Italienisch
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Narr Verlag Tübingen
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2013
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttIn Erinnerung an Prof. Dr. Hartmut Köhler (1940-2012)
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Karl Hölz
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14 6 Mitteilungen In Erinnerung an Prof.Dr. Hartmut Köhler (1940 - 2012) Wir haben eines Kollegen zu gedenken, der als hoch geehrter Wissenschaftler das Fach Romanistik in den Jahren seiner Tätigkeit an der Universität Trier entscheidend geprägt hat. Hartmut Köhler hat selbst in den rauen Zeiten der Struktur- und Reformdebatten unbeirrt an seinen Vorstellungen von einer humanen und kulturgeleiteten Werteordnung festgehalten und damit der Fächergruppe Romanistik ein überzeugendes bildungspolitisches Profil verliehen. Er war von seiner vielseitigen sprachlichen und kulturellen Kompetenz her wie geschaffen dafür, ein so grenzüberschreitendes Fach wie die Romanistik in seiner vollen Breite wissenschaftlich zu vertreten. Natürlich hat er die Kernfächer Französisch, Italienisch, Spanisch kontinuierlich und im wahren Sinne bis zu seinem plötzlichen Tod gelehrt. Mit einem bewundernswerten Gespür für kulturelle Höhenkämme und mit noch bewundernswerterer Energie auch für sperrige und mitunter voluminöse Werke der romanischen Literatur setzte er wahrlich unvergessene Akzente innerhalb der akademischen Lehre und Forschung. Was wäre die Romanistik ohne die symbolträchtige Welterschließung des mittelalterlichen Denkers Dante, was wäre sie ohne Petrarcas wirkungsmächtige idealistische Liebeslyrik, wie könnte sie ohne die barocke Lebensphilosophie der spanischen Größen Gracián, Góngora oder Cervantes glänzen und wie könnte schließlich der Französist etwa ohne die klassischen Komödiendichter Corneille und Molière oder den scharfsinnigen Denker Valéry auskommen? Aber fast noch wichtiger als der Bekanntheitsgrad der Autoren ist für Hartmut Köhler die Wertigkeit ihrer literarischen Botschaft. Hartmut Köhlers offener Blick auf kulturelle Vielfalt und Wertigkeit wird vor allem in einem Sonderbereich seiner kulturellen Anlagen produktiv. Er hat einen gewichtigen Teil seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten dem Übersetzen gewidmet. Einmal mehr werden hier die engeren Sprachgrenzen innerhalb der Romania leichtfüßig oder soll ich sagen leichtzüngig überschritten. Hartmut Köhler übersetzt französische Literatur und Literaturtheorie genau so werktreu und leserfreundlich, wie er italienische Autoren und spanische Literaturwerke dem deutschen Leser nahebringt. Der 1990 zuerkannte Paul- Celan-Preis für Übersetzung und der 2008 verliehene Johann-Friedrich-von- Cotta-Übersetzerpreis zollen Hartmut Köhlers Beitrag zur interkulturellen Verständigung die gebührende Hochachtung. Bewunderung verdient die Wortgewandtheit und Kulturkompetenz des Übersetzers etwa vor allem dann, 2_IH_Italienisch_69.indd 146 2_IH_Italienisch_69.indd 146 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 147 Mitteilungen wenn Sprachspiele und gedankliche Verdichtungen und Pointen den Text strukturieren und zudem noch über die barocke Bildsprache unserem prosaischen Vorstellungsvermögen entrücken. Eben dieser Schwierigkeit hat sich Hartmut Köhler in seiner über 1000 Seiten umfassenden Übersetzung des Criticòn von Baltasar Gracián gegenüber gesehen. Die nationale und internationale Kritik hat einhellig seine philologische und sprachschöpferische Leistung in höchsten Tönen gelobt. Nicht anders erging es mit der Aufnahme seitens der Fachkritiker und vor allem auch seitens der Kollegen der Dante- Gesellschaft für Köhlers dreibändige kommentierte und übersetzte Ausgabe von Dantes Divina Commedia.