Italienisch
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Narr Verlag Tübingen
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2013
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttRobert Lukenda: Die Erinnerungsorte des Risorgimento. Genese und Entfaltung patriotischer Symbolik im Zeitalter der italienischen Nationalstaatsbildung. Würzburg: Königshausen & Neumann 2012, 276 Seiten, € 39,80
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2013
Richard Schwaderer
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125 Buchbesprechungen Robert Lukenda: Die Erinnerungsorte des Risorgimento. Genese und Entfaltung patriotischer Symbolik im Zeitalter der italienischen Nationalstaatsbildung . Würzburg: Königshausen & Neumann 2012, 276 Seiten, € 39,80 Diese am Fachbereich für Translations-, Sprach-, und Kulturwissenschaft der Universität Mainz (mit Sitz in Germersheim) angefertigte Dissertation stellt sich - fast noch rechtzeitig zum 150. Staatsjubiläum Italiens - eine anspruchsvolle Aufgabe. In der methodischen Nachfolge von Pierre Nora, der in der französischen Historiographie den Paradigmenwechsel von der ‹Geschichte der Fakten› zur ‹Geschichte der Erinnerungen an die Fakten› verwirklicht hat, 1 setzt sich der Verfasser zum Ziel, «Die Erinnerungsorte des Risorgimento» zu benennen und vorzustellen. Der Anspruch der Untersuchung ist also umfassend; er erstreckt sich auf die Gesamtheit der «luoghi della memoria» der italienischen Nationalbewegung - ein hohes, zweifellos nicht leicht zu verwirklichendes Ziel, bedenkt man die Problematik des Begriffs «Erinnerungsort», der ja bereits in seiner ursprünglichen Konzeption bei Nora weit über rein topographisch fassbare Phänomene hinausgeht und ein breites Spektrum von zu Symbolen erhobenen, ja zu Mythen ausgestalteten Fakten, Figuren und «Erzählungen» umfasst, die ihren Platz im «kollektiven Gedächtnis» einer Nation gefunden haben. Die Erforschung der italienischen Erinnerungsorte in den letzten beiden Jahrzehnten ist freilich bereits in mehreren großen Publikationen dokumentiert, die eine solide allgemeine Grundlage für die hier vorgelegte, detaillierte Untersuchung eines spezifischen Feldes innerhalb der italienischen «luoghi della memoria» bilden. 2 Was der jüngeren historischen und soziologischen Forschung zu den italienischen Erinnerungsorten des Risorgimento ihre besondere Relevanz verleiht, ist ihr enger Zusammenhang mit der seit den frühen 90er Jahren wieder besonders virulent gewordenen Diskussion um die nach wie vor problematische italienische nationale Identität. Lukenda lässt in Kap. 3 seiner Arbeit (S. 74 - 87) die verschiedenen Positionen der Forschung bei der Beurteilung des italienischen «nationalen Selbstfindungsprozesses», der in eine, wenn auch sehr problematische, nationale Identität mündet, Revue passieren. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist dagegen im Wesentlichen ein ‹archäologisches›: Es geht dem Vf. darum, die Wurzeln der patriotischen «Symbole» und «Mythen» - so die im weiteren Verlauf der Arbeit bevorzugten Bezeichnungen - im «Zeitraum der italienischen Vornationalstaatlichkeit» (S. 21) 2_IH_Italienisch_69.indd 125 2_IH_Italienisch_69.indd 125 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 126 Buchbesprechungen freizulegen und ihre «Entfaltung», aber bemerkenswerterweise auch bereits ihren teilweisen «Niedergang» bis zum Zeitpunkt der Nationalstaatsgründung 1860/ 61 darzustellen. Den beginnenden Niedergang setzt Lukenda