, e la relazione che essi costruiscono con l’ambiente e i materiali di studio possono rendere possibile un’individualizzazione della didattica in risposta ai bisogni di ciascuno Una dimensione, questa, ben nota a chi si ispira alla ricca tradizione della glottodidattica umanistico-affettiva Tout se tient 6 Conclusioni Per concludere, l’incontro possibile e consapevole, oltreché metodologicamente coerente, tra didattica dell’italiano e Tecnologie dell’Informazione e della Comunicazione non si allontana da territori già ampiamente esplorati dalla glottodidattica che hanno nei decenni portato a mettere al centro dell’azione didattica i significati, individuando nello studio delle forme uno degli obiettivi dell’educazione linguistica e non certo il principale Gli approcci più legati a un’attenzione alle forme della lingua contrastano profondamente e faticano a trovare una continuità nelle modalità attuali di gestione della comunicazione caratterizzate dalla centralità del testo e di testi che vengono prodotti in maniera multimediale e multisensoriale, favorendo un modo esperienziale e olistico di elaborazione della conoscenza Le scelte metodologiche delineate in questo contributo possono così essere sintetizzate in un’idea: dal testo alle regole e ritorno Esse costituiscono l’invito ad affacciarsi con fiducia e coraggio alle tecnologie, le quali rappresentano processi irreversibili dello sviluppo della comunicazione, svecchiando così il modo di insegnare la lingua italiana ancora troppo spesso legato a strumenti e approcci tradizionali Abstract Für viele Italienischlehrerinnen und -lehrer ist die Kombination von Sprachunterricht und Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) noch nicht ausgereift, zumindest nicht in der Praxis Für andere ist die Integration von IKT in den Sprachunterricht die einzige Möglichkeit, eine eher statische und traditionelle Methodik, die immer noch üblich ist, zu Italienisch_84.indb 102 13.11.20 09: 38 103 Marco Mezzadri Didattica della lingua italiana e tecnologie erneuern Für den Autor dieses Beitrags ist die Reflexion über dieses Thema eine Gelegenheit, zu versuchen, Punkte der Begegnung zwischen den beiden Elementen zu finden Mit Hilfe eines neurowissenschaftlichen Ansatzes, der auf der Embodiment-Theorie basiert, versucht der Artikel, das erfahrungsorientierte Lernen als Mittel zur Förderung des effektiven Lernens und Lehrens durch IKT zu erarbeiten Diese Überlegungen sind angesichts der Umstände während der Entstehung dieses Artikels, der dramatischen Situation, die durch die Covid- 19-Pandemie entstanden ist, aktueller denn je Auf globaler Ebene wurde den Lehrer*innen und Schüler*innen klar, wie die IKT plötzlich ein gutes Umfeld für die Arbeit und das soziale Leben schaffen und damit durch einen praktischen Ansatz die langjährige Opposition zwischen IKT als Werkzeug oder IKT als Umgebung überwinden können Summary. Italian language teaching and ICT: for many teachers these two elements still do not match For others integrating ICT in language teaching is the only way to innovate a rather static traditional methodology, which is still present For the author of this paper it is a chance to look for contact points between the two components The paper attempts to do so with the help of a neuroscientific approach based on the theory of embodiment and the identification of experiential learning as the means to promote fruitful language learning and teaching through ICT This article was planned and written during the Covid-19 world pandemic, a dramatic situation which made it urgent to reflect upon such topics On a global scale, teachers and students realized that ICT could suddenly become a real environment for working, learning and developing their social life, thus overcoming through a hands-on approach the long-lasting dispute between the idea of ICT as a tool or as an environment Bibliografia Ausubel, David P .: Educational Psychology: A Cognitive View, London: Holt, Rinehart & Winston 1968 Balboni, Paolo E .: Le sfide di Babele, Torino: Utet Libreria 2012 Bruner, Jerome: «Vygotsky: A Historical and Conceptual Perspective», in: Culture, Communication and Cognition: Vygotskian Perspectives, a cura di Wertsch J V ., Cambridge: Cambridge University Press 1985 Bruner, Jerome: La ricerca del significato Per una psicologia culturale, Torino: Bollati Boringhieri 1992 Bruner, Jerome: La fabbrica delle storie, Roma: Laterza 2002 Italienisch_84.indb 103 13.11.20 09: 38 10 4 Didattica della lingua italiana e tecnologie Marco Mezzadri Buccino, Giovanni/ Mezzadri, Marco: «La teoria dell’embodiment e il processo di apprendimento e insegnamento di una lingua», in: Enthymema, n 8/ 2013, pp 5-20 Buccino, Giovanni/ Mezzadri, Marco (a cura di): Glottodidattica e neuroscienze: verso modelli traslazionali, Firenze: Cesati 2015a Buccino, Giovanni/ Mezzadri, Marco: «Embodied language and the process of language learning and teaching», in: Emotion in Language: Theory - 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Fremdsprachenerwerb und literarische Bildung In einer von dem abstrakten Künstler Eugenio Carmi (1920-2016) gestalteten Ausgabe erschien 1992 eine utopische Kindererzählung des italienischen Schriftstellers Umberto Eco (1932-2016) unter dem Titel Gli Gnomi di Gnù . 2 Diesem Text und den von seiner Lektüre ausgehenden interkulturellen und umweltethischen Impulsen widmet sich der vorliegende Beitrag; 3 die begleitenden Illustrationen, die andernorts bereits ausführlich gewürdigt wurden, 4 mögen hier unberücksichtigt bleiben dürfen Die literaturdidaktische Beschäftigung mit dem Erzähltext hingegen steht im Kontext einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Rolle literarischer Ästhetik im Fremdsprachenunterricht Deren gegenwärtig geschwächte Position soll mit bildungsrelevanten Inhalten ertüchtigt und dabei der Anspruch erhoben werden, über auf funktional-pragmatische Sprachverwendung abzielende Lernsituationen hinaus im Italienischunterricht Bildungsprozesse anzuregen . 5 Auf die Bedeutung des Fremdsprachenunterrichts für die Bildung junger Menschen weist der Philosoph Julian Nida-Rümelin in seiner Schrift 1 Umberto Eco, zitiert nach Saviano 2015 2 Carmi/ Eco 1992 Zitate aus dieser unpaginierten Ausgabe werden fortan direkt im Text angegeben 3 Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag auf dem an der Universität Mainz vom 1 bis 3 März 2018 abgehaltenen Italianistentag «Ibridità e norma - Norm und Hybridität» 4 Vgl Truglio 2008 5 Zum Hintergrund vgl u .a Ißler 2017; 2019a; 2019b; 2019c Italienisch_84.indb 106 13.11.20 09: 38 107 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Humanismus als Leitkultur eindringlich hin Anstatt «Fremdsprachenkenntnisse besonders unter dem Aspekt zu befürworten und zu fördern, dass sie uns für die Eroberung fremder Märkte nützlich sind [ . . .] oder im beruflichen Fortkommen individuelle Vorteile verschaffen», schreibt er darin, «wäre zu[v]ördest ihre Wirkung [ . . .] auf uns selbst [ . . .] zu bewerten So ist auch die Kenntnis fremder Sprachen in erster Linie als Bereicherung nach innen, für unsere eigene geistige, ethische, kulturelle Entwicklung zu sehen, bevor wir sie ökonomisch instrumentalisieren Wer meint, es genüge, eine andere Sprache zu erlernen, um in ihr seine persönlichen Interessen artikulieren und besser verfolgen zu können, verfehlt den Gewinn, den ihm seine Mühe bescheren könnte [ . . .] Er lässt die Kultur, deren Essenz in der Sprache Gestalt geworden ist, nicht mit seiner Neugier zusammentreffen .» 6 Neben dem interkulturellen Austausch können gerade literarisch-ästhetische Inhalte dazu beitragen: «Wenn wir uns einlassen wollen auf die Sprache einer anderen Kultur, gehört dazu mehr als der Erwerb eines Wortschatzes und seiner Grammatik Dass bei dem, was mehr dazugehört, die Auseinandersetzung mit Literatur und zwischen den Literaturen eine herausragende Rolle spielt, ist offenkundig .» 7 Dass literarische Texte oftmals mehr Fragen aufwerfen als beantworten, gereicht ihnen dabei durchaus nicht zum Nachteil Ihre Qualität liegt weniger in der Vorgabe fertiger Lösungswege als vielmehr in dem Appell, sich selbst auf die Suche danach zu begeben Dies wird sich auch in Ecos kleinem racconto zeigen Als literarischer Text stellt er sprachliche Mittel bereit, um bei jungen Lernenden sowohl schriftlich als auch mündlich kommunikatives Handeln zu fördern und ihre Ausdrucksfähigkeit zu schulen, bleibt dabei aber keineswegs an der Oberfläche, sondern enthält genügend kritisches Potential, um belangreiche Debatten anzustoßen, die sich für Schülerinnen und Schüler als von unmittelbarer gesellschaftlicher Relevanz erweisen werden Insbesondere ermöglicht es der Text, mittels und auf der Basis der italienischen Sprache ernsthafte Überlegungen über die Natur und das gegenwärtige und künftige Zusammenleben auf der Erde anzustellen und 6 Nida-Rümelin 2006, S 151 7 Ebd Italienisch_84.indb 107 13.11.20 09: 38 108 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler umweltethische Zusammenhänge, Erwägungen und Vorstellungen von Nachhaltigkeit zu artikulieren . 8 II. Literatur im Fremdsprachenunterricht Italienisch Spätestens seitdem das Fremdsprachenlernen in Europa durch den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen strukturiert wird und mithin uniformen, zu vergleichbaren Parametern deklarierten Skalen folgt, hat es die Literatur schwer im Fremdsprachenunterricht Zumal sich die Kriterien des Referenzrahmens an pragmatisch-kommunikativen Maßstäben orientieren, dienen seine Kompetenzbeschreibungen grundlegend anderen Anliegen als dem, im Fremdsprachenunterricht ein grundsätzliches Interesse an literarischen Texten und ästhetisch-imaginativer Sprachverwendung zu wecken Auch die Nachjustierung und Erweiterung der Kriterien hat in jüngster Zeit den Stellenwert von Literatur der jeweiligen Zielsprache nicht eben erhöht . 9 Sofern literarische Texte in den ersten Lernjahren des fremdsprachlichen Unterrichts überhaupt eine nennenswerte Rolle spielen, werden sie in erster Linie zugunsten funktionaler kommunikativer Kompetenzen ausgeweidet, dienen etwa als Lieferanten für grammatische Phänomene und morphologische Formen Ästhetischer Wert und Bildungspotential eines literarischen Werks bleiben mithin weitgehend außer Acht oder treten zumindest hinter seiner interkulturellen Relevanz zurück Ohne die Vereinnahmung literarischer Texte etwa durch interkulturelle Ansätze wie die Didaktik des Fremdverstehens wäre der Stellenwert von Literatur im Fremdsprachenunterricht zwar mutmaßlich in noch stärkerem Maße eingebrochen, als es derzeit bereits der Fall ist, doch bleibt der Einsatz literarischer Quellen dadurch wiederum zumeist auf Problemfelder der interkulturellen Begegnung beschränkt und blendet die über sie hinausgehende Bildungsrelevanz von Literatur in der Regel aus Solange nicht auch Inhalte oder ein kultureller Bildungsanspruch das Lehren und Lernen bestimmen, sondern zuallererst der Erwerb funktionaler und pragmatischer Sprachverwendung und von Strategien, die für ihren Einsatz benötigt werden, bleiben die Bemühungen um einen literarischen Text im Unterricht unzureichend: Das spezifisch Literarische, das Polyseme, Suggestive, das ästhetisch Reizvolle, möglicherweise sogar affektiv Berührende wird schlimmstenfalls ausgespart; der Text wird ersetzbar durch einen expositorischen Text, dessen Rezeption sich vor allem durch sachliche Informa- 8 Vgl dazu auch den «Orientierungsrahmen Globale Entwicklung» (Schreiber/ Siege 2016) sowie weiterführend, mit Blick auf Selbsterkenntnis und Identität: Bieri 2014 9 Vgl Schädlich 2019 Italienisch_84.indb 108 13.11.20 09: 38 109 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht tionsentnahme rechtfertigt und der dem bekanntermaßen stets kargen Zeitbudget der Unterrichtsplanung und -durchführung mehr entgegenkommt als die Konzentration auf einen literarischen Text vergleichbaren Inhalts . 10 Die Reduktion der Sprache auf ihre funktionale Verfasstheit und kommunikative Anwendungsbezogenheit führt - so wichtig beide für den Fremdsprachenunterricht tatsächlich sind - zu einer Ausblendung mindestens der ästhetischen Dimension und des bildenden Gehalts eines literarischen Textes Vor diesem Hintergrund erscheint eine konsequente Stärkung literarischer Texte schon ab dem Anfangsunterricht geboten, weil diese zu einer vertieften und konzentrierten Weltwahrnehmung beitragen und in besonderem Maße Reflexions- und damit Bildungsprozesse anregen Gerade für die Tertiärsprache Italienisch bietet sich ein vermehrter Rückgriff auf italienische Literatur an, zumal Lernende sowohl mit dem Fremdsprachenerwerb als auch mit dem Umgang mit literarischen Texten bereits vertraut sind Gleich den Didaktiken der modernen Schulfremdsprachen insgesamt muss sich auch die Italienischdidaktik heute die kritische Frage gefallen lassen, ob literarischen Texten im Unterricht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zuteil wird Reichen die weithin üblichen Aktivitäten prima della lettura, durante und dopo la lettura aus, auch das kulturelle Bildungspotential von Literatur auszuschöpfen, in den Schülerinnen und Schülern des Italienischen nachhaltig produktiv werden zu lassen und sie zu kritischem Denken anzuregen? Das Fach Italienisch sollte über der unbestrittenen Notwendigkeit der Anleitung zur korrekten Verwendung der italienischen Sprache in Wort und Schrift mit ihr verbundene Bildungsinhalte nicht unterschlagen (und erst recht nicht wissentlich, etwa aus Bequemlichkeit, auf sie verzichten), sondern seine Bildungsverantwortung ernstnehmen und im besten Sinne beides miteinander zu verknüpfen suchen Wie dies gelingen kann, mag das Textbeispiel von Umberto Eco andeuten Der literarische Text dient hier als Ausgangspunkt, die Sachthematik zu den Feldern Umweltethik und Zivilisationskritik soll daraus entwickelt werden III. Gli Gnomi di Gnù zwischen Kindererzählung und conte philosophique Umberto Eco hat sich als Semiotiker und Medienwissenschaftler, Philosoph und Kulturtheoretiker einen Namen gemacht und ist seit seinem Romanerfolg mit Il nome della rosa (1980) international doch vor allem als Schriftsteller und Kolumnist bekannt Selbst wenn man um seine Vorliebe für Ironie 10 Es soll durchaus nicht dafür plädiert werden, im Italienischunterricht auf Sachtexte zu verzichten Bedenkenswert jedoch ist, ob im Falle einer Auswahlentscheidung bisweilen nicht auch der literarische Text den Vorzug erhalten sollte Italienisch_84.indb 109 13.11.20 09: 38 110 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler und Subversion weiß, 11 so mag es doch überraschen, dass Eco auch für Kinder geschrieben haben soll Tatsächlich ist der hier vorgestellte Text eine Wiederaufnahme einer früheren Kooperation mit Eugenio Carmi nach mehr als 25 Jahren Aus der intermedialen Zusammenarbeit waren 1966 zwei kleinere Erzählungen (La bomba e il generale und I tre cosmonauti) hervorgegangen, die Eco 1988 überarbeitete, zur Übersetzung freigab und schließlich noch 2004 mit Gli gnomi di Gnù erneut veröffentlichte . 12 Die Übersetzerin der deutschen Ausgabe, Elise Dinkelmann, bündelt die drei Kurzerzählungen explizit als «Geschichten für aufgeweckte Kinder» . 13 Für Kinderliteratur plädiert Eco auch an anderer Stelle, z .B in seinem illustrierten Roman La misteriosa fiamma della regina Loana (2004), in dem er seine eigenen kindlichen und jugendlichen Leseerfahrungen subtil verarbeitet, ohne sich den gewohnt vielschichtigen Reflexionen seiner Romane zu verschließen «Durch das Einfache geht der Eingang zur Wahrheit», 14 hatte der Mathematiker Georg Christoph Lichtenberg im 18 Jahrhundert in eines seiner Sudelbücher notiert Das Lob der Einfachheit blickt auf eine lange Tradition zurück und wird doch der Kinder- und Jugendliteratur nach wie vor nicht selten als Makel ausgelegt . 15 Im Zusammenhang mit literarischen Werken für Kinder und Jugendliche steht das Einfache schlicht im Ruch des Anspruchslosen, des Beschränkten und Defizitären und ist Gegenstand präjudizierender Abwertung Dem steht entgegen, dass zahlreiche literarische Texte diesem Standpunkt hohnsprechen; philosophische Reflexion und ein kindliches Lesepublikum schließen sich keinesfalls aus Kinder- und Jugendliteratur bietet die Gelegenheit, komplexe Zusammenhänge auf knappem Raum auf wesentliche Probleme zu verdichten, ohne an Eindringlichkeit verlieren zu müssen Eine einfache, schlichte Sprache eignet sich durchaus für große Fragen Eines der bekanntesten Beispiele mag Antoine de Saint- Exupérys (1900-1944) Le Petit Prince sein, ein jüngeres Sophies Welt und andere Romane des norwegischen Autors Jostein Gaarder (*1952), und der Blick in die Vorbemerkungen diverser Philosophiebücher für Kinder legt gleichsam den Gedanken nahe, dass «Kinder die wahren Philosophen 11 Vgl z .B Ecos Bustina di Minerva, die sogenannten «Streichholzbriefe» für das Magazin L’Espresso, und andere Glossen (Eco 2002) 12 Vgl Truglio 2008, S 115 13 Eco 2012 (nach der Originalausgabe Eco 2004) 14 Lichtenberg, Sudelbücher, K 361, zitiert nach Joost 2000, S 7 15 Zur mangelnden Vorurteilsfreiheit gegenüber der Behandlung von Kinder- und Jugendliteratur durch die Literaturwissenschaft vgl Ewers 2014; zum Nutzen der Einfachheit von Texten für den Fremdsprachenunterricht vgl Burwitz-Melzer/ O’Sullivan 2016 Italienisch_84.indb 110 13.11.20 09: 38 111 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht sind» . 