Italienisch
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Narr Verlag Tübingen
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttJennifer Burns: Migrant Imaginaries. Figures in Italian Migration Literature. Edited by Pierpaolo Antonello and Robert Gordon. Frankfurt et al.: Peter Lang 2013 (= Italian Modernities. Vol 18), 220 Seiten, € 46,80
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Viktoria Adam
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14 0 Kurzrezensionen Jennifer Burns: Migrant Imaginaries. Figures in Italian Migration Literature edited by Pierpaolo antonello and robert gordon Frankfurt et al .: Peter Lang 2013 (= Italian Modernities Vol 18), 220 Seiten, € 46,80 Mit der Monographie Migrant Imaginaries . Figures in Italian Migration Literature hat Jennifer Burns, Associate Professor an der University of Warwick, einen aktuellen Beitrag zur italienischen Migrationsliteratur vorgelegt, der nicht nur den Erfolg der literarischen Texte, sondern auch das nachhaltige Interesse der Forschung an diesem Zweig der Gegenwartsliteratur deutlich macht Burns’ Studie, die eine Einleitung, fünf Kapitel, ein Nachwort, eine Bibliographie und einen Index umfasst, beschäftigt sich ausschließlich mit Autoren der sogenannten ‹ersten Generation›, die aus dem islamisch-arabischen Kulturraum nach Italien immigriert sind und seit 1990 die zeitgenössische Literaturszene bereichern Von insgesamt 15 Autoren, die Texte in italienischer Sprache verfassen, werden insbesondere Werke von Amor Dekhis, Amara Lakhous, Mohsen Melliti und Younis Tawfik interpretiert, in deren Zentrum die Migrationserfahrungen fiktiver Figuren stehen Wie Burns in der Einleitung des Buches ausführt, ist es das Ziel der Untersuchung, in einer thematisch gegliederten, textimmanenten Literaturanalyse die Bilder, Themen und Motive zu erhellen, welche die italienische Migrationsliteratur prägen Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Interpretation der dargestellten Affekte Die Monographie erhebt indes nicht den Anspruch, eine systematische Klassifizierung dieser Figurationen vorzulegen, sondern möchte vielmehr die Pluralität der Bilderwelten und möglicher Interpretationsmodi aufzeigen Dieser Ansatz spiegelt sich nach Burns im Titel ihrer Studie wider, der folgerichtig im Plural steht (Migrant Imaginaries) Burns veranschaulicht in Kapitel 1, das den Titel Identity trägt, dass das Thema der Identitätssuche untrennbar mit der Erfahrung der Migration verbunden ist und demzufolge eine zentrale Rolle in den dargestellten Werken einnimmt Ausgehend von determinierenden Faktoren, welche die Identität eines Menschen konstituieren, wie Nationalität, Religion oder Geschlecht, wird im close reading veranschaulicht, dass die Identitätssuche ein dynamischer Prozess ist, der parallel zur Migration der Figuren verläuft und sich gerade durch Begegnungen mit anderen Menschen manifestiert oder gar problematisiert 2_IH_Italienisch_71.indd 140 14.05.14 18: 22 141 Kurzrezensionen Unter dem Titel Memory geht das zweite Kapitel der Frage nach, wie die Migrationsliteratur das Erinnern als Ausdruck individueller und kollektiver Identität fokussiert Burns erläutert, dass einerseits individuelle Erinnerungen der Figuren inszeniert werden, andererseits die politische Geschichte ganzer Nationen dokumentiert wird, wie etwa in Amor Dekhis I lupi della notte, einem Roman, der anhand der Lebensgeschichte des Protagonisten den algerischen Bürgerkrieg nachzeichnet Neben diese Vergegenwärtigung historischer Ereignisse tritt die Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse, die meist in tagebuchartigen Notizen Ausdruck finden, wie etwa den «ululati» in Amara Lakhous Roman Scontro di civiltà per un ascensore a Piazza Vittorio In Kapitel 3, Home, schildert Burns, wie die Beschreibung der Heimatländer, denen sich die nach Italien