* Wiederum ein Lebenswerk, das einzig der unerschütterlichen Arbeitsdisziplin, dem kulturellen Energieschub und dem unstillbaren Wissensdurst unseres Kollegen geschuldet ist. Hartmut Köhler hat wahrlich Großes hinterlassen. Wer ihn kannte und wer seine Werke gelesen hat, weiß, dass sich seine Gelehrsamkeit nie besserwisserisch in Szene gesetzt hat. Ja die Fabulierkunst des Übersetzers und Kommentators hinterlässt Spuren in seiner Physiognomie. In ihr zeichnen sich durchaus Schmunzelfalten einer in sich ruhenden Persönlichkeit ab. Man hat die ironische Mimik förmlich vor Augen, wenn man liest, wie Hartmut Köhler behutsam etwa seine Übersetzungs-Leistung des Gracián von der seines Vorgängers abhebt. Hanns Studniczka hat bis zu seinem Tod 1975 das Typoskript einer nahezu vollständigen Übersetzung des Kritikon hinterlassen. Hartmut Köhler konnte sich mit der freien Übersetzung der Vorlage nicht zufrieden geben. Er sah sich - getreu seinem philologischen Ansatz und dem Respekt vor dem Original - genötigt, eine neue ausgangssprachlich orientierte Übertragung des Gracián-Textes vorzunehmen. Seine Kritik aber an Studniczka mündet nicht in eine vernichtende Absage an seinen Vorgänger. Im Gegenteil. Mit dem Topos von der vita eterna des Dichters und mit dem bei Gracián hierauf gründenden Motiv von der Insel der Glückseligen nimmt die Beziehung von Erst- und Zweitübersetzung eine ganz andere Wende: «Es musste selbst gewagt werden, und über das Ergebnis herrscht bei mir alles andere als Gewissheit. Doch war mir das Beispiel Hanns Studniczkas, sein immenser Mut und seine Beharrlichkeit all die Jahre über Ansporn. Ohne ihn wäre dieser neue Versuch niemals zustande gekommen, und ich kann nur hoffen, er wird mich eines Tages dort drüben nicht allzu rau empfangen. Sollte es eine Insel der Unsterblichkeit geben und sie von Tinte umflossen sein, wie unser Autor es sich so kühn-verschroben vorstellt, so gebührt ohnehin nur ihm dort ein Plätzchen. Er hat mit Tinte geschrieben, ich natürlich mit dem Computer.» 2_IH_Italienisch_69.indd 147 2_IH_Italienisch_69.indd 147 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05 14 8 Mitteilungen Der selbstironische Blick auf den Wert der Eigenleistung ist sicherlich ein Persönlichkeits-Merkmal, das unsere Erinnerung an den Kollegen und Freund Hartmut Köhler nachhaltig begleiten wird. Wir greifen daher gerne seine eigenen Worte auf und geben unserer Überzeugung Ausdruck, dass auch Hartmut Köhler nunmehr seinen Platz auf der Insel der Glückseligen gefunden hat. Vielleicht ist es kein Zufall, dass gerade Dantes Commedia sein Lebenswerk beschließt. Hartmut Köhler hat seinen akademischen und persönlichen Weg eben mit Dante und dem Aufstieg in die Himmelssphären hin zur Rose der Seligen beendet, und wir dürfen davon ausgehen, dass der in der Commedia formulierte hohe ethische Anspruch, das Leben in Übereinstimmung mit der göttlichen Weltordnung zu führen, sinngemäß auch für seinen Übersetzer galt. Karl Hölz * Im Mai 2012 sprach Hartmut Köhler in der Deutsch-Italienischen Vereinigung e.V. über seine Übersetzung der Commedia. Das Gespräch ist in Italienisch 68, November 2012, S. 2 - 18, veröffentlicht. Dante-Tagung 2012 in Konstanz: «Geist und Geld» Vom 12. bis 14. Oktober 2012 fand im Ratssaal der Stadt Konstanz die 89. Jahrestagung der Deutschen Dante-Gesellschaft (DDG) statt, die am Freitag- Nachmittag mit einer Vernissage im BildungsTURM der Stadt Konstanz begann, wo die Ausstellung Dante & das irdische Jenseits - die Göttliche Komödie in malerischen Interpretationen mit Werken von Monika Beisner eröffnet wurde. Die eigentliche Jahrestagung wurde dann am Samstag-Morgen durch den Präsidenten der DDG, Winfried Wehle, feierlich eröffnet. Nach Grußworten von Oberbürgermeister Uli Burchardt, Magnifizenz Ulrich Rüdiger und dem italienischen Konsul aus Freiburg, Dott. Filippo Romano, sprach Frank-Rutger Hausmann (Freiburg) über: «Die Deutsche Dante-Gesellschaft im geteilten Deutschland». Darin zeichnete der Vortragende die Entstehungsgeschichte seines im April 2012 erschienenen gleichnamigen Buches nach und hob vier Aspekte hervor: Die Forschungslage, eine kurze Geschichte der DDG bis zum Zweiten Weltkrieg, ihr Schicksal im geteilten Deutschland und die Quellenlage zu seinem Buch samt den damit verbundenen Problemen. Danach sprach Thomas S. Hoffmann (Hagen) über «‹Il maladetto fiore›. Philosophie und Psychologie des Geldes bei Dante». Dante interessiere vor allem, was das Geld moralisch mit den Menschen mache, weshalb es bei ihm auch keine ökonomischen Vorstellungen vom Geld gebe. Diesen Grundgedanken verfolgte der Vortrag über eine Reihe von Dante-Passagen hinweg, 2_IH_Italienisch_69.indd 148 2_IH_Italienisch_69.indd 148 23.04.13 16: 05 23.04.13 16: 05