16 Für die italienische Literatur des 20 Jahrhunderts ist neben dem jüngeren Stefano Benni (*1947) vor allem Italo Calvino (1923-1985) zu nennen, der komplexe, auch philosophische Gedankengänge mit scheinbar einfachen Texten zu verbinden versteht; neben der bekannten Romantrilogie I nostri antenati, 17 die Märchenelemente mit philosophischen Überlegungen, moderner Mythenrevision und Gesellschaftskritik verbindet, sei auch an Calvinos Ausgabe des Orlando furioso erinnert . 18 Ökologische Problemstellungen, wie sie hier bei Eco begegnen, sind in der jüngeren Kinder- und Jugendliteratur schon seit Jahrzehnten thematisch präsent; in den späten 1980er und 90er Jahren stehen sie oft im Zusammenhang mit der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl und dem Wettrüsten im Kalten Krieg . 19 Auch der ausgewählte Text von Eco, um den es hier gehen soll, bietet ein Beispiel für zivilisationskritische und umweltethische Fragestellungen, die sich im schlichten Gewand einer Kindererzählung präsentieren und dabei an die philosophische Tradition der Aufklärung anknüpfen - ein Glücksfall also für den Italienischunterricht, denn auch wenn sich der Text primär an jüngere italienische Kinder wendet, vermag er durchaus auch noch jugendliche Italienischlerner anzusprechen Der knappe racconto eignet sich aufgrund seiner schlichten Sprache und Kürze ebenso wie aufgrund seiner philosophisch anregenden Sozialutopie für den Italienischunterricht Die kleine Science-Fiction-Erzählung, in einer märchenhaft unbestimmten Zeit angesiedelt - der Text beginnt mit «C’era una volta» . . (S 2) - und doch von einer uns bekannten Erde berichtend, handelt von der Entdeckung eines bewohnten fernen Planeten durch einen irdischen Weltraumforscher im Auftrag seines Kaisers . 20 Von kindlich naiver Ruhmsucht und zugleich großem Sendungsbewusstsein getrieben, hat der Kaiser den Astronauten ins All geschickt, weil es auf der Erde keinen unentdeckten Fleck mehr zu geben scheint Technisch hervorragend ausgerüstet, richtet der 16 Vgl Eilenberger 2017; Martens 1999; Kähler/ Nordhofen 1994 Roland Simon- Schaefer betont in seinem «Vorwort an die Erwachsenen», diese hätten «den Kindern weniger voraus, als sie denken Viel von dem, was sie zu wissen glauben, ist Meinung Kinder haben noch nicht so viele Meinungen eingetrichtert bekommen, sie sind noch offen und fragen-[ . . .] Nicht zufällig ist das Wissen um das eigene Nichtwissen diejenige Erkenntnis gewesen, die Sokrates seinen Zeitgenossen, Erwachsenen wohlgemerkt, kaum hat vermitteln können .» (Simon-Schaefer 1996, S 13) 17 Il visconte dimezzato (1952), Il barone rampante (1957) und Il cavaliere inesistente (1959); vgl Calvino 1998; 2000; 2005 Die Erscheinungsdaten kommen der Entstehungszeit der beiden genannten Kindererzählungen Ecos bereits sehr nahe 18 Calvino 2009 19 Vgl Ißler/ Scherer 2020, S 305 f 20 Der politische Anachronismus impliziert eine Ironisierung des europäischen Imperialismus und kolonialistischer Bestrebungen Italienisch_84.indb 111 13.11.20 09: 38 112 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler Forscher sein «megatelescopio megagalattico» nach langem Suchen endlich auf den schönen Planeten Gnù, der von winzigen Männchen («omini piccolissimi», S 8) besiedelt ist und offenbar über eine erdähnliche Flora und Fauna verfügt . 21 Die Verständigung mit den kleinen «gnomi di Gnù» gelingt reibungslos, und schon nach einer kurzen Begrüßung und wechselseitigen Vorstellung beginnt der Weltraumforscher damit, den Bewohnern des Planeten Gnù von seiner Kultur zu berichten und ihnen die Erde anzupreisen . 22 «‘La civiltà’», so erklärt er den Unwissenden, «‘è tutta una serie di cose meravigliose che i terrestri hanno inventato’» (S 12) Das großzügige Ansinnen des Kaisers, den «gnomi» die Erfindungen und Errungenschaften seiner irdischen Zivilisation zu schenken, wird von den Bewohnern Gnùs zunächst begrüßt, und sie sind neugierig, ohne Gegenleistung mit einer fremden Hochkultur vertraut gemacht zu werden, von der sie glauben müssen, von ihr profitieren zu können Der Ausblick durch das ominöse Fernrohr des Forschers soll ihnen die Erde sichtbar machen, und so lernen sie sie mit den neugierigen Blicken unzivilisierter Außerirdischer kennen Hier wäre bereits eine didaktisch reizvolle Scharnierstelle, an der Schülerinnen und Schüler angehalten werden können, Lesehypothesen über den Fortgang der Erzählung aufzustellen Sie könnten in die Rolle der «gnomi» schlüpfen und einander berichten, was ihnen das «megatelescopio» zeigt Das führt sie zu der Frage: Was zeichnet unsere menschliche Zivilisation aus? Welche Errungenschaften sind charakteristisch für die Menschheit und berichtenswert für einen außerirdischen Gesprächspartner? 23 Die Begegnung des Astronauten mit den vorwitzigen «gnomi» stellt eine Standardsituation der interkulturellen Begegnung dar Der Perspektivenwechsel, den die Schülerinnen und Schüler hier bereits vollziehen, führt dazu, dass sie den Blick des Außerirdischen auf ihren eigenen Planeten richten und dessen Charakteristika und Bedeutungsspektra ganz neu erfahren und aus einer bewussten Distanz heraus überdenken In der Folge wird zu fragen sein: Wer lernt in dieser interkulturell prägenden Situation eigentlich von wem? Wer ist der Fremde, wer der Entdecker? Was ist Fremdheit? Wie funktioniert Kolonisierung und wie ist sie motiviert? Die Lektüre des racconto, wie Eco ihn fortgesetzt hat, führt zu einer unerwarteten Wendung Am Umschlagspunkt verkehren sich Ideal und per- 21 Er erinnert an den Erdzwilling «Terra2» aus Stefano Bennis 1983 erschienenem Roman Terra! (Benni 2008) 22 Die Nachstellung einer solchen Begegnung in Form eines Rollenspiels eignet sich begleitend zur Lektüre als szenische Aktivität im Italienischunterricht 23 Vgl dazu fremdsprachendidaktische Unterrichtsaktivitäten wie die «Kulturkapsel», die einen Perspektivenwechsel anregen, z B in: Vatter/ Zapf 2012, S 49-51; Montiel Alafont/ Vatter/ Zapf 2014, S 52-54 Italienisch_84.indb 112 13.11.20 09: 38 113 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht fektible Wirklichkeit Denn die wechselnden Perspektiven des Teleskops irritieren die «gnomi» zusehends Mit wachsendem Unmut betrachten sie den fernen Planeten Erde, dessen zivilisatorischer Fortschritt ihnen zunehmend fragwürdig, im Vergleich zu ihrem eigenen Dasein regelrecht wertlos und schließlich sogar bedauernswert erscheint, so dass sie ihn immer häufiger mit einem halblaut gemurmelten «Peccato» kommentieren (S 16, 18, 20): Die Städte der Erde sind vor lauter Rauch aus Fabrikschornsteinen nicht recht zu erkennen, auf dem Meer schwimmen Ölteppiche von schiffbrüchigen Tankern, und als Strandgut werden Müllberge angespült Die nächste Ansicht gibt den Blick auf gerodete Flächen frei, in denen sich ebenfalls der Müll türmt, während Schlangen von Autos, ursprünglich erfunden zur schnellen Fortbewegung, die Straßen und Autobahnen verstopfen oder Verkehrsunfälle verursachen - trotz des großen Zeitintervalls seit der Entstehung der Erzählung in den frühen 1990er Jahren 24 werden damit leider weiterhin sehr aktuelle irdische Probleme beschrieben Mit einer guten Portion Ironie lässt der humorvolle Erzähler die «gnomi» in ihrer kindlichen Neugier die Erde erkunden, indem sie bei dem Weltraumforscher mit gezielten, aber unvoreingenommenen Fragen nachbohren: «‘Ma che cos’è quell’acqua tutta nera al centro e tutta marrone vicino alle rive? ’» (S 18), «‘Ma che cos’è quella distesa grigia con sopra quelle cose biancastre, senza alberi e tutta piena di barattoli vuoti? ’» (S 20) oder «‘Ma che cosa sono [ . . .] tutti quegli scatoloni di metallo, messi uno dietro l’altro su quella strada? ’» (S 22) Die sprachlich rekurrente Struktur «Ma che cos’è . . .? » / «Ma che cosa sono . . .? » ist ohne Aufwand fortsetzbar und bietet reichhaltige Möglichkeiten, in der Vorstellung gesehene Dinge aller Art in die Erzählung einzubeziehen So können Schülerinnen und Schüler im Unterricht den Dialog in Tandems oder Kleingruppen fortspinnen und spielerisch auch ihre mündliche Ausdrucksfähigkeit trainieren Umberto Ecos «gnomi», denen die gelenkte Sympathie des Lesers gilt, bieten dabei mit ihrem kindlichen Gemüt reichlich Potential zur Identifikation und zugleich - trotz der ernsten Lage des Planeten - Anlass zum befreienden Lachen Mit der Ernsthaftigkeit des Unwissenden bringen sie die ökologische Schieflage der Erde auf den Punkt So z .B zu den Autos: «‘Ho capito,’ disse lo gnomo, ‘quelle vostre scatole quando sono troppe non vanno avanti e quando vanno avanti quelli che ci sono sopra si fanno male Peccato, peccato . . ’» (S 22) Oder, bezogen auf das verseuchte Meer: «’Vuole forse dire che il vostro mare è pieno di cacca? ’ chiese il secondo gnomo - e tutti gli altri risero perché agli gnomi di Gnù quando uno diceva ‘cacca’ veniva da ridere .» (S 18) 24 Das Erscheinungsjahr der Erzählung (1992) koinzidiert mit der in Rio de Janeiro abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) Italienisch_84.indb 113 13.11.20 09: 38 114 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler Schnell wird deutlich, dass hier in Wahrheit Zivilisationskritik betrieben und hinter den scheinbaren Errungenschaften die ökologische Krisenhaftigkeit des Planeten Erde heraufbeschworen wird Auch diese Struktur lädt dazu ein, weitere Beispiele zu sammeln und den Dialog produktiv zu erweitern Dabei wird u .a die sprachliche Strategie des Paraphrasierens eingeübt, und die Schülerinnen und Schüler suchen nach synonymen Entsprechungen, so wie die «gnomi», denen der fremde Planet unbekannt ist, die «automobili» für «scatole» halten, die «campagna» für eine Müllhalde usw Zudem wird die rhetorische Strategie deutlich, durch Euphemismen von der verschmutzten Umwelt abzulenken und den Planeten schönzureden, wie es zunächst unbewusst, dann zunehmend kleinlaut der Weltraumforscher tut Die sophistische Erwachsenensprache scheitert hier an der unschuldigen Weisheit der kindlichen «gnomi»: «innocent wisdom foils adult sophistry» . 25 Die menschheitszentrierte Weltsicht, der unbeirrte Fortschrittsoptimismus und das Sendungsbewusstsein des Forschers werden allmählich immer entschiedener in Zweifel gezogen und schlagen schließlich um in ungeahnte Relativierungen anfänglich scheinbar unerschütterlicher Grundannahmen Anklänge an den conte philosophique der französischen Aufklärung liegen hier nahe Ecos Gespür für intertextuelle Bezüge und deren planvolle Indienstnahme durch Doppelkodierungen und pluridimensionale Lektüren 26 sind so bekannt, dass es kaum überraschen wird, dass er nicht nur thematisch, sondern auch formal an die philosophische Erzählung Micromégas von Voltaire anknüpft, 27 wenngleich seine Kulturkritik und Zivilisationsskepsis vielmehr Rousseau zu folgen scheinen Auch Voltaires Utopie schildert die interplanetare Begegnung eines Außerirdischen mit Vertretern des Menschengeschlechts Der riesenhafte Bewohner des Sterns Sirius jedoch ist auf die Erde gelangt und tritt in ein Gespräch mit einer Gruppe französischer Philosophen ein, deren hohe Intelligenz ihn zunächst beeindruckt Mit der Zeit jedoch wird auch hier der Absolutheitsanspruch des Menschen relativiert, nachdem ihn bereits die Größe Micromégas’ in Frage gestellt hat Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen der irdischen Völker steht am Ende die bittere Erkenntnis: «Menschliche Intelligenz bürgt keineswegs für menschliche Vernunft .» 28 Auch Ecos racconto weist auf noch weitere Fragwürdigkeiten hin, mit denen der Forscher zunächst glaubt, die «gnomi» beeindrucken und beglücken zu können: Selbst die Krankenhäuser sind nur dazu da, Raucherlungen zu 25 Truglio 2008, S 130 26 Vgl hierzu insbes Eco 2006 27 Voltaire 1982, S 99-121 28 Gnüg 1999, S 95 Italienisch_84.indb 114 13.11.20 09: 38 115 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht operieren, Drogensüchtige von ihren Einstichinfektionen zu heilen, Unfallopfer mit Kunststoffbeinen zu versehen und Magenspülungen aufgrund verunreinigter Lebensmittel durchzuführen So verwundert es nicht, dass all dies immer weniger die Neugier der «gnomi» als vielmehr ihre Skepsis weckt Die Außerirdischen werden schließlich selbst intiativ und kehren die Handlung um, indem sie dem Weltraumforscher einen bedenkenswerten Vorschlag unterbreiten Hier könnte man im Italienischunterricht erneut innehalten und Schülerinnen und Schüler zunächst spekulieren lassen, worin der Einfall der Gnù-Bewohner bestehen und wie sich die Handlung fortsetzen könnte, bevor «il capo degli gnomi» zu Wort kommt: «‘[…] Senta, signor scopritore, mi è venuta una bella idea Perché non veniamo noi sulla Terra a scoprire voi? ’» (S 26) Lieber als die Versehrtheit der Erde anzunehmen, wollen die «gnomi» mit Hilfe des Weltraumforschers die intakte Zivilisation des Planeten Gnù auf der Erde installieren Das Paradox, dass der Entdecker selbst einer weniger entwickelten Kultur angehört, weicht damit einer logischen Handlungskonsequenz Und tatsächlich willigt der Forscher ein: «‘Va bene,’ disse ‘Torno a casa e ne parlo all’Imperatore .’» (S 30) Die Erzählung endet damit, dass der Forscher auf die Erde zurückkehrt und seinen Kaiser von diesem Vorschlag unterrichtet Zu der Umsetzung des Plans jedoch kommt es nicht sofort, weil die Fortsetzung der Erzählung durch ein retardierendes Moment - ein zusätzlicher ironischer Seitenhieb auf den Verwaltungsapparat irdischer Politstrukturen - planvoll ins Stocken gerät: Ein der Bürokratie ergebener Premierminister bringt diverse Einwände vor, gerät dabei in der chaotischen Infrastruktur seiner Stadt selbst ins Straucheln und landet, ausgerutscht auf einem Kaugummi, mitten im Smog der Autoabgase zwischen Müllsäcken Ob der Vorschlag der «gnomi» am Ende doch noch in die Tat umgesetzt werden kann, lässt der Erzähler bewusst offen Ostentativ vorläufig («Per il momento la nostra storia finisce qui», S 34) entlässt er seine Leser mit einem vielsagenden Frageimpuls: «Ma anche se non venissero, perché non ci mettiamo noi a fare quello che avrebbero fatto gli gnomi di Gnù? » (S 34) - eine didaktische Steilvorlage für den Italienischunterricht, die eine wesentliche bildungsgeleitete Verstehensfrage und einen kritischen Ausblick bereits antizipiert Doch wie lässt sich nun an die Zivilisationskritik des racconto, an seine umweltethische und zudem interkulturelle Problemstellung eine bildungsrelevante Debatte anknüpfen? IV. Eco - Ecologia - Ecocriticism Mit Blick auf den aus dem angelsächsischen Raum stammenden interdisziplinären, neuerdings vermehrt in den Literatur- und Kulturwissenschaften Italienisch_84.indb 115 13.11.20 09: 38 116 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler verbreiteten theoretischen Diskurs des Ecocriticism 29 lassen sich Wege aufzeigen, wie der Text didaktisch wirksam werden kann Es ist bereits deutlich geworden, dass die Erzählung erhebliches Potential bietet, mit Schülerinnen und Schülern im Italienischunterricht gemeinsam über langfristige und aktuell drängende ökologische und umweltethische Fragen nachzudenken Seien es das jüngste Beispiel der Ölkatastrophe des vor Mauritius gesunkenen japanischen Frachtschiffs Wakashio oder vergleichbare frühere Havarien, 30 die Meeresverseuchung durch Mikroplastik, die wachsende Erderwärmung und Bedrohung der Artenvielfalt oder die zunehmenden Brandrodungen im brasilianischen Regenwald, seien es internationale Unglücke wie die Gasexplosion von Beirut, Gesundheitsprobleme durch illegale Giftmüllentsorgung bei Neapel oder auch nur die Debatte um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Deutschland 31 - für die unterschiedlichsten Umweltschäden und -unfälle des Erzähltextes gibt es reale Präzedenzfälle und auch Folgeereignisse, die Ecos Erzählung als brisanten und durchaus weiterhin aktuellen racconto erfahrbar machen Es mag naheliegend erscheinen, die im literarischen Text angestoßene Problematik anhand von aktuellen, über die Internetpräsenz der italienischen Presse längst mühelos verfügbaren Sachtexten zu vertiefen Eine sorgfältige Auswahl ist aber auch hier zu beachten; gewarnt sei insbesondere vor einer undifferenzierten Katastrophenschau Die Englischdidaktik hat erst vor kurzem untersucht, wie Umweltthemen üblicherweise in Fremdsprachenlehrwerken behandelt werden Demnach kursierten in Lehrbüchern oftmals sehr «einseitig[e]» und klischeebehaftete Berichte «ökologischer Katastrophenszenarien», nicht selten gestützt durch «populistisch-reißerische Darstellungen in Massenmedien», die «deutliches Desinteresse und Frustration, vielleicht gar Ängste hervorrufen können», wie Uwe Küchler befürchtet . 32 «Ausgewählte 29 Vgl einführend, hier aus Sicht der Germanistik, Bühler 2016 Bühler versteht den Ecocriticism, dessen politischen Anspruch er weder auszublenden noch zu verabsolutieren sucht, als «Paradigma für eine kulturwissenschaftlich erweiterte Germanistik» (S X): «Im Gegensatz zu seiner ersten Phase, in der man die literaturwissenschaftliche Arbeit selbst als politischen Aktivismus verstand, begreift sich der gegenwärtige Ecocriticism stärker als ein Theorierahmen, der komplexe ökologische Probleme und ihre Darstellung zum Gegenstand hat Politisch abstinent ist der Ecocriticism aber keineswegs geworden, denn die Kulturgeschichte der Umwelt, die Analyse der Darstellung und Vermittlung ökologischer Themen oder die Funktionsweise ökologischer Narrative und Raumordnungen sind notwendige Voraussetzungen, um ökologische Probleme überhaupt politisch angehen zu können .» (S XI) Vgl auch das DFG-Netzwerk «Ethik und Ästhetik in literarischen Repräsentationen ökologischer Transformationen», https: / / portal .uni-freiburg .de/ ndl/ forschung/ dfg_netzwerk [30 .08 .2020] 30 Vgl z .B Muglia 2020; Grandi 2018 31 Vgl Gaetano 2018 32 Küchler 2016, S 180 Italienisch_84.indb 116 13.11.20 09: 38 117 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Texte und Themen», kritisiert er, «präsentieren die Umweltfragen in einem alarmierenden und häufig zugleich moralisierenden Ton .» 