immigrierten Protagonisten in ihrer Erinnerung zuwenden, dem Leser fremde Kulturen zugänglich macht und zugleich die dortigen gesellschaftlichen Missstände kritisiert Burns weist in diesem Kontext überzeugend nach, dass für die migrierenden Figuren Heimat keine feste Größe, sondern ein instabiles, wandelbares Konstrukt aus Erinnerungen ist, «a practice of […] (re)constructing affective attachements in and between places» (S 126) Diese These reflektiert das Titelbild des Buches, auf dem eine dunkelhäutige Handinnenfläche zu sehen ist, die ein kleines Haus aus Papier hält . 1 Evokationen Italiens werden in Kapitel 4, Place and Space, behandelt Dominant ist die realistische Darstellung des alltäglichen Lebens in italienischen Metropolen, die vor allem Lebensorte der multikulturellen Gemeinschaft vorstellt, wie zum Beispiel die Stazione Termini in Rom Als charakteristisch erweist sich ferner das Motiv des Umherstreifens, das die Heimatlosigkeit der Protagonisten demonstriert Diese Fremdheit, welche die Wahrnehmung der Figuren prägt, führt zu Imaginationen der vertrauten Heimat im Kontrast zur unbekannten Umgebung, in denen sich die Herkunftsländer der Migranten und die italienischen Stadtbilder wie ein Palimpsest überlagern Unter dem Titel Literature bildet das fünfte Kapitel die Schlussbetrachtung der Monographie, in der Burns zunächst das Motiv des Schreibens beleuchtet, das als metafiktionale Spiegelung in den narrativen Texten auftritt Im Licht ihrer Analyse erscheint diese mise en abyme vorwiegend als ein Instrument, um die oftmals traumatischen Erfahrungen der Migration zu verarbeiten Weitere Charakteristika der Migrationsliteratur, die Burns resümierend erwähnt, sind Pluralisierung, Heterogenität und Multiperspektivik An der Schnittstelle zwischen Autobiographie, Reiseliteratur, Kriegsliteratur und phantastischer Literatur lokalisierbar, veranschaulicht die Migrationsliteratur die Subjektivität menschlicher Wahrnehmung und stellt Autoritäten bewusst in Frage, indem sie dem Rezipienten fremde Länder und neuartige Geschichts- 2_IH_Italienisch_71.indd 141 14.05.14 18: 22 142 Kurzrezensionen entwürfe in ungewohnter Perspektive präsentiert Eine besondere Rolle kommt in diesem Kontext dem italienischen Kolonialismus zu, vor allem im Werk somalisch-stämmiger Schriftsteller Das Erzählen fremdartiger Sichtweisen jenseits von Stereotypen und Vorurteilen eröffnet einen facettenreichen, transkulturellen Dialog, dem die Texte nach Burns Einschätzung vornehmlich ihren kommerziellen Erfolg verdanken Dieser besteht allerdings nicht nur in den hohen Verkaufszahlen, sondern auch darin, dass die Werke längst im Programm renommierter Verlage, wie zum Beispiel Einaudi, etabliert sind Burns’ differenzierte Situierung der Migrationsliteratur in der italienischen und internationalen Literaturszene zeigt, dass die transkulturelle Literatur ein fester Bestandteil des zeitgenössischen Buchmarktes ist und nicht als ein zu vernachlässigendes Randphänomen betrachtet werden kann Burns’ Studie zeichnet sich durch eine stringente Gliederung, klare Definitionen und interessante Interpretationsansätze aus Zwar werden einzelne theoretische Diskurse, die bei einer Analyse der transkulturellen italophonen Literatur wichtig erscheinen, nur peripher gestreift - wie etwa die autobiographisch-autofiktionale Dimension der Texte oder die mediale (Selbst-) Inszenierung der Autoren -, dennoch tut dies der Qualität des Buches keinen Abbruch Insgesamt leistet die Monographie einen wertvollen Beitrag zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der italophonen Migrationsliteratur, dem - so bleibt zu hoffen - weitere fruchtbare Diskussionen folgen mögen Viktoria Adam anmerkung 1 Die Fotografie stammt von Donald Rodney und trägt den Titel «In the House of My Father» (1996-7) 2_IH_Italienisch_71.indd 142 14.05.14 18: 22