ab 1848 an; von nun an erscheine das Risorgimento «bereits als geschichtlicher Prozess» (S. 24) und es finde eine «Gedächtnisentfremdung» (S. 25) statt. Hier sieht Lukenda die eigentliche Forschungslücke. Trotzdem scheint mir diese Einschränkung auf den Zeitraum von 1800 bis 1861 gerade in den Fällen herausragender Mythen 3 (oder «Erinnerungsorte», wenn man bei dem Begriff bleiben will) wie etwa der «Lega lombarda» 4 oder den «Vespri siciliani» 5 bedauerlich, weil gerade hier historische Längsschnitte den Wandel und die Vitalität der Mythen bis hinein in die heutige Zeit besonders deutlich hätten zeigen können. Diesen Reiz spürte offenbar auch der Vf., denn er erlaubt sich da und dort doch Ausflüge in die Zeit nach 1861 bis hinein in die faschistische Ära - was er auch vom Ansatz her begründet (S. 38). Die nationalpolitischen «Mythen» des Risorgimento manifestierten sich bekanntlich in sehr unterschiedlichen kulturellen Feldern, von der Literatur mit ihren verschiedenen Gattungen über den besonders wichtigen Bereich des melodramma, also der italienischen Oper, bis hin zur populären Historienmalerei eines Francesco Hayez oder Massimo D’Azeglio. In der vorliegenden Arbeit wird unter diesen Phänomenen klar die Literatur unter Einschluss der zeitgenössischen, publizierten Memorialistik präferiert; die Oper wird nur en passant gestreift, die Malerei erscheint zwar eindrucksvoll als Titelbild des Buchs und in sechs unkommentierten kleinen Schwarz-Weiß-Abbildungen am Schluss, wird aber leider nicht näher behandelt. Somit ist diese Untersuchung letztlich innerhalb von zwei methodischen Traditionen angesiedelt, nämlich der Literaturwissenschaft und der Geschichtswissenschaft. Je nachdem, welcher Zugang gewählt wird, erscheinen die zu betrachtenden Texte entweder als ästhetisch definierte Kunstwerke, die nach entsprechenden Kriterien zu bewerten sind, oder - und dies ist hier häufiger der Fall - als sozialhistorische Quellen, die mit den Verfahren der Quellenkritik zu analysieren sind. Innerhalb dieser selbst gewählten Grenzen ist die vorliegende Arbeit eine originelle, reichhaltige und vielseitige Untersuchung, deren Lektüre unbedingt lohnt. Für den ihn interessierenden Zeitraum vom Beginn des 19. Jhs. bis zur italienischen Staatsgründung postuliert Lukenda eine «im Kern kohärente nationale Erinnerungssemantik» (S. 21), was nicht bestritten werden soll, denkt man etwa an Ugo Foscolos berühmtestes Gedicht «Dei sepolcri» (1807), in dem die Reihe der verewigten Heroen der italienischen Kultur mit Dante an der Spitze erscheint. Dieser eindeutig kulturell orientierte Kanon nationaler Größe 6 erfährt, so das Ergebnis der Analyse, eine entschiedene Bedeutungsverschiebung hin zu einer politischen Mythenbildung und einer Symbolik, die einer politisch aktiven, ja zum Teil revolutionär-militanten 2_IH_Italienisch_69.indd 126 2_IH_Italienisch_69.indd 126 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 127 Buchbesprechungen Bewegung - eben dem später so genannten «Risorgimento» - angemessen sein sollte. 