33 Ein weiterer, eingangs bereits angedeuteter Kritikpunkt betrifft die vorgeschobene Themenwahl, die oftmals nur als Alibi für die Einübung sprachlicher Mittel und funktionaler Sprachfertigkeiten instrumentalisiert werde . 34 Küchler betont, dass eine Meinungs- und kritische Urteilsbildung in einem kommunikativen Fremdsprachenfach «nicht nur zum Schein erfolgen oder gar - auf Grundlage der von den Massenmedien übernommenen Sachtexte - soziale Erwünschtheit hervorheben» dürfe: 35 «Die Thematisierung von Umwelt und Ökologie lässt [in Lehrwerken] eine Rezeption aktueller, fachwissenschaftlicher Erkenntnisse vermissen [ . . .] In den meisten Fällen werden (dem Fach inhaltlich fremde) Umweltthemen auf Englisch präsentiert Währenddessen erfolgt eingehendes Befassen mit dieser Thematik in Englisch und in engen Bezügen zu Sprache, Kultur, Wahrnehmung oder Bewusstheit nur rudimentär .» 36 Die Erzählung von Umberto Eco bietet die Gelegenheit, diese kritischen Überlegungen auch im Italienischunterricht zu berücksichtigen Neben dem besonderen Aktualitätsbezug - trotz ihres Erscheinungsdatums vor nunmehr bald zwei Jahrzehnten - mit Blick auf die genannten Umweltkatastrophen und -debatten wird ihr Einsatz auch durch ihre dezidierte Anbindung z .B an die Abiturvorgaben für Nordrhein-Westfalen mindestens bis 2021 legitimiert Diese sehen explizit «Globale Herausforderungen und Zukunftsentwürfe: Ökologische Herausforderungen / Politiche ambientali e sviluppo sostenibile con particolare riguardo al problema dello smaltimento dei rifiuti» als eines der Themenfelder vor . 37 Zu den in deutschen Klassenzimmern anhaltend diskutierten Umweltthemen zählt nicht zuletzt die Schülerbewegung Fridays for Future, für die ihre Initiatorin, die junge schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, 2019 den Alternativen Nobelpreis erhielt Im Rahmen einer entsprechenden Unterrichtsreihe bietet es sich an, u .a die italienische Webseite oder Plakate (Abb 1 und 2) dieser und anderer Initiativen gemeinsam zu konsultieren, ihre Absichten und Empfehlungen zu verfolgen, Argumentationslinien nachzuvollziehen und in der Fremdsprache zu kommentieren . 38 33 Ebd ., S 181 34 Vgl ebd ., S 182 35 Ebd ., S 183 36 Ebd 37 Schulministerium NRW 2021; 2020; 2019, 2018 38 Vgl https: / / www .fridaysforfutureitalia .it [20 .08 .2020] sowie z .B Friedman 2009 Italienisch_84.indb 117 13.11.20 09: 38 118 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler Abb 1 Abb 2 Italienisch_84.indb 118 13.11.20 09: 38 119 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Vor dem Hintergrund der angesprochenen Kritik erscheint es sinnvoll, in diesem thematischen Kontext einmal gerade nicht von Zeitungsmeldungen auszugehen und diese (mutmaßlich ohne fundierte Sachkenntnis) ‘wiederzukäuen’, sondern dem Umweltproblem zunächst in der Literatur zu begegnen und daraus grundsätzliche Fragestellungen von philosophischer und ethischer Tragweite zu entwickeln . 39 Eco greift mit seinem Text die Kultur und den Impuls der Aufklärung auf und erzählt einen modernen conte philosophique über zentrale Problemfelder des 20 und 21 Jahrhunderts wie Umweltpolitik, Suchtprävention und Bürokratismus, den er nicht zufällig mit einer Frage enden lässt Mit Hilfe des leicht zugänglichen und dabei keinesfalls anspruchslosen Textes bietet sich Schülerinnen und Schülern so die Möglichkeit, über moderne Konzepte der Nachhaltigkeit zu reflektieren und, angeregt durch die Lektüre und ganz im Sinne Voltaires, selbst zu denken zu beginnen: «Citer les pensées des vieux auteurs qui ont dit le pour & le contre, ce n’est pas penser .» 40 V. Literarische Impulse zu kritischem Denken So wie in der utopischen Erzählung die anfangs gefestigte Weltsicht des Weltraumforschers in eine neue, der Perspektive der «gnomi» entsprungene Wahrnehmung überführt wird, so wird auch der Leser in seiner Selbstgewissheit erschüttert und mit einer fundamentalen Zivilisationskritik und Infragestellung der menschlichen Erdenexistenz konfrontiert Darin aber liegt das kritische Potential, über Veränderungen konstruktiv nachzudenken und für die eigenen alltäglichen Lebensbereiche neue, tragfähige Modelle des menschlichen Zusammenlebens zu entwickeln Umberto Eco aktualisiert mithin alte, aber stets neu zu stellende Fragen der Aufklärung nach dem Fortschritt der menschlichen Zivilisation und ermöglicht zugleich deren persönliche Zuspitzung auf die Lebenswelt heutiger Schülerinnen und Schüler im Spannungsfeld globaler gesellschaftlicher Herausforderungen Die Krise der Wahrnehmung des Protagonisten liest sich als Spiegel des Lernprozesses, den der Leser im interkulturell motivierten Wechsel der Perspektive mit ihm vollzieht Die Lernenden schlüpfen in die Rolle der «gnomi» und suchen nach Lösungen für komplexe Zukunftsfragen eines Planeten, der im Grunde der ihrige ist Der Bildungsprozess setzt ein, wo der Einzelne über das mensch- Die diversen Ansätze können auch im Rahmen einer WebQuest ermittelt und in der Lerngruppe weiterführend und insbesondere lösungsorientiert diskutiert werden Vgl dazu z .B Mattes 2011, S 158 f ., 260 f 39 Hochaktuelle Anregungen für den Unterricht bietet u .a Pfister 2020 40 [Voltaire] 1762, S 5 Italienisch_84.indb 119 13.11.20 09: 38 120 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler liche Dasein nachzudenken und die Stellung des Menschen im Universum, aber auch auf der Erde zu relativieren beginnt Mündige Schülerinnen und Schüler werden hier einen Gestaltungswillen entwickeln, der über die rein funktionale Sprachverwendung des Italienischen weit hinausgeht und zu dem die italienische Erzählung einen beachtlichen Impuls gegeben hat Abstract. Nella semplice veste di un racconto per bambini, il romanziere Umberto Eco (1932-2016) ha lasciato un breve racconto nello stile del conte philosophique con Gli Gnomi di Gnù (1988), che per vari motivi si presta ad un approccio interculturale nello studio dell’italiano A differenza di Micromégas, il visitatore terrestre di Voltaire proveniente dalla stella Sirio, nel racconto di Umberto Eco il protagonista è piuttosto un esploratore spaziale terrestre che scopre un pianeta sconosciuto Il suo ottimismo per il progresso e il suo senso della missione vengono gradualmente messi sempre più in discussione e, infine ed inaspettatamente, vengono contestati presupposti di base inizialmente incrollabili L’ideale e la realtà si invertono, e il tema della sostenibilità e dei problemi attuali quali la politica ambientale, la prevenzione dalle dipendenze e la burocrazia, portano a una critica radicale sulla civiltà e alla messa in discussione dell’esistenza umana sulla terra Umberto Eco ripropone così domande vecchie, ma sempre attuali dell’Illuminismo relative al progresso della civiltà umana e allo stesso tempo permette di portarle personalmente alla ribalta nella vita degli studenti di oggi nel campo delle sfide sociali globali La crisi di percezione del protagonista funziona come lo specchio del processo di apprendimento che il lettore affronta insieme a lui Il contributo mostra i modi per elaborare il potenziale didattico, ma soprattutto le potenzialità estetiche e interculturali della narrativa fantascientifica e per sviluppare gli impulsi dati da essa in modo creativo e orientato all’azione, al fine di stimolare i processi educativi con l’aiuto del testo utopico Summary. In the simple guise of a children’s story, the novelist Umberto Eco (1932-2016) left a short story in the style of the conte philosophique with Gli Gnomi di Gnù (1988), which for various reasons seems to be suitable for an intercultural approach to the study of Italian Unlike Micromégas, Voltaire’s terrestrial visitor from the star Sirius, the protagonist of Umberto Eco’s story is rather a terrestrial space explorer who discovers an unknown planet His optimism about progress and his sense of mission are gradually being questioned more and more and, finally and unexpectedly, unshakable basic assumptions are questioned Ideal and reality are reversed, and issues of sustainability and current problems, such as environmental policy, prevention of addiction and bureaucratism, lead to a fundamental critique of civi- Italienisch_84.indb 120 13.11.20 09: 38 121 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht lization and the questioning of human existence on earth Umberto Eco thus updates old, but still new questions of the Enlightenment about the progress of human civilization, and at the same time allows us to bring them to the forefront of the lives of today’s students in the field of global social challenges The crisis of perception of the protagonist functions as the mirror of the learning process the reader goes through together with him This essay shows ways to elaborate the didactic potential, but above all the aesthetic and intercultural potential of science fiction texts and to develop the impulses given by it in a creative and action-oriented way, in order to stimulate educational processes with the help of the utopian text Abbildungen Abb 1: «Tutti possiamo fare la differenza»: Eindrücke von der «quarta manifestazione contro i cambiamenti climatici» der Jugendbewegung «Fridays for Future Italia» am 29 November 2019 in Ancona - Foto: Klara Meissner Abb 2: «Salviamo il pianeta . . .»: Plakatbotschaften jugendlicher Demonstranten auf der «quarta manifestazione contro i cambiamenti climatici» von «Fridays for Future Italia» am 29 November 2019 in Ancona - Foto: Klara Meissner Bibliographie Primärliteratur Benni, Stefano: Terra! Milano: Feltrinelli 37 2008 Calvino, Italo: Il barone rampante Milano: Mondadori 9 1998 Calvino, Italo: Il cavaliere inesistente Milano: Mondadori 24 2005 Calvino, Italo: Il visconte dimezzato . Milano: Mondadori 13 2000 Calvino, Italo: Orlando furioso di Ludovico Ariosto raccontata da Italo Calvino, con una scelta del poema Milano: Mondadori 23 2009 Carmi, Eugenio/ Eco, Umberto: Gli Gnomi di Gnù Milano: Bompiani 1992 Eco, Umberto: «Intertextuelle Ironie und mehrdimensionale Lektüre», in: ders ., Die Bücher und das Paradies. Über Literatur, aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber, München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 2006, S 212-235 Eco, Umberto: Geschichten für aufgeweckte Kinder, illustriert von Eugenio Carmi, aus dem Italienischen von Elise Dinkelmann München: Carl Hanser 2 2012 Eco, Umberto: Sämtliche Glossen und Parodien, aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber und Günter Memmert München: Carl Hanser 2002 Eco, Umberto: Tre Racconti Milano: Fabbri 2004 Voltaire: «Micromégas Histoire philosophique», in: ders ., Romans et contes, préface de Roland Barthes, notes de José Lupin, Paris: Gallimard 1982 (folio, 876) [Voltaire: ] L’A, B, C, dialogue curieux. Traduit de l’Anglais de Monsieur Huet London: Robert Freeman 1762 Italienisch_84.indb 121 13.11.20 09: 38 122 Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Roland Ißler Sekundärliteratur Bieri, Peter: Wie wollen wir leben? München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 2 2014 Bühler, Benjamin: Ecocriticism. Grundlagen - Theorien - Interpretationen Stuttgart/ Weimar: Metzler 2016 . Burwitz-Melzer, Eva/ O’Sullivan, Emer (Hrsg .): Einfachheit in der Kinder- und Jugendliteratur. Ein Gewinn für den Fremdsprachenunterricht Wien: Praesens 2016 Eilenberger, Wolfram: «Wo ist das Kind, das ich war? », in: Die Zeit, 21 .11 .2017 Ewers, Hans-Heino: «Vorgeschobene Bescheidenheit Die Angst der Literaturissenschaft vor der Kinder- und Jugendliteratur», in: Scherer, Ludger/ Ißler, Roland (Hrsg .), Kinder- und Jugendliteratur der Romania. Impulse für ein neues romanistisches Forschungsfeld, Frankfurt am Main: Lang 2014 (Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien, 96), S 19 ‒ 30 Friedman, Thomas L .: Was zu tun ist. Eine Agenda für das 21. Jahrhundert, aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009 Gaetano, Giuseppe: «Germania: i comuni possono vietare le auto diesel», in: Il Corriere della sera, 27 .02 .2018 Gnüg, Hiltrud: Utopie und utopischer Roman Stuttgart: Reclam 1999 Grandi, Annalisa: «Cina: affonda petroliera iraniana, nessuna speranza per i dispersi Rischio disastro ambientale», in: Il Corriere della sera, 14 .01 .2018 Ißler, Roland: «Universitäre Lehrerbildung zwischen Tradition und Innovation Kritische Reflexionen zur Fachkultur der Romanischen Philologie und Fremdsprachendidaktik», in: Corti, Agustín/ Wolf, Johanna (Hrsg .), Romanistische Fachdidaktik. 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Für die Sekundarstufe I, Stuttgart: Reclam 1994 (Texte und Materialien für den Unterricht) Italienisch_84.indb 122 13.11.20 09: 38 123 Roland Ißler Umweltethik und Zivilisationskritik im interkulturellen Italienischunterricht Küchler, Uwe: «Fremdsprachendidaktik als interdisziplinäre Wissenschaft: Ökologie, Umwelt und die Inhaltsfrage», in: Geiss, Peter/ Ißler, Roland/ Kaenders, Rainer (Hrsg .), Fachkulturen in der Lehrerbildung, Göttingen: V&R unipress 2016 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 1), S 179 ‒ 194 Martens, Ekkehard: Philosophieren mit Kindern. Eine Einführung in die Philosophie Stuttgart: Reclam 1999 Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. Kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende Braunschweig/ Paderborn/ Darmstadt: Bildungshaus Schulverlage 2011 Montiel Alafont, Francisco Javier/ Vatter, Christoph/ Zapf, Elke Christine: Interkulturelle Kompetenz Spanisch Stuttgart/ Leipzig: Klett 2014 Muglia, Alessandra: «Mauritius, stato di emergenza per la ‘marea nera’ arrivata fino a riva», in: Il Corriere della sera, 08 .08 .2020 Nida-Rümelin, Julian: Humanismus als Leitkultur. Ein Perspektivenwechsel München: Beck 2006 Pfister, Jonas: Kritisches Denken Stuttgart: Reclam 2020 Saviano, Roberto: «Ecco la prova: se leggi sei più felice», in: L’Espresso, 30 .10 .2015 Schädlich, Birgit: «Die neuen Skalen des Companion Volume zu Literatur: ein Beitrag zur Modellierung literarisch-ästhetischer Kompetenzen im schulischen Fremdsprachenunterricht? », in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, Nr 30,2/ 2019, S 199 ‒ 213 Schreiber, Jörg-Robert/ Siege, Hannes: Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung Ergebnis des gemeinsamen Projekts der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2004-2015, Bonn: Engagement Global 2 2016 Schulministerium NRW: «Zentralabitur 2018 - Italienisch», https: / / www .standardsicherung .schulministerium .nrw .de/ cms/ zentralabitur-gost/ faecher/ getfile .php? file=3786 Schulministerium NRW: «Zentralabitur 2019 - Italienisch» https: / / www .standardsicherung .schulministerium .nrw .de/ cms/ zentralabitur-gost/ faecher/ getfile .php? file=4176 Schulministerium NRW: «Zentralabitur 2020 - Italienisch» https: / / www .standardsicherung .schulministerium .nrw .de/ cms/ zentralabitur-gost/ faecher/ getfile .php? file=4582 Schulministerium NRW: «Zentralabitur 2021 - Italienisch - geänderte Fassung», https: / / www .standardsicherung .schulministerium .nrw .de/ cms/ zentralabitur-gost/ faecher/ getfile .php? file=4796 [30 .08 .2020] Simon-Schaefer, Roland: Kleine Philosophie für Berenike Stuttgart: Reclam 1996 Truglio, Maria: «Wise Gnomes, Nervous Astronauts, and a Very Bad General: The Children’s Books of Umberto Eco and Eugenio Carmi», in: Children’s Literature, n 36/ 2008, S 115-144 Vatter, Christoph/ Zapf, Elke: Interkulturelle Kompetenz Erkennen - verstehen - handeln Französisch, Stuttgart/ Leipzig: Klett 2012 Italienisch_84.indb 123 13.11.20 09: 38 124 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 029 Sprachecke Italienisch Die Rubrik «Sprachecke Italienisch» stellt aktuelle Probleme und Tendenzen des Gegenwartsitalienischen vor und befasst sich mit Normierungsschwankungen, grammatischen Unsicherheiten, Neuwortbildungen u .a Dabei sollen möglichst auch Anfragen und Anregungen aus dem Leserkreis aufgegriffen werden, die die Dynamik des Gegenwartsitalienischen als «lingua […] in forte ebollizione» (F Sabatini) präsentieren Verantwortlich für die «Sprachecke Italienisch» ist Prof Dr Daniela Pietrini (Universität Halle-Wittenberg): daniela pietrini@romanistik uni-halle de L’italiano ai tempi del coronavirus: una prima ricognizione discorsivolessicale L’epidemia da Sars-CoV-2 (questo il nome ufficiale dello specifico coronavirus responsabile della pandemia in corso) rappresenta un’emergenza sanitaria globale di proporzioni inaudite Anche a livello discorsivo è senza precedenti per la mole di neologismi, forestierismi e termini di provenienza specialistica che si susseguono con straordinaria rapidità a costituirne il lessico Con questo contributo ci si propone di presentare i risultati di una prima - relativa cioè solo ai primi otto mesi del 2020 - analisi linguistica del discorso mediatico (a stampa) italiano sul coronavirus che si è concentrata su alcuni aspetti di natura discorsivo-lessicale, in particolare sulle strategie di denominazione . 