eJournals Italienisch 35/70

Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2013
3570 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Marco Gatto/Luca Viglialoro: L'esperienza dell'arte. Un percorso estetico tra moderno e postmoderno. Giulianova (Teramo): Galaad 2011, pp. 320, € 14,00 (Gli "Alberi" Saggi n. 5)

121
2013
Sven Thorsten Kilian
ita35700134
13 4 Kurzrezensionen Marco Gatto/ Luca Viglialoro: L’esperienza dell’arte. Un percorso estetico tra moderno e postmoderno. Giulianova (Teramo): Galaad 2011, pp. 320, € 14,00 (Gli «Alberi» Saggi n. 5) Der Band geht einer schon seit geraumer Zeit virulenten Fragestellung nach, akzentuiert diese allerdings, so geben es die Herausgeber in ihren beiden einleitenden Texten jedenfalls vor, von vornherein durch ein im weitesten Sinne ethisches Gebot. Es handele sich bei der ästhetischen Erfahrung - wobei der Titel präzisiert, dass hier allein die Erfahrung mit der Kunst gemeint ist - um einen zentralen Modus menschlichen Seins, der sich gerade durch seine Widerständigkeit gegenüber medialer Vereinnahmung in der Konsumgesellschaft auszeichne. Sowohl Gatto als auch Viglialoro weisen auf die Spannung hin, in der sich die ästhetische Erfahrung des Subjekts verortet: Sie steht für sich und ist doch vergleichbar; sie bewahrt einen unsagbaren Kern und lässt sich doch teilen. Eine in dieser Hinsicht notwendige Problematisierung der benjaminischen Begriffe und der Frage nach der ‹ästhetischen Erfahrung› überhaupt nehmen die drei umfangreichsten und theoretisch anspruchvollsten Aufsätze des Bandes vor. Luca Viglialoro geht ausführlich auf Walter Benjamins so berühmten wie in mancher Hinsicht aporetischen ‹Erzähleraufsatz› ein und legt zumindest implizit auch dessen normative poetologische Position frei. Marco Gatto hingegen versucht, am Beispiel Glenn Gould, Benjamin gewissermaßen mit seinem Gegenteil zu versöhnen und erklärt, warum gerade ein Pianist, der sich ausschließlich der technisch reproduzierten Verbreitung seiner Kunst verschrieben hat, die Gesetze der Kulturindustrie außer Kraft setzt. Über die eigentliche Zielsetzung der Herausgeber hinaus geht schließlich Antonio Lucci mit seiner gut gemachten Synthese der Musikphilosophie Peter Sloterdijks, die die ästhetische Erfahrung an den Pulsschlag eines ‹Ontorhythmus› zurückführt. Damit schlägt das lesenswerte Buch einen dem Thema angemessenen weiten Bogen, der nur zu einer weiteren kreativen Auseinandersetzung - und gelegentlich sicher auch zu Widerspruch - anregen kann. Ausgehend von der skizzierten, auf aktuelle Kunstmarktverhältnisse angewendeten benjaminischen Prämisse, öffnen die weiteren Beiträge ein breites Spektrum an Gegenständen und Zugängen, denen Benjamins Erzähleraufsatz und dessen Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (beide 1936) als theoretische Folien gemeinsam sind. Die Auswahl der Texte und Kunstwerke, auf die Bezug genommen wird, reicht von Descartes’ Erster Meditation (1641) bis zu David Lynchs Film Inland Empire (2006) und zeigt an, dass die generische Verortung des Untertitels wohl nicht in einem 2_IH_Italienisch_70.indd 134 30.10.13 09: 25 135 Kurzrezensionen streng epochengeschichtlichen Sinne verstanden werden will, sondern dass es gerade um ein selbst möglicherweise epochales ‹Dazwischen› geht, in dem, wie Gatto schreibt, die ästhetische Erfahrung der universellen Austauschbarkeit der Postmoderne eine potentielle ‹Verwundbarkeit› entgegensetzt. Mit Descartes zu beginnen, erscheint keineswegs zufällig. Simone Guidi zeichnet das Fortschreiten von quasimystischer Einkehr zu universalisierbarer Methodik anhand der barocken Metapher des ‹mentalen Theaters› nach. Aus der Selbstinszenierung des zur Reklusion gezwungenen Denkers folgt hier das Urteil über die Ununterscheidbarkeit von Realität und Fiktion und schließlich die Reduktion auf das einzig verlässliche und kommunizierbare cogito. Der Übergang zu den in sich disparaten Ästhetiken des Zwanzigsten Jahrhunderts, die die Beiträger in Rekursen auf die Lyrik (Giuseppe D’Acunto über Giuseppe Ungaretti), die Narrativik (Alessandro Gaudio über Guido Morselli) und den Film (Mattia Artibani über David Lynch) beleuchten, ist allerdings gewagt. Geht es Descartes um die Erfahrung des Zweifels und die sich aus diesem konstituierende ratio, so stehen bei den besprochenen Künstlern doch gerade die rational nicht greifbaren Phänomene im Vordergrund, die vielleicht auch deshalb so schwer zu beschreiben sind, weil wir uns mit Begriffen wie ‹Aura› und ‹Inspiration› nicht mehr leichtfertig zufrieden geben. Sven Thorsten Kilian 2_IH_Italienisch_70.indd 135 30.10.13 09: 25