7 Der Frage, in wie weit die neuen, «militanten» 8 Mythen dazu geeignet waren, eine bewaffnete Unterstützung der Nationalbewegung nicht nur bei der schmalen gebildeten Schicht, sondern auch beim sogenannten «popolo» zu erwirken, stellt sich der Vf. ebenfalls; nach seiner Überzeugung wurde «eine kurzzeitige Einheit von Elite und Volk» auf dem Höhepunkt der Nationalbewegung, nämlich in den Aufständen und Kriegen der Jahre 1848/ 49 tatsächlich erreicht. Betrachten wir nun die Untersuchung in der Abfolge ihrer einzelnen Schritte. Sie setzt ein mit einem mit «Einleitung» überschriebenen Kapitel 1 (S. 11 - 38), das aus drei Abschnitten besteht, die jedoch nicht eigens hervorgehoben werden. Zunächst wird in einem kurzen Forschungsbericht die jüngere historiographische Risorgimento-Forschung skizziert, gefolgt von einer Darstellung der theoretischen Grundlagen der Arbeit, die, wie oben schon erwähnt, auf Pierre Noras Modell, aber auch auf verwandten Begriffen wie dem des «kollektiven Gedächtnis» (M. Halbwachs) und des «kulturellen Gedächtnis» (A. und J. Assmann) sowie dem jüngeren Begriff der «Erinnerungskonkurrenz» (Wodianka) beruhen. Dazu kommt ein Blick auf spezifische Referenzwerke zum Thema, unter denen zu Recht die Arbeiten von Manuela Heidler 9 und Peter Ihring 10 eine besondere Hervorhebung erfahren. Darauf folgt ein Aufriss des Plans der Arbeit (S. 25 ff.) mit der abschließenden Formulierung der Erkenntnisziele. 11 Der Hauptteil gliedert sich demnach in vier, in Umfang und Gewicht ungleiche «thematische Blöcke» (S. 25), die in der Folge als Kapitel zwei bis fünf erscheinen. Dabei ist grundsätzlich der chronologische Aufbau vom Anfang des Jahrhunderts bis 1860/ 61 gewahrt; er tritt aber zuweilen in Konkurrenz zu typologisch/ thematischen Ordnungsprinzipien. So werden etwa in Kap. 2 («Die Wurzeln des Nationalen: Vergangenheit, Erinnerung und Risorgimento», S. 39 -74) einerseits die «Anfänge und Grundzüge einer nationalen Erinnerungskultur» dargestellt, die im revolutionären «triennio repubblicano» (1796 bis 1799) anzusetzen sind; andererseits wird die patriotische Idealfigur des «poeta-soldato» vom frühen Vertreter Ugo Foscolo bis hin zu Ippolito Nievo entwickelt, was logischerweise den gesamten Zeitraum der Untersuchung vom Jahrhundertbeginn bis 1860/ 61 einbezieht. Dasselbe Verfahren benutzt Lukenda in Bezug auf die patriotische «poesia popolare» der ersten Jahrhunderthälfte und die von ihm so genannten «Narrative des Nationalen» (im Klartext: patriotische historische Romane und Geschichtsdramen), in denen er eine «Strategie der Geschichtsmelodramatisierung» (S. 73) - in der Nachfolge der These von Peter Ihring - zum Zweck der «revolutionären Mobilmachung» (ebd.) am Werk sieht. Das «Erinnerungsrepertoire» (Lukenda) wird also, so der Tenor des Kapitels, für die politischen Bestrebungen der Gegenwart zugerichtet und ihnen dienstbar 2_IH_Italienisch_69.indd 127 2_IH_Italienisch_69.indd 127 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 128 Buchbesprechungen gemacht. Am deutlichsten beobachtbar wird dies vielleicht im berühmten «Canto nazionale» «Fratelli d’Italia» Goffredo Mamelis von 1847 (seit 2005 die offizielle italienische Nationalhymne), den der Vf. des Öfteren (so schon unter den ‹motti› des Buchs) zitiert. Bezeichnenderweise finden sich fast alle bedeutsamen, in der vorliegenden Studie dargestellten «luoghi della memoria» im Lied Mamelis als Motive explizit oder implizit bereits erwähnt. Man könnte also, pointiert ausgedrückt, durchaus sagen, bei Mamelis «canto» handle es sich um eine Art ‹Makro-Erinnerungsort›, der so gut wie alle einzelnen «luoghi della memoria» der italienischen Nationalbewegung einschließt. Mamelis Lied hätte deshalb nach meinem Dafürhalten eine eigenständige Betrachtung in einem eigenen Kapitel verdient. Das kurze Kapitel 3 mit dem zunächst etwas rätselhaften Titel «Kanon und/ oder Konkurrenz: Das patriotische Gedächtnis im Zeitalter