1 1 Lo studio, che si avvale di una combinazione di metodologie di tipo quantitativo (per la raccolta dei materiali) e qualitativo (per la parte analitica), si fonda su un corpus di articoli di giornale italiani, raccolti utilizzando la banca dati Nexis Uni nella sezione ‘Newspaper’ (che include il Corriere della Sera comprese tutte le sue edizioni regionali, Il Resto del Carlino, La Nazione, Il Giorno, Italia Oggi, Il Sole 24 Ore, Il Messaggero, La Gazzetta dello Sport, Libero e il Notiziario ANSA), integrando i risultati della ricerca con gli archivi online delle testate nazionali La Repubblica e La Stampa, non comprese nella banca dati Nexis Uni Gli articoli sono stati selezionati in base alla mera presenza del lemma coronavirus (in tutte le sue varianti ortografiche, ad esempio corona virus) L’arco temporale preso in considerazione va dal primo gennaio al 31 agosto 2020 I risultati proposti non hanno alcuna pretesa di validità statistica, mirando piuttosto a tracciare un quadro di tipo esclusivamente qualitativo del discorso mediatico italiano sul coronavirus dalle sue fasi iniziali alla fine dell’estate 2020 Italienisch_84.indb 124 13.11.20 09: 38 125 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch Dal coronavirus a covid Sembrano trascorsi anni luce da quando, all’inizio del 2020, coronavirus non era che un termine del linguaggio specialistico (biologia) sconosciuto ai non addetti ai lavori Coronavirus, 2 infatti, non è a rigore un neologismo, ma un termine tecnico repertoriato nei dizionari di medicina (v Dizionario di Medicina 2010, Treccani, online, s .v .), ma lemmatizzato da tempo anche nei principali dizionari dell’italiano, sia pure in quanto elemento lessicale settoriale: Coronavirus: [da corona, per l’alone rivelato al microscopio che caratterizza questo virus - 1990] (biol .) ogni virus del genere Coronavirus, che infetta l’uomo e molti animali domestici; nell’uomo è un’importante causa del raffreddore e della polmonite atipica (ZING 2020, s .v .) Nel discorso giornalistico italiano sull’epidemia, coronavirus passa rapidamente dall’ambito settoriale 3 all’informazione generalizzata, per conquistare, complice l’incalzante aggravarsi dell’emergenza sanitaria, un posto di primo piano tra le parole chiave del discorso mediatico del 2020 Gradualmente il discorso si allarga dall’agente virale alla patologia, come testimonia il diffondersi di nuovi sintagmi quali infezione da coronavirus e soprattutto polmonite da coronavirus, finché, l’11 febbraio 2020, 2 Nonostante l’origine indubbiamente latina del costituente virus, coronavirus è un anglismo, interpretabile in italiano come composto nominale N+N (corona + virus) subordinato con testa a destra (‘virus a forma di corona’) secondo uno schema formativo tipico appunto degli anglismi (v scuolabus) nonché dei latinismi (v terremoto), ed estraneo invece all’ordine tipico romanzo, caratterizzato da composti con testa a sinistra Sui composti N+N subordinati cfr Bisetto 2004, pp 39-44 Sulla questione dell’interpretazione morfologica e dell’origine di coronavirus cfr anche Sgroi 2020, pp 15-19 e l’intervento online di Claudio Marazzini sul portale dell’Accademia della Crusca (9 marzo 2020) 3 Oltre a qualche cenno generico a un «nuovo tipo di coronavirus» responsabile della morte di un paziente cinese «affetto da polmonite misteriosa» su Repubblica l’11 gennaio 2020, le prime attestazioni del termine risalgono a due trafiletti di divulgazione scientifica nelle rubriche ‘Medicina e Ricerca’ e ‘Salute’ su Repubblica - 12 gennaio 2020 - e sul Corriere della sera - 16 gennaio 2020 Una ricerca di controllo sulla banca dati Nexis Uni per monitorare la presenza del termine coronavirus nel 2019 non ha dato nessun risultato (fatta eccezione di un unico articolo sulla peritonite felina causata da un coronavirus specifico del gatto, pubblicato su La Nazione il 13 agosto 2019), mentre l’estensione della ricerca agli anni precedenti mostra una frequenza relativa del termine negli anni 2013-2015 a proposito del MERS-Cov, coronavirus umano responsabile di quella che all’epoca fu denominata una «nuova SARS» Italienisch_84.indb 125 13.11.20 09: 38 126 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini l’infezione da Sars-CoV-2 viene ufficialmente ribattezzata Covid-19, 4 acronimo formato dall’unione delle iniziali di ‘COrona’, ‘VIrus’ e ‘Disease’ con l’aggiunta di 19, l’anno (2019) in cui la malattia è stata diagnosticata per la prima volta in un essere umano A diffondersi nel discorso mediatico italiano sulla pandemia sarà però soprattutto la forma abbreviata (senza numerale finale) covid, ben presto percepita come unità lessicale semplice per designare non solo la patologia [1] […] i due cinesi arrivati a Firenze il 27 gennaio scorso e poi ricoverati allo Spallanzani, come primi casi di Covid in Italia («Coronavirus, altri due casi», 27-2-2020, Naz), 5 ma anche, in base a relazioni metonimiche di vario genere, il coronavirus [2] Sono saliti a 44, con i 20 tamponi positivi di ieri, i contagiati da Covid in Liguria («Il cluster di Albenga in via di soluzione», 29-2-2020, Naz), il paziente (soprattutto al plurale) [3] […] per avere ogni giorno 50/ 70 o anche 100 posti in più per i Covid che arrivano numerosi in pronto soccorso («Oltre 500 ricoverati», 18-3-2020, RdC), e addirittura l’emergenza sanitaria nel suo complesso [4] Dai 100 giorni di Covid, si esce con nuove energie: commenta Zingaretti («Zingaretti: Serve la grande politica, non quella degli sgambetti», 22-5-2020, Rep) 4 Il nome ufficiale viene annunciato pubblicamente dal direttore generale dell’Organizzazione mondiale della sanità (OMS o, in originale, World Health Organization WHO) Tedros Adhanom Ghebreyesus: «Avere un nome è importante per impedire l’uso di altri nomi che possono essere inaccurati o rappresentare uno stigma […] Dovevamo trovare un nome che non fosse di un luogo geografico, di un animale, di un individuo o di un gruppo di persone, che fosse pronunciabile e legato alla malattia» («Il nuovo coronavirus cambia nome, non più 2019-nCoV ma SARS-CoV-2», Ministero della Salute) Cfr anche le linee guida per la denominazione di nuove malattie infettive pubblicate dall’OMS l’8 maggio 2015 (comunicato stampa «WHO issues best practices for naming new human infectious diseases», WHO.int) 5 Per facilitare la lettura, gli esempi dal corpus (citati senza apportare alcuna modifica né correggere eventuali sviste tipografiche dell’originale) sono preceduti da numeri in parentesi quadre Le sottolineature sono di D .P Italienisch_84.indb 126 13.11.20 09: 38 127 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch La creatività neologica Tra le caratteristiche più evidenti del ‘lessico del coronavirus’ figurano la sua particolare fluidità e il mutamento continuo, in stretta relazione con l’evoluzione incessante della pandemia stessa Dal punto di vista meramente linguistico tale dinamismo si riflette nella formazione di un gran numero di derivati e composti che hanno come input lessicale il termine coronavirus e soprattutto l’accorciamento covid I primi derivati di coronavirus sono già attestati a partire dalla fine di gennaio 2020: si tratta soprattutto di prefissati (con valore sia aggettivale che nominale) come anti-coronavirus, pre-coronavirus e post coronavirus [5] «Tra alberghi, shopping e ristoranti, il turismo cinese porta a Milano 300 milioni al mese Rispetto al pre-coronavirus-siamo scesi del 40%», ha affermato il primo cittadino riportando dati della Camera di Commercio («Confindustria: coronavirus è problema serio», 30-1-2020, IG) [6] A porre il tema delle misure anti-Coronavirus, in particolare in aeroporto era stata la leghista Mirka Cocconcelli, medico («Presidio medico al Marconi», 1-2-2020, RdC) [7] Dai prestiti tra privati al factoring, ecco le misure per alimentare la ripresa post coronavirus (titolo, 28-2-2020, LS) cui si affiancano occasionalismi e pseudoanglicismi come Coronavirus-shop, fantomatico negozio online di mascherine e disinfettanti (es 8), e neoformazioni di vario tipo, come Coronabond (es 9), 6 parola macedonia corona(virus)+(Euro)bond che designa, soprattutto nelle fasi iniziali della pandemia, eventuali titoli di debito coperti da garanzia comune europea (‘Eurobond’): [8] Un vero e proprio «Coronavirus Shop», almeno questa è la denominazione riportata in uno dei tanti siti individuati dalla Guardia di Finanza di Torino che sta proseguendo le indagini dopo la maxi operazione dei giorni scorsi che ha 6 A Coronabond si affianca, più o meno con lo stesso significato, il composto Covid- Bond: «Conte ha rimarcato, come già ieri a Montecitorio, che il decreto del prossimo mese punta a destinare una somma totale ‘non inferiore a 50 miliardi di euro’ a famiglia, imprese e lavoratori, ribadendo il suo favore per ‘lo strumento dei Covid-bond .» («Conte al Senato», 26-3-2020, Rep) Italienisch_84.indb 127 13.11.20 09: 38 128 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini visto migliaia di articoli, spacciati come «antidoti» contro il virus, venduti a prezzi folli («Coronavirus shop, anche un mantovano tra i 33 ‘truffatori del web’ individuati dalla Finanza», 4-3-2020, GaM) [9] In tandem con Macron, Conte è tra i primi a spingere anche per un’altra soluzione che avrebbe portata storica, quella dei Coronabond Titoli emessi proprio dal Mes, con la garanzia dell’intero blocco europeo alle spalle, per finanziarsi a buon prezzo sul mercato e destinare fondi a superare l’emergenza («Coronavirus, la Commissione Ue attiva la clausola che stoppa il patto di Stabilità», 20-3-2020, Rep) Ma è soprattutto a partire dalla forma abbreviata covid che si registra la maggiore produttività lessicale nel discorso mediatico italiano sulla pandemia A parte i derivati con significato negativo (anti covid e gli anglismi non covid e no Covid), a farla da padrone sono i neologismi con valore semantico spazio-temporale, costruiti tanto per prefissazione (utilizzando un’ampia gamma di prefissi: ante-, pre-, post-, ex-, extra-, es 10-13) [10] perché esiste nella visione della giunta un ‘ante-Covid’ e un ‘post-Covid’ («Arriva LazioLab, superesperti per rilancio post-Covid», 13-4-2020, Notiziario ANSA) [11] Chiudiamo gli occhi e pensiamo all’ospedale che viveva nel nostro cuore pre Covid («L’ospedale che abbiamo dentro», 29-3-2020, CdS) [12] I primi reparti ex Covid tornano alla loro destinazione originaria .(«Preoccupazione tra i sanitari», 12-4-2020, CdS) [13] […] oltre a un reparto di chirurgia, trasformato in avamposto polifunzionale per le emergenze extra Covid («Bassini e città di Sesto, un gioco di squadra», 24-3-2020, IG) 7 7 Si noti come, pur trattandosi di derivati da una base nominale (covid, accorciamento di un acronimo, funzionante alla stregua di un sostantivo), le neoformazioni prefissate da covid assumono spesso valore aggettivale (mascherine anti-covid, epoca pre covid, pazienti ex-covid ecc .) Una tale anomalia, apparentemente in opposizione ai meccanismi di formazione delle parole in italiano, in cui la prefissazione, a differenza della suffissazione, di regola non modifica la categoria grammaticale della base, è in linea con le peculiarità della formazione di neologismi prefissati nell’italiano contemporaneo (sost camorra à agg anticamorra) Per questa tendenza v Della Valle 2020 Italienisch_84.indb 128 13.11.20 09: 38 129 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch che per composizione (composti esocentrici del tipo Prep + N: 8 soprattutto dopo Covid, ma anche prima Covid e persino durante covid, es 14-16): [14] Il pronto soccorso non verrà chiuso, anzi verrà rinforzato per migliorarlo anche in vista del dopo Covid («Pronto il ‘Covid Hospital’ per i malati del virus», 21-3-2020, RdC) [15] La situazione è di nuovo fuori controllo (è tornata identica al prima-Covid) e manda su tutte le furie i residenti della zona («Abusivi, a Chinatown è tutto come prima», 5-7-2020, Naz) [16] Forse può essere più utile progettare subito insieme il ‘durante Covid’, che potrebbe estendersi oltre ogni attesa (senza titolo, 5-4-2020, RdC) Proprio quest’insistenza su derivati e composti di significato temporale (agli esempi citati si aggiunga anche ante-coronavirus, persino abbreviato in era A.C., cfr Pietrini 2020a) mette in evidenza come la pandemia da coronavirus venga spesso percepita e rappresentata nel discorso mediatico italiano come un evento dalla portata epocale, un «nuovo criterio per tracciare la linea ideale del tempo» (es 17): [17] […] la speranza in un futuro possibile Addirittura migliore di quello immaginato nel prima-Covid- (nuovo criterio per tracciare la linea ideale del tempo) («La lezione dei bambini per il futuro», 29-3-2020, Naz) Un altro meccanismo morfologico particolarmente produttivo nel discorso italiano sul coronavirus è la composizione binominale (tipo N + N) con testa X e covid in funzione di modificatore (es pazienti covid) Si formano così innumerevoli composti subordinati 9 in virtù della possibilità infinita - almeno in linea di principio - di combinare l’elemento nominale covid con qualunque altro sostantivo, purché sia possibile immaginare tra i due costituenti una qualsiasi relazione semantica Ecco quindi neoformazioni come tampone covid (‘tampone diagnostico per verificare l’eventuale presenza del 8 Per informazioni più dettagliate sulla distinzione tra prefissati e composti nominali esocentrici del tipo Prep + N cfr Iacobini 2004, pp 101-104 9 Si definiscono subordinati (o determinativi) quei composti che «indicano una sottoclasse della classe degli oggetti individuati dalla testa e nei quali il nome di destra si pone come una specificazione restrittiva del nome che lo precede […] .: il pescemartello è un pesce con determinate caratteristiche di conformazione fisica, il vagone letto è, tra i vagoni di un treno, quello attrezzato con dei letti ecc .» (Bisetto 2004, p 40) Italienisch_84.indb 129 13.11.20 09: 38 130 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini virus responsabile di Covid-19 nella mucosa della faringe’), fondi covid (‘contributi finanziari erogati alle imprese per arginare i danni economici causati dalla pandemia da Covid-19’), paziente covid (‘paziente affetto da Covid-19’) ecc . 10 [18] […] abbiamo chiamato il 118 che ha optato per il trasferimento a Jesi, procedendo all’effettuazione del tampone Covid, poi risultato positivo («Mio fratello dilaniato dal virus», 18-3-2020, RdC) [19] La maturità Covid è finita nel giro di un paio di settimane, con un pieno di 100 e in generale voti più alti rispetto agli anni passati («Maturità e Covid, un boom di 100», 2-7-2020, CdS) [20] Con le società create per evadere l’iva e riciclare i soldi della ‘ndrangheta hanno incassato anche 60mila euro di fondi covid («Le mani della ‘ndrangheta sui fondi Covid- 19», 14-7-2020, LS) Evidente la matrice giornalistica di composti di questo tipo, nati sulle pagine dei giornali a partire da sintagmi complessi dai quali, secondo le strategie di riduzione e condensazione tipiche della stampa contemporanea, vengono eliminati i costituenti per ellissi successive, come nel caso di «decreto legge relativo alle misure per il contenimento degli effetti dell’epidemia di Covid- 19», che, esauritasi l’eccezionalità del provvedimento in ragione del susseguirsi di decreti sempre nuovi, diventa progressivamente il «decreto legge sull’epidemia/ sull’emergenza Covid-19», quindi il «decreto sul Covid-19» e infine il decreto covid (es 21) . 11 [21] Da Palazzo Chigi arriva però la smentita con la precisazione che la norma introdotta nel decreto Covid non consente proroghe negli incarichi ma solo più rinnovi («Il Governo blinda i vertici con il decreto Covid», 4-8-2020, Rep) 10 La casistica di composti binominali subordinati N + covid che emerge dal corpus è infinita: degenze covid, test covid, bollettino covid, isole covid, letti covid, tassa covid, decreto covid, danni covid, numeri covid ecc per un totale di più di 170 neoformazioni diverse 11 Sul tipico stile «brachilogico» dei giornali cfr almeno Gualdo 2017, pp 45-53 Italienisch_84.indb 130 13.11.20 09: 38 131 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch Il ricorso al lessico specialistico Accanto ai neologismi veri e propri, nel lessico del discorso mediatico italiano sul coronavirus spicca un cospicuo gruppo di termini specialistici (appartenenti prevalentemente ai linguaggi settoriali della biologia e della medicina), che filtrano dal discorso scientifico a quello giornalistico fino a permeare, almeno in alcuni casi, nella lingua comune A parte il già citato coronavirus, si tratta soprattutto di termini relativi ai sintomi della malattia e ai supporti diagnostici e terapeutici disponibili per fronteggiarla Nella maggior parte dei casi, a fare uso dei tecnicismi sui media sono inizialmente gli innumerevoli medici, epidemiologi, virologi ed esperti in genere che prendono la parola per esporre al grande pubblico della stampa generalista singoli aspetti della pandemia (i sintomi della malattia, le modalità di trasmissione del contagio, la prevenzione, le cure e la ricerca del vaccino) e che, pur sforzandosi di scansare ogni oscurità terminologica, non sempre riescono a rinunciare all’impiego di un linguaggio specialistico, pena la mancanza di precisione e la conseguente banalizzazione della tematica affrontata . 12 Sono tanti i tecnicismi che affiorano nel discorso mediatico sul coronavirus, da triage (‘procedura di smistamento dei pazienti in ospedale’) ai sintomi di Covid-19 dispnea (‘difficoltà respiratoria’), anosmia e disgeusia (‘perdita di olfatto’ e ‘di gusto’), dagli indici R0 e Rt (‘numeri di riproduzione di base di un agente patogeno’, rispettivamente prima o dopo l’applicazione di misure di contenimento di un’epidemia) all’anglismo paziente zero (il ‘primo paziente individuato e sottoposto a terapie all’interno del campione della popolazione di un’indagine epidemiologica’, v la banca dati di neologismi Treccani online) o a comorbidità/ comorbilità (‘compresenza di patologie diverse in uno stesso individuo’) 13 [22] Una popolazione più anziana significa più persone deboli e a rischio di aggravarsi, col passare degli anni, infatti, compaiono altre malattie (le cosiddette «comorbilità»): sono queste a essere il fattore di rischio maggiore per i malati di Covid-19 («Perché tanti morti», 22-3-2020, CdS) [23] Il motivo è proprio legato alla matematica del contagio e al fattore ‘R0’ È il numero di persone che ogni individuo 12 Sul difficile equilibrio tra precisione scientifica e divulgazione nella comunicazione mediatica relativa al coronavirus cfr Pietrini (2020b) 13 Sull’alternanza comorbidità/ comorbilità nel linguaggio medico-scientifico italiano v Torchia 2013 Italienisch_84.indb 131 13.11.20 09: 38 132 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini «positivo» contagia a sua volta («Blocchi, chiusure, coprifuoco», 11-3-2020, CdS), oltre ai tanti nomi di farmaci e principi attivi usati nelle prime cure sperimentali (tocilizumab, remdesivir, clorochina/ idrossiclorochina, plaquenil, eparina ecc .): [24] Sul fronte dei farmaci chi è più avanti è Gilead Sciences che sta pensando di usare Remdesivir, un farmaco sperimentale che nei macachi esposti al virus di Sars e Mers è capace di prevenire la malattia («Proteggi gli altri, proteggerai te stesso», 1-3-2020, CdS) [25] il paziente in terapia intensiva, che era stato trattato con il tocilizumab, un farmaco anti reumatoide, oggi sarà estubato . 14 («Test col farmaco reumatologico», 12-3-2020, Naz) [26] Al piano terapeutico può essere aggiunta la clorochina, un farmaco anti malaria («Quali sono i farmaci che stanno offrendo i migliori risultati? », 11-3-2020, CdS) Comune all’uso di simili tecnicismi nella prosa giornalistica sono il ricorso a strategie tipografiche di distanziamento enunciativo e di messa in rilievo (soprattutto parentesi e virgolette, es 22-23), talvolta con effetto metalinguistico di esibizione del processo di denominazione («cosiddette …», es 22), e l’apposizione di parafrasi esplicative, realizzate attraverso la riformulazione del termine tecnico grazie all’accostamento con un lessema del linguaggio comune («farmaco», es 24-26) Se comunque i termini appena citati difficilmente passano dal giornalismo divulgativo alla comunicazione di tutti i giorni, diverso è il caso di asintomatico, che può considerarsi ormai acquisito nell’italiano comune Asintomatico deriva per prefissazione da sintomatico con l’aggiunta del prefisso ache, in funzione del suo valore semantico privativo (espressione cioè della mancanza di quanto indicato dalla base), attribuisce al derivato il senso di ‘privo di sintomi’ Il termine (la cui prima attestazione in italiano risale al 1933, cfr ZING 2020) è attribuito al linguaggio specialistico della medicina e definito «che non presenta sintomi specifici: malattia asintomatica» (NDO 2019, s .v .) Nel discorso sul coronavirus è attestato soprattutto 14 Anche intubare e estubare sono termini del linguaggio settoriale della medicina filtrati repentinamente nel lessico giornalistico e quindi nell’italiano comune nel contesto dell’epidemia da coronavirus (cfr Pietrini 2020b) Italienisch_84.indb 132 13.11.20 09: 38 13 3 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch nel suo uso nominale (per conversione dall’aggettivo asintomatico al sostantivo un asintomatico oppure nei sintagmi essere asintomatico e paziente asintomatico, e si riferisce al «portatore» di microrganismi patogeni che, pur avendo contratto il virus, non manifesta alcun sintomo specifico della patologia, risultando pertanto particolarmente pericoloso per la diffusione del contagio, in quanto spesso inconsapevole del proprio status di infettato (cosiddetta «positività»): [27] C’è il sospetto che a trasmettere il virus sia stato un paziente asintomatico «È possibile, ci sono stati casi secondari anche in altri Paesi e di varia entità: soggetti con poca o nessuna sintomatologia che possono trasmettere il nuovo coronavirus .» («Il virologo: È come un incendio da spegnere subito Ma lo aspettavamo e l’Italia è pronta», 22-2-2020, GdS) [28] E se il ‘paziente zero’ fosse un asintomatico che gira indisturbato? («Il rompicapo del ‘paziente zero’», 24-2- 2020, CdS) [29] […] mentre il contagiato altoatesino è un giovane del posto che è stato in una delle zone a rischio lombarde ed è asintomatico («Il virus fa 4 morti in 24 ore», 25-2-2020, RdC) Particolarmente significativo è il fatto che il tecnicismo asintomatico si imponga sul concorrente potenziale portatore sano, termine già noto al linguaggio comune ma che, dopo una diffusione relativa nei primi giorni dell’emergenza sanitaria, viene accantonato a causa della sua imprecisione fuorviante (il paziente positivo al coronavirus, sia pure asintomatico, non è affatto «sano», ma infetto, per quanto «inapparente»), lasciando spazio al tecnicismo asintomatico tanto nel discorso mediatico quanto nella comunicazione di tutti i giorni [29] Il domandone arriva anche sul nemico invisibile: il portatore sano Come riconoscerlo? «I malati asintomatici hanno una carica virale bassa rispetto a una persona che ha la malattia in fase attiva (quindi febbre, tosse e difficoltà respiratorie) e riesce a trasferire il virus in maniera significativa» («Quando finirà questa epidemia? », 1-3-2020, Naz) Italienisch_84.indb 133 13.11.20 09: 38 13 4 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini Gli anglismi e la globalizzazione del lessico L’estensione sovranazionale della pandemia da Covid-19 ha come riflesso linguistico la necessità di denominare ex novo in maniera simultanea e parallela in lingue diverse una mole considerevole di fenomeni e concetti analoghi se non identici (dall’agente patogeno responsabile dell’epidemia alla malattia, alle misure di contenimento, ai dispositivi di protezione ecc .), comportando così la nascita di una sorta di «lessico globale del coronavirus» intrinsecamente multilingue e internazionale L’italiano in particolare, essendo stata l’Italia il paese europeo colpito per primo dall’emergenza sanitaria, testimonia bene quest’oscillazione lessicale tra denominazioni parallele per gli stessi referenti Spesso infatti a termini già attestati e invenzioni lessicali formate con materiale autoctono si aggiunge materiale lessicale di provenienza allogena per l’influenza delle espressioni usate nelle altre lingue per designare gli stessi fenomeni Un caso esemplare è la denominazione delle misure di chiusura e di isolamento di emergenza istituite, scelta senza precedenti in Europa, dal governo Conte con il Dpcm («decreto del Presidente del Consiglio dei ministri») del 9 marzo 2020 e ulteriormente inasprite dal Dpcm dell’11 marzo, con il quale è stata disposta la chiusura di tutte le attività commerciali di vendita al dettaglio, ad eccezione dei negozi di generi di prima necessità . 15 Nei testi giornalistici si alternano locuzioni diverse e variamente connotate come coprifuoco, serrata, blocco, isolamento, distanziamento sociale, 16 cui ben presto si sovrappongono confinamento e l’angloamericanismo lockdown Tra le alternative autoctone coprifuoco è spesso connotato negativamente anche in virtù dell’associazione a eventi traumatici come la guerra o gli anni di piombo: [30] Se di giorno si può apprezzare il nuovo volto delle città, con traffico ed inquinamento ridotti, al calar della sera arriva l’effetto-Wuhan: i lampioni illuminano marciapiedi deserti e serrande abbassate Chiusi ristoranti e locali È il coprifuoco Si sta a casa, dando sfogo alle scorte alimentari accumulate come in tempi di guerra («E l’Italia si svegliò ‘zona protetta’», 10-3-2020, Notiziario ANSA), e si dimostra comunque inadeguato a designare le restrizioni in vigore soprattutto perché si riferisce esplicitamente a limitazioni relative alle ore 15 V Gazzetta Ufficiale 161/ 64, consultabile online, URL: https: / / www .gazzettaufficiale .it/ eli/ gu/ 2020/ 03/ 11/ 64/ sg/ pdf 16 Sul concetto di distanziamento sociale e in generale sul «lessico della distanza» nel discorso sul coronavirus cfr Pietrini 2020c Italienisch_84.indb 134 13.11.20 09: 38 135 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch serali, 17 mentre le misure adottate per il contenimento dell’epidemia riguardano anche gli spostamenti diurni (cfr Poli 2020, p 118) Anche serrata è solo parzialmente pertinente: la sua estensione semantica si riduce alla chiusura forzata delle attività commerciali e di altri servizi (scuole, università, cinema ecc fino alla «serrata generale»), 18 ma non comprende l’obbligo a limitare gli spostamenti e a «restare a casa» (es 31-32): [31] Jessica, un pargolo alle elementari e uno alle medie nella Chinatown bolognese (la Bolognina), reagisce con panico alla notizia della serrata- scolastica («E ora a chi lasciamo i bambini? », 24-2-2020, RdC) [32] In tempi di serrata- generale oltre alla playlist di storie per i bambini, anche la biblioteca e l’edicola digitali aumentano i contenuti accessibili a tutti («Le biblioteche vanno online», 11-3-2020, IG) Quanto a termini come isolamento o quarantena, il primo è sentito talvolta troppo generico per denominare un provvedimento senza precedenti nella storia italiana, 19 tanto da figurare spesso nel sintagma - non immune da fraintendimenti - isolamento sociale 20 proprio nel tentativo di restringerne l’estensione semantica conferendogli specificità [33] I miglioramenti, è bene chiarirlo, ci saranno soltanto se si prosegue sulla via dell’isolamento- sociale («Superata la soglia dei 2500 morti», 18-3-2020, CdS), 17 Cfr la definizione di coprifuoco nei dizionari dell’italiano comune: «Divieto alla popolazione civile di uscire durante le ore della sera e della notte, imposto per ragioni di sicurezza dall’autorità militare o civile in tempo di guerra o in situazioni di emergenza» (NDO 2019, s .v ., sottolineatura D .P .) 18 A rigore serrata indicherebbe comunque non la chiusura forzata di un’attività imprenditoriale o commerciale da parte delle autorità, ma la sua sospensione su iniziativa del titolare stesso per motivi di protesta o di ritorsione («Sospensione dell’attività imprenditoriale da parte del datore di lavoro, al fine di imporre la sua volontà in occasione di controversie sindacali o come rappresaglia (est.) Chiusura, sospensione della propria attività a scopo di protesta, detto di negozianti e artigiani», ZING 2020, s .v .) 19 Tra i valori semantici di isolamento ZING (2020, s .v .) elenca la «condizione di chi vive appartato Sin. segregazione» e la più specifica «segregazione di un detenuto, come misura repressiva o a titolo cautelativo» 20 Numerose le attestazioni nel corpus dello stesso sintagma con il valore semantico di condizione psicologica di solitudine a causa della mancanza o dell’interruzione dei rapporti sociali («Come resistere per molti giorni in uno stato di isolamento sociale- senza avere conseguenze per il nostro equilibrio mentale? », in «Il pericolo (per la salute) della solitudine e la lezione di Cast away», 15-3-2020, CdS) Italienisch_84.indb 135 13.11.20 09: 38 136 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini il secondo invece già in uso nel discorso sul coronavirus con un significato ben più specifico («periodo di isolamento di quattordici giorni a cui sono sottoposti coloro che sono stati in contatto con i malati o che comunque sono sospetti di essere stati contagiati», Tomasin 2020, p 66), per quanto spesso attestato anche in senso generico per identificare «l’Italia in quarantena» (es 34): 21 [34] Siamo alla fine del primo giorno dell’Italia in quarantena vera (senza titolo, 13-3-2020, IG) L’anglo-americanismo lockdown invece (anche nella grafia disgiunta lock down), registrato nella banca dati di neologismi Treccani online in quanto «isolamento, chiusura, blocco d’emergenza» con esempi datati 2013, 2016 e 2019, è attestato in italiano soprattutto dopo l’adozione delle misure di chiusura e di isolamento da parte della Gran Bretagna (23 marzo 2020) 22 Lockdown si diffonde rapidamente, percepito forse proprio grazie alla sua estraneità al sistema linguistico dell’italiano e alla sua apparente ‘novità’ come idoneo a denominare un complesso di misure di emergenza inedite, anche se non mancano le riflessioni metalinguistiche, le ironie (v la pseudoitalianizzazione «loccodannato», es 35) e le insofferenze contro l’ennesimo anglismo: [35] Ma la si smetta, almeno, di chiamarlo «Lockdown-Italia» . «Isolamento» suonava troppo ansiogeno? Se proprio devo murarmi vivo, vorrei poterlo fare in italiano . («Lamento di un ‘Loccodannato’», 25-3-2020, CdS) 21 Anche Corbolante (2020) nota che «nelle conversazioni informali molti usano quarantena per descrivere l’insieme di misure rivolte a tutti i cittadini, quindi non solo la situazione particolare di chi è venuto a contatto con persone positive ma genericamente lo- stare a casa, valido per chiunque» 22 Inizialmente in italiano lockdown si riferisce soprattutto a provvedimenti adottati all’estero («ma quanto è stato fatto dalla Cina, con il lockdown- di intere città non ha precedenti nel mondo», 6-2-2020, notiziario ANSA) o è in articoli presumibilmente tradotti dall’inglese («Il quotidiano britannico Guardian apre la sua edizione online con una fotografia del premier Giuseppe Conte sotto al titolo: ‘Il primo ministro italiano firma un decreto di lockdown- che interessa milioni nel nord’», 8-3-2020, notiziario ANSA) Le sue prime attestazioni a proposito delle misure in vigore in Italia sono spesso accompagnate da glosse esplicative: Il lockdown, il blocco per isolare il virus-(«La Merkel ha paura: bloccate le frontiere», 16-3-2020, GdS); impossibile gestire un lock down- totale, una chiusura massima, se metà della popolazione è al lavoro («Medicina si sveglia dentro la zona rossa», 17-3-2020, RdC); l’unica arma contro il Coronavirus oggi come oggi era il lockdown, cioè l’isolamento delle persone nelle proprie abitazioni- («Bce 25 miliardi: è il massimo per partire», 18-3-2020, Naz), ecc Italienisch_84.indb 136 13.11.20 09: 38 137 Daniela Pietrini Sprachecke Italienisch Confinamento invece, pur non essendo a rigore un prestito, 23 si afferma nel discorso sul coronavirus per effetto del francese confinement, termine dal sapore antico riattualizzato dai francesi - ben più restii degli italiani all’accoglimento di forestierismi - per denominare le misure di limitazione dei contatti sociali adottate per contrastare la diffusione dell’epidemia L’oscillazione tra tanti usi linguistici alternativi sottolinea non solo la difficoltà a denominare un evento senza precedenti (isolamento sociale, confinamento o lockdown che dir si voglia), ma anche il carattere globale del lessico della pandemia Daniela Pietrini Riferimenti bibliografici Bisetto, Antonietta (2004): «Composizione con elementi italiani», in: Grossmann, Maria/ Rainer, Franz (a cura di), La formazione delle parole in italiano, Tübingen: Niemeyer, pp 33-51 Corbolante, Licia (2020): «Lockdown vs distanziamento sociale», in: Terminologia etc., 20 marzo 2020, URL: http: / / blog .terminologiaetc .it/ 2020/ 03/ 20/ originesignificato-lockdown-pandemie/ Della Valle, Valeria (2020): «Tendenze recenti nella formazione delle parole nuove», in: Publifarum 12, URL: http: / / www .publifarum .farum .it/ index .php/ publifarum/ article/ view/ 324 Dizionario di Medicina (2010), Treccani, URL: http: / / www .treccani .it/ enciclopedia/ elenco-opere/ Dizionario_ di_Medicina Gualdo, Riccardo (2017): L’italiano dei giornali, Roma: Carocci Iacobini, Claudio (2004): «Prefissazione», in: Grossmann, Maria/ Rainer, Franz (a cura di), La formazione delle parole in italiano, Tübingen: Niemeyer, pp 97-163 «Il nuovo coronavirus cambia nome, non più 2019-nCoV ma SARS-CoV-2», Ministero della Salute, URL: http: / / www .salute .gov .it/ portale/ nuovocoronavirus/ dettaglio- NotizieNuovoCoronavirus .jsp? lingua=italiano&menu=notizie&p=dalministero &id=4067 Marazzini, Claudio (2020): «In margine a un’epidemia: risvolti linguistici di un virus», Accademia della Crusca online, URL: https: / / accademiadellacrusca .it/ it/ contenuti/ in-margine-a-unepidemia-risvolti-linguistici-di-un-virus/ 7895 NDO 2019 = Nuovo Devoto-Oli. Il vocabolario dell’italiano contemporaneo 2019, Devoto/ Oli/ Serianni/ Trifone, volume e edizione digitale, Firenze: Le Monnier Pietrini, Daniela (2020a): «Il mutamento (linguistico) del coronavirus», Istituto della Enciclopedia Treccani, Treccani .it (Lingua italiana), DOI: 10 .7393/ LION-51, URL: http: / / www .treccani .it/ magazine/ lingua _italiana/ articoli/ parole/ parole_nel_ turbine_1 .html 23 Prima della pandemia, in italiano confinamento è usato soprattutto come «pena che consiste nell’obbligo di risiedere lontano dal luogo abituale; confino» (NDO 2019, s .v .) e associato al fascismo («condannare al confino», ZING 2020 s .v confinare) Italienisch_84.indb 137 13.11.20 09: 38 13 8 Sprachecke Italienisch Daniela Pietrini Pietrini, Daniela (2020b): «Parola di medico: tecnicismi e divulgazione nel discorso sul coronavirus», Istituto della Enciclopedia Treccani, Treccani .it (Lingua italiana), DOI: 10 .7393/ LION-57, URL: http: / / www .treccani .it/ magazine/ lingua_italiana/ articoli/ parole/ parole_nel_turbine_7 .html Pietrini, Daniela (2020c): «Non è distanza sociale! », Istituto della Enciclopedia Treccani, Treccani .it (Lingua italiana, DOI: 10 .7393/ LION-55, URL: http: / / www treccani .it/ magazine/ lingua_italiana/ articoli/ parole/ parole_nel_turbine_3 .html) Poli, Matilde (2020): «L’italiano è uscito dal lockdown», in: Italiano digitale XIII, 2020/ 2, DOI: 10 .35948/ 2532-9006/ 2020 .3336 Sgroi, Salvatore Claudio (2020): Dal Coronavirus al Covid-19. Storia di un lessico virale, Alessandria: Edizioni dell’Orso Tomasin, Lorenzo (2020): «Una quarantena può durare anche ‘solo’ quattordici giorni», in: Italiano digitale XII, 2020/ 1, DOI: 10 .35948/ 2532-9006/ 2020 .3273 Torchia, Maria Cristina (2013): «Un caso di instabilità terminologica nel vocabolario medico: comorbidità, comorbilità, comorbosità», Accademia della Crusca consulenza linguistica online, URL: https: / / accademiadellacrusca .it/ it/ consulenza/ un-caso-di-instabilita-terminologica-nel-vocabolario-medico-comorbidita-comorbilita-comorbosita/ 791 WHO (2015): «WHO issues best practices for naming new human infectious diseases», World Health Organization, URL: https: / / www .who .int/ mediacentre/ news/ notes/ 2015/ naming-new-diseases/ en/ ZING 2020 = Lo Zingarelli 2020, Bologna: Zanichelli, versione elettronica (messa a disposizione degli utenti registrati della Biblioteca dell’Università Martin-Luther di Halle-Wittenberg) Sigle utilizzate Naz: La Nazione RdC: Il Resto del Carlino Rep: Repubblica IG: Il Giorno LS: La Stampa GaM: Gazzetta di Mantova CdS: Corriere della sera GdS: La Gazzetta dello Sport Italienisch_84.indb 138 13.11.20 09: 38 139 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 0 3 0 Buchbesprechungen Helmut Meter: Erzählen und implizite Anthropologie. Exemplarische und vergleichende Beiträge zu Novellen der Renaissance. Heidelberg: Winter 2019, 271 Seiten, € 46,00 (Studia Romanica, 214) Die Leitthese des hier anzuzeigenden Buches ist bereits dem Titel zu entnehmen: Helmut Meter liest sein Quellenkorpus als Dokument einer «implizite[n] Anthropologie», deren Wandlungen er über einen größeren Zeitraum hinweg beobachtet Dieser reicht vom spätmittelalterlichen Ursprung der neuzeitlichen Novelle bei Boccaccio bis ins siècle classique eines Jean de La Fontaine Erstmals erschienen sind die Aufsätze in einer Reihe von Sammelbänden zwischen 1993 und 2017 In seiner Einleitung, die aus Anlass der Wiederveröffentlichung als Monographie entstand, betont der Autor, dass er damit eine «längerfristige literarische Entwicklung sichtbar werden … lassen» (S 14) wolle An eine chronologische Stringenz der von ihm postulierten Entwicklung scheint Meter selbst gar nicht so recht zu glauben, denn er ordnet seine Beiträge in der Reihenfolge ihrer Entstehung an, so dass er im inhaltlichen Verlauf seines Buches vor und zurück durch die Jahrhunderte springen muss Aber das tut der Kohärenz des Ganzen keinen Abbruch, denn der wissensgeschichtliche Rahmen von Meters Ausführungen ist natürlich jederzeit klar zu erkennen Das Spektrum reicht von der vorsichtigen Öffnung hin zu einer nicht mehr theologisch fundierten Menschenkunde bei Boccaccio auf der einen Seite und dem abgeklärten Erzählen eines Jean de La Fontaine auf der anderen In seiner Versnovelle «La Fiancée du Roi de Garbe» adaptiert La Fontaine die Alatiel-Geschichte aus dem Decameron und setzt dabei als Erzählinstanz einen zynisch überlegenen Kommentator ein, der sich immer wieder sarkastisch über das Dargebotene auslässt Hier ist klar zu erkennen, dass der Dichter durch die Schule jener skeptischen Moralistik gegangen ist, die am Hofe Ludwigs XIV gepflegt wurde und von der ein Autor aus dem Trecento wie Boccaccio noch nichts ahnen konnte Souverän bewegt sich Meter in den einzelnen Abhandlungen zwischen italienischer und französischer Novellistik hin und her Der Zufall (? ) hat es gefügt, dass ebenso viele italienische wie französische Autoren vertreten sind Neben Boccaccio, Masuccio, Bandello und Ariost auf der einen Seite begegnen der anonyme Verfasser der Chastelaine de Vergi, Marguerite de Navarre, Brantôme und La Fontaine auf der ande- Italienisch_84.indb 139 13.11.20 09: 38 14 0 Buchbesprechungen ren Eine frühe Arbeit Meters zur Ariost-Rezeption des spanischen Novellenautors Timoneda tritt ergänzend hinzu Im 16 Jahrhundert avanciert Italien aus französischer Sicht zu einem zweiten nachahmenswerten Kulturmodell neben der römischen Klassik Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich in der von Meter erforschten Novellistik einer Marguerite de Navarre oder eines Brantôme immer wieder der explizite Bezug auf die italienischen Pioniere der Renaissance findet Das bedeutet aber nicht, dass sich die genannten Autoren in ihrer geistigen Eigenständigkeit durch eine strikte Fixierung auf das entsprechende kulturelle Muster einengen ließen So kann Helmut Meter etwa in Kapitel 3 «Von der Renaissancenovelle zu Elementen einer scientia sexualis: Brantômes Dames galantes» Brantômes produktiven Umgang mit italienischen Vorbildern demonstrieren, denn diesem gelinge es, «anerkannte [italienische] Autoren für den eigenen Diskurs einzuspannen» (S 55) Marguerite de Navarre bezieht sich ebenfalls schon mit dem Titel ihres Sammelwerks Heptaméron explizit-implizit auf Boccaccios Decameron, den Leitstern des Novellengenres Aber dessen ungeachtet kann sie, wie sich in Kapitel 7 «Über das Versagen der Vernunft vor den Affekten» zeigt, mit ihren Erzählungen auf substantielle und konstruktive Weise in die erst im Cinquecento aufkommende Debatte um den freien Willen eingreifen In dem genannten Kapitel nutzt Meter die Novelle 23 aus dem Heptaméron zu einem Vergleich mit II, 24 aus der Sammlung Matteo Bandellos Eine direkte Gegenüberstellung von Marguerite und Bandello bietet sich insofern an, als beide etwa zur gleichen Zeit lebten Hinzu kommt, dass Bandello, bedingt durch biographische Umstände, seine Erzählungen in Marguerites Heimat verfasste, dem Südwesten Frankreichs In Kapitel 7 ist davon die Rede, dass im Hinblick auf anthropologische Fragestellungen Traktatliteratur und Lehrdialoge die «autoritativen Textsorten der Epoche [sc .: der Renaissance]» (S 108) gewesen seien Im Unterschied zu diesen Textsorten geht es in narrativen Texten, unabhängig davon, ob sie sich auf historisch belegte Protagonisten beziehen oder nicht, um einzelne Fälle, die in ihrer Gesamtheit ein mosaikartiges und natürlich unvollständiges Porträt der conditio humana liefern Die Einbettung der Novellen in einen integrierenden Rahmen bietet gleichwohl über das Instrument einer fiktiven Gesprächsbzw Diskussionsrunde, die das Erzählte kommentiert, die willkommene Möglichkeit, aus der konkreten Narration abstrakte anthropologische Schlussfolgerungen zu ziehen und in den Text einzufügen Vor diesem Hintergrund eröffnen die Widmungsbriefe des höfischen Dichters Bandello, die «Lettere dedicatorie», die all seinen Novellen vorangestellt sind, noch eine zusätzliche Perspektive auf weitere Abstrahierung der erzählten Geschichten Ihnen ist das Kapitel 6 gewidmet: «Le lettere dedicatorie delle novelle di Bandello: ragionamento moralistico e Italienisch_84.indb 140 13.11.20 09: 38 141 Buchbesprechungen disposizione ricettiva» Am Beispiel der genannten Schwellentexte kann Meter Bandellos souveränen Umgang mit der italienischen Prosa veranschaulichen, der es möglich macht, dass sich Erzählung und Kommentar wechselseitig durchdringen Matteo Bandello ist derjenige Autor, der in Meters Buch am häufigsten in den Blick rückt Für die Leitfrage, welche die Aufsatzsammlung zusammenhält, die Frage nämlich, wie Anthropologie erzählbar wird, ist die Beschäftigung mit seinen Novellen zweifellos aufschlussreich Interessanterweise geht es in allen Beiträgen zu Bandello in irgendeiner Weise um das Verhältnis zwischen Mann und Frau Die entsprechende Thematik bietet offenbar besonders viele Ansatzpunkte für die Charakterisierung der jeweils zugrundeliegenden Anthropologie Diesbezüglich heißt es etwa in Kapitel 8 «Imitazione e ideologia La Chastelaine de Vergi riscritta da Margherita di Navarra e da Bandello»: «L’antropologia bandelliana sottolinea le potenzialità della ‘natura’ umana secondo il pensiero rinascimentale Ma l’interpretazione che ne viene data accentua i suoi lati problematici Di fronte a un individualismo delle libere passioni, Bandello preferisce la moderazione degli affetti in vista di una onorevole vita cortigiana» (S 128) In den von Meter ausgewählten Novellen wird wieder einmal deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Eros die Deutung des jeweils gültigen Menschenbildes immer dann besonders befruchten kann, wenn das thematische Umfeld von Liebe und Sex an Machtfragen gekoppelt ist Das zeigt sich in Kapitel 9 «Gefährdete Hierarchien? Erotik jenseits von Standesgrenzen in den Novellen Matteo Bandellos» und in Kapitel 14 «Wie Frauen der Prozess gemacht wird Signifikante Rechtsfälle in Bandellos Novellistik» In dem letztgenannten Kapitel hätte sich ein erhellender Seitenblick auf Decameron VI, 7 angeboten: In der idealen Welt Boccaccios war es noch möglich, dass eine standhafte Frau allein mit ihrer Persönlichkeit (und natürlich auch mit ihrer geschickten Rhetorik! ) eine im lokalen Milieu der Stadt Prato verankerte misogyne Rechtstradition dauerhaft außer Kraft setzt Demgegenüber hätten Bandellos Figuren von einer solch humanen Lösung wohl noch nicht einmal träumen können, einmal ganz abgesehen davon, dass der Dichter dann eine Gelegenheit weniger gehabt hätte, seine barock blutrünstigen Fantasien narrativ zu entfalten In zwei Beiträgen erreicht das Buch den Rand des ihm vom Autor selbst gesteckten thematischen Rahmens: Aldo Busis Decameron-Adaptation, die den Gegenstand von Kapitel 4 «Boccaccio in modernem Gewand Aldo Busis Decamerone. Da un italiano all’altro» bildet, löst sich auf in einer «ahisto- Italienisch_84.indb 141 13.11.20 09: 38 142 Buchbesprechungen rischen Anthropologie», wie Helmut Meter in dem resümierenden Schlussabschnitt schreibt (S 72) Und in Bezug auf Kapitel 11 «‘Immediatezza’ e ‘naturalità’ nel Novellino di Masuccio Salernitano: la misoginia come esempio» stellt der Rezensent die skeptische Frage, ob man Masuccios ins Krankhafte übersteigerten misogynen Ansatz wirklich mit dem wissenschaftstheoretischen Ehrentitel ‘anthropologisch’ auszeichnen sollte Einen ins Soziale gewendeten Begriff von Anthropologie verfolgt Meter in «Die ritualisierte beffa Boccaccios Calandrino-Novellen», dem ersten von den drei Kapiteln des Bandes, die dem Decameron gewidmet sind Die Originalität des Beitrags besteht darin, dass hier einmal nicht der törichte Held Calandrino selbst im Mittelpunkt steht, sondern die Stadtgesellschaft, die sich auf seine Kosten belustigt Meter deutet die Calandrino-Novellen als Ausdruck einer sozial integrativen Lachkultur: Das gemeinsame Lachen über die unerschütterliche Dummheit Calandrinos schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Angehörigen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, die anders wohl nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen wären Die narratologische Pointe dabei ist, dass die im Plot der Novelle auftretenden Figuren, also die Maler Bruno und Buffalmaco sowie ihre jeweiligen Helfershelfer, ebenso zu dieser Lachgemeinschaft gehören wie die jeunesse dorée der brigata, wobei die jungen Frauen und Männer einander in ihren Rollen als Erzähler und als Zuhörer ablösen Zweck des Ganzen ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der «festa e buon tempo» (S 83) gedeihen Es geht dabei also um ein menschliches Grundbedürfnis, das anthropologisch unspezifisch bleibt, das aber natürlich in der aktuellen Erzählsituation des Decameron vor dem Hintergrund des Pestgeschehens in Florenz die ganz konkrete Funktion als Instrument einer überlebenswichtigen emotionalen Entlastung hat Das zweite Decameron-Kapitel der Sammlung trägt den Titel «Il denaro e la Fortuna nel Decameron Su alcune novelle della seconda giornata» Schon im hellenistischen Roman, aus dem Boccaccio ein umfangreiches Motivinventar für seine Novellen schöpft, hatte die Göttin Fortuna eine entscheidende Rolle für die darin erzählten - jeweils unverhofft eintretenden und dann zumeist glücklichen - Schicksalswendungen gespielt Im Unterschied dazu ist das Geld, wie Meter auf der Basis einer substantiellen Forschungstradition glaubhaft machen kann, ein durch und durch mittelalterlicher Akteur Diesbezüglich scheint von den ausgewählten Novellen des zweiten Erzähltages II, 3 besonders ergiebig zu sein Denn in II, 2 und in II, 9 ist das Geld ein randständiges Motiv, und die aus dem Meer gefischte Schatzkiste in II, 4 bzw der Ring des Kardinals in II, 5 könnten auch in einer antiken Erzählung als handlungswendender inhaltlicher Faktor fungieren In II, 3 hingegen erscheint das Geld tatsächlich im modernen Sinn als wichtige Italienisch_84.indb 142 13.11.20 09: 38 14 3 Buchbesprechungen Komponente eines die Lebenshaltungskosten sichernden Vermögens: Ein sorgfältiger Handlungsbevollmächtigter namens Alessandro verwaltet den ihm von seiner Florentiner Familie anvertrauten Immobilienbesitz in England so umsichtig und geschickt, dass er eine angemessene Rendite erzielt, die er dann für eine Art Dividendenzahlung an seine lebenslustigen Verwandten in Florenz verwendet Hier wird tatsächlich ein anschauliches Bild vom geographisch ausgreifenden Geldverkehr entworfen, das in einer antiken Dichtung so nicht vorstellbar wäre Aber auch diese Novelle endet damit, dass die durch eine Laune Fortunas plötzlich auftretende Armut erst durch die Intervention einer Dea ex machina abgewendet werden kann: der nach einem Komplott vertriebenen englischen Königin, die auf ihrer Flucht aus England zum Papst in Rom den tüchtigen Immobilienverwalter Alessandro kennen lernt und nach kurzer Zeit ehelicht Damit sind, so gibt die Erzählerin Pampinea zu verstehen, alle finanziellen Probleme der Familie auf Dauer gelöst Hier gibt also, ebenso wie auch in II, 4 und II, 9, eine Figur den entscheidenden Ausschlag, die dem System der Geldzirkulation per se entrückt ist Den herausragenden Höhepunkt des Buches bildet das dritte Kapitel zu Boccaccios Dichtung: «Verso la nascita dell’individuo moderno Simulazione e dissimulazione nel Decameron» Nachdem Meter die kritische Haltung maßgeblicher Autoritäten der römischen Klassik und des Christentums zum Verhaltenskomplex simulatio/ dissimulatio konzise herausgearbeitet hat, interpretiert er einige Novellen aus dem Decameron als Zeugnis dafür, dass Boccaccio sich anschickt, mit einer strengen moralischen Fixierung auf das Gebot «Du sollst nicht lügen» zu brechen Sehr überzeugend ist in diesem Zusammenhang seine Deutung von II, 9, wo er eine «graduatoria» (S 203) verschiedener Varianten von simulatio/ dissimulatio beobachtet: Der verleumderischen Lüge des Bösewichts Ambrogiuolo, welche den unseligen Handlungsgang initiiert, stellt er als positives Pendant die planvoll umsichtige Reaktion der unschuldigen Heldin Zinevra gegenüber Diese nimmt nach ihrer Verstoßung durch den Ehemann zum Schein eine männliche Identität an und macht aufgrund ihrer Tüchtigkeit am Hofe des Sultans in Alessandria Karriere als Minister Damit sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass am Ende alles gut ausgehen kann Als moralisch indifferente Zwischenstufe erscheint die uneingestandene Befehlsverweigerung eines Dieners, der es nach Zinevras Verleumdung durch Ambrogiuolo geschickt vermieden hatte, den Befehl seines Brotherren zu befolgen und Zinevra zu töten Besonders überzeugend ist hier Meters Beweisführung dafür, dass Boccaccio den Komplex simulatio/ dissimulatio nicht mit einem Rekurs auf philosophische Positionen in ein positives Licht rückt, sondern dadurch, dass er sich implizit auf die «autorità dello stesso mezzo letterario» (S 209) beruft Italienisch_84.indb 143 13.11.20 09: 38 14 4 Buchbesprechungen Im weiteren Verlauf liefert der Autor noch einen Ausblick aufs Cinquecento und aufs Seicento, wo die ganze Problematik dann im höfischen Umfeld bei Castiglione (Il Cortegiano) und bei Torquato Accetto (Della dissimulazione onesta) neu gefasst wird Im Kapitel «Verso la nascita dell’individuo moderno Simulazione e dissimulazione nel Decameron» verbinden sich große Gelehrsamkeit und ein hochsensibler interpretatorischer Spürsinn Peter Ihring Maria Lieber/ Daniela Gianaroli (Hrsg.): Carteggi con Lazzari … Luzán, Firenze: Leo S. Olschki 2020 (Edizione Nazionale del Carteggio di L. A. Muratori Vol. 25), 508 Seiten, € 100,00 Das Centro di studi muratoriani, seit 1952 angesiedelt am Sterbeort von Lodovico Antonio Muratori (1672-1750) in Modena, gibt seit einigen Jahren in loser Reihenfolge den gesamten Briefwechsel des großen Protagonisten der italienischen Frühaufklärung heraus Dafür sind seit dem Jahr 1967, als das Projekt begonnen wurde, 46 Einzelbände und als Gliederungsprinzip die alphabetische Reihenfolge der Briefpartner vorgesehen Seit 1975 sind nunmehr 22 Bände bei Leo S Olschki in Florenz erschienen, wobei es sich um die Bände 1-4, 6-7, 10-11, 14, 16, 19-20, 25-26, 28, 32, 35, 40, 42, 44-46 handelt Eine Publikation aus dem Jahr 2008 (Federica Missere Fontana/ Roberta Turricchia (Hrsg .): Carteggio muratoriano: corrispondenti e bibliografia, coordinamento e introduzione di Fabio Marri, Bologna: Compositori 2008) informiert zudem über die Korrespondenten und liefert neben dem Register zur Reihe umfangreiche bibliographische Angaben zur älteren Muratori-Forschung Ein Ergänzungsband hierzu und der Band 8 sollen ebenfalls noch 2020 erscheinen In den mehr als 45 Jahren haben sich zahlreiche renommierte italienische Forscherinnen und Forscher für das Projekt engagiert, darunter u .a Matteo Al Kalak, Daniela Gianaroli, Fabio Marri, Barbara Papazzoni und Corrado Viola Mit dem 2020 erschienenen Band 25 ist nun erstmals mit der Dresdner Romanistin Maria Lieber, Direktorin des dortigen Italien-Zentrums, auch eine deutsche Wissenschaftlerin als Herausgeberin in Erscheinung getreten In Zusammenarbeit mit Daniela Gianaroli (Centro di Studi DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 0 31 Italienisch_84.indb 144 