des nationalen Aufbruchs» (S. 74 - 87) diskutiert die Positionen der historischen Forschung zur Frage: War die Bewegung des Risorgimento ein revolutionäres Massenphänomen und schufen die «luoghi della memoria» der italienischen patriotischen Bewegung ein starkes, mit anderen Nationen vergleichbares nationales Identitätsbewusstsein? Lukenda folgt mit seiner positiven, aber doch vorsichtig differenzierenden Beantwortung der Frage hier im Wesentlichen Banti und Isnenghi, die ihrerseits letztlich Benedetto Croces Wort von der «geglückten Nationwerdung» aufnehmen. Insbesondere bezieht er sich auf Franco Cardini 12 und dessen Begriff einer «confederazione dei miti patriottici» (S. 84). Lukenda gelangt schließlich zu der Kompromissformel, der «patriotische Gedächtnisentwurf» weise zwar keinen «ideologischen», wohl aber einen «kulturellen Zusammenhalt» (S. 85) auf. Kapitel 4 («Die Erinnerungsorte des Risorgimento», S. 88 - 249) umfasst den umfangreichsten und zugleich am Klarsten strukturierten Teil der Arbeit. Zunächst zeichnet der Vf. die Entwicklung des Eigenbilds Italiens vom klassischen, unvergänglichen, rein ästhetisch konnotierten «bel paese» zum «Erinnerungsraum» und damit zu einer von patriotischen ‹landmarks› durchsetzten «revolutionären Geographie» (S. 130) nach. Dies ist m. E. einer der originellsten und am gewinnbringendsten zu lesenden Teile der Untersuchung, in dem auch zahlreiche kaum bekannte literarische Quellentexte erschlossen werden; hier erscheint etwa der Mythos der «Alpi» als - leider oft erstürmter - Grenzwall gegen die nordischen Barbaren (S. 115 ff.) ebenso wie der Mythos des «mezzogiorno» als «terrestre paradiso und Elendstopographie» (S. 119 ff.) und der der italienischen «campagna», die nun laut Luigi Mercantinis «Inno di Garibaldi» von 1859 von der «terra dei fiori» zur «terra dell’armi» zurückkehren soll (S. 136). Der Abschnitt 4.3 «Die Erinnerungsorte des Risorgimento: Vergangenheit und Gegenwart» enthält den thematischen Kern der gesamten Untersuchung: In chronologischer Reihung werden der 2_IH_Italienisch_69.indd 128 2_IH_Italienisch_69.indd 128 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 129 Buchbesprechungen «Lombardische Bund», die «sizilianische Vesper», der «Untergang der Republik Florenz 1530», der sogenannte «Balilla-Aufstand» in Genua 1746, Papst Pius IX. als problematische nationale Ikone sowie die seit 1848 im Mittelpunkt stehenden «martiri und volontari als nationale Avantgarden» in jeweils verschiedener, konkurrierender Erinnerungssicht vorgestellt. Auf die einzelnen, auf zahlreiche bislang kaum wahrgenommene Quellen gestützten, umfangreichen und verdienstvollen Analysen kann hier aus Raumgründen nicht eingegangen werden. In ihnen wird deutlich, wie stark die Unterschiede in der politischen Einfärbung der Mythen ausgeprägt sind, je nachdem ob der in die politischen Geschehnisse der Risorgimento-Epoche involvierte Interpret dem mazzinianisch-demokratischen oder dem moderaten Flügel des Risorgimento nahestand oder gar zu den Gegnern der Nationalbewegung gehörte. Die Ausführungen versammeln die zahlreichen Quellen und Urteile aus der Feder einer großen Zahl von Persönlichkeiten der Zeit des Risorgimento und der späteren historischen Forschung, allerdings in oft recht bunter, assoziativer Reihung. So entsteht zwar ein dichtes und vielfarbiges Mosaik von Interpretationen, doch wäre es wohl der Klarheit zuträglicher gewesen, wenn die Diskursstrategien der verschiedenen politischen