13.11.20 09: 38 14 5 Buchbesprechungen muratoriani, Modena) und unter Mitarbeit von Josephine Klingebeil und Chiara Maria Pedron (beide Technische Universität Dresden) sowie dank der Transkription zahlreicher Dresdner Studierender (u .a im Rahmen von Gastprofessuren von Massimo Zaggia von der Universität Bergamo, Adriana Paolini von der Universität Trento und Franco Pierno von der Universität Toronto) vereinen die 508 Seiten die Carteggi con Lazzari … Luzàn, wobei unter den hierin enthaltenen insgesamt 49 Korrespondenzen Briefpartner wie Liechtenstein, Lolli, Loredan, Lotti, Lucchesini, Lupi oder Lusignani auftauchen. Zu allen Korrespondenzautoren gibt es ausführliche Informationen zu Leben und Werk, inklusive der einschlägigen Forschungsliteratur, wobei der Fokus immer auf die Beziehung zu Lodovico Muratori und auf den Inhalten der Briefe liegt Der jetzt vorliegende Band zeigt eindrucksvoll, wie es zu der umfangreichen Korrespondenz Lodovico Muratoris gekommen ist Die intensiven Quellenstudien, mit denen er in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Bibliothekar für den Herzog von Modena bis heute Impulse für die Geschichtswissenschaft wie die Sprachgeschichte liefert, sowie seine eigene Absicht, einen italienischen Literatenbund ins Leben zu rufen, führten zu einer Schriftensammlung von bemerkenswertem Umfang Augenfällig wird das gerade im Band 25, der den besonders komplexen Briefwechsel mit Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) beinhaltet Aufgrund seines Umfangs und der inhaltlichen Dimension titulieren die Herausgeberinnen die Korrespondenz Muratori-Leibniz nicht zu Unrecht als «la sfida più grande» («Premessa», S 5) Aber auch andere interessante Briefpartner sind im vorliegenden Band aufgenommen: Anfragen epigraphischer Natur richtete Michele Lazzari an Muratori; auf der Suche nach kritischen Textausgaben seiner Werke sowie nach Bibeleditionen wandten sich Domenico Lazzarini, Arcangiolo Leanti und Guillaume Léziart du Terre an ihn Poetologische Aspekte wurden vor allem mit Francesco Lemene aus Lodi, mit der Genueserin Maria Elena Lusignani und mit dem spanischen Dichter Ignazio de Luzán diskutiert, philologische Fragen erörterte Muratori in seinem Briefwechsel mit Vincenzo Leonio, in Religionsfragen kontaktierte ihn vor allem Giuseppe Livizzani aufgrund des Häresieverdachts, unter den einige seiner Bücher in Rom geraten waren Mit 121 Briefen ist es die umfangreichste Korrespondenz des ganzen Carteggio Celestino Lorefici besorgte ihm Informationen zu seinen Werken aus mehreren norditalienischen Klosterbibliotheken Neben Leibniz fällt ein weiterer deutscher Briefwechsel besonders ins Auge, nämlich der mit Christian Sigismund Liebe (1687-1736), der sich am 5 Dezember 1731 an Muratori mit der Bitte um Auskünfte für eine Biographie des Kaisers Rudolf von Habsburg wandte, wobei Johann August, Prinz von Sachsen-Gotha-Altenburg, als Vermittler fungierte Italienisch_84.indb 145 13.11.20 09: 38 14 6 Buchbesprechungen Im Vorfeld der schließlich 1717 und 1740 in zwei Bänden in Modena veröffentlichten Genealogie der Este, der Antichità estensi ed italiane, hatte Muratori Kontakt mit Leibniz, seines Zeichens damals Archivar am Hof von Hannover, Verwandten der Familie Este, aufgenommen und ihm seine Ausführungen über die Hannoveraner zur Begutachtung zugeschickt Dabei ging es auch um den politischen Streit um Comacchio, auf das beide, vermeintlich in verwandtschaftlichen Verhältnissen stehenden Herrscherhäuser ihre älteren Anrechte sichern wollten Die auf mehr als 120 Seiten abgedruckte Korrespondenz (S 42-163) nimmt also ihren Ausgang aus einem offiziellen institutionellen Kontext, wächst sich aber zu einem Briefwechsel zweier umfassend interessierter Aufklärer aus Während von Leibniz, der auch in der vorliegenden Publikation als uomo universale tituliert wird, mehr als 20 .000 Briefe vorliegen (eine Herausgabe erfolgt sukzessive seit 1923 durch die Akademie der Wissenschaften), die er mit mehr als 1 .000 Korrespondenzpartnern ausgetauscht hatte (u .a Huygens, Pufendorf, Hobbes, Spinoza) und die mittlerweile seit 2007 zum UNESCO- Weltdokumentenerbe erklärt wurden, erfahren wir in diesen Briefen jedoch von seiner Tätigkeit am kurfürstlichen Hof von Hannover gar nicht viel, nur vielleicht durch Johann Friedrich Hodann Die Briefe an Muratori nehmen daher diesbezüglich eine wichtige Rolle ein, hatten sich die beiden Gelehrten doch v .a zu genealogischen Fragen (der Häuser Braunschweig-Lüneburg bzw Este), zur aktuellen Politik (zu Comacchio und Ferrara) und zu Problemen der Quellenkunde, also hinsichtlich ihrer spezifischen Tätigkeit im Archiv- und Bibliothekswesen, ausgetauscht Leibniz hielt sich zur Zeit der Korrespondenz, zwischen 1708 und 1716, also kurz bis vor seinem Tod, in Hannover und Berlin auf und äußert sich in den Briefen an Muratori verhältnismäßig ausführlich zu seiner Tätigkeit am Hofe des Kurfürsten Persönlich begegnet sind sich Leibniz und Muratori jedoch wohl nie, auch wenn sie sich am Ende als «amico stimatissimo» betitelten Die Initiative zum tatsächlichen schriftlichen Austausch ging anscheinend von Muratori aus, der ursprüngliche Anstoß muss aber wohl, vermittelt über einen Botschafter, von Leibniz gekommen sein, der just 1709 von einem Werk mit dem Titel Vindiciae Estenses (Brief vom 16 .2 .1709 aus Berlin) spricht, welches das Ergebnis des gemeinsamen Austausches sein könnte Die (40) Briefe von Leibniz sind allesamt auf Französisch, die (38) von Muratori ausschließlich in Italienisch verfasst, abgesehen von einigen lateinischen Werkanhängen Kein Korrespondenzpartner aus dem Ausland hat schließlich so viele Briefe mit Muratori gewechselt wie Leibniz, womit dieser Briefwechsel, der bereits 1892 von Matteo Campori herausgegeben wurde (Corrispondenza tra L.A. Muratori e G.G. Leibniz, Modena 1892), zweifelsohne eine Sonderstellung einnimmt . Italienisch_84.indb 146 13.11.20 09: 38 147 Buchbesprechungen Inhaltlich gesehen ist der Briefwechsel auch für den Außenstehenden ein hochinteressantes Beispiel für einen kulturellen Austausch der besonderen Art: Leibniz wollte die vorgesehene Publikation zum gemeinsamen Ursprung der Häuser Braunschweig-Lüneburg und Este hinauszögern, weil er sich über vertiefte Recherchen in den Archiven weitere Klärung erhoffte Seine Veröffentlichung erfolgte erst viel später postum Muratori jedoch überstürzte die Veröffentlichung seines Teils (1717), weil er befürchtete, dass Leibniz von seiner Arbeit in den Archiven profitieren wolle In der Tat beschuldigte der Modeneser sogar einen Mitarbeiter von Leibniz, Originaldokumente aus dem Archiv von Vangadizza gestohlen zu haben Das Besondere an diesem deutsch-italienischen Projekt liegt aber in der Verbindung aus philologisch konziser Manuskriptforschung und einer kulturgeschichtlichen Aufarbeitung der veröffentlichten Quellentexte, die nicht nur der Muratori-Forschung zugutekommen Ohne die Pionierleistungen der Editionen des 19 und 20 Jahrhunderts zu schmälern, gelingt es der Publikation auch durch die grafisch einladende Gestaltung doch, neue Lust an der Beschäftigung mit diesen Briefen zu wecken . Christoph Oliver Mayer Italienisch_84.indb 147 13.11.20 09: 38 14 8 Stauffenburg Verlag GmbH Postfach 25 25 D-72015 Tübingen www.stauffenburg.de Folgen Sie uns jetzt auf unserem „druckfrischen“ Instagram-Account! @ stauffenburgverlag ZIBALDONE Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart Herausgegeben von Thomas Bremer und Daniel Winkler Italien für zu Hause! Na, ein bisschen Urlaubsstimmung gefällig? Auch wer sich zur Zeit entscheidet, den Urlaub lieber zu Hause zu verbringen, kann sich ein wenig Italien in die eigene Wohnung holen: Unsere Zeitschrift ZIBALDONE bietet immer wieder schöne Themenhefte zu verschiedenen italienischen Regionen. Jetzt reinschnuppern und Hefte aussuchen auf www.stauffenburg.de Italienisch_84.indb 148 13.11.20 09: 38 14 9 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 0 32 Kurzrezensionen Gianluca Cinelli: Il paese dimenticato. Nuto Revelli e la crisi dell’Italia contadina, Milano: Franco Angeli 2020, 132 pagine, pp. 138, € 18,00 Nuto Revelli è stato riconosciuto come uno dei maggiori testimoni della seconda guerra mondiale in Italia fin dalla comparsa dei suoi primi libri sulla ritirata di Russia (Mai tardi. Diario di un alpino in Russia, 1946 e 1967) e sulla Resistenza nel Cuneese (La guerra dei poveri, 1962) I critici e gli storici hanno poi riconosciuto negli anni Settanta e Ottanta il grande valore scientifico dei suoi lavori di storia orale, con i quali ha testimoniato gli effetti della seconda guerra mondiale e dell’industrializzazione sulla campagna povera Questo libro ripercorre le tappe del lungo lavoro di ricerca che vide Nuto Revelli impegnato in un fitto dialogo con il mondo della campagna povera dagli anni Sessanta agli anni Ottanta del secolo scorso Ognuna di queste tappe coincide con uno dei primi cinque capitoli del volume, dalla ‘grande delusione’ della restaurazione del 1945-1948, fino alla ‘ricerca nella ricerca’ rappresentata negli anni 1977-1985 dal lavoro di raccolta di storie orali di donne contadine Seguono poi due capitoli dedicati rispettivamente alla discussione del metodo e all’evoluzione del pensiero di Revelli negli ultimi anni della sua vita, con molte osservazioni sulla battaglia contro l’ignoranza Il tema centrale del libro è l’incontro tra lo scrittore e il mondo della campagna povera, la quale affrontò negli anni 1954-1975 la sua crisi più importante Il rapido sviluppo industriale, sostenuto dalle scelte della dirigenza politica nazionale, aveva messo in grave difficoltà la popolazione della campagna povera, già duramente colpita dalla guerra, e ancora legata a un’economia di autoconsumo inadeguata al nuovo mercato capitalistico Revelli condusse per anni le sue ricerche nella campagna povera, cercando di comprenderne il dissesto e l’affanno di fronte al rapido sviluppo industriale Con forte sentimento etico criticò le scelte della politica economica nazionale che, mirando a trasformare l’agricoltura in un comparto economico capitalistico, sacrificava le aree più deboli, definendole ‘irrecuperabili’ Senza schierarsi su posizioni conservative o nostalgiche, Revelli riconobbe la necessità di modernizzare l’agricoltura italiana, ma denunciò il modo in cui ciò veniva fatto, con scelte crudeli che sacrificavano i deboli e gli anziani, incapaci di tenere il passo delle trasformazioni sociali Italienisch_84.indb 149 13.11.20 09: 38 150 Kurzrezensionen Per la prima volta, in questo libro la posizione critica di Revelli viene messa a confronto con quella degli altri protagonisti di quel dibattito, dai tecnici (Ardigò, Barberis, Cavazzani, Rossi-Doria e altri) agli ‘intellettuali’ che parlavano della crisi della campagna e della montagna sui giornali (Pasolini, Parise, Rigoni Stern e altri) Gianluca Cinelli sostiene che alla radice del lungo lavoro di ricerca che Revelli svolse sulla campagna povera si collocava il rapporto di collaborazione intellettuale e di amicizia che lo scrittore aveva costruito fin dagli anni della Resistenza con alcuni esponenti del Partito d’Azione L’incontro con la cultura giellista (nel 1943-1945) aveva segnato una svolta perché nel programma politico del Partito d’Azione il giovane partigiano aveva trovato un progetto etico che poneva la responsabilità individuale al centro della riforma democratica della società La forte carica etica che Revelli riversò nella lotta partigiana si trasformò, dopo la guerra, in nuove forme di impegno, dapprima politico e poi gradualmente intellettuale Il protagonista di questo libro è il Revelli polemista e tenace assertore di un’idea di società democratica, animato da un sentimento etico di reazione all’ingiustizia e all’ignoranza Quest’ultima, in particolare, è proposta come il vero bersaglio polemico dello scrittore attraverso tutta la sua opera: l’ignoranza indotta dal potere come mezzo di coercizione e di controllo, la stessa da cui lui aveva dovuto faticosamente uscire da giovane, attraverso la prova della guerra e della resistenza armata In questo libro vengono inoltre esplorati alcuni aspetti inediti e collaterali del lavoro di Revelli nella campagna povera, come i viaggi in Irpinia e in Calabria nei primi anni Ottanta e la collaborazione con la Rai alla fine degli anni Settanta per la realizzazione (poi mai avvenuta) di un documentario sul Mondo dei vinti Il volume è breve e agile, destinato a un pubblico ampio ma ricco di spunti di ricerca e approfondimento preziosi per gli studiosi di storia e cultura italiana contemporanea, storia dell’agricoltura, storia del Partito d’Azione e dei suoi protagonisti L’inserimento di un’appendice di testi inediti (lettere scambiate soprattutto con esponenti della cultura giellista) completa infine l’opera, rendendola innovativa nel quadro degli studi su Nuto Revelli e rivelatrice di aspetti forse poco conosciuti della fitta rete che questo scrittore intessé negli anni con altri esponenti della cultura azionista e giellista Con questo libro Gianluca Cinelli mostra il chiaro intento di attualizzare la figura di Nuto Revelli e di interrogarsi sull’importanza della sua eredità oggi, in tempi in cui il problema delle minoranze sacrificate in nome degli interessi dominanti di gruppi egemoni o di maggioranze consenzienti torna ad essere urgente Patrizia Piredda Italienisch_84.indb 150 13.11.20 09: 38 151 Kurzrezensionen Paolo di Paolo: Fast nur eine Liebesgeschichte. Aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt, Freiburg: nonsolo-Verlag 2019, 197 Seiten, € 19,90 Eine mutige Entscheidung ist anzuzeigen, in Zeiten der Unsicherheit des globalen Buchmarkts und der Bedrohung durch eine dramatische Erosion des Leseverhaltens, die Gründung eines Verlags für Literatur, und dann auch noch mit einem Schwerpunkt auf jungen Stimmen aus Italien . 1 Das Programm des nonsolo-Verlages in Freiburg, den Verlegerin Alessandra Ballesi- Hansen mit einem Team aus RedakteurInnen, ÜbersetzerInnen und Grafiker- Innen 2017 aus der Taufe gehoben hat, ist noch schmal Ballesi-Hansen ist davon überzeugt, dass es für die Literatur, die sie verlegt, ein Publikum gibt, ein Publikum, das an einer Literatur abseits des Bekannten interessiert ist, das neue Talente entdecken will, vor allem junge AutorInnen, die noch nicht ‘berühmt’ sind, aber eben ‘nicht nur’ solche - daher der Verlagsname Großer Idealismus, Gespür für literarische Qualität und Sensibilität für die Themen unserer Zeit zeichnen die Auswahl des nonsolo-Verlags aus: Im September 2018 ist als erster Titel die Anthologie Spiegelungen. Zehn neue literarische Stimmen aus Italien/ Vite allo specchio. Dieci nuovi protagonisti della scena letteraria italiana erschienen, 2 es folgte im Herbst 2019 der Roman Hummerjahre von Nicola H Cosentino (die italienische Originalfassung wurde mit dem Premio Brancati Sezione giovani 2018 ausgezeichnet) . 3 Die neueste Publikation ist eine Sammlung von Texten von Igiaba Scego mit dem Titel Dismatria . 4 In diesem Frühjahr ist der Roman Fast nur eine Liebesgeschichte des für sein Werk vielfach ausgezeichneten 1983 in Rom geborenen Autors Paolo di Paolo auf Deutsch im nonsolo-Verlag erschienen . 5 Der Roman erzählt den 1 Ein Interview mit der Verlegerin ist hier zu hören: https: / / nonsoloverlag .de/ swr2journal-am-mittag-astrid-tauch-interviewt-alessandra-ballesi-hansen/ ? v=3a52f3c22ed6 (12 .10 .2020) 2 Der Band ist zweisprachig Texte von Paolo di Paolo, Simone Giorgi, Gabriella Kuruvilla, Gaia Manzini, Ludovica Medaglia, Demetria Paolin, Anna Pavignano, Igiaba Scego, Simona Sparaco, Nadia Terranova - acht Autorinnen und zwei Autoren, aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt, Ragni Maria Gschwend, Ruth Mader-Koltay, Stefanie Römer 3 Nicola H Cosentino, Hummerjahre Übersetzt von Ruth Mader-Koltay, Freiburg: nonsolo Verlag 2019 (Original: Vita e morte delle aragoste, Roma: Voland 2017) 4 Igiaba Scego, Dismatria und weitere Texte Übersetzt von Ruth Mader-Koltay, mit einem Vorwort von Martha Kleinhans, Freiburg: nonsolo Verlag 2020 5 Das Original erschien mit dem Titel Una storia quasi solo d’amore 2016 bei Feltrinelli in Mailand Zuletzt wurde Di Paolos neuester Roman Lontano dagli occhi-(Milano: Feltrinelli 2019) mit dem Premio Viareggio-Rèpaci geehrt DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 0 3 3 Italienisch_84.indb 151 13.11.20 09: 38 152 Kurzrezensionen Beginn der Beziehung zweier sehr unterschiedlicher Menschen Eine Liebesgeschichte zu schreiben, ist ein schwieriges Unterfangen: Man muss den richtigen Ton treffen, dem Trivialen, dem Banalen und dem déjà-vu entgehen Das scheint Paolo di Paolo gelungen zu sein: Was sich zwischen Nino, einem 23-jährigen Schauspieler mit Hang zur Stand-Up-Comedy, und Teresa, einer ernsthaften und etwas braven 30-jährigen Reisekauffrau, entspinnt, vermag zu fesseln Dies liegt vor allem an einer originellen Erzählperspektive, indem die Figur der Grazia, Leiterin einer Schauspielschule und Tante von Teresa, die Geschichte in einer Art Mischung aus allwissender und personaler Haltung erzählt - oder eben rezitiert . 