Lager und die Entwicklungslinien der verschiedenartigen Interpretationen der «luoghi della memoria» voneinander getrennt dargestellt worden wären. Das abschließende Kap. 5 (S. 250-57), das den anspruchsvollen Titel «‹poesia di unione e passioni di separamento›: ‹Horizonte› und Diskurse des Nationalen vom Risorgimento bis in die Gegenwart (ein Abriss)» trägt, hätte ohne Verlust auch als ‹Zusammenfassung und Ausblick› firmieren können. Der Kern des hier zu lesenden, differenzierten Fazits sei deshalb zitiert: «Aus der Perspektive der historischen Erinnerungen ist die Geschichte der italienischen Selbstfindung eine Geschichte der geteilten und der teilenden Erinnerung, der Harmonie und Dissonanz, der Kontinuität und des Bruchs und damit eine Geschichte des Erfolgs und des Scheiterns zugleich.» (S. 252) Dass diese «Selbstfindung» noch immer nicht abgeschlossen ist, haben die Ereignisse der italienischen Geschichte der letzten 150 Jahre immer wieder deutlich werden lassen. Der Vf. sieht mit Blick auf ihren Verlauf abschließend «in den angeblichen Oppositionen viel mehr Vereinigendes als Trennendes» (S. 256). Dies sei dahin gestellt, doch zweifellos hat die hier vorgestellte Untersuchung die genetische Vielgestaltigkeit und Einzigartigkeit der politischen «italianità» um Vieles deutlicher werden lassen. Abschließend sei kritisch angemerkt, dass die an Quellentexten und zitierten Positionen der Forschung so reiche Untersuchung sehr unter dem Fehlen eines Personen- und Sachregisters leidet. Ebenfalls der Übersichtlichkeit dienlich gewesen wäre eine Aufteilung des Literaturverzeichnisses in Primär- und Sekundärliteratur. 13 Insgesamt hat Robert Lukenda aber mit dieser 2_IH_Italienisch_69.indd 129 2_IH_Italienisch_69.indd 129 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 130 Buchbesprechungen breit angelegten und gründlichen Studie die deutschsprachige Risorgimentoforschung ein gutes Stück vorangebracht. Richard Schwaderer Anmerkungen 1 Pierre Nora charakterisiert seine «Geschichtsbetrachtung» wie folgt: «La voie est ouverte à une tout autre histoire: non plus les déterminants, mais leurs effets; non plus les actions mémorisées ni même commémorées, mais la trace de ces actions et le jeu de ces commémorations; pas les événements pour eux-mêmes, mais leur construction dans le temps, l’effacement et la résurgence de leurs significations ; non le passé tel qu’il s’est passé, mais ses réemplois successifs; pas la tradition, mais la manière dont elle s’est constituée et transmise.» P. Nora, «Comment on écrit l’histoire de France». Les Lieux de mémoire, Les France, tome III, vol. 1, 1993, S. 24. 2 Wie von Lukenda in seinem Forschungsüberblick dargelegt, sind hier vor allem die zahlreichen Einzelstudien und Überblicksdarstellungen von Mario Isnenghi zu nennen, insbesondere das von ihm herausgegebene umfangreiche Werk I luoghi della memoria, 3 Bde., Roma-Bari 1996-97, das sich auf die «Italia unita» bezieht, aber auch die unmittelbare Vorgeschichte beleuchtet. Nicht mehr berücksichtigen konnte der Vf. der vorliegenden Studie die neue Publikation Isnenghis, Storia d’Italia. I fatti e le percezioni dal Risorgimento alla società dello spet-tacolo, Roma-Bari: Laterza 2011. Ebenfalls der neuen methodischen Betrachtungsweise verpflichtet sind die umfassenden Arbeiten von Mario Alberto Banti, La nazione del Risorgimento, Torino 2000 und Il Risorgimento italiano, Roma-Bari 2004, sowie der von Banti und Paul Ginsborg verantwortete Band: Il Risorgimento, in: Storia d’Italia, Reihe Gli Annali, 22, Torino: Ei-naudi 2007, an dem zahlreiche Gelehrte mitgearbeitet haben. Isnenghi verdankt die vorliegende Arbeit auch die wichtige Definition für die Besonderheit der italienischen kollektiven «memoria». Dieser prägte den Begriff der «memoria divisa e condivisa», also einer im doppelten Sinne «geteilten» Erinnerung. Gemeint ist die Tatsache, dass zwar ein kollektives italienisches Gedächtnis («memoria condivisa») existiert, die einzelnen «luoghi» jedoch je nach politischer Einstellung ganz unterschiedlich «erinnert» und bewertet werden («memoria divisa»). In diese Richtung argumentiert auch die vorliegende Untersuchung. 3 Eine eingehende Erläuterung seines Verständnisses des Begriffs «Mythos» verschiebt der Vf. aus nicht deutlich werdenden Gründen auf die Seiten 237-41 der vorliegenden Arbeit. 4 Vgl. hierzu S. 139-51. 5 Vgl. hierzu S. 152-71. 6 Die Untersuchung benutzt im Hinblick auf die großen Leistungen der italienischen Kultur durchweg den italienischen Begriff der «Grandezza» (S. 39 u.ö.), was etwas unglücklich ist, denn laut Dudens Wörterbuch (Ausgabe 2009) meint dieser als Fremdwort im Deutschen gebrauchte Begriff nur «würdevoll-elegantes Benehmen», was in diesem Zusammenhang natürlich nicht gemeint sein kann. 7 Lukenda spricht in diesem Bedeutungszusammenhang einmal plakativ, aber sprachlich nicht sehr glücklich von einem stattfindenden «Wertewandel von der Kulturalität zur Kombattivität». (S. 213) 2_IH_Italienisch_69.indd 130 2_IH_Italienisch_69.indd 130 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 131 Buchbesprechungen 8 Der Begriff nimmt den der «Militanz» auf, der in der vorliegenden Untersuchung durchgehend als wesentliches Charakteristikum der «Erinnerungsorte» des Risorgimento benutzt wird. 9 L’interpretazione della storia nella letteratura del Risorgimento, Freiburg/ Br. 1976. 10 Die beweinte Nation: Melodramatik und Patriotismus im «romanzo storico risorgimentale», Tübingen 1999. Vgl. hierzu auch die Rezension des Verf. in Italienisch, H. 45 (2001), S. 93-97. 11 Da das Ziel einigermaßen diffus ist, sei hier der entsprechende Absatz auf S. 38 zitiert: «Dem Rahmen dieser Arbeit entsprechend wird sich die Analyse des nationalen Erinnerungsrepertoires darauf konzentrieren, im weiten literarischen Spektrum und diskursiven Durcheinander des patriotischen Zeitalters jene wesentlichen Elemente - ideologische Standpunkte, Vergangenheitsvorstellungen, Ideen usw. - herauszuarbeiten, die den Symbolisierungsprozess des Nationalen grundsätzlich prägen.» 12 F. Cardini, «Federico Barbarossa e il romanticismo italiano», in: R. Elze / P. Schiera (Hrsg.): Italia e Germania. Immagini, modelli, miti fra due popoli nell’Ottocento: Il medioevo, Bologna-Berlin 1988, S. 83 -126. 13 Angemerkt sei auch noch, dass stilistisch holprige Formulierungen sowie nicht immer glückliche lexikalische Neuschöpfungen (z. B. «Exzesshaftigkeit», «Aggressivierung», «Vornationalstaatlichkeit», «lega-Narration», «erinnerungskulturelle Relevanz», «identitäre Selbstfindung» u. ä.) die Lektüre vieler Passagen etwas mühsam machen. Im Text finden sich dagegen kaum Druckfehler, sieht man von der fast durchgehenden Schreibung von Giovanni Berchets «Lettera semiseria» als «semisera» oder «lies» (S. 153) statt «ließ», «Prozesses» (S. 233) statt «Prozess» und «Dissenz» (S. 250) (statt «Dissens») ab. 2_IH_Italienisch_69.indd 131 2_IH_Italienisch_69.indd 131 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05