6 Sie hat Nino engagiert, um in Rom einen Schauspielkurs für Senioren zu leiten, und so begegnen sich Nino und Teresa, die bei ihrer Tante wohnt und diese hin und wieder chauffiert Die szenisch wirkende Erzählhaltung ergibt eine erzählerische Spannung, die Raum lässt, da sich immer wieder Leerstellen in der Erzählung ergeben und die Perspektive häufig wechselt Grazias Beziehung zu Nino ist professionell, während zu Teresa, ihrer Nichte, seit ihrer Geburt eine besondere Bindung besteht: «Teresa hatte mir durch ihre Geburt Ende November 1983 eine völlig neue Rolle zugewiesen - und zwar die wichtigste im Laufe einer langen Karriere als Frau und Schauspielerin: ‘Tante, bestimmte Dinge kann ich nur dir anvertrauen ’ - ‘Tantchen, komm lass uns shoppen gehen, nur wir zwei beide ’ - ‘Tante, hol mich ab’ (mitten in der Nacht, vor einer Diskothek) .» (S 18) Fast nur eine Liebesgeschichte ist auch die Geschichte von Teresa und Grazia, von Nichte und Tante, und die Geschichte der Krankheit von Grazia Drei Abschnitte bilden die Erzählung, die man auch als Akte eines Theaterstücks lesen könnte, und die nicht durch Überschriften, sondern jeweils durch ein literarisches Zitat unterbrochen werden Diese stehen für die Themen des Romans: «In jede Kindheit ragten damals noch die Tanten . . Wie Feen, die ein ganzes Tal durchwirken, ohne noch je darein hinabzusteigen« (S 5) aus Walter Benjamins «Berliner Kindheit um Neunzehnhundert», die die Position der Figur der Grazia für Teresas Leben und für die Beziehung von Teresa und Nino kennzeichnet; «er uns seinesgleichen schlittern/ auf der langen Bahn hinunter/ frei wie die gottverdammten Vögel» (Philip Larkin, S 121) eröffnet den attacca beginnenden Dialog (eine interpolierte Theaterszene) und apostrophiert die Liebesgeschichte; «Und alles, auch die knospen- 6 «un monologo in cui un solo interprete affronta tante parti, come se gli attori si moltiplicassero sulla scena» heißt es in einer Rezension von Alma Gattinoni und Giorgio Marchini in L’Indice del mese (Juni 2016), lindiceonline .com (12 .10 .2020) Italienisch_84.indb 152 13.11.20 09: 38 153 Kurzrezensionen den Blätter,/ auch die heranwachsenden Kinder,/ alles hat irgendwann keine Zukunft mehr» (Giovanni Raboni) markiert den Beginn des letzten und kürzesten Teils, der Krankheit und Tod von Grazia beschreibt (S 177) Mit diesen und anderen literarischen Gewährsleuten stellt sich der junge Autor in eine Tradition, der er auch selbst gerecht wird: die häufig wechselnde Erzählperspektive, stilistischer Variantenreichtum, die Fähigkeit, Charaktere zu zeichnen, die ambivalent bleiben und beim Leser Interesse wecken, und nicht zuletzt ein literarischer Ton, der fern aller Selbstbespiegelung und Sentimentalität Gefühle, Wünsche, Ängste der Figuren vermittelt, die generationenübergreifend und abseits von Klischees wahrhaftig bleiben: «Als er nach Hause kam, dachte er an Teresa Er hätte gern gewusst, wo sie gewesen war und mit wem Er versuchte, sie sich vorzustellen, lag aber weit daneben: nein, keine Party und nein, kein Minirock Sie trug einen weißen Pulli, eine dunkle Jeans und Pferdeschwanz Sie war bei ihren Eltern in Terracina und fühlte sich fast so wie mit dreizehn Damals hatte sie beim Zubettgehen - draußen in der Nacht war immer noch der eine oder andere Böller zu hören - eine seltsame Freude empfunden: über die saubere Bettwäsche, den noch unberührten Kalender an der Wand, hinzu kam die Überzeugung, dass mit dem neuen Jahr wirklich eine neue Zeit anbrechen würde Dasselbe empfand sie auch an diesem Abend, mit derselben Intensität, aber mit mehr Sehnsucht, mit etwas mehr Wut: Denn ja, ein Neuanfang wäre wirklich schön, ein Neustart, morgen in eine Welt einzutreten, die das Schlimmste, ja einfach alles hinter sich gelassen hat - in eine heile Welt ohne den ganzen Mist, ohne Schattenseiten Als Kind stellte sie sich Riesenhydranten auf dem Dach der Welt vor, mit ihnen wären die Straßen, Plätze und Bürgersteige in einer halben Stunde auf Hochglanz gebracht » (S 82-83) Es weckt Interesse, wie Ninos Begegnung mit Teresa bei ihm die üblichen Muster der Annäherung (oder Verführung) ausschaltet und er sich für die etwas Unnahbare und Ältere zu interessieren beginnt, wie Teresa sich um ihre Tante kümmert, wie Grazia die beiden - gewissermaßen aus dem Off, nach ihrem Tod, oder wie jemand im Publikum - wohlwollend beobachtet, das Ende bleibt offen Das Theater als Folie, vor dem diese Figuren agieren, erhält letztlich den ersten Platz in diesem Roman als Instrument des Erkenntnisgewinns für die Figuren, die, frei nach Shakespeare, Akteur und Publikum sind: Italienisch_84.indb 153 13.11.20 09: 38 15 4 Kurzrezensionen «Dieses Scheißpublikum hält uns am Leben, lässt uns wirklich leben Es verleiht jeder unserer Bewegungen auf dieser Erde ein Gewicht, eine Bedeutung Kann sein, dass man es gütig stimmt, aber wenn, dann nur kurz, man sollte sich also nicht darauf verlassen Es ist wankelmütig, unvorhersehbar, immer kritisch, fast nie großzügig, aber eben notwendig Wir alle bieten den anderen ein Schauspiel .» (S 64) Caroline Lüderssen Italienisch_84.indb 154 13.11.20 09: 38 155 DOI 10. 23 57/ Ital-2020 - 0 0 3 4 Mitteilungen Premio Cesare Pavese für Elton Prifti und Wolfgang Schweickard Mit dem Premio Cesare Pavese 2020 im Bereich «Saggistica» wurden im Oktober 2020 Prof .Dr Elton Prifti (Universität Wien) und Prof .Dr Wolfgang Schweickard (Universität des Saarlandes) geehrt Die Jury zeichnete die beiden Wissenschaftler für das Gemeinschaftsprojekt Lessico etimologico italiano (LEI) aus, das Prof .Dr Max Pfister (1932 − 2017) 1979 an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur an der Universität Mainz aus der Taufe gehoben und bis zu seinem Tod betreut hat Das LEI ist das erste etymologische Grundlagenwörterbuch, das systematisch die italienische Schriftsprache und die italienischen Dialekte mitberücksichtigt Band XV ist soeben erschienen (https: / / reichert-verlag .de/ buchreihen/ sprachwissenschaft_ reihen/ sprachwissenschaft_lessico_etimologico_italiano) Die Jury begründete ihre Wahl mit dem Hinweis auf das «enorme impegno, proiettato su tempi lunghi, a cui hanno posto mano decine di collaboratori, molti dei quali italiani L’opera è destinata a durare nei secoli Desta ammirazione per la sua mole, per la ricchezza enorme dei dati raccolti, per l’originalità dell’impostazione, che abbraccia la lingua letteraria antica e moderna, ma anche la lingua pratica dell’uso e la ricchezza dei dialetti italiani .» Herzlichen Glückwunsch! (Red .) Nachwuchspreis des Deutschen Italianistenverbandes Der Deutsche Italianistenverband − Fachverband Italienisch in Wissenschaft und Unterricht e .V zeichnet anlässlich des alle zwei Jahre stattfindenden Italianistentages herausragende Qualifikationsarbeiten der Italianistik aus Wenngleich der Italianistentag 2020 und damit auch die Preisverleihung aufgrund der Corona-Pandemie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden mussten, wurden folgende Arbeiten prämiert: Dr Cora Rok (Universität Bonn): «Formen der Entfremdung in ausgewählten italienischen Arbeitsnarrativen des 21 Jahrhunderts»; Dr Gesine Seymer (TU Dresden): «Fremdwortpurismus und Sprachwandel Die italienische Sportsprache im Spiegel der Turiner Tageszeitung-La Stampa- von 1920 bis 1970»; Priv .-Doz Dr Karl Philip Ellerbrock: «Die Poetik des Ungesagten in Dantes Commedia» Gratulation! (Red .) Italienisch_84.indb 155 13.11.20 09: 38 156 Mitteilungen Premio ENIT 2020 Das Frankfurter Büro der italienischen Tourismuszentrale ENIT hat auch dieses Jahr den Premio ENIT an Autor*innen verliehen, die das Reiseland Italien in ihren deutschsprachigen Veröffentlichungen auf besondere Weise dargestellt haben Im Wettbewerb für den 26 Premio ENIT, unter der Schirmherrschaft der italienischen Botschaft in Berlin, wurden in diesem Jahr erstmalig Beiträge in sieben Kategorien ausgezeichnet Neben den bewährten Kategorien «Reiseführer Bildband», «Reisespecial Zeitschrift», «TV-Reisefilm», «Radio-Reisefeature» und «Travel Blog-Beitrag» wurden auch Preise in den Kategorien «Online Magazin» und «Bestes Foto» verliehen Ebenfalls neu ist ein Publikums-Voting für die Vorauswahl der zehn bzw fünf besten Einsendungen in den drei Online-Kategorien mit insgesamt 1 .229 Teilnehmern Die Preisverleihung fand am 14 Oktober 2020 in Frankfurt im Rahmen der Eröffnung der «digitalen Buchmesse» statt Die Preisträger*innen: − Kategorie Bester Reiseführer: Gabriela Timischl/ Reinhard M Czar, Friaul zum Mitnehmen, Wien/ Graz: Styria Verlag 2020 − Kategorie Bestes Reisespecial Zeitschrift: Annette Rübesamen, «Lässig durch die Toskana: Ein Italien-Roadmovie für Entdecker», GEO Saison 03/ 2020 − Kategorie Bester Reisefilm: Sven Rech & Team, Parma, da will ich hin, Saarländischer Rundfunk, 2020 − Kategorie Radio Reisefeature: Manfred E Schuchmann, Alles Essig. Aber vom Feinsten. Modena und sein berühmter Aceto Balsamico, BR 2, 2020 − Kategorie Travel Blog: Bärbel Klein,- Palermo, Sizilien, www .farbenfreundin .de (2019)- − Kategorie Bestes Foto: Sonia Monia Carol, Apulien, www .soniamoniacarol .com - − Kategorie Bester Artikel Online Magazin: Tim Schweiker, «Wintergenuss mitten im Weltnaturerbe», www .abenteuer-magazine .de - (2019)- Die Jury setzte sich zusammen aus: Andrea Esteban Samà, Italienischer Generalkonsul in Frankfurt; Alexander Ebel, Geschäftsleitung touristik aktuell; Corinna Schmitz, Geschäftsführerin Brandstorm; Claudia Wagner, Managing Director Fit Reisen; Ute Schellbach, Project Manager DER Touristik sowie Antonella Rossi, Leiterin ENIT Frankfurt, und Christine Frank, Kommunikation & Marketing Managerin ENIT Frankfurt (Red .) Italienisch_84.indb 156 13.11.20 09: 38 157 Mitteilungen Übersicht: Literaturpreise in Italien 2020 Premio Strega: Sandro Veronesi, Il colibrì, La nave di Teseo, 2019 Premio Campiello: Remo Rapino, Vita, morte e miracoli di Bonfiglio Liborio, Roma: Minimum Fax 2019 Premio Campiello Opera Prima: Veronica Galletta, Le isole di Norman, Trieste: Italo Svevo Casa Editrice/ Incursioni 2020 Premio Letterario Viareggio Rèpaci Narrativa: Paolo di Paolo, Lontano dagli occhi, Milano: Feltrinelli 2019 Premio Letterario Viareggio Rèpaci Poesia: Luciano Cecchinel, Da sponda a sponda, Osimo: Arcipelago itaca edizioni 2019 Premio Letterario Viareggio Rèpaci Saggistica: Giulio Ferroni, L’Italia di Dante. Viaggio nel paese della Commedia, La nave di Teseo 2020 Premio Flaiano Narrativa: Gabriele Pedullà, I biscotti della fortuna, Torino: Einaudi 2020 Premio speciale Flaiano di Narrativa: Angelo Fabbrini, La valigetta dell’accordatore. La ricerca del suono perduto, Bagno a Ripoli: Passigli 2020; Francesco Durante, Camillo & Son. Vita e morte di due grandi giornalisti tra Italia e America, Lanciano (CH): Casa Editrice Carabba 2019 Premio Narrativa giovani, Claudia Petrucci, L’esercizio, La nave di Teseo 2020 Premio internazionale di Italianistica «La cultura italiana nel mondo»: Natalie Crohn Schmitt, Performing Commedia dell’Arte, 1570-1630, Routledge 2020; Sangjin Park, La Divina Commedia: l’epica cantata da Dante. Premio Mondello Critica: Giulio Ferroni, L’Italia di Dante. Viaggio nel paese della Commedia, La nave di Teseo 2020 Premio Mondello Opera Italiana: Chiara Valerio, Il cuore non si vede, Torino: Einaudi 2019; Ginevra Lamberti, Perché comincio dalla fine, Venezia: Marsilio 2019; Giorgio Fontana, Prima di noi, Palermo: Sellerio 2020 Premio Letterario Nazionale per la Donna Scrittrice «Rapallo»: Silvia Ballestra, La nuova stagione, Milano: Bompiani 2019; Melania G Mazzucco, L’architettrice, Torino: Einaudi 2019, Simona Vinci, Mai più sola nel bosco, Venezia: Marsilio 2019 Premio Vittorini: Marta Barone, Città sommersa, Milano: Bompiani 2020 Italienisch_84.indb 157 13.11.20 09: 38 15 8 Mitteilungen Tagungen/ Veranstaltungen 18 ./ 19 .2 .2021: L’esegesi petrarchesca e la formazione di comunità culturali Workshop in italienischer Sprache Organisation: Sabrina Stroppa (Università degli Studi di Torino) und Bernhard Huss (Freie Universität Berlin) Weitere Teilnehmer*innen: Gennaro Ferrante (Università degli Studi di Napoli Federico II), Michele Rossi (Pennsylvania State University), Franco Tomasi (Università degli Studi di Padova), Selene Maria Vatteroni (Scuola Superiore Meridionale Napoli), Francesco Venturi (Universitetet i Oslo) und Nicole Volta (Università di Roma La Sapienza) In Zusammenarbeit mit EXC 2020 «Temporal Communities» (https: / / www .geisteswissenschaften .fu-berlin .de/ italienzentrum) 19 bis 25 .5 .2021, Accademia Vivarium Novum, Villa Falconieri-Frascati: Il possibile e il limite. Nuovi paradigmi per ripensare la natura, la cultura e la società, III Scuola di studi avanzati e d’alta formazione del Laboratorio Leopardi (https: / / web .uniroma1 .it/ lableopardi/ ) 28 bis 30 .6 .2021: XXXIV Congresso dell’Associazione Internazionale dei Professori di Italiano, Universität Genf: «Scienza, arte e letteratura: lingue, narrazioni, culture che si incrociano» (https: / / www .unige .ch/ lettres/ roman/ unites/ italien/ congresso-aipi-2020) 9 bis 11 .12 .2021: «O natura, o natura». Leopardis Dichten und Denken der Natur Leopardi-Tag 2021 Tagung der Deutschen Leopardi-Gesellschaft am Romanischen Seminar der Universität Heidelberg Call for Papers: http: / / leopardi-gesellschaft .de/ aktuelles/ ; Einreichfrist: 10 .1 .2021 Italienische Literatur im Netz Das Dekameron Podcast des Italienzentrums der TU Dresden, Studierende lesen ausgewählte Novellen aus dem Dekameron, auf Deutsch und auf Italienisch http: / / rss .castbox .fm/ everest/ c652ab098b0d4f9a9057 3687c18663e4 .xml Dantedì. Insieme per Dante nel nostro futuro, oggi: Schauspieler*innen, Philolog*innen, Übersetzer*innen, Publizist*innen lesen aus Dantes Divina Commedia: http: / / www .dante2021 .it/ dantedi2020_d .html SUHRKAMP/ DISKURS#10: Maike Albath im Gespräch mit Karin Krieger über Elena Ferrante und Übersetzen, https: / / youtu .be/ _vdQs4CvKos Canale-12-Arndtstrasse: Der gemeinsame YouTube-Kanal von Italienstiftung/ Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien, Deutsch-Italienische Vereinigung e .V und Frankfurter Westend Galerie Italienisch_84.indb 158 13.11.20 09: 38 159 Mitteilungen Eingegangene Bücher Bartoli Kucher, Simona: Scritture in viaggio nel mediterraneo. Proposte di didattica integrativa tra lingua, letteratura e film Ospedaletto-Pisa: Pacini 2019 Bellardita, Alessandro: Fabrizio de André - die Essenz der Freiheit, Hamburg: Tredition 2020 Doering, Pia Claudia: Praktiken des Rechts in Boccaccios Decameron. Die novellistische Analyse juristischer Erkenntniswege Berlin: Erich Schmidt Verlag 2020 Handbuch europäische Sprachkritik online (HESO) Band 4/ 2019: Sprachinstitutionen und Sprachkritik Heidelberg University Publishing Kunst wird Macht. Gabriele D’Annunzio und Richard Wagner Hrsg von Immacolata Amodeo und Bettina Vogel-Walter, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2020 (Impulse - Villa Vigoni im Gespräch, Band 15) Ortheil, Hanns-Josef: Italienische Momente München: BTB 2020 Reato, Danilo: Das leere Venedig. Ein Sehnsuchtsort in der Zeitenwende Bonn: Edition Bonn-Venedig im Bonner Verlagscomptoir 2020 Vite allo specchio. Dieci nuovi protagonisti della scena letteraria italiana. Spiegelungen. Zehn neue literarische Stimmen aus Italien Freiburg: nonsolo Verlag 2018 Austauschzeitschriften Babylonia. Rivista per l’insegnamento e l’apprendimento delle lingue 1/ 2020 (Il francese in Svizzera) Italienisch_84.indb 159 13.11.20 09: 38 16 0 Mitteilungen Autorinnen und Autoren dieser Nummer Immacolata Amodeo, Prof .Dr ., Ernst-Bloch-Zentrum der Stadt Ludwigshafen am Rhein / Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Nicola Di Nino, Prof .Dr ., George-Mason-University, Fairfax, Virginia, USA Alice Favaro, Dott .ssa, Università Ca‘ Foscari, Venezia Peter Ihring, Prof .Dr ., Goethe-Universität Frankfurt am Main Roland Ißler, Dr ., Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Caroline Lüderssen, Dr , Privatdozentin, Goethe-Universität Frankfurt am Main Christoph Oliver Mayer, Dr ., Priv .-Doz ., Gastprofessor Humboldt-Universität zu Berlin Marco Mezzadri, Prof .Dr ., Università degli Studi di Parma Angela Oster, Dr ., Privatdozentin, Ludwig-Maximilians-Universität München Christine Ott, Prof .Dr ., Goethe-Universität Frankfurt am Main Daniela Pietrini, Prof .Dr ., Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Patrizia Piredda, Dr ., Roma Andreas Rossmann, Köln und Palermo Hermann H Wetzel, Prof .Dr ., Universität Regensburg Italienisch_84.indb 160 13.11.20 09: 38 D-69051 Heidelberg · Postfach 10 61 40 · Tel. (49) 62 21/ 77 02 60 · Fax (49) 62 21/ 77 02 69 Mehr Information unter www.winter-verlag.de · E-mail: info@winter-verlag.de Universitätsverlag w i n t e r Heidelberg wilhelm, raymund de roberto, elisa La scrittura privata a Milano alla fine del Quattrocento Testi del manoscritto miscellaneo di Giovanni de’Dazi (Triv 92) Volume I Studi 2020. xii, 393 Seiten. (Romanische Texte des Mittelalters, Band 4) Klappenbroschur € 56,- isbn 978-3-8253-4669-0 Il volume contiene una serie di studi linguistici sul codice Trivulziano 92 allestito a Milano da Giovanni de’ Dazi sul finire del xv secolo. Incentrati sulle dinamiche che interessano la lingua scritta a Milano negli ultimi decenni del Quattrocento, i singoli capitoli spaziano dalla morfologia nominale e verbale alle funzioni testuali della particella sì e alla morfosintassi del pronome soggetto, dalla sintassi del periodo e dall’uso di determinate formule all’analisi lessicale affidata al Glossario. Gli studi linguistici sono basati su un ampio corpus testuale, che abbraccia sia i testi trascritti dal Dazi, sia numerosi testimoni paralleli, manoscritti e a stampa, che documentano la dinamica discorsiva e linguistica di tali componimenti. L’incrocio della prospettiva filologica con quella linguistica permette di descrivere la “lingua del Dazi” come un registro sottoposto a spinte diverse e in parte contrastanti (attribuibili alla koinè settentrionale, al toscano, al dialetto parlato) e di profilarla come uno strumento in via di ristrutturazione. Romanistik Mediävistik